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Kolumne
from BI September 2018
by WEBER VERLAG
Eine gravierende Prägung
Eine sichtbare Gravur oder eine seelische Prägung?
Was sich poetisch oder gar religiös anhört ist eine alltägliche Tatsache. Jeder von uns wird in seinem Leben von verschiedenen Seiten geprägt. Sei dies im Kindesalter durch die Eltern und das Umfeld sowie später durch weitere klassische Vorbilder. Spuren hinterlassen jedoch nicht nur Personen, mindestens so prägend können Erlebnisse sein. Schöne Geschehnisse wie eine Hochzeit und Geburt oder aber die tragische Konfrontation mit dem Tod zum Beispiel.
Die Prägungen sind entgegen einer Münze bei uns Menschen sehr individuell, wenn nicht sogar einmalig. Auch wenn Geschwister in jungen Jahren ähnlichem Einfluss unterstellt sind, wird sich die Einwirkung von aussen im Jugendalter differenzieren. Dabei gibt es so unglaublich viele, die im weitesten Sinne bei jemandem ein seelisches Tattoo hinterlassen. Ob sich alle dessen bewusst sind, bleibt fraglich.
Ursi Kohler-Wolf Därligen
Der Titel und / oder die Berufung einer Personen kann vordergründig für das Mass an Einfluss entscheidend sein. Blickt man hingegen hinter die Fassade, so ist zum Beispiel ein Lehrer nicht zwangsläufig ein einflussreicher Pädagoge. Genau hingeschaut ist vielmehr die Persönlichkeit massgebend. Ich zum Beispiel hätte lange Zeit über mich gesagt, dass ein Pfarrer auf mich wenig Einfluss hat. Da wird nun einigen von Ihnen vielleicht der Atem stocken. Ich bin aber weder aus der Kirche ausgetreten noch besuche ich sie regelmässig. Was aber auf mich zutrifft ist, dass ich von Menschen an und für sich begeisterungsfähig bin. Der Pfarrer unserer Dorf-Gemeinde begeistert mich mit seiner offenen Art und seinem weiten Horizont. Er ist ein Mensch wie du und ich, scheint rare Kirchenbesucher wie mich nicht weniger ernst zu nehmen. Nein, im Gegenteil! Er weiss es, für jedermann eine Ansprechperson in verschiedenen Lebenslagen zu sein. Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Ist es nicht genau das, was unsere Gesellschaft vermehrt braucht? Vorbilder und Respektspersonen, die das Gegenüber als Individuum ernst nehmen!?
Was macht Herr Pfarrer wohl anders oder besser? Ich wage zu behaupten,
dass der religiöse Einfluss für ihn nicht im Vordergrund steht. Er spricht dieselbe Sprache wie diejenigen, welche ihm zuhören und damit meine ich nicht unzählige Textreihen aus der Bibel, sondern vielmehr «einen Schwank aus dem Leben von dir und mir». Zudem weiss er solche Lebenssituationen mit Bildmetaphern zu unterlegen. Man hört ihm einfach gerne zu. Und interessanterweise sind die seltenen Kirchenbesucher speziell begeistert. Ob es wohl daran liegt, dass er das etwas verstaubte Image vom herkömmlichen Dorfpfarrer widerlegt? Ich wünsche mir, dass solche Personen uns stärker beeinflussen als Machtpersonen. Denn Macht scheint mir ein schlechter und kurzlebiger Einfluss zu sein.
Und plötzlich steht man auf der Seite gegenüber. Was war an den einflussreichen Persönlichkeiten aus meinem Umfeld so speziell? Welche Eckpunkte möchte ich unbedingt weitergeben? Unzählige Fragen tauchen auf, wenn man plötzlich auf der prägenden Seite steht. Antworten gibt es nicht annähernd so viele. Eines scheint mir aber so wichtig, dass vieles in den Hintergrund rückt: Sei dir und deiner Lebenseinstellung treu – denn das wird wohl der Grund sein, warum dich jemand zum Vorbild gewählt hat. Und ein Idol ist nicht fehlerfrei, aber stark, wenn es gewillt ist aus Fehlern zu lernen!