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Fachbericht

Beeinträchtigen plantare Hyperkeratosen die taktilen Reize beim Gehen?

Letztes Jahr hat sich ein Forscherteam der Harvard University in Cambridge eine interessante Frage gestellt: Können plantare Hyperkeratosen die Empfindsamkeit der Füsse beeinträchtigen? Eine Studie sollte diese Annahme in Frage stellen, dabei zeigte sich ungeachtet davon eine ganz andere Problemstellung.

In dieser Ausgabe beginnen wir mit der neuen Serie «Aus der Wissenschaft», in der für die Podologinnen und Podologen interessante Studien vorgestellt und zusammengefasst werden. Sie wird betreut von Roland Wiederkehr, B.Sc. Podologie und Mitglied der Fachredaktion.

Ca. 1,5 Millionen Jahre alte Fussabdrücke von Frühmenschen aus Kenia legen nahe, dass sie aus biomechanischer Sicht einen vergleichbaren aufrechten Gang hatten wie wir heute. Indirekte Belege zeigen, dass Schuhe wie Mokassins oder Sandalen erst in den letzten 40.000 Jahren getragen wurden. Gepolsterte Sohlen wie wir sie z.B. in Turnschuhen kennen, entstanden erst während der industriellen Revolution. Dies bedeutet, dass der Mensch vor der Erfindung des Schuhwerkes gewöhnlich barfuss unterwegs war und die Fusssohlen unserer Vorfahren während der Fortbewegung für Millionen von Jahren den einzigen direkten Kontakt zwischen dem Körper und dem Boden bildeten. Praktisch jeder kennt das unangenehme bis schmerzende Gefühl, barfuss auf Kieselsteinen oder rauen Oberflächen zu gehen. Diese taktile Empfindlichkeit resultiert aus kutanen Mechanorezeptoren, also sensorischen Nervenenden in der Haut, die durch eine mechanische Deformation auslöst werden. Als Schutzfunktion der Fusssohle hat der Körper eine evolutionäre Lösung entwickelt, die plantare Hyperkeratose. Sie bildet sich, wenn die Haut ständiger und starker Belastung durch Druck, Reibung und Scherkräfte ausgesetzt ist. Diese Reize lösen einen Hyperproliferationsprozess von Keratinozyten in der tiefsten Schicht der Epidermis, dem Stratum basale aus. Diese Zellen wandern dann in Richtung der äussersten Schicht, dem Stratum corneum. Diese natürliche Schutzschicht ist bei Barfussgehenden weitgehend normal und es wird deshalb im Allgemeinen angenommen, dass starke plantare Hyperkeratosen, ähnlich wie bei dicken Schuhsohlen, die Füsse zwar schützen, jedoch mit dem Kompromiss, taktile Reize verringert wahrzunehmen. Bei Menschen aus industriellen Ländern, ist dies nicht selten ein kosmetisches wie auch medizinisches Problem, das häufig durch Fussfehlstellungen oder schlechtsitzendes Schuhwerk verursacht wird. Trotz den zahlreichen Studien über plantare Hyperkeratosen hat sich keine davon über die Dicke der Hornhaut und ihre Auswirkungen auf die Tastempfindlichkeit von Barfussgehenden befasst. Um diese Sensibilität zu testen, wurden erwachsene kenianische Barfussgehende sowie Schuhträger in die Studie miteinbezogen. Die Dicke der plantaren Hyperkeratose wurde sowohl an der Fersenmitte als auch am ersten Mittelfusskopf, mit Hilfe eines Ultraschallgerätes gemessen. Für die Sensitivitätsmessungen verwendeten die Wissenschaftler einen sogenannten MiniShaker, welcher mittels einer Sonde Schwingungsschwellen senkrecht zu den Messpunkten an der Fusssohle aussendet. Das Ergebnis ist verblüffend. Die plantare Hyperkeratose bietet wie auch Schuhe mit viskoelastischer Dämpfung einen Schutz, jedoch ohne die Empfindlichkeit der Fusssohle zu beeinträchtigen. Der Vergleich zwischen den beiden Gruppen hat gezeigt, dass diejenigen ohne Fussbekleidung trotz 30% dickerem Hornhautvolumen keine Sensibilitätsunterschiede aufwiesen. Zusammenfassend hat das Forschungsteam festgehalten, dass Schuhe zwar einige Vorteile, einschliesslich Schutz, Komfort und Mode bieten, jedoch angeblich auch negative Folgen verursachen können. Menschen tragen heutzutage lieber Schuhe als barfuss zugehen, diese hemmen jedoch die Wahrnehmung von taktilen Reizen vom Boden aus. Zudem warnen die Forscher in ihrer Studie, dass die Dämpfung von Schuhen die Schlagkraftraten und Impulse in einer Weise verändern, die bis zum heutigen Zeitpunkt nur unzureichend verstanden ist. Zukünftige Studien sollten die Auswirkungen auf das menschliche Skelett mit den jeweiligen Konsequenzen genauer untersuchen. Der Verdacht erhärtet sich, dass unsere Füsse evolutionsbiologisch gesehen nicht für das Tragen von Schuhen bestimmt sind, sondern dafür, barfuss auf natürlichem Untergrund wie Wiesen und Waldflächen zu gehen. Diesbezüglich sollte allerdings berücksichtigt werden, dass sich dieser Umstand heutzutage verändert hat. Meistens gehen wir auf künstlichem, hartem oder geteertem Untergrund, auf welchem die Fortbewegung ohne Schuhwerk wiederum eher ungünstig ist.

Quelle: Holowka, N. B., Wynands, B., Drechsel, T. J., Yegian, A. K., Tobolsky, V. A., Okutoyi, P., … Lieberman, D. E. (2019). Foot callus thickness does not trade off protection for tactile sensitivity during walking. Nature, 571(7764), 261–264. https://doi. org/10.1038/s41586-019-1345-6

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