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Louise Bamert: «Ich bin einfach ein sehr neugieriger Mensch!»

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IG Kanderdelta

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Louise Bamert am Eingang der Bibliothek. Lesen ist eine ihrer Leidenschaften – auch deshalb half sie mit, seinerzeit für den Neubau der Bibliothek zu werben. Als Vorstandsmitglied des Trägervereins erfüllt sie vielfältige Aufgaben. Privat ist sie eine eifrige Nutzerin der Bibliothek.

Louise Bamert: «Ich bin einfach ein sehr neugieriger Mensch!»

Mit ihrem grossen Wissen und Können engagiert sie sich in unzähligen Vereinen und Projekten: Louise Bamert, vor über 40 Jahren aus dem Aargau zugezogen.

In meiner jahrelangen Wahrnehmung von Louise Bamert, die ich an einem dieser warmen Tage im Mai in ihrer Wohnung im Bürgquartier besuche, bin ich wohl ein typischer Spiezer: Mal sehe ich sie an der Kasse eines Konzerts in der Kulturkapelle, mal, wenn sie einen Autor vorstellt, der in der Bibliothek liest, mal beim Einrichten eines Beamers vor einem Vortrag. Die «gmögige», gesellige Frau mit dem unüberhörbaren Aargauer Dialekt ist sehr präsent im Spiezer Kultur- und Sozialleben. Und doch spürt man, dass sie gerne im Hintergrund wirkt. Nun sitze ich in ihrer Eigentumswohnung im Bürgquartier am Stubentisch und stelle Fragen. Beim Erzählen kann sie sehr ernst, aber auch sehr unbeschwert sein, sie lacht oft laut heraus – durchaus auch über sich selbst.

Louise, ich möchte mit einem kleinen Thema in deinem Leben beginnen. Dass du dich nämlich auch als Hobby-Imkerin betätigst, wissen die wenigsten.

Ja, dabei hatte ich schon als Kind Freude «a däne Bienli»! Nach vielen Jahren Computerarbeit wollte ich einfach mehr mit den Händen arbeiten, ruhiger. Und mit den Bienen muss man wirklich ruuuhig umgehen. Meine vier Bienenvölker sind im Ruestwald, am Waldrand.

Was interessiert dich denn am Imkern so sehr?

Die Biene ist einfach ein ganz faszinierendes Lebewesen. Das Konzept, das die Bienen haben – unglaublich! Das ganze Volk macht mit. Ein Bienchen macht verschiedene Phasen durch in seinem Leben.

Welche denn?

Nach dem Schlüpfen putzt es die Waben, füttert die jungen Bienchen, bewacht das Volk – erst am Schluss seines Lebens sammelt es draussen Nektar. Das Volk zieht eine einzige junge Königin auf, die alte muss gehen. Die junge Königin paart sich draussen mit Drohnen, die danach sterben. Nach der Befruchtung legt sie jahrelang tausende Eier pro Tag! Die Biene ist das am besten erforschte Wesen. Ich könnte noch stundenlang erzählen!

«Kultur gehört zum Leben, sie ist unser Lebenselixier, Nahrung für die Seele.»

Danke, aber kommen wir zu dir! Seit 42 Jahren wohnst du in Spiez – den grösseren Teil deines Lebens. Aufgewachsen bist du im Aargau. Was hat dich geprägt?

Dass ich auf dem Land, auf einem Bauernhof aufwuchs, als ältestes von acht Kindern – in Jonen im Freiamt, einer schönen Gegend nahe an der Kantonsgrenze zu Zürich. Wir hatten nicht viel Geld, aber eine schöne Kindheit. Meine Eltern waren aus der Innerschweiz zugezogen, als sie heirateten. Es war für sie eher schwierig, im Dorf Anschluss zu finden. Mein Vater «chrampfte», ging weder in die Beiz noch zu Vereinen. Auch die Mutter arbeitete unglaublich viel. Ich frage mich manchmal, wie sie das alles managte – vom Kochen übers Waschen bis hin zum Üben von Diktaten! Wir Kinder waren ebenfalls sehr eingespannt, hatten aber auch unsere Freiheiten: Wir wohnten in einem geräumigen Bauernhaus, hatten einen Bach, in dem wir nach dem Heuen badeten und sogar schwimmen lernten, alle acht.

