1? r o n i
Wroni. Novelle
iöaron Ferdinand
von Rothschild.
mm
sftjtöQ * 5
Leipzig: F.
A.
Brockhaus. 18 79 .
Das
Recht der Uebersetzung
ist Vorbehalten.
^te
Abendsonne dnrchglühtc das dunkle Grün
des Waldes Stämme
mit purpurnem
der hohen Bäume
Schimmer
und hob die
kräftig und scharf hervor.
Majestätisch sank die goldene Scheibe unter den flam¬ menden Horizont , im Scheiden noch mit den mannichfachsten Farben
und Schattirungcn
wellenförmigen
Hügel
zögernden Schrittes
bemalend .
Dann
die Dämmerung
mählich ihren friedlichen Schatten
die Hänge nahte
der sich
und breitete all¬
über die Thalcbcnc,
in welcher das saubere , von dem schmalen Fluß wie von einem silbernen Reifen umschlossene Städtchen lag. Dieses ergreifende Naturschauspiel ging unbeachtet an einem Manne vorüber , der in tiefes Sinnen versunken lange auf einem schroffen Fclsenvorsprung Die
cinbrechcnde Dunkelheit
Winseln
des Jagdhundes
und
das
verweilte. ungeduldige
an seiner Seite
mahnten
ihn endlich zum Aufbruch. Vroni.
1
2 „Ja , öit hast recht , Hektar " , sagte er , das Thier streichelnd ,
„ wenn
es späte Nacht
ich
che wir
noch
länger
warte
hcimkommcn .
wird
Auf , laß uns
gehen !" Der
Hund
Munter
sprang
ließ
sich nicht
er voran .
zweimal
anffordcrn.
In
ruhigem
Schritt
folgte
ihm
sein Gebieter .
Es
wurde
dunkel .
Das
Abcnd-
roth
verblich , und
in
lieblicher
Anmuth
strahlte
Mond
am
sternfunkelndcn
derer
schaute
zu seinem
Gefühl
der
Wchmuth
sem
Eindrücke
„Nur
einen
Firmament sanften
überkam
hingcbend , hielt Augenblick
ihn ,
die¬
er
er , den Kopf
ja , Alter , wie
in
schöner Nacht
von
unsympathischen
und
Ruhe
thun
Da
schlug
mir
im
in der
Gehen
seines
noch eine
Hundes
lieb¬
freien
Natur
Menschen !
zu sein,
Diese
Stille
gepriesene
Stille
so wohl ."
plötzlich
durch
die
und
sah
geringer
ihm
unbemerkt
Entfernung
gebliebene
Kapelle .
Er
blickte auf
eine bis dahin Ein
der offenen Pforte , voran
unbedeckten Hauptes
inne.
sehr ich es liebe,
einer Glocke an sein Ohr .
bewegte sich aus
sich
da unten zurück-
daS Läuten in
und
noch , Hektar , nur
kosend , „ du
fern
Wan¬ Ein
kchrc ! Ach " , sagte
allein
Der
Lichte empor .
kleine Weile , bevor ich zu den Leuten
weißt
.
der
in vollem Ornat , und
bunter
von Zug
der Priester wallte
den
Berg
hinab
dem
Städtchen
zu .
warten , bis die Procession er
zu Hektor .
Und
verschwunden
und
der Wallfahrer war ,
Alles , was
mit
unten
von
dem
der
er geflissentlich
zu meiden . Bergstcig
bequemen
ist " , sagte
die letzte Gestalt Chorgesang
leiseste Widerhall
mehr
Weg
wieder
in Berührung
den
doch
andächtigen
setzte er seinen der Welt
wollen
angelangt
erst nachdem
nicht
vernehmen
„ Wir
So
, den
zu fort.
stand , schien
verschmähte
er selbst
die Procession
hinab-
gczogcn war , und bahnte sich neben demselben
her einen
Pfad
durch das Er
und
Gebüsch.
mochte wieder
eine gute Weile
glaubte
schon ,
sich dem
nahen , als
er das
Geräusch
Eine
Regung , über
innere
gegangen
Ende
des
leichter
Tritte
konnte , bewog ihn , abermals
bleiben . Dem
knurrenden
er eine der
Hunde
er in den Schatten weibliche
falben
luftiges
Gestalt
hcranschwebcn , die ihm
in
Sie
an ; cs war
hielt
Stelle : so hatte
betrachten .
Aufgelöst
Mondes
denn
schöpf erschien .
fallende
gebietend, .
sah
bar
ihm
Schweigen
Hier
des
Phantasiegcbildc
neben
stehen zu
einer Baumgruppe
Beleuchtung
zu
vernahm.
die er sich keine Rechcn-
schaft ablcgcn
trat
Waldes
sein
wie
mehr
wie
ein
ein irdisches
Ge¬
einige Augenblicke eine besonders
unmittel¬ steil ab¬
er Gelegenheit , sie genau wallte
ihr
dunkles
Haar
1*
zu in
4 üppiger Fülle , das blasse Gesicht umrahmend , zu den weiten Falten Er
ihres
schneeweißen Gewandes
zuckte zusammen über
herab.
den beinahe
geisterhaften
Ausdruck , welcher ihre Züge verklärte .
Aus ihren
Augen
perlten Thräncn
und hingen
lange an den
feuchten Wimpern , bis sie der zarten Fessel entgleitend gleich Thautropfen
den Boden benetzten. In der einen
Hand hielt sie einen Strauß von weißen Blumen , in der andern eine brennende Kerze. Noch lange nach¬ dem sie vorübcrgeschrittcn , sah er ihr nach.
„ Auch
sie wallfahrtet
Welch
zur Kapelle —
trübes Gehcimniß
aber allein !
birgt wol das Herz dieses schönen
Wesens ? " * *
In
dem Wirthshanse
war 's noch lange
„ Zum
goldenen Stern"
nicht Feierabend .
Im
draußen auf dem Platze vor der Hauptthür Strom
Hofe
und
wogte ein
aus - und cinzichcndcr Gäste : Bürger , Offi¬
ziere und Bauern
bunt
durcheinander .
Die
einen
kamen zum Abcndimbiß , die andern blos zum Zeit¬ vertreib ; diese aus regelmäßiger Gewohnheit , jene aus dem bcsondcrn Anlaß
des heutigen Feiertages ; die
o meisten
nur , um sich an der lebhaft
zu ergötzen .
Lautes
Reden
gelegenen Spcisesaal der Menge
auf
der Aufwiirtcr und
alles
in
, mit
den Zurufen
Gläser
und
Teller,
als mistöncndcr
Lärm
der
drang
und
Tochter , am Thcctisch
saßen.
" , begann
, „ dieses
die Baronin
Getümmel
wird
auszichcn
und uns eine Privatwohnung
denn doch zu arg .
ist ja heute nur
vierzehn
hier
dritte
, dann
Euphronie Welt
Tagen
der
du ! Wir
in Bergcnau
Feiertag .
Erst
Frühe und
lockt.
beten
unmäßig
Namen der Heiligen und Völlerei ." „Die
werden
war
so, Mama ." verweilen
erst
, und
ist
cs
dies
die heilige
die heilige Anna , und heute die heilige
, welche die Bauern
zur Schenke
jubeln
Wir
suchen müssen ."
ausnahmsweise
, meinst
Brigitte
In
mir
„Ausnahmsweise
schon der
Erde
des obern Stockwerks , in welchem zwei
„Rein , Marianne
seit
zu ebener
dem
der Eingangsstiege
, dem Klirren
Damen , Mutter
„Es
Scene
vermischte sich mit dem Geplauder
das zusammen
in ein Zimmer
bewegten
Feiertage
zur
Das
Kirche
nennen
und
sich kasteien , des So
gewähren
alle
sie Religion!
leben .
misbraucht
zum Vorwände
und
Abends man
den
für Schauspielerei
doch auch Erholung
von
der Arbeit ." „Du
bist heute wieder
voller
Widerspruchsgeist,
6 Marianne . Mir scheint, die hiesige Cur bekömmt dir schlecht und verbittert deine Laune ." Marianne lächelte. „Oder " , fuhr ihre Mutter
fort , „ verstimmt dich
die Langeweile dieses Ortes , wie sie mich verstimmt? Du hast recht, es ist hier kaum zu existircn .
Fünf¬
zehnhundert Badegäste , und kein einziger zusagender, angenehmer Bekannter „Die Jahreszeit
dabei !" ist noch nicht günstig ; die Gäste
auö der Residenz werden sich wol erst nächsten Monat hier einfindcn ." „Weißt du, Marianne , ich finde cs eigentlich sehr unartig von deinem Vetter , daß er uns noch nicht be¬ sucht hat . Greifenclan ist nur wenige Meilen von hier entfernt .
Dort
haust der Herr Graf in den Ruinen
seiner Ahnenburg
wie ein Klausner
in seiner Höhle.
Er hätte uns längst seine Aufwartung
machen sollen."
„Albrccht ist empfindlich. In seinem Stolze Verwandten
seiner Armuth und
scheut er sich vielleicht , seine reichen
aufzusuchen."
„Pah ! Ein verstockter Kopf — das ist es eben, was mich ärgert . Ich schrieb ihm gleich nachdem wir hier angckommen , und noch ist keine Antwort erfolgt. Warum Tie
ward er denn auf einmal so menschenscheu?
Welt erzählt sich doch genug von ihm ."
7 „Die
Welt
ist oft so ungerecht ."
„Mein
Kind , in
deinem
so viel
von
Welt
nicht
der
wie in dem meinigcn . nicht
Mann
haben .
,
der
mit
Ist
Träger
kennt
von
man
Albrecht
der
munkelt
eine eigene Be-
es denkbar , eines
noch
den Menschen
Ich sage dir , die Welt
umsonst ; es muß
wandtniß
Alter und
daß
ein junger
gcachtetstcn
deutschen
Namen , sich in einem Eulcnthnrme
begräbt , wenn ihn
nicht ganz besondere
bewegen ? "
Ursachen
dazu
„Aber , Mutter , du weißt ja , was ihm widerfahren ist .
Gilt
das
„Was
nicht als
höre ich ?
eine hinreichende Du
weißt
riöse Geschichte ?
Ich
seine Beziehungen
zu Amalien
„Amalie
dachte , vor
— Amalie
Marianne
und
erblaßte .
senkte den
Blick
und
„Du
unartiges
man
über
und Albrecht ! "
„ Also
arbeitete
„ Nein , ich meinte
?"
geschwiegen ."
sagte
Vermögensvcrhältnissen
dir hätte
von Crefeld
Sie
Stickerei .
Erklärung
auch um die myste¬
das
ist es ? "
hastig
an
die Aenderung
ihrer
in seinen
." Mädchen " , erwiderte
die Baronin,
„du zwingst mich zum Reden , so sehr cs mir auch wider¬ strebt !
Eigentlich
erfahren ,
solltest du von solchen Dingen
wenngleich
du
schon
die
zwanzig
nichts erreicht
hast . Nun , er war noch mehrere Wochen nach dem trau¬ rigen Ereignisse
in der Residenz
und
blieb
der bevor-
8 zugte Anbeter unserer reizenden Amalie . Auf einmal verschwand er und zog sich auf seine Burg
zurück."
„Warum ? " „Ja , wenn ich das wüßte ! Die Welt raunt sich zwar mancherlei zu; aber was die Welt sagt , brauchst du nicht zu hören .
Auch glaube ich nichts davon ."
Während der letzten Worte ward die Thür geöffnet , und unser Bekannter
leise
aus dem Walde stand
auf der Schwelle. „Himmel " , rief die Baronin liche, unerwartete und
aus , durch das plötz¬
Erscheinen ihres Neffen
betroffen
erschreckt, „ da kommt er ja wie gerufen und
mag dir nun selbst alles erzählen ." Marianne
hatte sich von ihrem Sitze erhoben.
Die Stickerei war ihrem Schoße entglitten ; ohne dar¬ auf zu achten, eilte sie dem Ankömmling
entgegen.
„Willkommen , Albrecht " , sagte sic, ihm die Hand reichend; „ wir freuen uns , dich zu sehen." „Guten Abend, Cousine ! Guten Abend, gnädige Baronin !"
Und er küßte die mit Ringen beladenen
Finger seiner Tante , welche sich von ihrer Aufregung kaum zu erholen vermochte. „Aber nein , wie du uns überrascht hast ! Als ich dich so plötzlich vor mir sah, im grauen Rock, den breitkrämpigcn
Hut über die Stirn
gedrückt, sodaß
9 fast nichts
als
der lange Bart
sehen war , hielt „Ein wird .
Was
Was
ich dich für
Gespenst , das wollten
ist cs , das Die
mir
berichten
ward
verlegen ; aber
antwortete
warum
du auf
meinen
warum
du
eher
jetzt bist du ja hier , und machen .
Im
mit
dir
deinen
thun .
Hund
In
nicht geantwortet
, und
hast
sehen
lassen .
ich dir
, damit wir
Marianne
kniete
ans dem Boden ; ihre den
sagen,
Doch
keine Vor¬
du uns
nicht
recht freundlich fängt
schon
an
zu verziehen ."
der That
braunen
schmiegte
uns
läßt , wollen
Sich ,
sic sammelte
sollst
so will
Gcgcnthcil
so bald wieder allein
soll ? "
: „ Du
Brief
dich nicht
cs gerufen
befehlen , liebe Tante?
ich Ihnen
Baronin
zu
ein Gespenst ."
erscheint , wenn
Sic
sich schnell nnd
würfe
von deinem Gesicht
das
blonden
Haaren
deö
sich an seinen
welche auf ihren Wangen
Mädchen
neben
Hektar
Locken mischten
sich mit
treuen
ThicrS ,
Kopf , um
nicht
nnd
sie
die Freude,
und in ihren
Augen leuchtete,
„So
laß doch das häßliche Thier
und bereite den
für
deinen
zu vcrrathcn.
Thcc
stundenlang
Vetter !" rief
die Baronin
.
gegangen , sieh nur
den Staub
auf seinen
Kleidern . — dir 's bequem .
Du Ich
„ Er
ist
mußt
müde
sein , Albrecht ; mache
will
dir
ein Zimmer
im Hause
10 bestellen . Doch heute ist hier alles aus Rand und Baud; wenn ich nicht selbst gehe, bekommen wir keinen Bescheid ." Sic ging — und blieb so lange aus, daß cs fast schien, als wäre sic, weil kein Zimmer im Gasthofe frei, gcnöthigt gewesen , in der Stadt Umfrage nach einem Logis zu halten. „Und wie geht cs mit deinem Befinden, Ma¬ rianne?" fragte Albrecht , als sie allein waren. „Ich danke dir, ganz gut", erwiderte sie freudig, ihm das erfrischende Getränk reichend . „Die Mutter meint zwar, ich sei schwach und krank. Ich fühle mich nur etwas ermüdet, körperlich wie geistig etwas an¬ gegriffen durch die Reihe von Conccrten , Bällen und Gesellschaften , die ich drei Winter hindurch mitmachcn mußte. Dafür bin ich nun hierher geschickt , um Salz und Stahl zu schlucken . Ach, die langweiligen ein¬ samen Gänge an den Brunnen!" „Gewiß, die Mutter irrt sich", sagte Albrecht. „Dein Aussehen ist blühend. Und von jetzt an wirst du nicht allein nach der Quelle wandern. Du er¬ laubst mir wol, dich zu begleiten, solange ich hier verweile." „Wann willst Du denn wieder fort?" frug sie schüchtern.
11 „Bin
ich doch erst eben
fragst
mich schon nach
Böses
Mariannchcn Sie
an .
dem Datum
blauen
„ Nein , Albrccht , das Du
kennst
keinen Begriff zusehcn .
Die Jahre
meiner
Abreise?
Augen
treuherzig
hast Du
mich
ja
besser ;
meiner
Kindheit
die Erinnerung
frisch in
mir
seit wir
erwachsen
getrennt .
Wie
fort .
nicht
ernst
ge¬
du
kannst
dir
Wir
bleiben
mir
un¬
an die alte
Zeit
lebt
haben
uns
wenig
sind ; die Verhältnisse
weit
du
dich verändert
ich noch nicht zu sagen ; ich aber
gesehen,
haben
bin dieselbe geblieben.
noch ,
wie du
zu uns
kamst , und
mir
Märchen
erzähltest , und mir
Spielsachen
schenktest ?
zwischen tratst
in die Kinderstube
quälte ?
nahmst , wenn Du
und freundlich .
Wenn
ich dich kommen
ich all
kleinen
Kummer ,
meinen
Knie und „Du
war
allerlei
Oder , wie du vermittelnd
und mich in Schutz
mich neckte und
uns
hast , vermag
du
Bruder
dir
machen , wie ich mich freue , dich wiedcr-
vergeßlich , und
Weißt
und
!"
sah ihn mit ihren
meint .
angekommen ,
warst
da¬ der
so gut
sah , vergaß
kletterte
auf
deine
glücklich ."
sprichst wahr , du
ändert " , erwiderte
Albrecht .
hast dich gar
nicht ver¬
„ Der
der Welt
Strudel
hat uns getrennt , ja , und uns auf verschiedene Bahnen geführt .
Mich
hat der Sturm
gepackt und zerzaust ."
12 „Blcib
nur
recht lange hier , Albrccht — falls
es dich nicht " , setzte sic hinzu , „ gar zu mächtig nach Grcifcnclan
zieht."
„ 'Nach Grcifcnclan
zieht cs mich vorderhand gar
nicht" , erwiderte er hastig. Sic
sah ihn verwundert an . Da öffnete sich die
Thür , und die Baronin „Mein
trat wieder ein.
verehrter Herr Neffe" , sagte sic mit iro¬
nischer Verbeugung , „ wir genießen die große Ehre, Sie
zum Nachbarn
zu haben .
Herr
und Fräulein
Schuber sind eben dabei . Ihnen ein bequemes Zimmer hier neben uns cinzurichtcn ." „Immer
dieselbe gute freundliche Tante " , ver¬
setzte Albrccht und empfahl sich den Damen.
Auf
der Esplanade
stunde die Schar
wogte in früher
der Curgästc .
Bcrgcnau
Morgen¬ war als
Bad erst vor kurzem in Aufnahme gekommen und bot für die rasch anwachscnde Zahl mangelhafte Die
Unterkunft
und
von Fremden
nur
kärgliche Unterhaltung.
langgestreckte Esplanade , auf
einer tcrrassirten
13 Anhöhe gelegen, war mit jungen Linden bepflanzt , die noch keinen Schatten gaben , und schwache Ranken be¬ gannen erst lose die Laube zu umziehen , in welcher die Badckapelle schlechte Musik machte. Bor der aus einem Felsen Jünglinge
sprudelnden
Heilquelle
und Greise , Frauen
drängten
sich
und Mädchen , mit
wenigen Ausnahmen wirklich Leidende; noch nicht wie nach den rcnommirtcn ältcrn Badeorten kamen nach Bergcnau
Gäste mehr zum Vergnügen
als um Ge¬
nesung zu suchen. Die Baronin
und Marianne
erschienen, von Al-
brccht begleitet . Die Tante machte ihren Ressen bald auf die Schönheiten der Natur , bald auf die Schön¬ heiten unter den Promcnirendcn ihr jedoch nur
zerstreut sein Ohr .
still einher , ihr Brunncnglas „Wir
aufmerksam .
ging
in der Hand.
müssen aber jetzt zur Quelle , Albrccht " ,
sagte die Baronin ; „ Marianne trunken .
Marianne
Er lieh
hat noch nicht ge¬
Willst du uns hier erwarten ? "
Er war unschlüssig.
Seine Blicke musterten die
Vorübergehenden ; es schien als vergebens . Dann
suchten sic jemand folgte er den Damen . Sie fanden
den Brunnen drängt .
noch dicht von Wasserbegchrcndcn um¬ „ Bleibe zurück, Marianne " , sagte Albrccht;
„gib mir dein Glas , ich werde dir das Wasser holen ."
14 Mit
Mühe
sanfte Stimme das Glas und
arbeitete
er sich vor .
: „ Erlauben
der Baronesse
gewahrte
gestalt .
an
„ Mein
Da sprach eine
Sie , mein Herr , ich werde füllen ."
den Felsen
Er
erhob
den Blick
eine
Fraucn-
gelehnt
Gott , sic ist cs !"
Außer sich vor Er¬
staunen , reichte er ihr das leere Glas . Bald
hielt sie cs
ihm gefüllt entgegen ; doch er zauderte , es zu ergreifen. „Aber
Albrecht , was
rianne ; „ so gib mir „Verzeih mädchcn
hast du denn ? "
rief Ma¬
doch den Becher !"
!"
Und
er nahm
so hastig
aus
der Hand , daß er einen Thcil
des Inhalts
ihn
dem Brunncn-
verschüttete . Die Leute um ihn her lachten
über seine Ungeschicklichkeit . Als er die Fassung gcwann , sah
er , daß
an
der Quelle
wicdcr-
zwei Mädchen
standen , welche
für
die Gäste
Die
war
eine kurze , untersetzte , kräftige
zur Rechten
Figur ,
mit
flochtcncm
starkgcröthctem Haar ,
einer
breiten
eines
gesunden
etwas
Stumpfnase
verschieden
mit
einer Bäuerin
nichts
Gestalt
Wasser
Gesicht , grellen
schöpften.
grobem
blauen
festge-
Augen
— der gewöhnliche
und
Typus
Landmädchcns.
Ganz
muthigc
das
von ihr war ihre Genossin , die
halbgebückt
Arm sich ans den bemoosten sie für die Nymphe
gemein
hatte .
Wie
die an-
mit dem entblößten
weißen
Stein
dcö Brunnens
stützte , konnte man halten . Ihr
üppiges
15 Haar
quoll in langen Locken herab . Jede ihrer Be¬ wegungen war voll Grazie . Sie stand , durch ein Gitter vor dem Andrängcn der Leute geschützt, auf einer erhöhten
Stufe
Antlitz war
wie
auf
einem
Picdcstal .
Ihr
blaß und ernst . In
dunkeln Wimpern liches Sehnen .
den schwarzen, von umflorten Augen lag ein schmerz¬ Aber wenn sic die gefüllten Gläser
darrcichtc , bewegte sich jede Muskel ihres Gesichts in lebendigem Spiel . Nähern Bekannten lächelte sie zu, und die halbgeöffneten Lippen zeigten dann perlengleiche, blcndcndwciße Zähne . Sie wurde von vielen begrüßt und schien die an sie gerichteten Worte mit Gefallen hinzunchmcn , während das dunkle Auge wie Feuer erglänzte. „Ihr wandten. „Wen
kennt sie wol ? " srug Albrccht seine Ver¬ denn ? "
„Daö Mädchen im weißen Kleide, das uns den Becher füllte ." „Freilich ; sie ist die Tochter Schuber ." „Das
unsers
Wirthes
ist nicht möglich !"
„Warum nicht ? Was hast du denn ? Sic war verreist und ist erst vor ein paar Tagen zurückgekommcn. Ich werde dir manches von ihr erzählen , wenn wir
16 allein
sind " , sagte
ist schön ,
wie dn
die Baronin
leise zu ihm .
„ Sic
ohne Zweifel
auch zugebcn
wirst " ,
fuhr sie laut fort , „ und deshalb am Brunnen ." „Deshalb
versieht sic den Dienst
— weil sie schön ist ?
Wie
hängt
das
Brunnen
ge¬
zusammen ? " „Sehr
einfach .
braucht , wird einen
Jeder ,
eingeschrieben
gewissen Betrag
von dem Wasser
der und
den
hat für jedes
zu zahlen .
Um nun
Glas
recht viel
zu verkaufen , stellt die Gemeinde
hübschesten
und
freundlichsten
der Gläser
an .
In
die Töchter
Schubcr 's —
die
Schwestern
— , und dafür
erhält
Mädchen
diesem Jahre
zum
Füllen
fiel die Wahl
beiden
Mädchen
der Vater
die
auf sind
ein Pro¬
cent von der Einnahme. „Pfui , wie abscheulich !" „Ja , ja , Bcrgcnau tiver
Ort , aber
ist zwar
„Ach , sieh diese reizende die Baronin Sie
muß
zu Mariannen
.
Toilette " , wandte
sich
„ Kennst du die Dame?
eben erst angekommcn
„Bitte
noch ein sehr primi¬
—
sein ."
, Tante " , unterbrach
sic Albrccht ,
wollte
sei zwar
„ du
sagtest " — „Ich
sehr primitiver
sagen , Bcrgenau Ort , aber
noch ein
wer in diesem Thale
naive
17 Unschuld und Sittenreinhcit zu finden meint, der täuscht sich gewaltig. Damit steht cs hier fast schlim¬ mer als in der Residenz ." Ein dunkler Schatten lagerte sich ans Allirccht 's Stirn . Er fragte seine Cousine: „Du mußt oft Ge¬ legenheit haben, das schöne Mädchen zu sehen , da sie doch wol im Gasthof wohnt?" „Die Mutter sagte dir ja, daß Vroni Schuber erst vor einigen Tagen wieder nach Hause kam. Ich sah sic bisjetzt selten; wenn sie nicht am Brunnen ist, muß sie im Spcisesaale mit anfwartcn." „Kann sie es wirklich sein?" überlegte Albrccht für sich, in Gedanken vertieft. „ Diese edle Gestalt, diese feingcmeißelten Züge, diese anmnthsvollcn Be¬
wegungen. . . Und doch, die Achnlichkcit ist zu groß! Aber wie seltsam: gestern Abend eine wallfahrtcndc Büßerin, und heute . . . !" Als cs wieder Zeit war, das Brunncnglas von neuem füllen zu lassen, verabschiedete sich Albrccht Plötzlich von den Damen. Verwundert schauten sie ihm nach, über das sonderbare Benehmen ihres Ver¬ wandten in verschiedenem Sinne sich äußernd, während er die Terrassen hinunter dem Gasthofc zueiltc. * * *
Lroni.
2
18
„Wie
lange
gesehen ,
Marianne
Tage
seiner
zu
ist cs mm
her , daß ich dich zuletzt
?"
Albrccht
sagte
Cousine , als
Moos
am Waldcsrande
einem
länger » Spaziergänge
niedergelassen
keine Zeit zur Antwort ich's , daß ihr sich eigentlich „Dn ihn
mich so freundlich
klaren
um deiner
der Erinnerung Sester
als
indem
sie das
nun
du
deiner
„Du
weißt
da ist , mitten ein alten
Ritter
in
Dienern „Und
Existenz
Augen
anschcnd ; „ sic liebt dich
selbst willen , sondern
glauben
magst ,
einsamen
einzigen sic
von
dir
das
du
Ahnenburg
führst ."
, wie Da
vergangener
Zeit ,
allein
und meinen
Hunden ."
dieser
Sehnst
wohl
cs mir
Hause ich wie mit
meinen
ungeselligen , thatloscn
du dich nicht nach einem
dem dn deine Talente Leben
Sohn.
beklagt ,
grünen
spricht
Wald .
„Rein , mein
auch wegen
Leben
nicht , Marianne
du bist mit
hat ."
der Mutter " , versetzte sie,
verlorenen
zufrieden ?
Felde , auf
Er ließ ihr
empfingt , mich , der
an ihren
im
.
gegen euch betragen
abgeschlossene
auf
weiche
— „ Ja wahrlich , kaum begreife
so unmanierlich
mit ihren
folgenden das
hatten , um von
auszuruhen
bist der Liebling
nicht nur
am
sie sich auf
war
vcrwerthcn
kannst ? "
zu sehr von Stürmen
19 hcimgesucht . Sich , warum-soll ich cs dir nicht mitthcilcn, Marianne? Sagtest du nicht, deine Mutter habe in mir beinahe den Sohn wicdcrgefunden ? Laß mich dein Bruder sein, laß mich dich Schwester nennen. Deine liebevolle Seele ist klar in deinem treuen Auge ausgeprägt, und ich fühle, daß du mich trotz meiner Fehler nicht unsachtest ." „Ich bin noch jung, und es mangelt mir an Weltkenntniß ; aber was ein treu ergebenes Herz bieten kann, das ist dein. Vielleicht wird es mir einst noch gelingen, dich zu verstehen ." „Daß mein Vater unser reiches Erbe verpraßte, wirst du gehört haben", sagte er, ihre Hand in der seinen haltend, „ auch wie ich in Prunk und in Saus und Braus ausgewachsen bin. Die schönste Zukunft schien mir bevorzustehen ; doch niemand kümmerte sich um meine Erziehung; ich mußte mein eigener Lehrer werden. Bald wurde ich des tollen Treibens in der Stadt müde, der Trinkgelage , der Schwelgereien , des nächtlichen Schwürmcns , dein ich mich in einem Alter ergab, wo andere in die Schule gehen und sich Kenntnisse erwerben . Ich bezog aus eigenem Antriebe die Universität. Mit Eifer warf ich mich auf daö Studium. Besonders fesselten mich die Naturwissen¬ schaften ; denn die Natur , den freien Himmel, den 2*
20 dunkeln Wald
hatte ich stets geliebt .
meinem Thun und Streben
Mitten
aus
riß mich jedoch das Gebot
des Vaters . Er drohte mir mit Enterbung , mit seinem väterlichen Fluche, wenn ich dieses nach seiner Ansicht unwürdige
Leben fortsetzte.
denz zurück.
