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Elin ist traurig
An dem Abend ist Elin sehr traurig und kann nicht einschlafen. Die Erlebnisse des Nachmittags gehen ihr nicht aus dem Kopf. Warum bloss haben die Leute keine Zeit, um mit ihr und ihren Brüdern zu spielen?
Da hört sie ein leises Klopfen. Elin erschrickt kurz und sieht Berta, wie sie vor dem Fenster sitzt und mit ihrem Schnabel an die Scheibe klopft. Elin rutscht aus dem Bett und öffnet das Fenster.
«Meine gute Berta», flüstert Elin, «komm herein. Ich bin ja so froh, dass du gekommen bist. Sicher hast du gespürt, dass es mir heute nicht so gut geht.»
«Arme Elin … Was du heute erlebt hast, ist nichts Aussergewöhnliches – es ist leider ein Teil der Menschenwelt», sagt Berta und hockt sich auf den Bettrand.
«Weisst du, die Menschen heutzutage sind rastlos und finden oft kaum noch Zeit einmal durchzuatmen und zu verweilen. Oder mit dir und deinen Brüdern zu spielen. Die Leute sind so sehr mit sich selber beschäftigt, dass sie die schönen Dinge um sich herum nicht mehr sehen. Sie sind blind auf dem Herzen.»
Elin hört aufmerksam zu und hat bald eine Idee: «Vielleicht könnten meine Eltern eine Medizin herstellen? Und dann könnten wir mit wenigen Tropfen die Herzblindheit der Menschen heilen.»
«Meine kleine Elin, deine Idee ist wunderbar, auf jeden Fall, aber für blinde Herzen gibt es leider keine Medizin aus der Apotheke», antwortet Berta und sieht Elin tief in die Augen. «Weisst du, wir tragen diese Medizin eigentlich alle in uns.»
Elin atmet tief durch und fragt entschlossen: «Und wie kann ich diese Medizin finden? Verräts du mir das Geheimis, Berta?»
Berta schaut das Baumzwergenkind lange an: «Es gibt kein Geheimnis dafür, liebe Elin. Alles was es braucht ist ein bisschen Aufmerksamkeit, Respekt und Dankbarkeit. All das hast du schon in dir drin. Aber du musst wissen, nicht alle sind so aufmerksam und gutmütig wie du, und nicht alle Kinder auf dieser Welt haben das Glück, an einem so schönen Ort aufzuwachsen wie du es kannst. Mein Urgrossvater hat mich gelehrt, dass man sich immer für alles Schöne im Leben bedanken und ihm respektvoll begegnen soll. Und das versuche ich seither an all meine Vogelfreunde, an die Menschen, aber auch an die grossen alten Bäume, an die Rehe und Füchse im Wald und an alle, die hier leben, weiterzugeben. Hör zu, wenn der Wind für dich singt – lausche dem Rauschen der Blätter, dem Zirpen der Grillen und dem Gezwitscher der Vögel. Das fehlt den Menschen heute leider.»