Programmheft Gastspiel »Barocchissimo«

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BAROC- CHISSIMO


INHALT

S.

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GRUSSWORT KS CECILIA BARTOLI S.

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GIULIO CESARE DIE HANDLUNG S.

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GIULIO CESARE SYNOPSIS S.

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THEIR MASTER’S VOICE DIE HANDLUNG S.

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THEIR MASTER’S VOICE SYNOPSIS S.

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MUSIK, DIE BERÜHRT GESPRÄCH MIT KS CECILIA BARTOLI S.

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DER SHAKESPEARE DER MUSIK INTERVIEW MIT DEM DIRIGENTEN GIANLUCA CAPUANO S.

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EINE BAROCKE STILKUNDE IN VIER SZENEN ANDREAS GAMERITH

S.

48

ÜBER GEORG FRIEDRICH HÄNDEL OLIVER LÁNG S.

52

WIE HÄNDELS GIULIO CESARE IN EGITTO ENTSTAND OLIVER LÁNG S.

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AVE CAESAR ADRIAN MOURBY S.

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WARUM SAMMELT MAN AUTOGRAMME? ELISABETH THERESIA HILSCHER S.

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FÜNF FRAGEN AN JOHN MALKOVICH S.

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MÄNNER ALS AMMEN – FRAUEN ALS LIEBHABER KORDULA KNAUS S.

82

VIRTUOSE GESANGSKUNST IN DER OPER DES 18. JAHRHUNDERTS ARNOLD JACOBSHAGEN S.

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IMPRESSUM


BAROCKE OPER MUSS JA EIN SPEKTAKEL SEIN! KS CECILIA BARTOLI


BAROCCHISSIMO GASTSPIEL DER OPÉRA DE MONTE-CARLO

GIULIO CESARE IN EGITTO 6. 8. 9. JULI 2024

THEIR MASTER’S VOICE 10. JULI 2024

FARINELLI & FRIENDS GALAKONZERT 11. JULI 2024




GEORG FRIEDRICH HÄNDEL

GIULIO CESARE IN EGITTO DRAMMA PER MUSICA in drei Akten Text NICOLA FRANCESCO HAYM nach GIACOMO FRANCESCO BUSSANI Musikalische Leitung GIANLUCA CAPUANO Inszenierung DAVIDE LIVERMORE Bühne GIÒ FORMA Kostüme MARIANNA FRACASSO Licht ANTONIO CASTRO Video DWOK Giulio Cesare Cleopatra Tolomeo Cornelia Sesto Achilla Nireno Curio

CARLO VISTOLI CECILIA BARTOLI MAX EMANUEL CENČIĆ SARA MINGARDO KANGMIN JUSTIN KIM PÉTER KÁLMÁN FEDERICA SPATOLA LUCA VIANELLO

ORCHESTERBESETZUNG 2 Flöten / 2 Blockflöten / 2 Oboen / 2 Fagotte / 4 Hörner / 1 Trompete / 2 Cembali / 1 Orgel 1 Harfe / Schlagwerk / 1 Viola da gamba / 2 Theorben / Violine I / Violine II / Viola Violoncello / Kontrabass LES MUSICIENS DU PRINCE – MONACO CHŒUR DE L’OPÉRA DE MONTE-CARLO Koproduktion mit dem OPERNHAUS ZÜRICH

URAUFFÜHRUNG 20. FEBRUAR 1724 King’s Theatre, London ERSTAUFFÜHRUNG IM HAUS AM RING 3. MAI 1928 Wiener Staatsoper SPIELDAUER

3H 40MIN

INKL. 1 PAUSE

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THEIR MASTER’S VOICE Ein GENDER-DUELL zwischen JOHN MALKOVICH und CECILIA BARTOLI Text MICHAEL STURMINGER

Musikalische Leitung GIANLUCA CAPUANO Buch & Inszenierung MICHAEL STURMINGER Bühne & Kostüme RENATE MARTIN & ANDREAS DONHAUSER Mit CECILIA BARTOLI JOHN MALKOVICH EMILY COX PHILIPP MATHMANN ORCHESTERBESETZUNG 1 Flöte / 1 Oboe / 1 Fagott / 1 Trompete / 2 Cembali / 1 Orgel / Schlagwerk / 2 Theorben Violine I / Violine II / Viola / Violoncello / Kontrabass LES MUSICIENS DU PRINCE – MONACO CHŒUR DE L’OPÉRA DE MONTE-CARLO

URAUFFÜHRUNG 7. April 2024, Monte-Carlo ERSTAUFFÜHRUNG IM HAUS AM RING 10. JULI 2024 Wiener Staatsoper SPIELDAUER

1H 50M

KEINE PAUSE

Auf den Monitoren der Untertitelanlage wird während der Vorstellung der englische Text komplett wiedergegeben, in der deutschen Übersetzung sehen Sie eine inhaltlich komprimierte Fassung.