Warum
Ich mußte in die Resi¬
soll ich dich mit dem wechseln¬
den Verlauf
des Kampfes peinigen , der meine Brust
zerspaltete ?
Es war eine beständige Fehde zwischen
Wissensdrang
und Vergnügungssucht , die letztere ward
von meinem Vater
begünstigt und von meiner ver¬
nachlässigten Erziehung . Leben widerspruchsvoll Urthcil
So
mußte sich denn mein
gestalten , und
der Welt blieb nicht aus .
schloß ich mich trotz der väterlichen Drohungen
auf
ganze Tage
das tadelnde
Manchmal
ver¬
Verbote
und
in mein Zimmer
mit
meinen Büchern und Lehrern : endlich erschlafft durch den ewigen Hader , warf Strudel
ich mich wieder in
der Vergnügungen .
meine Kräfte aufreiben .
den
Solcher Zwiespalt mußte
Nur
Eins
vermochte mich
noch vor mir selbst und vor meinem Vater zu retten. Ich suchte — und fand es." Marianne
zitterte , ihre Hand glitt aus der ihres
Vetters .
Ohne
cs zu bemerken, sprach er wie im
Traume
weiter .
Er hatte , so schien es , vergessen,
wer zugegen war und ihn anhörtc.
21 „Amalie war an einen alten ihr verhaßten Gatten gekettet— sie fühlte sich unglücklich . Ihre Beziehungen zur Welt waren fast ähnlich den weinigen. Zum ersten mal empfand ich das volle beseligende Gefühl der Liebe; ich ward innc, daß die Gcistesbethörungen, welche ich früher für Liebe gehalten, nur Zerrbilder meiner Phantasie gewesen ; ich begriff jetzt, daß es einen Zweck hicniedcn gäbe, wofür es der Mühe wcrth ist zu leben und zu schaffen— die Verwirklichung des eigenen Ideals . . ." „Nun ?" sagte Marianne, als er zögerte und stockte. „Nun , ans einem kurzen Traum voll seliger Wonne erwachte ich zur niederschmetternden Wirklich¬ keit. Amalie hatte mit meiner ernsten Neigung ge¬ spielt— sic liebte einen andern!" „Die Abscheuliche !" „Du weißt, daß mein Vater zuletzt in völligen Wahnsinn verfiel. Der Keim seiner Krankheit, von der meine verkehrte Erziehung einen hinlänglichen Beweis lieferte, entwickelte sich plötzlich zur Reife. Er mußte— so gefährlich waren die Ausbrüche seiner Wuth — einer Anstalt übergeben werden. Das ge¬ schah um dieselbe Zeit, in der ich die Untreue Ama¬ liens entdeckte , und um das Maß meines Elends voll
22 zu machen, ward ich auch von unfern zerrütteten Vcrmögensumstünden
in Kenntniß
war von Gläubigern
gesetzt.
Unser Hans
angefüllt ; und bei dem tiefsten
innern Gram , der mein Herz zerriß , mußte ich mich mit Abrechnungen , Gesetzesdentelcicn und Advokatcnkniffen befassen.
Ich
gab her , was ich hatte ; von
allen Habseligkciten , die ich besessen, blieb mir nichts; von meinem Glücke nur ein hohler Schall , von den durchkosteten Genüssen nur
eine bittere
von meinem Familienstolze
nur kränkender Vorwurf ."
„Du
Erinnerung,
mußt furchtbar gelitten haben ."
„Ja ; aber doch weniger und anders wie ich er¬ wartet hätte .
Als mir Amaliens
Falschheit hintcr-
bracht wurde , dachte ich, der Gram müßte mich tödten. Zu meinem Erstaunen fand ich indcß , daß der Verlust der Wankelmüthigcn mich beinahe gleichgültig ließ. Was ich betrauerte , war die Enttäuschung meiner süßesten Hoffnung . das Ideal
Ich hatte in unscrm Verhältniß
erblickt, nach dem ich mich sehnte.
Ich
betete es an wie eine Gottheit — es erwies sich als ein schnödes Götzenbild , das
von selbst zusammen¬
stürzte .
Ich hatte es mit der ganzen Poesie meiner
Gefühle
ausgcstattet ; zu spät erkannte ich den citeln
Wahn , und mit schmerzlicher Reue ward ich gewahr, daß nur in einem von Gott
geheiligten Glück das
23 Ideal
zu finden
verweilte Welt
sei . -
' Trotz
und besonders
Amalien
kundgcbcn .
ertrug
ich
es
nicht
mehr ;
ich
meine
alte
Ahnenburg
, das
einzige
zu
veräußern
ich der Trauer
trüben
hoffnungslos „Albrccht
ward die
nach
wollte der
einigen
Wochen mich
in
Bcsitzthum , was
gestattet
Gedanken
meiner
flüchtete
war .
um die Täuschungen
heit , meinen und
Aber
nicht
Kummers
Ich
nicht die Schmach
Niederlage
mir
meines
ich noch lange in der Stadt .
Da
lebe
der Vergangen¬
nachhüngcnd
, einsam
."
" , sagte Marianne
ein schweres Los znthcil . Vorsehung
dir
Aber
absichtlich
weiser
für
Ideal .
Wol
kannst
einem
Wege
—
tief
gerührt , „ dir vielleicht
hat
cs
bcschiedcn
als
Weg¬
sehnst
dich
nach
dem
du es erreichen ;
aber
nur
auf
Eingreifen
in
die Zukunft .
durch
Du
das
muthige
die Welt der Wirklichkeit . Du darfst nicht verzweifeln; du
mußt
deine
Schwcrmuth
arbeiten .
Deine
Studien
kommen ;
sic werden
das
richtige
einem
von
der Schleier hüllt , wird
Gclcis dir
nur
deine
dunkel
sich wieder
vor
dir
verstörten
zurückleiten .
Jetzt
geahnten
—
du
mußt
jetzt zu
gute
Gedanken
in
suchst du
nach
Ziele .
Wenn
lüftet , der deinen
jenes Ziel , wird
nennst , dir klar
abwerfcn werden
Augen
das , was stehen ."
Geist
um¬
du dein Ideal
24 Er
schüttelte
den Kopf : „ Die
Welt
haßt
mich,
ich weiß cS." „Die
Welt
ist der böse Leumund , der
meisten
schadet , weil
falscher
Scham
zu nahe ,
um
freiwillig
untergräbst
ruhig
„Marianne aber
in
führungen
wir
vor ihr
Regungen
aus
verheimlichen .
Ich
stehe dir
zuzuschcn , wie
du
dein
bist ein liebes
gutes
Mädchen;
Unschuld
des Lebens
vermagst
du
Glück
die
nicht zn begreifen .
edel , den sündhaften
Theil
Du
gut in mir
siehst nur , was
guten
am
."
, du
deiner
unsere
uns
meiner
Du
Ver¬ bist zu
Natur
zu verstehen.
ist .
arbeite
Ich
und
will noch mehr arbeiten ; aber ich fühle , daß der Trieb, der meine
Seele
wie
mit
unsichtbarer
mich zu Grunde
richten
Erfüllung
heißesten
„lind
meines der
wäre ? "
wird .
Geißel
Ich
treibt,
lechze nach
der
Wunsches ."
—
fragte
sie mit
,
wo
bleibst
du
suche dich ja
schon seit
einer
ganzen
Stunde
die Stimme bereit ."
der Baronin
; „ das
Abendbrot
erhob
sich das
inniger
Theilnahme. „Aber
Mit chen. den
Marianne
einem
Seufzer
Albrccht
drückte
ihr
seinen
Mund
Finger
auf
die Hand ,
denn ?
Ich
!"
rief
ist längst
holde
Mäd¬
bedeutete
sic,
legend , zu schweigen.
25 und schritt dann , ehe ihn ' die Tante
entdeckt hatte,
tiefer in den Wald hinein.
„Aber
Herr Lieutenant , Sie
wollen doch nicht
Vorbeigehen, ohne mich zu grüßen ? " „Fräulein
Vroni , Sic sind cs ? Wie konnte ich das ahnen ! Ich schlich ja so langsam wie eine Schild¬ kröte und sah immer aus das Fenster des SpciscsaalS, in der Hoffnung , Ihre
reizende Gestalt zu erblicken, und jetzt erst werden Sic mir sichtbar." „Ich saß hinter der Gardine
Ihnen
und — soll ich es
gestehen? — ja , ich wartete auf Sic ." „Sic
himmlisches Wesen , ich komme sogleich
hinein ." „Wohl , so kommen Sic !" Der Offizier
eilte ins Hans .
beweglich am Fenster .
Ihr
Vroni
blieb un¬
schelmischer Blick war
verschwunden , und um den Mund
lagerte
sich ein
schmerzlicher Zug . Sie strich mit ihren kleinen weißen Händen
ängstlich das
dunkle Haar , das
in einen Knoten geschürzt über den Nacken hcrabslvß . Jetzt
26 klopfte er an. „ Herein!" rief sie. Aber die Thür war von innen verriegelt. „ Ich wußte es; er kann warten", murmelte sie für sich hin, laut aber „Gleich, gleich!" dem Klopfenden zurufend. Sie zögerte, ihr wallender Busen verrieth den Sturm in ihrem Innern. „Soll ich, oder soll ich nicht? Er oder ein Anderer — Einer wird cs ja doch zuletzt sein." Immer un¬ geduldiger pochte draußen der Lieutenant.
„Broni, Fräulein Broni! Ocsfncn Sic, oder ich renne die Thüre ein!"
„Gleich, gleich! Ich bin mit dem Aufräumen noch nicht fertig." Dann fuhr sie in ihrem Selbst¬ gespräch fort: „ Er wird mich wieder mit seinen An¬ trägen bestürmen , und ich mag ihnen doch nicht Gehör geben." „Ich höre Ihres Batcrö Stimme", flüsterte er durch das Schlüsselloch. Das schien sie zum Entschluß zu bringen; sie schritt zu der Thür und schob den Riegel zurück. „Hier bin ich, Herr Ungestüm!" sagte sie öffnend. „Fast möchte ich schwören ", begann der Lieu¬ tenant, „ Sie hätten mit jemand ein vertrautes teteä-tete gehabt. Wäre er vielleicht durch jene Thür in die Küche entflohen? " Sie runzelte die Stirn : „ Glauben Sie, ich fürchte
27 mich vor Ihnen ?
Träfe ' Ihre
Vcrmuthung
zu , so
hätte ich Sic gar nicht eingelassen ." „Sie
reizende Zauberin !"
„Keine Redensarten , Herr von Frischte . Sic
hübsch artig
und treten Sie
ein.
Seien
Setzen wir
uns . Erzählen Sie mir , waö gibt cs Neues in der Stadt ? " „Nichts als daß ich Sic liebe." „Ich dachte, daö wäre schon acht Tage alt ." „Sic
hcrzpcinigcndcr Engel , kann man denn Ihr
Gcmüth gar nicht erweichen ? " „Gar nicht ? Hm , cs kommt nur darauf an —■ Sic versprachen mir ja , artig zu sein " , mahnte sie, da er ihre Hand
wiederholt
in
die scinige nahm.
„Ich langweile mich grenzenlos . Amnsircn Sic mich. Sagen Sie nur , wer war der fremde Herr , der heute mit der Baronin kam ? " „Das
und ihrer Tochter an den Brunnen
wissen Sie
nicht ? Er wohnt ja hier im
Hause ." „Nein , ich weiß cs nicht." „Es ronin ."
ist Graf
Grcifcnclan , ein Neffe der Ba¬
„Kennen Sie ihn ? " „Nicht näher . In
der Residenz trafen wir einige-
28 mal zusammen , bei verschicdcncn Gelegenheiten , am dritten Drte. Jetzt scheint er der reichen Baroncß Marianne nachzugehen , er will wol sein Grafcnwappcn frisch vergolden ." „Danach sieht er mir nicht aus." „Wonach nicht? Böses Fräulein Brom!" „Nach einem— nach einem—" „Nun? Ich bin neugierig." „Ich meine, nicht nach einem so oberflächlichen Menschen , wie Sic sind", sagte sic lachend. „Ich danke Ihnen für das Compliment . Sie haben sich wol schon in sein fades Gesicht vergafft? " „Ich? Was füllt Ihnen ein?" „Ja , Sie ! Mir ist er zuwider mit seinem träu¬ merischen Blick und seinen hochtrabenden Ncdcnsartcn. Freilich, Ihrem Geschlecht imponirt das. Sie brauchen die Achseln nicht zu zucken ; die erste Dame der Stadt war seine Geliebte. Er ging ihr plötzlich durch, und aus Acrgcr darüber, aus verletzter Eitel¬ keit — denn sic liebte ihn eigentlich nicht — wäre sic beinahe cingegangen ." „Eingegangcn?! — So sprechen Sie von einer Dame?" „Auf Sie, Fräulein Vroni, paßte der Ausdruck auch nicht übel. Gleichen Sie doch einem wilden
29 migcbändigtm wenn
Roß
ich glaube , Sie
haben , fliehen Sic Plötzlich Hände
Sie
und bezähmt
im Nu
davon ."
änderte
sie wieder
die ihrigen
bin ; aber
gut .
Sie
sie : „ Joseph,
„Vertrauen
Sie
mir , Vroni .
sind ,
bin
ich cs Ihnen
hält
mich
in
Bergcnau Am
in mir
ich vor,
nicht was ."
gut
.
es ; sonst
Doch geben Sie
es geht seit einiger Zeit etwas
Gegenwart
abgewandt.
wissen
reden .
zu
, und seine
will mich nicht besser stellen , als
noch weiß ich selber
Begriff
von ihm
nehmend , sagte
gut , sehr
Ich
wieder
ihre Haltung
ich nicht so mit Ihnen
Zeit .
Pampas:
endlich erreicht
mir
sich währenddem
in
würde
südamerikanischcn
hatte
ich bin Ihnen
mir
der
Tage
Wenn
noch viel
zurück ? Ihrer
Sie
mehr .
Nichts
Heimkehr
abzureiscn ; da begegneten
als war
Sie
mir Was Ihre
ich im
mir : ich sah
Sie , ich blieb , und ich bleibe ." Er
nahm
Sie
an
seine
Brust .
Sie
wehrte
ihm nicht. „Ich
bin eine schlichte harmlose
sprach sie. Weil
ich geliebt
Unsere und
„ Doch
habe .
Bürgersleute
wenden
begegnen .
Das
verzeiht
sehen mich
sich um , wenn Sie
Person , Joseph " ,
man nennt mich schlecht.
über
sie mir
Warum?
die Welt
nicht.
die Achsel an auf
der Straße
wissen wohl , daß sic nicht besser sind
30 als ich, aber sic behandeln mich streng und stolz, weil ich arm bin und der Vater mich zu niedrigen Diensten zwingt ." „Lag , weil du schön bist , schöner als alle diese BürgcrSmüdchen . In deinem einfachen Kleide über¬ strahlst du sic weit mit all ihrem Putz und Schmuck. Ach, Vroni , du bist so schön!" „So
sprachen schon viele zu mir ; und
dafür
muß ich nun leiden und büßen . — Wohl , ich will es tragen " , fügte sic nach einer Weile hinzu , „ sollten sie mich auch mit ihrem Achselzucken und ihrem Neide noch härter strafen ! Ihnen , Joseph , glauben Sie mir, bin ich recht gut ; aber lassen Sic mich jetzt!" „Tic
lassen , Vroni !
Warum ?
Warum
unser
Glück aufschicbcn? " „Ich sagte Ihnen
ja , es geht etwas in mir vor
— ich weiß selbst nicht was .
Sobald
geworden , werde ich mich mit Ihnen
ich mir klarer auösprcchcn.
Sic sind ein lieber Mensch , immer lustig und gut ge¬ launt . Sie passen eigentlich besser zu meiner Schwester als zu mir . Die -Ich
würden Sie glücklich machen, mich
bitte Sie , Joseph , lassen Sie von mir ." „Nein , Vroni , ich kann nicht von dir lassen ! ich
kann dich nicht aufgcben !" sprach er mit Erregung. In
diesem Augenblicke wurde die Thür
geöffnet,
31 und herein trat Schuber, der Wirth. Als er Vroni müßig dasitzcn sah, fuhr er auf sie los: „ Schon wieder? Schon wieder ertappe ich dich beim Nichtsthnn? Nimm dich in Acht, ich jage dich noch auö dem Haufe!" Das Mädchen erhob sich, und ihrem Vater gcgcnübcrtrctcnd, erwiderte sie mit bleichem Gesicht, aber in ruhigem Tone: „ Du weißt, ich bin noch sehr schwach , noch unfähig zum Arbeiten." „Glaubst du, ich leide faullenzcndc Nichtsthucrinncn in der Wirthschaft ? " schrie er, glühend vor Zorn, wie gewöhnlich halb berauscht von übermäßig genossenem Wein. „Ich war ja den ganzen Morgen am Brunnen, und abends werde ich wieder im Speiscsaal mit auf¬ warten." „Was ? Du willst mir noch trotzen und wider¬ sprechen , du nichtsnutzige Dirne! Wozu habe ich dir Speise und Kleidung gegeben und dich in die Schule geschickt ? Doch nicht damit du jetzt zum Tagediebe wirst? In die Küche sollst du und der Köchin helfen; sic hat alle Hände voll zu thun und weiß sich vor Arbeit nicht zu retten. Oben bei der Baronin ist Abendessen für drei Personen bestellt . Da lob' ich mir die Lina — die ist in der Küche, ohne daß ich
oo
OL
ihr 's
erst
hilfst
ihr !"
heißen
muß .
Gleich
gehst
hin
und
der Offizier ,
aus
Vroni
wich nicht von der Stelle.
„Herr
Schuber " ,
den Gastwirth lein Vroni
sagte
nun
zngchend , „ so lassen
Sie
doch Fräu¬
sich erholen ; sie ist nicht wohl .
Da , sehen
Sic , wie bleich sie ist — gönnen „Ei , was Wollen
Sic
werde
geht Sic
das
Sie
ihr jetzt Ruhe ."
an , Herr
mich lehren , wie ich mit
umzugehen heftig .
du
habe ? " erwiderte
„ Bitte , lassen
Sie
Lieutenant?
meiner
er barsch , doch weniger mich mit ihr
schon wissen , sie zu Verstände
allein ; ich
zu bringen ."
-In
dem
Mädchen
kämpfte
Offizier
sich
wendend ,
sagte
sic
mit
Stimme
: „ Bitte , folgen
Sic
dem
Wunsche
Paters
, verlassen „Wie
dem
Sie
Das
„ Wenn
er vor
schon sitzen.
uns
cs
Aber
sie nicht
so
Schuber 's
grauen
Augen
tern ? "
tobte
krampfhafter meines
er ging aus
hübsch
wäre " ,
hübsch ist sie , sehr hübsch ! " Gesicht
„Glaubst
dem
sich hin , „ ich ließe den Starrkopf
runde
blieb
Zu
jetzt ."
seine kleinen
Vroni
heiß .
befehlen , Vroni " — und
Zimmer .
murmelte
und
Sie
Tochter
erglühte
flammten
wieder,
voll Zorn.
unbeweglich. du , ich lasse mich von er plötzlich .
„ Du
mußt
dir
einschüch¬
gehorchen , du
33 mußt und wirst arbeiten,, wenn ich es befehle . Wo soll ich das Geld für meine vielen Auslagen hcrnchmcn, wenn meine Töchter die großen Damen spielen? Am Ende werde ich gar noch Mägde halten müssen zu ihrer Bedienung, während sie selbst die Hände in den Schos legen." „Ich sage dir ja, Vater, ich werde den Dienst gern wieder aufnehmcn . Ich bin aber jetzt noch zu schwach und kann nicht den ganzen Tag arbeiten." „So ? Sich mit dem Herrn Baron abzugcben, mit ihm zu tändeln und in die Fremde zu ziehen, dazu ist Zeit und Kraft da; aber wenn es heißt, in die Küche gehen, da ist's unmöglich ." „O mein Gott", stammelte sie, „ gib mir Ruhe, daß ich mich sammeln kann! — Du hast es ja gewollt" , fuhr sie ernst aber ruhig fort; „ hast du nicht den Baron stets zu mir geführt, und mich zu iljnt hingeschickt ? Sagtest du mir nicht, ich solle ihm nur gut sein und schön thun, er sei ein reicher Kunde und brächte manches Goldstück in die Kasse? Be¬ ständig gabst du mir Gelegenheit , mit ihm allein zu sein. Ach, wer war es denn, der mich um Geld, ja mn Geld an den Baron verkaufte? Wer drückte nachsichtig ein Auge zu, als ich die Folgen meines Fehlers— meines Fehlers! o du gerechter Himmel! Vroni.
z
34 — in mir
trug ?
Wer
rieth
mir , dem Baron , als cr
mich schnöde verließ , nachzuziehm
und ihn um Hülfe
anzuflehen ?
Vater , mein eigener
Wer war cs ?
Mein
Vater , du selbst ! " „Was bist von
, du
willst
Sinnen
„Ich
mich
noch unschuldigen ?
Du
!"
dich unschuldigen ? Nein ! Glaubst
du etwa,
daß ich deinen
Rathschlägen Gehör gab ? Blickte ich dir nicht in die Seele , sah ich nicht ein , daß ich dir von
Jugend
an
Gelderwerb
? . . .
nichts
gewesen als ein Mittel zum Nein " , fuhr sie fort , mit dem Aus¬
druck der hestigstm „nein , meinem
Leidenschaft
eigenen
ließ mich umgarnen den Reden
gen Himmel
Triebe
folgte
schmeicheln¬ ; an deine Zornausbrüche , an
deine Härte , an deine Lieblosigkeit mir
seine zärtlichen
Mir
entging
auch
war
Worte
die Falschheit das
wie
gewöhnt , erschienen erquickender
im Ton
abscheuliche
cr mit dir getroffen
ich vcrmnthcn
, daß
meine
Schönheit
bot !
Ich
war
Reiz
und
ihn —
liebte
gedankt , daß das
seiner
hatte .
blieb und die grausamen
Stimme; un¬
Wie
konnte
nur
einen
ein unschuldiges
Kind
ihm
jetzt bin ich erfahrener . arme
Balsam.
Ucbcrcinkommcn
bekannt , das
flüchtigen
Ich
durch die snßklingcnden
des Barons
mir
blickend,
ich nur .
Gott
sei
kleine Geschöpf nicht am Leben Menschen
nie kennen lernte.
35 die
cs mishandclt
Hütten, - wie
sie inich
war
sich, er geberbete
miShandelt
haben ." Der
Gastwirth
wie
ein Rasender .
Vroni
in ihrer
schon lange geschlichen
ein
angchört
Weder
seiner
erwiderte
hatten
Mann
die Ecke des Saales
größten
in
noch
es bemerkt ,
die cintrctcnde Theil
dieser
zwischen dem Baron Schuber
brausend
zu
deinem
ihre
Liebhaber ; warum
Vorthcil .
Er
hatte
daß sich
Dunkelheit
be¬
Unterredung
mit
und mir
Alle Mädchen
Geld
ist
darf
es nichts
cs mit
ihm
solltest und
des Orts
er sich hier
herumtrcibt
daß er arm
ist , und
Er
andere , reichere
nur
zahlte ; folglich
haben
ihm ist ' s nichts , hörst du !
haben
war
er
oder ein Geiziger. mit
dem Lieutenant
nichts
davon , daß
und dir nachläuft . heirathcn
nur
du nicht den dcinigcn
aus , und
werden ; wir
vorging " ,
und keuchend , „ war
besser als ein anderer , ein Acrmerer Jetzt
hält
Wuth
sich
hatte.
„Was
haben ?
er in
Leidenschaft
und , durch
günstigt , den
außer
Ich weiß,
wird er dich auch nicht. Liebhaber
Nimm
ab ; also mit
dir den Herrn
von
Blutzer , wenn du willst ; der hat Vermögen
und scheint
dir nicht ungcncigt .
geschwatzt;
fort
Aber jetzt ist cs genug
in die Küche !" Er ging ans sie zu , um sie gewaltsam
fortzuführen. 3*
36 „Nicht
von
der
Stelle ! "
rief
sie in
empörter
Stelle !
Ach ,
wenn
Aufregung
; „ nicht
nicht mein
Vater
wärest , wenn
Schranken
setzte !
So
ich vergeblich mir
suche.
glühenden
von
nach Von
der
die Pflicht
keine
weit hast du es gebracht , daß
einer
leisen Spur
Jugend
Farben
mir
du
ans
maltest
die Freuden
nisses ;
du
gewöhntest
Männern
;
du
kosungen
der Gäste , um
mich
gestattetest
der Scham du
in
mir
mit
eines
Liebesverhält¬
den
klmgang
an
die Tändeleien
mit
und
jede bessere Regung
Lieb¬ in mir
zu ersticken und mich um
so leichter zu verkaufen , als
die Blüte
hcranreiftc
meiner
Schönheit
und die Käufer
sich einfandcn .
Dieser
Augen , dieses
romantische
alles
—
haben
dir manches
geschafft .
Das
ist dir
gelungen ; aber
es ist
den Kern
zu verderben ,
der
nennt
Tasche dir
nicht
geglückt ,
meinem Herzen
üppige
wurzelt .
ich von irgendjemand
abscheuliche
abzuschließen daß
einen Heller
er
reich
kann
ist ,
und
einen eines
ich bei meiner
—
wie
. So
man
Goldstück
das
in
die
in
es , habe
Geld , weder Kleider wisse denn , daß jeder
unnatürliche
im Stande
ich niemals
Gesicht
Niemals , du weißt
noch Schmuck angenommen neue
Wuchs , diese dunkeln
Handel ,
den
du
wärest , nutzlos
bliebe ; wisse,
reichen
Mann
deshalb ,
weil
würdigen
werde .
Wie
Blickes
Vergangenheit
und
der
schönen
37 Erziehung, die ich genossen , jetzt auf züchtige Sitte halten! Ich kann noch lieben und geliebt werden; aber lieben werde ich nur den Mann , den ich mir selbst wähle, und wäre er ein Bettler. Nicht umsonst wandelte ich gestern Abend in die Kapelle und erbat mir als besondere Gunst, die ganze Nacht, auf dem harten Fußboden kniend , weinen und beten zu dürfen. Unter Thränen und in meiner Bittern Hcrzensnoth gelobte ich, nur dem angehörcn zu wollen, der wenig¬ stens so viel Achtung für mich hegt, daß er mich zu kaufen verschmäht . Das macht dich wol lachen? — Ach, du bist mein Vater, und ich muß dir gehorchen . Gut, ich werde arbeiten wie eine Magd, nur heute laß mir noch Ruhe, denn ich breche sonst zusammen ." Der Gastwirth hatte mit Lachen und Fluchen die Rede seiner Tochter unterbrochen . Bei ihren letzten Worten konnte er sich vollends nicht mehr halten. Der Rausch war ihm mehr und mehr zu Kopfe ge¬ stiegen und hatte sein Gehirn vollständig umnebelt. „Du bist doch nur eine Dirne trotz alles deines Großthuns", schrie er, „ und arbeiten sollst du mir, wenn du auch daran zu Grunde gehst!" Er sprang auf sie zu und wollte sie beim Arme fassen, wich aber vor dem entsetzlichen Ausdruck des Zornes und Widerwillens zurück , der ihm aus dem Auge des
38 Mädchens stürzte
cntgcgenflammte
.
