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Zur Einführung
Haben Sie gewusst, dass man auf dem Menchspifful, einem exponierten Felsvorsprung in der Flanke des Schwarzmönchs hoch über dem Lauterbrunnental, mit einem Höhenfeuer den Nationalfeiertag begehen kann (natürlich ohne Helikopterunterstützung)? In der Titelgeschichte erzählt Andreas Feuz detailreich und mit einem humorvollen Blick auf brenzlige Situationen, wie er und drei weitere junge Burschen dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt haben. Der Autor Andreas Feuz ist in Gimmelwald und Stechelberg in einfachen bergbäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen und ist heute in Lauterbrunnen wohnhaft. Stationen seines beruflichen Lebens sind unter anderen das Forstrevier Lauterbrunnen und die Schilthornbahn, ebenso die Rotstockhütte, in der er acht Sommer als Hüttenwart wirkte. Heute arbeitet er an der Schilthornbahn als Mitarbeiter Wintersport und in der Zwischensaison in seiner Säge, die zu einem Treffpunkt von Jägern und Fischern geworden ist.
In seinen Geschichten, entstanden in den Jahren 2012–2019, zeichnet Andreas Feuz an eigenen Erlebnissen die besondere Welt des Lauterbrunnentals und das karge Leben seiner Bewohnerinnen und Bewohner um die Mitte des 20. Jahrhunderts nach. Die erzählten Ereignisse werden weder dramatisierend noch verniedlichend dargestellt. Das Bemühen um eine Normalität des Alltagslebens spricht aus fast allen Geschichten und es ist das, was man den rauen Lebensumständen und einer wilden Natur entgegenzusetzen hat. Sich nach einem Tag harter Bergbauernarbeit zu Hause an den Nachtessenstisch zu setzen und dann ins Bett schlüpfen zu können, nimmt der Mühsal des Tages die Schwere und bestätigt zugleich alles Schöne, das man auch erlebt hat.
Ein anderes Mittel, mit den Lebensumständen zurechtzukommen, ist der Humor, der sich in der Darstellung skurriler Situationen und von Lausbubenstreichen äussert, so zum Beispiel beim unfreiwilligen Versuch, mit Wasser statt mit Benzin im Tank zu mähen, beim Forellenfischen in der Lütschine ohne Fischerpatent oder bei der Jagd der Erwachsenen auf ein von Buben freigelassenes Hausschwein.
Andreas Feuz spricht und schreibt die Mundart des Lauterbrunnentales, so wie sie heute noch lebendig ist. Neben vielen älteren Mundartelementen sind auch neuere eingestreut, vorwiegend aus dem Berndeutsch des Unterlandes angenommen. Er scheut sich auch nicht, hochdeutsche Zitate und Sprüche einzubauen. Alles entspricht der heutigen Realität und Seinsweise einer Bergmundart. Dazu gehört auch die Abwechslung: Einmal verwendet man den älteren Ausdruck, ein anderes Mal den neueren. Wenn man den neueren verwendet, heisst dies nicht, dass man den älteren vergessen hätte, nein, es hat sich einfach so ergeben, dass der neuere gerade hinpasst. Das alles macht lebendige Mundart aus.
Einige besondere Züge sollen hier erwähnt sein, vor allem, weil diese in den Mundarten des Unterlandes kaum begegnen. Da ist etwa die sogenannte «Entrundung». Die Selbstlaute ü und ö verlieren ihre runde Artikulation und werden zu i und e, zum Beispiel in Fiir (berndeutsch Füür) oder in Fehn (berndeutsch Föhn). Die Mundart tönt dadurch breiter und ein wenig behäbiger.
