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Kolumne

Arbeiten in der Hotellerie

Eine Branche, die den Angestellten viel abverlangt. Geduld, Nerven aus Stahl und vor allem viel Herzblut.

Es gibt das Sprichwort: Wer nichts wird, wird Wirt. Nun, dieses Sprichwort hat nichts mit der Realität zu tun. Klar, es gibt viele Leute die versuchen einen weiteren durchschnittlichen, Gastrobetrieb zu eröffnen, aber wohl nur die wenigsten ohne ausgereiftes Konzept und Hintergrundwissen schaffen es, ein Restaurant oder Hotel am Leben zu erhalten. Ich sage lieber, wer nichts wird, wird Versicherungsberater. Aber hier widerspricht mir sicherlich jeder Versicherungsberater. Zurück zum Thema, werfen wir doch erstmal einen Blick auf die Arbeitsbedingungen in der Hotellerie; bescheidene Bezahlung, gewöhnungsbedürftige Arbeitszeiten und vor allem, die sehr anspruchsvollen Gäste. Ich selbst arbeite seit sieben Jahren an der Rezeption und habe schon einige Hotelbetriebe gesehen und auch schon ziemlich viel erlebt.

Tina Heiniger Thun

Gerne bringe ich Ihnen den Alltag in dieser Branche in den folgenden Zeilen ein wenig näher.

Als Angestellte in der Hotellerie ist man tagtäglich den Launen der Gäste ausgesetzt. Berechtigterweise erwarten Sie, dass man lächelt und zwar am besten 12 Stunden lang. Schliesslich zahlen Sie viel Geld um sich bei uns zu erholen. Ein guter Angestellter sollte jeden Wunsch von den Augen eines Gastes ablesen und jedem Individuum sollte 100% seiner Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wehe man konzentriert sich nur ein paar Minuten auf die Arbeit an seinem Computer, schon heisst es auf Tripadivosr: «Das Personal war nicht herzlich und schenkte den Gästen zu wenig Aufmerksamkeit»

Das Problem ist, dass jeder Gast das Gefühl hat, die Welt drehe sich nur um ihn. Selbstverständlich höre ich mir gerne stundenlang die privaten Probleme von Frau Muster an und kümmere mich im selben Moment darum, dass die Küche die speziellen Ernährungsgewohnheiten von Herrn Müller beachtet. Selbiger teilt einem bei der Anreise mit, dass er am Abend dann gerne vegan essen würde und Gluten und

«Gastfreundschaft ist die Kunst seine Besucher zum Bleiben zu veranlassen, ohne sie am Aufbruch zu hindern.»

Laktose auch nicht vertrage. Aha, selbstverständlich setzten wir jeden Wunsch um, kein Problem, niemals! In unserer Branche gibt es sowieso keine Probleme. Alles kann irgendwie umgesetzt werden und zwar schnell!

Neulich fegte der Sturm Burglind über die Schweiz und unser Betrieb hatte für sagenhafte vier Stunden keinen Strom mehr. Liebe Leser, vier Stunden! Ein Super Gau für jedes Hotel. Empörte Gäste mussten das Spa verlassen und echauffierten sich, dass die Sauna nicht mehr funktionierte… Selbstverständlich war das Hotelteam schuld daran, dass dieser Sturm uns nicht verschonte. Es gab sogar einige Gäste, die abreisen wollten und als wir Ihnen mitteilten, dass sie für Ihre erste Übernachtung trotzdem etwas bezahlen mussten, reagierten sie verständnislos.

Sie, das haben wir aber nicht gebucht, meinten sie wütend! Ich dachte mir nur so, ach was? Wir haben gedacht, ein wenig romantisches Kerzenlicht wäre genau das Richtige, um ein wenig zu entschleunigen.

Um eins klarzustellen: Die Dienstleistungsbereitschaft ist das A- und O in der Schweizer Hotellerie und es braucht eine Menge Herzblut. Unsere Preise können niemals so tief sein wie diese in Österreich. Wenn das Personal nicht gewillt ist, einen guten Job zu machen, kann der Betrieb seine Türen gleich schliessen. Wenn ein Schweizer Hotel sich nicht durch Herzlichkeit, hohe Qualität und den Willen, etwas Besonderes zu Leisten auszeichnet, können wir den potentiellen Gästen bereits am Telefon mitteilen, dass Sie Ihren Wellnessurlaub doch im Schwarzwald buchen sollen. Doch wenn man ein guter Gastgeber sein will, braucht es ein ziemlich dickes Fell. Deshalb wünsche ich mir von zukünftigen Gästen nur eins. Ein wenig mehr Geduld und Verständnis. Weil es gibt immer noch viele Menschen, welche versuchen, Ihren Urlaub zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen und ich bin eine von ihnen. Denn trotz allen Schwierigkeiten, arbeite ich viel lieber in der Hotellerie als, als Versicherungsberater.

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