Wüthcnd
und
rasend
er nach dem Tische T)in , und ehe Gras
Albrecht,
der sich zwischen die beiden warf , es verhindern
konnte,
nahm
der
Wütherich
ein
Messer
nach
seiner
Tochter .
Sie
sah
und
schleuderte
es
gegen
sich
den Stahl
gerichtet ; sie wußte , daß
sie getroffen
werden
aber
der
Fest
sie wich nicht
von
wie eine antike Bildsäule des
Vaters
Hand
erwartend .
ihren
Augen
Lippen ,
aus
achtung .
Ohne
mörderische
Waffe
ihr
Zeit
schob er
so daß die Klinge zwar
tiefe
Wunde
und
stolz
sie da , den Wurf
von
Kaum
sprühte
zuckten
und
in das Herz
nur
das
ihren
schwere ,
Ver¬
wäre
gedrungen .
Mädchen
Arm
ihre
grenzenlose
Albrecht ' s Dazwischcnkunft
zur
rechten
Stelle .
stand
müsse,
traf
doch nicht
die Noch
zur
Seite,
und ihr
eine
lebensgefährliche
beibrachtc.
Der
Anblick des Blutes
auf
die
vom
„Ich
hab 's nicht
so bös
wollte
dir eigentlich
nur
Zorn
wirkte endlich ernüchternd
berauschten
Angst
des sagte
machen . . .
ist ja nicht so gefährlich " , fügte den Arm
Sinne
gemeint " ,
Ebenso
lautlos
wie sie den Streich
sic , nachdem
entfärbte
sich ihre Wange
sic ihn
er ;
er ihr
wehrte. erwartet
empfangen .
noch etwas
„ ich
Nun , es
er hinzu , als
betastete , ohne daß sie cs ihm
verblieb
Wirths.
hatte,
Vielleicht
mehr , aber kein
39 äußeres ihr
Zeichen
tobte .
vcrrieth
„ Geh
den heftigen
auf
deine
Kampf , der in
Kammer
dir den Arm " , sagte der Gastwirth in der Küche Nachsehen " — und Kaum
waren
verhallt , so brach Wortwechsel
das
von
Mädchen ,
dem verfolgenden weiche Moos
nicdersinkt , so glitt
jeder
seiner
fast unbewußt
Weidmann am
Broni
ihr
, gewahrte
mit
frischem
und die Wunde
dann
auf
das
Sofa
bedeckte.
Nun
ging
und
und
sie eine Weile
werde
wieder
sic versuchte
das
Auges
; ihrer
selbst
sie doch , wie er führte , halb
trug,
Blut
Arme
das
vom
verband , wie er sie mit
Schwester
bei ihr bleiben
wollte
des Grafen.
seinem
er leise hinaus ; bald
er ; „ ich werde ich Sic
fühlte halb
sorgfältig legte
kraftlos
thrüncnfeuchtcn
Wasser
er ebenso leise mit ihrer „Lassen Sie
Bache
Bewegungen
Zimmer
spülte
Broni
heftigen
endlich entronnen,
labenden
in die Arme
sanften
sic auf sein eigenes dort
dem
erschöpft , zusammen.
Blick ihres halbgebrochcnen
folgte
davon.
im Gange
scheuen Rehe gleich , das , nach langer
auf
Ter
eilte verlegen Schritte
Flucht
das
verbinde
; „ ich will selbst
feine schweren
und dem Blutverlust
Dein verwundeten
und
Jagdrock
aber kehrte
zurück.
hier ruhen " , flüsterte bis
sie erwacht ; dann
rufen ." Gesicht
nach
zu sprechen , um ihm
ihm
umwcndcn;
zu versichern , daß
sic sich schon besser fühle ; aber die Lippen versagten ihr den Dienst .
Alles verfinsterte sich um sie her, die Gestalten zerronnen ihr wie im Nebel , und nach einem schwachen Seufzer
verlor sic die Besinnung.
*
Gras
von Greifenclan
hatte seine ersten Lebens¬
jahre in der Wiege des Glücks verbracht . Vortheile
An alle
gewohnt , die seine hochadelige Stellung,
verbunden mit bedeutendem Reichthum , ihm gewährte, an niemand gefesselt, war ihm seine Jugend wie ein fieberhafter Traum vorübcrgcrauscht . Das Erwachen kam Plötzlich und war um so bitterer . Weniger aus Gram
über die erlittenen
ähnlichen Täuschungen
als aus Furcht vor neuen
und damit
verknüpften
Dc-
inüthigungen zog er sich in seine einsame Burg zurück. Wie von des Adlers Horst auf hohem Felsen blickte er von da hinaus in die weite Welt . Unruhig wogte es in seiner Brust . Die Gestalten seines wahnsinnigen Vaters , seiner treulosen
Geliebten ,
seiner wankel-
müthigen Freunde
und danklosen Gefährten
vor seinem innern
Auge auf und mahnten ihn an
tauchten
41 eine Vergangenheit Er
vermochte
, die ex für
sich selbst
ob seine Entsagung
ihm
er mit
vollkommene ihm
seiner
seiner
Jugend
niemand
hatte
seine Studien
seiner
Klarheit
rathend
schönen Anlagen
auszubilden
Augenblicks
und
gerieth
von
natürlichen
stets
weiter das
und
,
demselben
mit
zustreben .
Dieses
eine
Rüstigkeit Ziel
Man
konnte ihn mit
zwar
zur Malerei
wegen
mangelnder
ständig
über
der
nische Fertigkeit sich, als
hatte
dem Antrieb
empfand
Ziel
aber
war
ihm
entgegcnnie
deutlich.
vergleichen , der befähigt
Ausdauer
Durchbildung
künstlerischen
Untreue
Gleichgültigkeit Wesen
anders
und
Intuition So
ein-
zu setzen und
opfermuthig
Künstler
er
Richtung
und
einem
des
, die ihn Lebenspfade
dennoch
bestimmte
vernachlässigt .
sich dieses
Er tappte
in hohem Grade
er Amaliens
hältnismäßige
gestanden;
gesucht .
nützlichen
znschlagcn , sich ein festes , edles
die war
die Keime
nur
Und
Ein¬
und
oft in Verirrungen
abführten .
Bedürsniß
Niemand
zur Seite
umher , folgte
immer
Das
ob
sah , war
geleitet
in der Dunkelheit
einem
kostete , und
Existenz .
in
hielt.
zu geben,
zurücksehne .
erschreckender
Leere
begraben
viel Opfer
er sich nach dem Verlorenen zige , was
immer
nicht Rechenschaft
ist , aber
die
be¬ tech¬
kam es , daß
erfuhr , über wundern
er
seine ver¬
konnte .
vorgestellt , als
Er cs in
42 Wirklichkeit
war .
Amalie
war
eine leere , flatterhafte
Natur , und
seine Liebe zu ihr nur
jugendlicher
Sinne .
Er
hatte
eine Verblendung
dieses Verhältnis
einem
überirdischen
Glanze
heimen
Begegnungen
, in den Schwüren
und
Treue ,
eigene
während
Erscheinung Leidenschaft
befähigen
könnte .
neuen
Geiste
wollte
er in
das
Amalie
glaubte
den
ge¬
ewiger
Liebe
nur
an
ihre
Keime
einer-
er
zu erkennen , die ihn zu Großem Er
einem
würdiges
welcher dachte ,
mächtigen
hinausscgcln
geschmückt ; in
mit
meinte ,
sic
beseelen ;
unter
Meer
würde
des Lebens
und durch
sie sowol
ihn
ihren
mit
Farben
und
der Thatcn
für
sie Ruhm-
als
leisten . Er sah sie wie sie hätte
sein können,
nicht wie sie war ; und als der Lichtglanz , mit welchem seine Phantasie altes
Gefühl
und
in
sie umkleidet
hatte , erlosch , kehrte sein
der Leere zurück .
seinem
Unglück
Er
dachte
ward
er auf
unglücklich,
einmal
an die
Baronin. Die und
gute Dame
hatte
ihn
als Knaben
ihn reichlich mit Kuchen und Obst
er erwachsen
war , speiste sie ihn mit
ihrer
und
Rede
möglichst
Freundlichkeit
viel mit Mariannen
sich in der Gesellschaft Vetters
wohl
.
verzärtelt
versorgt .
Als
den Süßigkeiten
Dabei
allein , und
ließ
sie ihn
diese schien
des geist - und kenntnisreichen
zu fühlen .
Alles
was Greifenclan
hieß,
43 war
von
Hause
aus
für
die Baronin
vollkommen ; außerdem
aber
gefiel
ganz besonders .
Schon
als
ihre
Wiege
sie ihn im Geiste
lag , hatte
und nachdem wandelte
er seiner
Habe
die
besorgte
Mutter
Tochter
—
und
würde
Mariannens
Mitgift
Aber
Albrccht
seine Burg
zu
gehen ,
lockte ihn
Vermögen
noch der
sich nur
nach der lange Theilnahme
ihrer
Er
übrige
thun.
verließ , uin nach weder
Mariannens
Person .
entbehrten
.
; denn — Mariannens
nicht auörcichcn , so
als
und
verlobt;
geworden , ver¬
das
Bcrgenau
wart
auch
noch in der
mit ihr
sollte
Liebenswürdigkeit
Reiz
Albrccht
in Gewißheit
Schönheit nun
ihr
verlustig
sich ihre Hoffnung
meinte
nothwcndig
Er
sehnte
weiblichen
Gegen¬
wußte , er werde
sich be¬
haglicher
fühlen
am Thcetisch
thuenden
Tante
und der guten Eonsine
mit den weichen
blauen
Augen
als
in seiner
einsamkeit .
Und
allein
mit Hektar
so entschloß
der nicht der Persönlichkeit deren
Burg¬
er sich zu dem Besuche,
der Damen
, sondern
nur
Einfluß
auf seine Stimmung
galt.
Dennoch
hätte
können , daß er
den Wunsch nicht
zwischen der ihm schön-
cs dazu kommen
der
Baronin
erfüllte , wäre
begegnet .
Albrccht
war
jung ; seine
Phantasie
mußte
jeder Eindruck
auf
Verlangen
gefoltertes
arbeitete
lebhaft .
so lange
von
Tief
Täuschung
und
ihm Vroni
sein
44 Herz wirken . Er hatte eine schwärmerische Verehrung für das Schöne in jeder Gestalt . Als cs ihm , durch den Reiz des Geheimnißvollen erhöht , in der Person eines weiblichen Wesens plötzlich und so ganz unvcrmuthet cntgegcntrat , zündete cs sofort eine lodernde Flamme in seiner Brust . Durch Vroni 's Unterredung mit ihrem Vater hatte er einen Einblick in ihre un¬ gestümen inncrn Kämpfe erlangt ; da stiegen neben seiner begehrlichen Liebe Nebclbilder von tausend hochstrcbenden Hoffnungen in ihm auf . Die edle Er¬ scheinung des Bürgermädchens hatte auf seinen bis zur Erschütterung erregten Geist einen unbeschreib¬ lichen Eindruck gemacht. Inwiefern
er den Gedanken
an seine nereen Ideale
mit ihr verknüpfte , und in welcher Art das Wesen beider durch den gegenseitigen Einfluß aufeinander umgestaltet wurde , wird vielleicht durch den Fortgang
dieser kleinen Erzählung
anschau¬
lich werden. *
* *
Inzwischen lag die kranke Vroni einsam in ihrer Kammer . Ihr Vater hütete sich wohl , die Schwelle zu überschreiten .
Schwester Lina und der Arzt bil-
45 beten
ihre
einzige Gesellschaft .
Erkundigungen und andern
nach
Blumensträuße aber
ihrem
jungen
Leuten
und
die Romane
Blumensträuße
Wohl kamen zahlreiche
Befinden unter
Romane
ließ
warf
wurden
sie ungelesen
Eines
Tages
ließ
sie
noch zu angegriffen
war
sich Marianne
später , als
gesehen Hütte , war Während Bewußtsein
.
Als
sie wieder
ihr
,
bleiches
sie erschrocken zurück . Arbeit
überhäuft
;
denn
zur Last , und dazu
Anforderungen Laune
gern
die Aufwartung
zu sorgen .
und
Besuche
um
erschienen.
Wenn
ohne
zu betrachten ; aber darin
dem
war
jetzt
Dienst
am
im Speisesaal
nun
hatte
Doch
erblickend,
Lina
sie für
die Pflege
war 'sie so kräftig
so frisch an Geist , daß
sie sich allen
unverdrossen
der
heitersten
Dienerin
wachte
fügte .
Wie
und eine
mit
treue
sie am Lager der Kranken , bis die Gefahr war .
zu gern
blieb Vroni
außer
ungetheilt
Schwester
,
Schwester
fiel ihr
der
amnelden;
Antlitz
Brunnen
an Körper
bei ihr
zu sich kam , verlangte
, um ihre Züge
mit
die
dem Fenster.
drei Tage
fuhr
gesendet;
sie die Baronesse
sie einen Spiegel abgemagertes
ihr
aus
diese nicht wieder
der ersten
Offizieren
liegen , und
sie gleichgültig
aber
empfangen , und
von
den Curgüsten ; auch
Vroni
zu reden
es ihr in ihrem gewöhnlichen
überwunden
versuchte , verwies gutmüthigen
sie
, aber etwas
46 barschen Tone : „ So
schweige doch still , das Sprechen
ist dir ja noch untersagt ! " Lina an
lebte nur
den Brunnen
für ihre kamen
Arbeit .
und
je mehr
Spcisesaal
zu bedienen
hatte , desto
sie.
ihren
galt
Für
seinem für
Vater
Werthe
in
baarer
sich keinen Gewinn
den Fleiß
um seiner
gut vollbrachten
aber lange
war konnte .
Gäste
sie im
vergnügter
war
jeder
Gast
nur
nach
Münze ;
Lina
aber
suchte
selbst willen
und
freute
sich des
Vroni
der
Genesung
näher;
sie noch so schwach , daß sic sich kaum Nun
chelnde Liebkosungen
suchte sie Lina
zum Reden
durch
zu sprechen , und
mit der Schwester , so verschieden
von ihr war .
Tie
verlangte
lichcrm ,
als
was
ihr
langen
Zeit
geboten
nach Andcrm
die Traumgebildc hatten .
Kopf stets von ihrer Arbeit zu sitzen , war
für
Vroni
zu erfahren
und
Marianne
Aber
Graf
von Greifcnclan
und Wirkder
Lina
hatte
Nur
letzten den ruhig
so viel war
im Stande , daß die Ba¬
noch
letztere die Cur weiter
diese auch
voll ; fünf Minuten
sic eine Qual .
und
schmei¬
zu bringen ; denn sic
sehnte sich danach , wieder mit jemand
von ihr
Leute
durch die Fremden ; sic liebte
rückte
bewegen
ronin
mehr
Tagewerks.
Allmählich
sei es nur
Je
im
Gasthofe
verweilten
gebrauche ; ferner , daß der
sic täglich zweimal
nach Vroni 's
47 Befinden
frage .
Lina
meinte ,
sie fände
das
gan;
natürlich , auch daß der Graf
in der ersten Zeit
von
Vroni 's Krankheit
bei ihrem
und
die Worte
oft
lange
belauscht
Bett
gesessen
habe , welche sie bewußtlos
gestöhnt
— Worte , die für
dagegen
sich Albrecht
mit
Lina
keinen Sinn
hatten,
bedeutsamer
Verständlichkeit
Kämmerlein
, in dem Vroni
nur
ein
Dachfenster
spärlichen
Sonnen¬
offenbarten. Es lag ;
war
das
ein enges
Licht
hineindringcn strahlen der
konnte
,
eine
Natur
doch
waren
für
die
sic nichts
als
ein Stückchen
sah und
Zuweilen
setzte sich ein auf
den
und
äußersten
nieder
Lied . Vroni
begrüßte
sie beneidete
ihn
heit .
O , wie
wol bisweilen dacht .
Sie
hätte
Jahre
reinigen
zu
eines auf
den
Zweig,
zwitscherte
sein
lustiges
ihn jedesmal
die
Im
Von blauen
Buchfink
Stunden
Apfelbaums.
mit einem Seufzer,
um seinen Frohsinn
ungestümer
Außenwelt .
Leidende .
Ast
und
Wie träge sich ihre Kräfte immer
die
Erquickung
Himmel
wippte
durch
und
langsam
seine Frei¬
dahinschlichen!
sammelten ! Immer
heftiger,
wurde
ihr
Verlangen
nach
der
Anfang
ihrer
Krankheit
hatte
sie
mit Scham
an ihre
war
dann
ihres
Lebens
können .
über
Aber
Vergangenheit
sich selbst
entsetzt
gegeben ,
um
mit
Genesung
der
ge¬ und
sich davon kam
48 auch die moralische Verblendung zurück . Den Eid, den sie sich täglich erneuert hatte, unterließ sie nun zu
wiederholen ; zuletzt lächelte sie sogar über ihre fromme Einfalt; ja als sie die wicderkehrcnde Gesundheit in ihren Adern zu spüren begann, blickte sie mit einem gewissen bittern Spott auf ihren Fall zurück . Sie wurde hart; sie klagte das Schicksal an; sie fand in ihrem Charakter, in ihrer Lage hundert Entschul¬ digungen für die begangenen Fehler. Schon brannte sie vor Lust und Begierde, wieder hinauszuziehcn in die schöne Welt, ob auch die schwachen Glieder ihr noch den Dienst versagten. Jeden Tag mußte ihr Lina über den Grafen und die Baronesse berichten . Einmal aber wurde Lina ungeduldig und antwortete auf ihre stürmischen Fragen derb und kurz: „ Was geht's dich an, was die Herrschaften treiben? Wenn dich's so danach ge¬ lüstet, es zu wissen, magst du selber zuschauen ." „Ich — wie kann ich das?" „Ei von deinem Fenster ans; da sieht man in den Garten, und in dem geht der Graf immer mit seiner Cousine spazieren ." „In unserm Garten?" erwiderte Vroni, und ihre Stimme zitterte; „ aber du weißt ja, daß mir das Fenster zu hoch ist und ich nicht hinaussehen kann."
49 „Da ist leicht zu Helsen ", sagte Lina, deren Gutmüthigkeit erwärmte und in Eifer gcrieth, sobald ihre Hände etwas zu thun bekamen . Sie legte mehrere Kissen übereinander auf einen Sessel, rückte ihn an das offene Fenster, und Vroni stieg, wenn auch müh¬ sam, hinauf. Begierig blickte nun die Genesende herunter in dm Garten. Sie sah Albrccht und Ma¬ rianne dort Arm in Arm gehen, in vertraulichem Gespräch begriffen . Wie gern hätte sic gehorcht , wie gern ein Wörtchen aufgefangen , aber es war unmög¬ lich. Sic bog ihren Kopf weit aus dem schinalen Fenster. Um ihren Hals war lose ein rothscidenes Tuch geschlungen . Das flatterte nun, gerade als das Paar unten vorübcrging, wirbelnd zur Erde. Ma¬ rianne bemerkte cs nicht; Albrccht jedoch hob es auf und richtete dann seinen Blick schnell empor, aber er sah nur, wie eine weiße Hand eben das kleine Dach¬ fenster hastig wieder schloß. Wohl wußte Albrccht, wessen Hand er gesehen, wessen Tuch er aufgehoben . ' Lange ging er stumm neben seiner Cousine und fühlte nichts als die ver¬ sengende Glut des weichen Seidenstoffes auf seiner Brust. Seine fortdauernde Anwesenheit in Bergcnau hatte die Hoffnung der Baronin zur Gewißheit ge¬ steigert, und Albrccht mußte sich mit vorwurfsvollem Vroni.
4
50 Gewissen ganz
sagen , daß
redlich
Absichten
handle ;
seiner
keinem Worte
bloße
Umstand und
denn
er merkte wenn
seiner
der
Baronin
schwätzigen
Zungen ,
erschien
doch der
Gegenwart
im
, die Er¬
und
die
in Bewegung
ge¬
zu setzen.
Albrccht 's ver¬
indeß
weder
gekränkt
so häufig
und
ihm
gegenüber mit
er cs wollte , mäßigte
wenn
er
und
leitete
die Grenzen ihn mit
der
auf
Irrwegen
weilen
litt , sie kämpfte
aber
sah .
Albrccht
ihm seinen
muthig
wol
weile .
es wirklich , wie trauten
weiter .
's
Unruhe
in
seinem
Wesen ,
leuchten
in
seinem
Oft
zu¬
frug
so lange
sic ver¬
er sagte , weil
er sich
wohler
fühlte
als
Aber
eine
gewisse
cigenthümliches
Auf¬
Verwandten
öder
sie auch dabei
in Bcrgcuau
Grcifenclan
überschritt,
sicherer Hand , wenn
Wie
sich, warum
so
Schwärmcrsinn,
Besonnenheit
sanfter
sie ihn
seinen
auch
nähren
der Welt
lange
bei
er denselben
welche jede Regung
noch beleidigt ; sie sprach
War
die
mit Marianne
zu
nicht
wohl
verlängerten
seines Verkehrs
Marianne
sehr
entgegcnkam , so genügte
wartungen
stand ,
seinen Verwandten
Tante , und
mit
Gasthofe
er an
Einsamkeit ? ein
in
Antlitz , wenn
er von dem Beruf
der Frauen
sprach — und cö war
dies ein Licblings-
thema
ihm
Argwohn .
von
vermochte
—
erregte
sie das Rüthsel
ihren
Doch
nicht zu lösen ; denn sie sah
51 in
Bcrgcnan
kein
weibllches
fesseln
konnte ; und
gültig
sei, davon
Lösung
des Geheimnisses
sie vermuthet
Oft
daß
war
Wesen ,
wenn
Lina
und
kam ihr
*
&
Marianne
durch
war
stets mit
Schaffen
derber
und volksmüßiger Sid
stets
heitern
als
fand
erquickt
und
innere
Kämpfe
?
blauen
er¬
thätigcn
Lina ' s
und
etwas
sie keinen An¬
an ihren
offenherzigen, und
verließ
sic
Auch an dem Tage,
Vroni 's aufgefangen Sie
ordnend .
fand
hatte,
sic allein
„ Lassen Sic
znsehen " , sagte sie ; „ es wird
stören .
Wovon
großen
An
Reden
zu Lina .
Ihnen
, ihrem
nahm
beruhigt .
reinigend
wol niemand „Matt
Natur
das Halstuch
unch eine Weile
an einem
anders , als
in der Gesellschaft
zuzusehen .
gutmüthigen
sich Marianne
im Spciscsaal
uns
Die
der Wirthschaftsführung
sogar Gefallen
und
Albrecht
begab
gleich¬
ganz
es gefiel Marianne
stoß .
meistens
völlig
hatte.
beschäftigt , und Wirken
Albrecht
sie nur zu sehr überzeugt .
schöpft war , suchte sie Zerstreuung Lina ' s .
das
sie selbst ihm
Ach, ich bin so ermattet ! "
denn ? "
fragte
Lina
Teller.
4*
und
rieb
52 „Wahrscheinlich „Baronesse nichts
t
vom Nichtsthun
! . . . und
."
das
sagen
Sie
so mir
thätig
dir nichts ? " „Warum
nicht ?
Ich
möchte
gern
cs heißt
ja , die Cur
strenge
schon hinreichend
solle sich dabei
wenig
beschäftigen ."
aber
an , und man „Pah sollten
, das
recht
sind wo'l nur
fleißig
das
ist das
Teller
und
Gläser
den lieben
langen
Ihnen wieder
arbeiten .
schadet,
Sie
einmal
wie ich
und
putzen
Tag , ich wette , die Suppe
würde
.
Wollten
abspülcn , aufräumen
schmecken und
das
Roth
käme
mir , ich beneide Sic !
Was
bleichen Wangen ."
„Lina , glauben
Sie
gäbe ich nicht für Ihre tauschte
Sie
Ihnen
besser
auf Ihre
Gerade
Was
Nichtsthun
schon
Grillen .
sein,
gleich
mit
gesunde , glückliche Natur ! Ihnen .
Auch
ich möchte
Ich gern
wirken und arbeiten , damit , wenn ich mich des Abends zur Ruhe
begebe , ich das
eine Thütigkeit sagt , » von Tage , Jahre „Ihren
anögeübt der
großen
Bewußtsein
in mir
trüge,
zu haben , welche , wie Schiller Schuld
der Zeiten
Minuten,
streicht »." Schiller
gegen , verstehe
verstehe ich nicht recht , Sic
ich schon besser , und
vor , als
ob mit Ihnen
wäre .
Bcrzeihen
Sic ,
nicht alles daß
ich
cs kommt
hin¬ mir
ganz in Ordnung mir
die
Freiheit
53 nehme " , fuhr sie fort ; „ .aber Sie sind so freundlich und herablassend zu mir gewesen , daß ich mich bei Ihnen
gar nicht fremd fühle .
es schon lange gemerkt : Sie
Nun denn , ich habe tragen
einen geheimen
Kummer in sich — da sitzt der Knoten .
Sic
so gesund wie ich, und gewiß würden Sie
auch gern
sind
schaffen und ein lustiges Lied dazu singen, wenn nur der Kummer heraus wäre . Gelt , habe ich nicht recht? Wenn Sie mir vertrauen
wollten , Baronesse
— das
Sprechen wird Ihnen besser thun als all der Krimskrains von Brunnen ." „Sie
sind ein gutes Mädchen , Lina -— "
„Ich weiß nicht, ob ich gut bin ; aber Ihnen ich ausnehmend
gut ; dafür müssen Sic mit mir wie
mit dem Beichtvater mehr Erfahrung Sie
bin
reden . . . Hab' auch vielleicht
als so ein heiliger Herr !
Sehen
mich nicht so erstaunt an ! Wie die Vroni bin
ich nie gewesen ; dafür behüte mich die heilige Jung¬ frau . Ich will ihr nichts Ueblcs nachsagen ; ihre Schuld ist es ja nicht, aber so wie sie könnte ich doch nimmer handeln .
Das
peinigen .
Also , was ist'S? " —
Gewissen
würde
mich quälen
und
„9ictn , ich kann nicht — " „Soll
ich es sagen , was Ihnen
fehlt ? . . .
54 Verliebt
sind
Sic !
Nicht ? —
nicht so aufzufahren
; es hört
„Ich
weiß nicht , was
mir
das
«du » ; cs
„Ich
weiß nur
das
ist , daß
redet
Sie
Oho , Sie
uns
ja niemand
zu ."
meinst .
Erlaub'
so viel
leichter ."
du damit sich damit
eins " , unterbrach beständig
einen Mann , den Sie
an
brauchen
sic Lina , „ und
ihn
denken , an
so sehr , so gar
den
sehr gern haben.
Sic
möchten am liebsten , daß er immer
um Sic
Sie
meinen , wenn
aufwachen , die
Zeit
werde
und
das Frühstück
Sie
gar nicht
früh morgens
kommen , bis er sich sehen läßt;
schmeckt Ihnen
nicht , und Sie
gehen vor Ungeduld . Endlich kommt Sie
recht freundlich
zu ihm
zu Liebe thun , damit
er merke
Sic
cs mit
ihm
meinen .
und
fühlt
nichts , und
Sie
ist . . .
Da
es so ungeschickt
er wiederkommt vor —
, geht
und das
„Lina , werden ? "
macht
wie
sind
Sie
oder
mit
wie
er ge¬
sich böse ,
haben , und wieder
daß wenn
wie zu¬
krank ! " du
„Gelt , ich hab ' s errathen ?
liebgehabt ,
Mögliche
fühle , wie gut
fort ,
es doch gerade Sie
alles
der Böscwicht , der
geht
angcfangcn
konntest
auch durchgemacht .
und
Aber
ver¬
er — da möchten
sein , ihm
merkt kommen
wäre;
das
alles
so gewahr
Hab ' ich's doch selber
Ei , der Mcinige
sag ' ich liebgcwonnen
hat mich wieder .
Nur
da
er
55 von vornehmen Stande
war und mich nicht heirathen
wollte , und ich mich nicht zu dem hergeben mochte, was er im Sinne
hatte , so ward nichts daraus , und
wir waren geschiedene Leute." „Arme Lina ! Warst du nicht recht unglücklich? " „Ich weiß es nicht.