GA L A KONZERT

FARINELLI & FRIENDS Musikalische Leitung GIANLUCA CAPUANO

Mit CECILIA BARTOLI VARDUHI ABRAHAMYAN JULIE FUCHS ANN HALLENBERG SARA MINGARDO REGULA MÜHLEMANN ANNE SOFIE VON OTTER MAX EMANUEL CENČIĆ BRUNO DE SÁ PÉTER KÁLMÁN KANGMIN JUSTIN KIM MAXIM MIRONOV ROLANDO VILLAZÓN CARLO VISTOLI LES MUSICIENS DU PRINCE – MONACO

PROGRAMM

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Augelletti che cantate« aus Rinaldo

CECILIA BARTOLI

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Scherzano sul tuo volto« aus Rinaldo

CECILIA BARTOLI CARLO VISTOLI

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »O lord whose mercies numberless« aus Saul

SARA MINGARDO

AN TONIO VIVALDI »S’egli è ver che la sua rota« aus La fida ninfa REGULA MÜHLEMANN ANN HALLENBERG MAXIM MIRONOV JOHANN ADOLPH HASSE »Vede orgogliosa l’onda« aus L’innocenza giustificata MAXIM MIRONOV NICCOLÒ PICCINNI »Furie di donna irata« aus La buona figliola GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Furibondo spira il vento« aus Partenope

BRUNO DE SÁ

CARLO VISTOLI

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GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Will the sun forget to streak« aus Solomon

ANNE SOFIE VON OTTER

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Tornami a vagheggiar« aus Alcina

JULIE FUCHS

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Lascia la spina« aus Il trionfo del tempo e del disinganno

CECILIA BARTOLI

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Pensa a chi geme d’amor piagata« aus Alcina

PÉTER KÁLMÁN

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Crude furie« aus Serse

ANN HALLENBERG

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »O lovely peace« aus Judas Maccabeus

ANNE SOFIE VON OTTER JULIE FUCHS

PAUSE GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Morte di Bajazet« aus Tamerlano

ROLANDO VILLAZÓN

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Se bramate d’amar« aus Serse

KANGMIN JUSTIN KIM

AN TONIO VIVALDI »Vedrò con mio diletto« aus Giustino

VARDUHI ABRAHAMYAN

AN TONIO VIVALDI »Anima mia, mio ben« aus La verità in cimento CARLO VISTOLI REGULA MÜHLEMANN VARDUHI ABRAHAMYAN SARA MINGARDO ROLANDO VILLAZÓN CARL HEINRICH GRAUN »Tra le procelle assorto« aus Cesare e Cleopatra

REGULA MÜHLEMANN

NICOLA ANTONIO PORPORA »Quando si oscura il Cielo« aus Carlo il calvo

MAX EMANUEL CENČIĆ

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL »Sa trionfar ognor« aus Ariodante

GESAMTES ENSEMBLE

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GRUSSWORT

Liebes Wiener Publikum!

Schon ist es zwei Jahre her, im Sommer 2022, als wir – das heißt das Ensemble der Opéra de Monte-Carlo – an der Wiener Staatsoper für Furore gesorgt hatten. Eine ganze Woche lang entfachten wir mit »Rossini Mania« das Rossini-Fieber von Neuem, welches Wien genau 200 Jahre früher ergriffen hatte: wir erinnern uns an fünf ausverkaufte Vorstellungen, standing Ovations, Titelseiten von Tageszeitungen, virale Social Media Clips und endlose Applaussalven! Die Opéra de Monte-Carlo ist ein geschichtsträchtiges Haus (so wurden bei uns unter anderem Puccinis Rondine, Massenets Don Quichotte und Berlioz’ Damnation de Faust, sowie Ravels Enfant et les sortilèges uraufgeführt), und wir sind außerordentlich stolz, dass sich in den letzten zwei Jahren eine tolle Partnerschaft zwischen uns und der Wiener Staatsoper entwickelt hat. So wird im Jänner 2025 auch die Staatsoper zum zweiten Mal bei uns an der Côte d’Azur zu Gast sein. »Barocchissimo« heißt unser heuriges Gastspiel. Zusammen mit den »Musiciens du Prince – Monaco«, unserem Orchester auf historischen Instrumenten, wollen wir Ihnen die betörend schöne Welt des Barock näherbringen: mit der großartigen Oper von Georg Friedrich Händel, Giulio Cesare in Egitto, dem halbszenischen Pasticcio Their Master’s Voice mit John Malkovich und einem Gala-Abend mit vielen Freunden, den wir dem berühmten Kastraten Farinelli widmen. Lassen Sie sich mitreißen von virtuosen Koloraturen, zutiefst berührenden Melodien, einem farbenreichen Orchester, hochmodernen, state-ofthe-art Inszenierungen, einem eingeschworenen Team und begeisterten Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne!