Ein weiterer Zug, der verschiedenen Bergmundarten eigen ist, ist die Entstehung eines Selbstlauts (e) zwischen r und n: mooren (für morn, morgen), gäären (für gärn, gerne), Horen (für Horn, Horn) usw. Dies ist möglich, weil die Nebensilben in diesen Mundarten etwas Eigengewicht haben, das hier durch den eingesetzten Selbstlaut getragen werden kann. Eine dritte sprachliche Sonderentwicklung, die auch für das Lauterbrunnental gegolten hat, ist die Weiterentwicklung der Lautfolge -nk- nach einem Selbstlaut zu -ch- unter Ausfall des -n- und Längung des Selbstlauts. Das berühmteste Beispiel ist triiche für trinke (trinken). Allerdings wird diese Sonderentwicklung seit einiger Zeit in den betreffenden Mundarten Wort für Wort rückgängig gemacht. So finden wir in den Texten dieses Büchleins neben triichen noch treichen (tränken), teichen (denken) oder Beichli (Tablar an der Wand). Andererseits lesen wir schon Anke, Gschenk, Bänkli (Sitzbank). Diese auffällige Sonderentwicklung lebt zwar noch in einzelnen
Wörtern weiter, doch ist sie nicht mehr stark genug, um eine Mundartengruppe «Höchstalemannisch» zu begründen, wie das früher so dargestellt worden ist.
Zur Mundartschreibung: Eine Schreibung kann die gesprochene Lautung nicht abbilden, nur andeuten. Je besser man die Mundart schon im Ohr hat, desto aussagekräftiger ist die Schreibung, da man vieles, was in der Schreibung nicht zum Ausdruck kommen kann, unwillkürlich ergänzt. Zum Beispiel geistert im Wort Louena (Lawine) oft noch ein w umher: Lou(w) ena, zum Teil ausgesprochen, zum Teil leicht angetippt oder sogar nur gedacht. Leicht Angetipptes könnte man in einer wissenschaftlichen Schreibweise noch sichtbar machen, bloss Gedachtes nicht einmal dort.
Was die Mundart des Lauterbrunnentales (wie andere Bergmundarten auch) kennzeichnet, ist die grosse Bedeutung des Satztons, also des Betonungsmusters über mehrere Wörter im Satz hinweg. Dabei werden oft zwei oder mehrere nebeneinander stehende Wörter lautlich angeglichen oder sogar verschmolzen, zum Beispiel hein mer zu heimmer oder han i s gmacht zu hanis gmacht. In der Schreibung werden solche Angleichungen und Verschmelzungen nicht rückgängig gemacht, jedoch mit Wortabständen versehen (hei mmer, han i s gmacht), damit sie leichter erkennbar sind.1
Auch in einem anderen wichtigen Punkt geht es um die leichtere Lesbarkeit der Mundartwörter: Lange und intensivierte Laute werden grundsätzlich durch Doppelschreibung des Buchstabens kenntlich gemacht. Um aber den Eindruck einer «finnischen» Schreibweise mit vielen Doppelbuchstaben zu vermeiden, gilt: Wo das hochsprachliche Schriftbild geläufig ist, wird es auch für das Mundartwort übernommen, zum Beispiel stossen (anstatt stoossen), gross (anstatt grooss), Tag (anstatt Taag), Mond (anstatt Moond ), Ohr (anstatt Oor), fahren (anstatt faaren). Geschriebenes ie allerdings wird in der Mundart nicht als langes i ausgesprochen, sondern als Zwielaut i-e, zum Beispiel Viertel.
Die Mundartschreibung hat eine andere Aufgabe als die hochdeutsche Rechtschreibung: Sie will nicht normieren, sondern den Zugang zum klingenden Wort möglichst erleichtern. Wir hoffen, dass dies gelungen ist.
In diesem Sinne wünschen wir dem Büchlein, dass es bei vielen Leserinnen und Lesern Anklang finden wird.
Lauterbrunnen, im April 2023
Andreas Feuz, Autor
Dr. phil. Hans Ruef, Lektor
1 Als Ausnahmefall werden Verschmelzungen des Artikels d (die) mit dem folgenden Wort aufgelöst (z. B. d Grosmueter für: Ggrosmueter), da sie in der Schrift nicht leicht durchschaubar sind.