Ich habe schrecklich geweint
und manchmal meinte ich, ich müßte vor lauter Kum¬ mer zerspringen .
Zuweilen
packte es mich so, daß
ich ihm gerne nachgelaufcn
war ' — ich blieb aber
doch zu Hause .
Jetzt weiß ich schon fast nichts mehr
davon , daß cs in mir so getobt hat ." „Vergessen werde ich ihn nie , und sollte ich da¬ rüber ins Grab sinken!" „Versündigen wird . . . " „Woher
Sie
sich nicht
—
der
Graf
weißt du , daß es der Graf ist ? Hätte
ich mich selbst verrathen !? " „Sehe
ich Sic
nicht täglich mit ihm
und be¬
merke, wie Sic bei jedem Wort , das er spricht , die Farbe verändern ? Gebe ich nicht Acht, wie Sie alles für ihn bestellen?
Nichts kann für den verwöhnten
Herrn gut und bequem genug sein. Ach du mein Gott !" „Lina , siehst du , ich habe ihn schon licbgehabt, da wir noch Kinder waren . Als ich ihn später wicdersah, wurde das Gefühl stärker , und jetzt . . .
„Kann Lina
man
in einem
diese
Männer
plötzlichen
Anfall
den Teller , den
sie abzureiben
den Tisch , daß er in Stücke kommt Und
ihm
Wesen
Weil
und warf
im Begriff
war , auf
„ So
ein Engel
er stößt ihn von sich!
den schlechten Männern
zu gut ist .
wollen das Schlechte
schrie
von Zorn
zerbrach .
in den Weg , und
warum ?
begreifen ? "
ein edles
Ja , das
würdigen
sie nicht ; die
. . .O
, die Männer
, ich könnte
sie hassen ! " Marianne zufrieden
lächelte .
geben , wenn
zieht , seiner
wcrth
ich genau .
Ich
dere ; und
doch ist hier
mit
„ Ich
wollte
mich ja
die Glückliche , die er mir
wäre .
Albrecht 's Charakter
täusche mich nicht , er liebt in Bergcnau
schon vor¬ kenne
eine an¬
kein Mädchen,
dem er umgeht ." Lina
erblaßte ; sie schritt
ab .
Dann
blieb sie wie versteinert
vor Marianne
stehen .
„ Du
Arme ! "
Plötzlich
ballte
sie die Faust
und
ich hab ' s ! „Bist
aber
sagte
hastig
im Zimmer
sie. —
auf
aber
und schrie gellend auf : „ Ich hab 's,
Pfui , pfui !" du von Sinnen
, Lina ? "
Es
wäre
besser gewesen , Lina
hätte
in
ihrer
Aufwallung
sie der Mäßigung
und Vorsicht . von dieser
„ Das
vergaß
geschwiegen;
ist einer der schlechtesten Streiche
abscheulichen
Vroni !" sagte
sie.
„Vroni ? — Was meinst du damit ? " „Ich blödsinniger Tropf ! Hat cr die Vroni nicht vor der Wuth des Vaters
gerettet ? Und hat er nicht
voll zärtlicher Angst an ihren : Bette gewacht und mich dann täglich mit Erkundigungen bestürmt ? Wahrlich, meine Schwester ist doch ein grundschlechtes Mädchen! Sie ist wie ein Magnet für die Männer sie nun auch diesen an sich ziehen !" -
. . . muß
„Was
kann deine Schwester dafür ? " sagte Ma¬ rianne , den Kopf senkend, damit Lina ihre Thräncn nicht sähe. „Gewiß kann sie dafür ! Sic hat ihn umstrickt !" rief Lina flammend vor Zorn. „Er
mag sic immerhin
liehen " , fuhr Marianne
fort , die Unterbrechung nicht beachtend; „ ich bin nicht und werde nicht eifersüchtig ; ich will ja nur sein Glück. Aber , wird sic ihn glücklich machen?
Kann sic cs,
wenn nur ein Thcil von dem wahr ist, was man von ihr sagt ? " „Unrechtes Verlangen „Wie
bringt niemals
meinst du das ?
Der
Segen !"
Funke der Liebe
kommt von Gott .
Wer weiß , welche Absichten am
Ende die Vorsehung
verfolgt !
geprüfter Mensch.
Albrecht ist ein viel¬
Vielleicht ist daö seine letzte Prü¬
fung , aus der er rein und geläutert
hcrvorgcht —
58 ein besserer Schwester
und glücklicherer
Lina
zuckte die Achseln . Wir
Sie
ist fein
und
Sie
über
schwach .
zart
, aber
wie
Doch Sie
nehmen , Fräulein
noch lange
hier bleiben ? "
doch
gemein
eine Dame
ist nicht böse, nein ; aber
zu Herzen
„Ich
habe mit ihr meine
fast nichts miteinander
hohem Stande . die maßen
„ Ich
sind wol Schwestern
so verschieden , daß wir
Mutter .
Ich kenne deine
sehr wenig ."
schwere Noth .
haben .
Mensch !
von
schwach,
dürfen sieh' s nicht
Baronesse .
Werden
Sie
weiß es nicht ; ich überlasse
es ganz meiner
Für
Heil : wo
mich
sehe ich nirgends
soll
ich es suchen ? " „Kommt
Zeit , kommt Rath ! Jetzt weiß ich selber
nicht , was
ich von dem allen
mir
bunt
ganz
vor
bestimmt , daß werde ." „Thn
denken soll , denn
den Angen .
ich der Vroni
das
tüchtig
nicht , Lina ; mir
erwiderte
Marianne
walten .
Die
mir
nicht
so ungetrübt
an
die Zukunft
allzu
zum Ertragen
mir
wohlgethan
,
mir
die
lesen
nicht ! "
Vorsehung
liegen , verflossen
, daß
ich verwöhnt Ansprüche
dir
weiß ich
zu Gefallen
große wird
mit
nur
den Text
anfstehend ; „ laß
Jahre , die hinter
Kraft
Eins
es ist
wäre
und
machte .
Die
sich schon finden .
Es
hat
zu sprechen ;
bist
ein
du
59 treues biederes thun ! " „Lassen
Herz .
Sie
Konnte
es
nur
ich doch etwas
gut
sein ,
ronesse " , sagte Lina , den Mund
für dich
Fräulein
Ba¬
verziehend , um
Schluchzen
zu unterdrücken .
„ Der Himmel
und wird
Ihnen
noch gnädig
sein ."
„Lebe
wohl
für heute ; ich muß zu meiner
ihr
ist gerecht
Mutter
hinauf ."
*
Wenige verlassen
Minuten
hatte ,
trat
sam
mußte Ihr
und
nicht zu fallen . Falten wie
nachdem Marianne
öffnete
Lina 's Schreck vor
*
sich leise die Thür
Vroni
schwacher , tonloser eine Weile schlecht ,
zu
sich an
die Wand
stützen , nm
weißes
Gewand
hing
in weiten
Gestalt .
„ Der
Vater
dem Jahrmarkt Stimme
" , begann
Es
geht mir
ich bin
noch so von kann ; aber
halt ' ich es nicht länger
ist,
sie mit
, „ und so komme ich ans
mich kaum fortschlcppeu mer
und
schritt müh¬
zu dir herunter .
und
herein .
Sie
um die abgcmagertc ich höre , auf
das Zimmer
mehr
zwar
Kräften ,
daß
noch ich
oben in der Kam¬ aus ."
60 Sic
wankte , und
als
sic sich ans den Stuhl
niederlicß , schien sie einer Ohnmacht nahe. „Tu bist cd? " sagte Lina , „ du ? " — und ihre runden Augen rollten wie Feuerkugeln. „Warum ich bin eS. stören .
sichst du mich so sonderbar an ? Ja, Habe ich dich erschreckt?
Laß dich nicht Ich setze mich hier hinter die Gardine und
schau', was ans dem Platze draußen vorgcht . Endlich sehe ich doch wieder Leben." „Der
Arzt hat dir ja die Bewegung
noch streng
verboten " , sagte Lina. „Ich lechze nach Veränderung . Wochenlang war ich da oben eingcspcrrt ; ich ertrage
cs nicht mehr,
und sollte cs mir das Leben kosten . . . " Ihre
blassen Wangen wurden noch bleicher; aber sie war von einer ätherischen Schönheit . Welch edle Anmuth in ihren
Zügen ! Welch ergreifender Reiz in jeder ihrer Be¬ wegungen ! „Sic kommt wie vom Himmel gesandt ; cs ist ein Fingerzeig von oben, daß ich reden soll." „Was
murmelst
du da ? . . .
Sage , waren
heute viele Tischgäste ? Hast du tüchtig zu thun ge¬ habt ? Lina , es thut mir leid um dich; doch warte, bald wird mir 's besser gehen , und dann werde ich doppelt mit arbeiten ."
Gl „Laß
das nur
pt
du mir
böse ? "
„Bist „Ja
!"
„Und
warum ? "
„Ä 'ömttcft „Du wieder
wahrlich
weißt
gesund
„Ach , Hülfe
sein ."
besser anwcndcu ."
ja , ich bin noch krank ; wenn ich aber
bin , dann
das
ist
nicht , meine
vier Paar
deine Zeit
verspreche
mir
ich — "
einerlei ; ich
zwei Arme
können
von deinen . — Aber
brauche mehr
du treibst
großen Unfug , Vroni , cs ist eine Schande ehrliches Haus ! Mann ,
Der Vater
wenn
er uns
behandelt , und
unser
gcnau .
Wird ' s aber
„Bist „Du ich werde
brauchst
auch nicht
der Fähnrich
als zu
für
immer
ist das
wol nicht lange
unser
zum
besten
erste in Bcr-
mehr
bleiben ."
?
Rede , was
hast du ? "
mich gar
nicht dazu
aufzufordern,
schon von selber reden .
dem Hauptmann
thun wirklich
ist doch ein rechtschaffener
Gasthaus
du von Sinnen
deine
Also .
Alö du mit
umgingst , sagte ich nichts ; wie sich
mit dich bewarb
und du ihn
machtest , daß er in den Krieg
so verrückt
zog und sich erschießen
ließ , drückte ich eine Auge zu ; von der Geschichte mit dem Baron
will
ich gar
nicht
sprechen .
Jetzt
aber
sag ' ich : Halt ! " „Daß
ich ein Abscheu der Menschen
bin , du hin!i
62 gegen das genug
Muster
aller Tugend , das
vorgchalten , liebe Lina !
daß ich dir so wenig gleiche .
hast du mir
Ich kann nichts Danke
oft
dafür,
dem lieben Gott,
wenn
du willst , daß er dich so geschaffen hat , wie du
bist .
Wo
du
wahrlich
aber
heute hinaus
willst , das
sehe ich
noch nicht ."
„Schau , Vroni , ich will mich nicht ereifern . bist meine Welt .
Schwester , und
Die
Mutter
wir
stehen allein
ist tobt , der Vater
Du
auf der
ist — nun,
wir
wollen
vom Vater
nicht reden .
Ich
bin um
ein
paar
Jahre
älter
du
das
Recht ,
dir
als
meine
Meinung
nicht
schelten ; nur
und
zu sagen . um
habe
Aber
einen
Vroni
hatte
aber
schneller
ich dich
bis dahin ziemlich zerstreut
zugehört.
glänzten
und
„Das
mir
Zittern .
eine
!"
Augen ,
ihr
ganzer
Körper
So
schritt
Athem
ging
gcricth
sie ans
in
Lina
fast erschreckt cntgcgcnsah.
Leben , das
Tod ! " begann ist
ihre
schwerer , ihr
ein krampfhaftes zu , welche ihr
ich dich
will
bitten : Laß ab von dem Grafen
Nun
jetzt will
Gefallen
du führst , wäre
für
sic ; „ die Arbeit , die dir Freude Last .
du nicht und wirst
Was
lieben
heißt , das
du nie verstehen .
Räthsel , wie du crrathcn
Es
mich der macht, verstehst
ist mir
ein
konntest , daß ich den Grafen
liebe ; doch kümmert ' s mich wenig ."
63 „Du mu ßt von ihm .ablassen!" „Ich weiß nicht, was du willst. Hab' ich doch noch kein Wort mit ihm gewechselt . Für mich ist die Liebe Speise und Trank. Ich bin so matt und elend, daß ich mit dir kaum reden kann: nur meine Liebe erhält mich. Als ich Albrccht zum ersten mal sah, fühlte ich sogleich , er werde von entscheidendem Ein¬ fluß auf mein Leben sein. Er erschien mir in meinen Träumen, ich nannte ihn in meinen Gebeten. Als er mich aus der Hand des Vaters errettet hatte und ich an seiner Brust ruhte, da fuhr es mir wie ein Gewitter durch die Glieder, trotz der schmerzenden Wunde. Auf meinem Krankenlager schwebte mir sein Bild vor Augen, in meinem Geiste lebt es unaus¬ löschlich . Ihn zu sehen, ihn zu sprechen , ihm zu danken und — o Gott! wenn cs möglich wäre — von ihm geliebt zu werden, das ist mein einziges Flehen und Sehnen." „Unglückliche ! Wahnsinnige!" „Nenne mich wie du willst. Was liegt mir am Leben, was am Urthcil der Menschen ! Frage den Vater, was er aus mir gemacht hat, wenn du mich nicht begreifen kannst." „Und hat er es nicht mit mir ebenso anfangen wollen wie mit dir?"
04 „ Wirst
du denn niemals
bist wie Stein , während Liebst
du ?
Nein .
Sehnsucht
cs in mir
Aber
nach Liebe ?
nach Zärtlichkeit
?
ich
liebe ! dn
Was
kennst !
daß
Fühlst
Wunder Ich
aber
die
also ,
daß
werde
wie
getrieben , ich kann nicht von ihm lassen ." denn nichts dich zurückhaltcn ?
andern
Geliebten
nicht den Grafen „Also hörcn !
du
je ein Verlangen
„Kann einen
dn kalt
siedet und glüht?
Hast
Nein .
du keine Versuchungen von Geißeln
cinschen ,
das
; erjage
— jeden
andern , nur
war
Eine
cS ?
Sage , liebst du
„Ich ? —
Du
ihn
solltest
Erjage
dir
dir wen dn willst , nur nicht den ! "
Predigt
soll ich an-
etwa ? " mich
doch besser kennen!
Aber ein anderes
Mädchen
liebt ihn , ein zartes , gutes,
treues
Mädchen .
Sie
ihr
gesetzt.
Folgt
^So
ist
mag
Doch
reich
Stande
ganzes
Glück
auf ihn
er einer andern , so geht sie zu Grunde ."
ich entsagen ? Kind !
hat
sic zu Grunde Es
sic ist jung
und wird
und
hat
die Welt
und
kann
unter
Was
aber
alles
genommen :
habe
ich ?
Warum
soll
Das
arme
Darum
lange
bin
vor
sich trösten .
Sie
?
sich.
Sie
den Vornehmsten Nichts !
ich bin
und gemieden . ich jung
gehen !
ist wol die Baronesse
arm ,
Die
will ich lieben und
schön .
Welt
ich bin
Bald
ist
von
wählen. hat
mir
ausgcstoßen
und
leben , so
genug
wird
65
Kummer das Alter herbeiführen , und mir nichts bleiben als die Erinnerung. Soll ich auf mein Glück verzichten ? Nein, ich will's ergreifen, da ich's noch zu genießen vermag." „Und meinst du, daß diese Liebe dich beglücken kann? Was wird das Ende sein? Gleichgültigkeit, Widerwille, Haß auf beiden Seiten! Laß ab von ihm, Broni — liebe Vroni!" „Du sprichst als ob das allein bei mir stände. Wie aber, wenn er mich liebte; wird er mir so leicht entsagen? Glaubst du das wirklich? Und ich weiß, daß er mich liebt; ich lese cs in deinen Mienen. Sieg , Sieg ! Er liebt mich! — Lina, wie bedanrc ich dich , daß du so gänzlich unfähig bist, auch nur ein wenig von dem Glück zu empfinden , das mich beseligt, das mich mit unaussprechlicher Wonne durchbebt ." „Wenn das arme Kind gestorben sein wird", sagte Lina weinend , „werd' ich dir eine Locke von ihrem Haar bringen— zur beglückenden Erinnerung an das schuld¬ lose Opfer, das deine Liebe, wie du cs nennst, ge¬ fordert hat. — Arme, gute, reine Marianne!" Auf Vroni's Gesicht zuckte es wie von Schmerz. Ihre dunkeln Augen färbten sich noch dunkler, und der Strahl des Jubels, der in ihnen geglüht, erlosch unter den aufquellenden Thränen. „Ja , du hast recht, Broni.
5
66 ich bin
ein verworfenes
nicht , Lina !
Die
Wesen ; aber
Zukunft
nicht ,
Schwester ,
gebe .
Und
daß
ich mir
für wen ?
keine Gemeinschaft
wird
Für
habe .
schlecht bin ich
es lehren .
Verlange
selbst
Todesstoß
den
eine Fremde , mit der ich Wohl
weiß ich , daß mein
Wandel
tadelnswerth
gewesen .
Aber
die
heilige
Jungfrau
wird
heiße Reue
und Buße
gnädig
meine
annehmen ; täglich Bilde ,
daß
Wunderbar
bete ich voll
sie mich fühle
selbst
gerüstet .
verläßt
mich wieder
Es
war
Mädchen
beschütze ,
ich mich
sie habe mich erhört
sie
gestärkt
ach , bei jeder
ihrem
mich
rette.
und meine, mit
neuen
mir
Prüfung
die Kraft ! "
unterdessen in
daß
dann
vor
und mich zum Kampfe
Aber
saßen
Inbrunst
der
spät
geworden .
dunkeln
Stube
Die
zwei
beisammen.
Lina
suchte noch eine Zeit lang auf ihre Schwester einzuwirken , bis sic durch die Magd , welche mit Licht ein¬
trat , unterbrochen in ihr ihr
wurde .
stilles Kämmerchen
Vroni
wankte
und sank dort
Lager.
*
* *
nun
hinaus
erschöpft
ans
67
Alle Straßenecken
Bergcnans
bunten
Plakaten
Schrift
eine hochwichtige
Geringeres
des Landesherr stattsinden
eine glänzende günstiger
werde ;
abgebrannt einen
die
Hälfte .
Es
halben
verkündeten , nichts
Kapelle
zngesagt , und dem Balle
werde
des Gartens
Eintrittsgeld
Gulden , für
die Damen
lockende bereitete
öffentlichen
Anzeige
Aristokratie
gemeinschaftlich
mit Tanz
Ausnahmen Bergcnans
der Cnrgäste
vor. in der ,
wo
sich hcrablicß, in
demselben
und Baroninnen
die Berührung
Frauen
der
nicdern
sie wurden
auch
von
strömte ,
mächtig.
.
mit
Blut
nur
znsammenzukommen
daß Gräfinnen
diese
betrage sogar
wirkte
den Bürgerlichen
nur
wie
Bei Feuer¬
sich auf die Lustbarkeit
Vergnügungen
die weibliche
zum
folgen .
werden ; das
ja auch eine der seltenen
Liste der
Saale
fetter
solle auch ein prachtvolles
Die
und Klein war
auffallender
die Brombergischc
Beleuchtung
Witterung
nur
Groß
in
Nachricht
», ein großes Fest im Schützen¬
habe ihre Mitwirkung
werk
die
mit riesigen
nämlich , als daß am 18 . August , dem Ge¬
burtstag hause
beklebt ,
waren
ergriffen . schlugen
Bürgcrklasse demselben
Die
nicht
nicht
scheuten,
VcrgnügnngSstrndcl
Herzen ,
nicht
Aber
minder
in
denen
blaues
erwartungsvoll
68 wie
die
der
Sorgfalt
schlichten
wählten
voll wetteiferte Mode
Bürgerinnen
sie ihre
.
Toiletten
Mit
gleicher
, und geheimniß-
man , so streng als möglich der neuesten
zu huldigen .
Bcrgcnaus
sich für
diese Gelegenheit
stattct .
Aus
der
Putzhandlungen
frisch
Residenz
und
waren
hatten
reichlich nicht
ansge-
nur
Kisten
mit Bändern
und Blumen , sondern
auch Wagen
voll
Nätherinncn
eingetroffcn
nur
zur
Arbeit
hatte , war
Auch Taumel
die
mit
gute
mit
,
und
Nadel
beschäftigt.
hatte
allgemeine
Sic
der
entschloß
Feste beizuwohnen , und hieß Marianne lette
sorgen .
Diese
folgte
für
sich ,
dem
ihre
Toi¬
der mütterlichen
ohne Widerspruch , doch gleichgültig Unglaublich
Finger
und Zwirn
Baronin
hingerissen .
was
Weisung
und theilnahmlos.
erschien cs , daß sogar Schuber
Familie
Befehl
konnte
man
cs ein Wunder
wirth
machte
kein Hehl
gab , den Ball
daraus , daß ihm
dergleichen
wie
Tanzen
und
Feuerwerk ,
seien .
seine
Töchter
zu
einem
gehen wollten , erhielt
jedesmal
nur
sich dann irgendeiner
din anschließen .
so dieses mal .
Nicht
auf
wollte
sie begleiten.
den Ball
gehen ,
und
verhaßt
Tanzkränzchen
eine die Erlanb-
niß , und sie mußte
sollten
wol
nennen , denn der Gast-
Lustbarkeiten , Wenn
seiner
zu besuchen , und
guten Freun¬ Beide Mädchen
der
Batcr
selbst
69 Woher diese Plötzliche Umkehr in der Handlungs¬ weise des Gastwirths? -Die Antwort lag ziemlich nahe.
Wie alle niedrige, rohe und gemeine Naturen sich eigen¬ willig und herrisch geberden , wo ihnen nichts im Wege
steht, aber um so unterwürfiger sich beugen, wenn ihnen ein überlegener Geist entgegentritt , so unterlag Schuber dem gebieterischen Eindruck des Grafen Albrecht. Gewöhnlich vermieden es die zwei Männer, sich zu begegnen oder miteinander zu sprechen ; dieser, weil er den andern verachtete , jener aus Feigheit. Schuber fühlte, daß der Graf ihn durchschaue ; er ge¬ stand sich mit Scham und Entrüstung, daß er, ohne es zu wollen, ohne zu wissen wie und warum, dessen Winken gehorchen müsse . Es empörte ihn, und er stieß, wenn er allein war, Drohungen und Flüche gegen denselben aus. Kam er ihm aber von ungefähr in den Weg und ruhte Albrccht 's forschendes strenges Auge ans seinen lauernden Gesichtszügen , dann er¬ bebte er und schlich , den Meister über sich erkennend, scheu und wie gebrochen davon. Zwei Tage vor dem Schützenhausballe war er mit seinem Gaste — und nie hatte er einen ihm unliebsamcrn beherbergt— in dem schmalen Hausgange zusammengetroffen . Der Graf hielt ihn an. Ein Ausweichen war unmöglich. „Nicht wahr, Herr Schuber, Sic werden Ihre beiden
70 Fräulein
Töchter
können
gar
auch
nicht
Vroni 's Genesung Das
Blut
auf
das
umhin , Sie
Fest
stieg dem Wirth
: „ Ja
Absicht ."
sagte
Albrecht
einmal
über
ist
ging
.
andere
Gesicht .
Laut
aber
Herr
Schuber ! "
Der
Wirth
und schalt sich Tropf , einen
habe
immer
noch darauf , er werde
cinschüchtern
er sich wieder
lassen .
Zwar
einen
rechnete
seine Zusage
zu umgehen , und können , inzwischen
den erstaunten
Mädchen , sich zu dem Balle
herrlicher
hinaus
ins
und
aber
befahl
Abend
lockte alles , was Augen
zum
Die
bürgerliche
.
er doch, zu rüsten. nur
Füße
Sehen
hatte,
Welt
um kleine runde , mit Bier - und Weingläsern Tische
beisammen ,
verschiedene Gruppen des
Saales
Lieutenant
während
Einige
von Frischte , flatterten
saß
besetzte
die Badegesellschaft
gesondert , die Winkel
einnahm .
er
finden,
so seine Selbständig¬
gesunde
Schützenhaus
von dem
Vorwand
keit behaupten
Tanzen
aber
vor die Stirn
Grafen
zum
stammelte
einen dummen
Esel , eine feige Memme , weil
Ein
Nein,
Graf ; es war gleich
recht ,
weiter .
der Faust das
ins
wohl , Herr
„ Das und
schlug sich mit
doch Fräulein
zum Henker , nein ! —
so brauste es in seinem Innern
meine
Sie
feiern ."
ich denke nicht dran ; gehen Sie
er die Antwort
führen ?
müssen
,
in
und Ecken
Offiziere ,
darunter
umher
und unter-
71 hielten
die Verbindung
menschlicher ihren
Wesen .
Großthaten Der
Die
und
Saal
war
und hochgewölbt . über
reichte
zwischen
ein
Tänzer
Siegen
links
Damen
.
An der Wand
dem Eingänge
gegen¬
breiter
bis
Spiegel
standen
Die
, daß jeder
reise
Fahne
sich Kränze
von
deren
saßen
zierten in
Gast
bei seiner
Ab¬
als
Andenken
dem
der weißen
Die
Toilette . ; sie trug
zu ihrem stand .
ans
Tochter
der Residenz .
trefflich
des Saales
Immergrün
und Marianne
Sie
Ausnahme
für
jungen
wanden
und Wand
frischen mit
guter
hervortraten.
Gräfin
auffallender
Ruhesitz
mit ihren
Um diese Trophäen
dunkelm
Die Baronin
ihr
Wände
Landes
, welche auf
gekommen .
ans
zum
Nationen . Es war Sitte
seines
hinterließ .
$.,
war . Rechts
vermögende
Schützcnhansc
Farbenwirknng
den Boden,
verwandelt Divans
andern
Bcrgenan
Feldblumen
an
und Distinction
der verschiedensten
die
sich zu
Form
davon
Sprößliugen
bereiteten
länglicher
von Rang
Fahnen
Olla - potrida
vor.
geräumig , von
der dort in ein Blnmenparterre und
dieser
waren
einem und
Nur
ein Kleid
zarten
Teint
Die
Baronin
Divan
einigen
Damen
ziemlich früh neben
Freundinnen
erschienen
Marianne von blauem und
blonden
der
in reicher
machte
eine
Mull , der Haar
und die Gräfin
vor¬ unter-
hielten sich damit , daß sie die anwesenden beobachteten
und
anstauschten . einsilbiger ihre
zu .
Die
den jungen
rollten
Tänze
kungen
über
gegeneinander ging
noch sehr
cs
jung;
schon recht erfahren nach
begriffen , und sie ver¬
nicht , als
cngagirt
wurde .
die Offiziere
und
brccht , der , in einer
scharf
auf Entdeckungsreisen
Männern
auch ihre Freude
nächsten
Gäste
Mädchen
war
aber
umher , offenbar jungen
lebhaft
Comtesse
Augen
iutcrcssanten hehlte
Kritiken
Zwischen
braunen
im Saale
ihre
sic zu mehreren Ihre
freien
namentlich
der
Bemer¬ über
Al-
Ecke des Saales
stehend , eifrig,
wie es schien , mit dem Bezirksvorsteher
sprach und die
Damen
vollkommen
ignorirte
nicht geringe
Verlegenheit
eignet , ihre
gedrückte
Es worden mäß
mochten
Gesellschaft
nun
Schuber
Er
selbst , im Ballanzng
imponirende
mit
getanzt
des Vortünzers
ge¬
der
die
und Kuchen labte .
Da
zwei Töchtern
in den Saal.
, war eine mehr lächerliche als
Erscheinung . Auf die unbeholfenste
Weise
er sich in dem neuen Frack , den er kaum drei¬
im Jahre
Mädchen
ge¬
zu heben.
kleine Panse , während
seinen
in
sehr wenig
drei oder vier Tänze
sich an Gefrorenem
trat
mal
Stimmung
bereits
eine
fetzten Marianne
und waren
sein , und der Anordnung
folgte
bewegte
,
hatte
anzog .
Vor ihm ging Lina .
sich tüchtig
aufgepntzt .