Wir freuen uns sehr auf Sie! Herzlich, Ihre

Cecilia Bartoli Direktorin Opéra de Monte-Carlo Seite 2/3: KS CECILIA BARTOLI als CLEOPATRA in GIULIO CESARE Rechte Seite: KS CECILIA BARTOLI Foto OMC – FABRICE DEMESSENCE



DIE HANDLUNG GIULIO CESARE Die Handlung spielt in Ägypten, in Alexandria. AKT 1 Cesare verfolgt Pompeo, nachdem er ihn bei Pharsalos in Griechenland besiegt hat, und wird bei seiner Ankunft im Hafen von Alexandria von der ägyptischen Bevölkerung bejubelt. Auf Bitten von Pompeos Frau Cornelia und dessen Sohn Sesto willigt er ein, dem Verlierer gegenüber Gnade walten zu lassen, als der General Achilla, der Berater von Tolomeo, eintrifft. Um den guten Willen seines Herrn gegenüber Cesare zu bezeugen, überreicht er ihm den abgetrennten Kopf des Pompeo. Cornelia fällt in Ohnmacht, und der entsetzte Cesare verurteilt vor Achilla die Grausamkeit des Tolomeo. Die verzweifelte Cornelia wird von Sesto unterstützt, der verkündet, dass er den Tod seines Vaters rächen wird. In ihren Gemächern erfährt Cleopatra von Nireno, dass Pompeo tot ist und wie Cesare darauf reagiert hat. Sie beschließt ihn aufzusuchen, um ihn als Verbündeten gegen ihren Bruder Tolomeo zu gewinnen. Achilla schlägt Tolomeo vor, Cesare zu töten und fordert dafür Cornelia zur Frau. In seinem Lager sinniert Cesare über der Asche des Pompeo. Der Tribun Curio verkündet die Ankunft von Lydia (Cleopatra in der Verkleidung einer Dienerin). Sie bittet Cesare um Hilfe gegen Tolomeo, der ihre Herrin Cleopatra bestiehlt. Von ihrer

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DIE HANDLUNG GIULIO CESARE IN EGITTO

Schönheit überwältigt, verspricht Cesare, ihr zu helfen. Cornelia erscheint und bekundet ihren Wunsch, Pompeo zu rächen. Sesto unterbricht seine Mutter: die Rache wird er vollziehen. Lydia (Cleopatra) bietet ihre Hilfe an. Tolomeo begrüßt Cesare sehr höflich, aber Cesare misstraut ihm. Achilla stellt Cornelia und Sesto vor; Tolomeo lässt sie festnehmen. Achilla bietet Cornelia seine Hilfe im Tausch für ihre Liebe an, wird aber abgewiesen. Sie wird in den Harem gebracht und Sesto ins Gefängnis.

AKT 2 Lydia (Cleopatra) hat für Unterhaltung gesorgt, um Cesare zu verführen. Sie erscheint als Tugend verkleidet… Cesare ist bezaubert und bittet sie um ein Treffen. Im Garten des Harems beklagt Cornelia ihre missliche Lage, weigert sich jedoch, den wiederholten Avancen des Achilla nachzugeben. Sie beschwert sich wegen seiner Beharrlichkeit bei Tolomeo, der sie seinerseits zu verführen versucht. Sie hegt Selbstmordgedanken, aber Sesto hindert sie daran und gelobt Tolomeo zu töten. Lydia (Cleopatra) erwartet Cesare beim Brunnen. Er kommt und spricht zu ihr von Liebe. Curio dringt plötzlich ein; Tolomeos Männer umringen Cesare. Cleopatra enthüllt ihre Identität und versucht vergeblich, die Männer ihres Bruders aufzuhalten. Sie bittet Cesare inständig zu fliehen. Zunächst weigert er sich, doch dann eilt er mit Curio davon. Die verlassene Cleopatra beweint ihr Unglück.