Und ihr Kinder hattet guten Anschluss im Dorf?

Ja, das schon. Die katholische Kirche, die Schule, die Nachbarschaft, das prägte uns und verband uns mit dem Dorf. Ich kam sehr «ring» durch die Schule, weshalb meine Geschwister, die alle nach mir zum selben Lehrer kamen, immer mit mir verglichen wurden. Das war schwierig für sie. Das ging stark von unserem Seklehrer aus. Er war Feuerwehrkommandant und hatte auch sonst viel Macht im Dorf. Niemand wagte, sich gegen ihn zu wehren.

Warst du als Älteste für deine Geschwister mitverantwortlich?

Ja, sehr. Es haben sich alle ein bisschen hinter mir versteckt. Ich war auch der Typ, der keine Angst hatte, vorauszugehen. Auch heute noch übernehme ich gerne Verantwortung. Aber so ab 12-, 13-jährig begann ich, mich ab und zu irgendwo in unserem grossen Haus zu verstecken, um stundenlang zu lesen, und hörte dann einfach nichts, wenn die Mutter rief «Louise, abwaschen!».

Das Lesen war dir wichtig?

Ja, bis heute. Schon ganz jung las ich die Schulbibliothek durch, auch nachts, bis morgens um vier. Manchmal las ich Karl May, mit der Taschenlampe unter der Decke. Vater schraubte manchmal die Sicherung raus, damit ich endlich schlafe!

Was liest du heute?

Krimis – am liebsten psychologische, nicht zu brutale. Ich finde vor allem die Frage spannend, weshalb eigentlich ein Mensch dazu kommt, einem andern etwas zu leide zu tun. Eine der besten Autorinnen ist Christine Brand. Da merkst du einfach, dass sie als Gerichtsreporterin schon viel gesehen hat. Die kann einen Krimi so aufbauen, dass er wahnsinnig spannend wird. Ich lese auch Romane, gerade den «Tell» von Joachim B. Schmidt, diesem Schweizer Autor, der in Island lebt und vor Monaten in Spiez las.

Wie findest du die Bücher, die dir entsprechen?

In der Bibliothek schaue ich oft bei den Neuerscheinungen vorbei. Der Vorteil der Bibliothek ist, dass wenn du nach sieben Seiten merkst, dass es dir nicht gefällt – dann bringst du es wieder zurück. Aber ich kaufe auch gerne Bücher im «Bücherperron».

Bei der Bibliothek bist du ja nach wie vor sehr engagiert!

Walter Zimmermann, der damalige Präsident der Bibliothek, fragte mich vor zwölf Jahren an, ob ich mithelfen würde, den Bibliotheksneubau zu bewerben. Die Bibliothek war ja damals in diesem alten Pavillon beim Gemeindehaus. Wir mussten auf die Abstimmung hin stark weibeln. Als wir mit der Genossenschaft SpiezSolar eine Solaranlage aufs Dach montierten, half ich mit, ebenso bei der Gründung des neuen Vereins aus den beiden Vereinen Bibliothek und Ludothek und bei der Umstellung des Katalogs auf Computer. Die Ludothek liegt mir auch sehr am Herzen. Ein nachhaltiges Projekt, so müssen die Eltern nicht ständig neue Spiele kaufen für ihre Kinder.

Bei Anlässen in der Bibliothek begrüsst und moderierst du oftmals…

Ja, weil mich als Vorstandsmitglied auch der Kontakt zu den Autoren interessiert, wenn wir Lesungen organisieren. Gerade vor ein paar Tagen war Franz Hohler da. Ähnlich wirke ich beim Kulturspiegel und in der neuen KulturKapelle9 mit.

Als beruhigenden Ausgleich zur Computerarbeit empfindet Louise Bamert die Arbeit mit den Bienen. Am Rand des Ruestwaldes pflegt sie vier Völker in Magazinen.

Auch für die KulturKapelle9, das neue Kulturlokal in der ehemaligen katholischen und methodistischen Kirche, engagiert sich Louise Bamert mit viel Herzblut.

Kultur ist dir wichtig.

Kultur gehört zum Leben, sie ist unser Lebenselixier, Nahrung für die Seele. Sei’s Musik, sei’s Theater – ich habe ein Abo beim Theater an der Effingerstrasse in Bern.

Wie kommt es, dass du in so vielen Vereinen mitmachst?