Rothe
Das
gute
Bänder
73 umflatterten
sie ; das gelbe Kleid war mit dicken blauen
Kornblumen
und farbigen
Schleifen
der geschmacklose Anzug glänzende prägten
Roth
überstrahlt Zuletzt
ihrer
Wangen
Züge wurden und
kam
Vroni . in
Atlasbande
, das
und
ihre
stark ausge¬
durch die grellen Farben
daher
treu , ganz
bedeckt. Doch paßte
zu ihrem Aussehen , denn das
Weiß
in
ihrem
Sic
war , ihrer
Ausdruck
gekleidet .
desselben gemildert.
Licblingsfarde
Außer
einem
weißen
durch ihr
üppiges
dunkles
Haar
ge¬
flochten war , und
einigen
weißen
Blumen
, hatte
sic
keinen
sich.
So
Zierrath
das
Eintreten
so
leicht
an ihres
und
Vaters
natürlich
Ihr
Lina
hatte
bereits
Geiste
sich ihre
ferne
zugewinkt , das
Blick
Blicke
durch
noch nicht zu erheben
lief ,
schen auf sie gerichtet
waren.
•w
Mariannen
mit
als
vermochte
von Hunderten
Ecke des Saales
gemustert ,
gewundert , das
die Gesellschaft
steuerte
Geistern
im von
bleiche Antlitz Albrecht 's bemerkt,
fühlte , daß die Augen
Schuber
Sie
gesenkt am Boden. Saal
ausgesucht ,
und sich über das Murmeln Eintritt
war,
sich Vroni .
haftete
ganzen
Tänzer
linkisch
sie von unsichtbaren
aber
den
und
und ihrer Schwester bewegte
schwebte dahin , als wäre getragen .
verlegen
seinen
los , wo er , unfern
seit ihrem
Vroni und nur
liebloser
Töchtern
ans
ihre eins Men¬
eine
von der Baronin,
74 eine
ihm
bekannte
Bürgcrfamilie
sitzen
Murmeln
war
blieb
allgemeine
Aufmerksamkeit
zuletzt . Angekommenen
zugewcndet .
die
eine unbehagliche
Stille
Baronin
und
Regeln
des guten
Tons
auf das
obachteten , gaben
sogar
zuerst
die
Offiziere ,
die jungen
Mädchen
linge
aus
fernen
Die
Bürgerfamilie
sah .
Dem
gefolgt , doch ungetheilt
Die
welche
den
Gräfin , die
doch
sonst
die
Gewissenhafteste
be¬
das Beispiel , indem
sie
anstarrtcn , als
wären
es Fremd¬
, zu der Schuber
seine Töch¬
Zonen.
ter geführt , bestand aus Frau
Goldmann
nebst Tochter
und
durchfurchten
die Stirn
Nichte .
der Gattin
Tiefe
Runzeln
des Lcbkuchenhändlers
Fleischerstochter Gastwirths
.
Sie
erwiderte
mit vornehmer
sie freundlicher
zu , aber
sichtlich auszuweichcn ,
unter
ihren
dem Gruße
Von Saale dem
als
ihre
bergen
Küchlein
sich neben
der
ob sie die junge Brut
, stierte
umher , rieb
das
ein über
im
nichts bemerkt . Nach¬
sichern
Goldman » anvertraut
sie
an sich, ihren
dem Eindruck , den Vroni ' s Erscheinen
seine Töchter
des nickte
wollte.
hervorries , hatte Schuber er
; Lina
Vroni 's suchte sie
diese
ausspreizend , als Fittichen
die Begrüßung
Herablassung
und
setzte, zog die alte Henne Spitzcnmantel
, einer wohlgenährten
Obhut
der
Frau
er noch eine Zeit
laug
andere
mal
seinen Cylinder
75 mit
dem Frackärmel
einem Collegen über
das
Seideln
glatt , und
ins Nebenzimmer
aufgezwungene
Bier
„Das
begab
Vergnügen
ist
also
das
berühmte
Mutter ,
,Ma , foi , sie ist wirklich
sic es wagt , sich hier
in
zahlloseu
oder
berüchtigte
durch
ihr
„Warum
zu Mariannens schön !
Aber
der Gesellschaft
dünkt mich denn doch etwas
daß
zu zeigen,
stark " ; und sie prüfte
Vergrößerungsglas
von
Vroni 's Gestalt.
, liebe Therese ? "
fragst
noch , warum ?
das die ganze Stadt Ausbund
in
hinnnterspülte.
Schuber " , sagte die Gräfin
„Du
zu
, wo er seinen Aerger
Fräulein
neuem
sich dann
von
Galanterie
Schicklichkcitsgefühl
Ein
mit Fingern ,
sollte
haben ,
Mädchen ,
deutet
als auf einen
wenigstens
sich nicht
auf
so viel
unter
ehrbare
ich , wäre
es doch
Leute zu wagen ." „Nun
, nun , so arg ,
meine
nicht ." „Ich geworden ,
dächte , der Empfang müßte
einen
, der ihr
hinreichenden
von dem Urtheil , welches
hier zutheil
Beweis
geben
die öffentliche Meinung
über
sie fällt ." „Ich
bin
gewiß
nicht
zu
nachsichtig ,
Vroni 's Leichtsinn verdient
keine Verzeihung .
öffentlich
und Schimpf
mit
Kränkung
Therese; Sie
aber
zu behandeln.
76 scheint mir
andererseits
dort
diese Frau
ihres
Alters
Goldmann und
Verdacht
erhabene
meisten
andern
über
will
zn weit
Corpnlenz
Tugendheldin
?
Schuber
!
Sieh , wie Ist sic trotz
eine
über
allen
Und haben wol die
ein Recht , mit
zn Gericht
Strenge
zn sitzen ? "
„Aber
warum
„Mein
Gott , es ist die alte Geschichte . Bcrgenan
sein
spricht man denn so hart von ihr ? "
Sündcnopfcr
anmuthigcr
ist
;
als
dadurch
und
deren
sie in Verruf
kundigen
Allerdings
Verhültniß
ich
Mädchen
Mütter
nichts
,
von ihren daß
sie
den Math
ebenfalls
schöner
und
der Stadt, Besseres
zu
zn bringen , in der Hoffnung,
die Aufmerksamkeit
abzulenken .
da Vroni
die übrigen
so wissen diese und thun , als
finde
sich aufbläht
ihrer
Bürgerfranen
Fräulein
gegangen .
zum
eigenen Fehlern
nach
ihrem
stadt¬
hat , hier zu erscheinen,
mindesten
sonderbar .
Ich
denke mir , sic will einen Versuch mit der Welt machen; denn
wenn
ich nicht irre , so ist dies
seit Monaten sellschaft „Die erwiderte
, daß
sic sich in
einer
das
erste mal
öffentlichen
Ge¬
sehen läßt ." Männer
nehmen
sie mit
neidischen
Schar
von Tänzern
den eben beginnenden
sich um Vroni
tanzte
in
als
nicht so genau " ,
sehen mußte , wie eine ganze
Man
die Gräfin ,
es leider
Walzer
Touren , und
während
Augen für
bewarb.
die Comteffe
trotz ihrer die Herren geholt , Marianne das
Fräulein
Beachtung
hcraywinkenden
Blicke nur
ganz vernachlässigt
selten
wurde , und auch
Goldmann
nebst
ihrer
Cousine
fand , walzten
Vroni
und
Lina
wenig
beständig
durch den Saal. Albrecht
war noch im Gespräch
Vorsteher ; dennoch entging
mit
dem Bezirks-
ihm keine Bewegung
Vro-
ni ' s , kein Wort , das in seiner Nähe über sic gesprochen ward . Jetzt geleitete
war
seine
der Tanz Dame
Lina ' S Gesicht prangte Wange
dagegen
zu Ende , und jeder Tänzer
au
ihren
Platz
der Purpur
wurde
zurück .
Auf
der Freude , Vroni ' s
bleicher
und bleicher .
Wohin
sie sah , begegnete sie den haß - und neiderfüllten
Blicken
der
Frauen .
birgskapelle
Der war
Polster ,
auf
Tanzes
ausrnhen
harte ihr
dem
Boden
sanfter sie jetzt
sollte .
der
einsamen
erschienen
als
von
Aufregung
der
Ge-
das weiche des
O , wie wünschte sie sich weit,
weit hinweg! Die Paar
Musik
um Paar
begann
eine
Quadrille
eilte herbei , und das
zu
spielen.
Commandowort
des Tanzordners
forunrte
die Reihen .
Währenddem
schritt
Albrecht
nach der Gegend
des Saals,
wo
auch Graf
die
tanzlustige
znsammcndrüngte mit
kräftiger
junge
Welt
von
Bergenan
.
Mehrere
zierliche
junge
Herren
Hand
beiseite
schiebend ,
nahte
er sich
sich
78 Vroni und forderte sie zur Quadrille auf. Sie erhob Er bot ihr den Arm und trat mit ihr zu einer noch nicht vollzähligen Gruppe. „Ein vis-a-vis, hierher ein vis-a-vis!" rief der Bortänzcr mit schallender Stimme; „ Herr Graf Grcifenclan braucht ein vis-a-vis" — aber alle Paare waren bereits untcrgebracht. „Fräulein Goldmann, Sie haben noch kein vissich von ihrem Sitze.
a-vis ; bitte, hierher!" Die Tochter der LebkuchenHändlerin hüpfte mit einem der jungen Herren heran, die Albrechl so nichtachtcnd behandelt hatte. Sie war offenbar hoch erfreut über die Ehre, einem Grasen gegenüber placirt zu werden; aber als sie Vroni er¬ blickte , veränderte sich plötzlich ihre Miene. „ Nein, ich bin zu müde", stammelte sie; „ ich will die Qua¬ drille lieber nicht mittanzen." Damit eilte sie an die Seite ihrer trinmphstrahlendcn Mama zurück. Vroni's Schmerz über diese öffentliche Beleidigung war tief und heftig. Sic wankte. Sogar Lina, die
ans einiger Entfernung den Vorgang mit angesehen hatte, ward bleich . Bis dahin war ihr die gegen Vroni herrschende Misstimmnng nicht aufgefallen ; nun aber sah sic mit Augen vor sich, daß man die Schwester beschimpfte . Kaum noch ihrer Sinne mächtig, wandte sich Vroni zum Gehen; doch Albrecht hielt
79 ihren
Arm
fest in
der Stelle .
Er
dem
seinigen
schickte einen
und
wich nicht
bittenden
von
Blick zn seiner
Cousine hinüber . Marianne
verstand
ihn .
blick schmerzlichen Kampfes
in ihrcin
Innern
— dann
"ickte sie ihm Gewährung
zu .
hatte
Herr
Frischke sie um den Tanz
gebeten
ihr
bekommen .
Wir
müssen
Sie , Herr antreten .
ehe die Vereinsamung merkt worden Paar
Lieutenant
ihnen
das
begann. die
ersten
Tour
kreuzten , drückte Albrecht Mariannen bist gut !" sagte er ; und „ Ich !
Verzeihen
Marianne
Sie
dies ihr
erster
von
friedenheit
belohnten
windung .
Und das Beispiel
einem
zündenden
welche bisher
Paare
sich
die Hand .
„ Du
danke Ihnen , gnädiges
verklärt . gethan !
Beklemmung
.
sic für die That
Funken
Seit
Ruhe
hätte
sie
langer
Zeit
Sie
fühlte
und
Zu¬
edler Selbstüber¬
Mariannens aus
Vroni.
Was
glücklicher Augenblick .
sich frei
jeder
zwei
mir ! " flüsterte
schien ganz
nicht um Albrccht ' s willen war
neu eingetretcne
gegenüber , und der Tanz
Fräulein
Und
Albrccht 's und Broni 's viel be¬
war , stand
der
er¬
, kommen
Schnell , schnell !"
Als
in
von
und einen Korb von
Nun sagte sic plötzlich , seinen Arm
greifend : „ Kommen Sie !
Eben
Ein Augen¬
wirkte gleich
die Gesellschaft .
Die,
Vroni ain tiefsten zu demüthigen ge¬ dachten , zeigten sich jetzt am eifrigsten , mit der Baroneß
80 zu wetteifern und dem gekränkten Mädchen Genugthuung widerfahren zu lassen. Freilich ward ihnen dazu vorerst keine Gelegenheit. Wie in einem Traum hatte sich Vroni während des Tanzes bewegt . Das einzige, was ihr nicht ent¬ ging, waren Marianncn's theilnahmvolle Blicke. Die Worte, die Albrecht zu ihr sprach, vernahm sie ohne deren Bedeutung zu fassen, und auch dessen , was sie erwiderte, konnte sie sich, als cs kaum ihren Lippen entflohen war, nicht mehr entsinnen . Endlich begann der Nebel um sie sich zu lichten; sie sah, daß der Tanz zu Ende war. „Luft! Ich brauche Luft!" klagte sie mit schwacher Stimme. Albrecht wollte sie an ein Fenster führen; doch sie bat ihn: „ Nein, ins Freie! Fort von hier! Geleiten Sic mich aus dein Saal !" Es war wieder eine längere Panse ungeordnet. Tänzer und Nichttänzer eilten zum Büffet oder wogten und drängten im Tanzraum durcheinander . Niemand bemerkte , wie Albrecht mit Vroni den Ansgang ge¬ wann. In der Garderobe ließ er sich ihren Shawl geben und hüllte ihr ihn um die Schultern. Dann führte er sie hinaus in den Garten. Dort aber riß sie sich plötzlich von ihm los. Mit einem Angstschrei floh sic von seiner Seite. Doch
81 er eilte ihr nach und erreichte krampfhaft warf .
weinend , auf die Bank
strömenden
Uebcr mination
einer kleinen Laube
Thräncn.
dem Garten
lag
tiefe
und Feuerwerk , wozu
waren , sollten
Fenster
die Anstalten
getroffen beginnen;
des Schützcnhanscs
starrten
durch die Finstcrniß
kenmasscn
hingen
am
verhüllend .
Es
herrschte
dicke Luft lastete
schon so fieberhaft
Horizont
und
Sterne
auf Vroni , deren
Nerven
fast zu zerspringen
sich über
ihre
schwülen Blut
Mond
beugte
durchzuckte Gestalt .
das
Wol-
gespannte
Schmerz
ihm
Schwere
eine dumpfe Gewitterschwüle.
Albrccht
der
,
.
beängstigend
drohten .
Druck
Illu¬
später » Stunde
erst zu einer
die erleuchteten
Dunkelheit .
wie Geisteraugcn
Die
sie sich,
„ O , diese Schmach , diese Schmach ! " schluchzte
sie unter
nur
sic wieder , als
Auch er litt unter
Atmosphäre .
durch
schöne , von dem
Glühend
stürmte
die Adern ; flüchtige
Schattcn-
gebildc
zogen ihm vor den Augen
vorüber .
Stirn
klopfte
Fragen ; in seinem
Herzen
pochte mächtig
es wie ein wildes
und ungestüm
Vroni 's Thräncn Endlich Sic
brach
sic das
mich , Herr
nun , wie die Welt ich ohne Brom .
das
die Antwort.
fingen
an
bange
Schweigen
Graf , o verlassen
An seine
stiller
Sie
zu
fließen.
: „ Verlassen mich !
Ich sah
mich von sich stößt ; bis jetzt lebte
Bewußtsein
meiner
Schande ; ich ahnte 6
82 nicht, welche Folgen mein Thun mir zuziehcn mußte; jetzt erkenne ich, daß cs Sünde war . Ja , der VaterHat recht : ich bin ein verworfenes Geschöpf!" Albrccht wollte antworten , doch die Sprache ver¬ sagte ihm . Ihr weißes Gewand schimmerte geister¬ haft , und ihre großen feuchten Augen hefteten sich flehend auf ihn. Sie misdeutete sein Schweigen . verurtheilcn
mich !
Ich
„ Also auch Sie
dachte es wol ,
auch Sie
halten mich für schlecht. Doch nein , nein , das bin ich nicht, ich schwöre es Ihnen ! Sie werden mich ja nie mehr sehen, nie mehr mit mir reden.
Nach dem
heutigen Auftritt müssen Sic mich meiden. Sie werden Bergcnau verlassen . . . Und ich? ich? Ich fliehe in die weite Welt , wo mich niemand kennt und wo meine Schmach mich nicht zu Boden drückt. O mein Gott !" Er hatte so vieles zn erklären , zu fragen , mitzuthcilcn — doch nichts als ihren Namen brachte er über seine Lippen : „ Brvni !" „Wohl , ich verdiene , daß sie mich zürnend anrufen .
Ich will fort , heute Abend noch.
ich nach Haus
und vertausche diesen Ballstaat
einem schlichten Wollenklcid . . . graut , habe ich Bergcnau Fort
Jetzt gehe mit
Ehe der Morgen
schon weit hinter mir . . .
mit euch, ihr Bänder , ihr Blumen ! Liegt im
Staube
wie die, welche ihr zieren solltet ! Euer eitler
Tand soll mich nicht mehr reizen ." Aber dem Willen
fehlte die Kraft ; ihre Hand
glitt zitternd am Körper herab .
Der Schmerz über¬
wältigte sie, und erschöpft sank sie zu Boden . Schnell richtete Albrccht sie wieder ans. Dann setzte er sich neben ihr auf die Bank. Mit scheuem Blick sah sic ihn von der Seite an. „Nein , berühren Sic mich nicht ! Der Vater hat mir oft gesagt , ich sei die Schande
selbst, und wer mir
nahe , der beflecke sich." „O , Ihr
Herz ist gut und rein ."
„Lassen Sie
mich; ich könnte Ihnen
Unglück
bringen !" „Brom , mein Kind !" flüsterte er. „Nur mich nicht !
eine Bitte , Herr
Graf : verrathcn
Ich will jetzt mein Bündel
Sic
packen und
fliehen , che die Meinigcn
nach Hause kommen. — Doch nein " , stöhnte sie wieder in wilder Angst, „ nein,
die Sünde
wird mir nachzichcn, der Vater wird mich
ausfindig machen, er bringt mich zurück . . . Fürchter¬ lich, entsetzlich! Nichts kann mich vor den Menschen retten , nichts — als der Tod !" Sie wollte enteilen , doch Albrccht schlang seinen Arm um ihren Leib.
84 „Warum Sie ? "
halten
Sic
mich ?
Und sie suchte sich aus
znwindcn .
„ Der
Tod
Warum
Sie , gerade
seiner Umarmung
ist mir
süß ,
los-
ich sehne
mich
nach ihm !" „Brom , Sic
sind ganz außer
„Ja , ich bin ' s ! gefaßt
sein !
Ich
Wie
Fassung !"
könnte ich auch ruhig
beschwöre
Sie ,
lassen
Sic
und mich
fort ! " „Nicht
um die Welt !
Sic
könnten
sich ein Leid
zufügcn ." „Und
wenn
ich es thäte ? "
„Und
wenn
du
thörtes
Kind !
Du
es thätcst ?
Unglückliches ,
wirst , du mußt
leben ! "
„Leben
ist leiden ; ich kann nicht länger
„Das
sollst du auch nicht mehr ."
„Sic
thun
da
er sic mit
hatte
ihre
vermochte
mir
weh ! " rief
Gewalt
Kräfte
verdoppelt ; Herr
sein ; cs gilt , sagte Ihr
aufgelöstes
vor
seinen
gefähr
berührten
nur
Die
Leidenschaft
mit
Anstrengung
zu werden ,
doch cs mußte
er sich , ein Unglück
Haar
Augen
umwallte
wie
ein
sich ihre
von den Wimpern . seines
und
hing
Don
un¬
Flor .
Gesichter .
heißen Hauch
zu verhüten.
sic beide
zarter
die Thränen
leiden ! "
sie, mit ihm ringend,
zurückhielt .
er ihrer
be-
Da
Athcms , die Glut
Er
küßte ihr
empfand
sie den
seiner Wange.
85 „Sie Ihr
thun
mir
weh ! "
klagte
Faß
war
„So
ist es gut " , sagte er .
ansgcglittcn
sicht, dir weh zu thun .
„ Es
Macht ! . . .
sic nicht " , fuhr
er mit
sic sich gegen ihn
sträubte .
bebender
Ja , ich achte dich ! Aber
schwören ,
du mußt daß
Stimme
„ Ich
will dir zeigen , daß Achtung
will ich dich
Hörst du , Vroni , ich achte
dich meinem Willen
du mir
fort , als
ergeben
und
sonst
. . .
gehorchen
willst ,
ich weiß , du wirst
cs mir
schwören ."
„Was
an mir ? "
Doch
liegt Ihnen
halbcrsticktcm „Mehr Sie tief
meine Ab¬
Sich , ich misbrauchc
ich dich achte , und durch meine retten .
vor ihm.
war
Jetzt bist du meine Gefangene,
du bist in meiner
dich !
sie noch einmal.
; sie fiel nieder
in
als
du ahnst ." seinen flammenden
Innerstes
gedrungen
Schlag
seines
gefühlt
. . . sic war
entschwand
Herzens
an
Blick
gesehen , der
war ; sic hatte
ihrem
den
pochenden
Busen
besiegt .
Und
mit
ihrer
Kraft
zugleich der wilde
Sinn
, der ihren
Geist
umdunkeltc ;
er
Duldsamkeit
; ihr ungestümer
zerschmolz
weibliche Hingebung „Ich
sic mit
Tone.
hatte ihr
erwiderte
schwöre
in
Sanftmuth
und
stille
Trotz löste sich in weiche
auf. was
auf , ich bitte Sic ! "
Sic
wollen ; nur
stehen Sic
86 „So
, jetzt bist
du mein !" sagte
er , sic zu der
Baut
geleitend ; „ jetzt bist du mein
im Geiste .
halte
dich ruhig ; sprich nicht !
erschöpft
arme
Vroni ! "
Sie
faltete
Augen .
Und
die Hände Mit
dem
ruhten
seine Blicke
Hand
und küßte sic. „Mein
verdanke mein
gütiger
er drückte
Ausdruck
innigster Da
hart
ihr .
mein
wilder
Dasein .
als
gegen mich , und ich verstehe
„Die
Welt
gegen
andere .
kinder
ist nicht
selbst machen
„Ach , wären
Fuß
härter
Die Welt sie uns
Thcilnahme sic seine
znm zweiten
mal
Erst
Sie
retteten
Verzeihen
Verzweiflung
daß ich stets auf feindlichem
senkte die
ergriff
Schon
Seele .
du bist,
seine Brust. und
auf
Leben , jetzt meine
die Ansbrüche
sic an
wie zum Gebet
Retter !
ich Ihnen
Wie
!
Ver¬
Sie
mir
Die Welt
ist so
die Welt
so wenig,
mit ihr
lebe ."
gegen
Sie , Vroni,
ist schön ; wir Menschen¬ zur Hölle ."
doch alle Menschen
wie Sie , so gut,
so mild , so edel ! " „Still
, Vroni ; fassen Sie
zu der Gesellschaft wird
uns
Man
müssen
Sie
— inan die Welt
kann ich aber in diesem verstörten
Anzüge
vor den Leuten
sagen
wird
Sie
würde
beide vermissen ; und
da nicht alles „Wie
zurück .
sich jetzt .
was
und glauben ! "
erscheinen ? "
87 „Ich behülflich
werde Ihre
Schwester
sein , Gewand
Eben
war
rufen ; sie wird Ihnen
und Haar
wieder zu ordnen ."
die halbstündige
Panse
zu Ende
gangen , und die Klänge
eines
von
neuem
Die
Abwesenheit
des
war
nur
von
Personen
bemerkt
worden :
Lina
und
Marianne
Schwester
besorgt .
Vergebens
und alle Ncbenräume
nach ihr
zum Tanz . zwei
der Baronesse
Er
den Garten
Nahrung Blick
lassen .
damit
Schmerz und
sahen sie aber
mit
zur
Schwester
in
Saal
nicht
die bösen
Zungen
neue
warf
ihm
einen
Marianne
fühlte
Vetter
einen
aus , als
er
ihr
die
wußte , er würde
danken , verzichtete
Vroni
zürnenden
Brust ; doch sie verbarg
wich ihrem
mit
entfärbten
den
bctheiligte
Lina
stand
in
ihrer
Sic
Al-
Miene
seinen
Dankbarkeit Tanze , bis
die Saal
nicht finden
strahlende
bewiesene Großmnth Sie
um den
Zureden ,
sich.
in
wollte .
.
von
ihr
Sie
entfernte
ihre Bewegung sie anrcdcn
Nun
Seine
und
erhielten .
stechenden
Paars
durchsucht , und als sie
Lina , sie möge
gehen
zu und
sie
sie Vroni
Widerspruch bat
znrückznkehren ,
war
hatte
, daß
eintreten .
sonderbarem
Wangen .
Schwester
lockten
beide , sic habe sich von dem Grafen
begleiten
brccht wieder in
Die
mittheilte
könne , vcrmnthctcn nach Hans
.
wiener Walzers
ge¬
aber
für auf
seine
sich scheinbar
eifrig
am
an der Hand
zurückkam.
88 Vroni zog aller weilte
sah fast noch schöner aus Augen
sie im
auf
sich.
Saale .
Allein
Die
als
nur
zuvor
und
kurze Zeit
ver¬
begaben
sich
Schwestern
zu ihrem Vater , der noch immer in dem Nebenzimmer am Biertisch Tanzen
saß , und
ermüdet
wünschten , ihnen
den
nach Haus
geworden
erklärten
ihm , sie seien vom
und
durch die Hitze angegriffen
, sie
Ball
zu
mit
gehen .
verlassen , Allein
war , sich zum
er
möchte
so schwer es Schuber
Besuch
des
Festes
zu ent¬
schließen , so schwer war er jetzt vom Platze zu bringen. i>lur
die Dazwischenkunft
brach
seinen
und
mit
Widerstand
tausend
gegen
seinen
wohl
verständlich
seines Dämons .
Er
unausgesprochenen
Gebieter , war ,
, des Grafen,
krümmte
den Rücken,
Verwünschungen
dessen mahnender
Blick
fügte
das
er sich in
ihm
Unver¬
meidliche. „Lassen Sie zu seiner wir
uns auch aufbrcchen !" sagte Albrccht
Tante .
müssen
„ Ein
Gewitter
suchen , unter
dem Feuerwerk Marianne
wird
Obdach
ohnehin
lächelte
ist im Anzuge , und zu kommen ;
aus
nichts ."
schmerzlich .
Fest habe seit Vroni ' s Scheiden
Sie
glaubte , das
keinen Reiz inehr
für
Albrccht , und
er suche nur
nach einem Vorwände , cs
zu verlassen .
Doch
hierin
irrte
die
Damen
der
That
um
sie sich ; er war
besorgt .
Am
in
Horizont
89 zuckten schon Blitze.
Der Wind begann zu toben. Es konnte nicht lange mehr dauern, so mußte das Gewitter losbrechen. „Albrccht hat recht" , sagte die Baronin; „ Ma¬ rianne, wir wollen gehen." Als sie in ihren Wagen stiegen , heulte der Sturm¬ wind. Im Hofe des Schützenhauscs ging es wirr durcheinander . Ein panischer Schreck hatte die Gäste ergriffen. Jeder wollte so schnell wie möglich nach der Stadt zurück, die einen zu Fuß, die andern zu Wagen. Es war ein Unglück für die geputzte Gesell¬ schaft, daß in dem Schützenhause das Bier so gut ge¬ wesen und so reichlich geflossen war. Die Kutscher hatten es sich nur zu sehr schmecken lassen, und die meisten befanden sich nun in fast unzurechnungsfähigem Zustande. Der, welcher die Damen und Albrccht zu fahren hatte, war förmlich betäubt. Er hielt sich kaum auf seinem Sitze. „Der Mann ist betrunken!" rief ängstlich die Baronin aus, als sic das Hin- und Herschwanken des .Fuhrwerks gewahr wurde. „ Laß das Fenster herunter und befehle ihm, vorsichtig zu fahren." Doch die Stimme Albrccht 's verhallte ungehört; hatten doch alle Stimmen der Natur sich erhoben und briilltcn nun in chaotischem Chor. Der Wind pfiff und sauste;
90 prasselnd strömte der Regen herab und schlug mit Geräusch gegen den Wagen , gegen die Steine , gegen alles , was ihm im Wege stand ; der Donner krachte stärker und stärker , vom Echo durch die Kette der getragen ; auf allen Seiten
Berge
zugleich flammten
zackige Blitze am pechschwarzen Himmel. „Gräßlich , gräßlich !" jammerte die Baronin Marianne
—
blieb still und in sich gekehrt — „ Der
Elende wird uns umwerfen und tödten !" In
der That
war die Lage äußerst bedenklich.
Es ging bergab , und die Pferde stürzten unaufhalt¬ sam vorwärts . Der Kutscher rief und peitschte auf die geängsteten Thiere los , ihren eilenden Lauf nur noch mehr dadurch anspornend . Der Aufruhr der Elemente hatte ihn keineswegs nüchtern gerüttelt . In seinem Rausche erkannte er nicht die Gefahr . Er dachte an nichts , als
recht schnell aus Regen und
Sturm ins Trockne, vielleicht noch in die Schenke zu kommen. „Halt ! Halt !" rief ihm Albrecht zum Wagen¬ schlag hinaus zu. „Fürchtest du dich denn ? " sagte Marianne. „Ja , ich fürchte mich, um deinetwillen . . . Halt ! Halt !" rief er abermals . Doch alles umsonst; der Kutscher schnalzte mit der Zunge , schwang die
91 Peitsche, und weiter rasten die Pferde den abschüssigen Weg hinab. Die Baronin rianne
war einer Ohnmacht
saß regungslos
nahe ; Ma¬
da.
Albrecht aber zog rasch das Fenster am Rücksitz herunter , packte den Kutscher, ihn auf die Seite schiebend, am Arm und schlängelte sich gewandt wie eine Eidechse durch die Oeffnung hindurch auf den Bock.
Es war so finster , daß er weit vor sich sehen konnte , wenn nicht ein Blitzstrahl für einen Augenblick die Dunkelheit
keinen Schritt
erhellte. Er nahm dem Kutscher die Zügel aus der Hand , vermochte jedoch nicht, die nun völlig wild ge¬ wordenen Pferde zu bändigen . Jetzt gewahrte er beim Schein eines jähen Blitzes , daß der Wagen gerade einem an der Krümmung des Weges stehenden Fclsblock zurollte , an dem er unfehlbar zerschellen mußte, falls es ihm nicht gelang , ihn vorher zum Stehen zu bringen .
Mit der höchsten Kraftanstrengung riß er die Zügel zurück; die Pferde bäumten sich, ängstlich wiehernd , hoch auf , fochten mit den Vorderbeinen in der Luft , und
brachen dann
beide gleichzeitig zu¬
sammen . Die Räder des Wagens seine Insassen waren gerettet.
standen
still —
Den Kutscher hatte der heftige Anprall vom Bock geschleudert; er lag , aus einer leichten Kopfwunde
92 blutend , besinnungslos selbst
die Stränge
Pferden
wieder
Boden .
Albrecht
der
Deichsel
lösen
von
Hierauf
sagte
zu den Damen
Angst
festbindcn
an
den Wagenschlag
und
: „ Ich
gehe in die Stadt
, um
er
trat
ruhig
Bleibt
zu holen .
den
und
Baum
einen
an
sich ruhig
und
ließen .
mußte
helfen , die vor
auf die Beine
zitterten
Hülfe
am
sitzen , bis
im Wagen
vom
ich wicdcrkomme ; es gießt noch wie mit Eimern
sich schweigend.
verhielt
rianne
Nach kurzer
sah
du durchnäßt
„Wie
ihn seine Cousine
anredetc,
ihren
Wangen.
sagte
bist !"
es dir
wirst ! "
„ Ja,
du
gar
krank
du
vielleicht
den
furchtsamen
Bctter
zu
beruhige
dich ,
so
dann
hättest
erwiderte
er .
„ Doch
schlimm
steht
es nicht ; hier
genug "
fügte
er
legend , „ und
beigeholtcn
sic ; „ wenn
und
nicht
Die
auf
Thräncn
schadet
nur
pflegen " ,
Als
von
Spuren
er
an¬
einem
mit
kehrte Albrecht
Zeit
zurück .
dern Gefährt
Muth
betete ; Ma¬
und
gesunken
die Knie
auf
an
Ueberfluß
keinen
die
,
Baronin
besaß , war
Sonnenscheins.
voll goldigen
seinem Herzen Die
von Nüsse , aber in
eilte fort , triefend
Er
Himmel ."
hinzu ,
Dankbarkeit
beiden Damen Wagen
und
habe
ich noch Wärme
die Hand
auf
seine
Brust
auch ." stiegen in den von ihm hcrfuhren
allein
zur Stadt
; er
93 selbst blieb noch zurück , um für die Fortschaffung verunglückten
Fuhrwerks
zu sorgen.
Auf seinem Zimmer ledigte Er
der
völlig
ermüdet ,
aber
die
scheuchte öffnete
im Gasthofc
sich Albrccht
war
den
Schlaf
das Fenster
den Regen
zu .
sein
erhitztes
seiner
Gefühle
Schreibtisch satz über
von
Der
durchnäßten innere
seinen
Morgen
Erziehung
des Herzens
Brennstoff
hat mir wenigstens dessen heiterte
Er
den
Sturm
er sich an den
begonnenen
vollendet .
Auf¬
Nachdem
durchgelesen , sprach er lächelnd zu
sich : „ Schade , daß cs nicht Winter
zerriß - die Blätter
.
bereits , che
Um
einen früher
ver¬
noch strömen¬
dämmerte
zu beschwichtigen , hatte
gesetzt und
Kleider.
Aufregung Augenlidern
sich abkühlte .
er ihn noch einmal
prächtigen
angclangt , ent¬
und sah dem immer
Blut
des
ist ; hier hätte
zum Feucranmachcn
."
Und
ich er
mit den Worten : „ Nun , die Arbeit als Blitzableiter
sich der Himmel
duft füllte das Zimmer .
Albrccht
nieder , und .bald
ihn
umfing
gedient !"
Unter¬
auf ; frischer Morgen¬ sank in einen Sessel
ein erquickender
Schlaf.
94 Lina
und
Vroni
waren
Albrecht
vor
Lange
zu
Während
sic sich auszukleiden
begannen , zuckte der erste Blitz
durch die Dunkelheit.
angekommen .
Hause
an
dachte
Vroni
die zurückgebliebenen
Freunde , und
durchbcbtc
ihr
eben noch von
Aber
sie
verbarg
ihre
der sie nun
die
die Bänder
und
der Angst
ein Schauer
Herz .
übervolles
Seligkeit
vor der Schwester , mit
Empfindung
theilte.
Kammer
kann ich selber thun ."
danke , das
„Ich
nach einer Weile
„Lina " , Hub Vroni
aus , ich will
dich morgen
„ruhe
lösen ."
Haar
deinem
aus
Blumen
mich
„ laß
„Lina " , sagte sie ,
allein
wieder
an,
an den Brun¬
nen gehen ." „Hat
er
etwa
dir
dort
ver¬
an Vroni 's Wimper .
„ Ich
ein
Stelldichein
sprochen ? " Eine
Thräne
sehe, du willst du mir
perlte
keinen Dienst
von mir annehmcn . Daß
böse bist , weiß ich, und ich gab dir wol Grund
dazu ; ist es dir aber „Dir
verzeihen ?
nen bist und Unehre
unmöglich , mir Und was ?
Daß
zu verzeihen ? " du von Sin¬
über unser ganzes Haus
bringst?
Freilich , du kannst ja nichts dafür ; du hast ja feuriges Blut bin
wie
eine Löwin " , sagte sie spöttisch , „ und ich
kalt wie ein Stein !
Nicht
wahr ?
Darum
kann
95 ich dich nicht
verstehen ; aber
schämen
kann ich mich
doch deinetwegen , und
eher will ich sterben , als
daß
ich mir
von
Hat
man
einen
je so
Dienst
etwas
dir
gesehen !
erweisen
Mußtest
verlassen , um mit
deinem Liebsten
wandeln ? Hättest
du nicht wenigstens
können ? Jetzt
Wahrhaftig
,
laß mich aber Vroni
„Ich
den Saal
im Garten
zu lust¬
bis heute warten
dich bewundern
! —
schlafen ."
kniete vor ihr und sprach unter Thräncn:
habe nur
mich nicht ! zu dir ?
ich muß
lasse .
du
dich , Lina , auf der Welt ; verlasse
Zn
du
wem soll ich mich wenden , wenn nicht
Ach ,
ich besitze leider
Selbstbeherrschung
wie du ,
und
rcißcn , wo ich es nicht sollte .
nicht
Verstand
und
ich lasse mich Ich
mußte
ins
hinFreie,
um Athcm
zu schöpfen ; du weißt ja nicht , was
dort
vorgegangcn
.
du,
wie ich leide . meinem
Kopfe ,
Lina , antworte an
bin
dir
wetteifern
Vater
mir
bei , Lina !
O wüßtest
Es
brennt
in meinem
Herzen
und
ich weiß
mir
nicht
mir doch ! Du wirst sehen , von morgen
im
rastlosen
soll keinen Grund zu sein . Ich
und in
zu rathcn.
ich eine Andere ; ich werde . arbeiten
zufrieden sangcn .
Stehe
fühle
lich , so leicht ."
Ich
Schaffen .
mehr muß
und mit Selbst
haben , mit ein anderes
mich ja so umgcwandelt
der
mir
un¬
Leben
an-
, so glück¬
96 Lina erwiderte , schon halb im Schlummer du
leidest
und
du
bist
glücklich ?
du
mich
Ich
: „ Wie,
verstehe
dich
lernen ?
Ich
nicht ! " „Wann
wirst
begreifen
leide , weil ich mich seinetwegen
schäme ; weil
sehe , daß ich des edeln Mannes
und seiner Liebe nicht
würdig
bin ; ich leide , weil
Bergangcnhcit fürchte , bilden
sie
zu wird
ich die Schmach
meiner
empfinden
beginne ,
und
weil
eine
trennende
Scheidewand
ewig
zwischen ihm und mir .
Aber
weil
ich ihn liebe
hatte
mich in seiner Gewalt , und
O daß cS wahr mich achtet !
und
wäre , was
Lina
er gesagt , wahr , daß er
mir , was soll ich thun ?
hörte
sie nicht
mehr .
Athemholcn
war
Schwester deine Worte
den Rath
die
einzige
Antwort
hast
vertraut
warum
?
Oder
gehört ? Wie anders
Ein
gesunder
regelmäßiges auf
Vroni ' ö
du nicht früher
der
hat sie nicht
aus
Hütte sich die Zukunft
können ! Aber als sie dir ihren warnen¬
gab , warst
wo du danach
Ihr
Fragen.
Vroni !. Warum
für dich gestalten
Ich
gut ist ."
fesselte ihre Glieder .
Arme
Lina , er
er küßte mich nicht.
fester Schlaf
leidenschaftliches
ich
ich bin glücklich,
weil er mich liebt .
Lina , rathe
weiß ja nicht , was Aber
ich cin-
du noch nicht reif dafür , und jetzt,
verlangst , jetzt heißt es : es ist zu spät!
97
und
Arme
Brom !
sieh ,
wie
werden . als
Ja , öffne
die Wolken
Nicht
wilder
die stürmischen
sieh , plötzlich leuchtet
auch
vom
jagen
du
das
Fenster,
Sturmwind
gejagt
sie durch
Regungen
den Himmel,
durch deine Brust . Da
reißt
das
Gewölk , und
durch den Riß
der Mond
sanft
und
hernieder .
friedlich
ist es auch mit dir , Vroni .
Deine
schimmert
lassen
dir keine Ruhe .
süßer
Schein
dir
wieder
fliegen
dunkle Wolken , vom heulenden
gejagt , darüber
Nun
entgegen .
hin .
Doch
Du
da
tauchen
geliebt , Sie
lachen
Spott
die Gestalten
als
und Frohlocken .
lange , und Orkan
die Knie , und
und Verzeihung
.
Aber
der Männer
, die dich einst
vor
Geiste
Schrcckbildcr dir höhnisch
der Hoffnung
nicht
sinkst aus
weinst , und flehst um Gnade
So
unsteten Gedanken
deinem
zu und umschweben Du
rufst
auf.
dich mit
nach Albrecht ; du
rufst
ihn zum Zeugen
an und betheuerst , daß du nicht
mehr
das leichtfertige
Mädchen
höhnischer barkeit
grinsen
von ehedem seiest .
sie, wenn du von Achtung
sprichst ; sie halten
Nur
und Ehr¬
dir einen Spiegel
vor , und
mit Entsetzen erblickst du darin
dein eigenes Bild , durch
häßliche
Du
Flecken
verunstaltet
.
möchtest
dich rein
waschen von den Flecken — es ist unmöglich ! Angst
schreist du laut
auf
wacher , schrecklicher Traum Vroni .
und wirst
Inder
gewahr , daß ein
dich gefoltert
hat. 7
98 Mit Glanzes „Sie
aufgelöstem
Haar , die Augen
, stand Vroni haben
vor dem Bett
seine
ihrer
feuchten
Schwester.
mich alle verachtet " , sprach sie ; „ auch du
verachtest mich , Lina , auch du willst erbarmen .
voll
Es
bleibt
Liebe !
mir
nur
ein
Albrecht , ich bin
rjr
dich meiner
nicht
Nettungshafcn:
dein ! dein , dein !"
K *
Der
grausigen
Nacht
gefolgt . Heiterstes stallklaren
Gewitter und
gewöhnlich
den Kops
zum
der Promenade
Als
erwachte ,
verlassen
hörtes
Ereigniß
denn
Lina
war
sah
hatte .
Schwüle
Alle Blüten Regen
er¬
streckten die Bewohner Feuster
hatte
in den Alleen Lina
Pflegt .
durch den wohlthätigcn
als
Städtchens
Morgen
durch den kry-
Kraft , die nach einem
zu verjüngen
waren
Früher
Lager
erglänzte
Die Luft , von drückender
auch die Badegesellschaft
ihr
ein herrlicher
jene belebende
die Natur
Gräser
frischt . des
Sonnenlicht
Aether .
befreit , athmete
war
hinaus , und
sich zeitiger
als
sonst
eingefuudcn. sie , daß Es
war
Vroni dies
bereits
ein
uner¬
in dem Leben der beiden Schwestern; stets
die
erste
wach
und
in
den
99 Kleidern .
Mit
Bangigkeit
des
gestrigen
an .
War
denkend , zog sie sich hastig das
Betragen
doch tief
Schwester
in ihrem
alles Zorns Besorgniß sie an
der
Herzen
unaustilgbar
den
Brunnen
,
Vroni
sie mußte
nicht ;
und dabei
Voll
schon
eine
war .
Auch hier
große
Anzahl fand
den
Dienst
allein
Miene
heucheln .
vermehrte
und die Schwester
fiel ihr
auf , daß auch weder
ihre
Angst .
der Esplanade
erschienen.
Vroni
wie
hatte ,
verlebt .
Zweifel
wir
ans
Bitter «
Schmerzes
sich in
ihrer
Stunde
gesehen ,
eine
und
pcinvollc
und wechselnde
seliger Sie
Wonne
liebte ,
werde .
und
welcher die Seelen
getrennter
Banden
Albrccht
vereinigt .
entzündet ,
er sein eigenes
das
Selbst
be¬ sic
Ja , in seinem
mußte cs sein wie in dem ihrigen . Sic Zauber
Es
noch Albrccht
Brust . geliebt
den unwiderstehlichen
lose Gefühl
Jede
Marianne
an sich selbst
Gefühle
fühlte , daß sie wieder
Stunde
sie
versehen
ließ sich nicht blicken .
kämpften
wenn
geschehen sein , eilte
noch eine freundliche
Minute
Herzen
wurzelte und
verrann
Nacht
aller
so
Gereiztheit
wo
versammelt
ge¬
die schwesterliche Liebe .
, es möchte ein Unheil
von Cnrgüsten
auf
entrüstet ,
trotz
Abends
sie auch über
empfand
jenes magnetischen Liebenden
mit
Zugs,
geheimen
hatte
in ihr das
namen¬
den
Menschen
ergreift,
aufgibt
und ein anderes
100 Wesen
an
dessen Stelle
hören , mit
ihm
setzt.
zusammen
Ihn
zu sehen und zu
zu sein , die Worte
seinen Lippen zu lesen , dem schwermüthigen Sprache
zu lauschen , den Schmelz
vernehmen , an der Glut seiner
Augen
sein
Aufschwung ,
seiner
dem Bewußtsein
Entzücken ,
von ihrem Anblick herrühre , das Verlangen Seite
.
Die
ganze
vergessen .
aber
wieder
und
Schande !
Gefallene
das
geißelnde War
seine
sie
wollte der
fliehen Keim
vor
des
sei , dann
Beim
nun
ihr heißes
sie
an
seiner
sie.
Dann
seiner
ihm für
immer
zeigen,
im
um
ihren
Beistand
zu
Und
als
die purpurnen
trat
wieder
Gewalt
dem engen vollendete
bitten ;
sein
Bild
mit
Gemach ; sic mußte sic ihren
aber
Morgcnanzng
er¬
Begriff ,
die
Lina
litt
schlief so
Sonnenstrahlen
der ganzen Es
nicht
um ihren Rath,
in ihre Kammer
vor ihre Augen .
ihm
Brust
entsagen. sic
fest .
kleine Fenster
die
noch
zu wecken , sie noch einmal
durch das
sie ,
Nein,
ihrer
war
Schmach
der Edeln ?
Schwester
nun
ihrer
würdig ?
nur
in
Tagcsgraucn
Verklärung
durchströmte
ihm ,
Guten
, daß
war
Bewußtsein
sie
zu
wollte
— seiner , des Edelsten
daß
storben
Welt
Seligkeit
Ton seiner
seiner Stimme
Wangen , dem Feuer
zu hängen , mit sein
von
drangen , da verführerischen
sie nicht länger
hinaus !
in
Geräuschlos
und eilte ins Freie
101 — wohin, sie wußte cs selbst nicht. Leicht wie ein Vogel, glücklich wie die trillernde Lerche hoch in den Lüften, hüpfte sie am Ufer des Flusses entlang und sang Ihre Licblingslieder , begleitet vom Rauschen des Wassers. Dann blieb sie stehen und warf Steine in die Flut, wie ein Kind hell auflachend , wenn die Perlenden Tropfen emporspritzten. Sie wandertc weiter ans der grünen Flur. Da begegnete ihr eine alte Frau , eine Bäuerin, die zur Arbeit ging. Die Alte nahm den Rechen vom Rücken und stützte sich darauf. - Vroni erkannte sic sogleich. Vor Jahren hatte sie im Wirthshause gedient. Jetzt war ihr das Gedächtniß entschwunden , sic war kin¬ disch geworden . Sie lebte bei gutmüthigen Bauern, welche sie nährten und pflegten . Ihnen zog sie nach zu der Wiese, um das gemähte , vom nächtlichen Regen naß gewordene Heu wenden und trocknen zu helfen. In dem Uebermaß ihrer Freude fühlte Vroni das Bcdürfniß, einen Thcil davon auf andere übcrquellcn zu lassen; sie rief der Alten zu: „ Halt, Anna, er¬ kennst du mich denn nicht? " „Freilich kenne ich dich. Du bist ja des Scppcrl's Gretcl" — so hatte ihre junge Nichte geheißen, die als Braut gestorben war. Anna hatte an ihrem offenen Sarge geweint— denn damals gehörte die
102 Altc
noch
der
menschlichen
einen letzten Kuß gedrückt .
Gesellschaft
an
—
ans ihre kalte mhrtenbekränzte
Vroni
wußte
es durchschauerte
um
und
Stirn
die traurige
Geschichte,
sie.
„Du
bist des Scpperl
' s Gretcl " , fuhr
die Altc
fort , „ und
du siehst gut
ans , ja , sehr gut .
Wirst
du
bald
die Hochzeit
und fröhlich
daher
feiern ?
Du
kommst
so leicht
getanzt ; eile dich , eile dich , sonst
kommst du zu spät !" „Anna gläubische Broni . als
" ,
sagte
Vroni ,
nicht
ohne
Ahnung ,
„ besinne
Du
Kind
und mir
warst
auf
eine aber¬
dich
doch ,
ich heiße
bei uns
im Hause
und
hast mich
Armen
getragen ,
mich
gewartet
den
vorgesungen . "
„Nein , nein , ich sage dir , du irrst
dich , du bist
das
Gretcl ; nur
Das
war
so ruhig ; cs ging
Erde
gebückt und die Hände
in den Himmel
hast du dich verändert .
hinauf .
da oben ; der liebe Herrgott „Ja hoch , meinen
immer
mit
gefaltet , du aber
Es
ist doch nichts
ich bin
Bräutigam
!"
zur
schaust
zu sehen
, der zeigt sich da nicht . "
, du hast recht , Anna ; ich trage
denn
Gretcl
dem Kopfe
den Kopf
stolz
auf
mein
Glück
und
auf
'So
fiel
Vroni
der
Alten
in
die Rede , und der Gedanke , daß Albrccht
ihr Bräu-
103 tigam wcrdcn könnte, sprach sich in ihren verklärten Zügen ans. „Du wirst aber bald sterben" , fuhr die Alte mit ihrem einfältigen, schmerzlichen Lächeln fort; „ ich habe dich ja selbst, das heißt die Gretel, in den Sarg gelegt, und da du die Gretel bist, werde ich dich wieder hincinlegen und zudecken , mein armes Gretel!" Brom erbleichte . Sic hatte schon ein blankes Silbcrstück aus der Tasche geholt, um es der Alten in die Hand zu drücken ; aber nun war sie nicht im Stande es ihr zu geben. Wie eisige Tropfen auf glühendes Eisen, so zischten die Worte der Alten in ihr glückcrfülltes Gemüth. Wol verdampfen die Tropfen gleich, aber sie hinterlassen einen schwarzen Fleck. Die Alte zog weiter. Vroni blieb am Feldweg stehen— jetzt still, in sich gekehrt und traurig. Da hörte sie Schritte nahen; sie erschrak , und ehe sie sich sammeln konnte— stand Albrecht vor ihr. Sie war wie gelähmt und schien keiner Regung fähig; sie sah nichts als eine tausendfarbigc glühende Wolke, vor ihren Ohren sauste cs wie das Brausen wilder MccreSwogcn. Sie wankte und wäre zu Boden gesunken, hätte Albrecht nicht ihren Arm erfaßt. „Vroni , endlich finde ich dich!" sprach er sanft
104 und liebevoll . „ Ich sah dich das Haus verlassen; du flattertest davou wie eine weiße Taube — endlich habe ich dich eingeholt!" Wie hold war seine Stimme! Welche Seligkeit leuchtete ans seinen Blicken! Erst wenige Stunden war cs her, daß sic den Ton seiner Stimme ver¬ nommen; aber dazwischen lag die in stürmischen Ge¬ danken durchwachte Nacht — cs dünkte sie schon eine Ewigkeit zu sein. „Herr Graf " , stammelte sie, „ ich bin über¬ rascht—" „Du bist bleich, Vroni; ich habe dich erschreckt. Komm, laß mich ein Plätzchen für dich suchen , wo du ansruhen kannst; weißt du auch, daß du schon beinahe eine Stunde aus der Wanderung bist?" Er nahm sie bei der Hand, und wie ein müdes Kind ließ sie sich von ihm leiten. So gingen beide stumm nebeneinander den weichen gewundenen Wicsenpfad entlang bis an einen Bach, der etwas oberhalb in den Fluß mündete . Hier stand, von hohen Bäumen beschattet , eine verfallene ehemalige Mühle. Ihr jetziger Besitzer trieb eine Wirthschaft darin, wo die Bauern Sonntags zusammenkameu , um Kegel zu schieben oder sich sonst beim Bicrglas und ihrer Pfeife die Zeit zu vertreiben.
105 Rings um dcn Stamm einer uralten Linde war eine Bank befestigt . Auf ihr ließen Albrecht und Vroni sich nieder. Er hielt sie mit seinem Arm um¬ faßt; aber sie sprachen kein Wort, lieber ihnen brei¬ tete schützend der Baum seine vollbelaubten Aeste und Zweige ans. Ein Schwalbenpaar schoß pfeilschnell durch die Luft, küßte sich im Vorüberfliegen und zwitscherte sich einen fröhlichen Morgengruß zu. Trau¬ lich murmelte der plätschernde Bach. Kein rauher Laut störte die Harmonie der Natur. Weiterhin aus den Wiesen sah man Mäher und Müherinuen bei der Arbeit. Die ganze Landschaft , in goldenes Sonnen¬ licht getaucht , athmete tiefsten, beglückenden Frieden. Lange genossen die beiden schweigend den Ein¬ druck dieses friedlich heitern Bildes. Plötzlich Hub Albrecht an: „ Vroni, seit Wochen sehe ich— liebe ich dich; Vroni, sei mein!" Sie neigte sich zu ihm, schlang ihre beiden Arme um seinen Hals, und sein Antlitz dicht an das ihrige ziehend, flüftertc sie kaum hörbar: „ Albrecht , ich bin dein!" „Vroni , mein Mädchen, mein rettender Engel, liebst du mich wirklich wie ich dich liebe? Glaubst du mir, wie ich dir glaube?" „Albrecht, da ich dich zum ersten mal sah, strahlte
106 mir dein edles Wesen aus deinem Blick entgegen. Befiehl über mich nach deinen Willen. Doch warum nennst du mich deine Retterin? Erkläre mir, Albrecht, wie soll ich das verstehen ?" „Ja , Vroni, du hast mich gerettet. Ich ver¬ zweifelte an meinem Lebcnsbcruf . Wofür, fragte ich mich, lebe ich, wenn mein Leben zu keines Menschen Glück nöthig ist? Das Dasein war mir zur Last und zum Uebcrdrnß . Da sah ich dich, Vroni. Ich erkannte die trefflichen , ob auch zum Theil irregelei¬ teten Anlagen deiner Natur; in dir hatte ich mein Ideal gefunden, es erschien mir als ein herrlicher Lebenszweck , das kostbare Gold deiner Gemüths- und Geistcsgaben zu läutern, seinen ursprünglichen Glanz wiedcrherzustellcn . Vertraue mir, Vroni, liebe mich wie ich dich liebe, und das Werk wird mir gelingen." „Albrecht, ich fasse den Sinn deiner Worte nicht; klingen sie doch so ganz anders als alles, was man bisher zu mir gesagt. Ich bin ein ungebildetes Mädchen von nicderm Stande; was kann meine Liebe dir frommen? Du aber, Albrecht , du bist mein Licht, meine Krone! Ja , nimm mich in deine Arme, drücke mich fest, Albrecht, presse deine Lippen auf meine Lippen, daß ich den belebenden Hauch deines Mundes fühle! Du kannst mir ja nicht wehe thun, Albrecht.
107 So möchte ich vergehen , so möchte ich leben und sterben— in dir, bei dir, mit dir!" „Broni , rede nicht von sterben; du sollst leben, als meine Gattin sollst du anerkannt und geachtet werden. Die dich jetzt verspotten , sie sollen dir Ehre erweisen; die sich so viel höher und besser dünken als du, sie werde» beschämt zu dir hiuaufschcn ." „Albrecht , wie wäre das möglich? Ich habe nichts gelernt; kaum daß ich lesen und schreiben kann." „Fortan will ich dein Lehrer sein. Ich werde dir Bücher bringen, dich zu meiner lernbegierigen und fleißigen Schülerin machen ." „Noch zweifle ich, ob nicht alles Trug und Täu¬ schung ist. Mich, die Verlorene, die Gemiedene und Verstoßene , mich liebt der Graf von Greifenclan, einer der vornehmsten Herren des Landes! — Und weißt du denn auch wirklich ", sprach sie mit halbersticktcr Stimme, „was für ein Geschöpf du vor dir siehst? Weißt du — ach, ich war so jung und unerfahren—, daß meine Blüte dahin ist und nimmer wicderkehren kann?" „Ich weiß es, und ich liebe dich!" „Du kennst meinen Vater —" „Ich kenne ihn, und ich liebe dich!" „Nichts habe ich dir zu bringen als meine Liebe und — o der Schmach! — sic ist nicht mehr rein."
108 „Genug
, Brom , genug !
Ich
liebe dich ! "
„Und
was
aus
mir
gedenkst
Die
Leute würden
mir
zusammen
ihre
bösen Zungen
sähen .
cmporheben
Noch giftiger
von
gib den Gedanken
meinem
du
mir
zu wollen .