1980, als wir nach Spiez kamen, war dies wichtig. Da musstest du schon fast mitmachen, damit du ein bisschen «rein kommst». Auch für unsere Söhne, die in die erste bzw. dritte Klasse gingen, war der Neubeginn hier nicht so einfach. Sie mussten ja ihre Schulkollegen im Aargau zurück lassen. Ich trat dem Turnverein und einem Chor bei, um selbst möglichst viele Leute kennen zu lernen.

Dein «Grund-Optimismus», deine ansteckende Heiterkeit und Unkompliziertheit kommen gut an…

Das ist so, auch meine Mutter war so. Sie hatte einfach eine positive Lebenseinstellung. Sie sagte immer – auch wenn etwas schief lief: «Vielleicht ist es ja gut für irgend etwas.» Das habe ich ein bisschen übernommen. Ich bewundere sie sowieso! (weist auf ein altes Foto ihrer Eltern an der Wand) Sie meisterte das Leben wirklich mit dieser grossen Familie. Sie strickte beispielsweise die Strumpfhosen für uns Kinder selbst, mit einer Strickmaschine. Dabei musste sie alles ausrechnen, um das Muster hinzubekommen, eine Wahnsinnsleistung für eine Frau mit acht Kindern, die oft aufs Feld musste, einen grossen Haushalt führte. Es war unglaublich, was die Frauen jener Generation leisteten.

Mit deinem Mann Hans bist du nicht mehr zusammen, du lebst alleine in dieser Wohnung.

Hans und ich haben uns in gutem Einvernehmen 1997 scheiden lassen, auf seinen Wunsch. Heute freuen wir uns an Diego, dem Sohn von Othmar und seiner Partnerin Martina.

Ein Jahr nach der Scheidung gingst du schon auf Reisen.

Schon vorher war ich ab und zu alleine unterwegs. 1998, mit 50, fuhr ich mit einem Mietauto durch Kalifornien. Ich war vier Wochen unterwegs, dem Pazifik entlang an die mexikanische Grenze, nach Phoenix hinauf, zum Bruder, der dort lebt. Ich denke noch heute oft daran zurück. Es ist so eindrücklich, wenn du alleine unterwegs bist. Niemand lenkt dich ab! Später war ich auch oft in Europa unterwegs, mit einem eigenen Camper. Ich fuhr nach Dänemark, um Jütland herum, nach Griechenland, Frankreich, Italien. Auch in der Schweiz war ich oft, im Jura, auf dem schönen Campingplatz von Saignelégier. Nun lebe ich ein bisschen von den Erinnerungen. Ich muss nicht unbedingt nochmals hin reisen.

«Ich war auch der Typ, der keine Angst hatte, vorauszugehen. Auch heute noch übernehme ich gerne Verantwortung.»

Du warst Telegrafistin und Telefonistin, wechseltest dann ins grafische Gewerbe. Du kennst dich aus mit Technologien, Grafik-Programmen, insbesondere für Mac. Wie schaffst du es, da immer auf dem Laufenden zu sein?

Ich bin einfach ein sehr neugieriger Mensch. Als sich in der grafischen Branche die ganze Entwicklung anbahnte, mit Fotosatz, Mac usw. – das war so etwas von spannend. Ich muss da eine Begabung haben, das alles schnell zu begreifen. So bildete ich mich «on the job» zur Polygrafin aus. Aber, wenn ich etwas herausgefunden hatte, teilte ich es sofort mit den andern. Ich konnte es immer gut mit allen.

Du gestaltest und betreust auch Webseiten. Sicher bist du auch in den sozialen Medien unterwegs.

Nein. Ich bin weder auf Twitter noch Instagram, Facebook, LinkedIn oder Ähnlichem aktiv. Ich bin einfach angemeldet, damit ich reinschauen kann, etwa wenn ein Sohn wieder etwas postet. Die neuen Medien werden dermassen oft missbraucht! Natürlich sind sie zugleich ein Segen, ich sehe es bei meiner Schwester, die schwer krank ist. Sie kommuniziert oft über WhatsApp.