Was
könnte ich dir sein mit Herzen !"
, ich sage dir ja , daß ich dich achte , daß du
habe . —
die
ich mit
„ Diese
weiße
Hand ,
So
—
lege
deine
sieh
mich
an
begreifst
, das
schön ,
wie
feurige
Auge , die
entzückende
Gestalt!
die
ganze
Hände
ans
diesen
feuchten ,
mit
noch nicht die
Wie
er fort , als sie ihn verwundert
edle Stirn
kleine
ist
dir
du bist !" fuhr
Welch
Nein , Albrccht,
, lcidcnsvollen
Absicht ,
anblickte .
als zuvor würden
reden .
ich dich achten will ; aber
reizend
machen?
sie dich mit
auf , mich zu erziehen , mich zu dir
vielgeprüften
„Broni
zu
dich verspotten , wenn
meine
ein Meer
von
Poesie
und
kein Falsch ,
nur
lautere
Treue
Schultern dunkeln
Liebe !
und Augen.
Nein ,
und
da
Wahrheit!
Vroni , du bist schön , und du bist gut !" „Wie
freut
mich 's , wenn
ich dir
gefalle .
erschienest
mir
du , Albrccht , meinst
du , du
schön ?
Gebiete
mich wie über
ich will
dir
Magd .
Wohl , belehre
deiner würdig
über
gehorchen ,
dir
folgen
mich , damit
werde ; vor allem
aber
Deine als
Und
minder Sklavin;
deine
treue
ich etwas
mehr
liebe mich , deine
109 Liebe wird mir der beste Lehrmeister sein. — Ach,
wenn du wüßtest" ,, sagte sie wieder traurig, „ wie unglücklich ich gewesen bin, wie arg ich mishandelt worden! Jetzt noch bin ich zu einem Leben gezwungen, das ich verabscheue . Man suchte den Keim des Guten in mir zu ersticken , man beraubte mich jedes Willens zur Umkehr . Mit welcher Sehnsucht habe ich ans Befreiung geharrt! Albrccht , du nahtest dich mir zur rechten Zeit. Rette mich, ich beschwöre dich!" „Das eben ist ja mein heiliger Entschluß ." „Ist es das? Dann küsse mich, Albrecht! In deinen Armen ist mir so wohl!" „Immer verstehst du mich noch nicht, geliebtes Mädchen. Oder willst du mich nicht verstehen ?" „Was ich verstehe , Albrecht, das ist der lange zurückgehaltene Drang meines Herzens. Du liebst mich, ich liebe dich! Sage, wann gehen wir fort von hier? weit, recht weit von hier fort?" „Höre denn endlich, kleiner Trotzkopf ! Ja , sieh mich nur verwundert und ängstlich an. Was ich will? Ich will dich erziehen , ich will mit dir in den Büchern lesen und dir deutlich machen , was recht ist und was unrecht, was schön und was häßlich, was gut und was bös. Und wenn dein empfänglicher Geist so weit gebildet sein wird, daß dein Inneres dem schönen
110 , die dich , wenn dann die Menschen Aeußern entspricht sehen und hören, staunen werden über dein verstän¬ diges und feines, und doch so bescheidenes und herz¬ gewinnendes Wesen, dann will ich vor dich hintreten und dich fragen: „ Broni, liebst du mich noch?" und sagst du Ja , so will ich weiter fragen: „Broni, willst du ?" mein Weib sein, verbunden mit mir für alle Ewigkeit
Bei seinen letzten Worten hatten sich Droni's Augen mit Thränen gefüllt. „Ich dein Weib? Ich deine Gräfin, ich die Gräfin " , erwiderte von Greifenclan? Nein, es ist unmöglich sie, indem sie sich weinend von ihm abwandte. „Broni , was hast du, was that ich dir zu Leide? " fragte Albrccht besorgt. „ Glaubst du, daß ich es nicht gut, nicht aufrichtig mit dir meine?" „Du ? O nur zu gut, edelster der Menschen! Doch du ahnst nicht, wie unbarmherzig die Welt ein armes, mishandeltes, erniedrigtes Geschöpf mit ihrer Beschimpfung verfolgt. Ich wiederhole dir, Albrecht, du kannst den Fleck nicht tilgen, der an meiner Seele haftet. Ob ich dir auch rein und deiner würdig er¬ : an mir würde die Schande nagen, sic ließe scheine mir weder Ruhe noch Freude. Und auch du könntest später nur die Gefallene in mir sehen, du könntest !" , mich verstoßen mich hassen
111 „Beruhige
dich ,
mxine
Vroni !
daß ich zu rasch gewesen ; ich hätte sollen von meiner
Absicht .
von dem Gedanken , daß könnte .
Immer
Schon
wirst
wie sich der Myrtenkranz „Der
Myrtenkranz
druck innerer phezeiung
Angst .
trifft
Frau
mir
rein mir
und laß ab Sinn
ändern
sein und
heilig.
zum
Altar
um deine Schläfe ! " rief
Vroni
trittst, windet . "
mit dem Aus¬
„ Anna , alte Anna , deine Pro¬
ein !"
lich umklammernd
mir
du mit
sehe ein,
dir noch schweigen
Vertraue
ich je meinen
du
sehe ich , wie
Ich
Und den Geliebten
leidenschaft¬
, schluchzte sie : „ Nein , ich kann deine
nicht werden !
Ach , mein
guter , mein
herziger
Albrecht ! " Sie fühl
war
so schön in ihrem
seiner
Liebe
durchströmte
Glut , fast
wäre
er seinem
Beide
lagen
Albrecht
sich lange
in
Schmerz . ihn
Vorsatz
mit untreu
den Armen .
Das
Ge¬
verzehrender geworden. Endlich
riß
sich los , und mit den Worten : „ Vroni , ich
habe mir 's geschworen , ich führ ' es zum Ziel ! " schritt er dem
nahen
Walde
zu .
nach und
ging
dann
langsam
zur Stadt
zurück.
Vroni auf
sah
ihm
traurig
dem Wiesenpfadc
112
Mehrere
Wochen
welken Blätter Geisterhänden das
waren
seitdem
an den Bäumen gesponnenen
Nahen
des Herbstes.
Herbst
— warum
deine Reize
besungen ?
silbernen
Fäden
verkündeten
noch kein großer
Bist
du nicht
eifersüchtig
auf
deren
Preise
die Sänger
sich
Geschwister ,
zu
immer
von
begeistern ?
Wo
wäre
Dichter
ein Poet,
der nicht dem Lenz seine Huldigung
gebracht !
dem
nicht
gestrengen
lichenden
Winter
Stimmen
.
Die
hat
deine
neuem
vergangen .
, in der Luft die von
fehlt
Die
es
tobten
an
Blumen
Selbst verherr¬
, die er auf
die Scheiben
malt , die schweren
Zapfen , die er an
die Fichten
und
die
Tannen
hängt ,
Schneemassen,
welche er an den Abhängen
zusammcnhäuft
derbenbringend
in die Thäler
wälzt , sie sind unzählige
mal
geschildert
poetisch
Herbst ,
dich übergeht
einen treuen
Verehrer .
Sommermonaten ziehe Treiben
dem
worden . man . Ich
An
mir
dich , aber
ver¬
lieber
hast
du
liebe cs , nach den heißen
deine
kühlere
Luft
zu athmcn ;
ich
drängenden
Keimen
und
Sprossen
und
in der Natur
deine befriedigte
vor , die doch kein Stillstand grünen
Nur
und
Waidmannsrock
ist .
gemessene Ruhe
Ich
auf die Birsche
liebe
es , im
zu gehen , den
113 Ton
des Jagdhorns
schallendes
und
sein lustig
Echo zu vernehmen ; mein Auge erfreut
an der verschiedenen Färbung an der Mannichfaltigkcit »um harmonischen Mit
dem
Badcgcscllschaft
Lust
des
Ortes
crhaltcndc
Kraft
Aufbruch
Bergenan
hatte
auch
Abschied
die
genommen.
, welche der gesunden
besonders
stärkende
zuschrieben , konnten
und
lcbcu-
sich noch nicht
entschließen.
Baronin
und
dem Schützcnhausballe lich im
, welche du
vereinigst ! —
Sommer
alte Junggesellen eine
sich
und Sträucher,
der Schattirungcn
Gcsammtbildc
von
ein paar
Die
der Bäume
scheidenden
Nur
zum
durch den Wald
Gasthofc
Marianne
abgcreist .
wohnen .
waren
gleich nach
Albrecht blieb natiir-
Zunächst
sprach
er
ein
ernstes Wort
mit Schuber .
Er bot demselben
geradezu
ein
bedeutendes
Monatsgeld
wogegen
ziemlich
Vroni
fortan
sein sollte sprechen
aller
und
niedern
Dienstleistungen
er sie jederzeit
dürfte ; und
an ,
ungestört
bereitwillig
ging
enthoben sehen
und
Schuber
auf
diesen Antrag
ein . Sodann
machte er Lina Mittheilung
von
Absicht ,
Schwester
seiner
ihre
nehmen .
Das
wirrt ,
fühlte
Grafen
geschmeichelt ;
Marianne Broni.
gute Mädchen sich
aber
war
durch
versuchte
gedenkend , anfangs
zur
Gattin
überrascht das
Vertrauen
sic auch , einen
zu
und ver¬
der
des armen
schwachen Widcr8
114 stand
gegen dessen Pläne , so streckte sie doch bald
Waffen
und ward , als sie ihn allmählich
lernte , sogar
Vroni?
In
den
ersten Tagen
Albrecht mied sie , ganz
nach
Nur
der Schwester
zu nahen ,
das
Eis
Lina
ihr freundlich
ihrer
des Grafen
nachgcbcn
Gemahlin
zu den
heit nachzuhängcn
mit
gelang
es endlich , ihr
Erstarrung
zu
schmelzen.
zu , sie möge den Wünschen
und den Gedanken , einst seine
werden ,
trüben
der Begegnung
in sich selbst verschlossen , jedes
Gespräch .
immer
kennen
seine Bundesgenossin.
Und
redete
näher
die
nicht
von
sich weisen ; statt
Erinnerungen
an
, möge sie muthig
die Vergangen¬ die Zukunft
fassen .
Da
begannen
ihre
tenen
Thräncn
zu
fließen .
„ Ach , Lina " , erwiderte
sic , „ es kann
ja
nicht
sein ;
seiner
unwürdig
.
Mein
Eben
weil
ich Albrecht
gesagt ,
ich
bin
spricht
mich
nicht
frei .
lange
ins
Auge
zurückgehal¬
cs ist so wie ich ihm Gewissen
innig liebe — wie könnte ich, die Schuldbeladene in
sein
unbeflecktes
„Ucbcrlaß wissen , was nehmen
Ahnenhaus
eindrüngcn
so
, mich wollen !"
das ' ihm " , versetzte Lina ; „ er wird ihm zu thun
geziemt .
will , wie du bist , was
Wenn
er dich so
brauchst
du Bedenken
eine Lebensgefährtin
haben , auf
zu tragen ? " „Nein , er muß
BB
B
Standesgenosscn
, ja
115 die er stolz seinem
sein ,
„Durch wirst
die er seinen
Landeshcrrn
als
die Ehe
du ja seine Frau „Ich
denn
meine
Albrecht
darüber
könnte
vergeßlich
der
Geburt,
daß
er sich
gesinnt ,
„Du
als
sollte ; ich will Bildung
auch vergessen
Gastwirths
Namens
selbst nicht
reden ; mit werden ,
bin : — aber
„Zürne
mir
daß
ich
was
un¬
haftet ; den
kann
selbst
nicht abwaschcn . "
bist und bleibst mir ein Räthscl !
eigene Schuld
der
bleibt , das ist der Makel,
Vergangenheit
gehst du noch gar deine
den Unterschied
und unauslöschlich
der Glan ; seines
kann . "
gleichgestellt,
edel
es wol
der an meiner
ja
zu
in unserer
eines
vorstellcn
ihm
Gräfin . "
nicht hinwcgsctzen
die Tochter
dn
nicht
ist
Von dem Abstand Zeit
ebenbürtig wirst
zu Grunde , und dann
Am Ende
wird ' s bloS
sein . " nicht ,
Schwester ,
ich kann
nicht
anders " , versetzte Vroni. Albrecht
hatte
durch
mit Büchern , seine Flinte Greisenelan
holen
dem Gasthofe Als
lassen
seinen und
Diener
eine
Kiste
seine Jagdhunde
aus
und
sich ganz
ersten
mal
wiedersah
— sic
Felde
— , erschrak
er über
und den leidenden
Ausdruck
wohnlich
er Vroni
zum
begegnete
ihm
freien
die Blässe
ihrer
im
Wangen
8*
¥
in
eingerichtet.
1
116
die Hand.
reichte ihm
" ,
„Albrecht
r i'. S
sic ,
mir
nicht
Sic
letzthin
gcthan ;
Schülerin
sein .
so reich ;
ich aber
dem
von
mir
Sie
den
hinter
Thal .
Erzählen
mannichfachcn
Leben
da drüben
mich
über
Natur ,
über
die Größe
Oft
betrachtete
der
Wirken
und die Kräfte
des Weltalls
Sonnenuntergang
und
doch
unbegreiflich
täglich
erneuen .
sind Ich
Sie
belehren
Bergen ;
und
Schaffen
kleines
unser
als
nichts
fast
Welt
Geist
kenne von der
und
unwissend
bin
ich Ihre
will
so tief , Ihr
ist
Gemüth
Ihr
Pcr-
Ihr
Sie
Gern
mich !
Sic
erziehen
sprechcn :
von Liebe , wie
mehr
halten
aber
mir;
Sie
„ verzeihen
begann
ich bitte , reden Sic
.
des
Mondes,
das
Aufsteigen
mir
diese Wunder , die sich alles
das
können
weiß . Sie
mir
Sie
Bringen
unfern
großen
manchen
Bers
Dichtern im
Bücher , lesen
lernen .
das
Kopfe ,
aber
schöne Ganze
faßlich
Albrecht ? "
mir
aus
ich habe
wol
nur
ein¬
Sie
sind
cs
hier
und
kennen
er¬
auflas;
da
und
verstehen
mir
vor mit
Ihrer
gehenden Stimme
— wollen
Sie,
Ja , ich bitte , lesen Sie
sanften , zum Herzen
Ach ,
vor .
zelne Brocken , die ich zufällig ich möchte
das
ich den
klären , und so wie cs für uüch am leichtesten ist .
und
zu
ihn
auf
treuherzig
ging
Sie
Züge .
ihrer
117
«Ich
«Gern
, gern , mein
Kind !
Dn
sollst das Wort
liebe
dich ! » nicht
wieder
von
mir
dn selbst bung
es mir
vor
gestattest , bis
dich
lese , daß
treten
dars
du die Meine
gleich heute an .
Ich
bringen .
Federn
meine
zu
gelehrige ,,Ja
fleißig
,
in
deinem
willst .
Auge
Fangen
wir
Wie
freue
ich mich
auf
geben
und
!"
Albrecht , ich will
mir
Mühe
sein ; du sollst sehen , daß du dich nicht in dem
armen
gefallenen würdig
werden . Von
Mädchen
hast ,
von
dem
Ach , wäre
nur
auch meine
dem
andauernd
Stunden
am Morgen
.
Da
Waldesrand
hatte
wo ihm Vroni
waren
saßen
dazu
ein .
errichten
Es
gebildet
zu
frei ! " . .
einem
in einer
Hügel
begegnet
sie abends eine
dankte
Albrecht
seinem
guten
Jugend
studirt
und
gearbeitet
stattfinden.
bestimmt : eine
lassen , nahe
nahmen war
sein
vor einbrechen-
die beiden
auf
zum ersten mal
Mahl
daß
Seele
im Freien
und eine des Nachmittags
Laube , welche Albrecht
einfache
deinigen
schönen Wetter -begünstigt,
fast immer
des Tags
dcr Dunkelheit
schaftlich
getäuscht
war ,
konnte der Unterricht
das
und
Wer¬
gehe , dir Bücher , Schreibhefte
Schülerin
Geist
Zwei
ich mit meiner
werden
und
hören , bis
stillen
am
untern
der
Stelle,
war . hier
glückliche Zeit ! Stern
, daß
hatte .
er in Vroni
Auch
gemein¬ Wie der aber
118 freute
sich beinahe
Veranlassung
fl ;N
ihrer
freilich
war
gegenseitiger
dem Rcichthum mit
konnte
man
weil
:
seiner Kenntnisse
sie ihr
zu genießen.
es kaum
Austausch
der Poesie , die ihr
nennen ;
er theilte
ihr
es von
mit ; sie erfüllte
ihn
ganzes
Wesen
unbewußt
aus¬
liebste
Lektüre
waren
Gedichte .
Als
der ersten , welche
er ihr
strahlte . eins
,
ward , Albrecht ' s Unterricht
Unterricht ein
Unwissenheit
„Der
Ihre
Gott
vorlas , hatte "
gewählt .
Albrccht
und
die Bajadere
cs mit
steigender
Theilnahme
ergriff
sie seine Hand : „ Albrccht , ich verstehe
bis
zu
Sic
hörte
Ende .
Dann
Absicht .
Ja , ich war
auch ein bcthörtes
mädchen
und
wäre
versunken
Sünden
, da
kamst
Liebe .
Doch , der Bajadere
würde
hatte .
ward
meiner
mich durch deine erst vergeben , als
ihr vergangenes
Du , du bist mein
ich mich opfern , wenn
ach , vor mir
Sumpf
du und rettetest
sic durch den Flammentod geläutert
im
deine
Bajaderen¬
Leben rein
Abgott , für
es dir frommte .
selbst mich freizusprcchcn
, das
dich Aber
vermagst
auch du nicht ! " Nur sprachen
einmal von
Liebe .
schönen Abend . untergegangen frischend
vergaßen Es
sie war
Die Sonne
herüber .
Kein
an
war
; vom Walde Ton
ihren
Vorsatz
einem
himmlisch-
in purpurner
wehte aus
und
es duftig
Pracht und
er¬
dem Geräusch
der
119 Menschcnwclt
unterbrach
die Stille
Farben
mit
erlöschender
Glut
Alles
stiinmte
zu
beugte
er sich über sie , leise drückte er einen Kuß auf
ihre
Wange . „Nein
mußt
und
schmiegte
schmolzen.
Hingebung
sich an ihn
.
Da
und
seufzte.
, seufze nicht , Vroni ; seufze nicht !
Bald
du mein
Freude
ineinander
Weichheit
Sie
der Natur , deren
sein .
aufthun
Da
wird
für mich und
„Niemals
sich ein Himmel für
von
dich. "
kann ich die Deine
sein , Albrecht , so
sehr ich dich liebe . " „Und
warum
„Weil
cs zu spät
der Mühle
wäre
auch vor loren
niemals ? " ist .
ich beinahe
An jenem
Morgen
bei
schwach genug
gewesen,
dir zu erliegen , und sollte ich auf
ewig ver¬
sein .
Jetzt
aber
hast du mir
die Kraft
gegeben,
zu widerstehen , jetzt bin ich stark . " „Und trautes
doch ,
du
wirst
noch
mein
Weib ,
Sic
lächelte
schmerzlich .
mir " , sagte sic , „ einen
„ Noch
einen Kuß
langen , letzten Kuß !
nein , nicht den letzten ; um den letzten werde noch bitten Er zum Finger
mein
Weib !"
—
mal
und
küßte
umfangen
sie. wollte ,
Als
er
sie aber
preßte
sie ihre
auf seinen Mund , und sich sanft
V
ich dich
aber nicht heute . "
umarmte
zweiten
gib Doch
von ihm los-
120 windend , flüsterte
sie : „ Komm , laß
uns
nach Hanse
gehen . " Ja , das sich beglückt Trieb
waren in
wonnige
Leiten !
der Wiedergeburt
zum Schönen
und
geschlummert .
Der
rasch entfesseltem
Zauberer
sich auf zur Höhe
Die Erscheinungen
hatte
in
ihr
nur
brach
den
schwang
ihr
und
Fittich
des Denkens
und Forschcns.
, welche sie täglich umgaben , waren
keine unlösbaren
Räthsel
empfand
sie den
des
,
Der
kam
ihr nun
Anschauung
fühlte
Seele .
Wahren
Bann , und mit Geist
Vroni
ihrer
Genuß
jedes
mehr .
Und doppelt
Erkennens
,
denn
jede
,
Begriff
kam
Verständniß
jeder
ja von ihm , von dem Geliebten. Wenn Sonne
sie
von Phöbus des
die
aufsteigen
Sonne
,
oder Phaethon
Lichtgotts
die
oder sinken
strahlende
goldene
sah , schwärmte
sie wol
, und
die schöne Gestalt
verschniolz
ihr
Angebeteten ;
aber
bald
kehrten
ihre
Gedanken
zur
Erde
die fernen
Länder
traten
ihr
die
zurück ,
Augen , die von der Sonne Hemisphäre
mit
der Gestalt
beschienen
vor
werden , wäh¬
rend
unsere
malte
sich aus , wie schön es wäre , mit dem Geliebten
zu reisen ; mit
ihm
oder
unter
schlanken
von
buntschimmcrndcn
in Dunkelheit
ihres
in
den Urwäldern
Palmen Kolibris
gehüllt
zu wandern,
Zu ruhen , und
ist ; sie
umflattert
berauscht
voin
121 Tropcngcwächsc
der blühenden
Duft
denen sie Sic
versehen hatte .
Auswahl
in sorgfältiger
Albrecht
gc-
Zimmer
ihr
sic in den Büchern , mit
las
fesselt , dann
an
Wetter
unfreundliches
trübes ,
sie durch
War
.
ersehnten
Lande
entgegen;
sie litt
mit der
unglücklichen
Maria
Stuart
, sie be¬
wunderte
die
Herrschergröße
der
Elisabeth .
dem
hoffte mit Columbus
für
nahm
Albrecht 's
und
gewann
Einfluß
und
Tiefe
und Philosophie
Unter
seinem
sich auf .
in
Gcmüth
Er
erzählte
ihr
mehr
an
den
Verlauf
ihr
seine
bittere
Lebens¬
Dabei
sprach
er ihr
von
Religion
Seine
auf
die Lehren
.
theiltc
.
großen
der
gestützten Ansichten , die alle von einem Grund¬
Denker
Ideal , durchzogen
Harmonie
vollkommenen
nach einem
ton , von dem Streben reinen
Sinn
anch ihr
und
mit .
erfahrung
kindlichem
immer
Innigkeit
Jugend
seiner
mit
Belehrungen
Verständniß
reinem
der Neuheit , und sic
Reiz
sie den frischen
hatte
Alles
in ihre gequälte
eine sanfte
waren , brachten Seele .
und
Wider¬
Die frühem
sprüche zwischen ihrem bessern Wollen
und den Trieben
, als
sie ein bestimmtes
ihrer Leidenschaft Ziel
vor
sich sah ,
Gesetzen , welche maß
verschwanden
das
erhalten , auch
Regungen
sich fügen
als
sie erkannte ,
denselben
in Einheit
und
Gleich¬
menschliche Herz
mit
seinen
Weltall das
daß
müsse.
122 Nichts
störte
die Wirklichkeit Vater
die süßen
ließ sic unbehelligt
lich und theilnehmend zukünftiges
und
liche Absichten Bewerbung
als
mit
nichts
war
gestalten
seiner
und
Mit
sic, Ihr
frcund-
nicht mehr von
dem
sie war
seiner
übrigen
Welt
in Berührung;
Gerede , das
in Umlauf
Officier
zu wollen; zeigte ernst¬
der
zu den Ohren
ein junger
in
welche
Lina
Bürger
Hand ,
Albrecht
davon
er den Vorlauten Lehre auf
ihre
abgeneigt .
sie kein Wort
einmal
merkung
auf
kam Vroni
Verhältniß
gelangte
, in
. Auch ihr , der braven Schwester,
wohlhabender
nicht
von Bcrgcnau so hörte
walten .
Los schien sich günstiger
ein achtbarer
ihr
Träume
fast vergessend , sich hineinlebte .
war .
über
Ebenso
des Grafen ; und
eine
verletzende
Be¬
Gegenwart
sich erlaubte , forderte
und
ihm
wol
ertheilt
haben
— denn
hätte
der
würde
dem Kampfplatz
eine tüchtige er
war
ein vorzüglicher
Schütze
— ,
nicht
noch rechtzeitig
Abbitte
geleistet .
Fortan
ver¬
war
von
kurzer
mit Marianne
, und
stummten Aber
die Schwätzer. diese glückliche
Zeit
Dauer . Lina stand in Briefwechsel die Briefe
Gegner
der letztem
wurden
brecht und Vroni
gelesen .
zu sehen verlangten
, drang
daß sic von dem Inhalt
nur
gewöhnlich
Obgleich Lina
auch von Al¬
die beiden sie nicht
doch jedesmal
derselben
Kcnntniß
darauf, nähmen.
123 keine Geheimnisse . Marianne
allerdings
Tic enthielten
besser , sie lobte die
schrieb , cs gehe mit ihrer Gesundheit
ihre Beschäftigungen digte
sich nach
ihrem
vier
langen
Seiten
nicht
war
Er
zum Lesen
, sondern
über seine
Wolke
düstere
von hastig
ihn Albrccht
Während
sich eine
durchflog , lagerte
hinter¬
sic zweimal
von Marianne
geschrieben .
der Baronin
Lina
den
einen
wieder
sie ihn Albrccht
durchlas , bevor
einander reichte .
Brief ,
einer Silbe
je mit
war
empfing
Tages
Eines
erkun¬ Weder
Vergnügungen
und
Vroni ' s noch Albrecht ' s aber erwähnt .
, und
Verlobten .
und
Lina
über
, berichtete
Mutter
ihrer
gute Stimmung
immer
Stirn. hilft nichts " , sagte Lina , „ Sie
„Es
Albrecht 's
sprach
Sic
so gelassen !"
„da
sicht man , daß Sie
wie
wenig
sich in
Sie
er mit
müssen hin !"
Stimme;
bebender
kein Mitgefühl
haben , und versetzen
anderer
die Lage
sagen
„ Das
sich.
entfärbte
Gesicht
können . " , nun , werden Sic
„Nun
Graf !
Herr
bleiben ; müssen
aber Sic
Mir wie
nur
die
sich ohne
der That ,
Sie
hier
meine
ich,
Greifenclan
be¬
stehen ,
Sachen Verzug
nach
geben ; es ist ja auch nicht so weit In
nicht gleich so böse,
ist ' s ja schon lieb , wenn
von hier . "
cs konnte nicht geleugnet
werden.
124 Albrccht ' s Gegenwart wcndig .
Ans
Folgendes
in
seinem
dem Briefe
Schlosse
seines
ermittelt , oder glaubten Grcifcnclan
kein
der Baronin
ging
nämlich
verstorbenen
Vaters
hatten
zu haben , daß Schloß sei ,
und
verlangten
Gunsten
Schuldmassc
verkauft
daß
es zu
oder
ihnen
übergeben
milienvertrags
ermittelt
Fideicommiß
nun ,
der
werde .
Kraft
besaß die Baronin
Grcifcnclan
daß sic ihre hatte
mitgetheilt wegs das
gab .
sie dies nur beiläufig
weitere
zu
verhandeln
übrig , die Reise
mußte
sich zur Trennung Trennung
glücklich , so selig
er nie
Trotz
war .
Vroni ' s
die Hoffnung
zu nennen . dünkte
In ihn
ihrer
Fa¬
ohne
dem Briefe
erwähnt , dagegen sei bereits
unter¬
mit
Graf
Albrecht
Hiernach
blieb
Albrecht
ließ sich nicht aufschieben , er entschließen.
— unerträglicher
von ihr , der Heißgeliebten
lichkeit .
.
durfte , In
, einer der Hauptgläubiger
nach dem Schlosse , um dort
nichts
allein
werden
dazu
alten
wichtige Veränderung
vorgenommcn
Einwilligung
eines
ein gewisses Besitz-
recht , nach welchem keine irgend
an Lina
noth-
hervor:
Die Gläubiger
mit
war
Gedanke !
Trennung
, von dem Orte , wo er so Es
schien ihm
beharrlicher
eine Unmög¬
Weigerung
hatte
anfgegcbcn , sie einst die Seine bezaubernden
leben .
Nun
Nähe
weilen , das
sollte er die Morgen-
125
in
widerwärtigen
und
Advocatcn
in
er an den einsamen
, sollte
zubringen
Gläubigern
mit
Unterhandlungen
umsonst
Abenden
seiner holden Schülerin
mit
im Gespräch
statt
stunden
nach ihr
Sehnsucht
brennender
sich verzehren!
klopfendes
schmerzhaft
Ruhe : „ Nun
ge-
aus
ihr
sie , die Hand
Herz pressend , mit
wohl , einmal
mußte
auch besser
so ! "
Dann
Laube
Kopf
in
die Hände
ihre Schritte
werde zu diesem stillen Hciligthum
lenken .
überraschte
Darum
sich stehen
fest , ihr
Auge
klar , in ihren
müthiger
Ernst .
Haltung
war
ein
wch-
lag
Zügen
„ Lebe wohl , Albrccht ! "
„ Lebe wohl , mein
, meine ' Broni !
„Broni
Ihre
sah .
sie vor
leise zu ihm .
er auf¬
cs ihn nicht , als
blickend
auch
wußte ,
Er
gestützt .
Albrecht,
saß
Waldcsrande
am
der
be¬
zu
zu crküiupfcn . —
schwichtigen , sich Fassung In
sie , in
ging
Gramö
ihres
den Ungestüm
Einsamkeit
Broni
erzwungener
es ja doch kommen.
ist 's
Vielleicht
deu
vernahm , daß Albrccht
sei abzurciscn , sagte
nöthigt
der
von Lina
Vroni
Als
sprach
Albrecht ! "
Ich
kann mich nicht von
mir
das
Leben ohne dich ! "
„Nicht
so ,
Albrecht ,
nicht
so !
stark ; nimm
mir
nicht meine Kraft .
dir trennen ; was
wäre
in die Welt , wo du Veränderung
¥
sie
Sich , Du
ich bin
gehst wieder
, Zerstreuung
, neue
126 Freunde findest; du bist ein Mann mit reichen Kennt¬ . Ich bleibe hier nissen, mit Trieb zur Thütigkcit
, sreundloscs Mädchen , ein verlassenes vereinsamt zurück — mache mir nicht mit deinen Klagen das Herz !" noch weich „Kann ich denn anders, Vroni? Gibst du mir doch keine Hoffnung, keinen Funken Licht mit ans den dunkeln Pfad meiner Zukunft! Du sprichst mir von der Welt und ihrem Treiben! Wüßtest du, wie hohl, wie nichtig diese Worte mir klingen! Nichts ist ganz und wahr als die Liebe. Vroni, auf meinen Kniecn bitte ich dich: Vroni, werde mein!" „Dein ? Und wie? —" „ Wie du willst, nur sei mein! Komm mit mir nach Grcifcnclan; morgen soll uns der Pfarrer trauen. Versage mir nicht das süße Glück des Daseins! Vroni, ich kann nicht leben ohne dich, sei mein!" Tic legte beide Hände auf die Schultern des Knienden, richtete sein Antlitz auf ihren Busen und sprach: „ Höre mich, Albrccht; höre mich ruhig an! Bleibe deinen Vorsätzen treu: das Ideal ist Wahr¬ heit! Glaubst du, daß ich ohne sic geworden wäre, was ich jetzt bin? Albrccht, ich danke dir mit der ganzen Kraft meines Herzens, daß du mich uicht verachtet hast wie die andern, daß du durch deine
127 Belehrungen
emporzuhebcn ge¬
mich zur Erkenntniß
Nun sehe und fühle ich, die reine Wahrheit
sucht.
kann durch keinen Makel der Menschen befleckt werden, aber die Büßerin Wahrheit
wird von ihrem Makel durch die
geläutert .
Ja , du hast mich stark gemacht,
Albrecht , geistig stark !
Ich kann nun den Gedanken
ertragen , daß du in der Ferne weilst ; denn ich ver¬ traue fest, so weit uns auch das Leben trennen mag, dereinst werden wir für immer vereinigt sein. " „Vroni , sprich nicht von Tod ; mein Herz blutet schon, denke ich nur an die kurze Trennung ." „Und bleibe ich auch " , fuhr Vroni wie in Ver¬ zückung fort , „ hier einsam zurück: jede Blume , jeder wird mich an dich erinnern.
Baum , jeder Strauch
Sic werden mir nicht mehr als tobte , vereinzelte und zwecklose Dinge Ringe
erscheinen wie früher , sondern als
in der großen Kette der Wcltordnung , die
jedes , auch das scheinbar Geringfügigste , für einen wichtigen Zweck geschaffen hat .
Gehe jetzt, Albrecht,
und wenn du deine Geschäfte beendet hast , dann wollen wir uns Wiedersehen. " Albrecht hatte sich aufgcrafft .
„ Nein , ich kann
cs nicht ! Lieber will ich all mein Hab und Gut den gierigen Händen
der Gläubiger
Geliebte , entsagen .
prcisgcbcn , als dir,
Ich kann dich nicht verlieren !"
128 „Muth , Albrecht, Muth ! Die Nacht um dich ist nicht so dunkel wie die, welche mich nach meinem Kalle umgab, und doch hat mir der Tag wieder ge¬ leuchtet ." „Wohlan, so will ich gehen; doch schwöre mir erst, daß du cinwilligst, die Meine zu werden." Sic zögerte einen Augenblick , dann sprach sic feierlich: „ Ich schwöre dir, Albrecht , wenn du jetzt gehst und nicht bald hierher zurückkehren kannst, will ich zu dir kommen und die Deine werden, die Deine, wie du cs wünschest , vor Gott und den Menschen ." „Du willst mein Weib werden?" „Ich will cs. Nun aber mache dich ans! Die Sonne sinkt tiefer, das Glöcklcin der Kapelle läutet zur Vesper, dort unten kommen die Arbeiter vom Felde heim. Geh, Albrecht , ehe cs Abend wird, da¬ mit dir meine Blicke noch recht lange folgen können. Begib dich zum Gasthofe, wo schon seit einer Stunde der Wagen auf dich wartet. Ich bleibe hier unter der Laube und werde der Staubwolke nachschauen, die von den dahincilcnden Rädern aufgcwirbelt wird. Fort , Albrecht, fort!" „Brom , mein Leben, mein einziges Glück!" „Nur für eine kurze Zeit will ja das Schicksal uns trennen. Geh, Albrecht! Sichst du nicht, mit
129 welcher Anstrengung ich mich aufrecht halte? Ich möchte
; cs wäre schlimmer für nicht vor dir zusammenbrechen uns beide. Albrecht, leb' wohl!" Als er endlich sich von ihr losriß und fast be¬ wußtlos den Hügel hinabeilte, stand sie starr und unbeweglich da, in dem weißen Gewände einer Bild¬ . Nicht eine Muskel regte sich in ihrem säule gleichend Antlitz; aber die dunkeln Augen strahlten wie von überirdischem Glanze, und auf der hohen Stirn leuchtete Dcmuth und Reinheit. Bei der letzten Bie¬ gung des Pfades wandte er sich noch einmal nach ihr um; da erschien sie ihm wie von himmlischer Glorie umgeben, eine lichte Engclsgestalt. * *
*
Gleichzeitig mit Albrecht hatten auch die Ba¬ ronin und Marianne sich aus Schloß Greifenclan
, nm an den Verhandlungen mit den eingefundcn . Albrecht schrieb täglich Gläubigern thcilznnchmen an Vroni. In seinen ersten Briefen herrschte ein Ton der Verzweiflung vor; allmählich wurden sie ruhiger; in jedem aber beschwor er sie dringend, ihr Vroni.
v
130 Wort zu halten und sobald als möglich nach Greifenclan zu kommen, wo er sic der Familie als seine erklärte Braut vorstellen wolle. Broni war nach Albrccht 's Abreise wieder ernst¬ lich erkrankt . Auch sie antwortete ihm zwar täglich, aber sie mußte die Briese in ihrem Bett schreiben. Die Aermste hatte sich, seit sic nach Bergenau zurück¬ gekehrt, eigentlich nie einer festen Gesundheit erfreut. Nun war durch die wechselnden Gemüthsbewegungen der jüngsten Zeit ihre schon schwache Brust noch be¬ denklicher angegriffen worden. Sie begann zu fühlen, daß der Wurm an ihrem Lebenskern zehre. „Sagen Sie mir aufrichtig, Herr Doctor", fragte sie eines Tages den Arzt, einen langjährigen theilnahmvollen Freund des Hauses, „ wie steht cs mit mir? Sagen Sie mir ganz offen: ist meine Krankheit unheilbar? muß ich sterben, oder kann ich wieder gesund werden?" „Das hängt von Ihnen selbst ab, Broni", lautete seine Antwort. „ Wenn Sie sich recht schonen, geistig und körperlich , dann können Sie die Krankheit überwinden, denn Sic sind jung und besitzen von Haus aus eine kräftige Natur. Aber Sie müssen mir versprechen , sich vollkommen ruhig zu verhalten. Jede Anstrengung, namentlich jede innere Aufregung
131 — Sic
schen , ich verhehle
schlimmsten
Folgen
Vroni
betrachtete
Handtuch
und
danke Ihnen
Ihnen
nichts
— kann
die
nach sich ziehen . " die rothen
sagte
mit
, lieber Herr
Flecken
lächelndem
auf
Munde
ihrem :
„ Ich
Doctor ; ich fühle mich heute
viel wohlcr . " Wirklich Ja
verließ
sie wankte ,
sie an
auf
das
diesem
Geländer
Tage
das
Bett.
sich stützend , mit
nicht zu fallen , die Treppe
hinunter
in
den Spcisc-
saal .
Hier
setzte sie sich ,
wie
einst
vor
Monaten,
ans
Fenster
und
sah
den
freien
Platz
vor
dem
und
ihr
draußen
vor¬
Hause . bei .
Lina
Beide
besser zeit Glück
drückten
auf
Verlobter
ihre
gehe .
In
drei Wochen
feiern ,
und
mit
beschäftigt ,
Lcidcnszug
und
den
kamen
Freude
aus , daß es Vroni
wollten
sie ihre
Hoch¬
an
das
eigene
nicht
den
tiefen der
Gedanken
gewahrten
sie
die krankhafte
Blässe
im Antlitz
trat
der
Schwester. Als ein . Ihnen
sie gegangen
„ Grüß
Sie
wieder
einen
Während
Gott , Fräulein
er ihr
the .lnehmcnd : „ Wie Anton ? " „Ach
waren ,
Brief
aus
Vroni ; ich bringe
Grcisenclan
den Brief
Briefträger
."
gab , fragte
geht es denn in Ihrer
schlecht , liebes
Fräulein
, schlecht ! o*
sie ihn Familie,
Meine
132 vier Kleinen haben den Keuchhusten , und ihre Mutter danieder . Und ich muß den
liegt schwer am Typhus ganzen Tag
kann ihnen
sein und
der Straße
auf
nicht bcistchcn. Ja , unsereiner hat wol seine Noth !" „Warten
einen
Sic
erhob
Sic
Augenblick. " Bald
kehrte sie
zurück mit einem Korbe voll Fleisch , Brot
und einer
sich mühsam und schwankte hinaus . Flasche Wein .
„ Da , nehmen Sie , zur Erquickung
für Ihre Kranken !" „Tausend
Dank ! "
vergelt 's Ihnen
„Gott
der Bote
sagte
und schenke Ihnen
gerührt.
ein langes,
glückliches Leben !" „Ach , mir ist so weh zu Mnthe " , seufzte Broni, als
sie wieder
Brief
und las:
allein
war .
Sie
öffnete Albrecht 's
„Brom , ich kann nicht länger leben ohne dich! Wenn du nicht bald kommst, so komme ich zu dir und hole dich. noch einige Zeit Tante
ist mir
Meine Tante hier bleiben .
müssen
und Marianne Das
oft unerträglich ,
Geplauder
und
der
Mariannens
ruhiges Wesen bringt mich ans der Fassung .
Dein
Aamc wird nie zwischen uns genannt , und doch schwebt er stets auf meinen Lippen .
Die
Tante
gibt mir
auf tausenderlei Art zu verstehen , daß sic immer noch darauf rechnet, ich werde Marianne
als meine Gattin
133
leben
und
dich lebt
Tag
und
Nacht
Seele .
Du
allein
Träumen
und
Vroni ,
wM
meiner
vor
für
an dich denkt , nur
nur
der
— ich,
heim führen
steht dein holdes
Bild
lebst in meinen
Gedanken , in
meinen
Zukunftshoffnungen. „Unser
Pfarrer
hält
angekommen ,
die
Trauung
wahr
wenn
cs
bald
kämest!
Bergwerksmusik bringen
ich
—
du hier
vollziehen .
Vroni,
zu
will
mir
darf
es
den
Ständchen
ein
abends
Unsere
.
Namenstag
mein
ist
nicht
Leuten
du
wenn
ich ersehne ,
was
würde ,
„Uebermorgcn
sich bereit , sobald
wehren!
Vroni , bete für mich an dem Tage! Albrecht . "
Dein
sogleich .
Sie
von Bcrgcnau
ent¬
Brief
die zwei Worte:
schrieb nur „Ich
den
beantwortete
Vroni
komme . " H
* *
Grcifenclan
ist zwölf Stunden
fernt , zwölf
Stunden
rauhen , fast
immer
auf - und
absteigenden
Wegs .
Das
Schloß
war
einst
eine
Auf der Spitze
eines
trotzige , feste Ritterburg
gewesen .
134 steilen Hügels Zinnen
erbaut , konnte man von ihren
weit hinaus
hohen
in die Ferne schauen , ob etwa
ein Feind sich zum Angriff nahe .
Alle die umliegen¬
den Forsten gehörten zum Besitzthmn der Herren
von
Greifenclan .
in
Jetzt
Trümmern , und vernachlässigtes gelichtet. der
lag
daö Schloß
auch die andere Hälfte
Aussehen .
ein
waren stark
Der Wallgraben , der damals
zum Schutze
Burg
gedient
hatte ,
des Grafen
war
theils
schönen Parkanlagen
das
Schloß
herrlichen
Baumgruppen
rauschte
grüne Rasenflächen
ans .
erfrischendes
Wasser , unter
dehnten sich wohlgepflegtc Sein
Nachfolger
aber ließ
verwildern ; die Wasserstrahlen
versiegt , der Rasen die alten Baume
mit
umgeben ; aus künstliche» Grotten
und
wieder
zugeschüttet,
gefüllt . Der Gro߬
Albrecht hatte
sprudelte
alles
hatte
Die Wälder
thcils mit fauligem Sumpfwasser vater
zur Hälfte
von Unkraut
waren
überwuchert ; nur
streckten ihre Wipfel noch hoch in
die Luft. Auf Anlaß
der Baronin
Albrecht 's Namenstag Sic
wurde die Feier
von
möglichst geräuschvoll begangen.
hatte die Hoffnung keineswegs aufgegebcn , ihren
Liebling noch als Mariannens wußte sic um des Grafen mütterlicher Stolz
Gatten zu sehen. Wohl
Liebe zu Vroni ; aber ihr
schmeichelte sich, Mariannens
Bor-
135 züge würden doch endlich den Sieg über die Neben¬ buhlerin davontragen. Sie baute auf die Macht der Zeit und auf irgendeine günstige Wendung. Albrecht war schweigsam und misgclaunt. Die
Gratulationen der Tante und seiner Wirthschaftsbcamten vcrstiminten ihn nur noch mehr. Wie anders ! Nur hätten sic ihm ans Vroni's Munde geklungen wieviel um — Stimme süßen ihrer wenige Laute lieber hätte er sie vernommen als all die langweiligen, wenn auch wohlgemeinten Anreden, denen er kauin sein Ohr schenkte. „Ich komme" , hatte sic ihm geschrieben. . . . aber wann? Vielleicht noch heute, an seinem Namens¬ tage, um ihm Glück zu wünschen und Glück zu bringen. Zehnmal im Lause des Vormittags stieg er auf den Schloßthurm hinauf und spähte mit dem Fernrohr in der Richtung nach Bergcnau, ob nicht der Staub eines von dorther kommenden Wagens . Und konnte er selbst nicht aus dem Thurm sich zeige verweilen, dann mußte sein alter Diener oben Wache halten — aber keine Spur ward sichtbar. Schon begann cs dunkel zu werden. Die Fa¬ milie saß noch bei der Tafel, und draußen spielten 's Trüb¬ die Bergleute lustige Weisen dazu; Albrccht sinn vermochte auch die heitere Musik nicht zu bannen.
136 Seit
ihrer
Marianne
Ankunft
auf Schloß
jede vertrauliche
geflissentlich
zu meiden
gesucht .
Liebe
zu ihm
mit
dem
werde
ihm
eine
passende
sic täuschte
sich.
Tief
ihrer
sei erloschen ,
Gedanken
Neigung
umsonst
sticken .
ging
Albrecht
erfahren
kommen gleichgültig einem
griffen ,
wie
herbster
Bckümmcrniß
sie
fast
erbebte .
Gläubigern
die
ganz
wollte
Hülse
ihr
daß
sie ihm
Mitleid saß
dem
Gesinnung
er sein
letztes
Gut
Anspruch
Tante
in zu
Zärtlichkeit
ein treues
ihm
verschmähst
Freundesherz
;
laß
er¬
Ausdruck Es
gab der den
Uncigcn-
seiner
gern
ihm
mit
Adel
heut
ward
kund , vor
Verhandlungen
seiner
hätte
sie
voll¬
aber mit
mit
der Leidenschaft den
zu er¬
und schmerz¬
sie seine bewundcrnswcrthc
hohen
Albrecht , meine ich dir
Bemühen,
ihr
in den seinen Zügen .
Bei
hatte
gelernt ; eher als
so vor
eine Gewalt
nützigkeit , den
Marianne
war
An diesem Abend
unbeschreiblichen er
Aber
der Funke
dem Wege , weil
mochte ,
sei .
sie von
sich darin
sein .
von neuem die demüthigendc
liche Wahrheit
sich
Vroni
glimmte
ans Vroni aus
ihre
sogar
können ,
Lebensgefährtin
fort , und
Vetters
wähnte ,
glaubte zu
im Herzen
der Eifersucht
nicht immer
und
hatte
ihres
Sie
befreunden
die Regungen Sie
Grcifcnclan
Annäherung
kennen
verpfänden,
sagen
nehmen. mögen:
du ; so biete mich
dir stets
137 Seite
zur
als
Sie
bemühte
!
Freundin
und
lenkte
Bergcnau
,
an
manches
von dem
sic vermuthen
Erlebniß
konnte ,
daß
daran
Albrecht ' s Theilnahmc ihre
Nach auf
verschönerndem
Licht .
Alürccht
schien das
Nur
spiel kaum
zu beachten.
vor
Sic
hat mich nur
betrübt
entfernte
vor dem Altäre . Und
unendlich
seitwärts
das
weißem ,
gegenüber
Anblick war
be¬
magische
der
Farben¬
murmelte
er
Pfarrer
uns
vertrösten
wollen ."
er sich einige Schritte
zur Rechten
Gebüsch ,
befand , von rothcm
sieh , was . war hüllung
in
von den übrigen.
Die Baumgruppen von
erwartete
„ umsonst
sich hin ;
An¬
erglänzten
gekommen " ,
nicht
ist also
„Sic
englischen
Der
röthlichcn
zaubernd .
hinaus
erleuchtet ; auch
Feuer
des Schlosses
und Zinnen
die Mauern
er¬
dafür.
trat die Gesellschaft
bengalischem
mit
wurden
lagen
Er
werde .
dankbar
sogenannten
Die
die Terrasse .
auf
anknüpfcnd,
die Erinnerung
erregen ihr
war
Tafel
beendigter
öfters
Unterhaltung
kleine
kannte
Absicht und
gesprächig
und
sich, heiter
die
sein ,
zu
opferbereite
hülfreichc ,
deine
gehen
der
das ?
leichten
Sah
und Linken waren sich Albrecht
jetzt
Lichte beschienen .
Da
dem
er nicht
Rauchwolken
eine
durch
die Um¬
weiße Gestalt
138 hindurchschimmern seiner
?
Ein
leiser
Aufschrei
Brust : „ Himmel , wenn Langsam
die rothe ihrem
wallte
der Ranch
empor , nun
in
durchsichtiger
Klarheit
Glut
purpurnen
Schein
festgebannt
von
noch
einen
Augenblick
ihr
ausbreitcnd
ihrer
von
einem
.
erkannte
stehen ,
Ihr
leuchtete
,
und
bei
Schönheit nur
blieb
er
nach
Antlitz , ihre
ganze Gestalt
war
Schimmer
umsiossen .
Jetzt
sie ihm .
gestüm
an
„Vroni
, Vroni , mein Kind , mein
die
Wie
Arme
verklärenden Er
sich
er Vroni .
idcalischcn
winkte
flog ans sie zu , riß
sic mit Un¬
drückte
seine Brust.
sich und
ich dich endlich wieder keit !
entrang
sie es wäre !"
sie fest an
— wieder
süßes
Weib , habe
für Zeit
und Ewig¬
Doch
komme
jetzt , ich führe
dich zu dem Ge¬
mach , das
ich für
deine Aufnahme
schmücken ließ . "
mit
niemand
Und
er verschwand
durch eine Nebenpforte getragen , erreichte aber
entglitt
„Himmel Albrccht
,
von
des Schlosses .
sie mit
sic seinen
macht nahe , auf
ihr ,
Mühe
Armen
Halb
das
und
gesehen, von ihm
Zimmer
, hier
sank , einer
Ohn¬
die Kissen des Divans. wie
erschreckt ,
bleich
du
„ wie
abgezehrt
Und
dein Gewand , cs hängt
dir
begegnet ?
Sprich ! "
bist ,
Vroni ! " deine
ja in Fetzen !
sagte
Wangen! Was
ist
139 wohl;
ist wohl , ganz
Mir
, Albrecht .
„Nichts
ich bin ja bci dir . "
ihrer Stimme
Klang
fort , als er den matten , tonlosen „ du leidest ,
du
er in
den Corridor
, „ ein Glas
fehlt
dir ? "
„O ,
wie
einmal
noch
ich
dich
liebe ,
recht
tief
in
und
Wein
Laß
Albrecht !
mich Augen
wonnigen
deine
Er¬
willen , Vroni,
frischungen , eile ! — Um des Himmels was
Joseph " ,
krank ! —
bist
vernahm , rief
Albrecht
, nein , täusche mich nicht " , fuhr
„Nein
schauen , ehe cs zu spät ist . " redest
du ?
Dein
bricht mir
das
Herz .
„Wovon Aussehen
erschöpftes
leidendes
hast du
Vroni , was
gcthan ? " mein
hielt
„Ich
unser
habe
und
Glück
die Deine
zu dir gekommen , um
bin
Ich
gesichert .
Wort
zu werden !" , Dank , Vroni !
„Dank
die
Bunde
unscrm
Wagen?
ist
dein
zurückgclcgt?
den
Reise
war
lang " —
„Nicht
so lang
mich alle Stöße
Aber
Weg
hergekommcn ?
du
war
geben .
Wo
du
hast
Wagen
der Pfarrer
beschwerlichen
bist
Wie
— Mein
Weihe
himmlische
wie
Die
wird
Bald
wie die Reise , die mir bcvorsteht! ein offenes
des holprigen
Bancrngefährt
Wegs
empfinden
, das ließ.
140 Davon bin ich erschöpft und müde, sehr, sehr müde.. ." Sie lehnte ihr Haupt an Albrecht 's Brust. Ihr Haar löste sich auf, und die schwarze Flut der Locken wallte über ihr hellfarbiges Gewand. „ Höre, Albrccht, du
weißt, dein Glück geht mir über alles. Nur ein reines, edles Wesen ist würdig, als Gattin deinen Namen zu tragen. Darum kann ich dein Weib nicht werden. Aber ich kam, dich noch einmal zu sehen, noch einmal bei dir zu athmcn. — Weh!" stöhnte sie plötzlich laut auf, „ ich fühl's , mein Ende naht. O mein Gott, stehe mir bei, laß mich noch einige Augen¬ blicke leben! Freiwillig habe ich ja meine Sünden gebüßt. Ich bin reuig zu dir gekommen , als du mich nicht riefest; nimm mich jetzt nicht so jäh hinweg, da ich bei dem Geliebten bin! Noch eine kleine Weile vergönne mir, che ich in dieser Welt für immer von ihm scheide ! — Albrccht, ich sagte dir einmal, ich würde dich noch um einen letzten Kuß bitten: küsse mich, Albrccht!" Er drückte einen Kuß aus ihre bleichen Lippen. „So hast du dich gctödtct, um nicht die Meine zu werden?" sprach er, außer Stande, seinen Thräncn länger zu gebieten . „ D , lebe, Vroni, lebe! Laß inich nicht cinsain in der öden Welt zurück ! — Himm¬ lischer Pater , rette sic, erhalte sic mir!"
141 Joseph brachte den Wein. Während Broni das Glas ergriff, flüsterte sic ihm leise zu, ohne daß Albrccht cs hören konnte: „ Gehen Sie zur Baroncß Marianne, suchen Sie sie allein zu sprechen und , sich sogleich hierher sagen Sie ihr, sie werde gebeten . " Der alte Diener nickte und ging zu bemühen hinaus. Eine düstere Stille herrschte im Gemach, nur 's Schluchzen unterbrochen. durch Albrccht „Fasse dich, mein Albrccht! War ich doch nie für dich bestimmt" , begann endlich Broni wieder, . „ Ich und ihre Stimme wurde immer schwächer konnte dir nichts weiter bieten als meine Liebe, und an Liebe wird es dir auch von andern nicht mangeln. Du hingegen, du gabst mir alles. Dir verdanke ich die Bildung meines Geistes und die Läuterung meiner , wenn ich an mein früheres Seele. Mich schaudert sündhaftes Leben denke und an die Leichtfertigkeit, . Du hast das Licht mit der ich darauf znrückblicktc ; durch dich lernte ich der Wahrheit in mir entzündet , wofür wir geboren sind, wofür wir leben erkennen und leiden, denn Leiden ist das Los der Menschen. Du , Albrccht, wirst mit einer andern Lebensgefährtin das Glück finden, das ich dir nicht gewähren durfte: so will cs die göttliche Ordnung."
142 „Vroni , Brom, sprich nicht so grausam!" „Doch vergiß mich nicht ganz, Albrecht; ehre mein Andenken , wie dn mich im Leben geehrt hast. Liebe mich noch eine Weile so, wie dn mich jetzt liebst; dann gedenke meiner wie einer Büßenden, die durch ihren Tod ihrer Sündcnschuld ledig geworden, . . . Ach, wie das hier schmerzt !" unterbrach sie sich, ans ihre Brust deutend, und rothe Tropfen entquollen ihrem Munde. Als sie wieder sprechen konnte, sagte sie: „ Wie ist mir? Mir wird leichter!" Dann wandte sie ihr Gesicht dem Geliebten zu. „ Schwöre mir, daß du den Wunsch einer Sterbenden erfüllen willst." „Ich schwöre " , erwiderte er fast besinnungslos, indem er weinend an ihrem Lager niedcrkniete. Eben trat Marianne ins Zimmer. Bei ihrem Anblick fühlte Vroni, wie noch einmal das Blut ihr in die Wangen stieg. Sie wollte sich erheben, aber die Schwäche übcrmannte sic. Schneller als sie dachte, war von der übermäßigen Anstrengung der Fahrt und den heftigen Gcmüthserschüttcrungen , denen sie sich hingab, ihre Lebenskraft aufgezchrt worden. „Albrecht ", hauchte sie kaum hörbar, „ stehe auf!" Er stellte sich neben Marianne. Mit einerletzten Anstrengung legte Vroni die Hände der beiden
143 ineinander. „ So — liebt . . Das
Wort erstarb
ihr auf den Lippen. Sid richtete das Haupt ein wenig empor, blickte in wonniger Verklärung nach oben — und sank entseelt ans die Kissen zurück. Von draußen drangen die Klänge der Tanzmusik und die Vivatrufe
der jubelnden Dorfmenge in das
stille Todtcngcmach.
Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.