Wie gehst du mit den gegenwärtig düster scheinenden Welt-Perspektiven um? Corona, Ukraine-Krieg, Klimaerwärmung und anderes…

Ja… da bin ich schon nicht mehr so optimistisch. Ich hoffe einfach, dass die nächsten Generationen diese Probleme in den Griff bekommen. Wir hinterlassen ihnen keine einfache Welt. Ich fühle mich auch ein bisschen verantwortlich dafür. Wir haben nun die Zeit erlebt, in der es einfach immer «obsi» gegangen ist. Künftig kann man nicht einfach weiter drauflos produzieren, mit viel Abfall usw. All die globalen Abhängigkeiten muss man vermeiden, das spüren wir jetzt. Ich bin überzeugt, dass man auch auf einem tieferen Niveau, als wir es jetzt haben, glücklich sein kann.

Du bist Familienfrau und seit sieben Jahren Grossmutter. Was bedeutet dir die Familie?

Die Familie ist für mich wirklich das Allerwichtigste. Ich habe einen guten Draht zu meinen Söhnen. Seit sechseinhalb Jahren hüte ich nun mein Grosskind Diego regelmässig in Zürich-Oerlikon. Lustig, ich habe ja die «Stifti» in Zürich gemacht. Der Kreis schliesst sich. Zürich bietet sehr viel für junge Familien, es ist sehr lebenswert!

Unsere erste Standardfrage: Was gefällt dir besonders an Spiez?

Die Lebensqualität, das Licht, der Niesen, der See. Das Höchste für mich ist, vom Schattebedli aus in den See hinaus zu schwimmen, so weit, wie’s geht. Spiez ist von der Grösse her gut, man kennt sich. Man ist wohlwollend bei der Gemeinde, auch das Spiez Marketing arbeitet sehr gut. Es läuft wirklich sehr vieles sehr gut. Und unbedingt erwähnen muss ich die Riesenchance, die wir nun haben mit dieser KulturKapelle9! Wenn wir diese Chance nicht nutzen, ist sie vorbei.

Und die zweite: Was würdest du ändern in Spiez, wenn du wünschen dürftest?

Man sollte Inseln schaffen, wo man sich einfach aufhalten kann – ein Dorfzentrum! Eine Möglichkeit bietet sich an der Bahnhofstrasse, mit dieser Terrasse. Vielleicht könnte man sie noch etwas ausbauen.

Interview und Fotos: Jürg Alder

Ältestes von acht Bauernkindern im Aargau

Man kennt sie von der Bibliothek und der Ludothek, vom Kulturspiegel, dem Turnverein, dem Dorfhus, der Alterskommission, SpiezSolar und vielen andern Vereinigungen. Manche liessen ihre Website von ihr aufbauen – von Louise Bamert. Aufgewachsen ist die 1948 Geborene in einer katholisch geprägten Bauernfamilie im aargauischen Jonen im Freiamt als ältestes von vier Mädchen und vier Knaben. Eine Schwester und ein Bruder starben als junge Erwachsene bei Unfällen. Louise lernte Telegrafistin und Telefonistin, bildete sich später weiter im grafischen Gewerbe und in der Informatik, arbeitete in Werbeagenturen, Litho-Betrieben, Druckereien und Verlagen.1969 heiratete sie den SBB-Stationsbeamten Hans Bamert. Die Familie mit ihren Söhnen Bernhard und Othmar wohnte in Wettingen und Fislisbach. Als Hans Bamert eine Stelle bei der SBB-Verwaltung in Bern fand, zog die Familie 1980 in ein eigenes Haus nach Spiez. Bernhard wurde Grafiker und Musiker, Othmar studierte Betriebswirtschaft. 1997 liessen sich Hans und Louise scheiden, «in gutem Einvernehmen», wie Louise betont. Vor ihrer Pensionierung 2012 war sie bei der Weber Verlag AG im Gwatt tätig. Sie engagierte sich in zahlreichen Projekten, unter anderem im Claro-Laden und im Verein Bibliothek und Ludothek Spiez, insbesondere für den 2014 realisierten Neubau. 2012 bis und mit 2015 vertrat sie das Freie Spiez (FS) im Grossen Gemeinderat (GGR). In ihrer Freizeit liest Louise sehr gerne, vor allem Krimis und Romane. Alleine unternahm sie zahlreiche CamperReisen nach Dänemark, Frankreich, Griechenland und Italien, sie besuchte auch ihren Bruder in den USA. Louise geniesst es sehr, als Grossmutter regelmässig den siebenjährigen Diego in Zürich zu hüten.

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