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DIE HANDLUNG GIULIO CESARE IN EGITTO

AKT 3 Achilla informiert Tolomeo, dass Cesare und Curio entkommen sind, indem sie sich in den Hafen gestürzt haben und ertrunken sind, und dass Cleopatra mit den Römern gemeinsame Sache gemacht hat. Da Cesare tot ist, fordert er abermals Cornelias Hand. Tolomeo lehnt ab. In seiner Wut beschließt Achilla, sich mit Cleopatra zu verbünden. In einem Wald nahe Alexandria werden die Krieger Cleopatras von der Armee des Tolomeo besiegt. Cleopatra wird von ihrem Bruder eingesperrt und lässt ihrem Kummer freien Lauf; Cornelia und Sesto sind in der Gewalt von Tolomeo, Cesare ist wahrscheinlich tot. Cesare kommt am Flussufer wieder zu Bewusstsein. Sesto und Nireno suchen nach Tolomeo und finden Achilla, der tödlich verwundet ist. Vor seinem Tod gesteht er, dass er Pompeo ermordet hat und Cesare ermorden wollte. Er enthüllt auch, wie er sich gegen Tolomeo gewandt hatte, als ihm dieser die Hand Cornelias verweigerte. Er gibt Sesto ein Siegel, mit dessen Hilfe seine Männer ihn erkennen und in den Palast lassen sollen, damit er den Tyrannen töten kann. Cesare erscheint, ergreift das Siegel und gibt sich zu erkennen. Gemeinsam mit Nireno bricht er auf, um Cleopatra zu retten. Sesto schöpft Hoffnung, als seine Rache in greifbare Nähe rückt. Die eingekerkerte Cleopatra bittet ihre Gefolgsleute zu fliehen, bevor Tolomeo sie töten kann. Als sie den Klang von Waffen vernimmt, glaubt Cleopatra, dass ihr Ende nahe ist. Aber es ist Cesare, der mit dem Schwert in der Hand eintritt. Die befreite Cleopatra legt ihre Rüstung an. Cornelia, von Tolomeo bedrängt, versucht zu entkommen. Sesto erscheint plötzlich und tötet den Tyrannen mit dem Schwert seines Vaters. Im Hafen von Alexandria finden Vorbereitungen für die triumphale Siegesfeier von Cesare und Cleopatra statt. Cesare belohnt seine Verbündeten und krönt Cleopatra mit der ägyptischen Krone. Die Ägypter frohlocken gemeinsam mit ihnen, weil der Frieden wiederhergestellt ist.

KANGMIN JUSTIN KIM (rechts) als SESTO in GIULIO CESARE

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SYNOPSIS GIULIO CESARE The action takes place in Egypt, in Alexandria. ACT 1 Caesar is pursuing Pompy after defeating him at Pharsale in Greece, and on arrival at the port of Alexandria, is hailed by the Egyptian people. At the request of Pompy’s wife, Cornelia and their son, Sextus, he agrees to show clemency to the loser when the general Achilla, Ptolemy’s adviser, arrives. In order to attest his master’s friendliness towards Caesar, he hands him Pompy’s severed head. Cornelia swoons and Caesar, horrified, denounces Ptolemy’s cruelty in front of Achilla. Cornelia, in despair, is joined by Sextus who declares he will avenge his father’s death. In her apartments, Cleopatra hears from Nireno that Pompy is dead and of Caesar’s reaction. She decides to visit him so as to win him as an ally against her brother, Ptolemy. Achilla proposes to Ptolemy that he kill Caesar in exchange for Cornelia’s hand. In his camp, Caesar muses on Pompy’s ashes. Curio, the tribune, announces the arrival of Lydia (Cleopatra disguised as a servant). She asks Caesar for help against Ptolemy who steals from her mistress, Cleopatra. Overcome by her beauty, Caesar promises to help her, after having met Ptolemy. Cornelia arrives and manifests her desire to avenge Pompy. Sextus stops his mother: he will carry out the vengeance. Lydia (Cleopatra) offers to help them.

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SYNOPSIS GIULIO CESARE IN EGITTO

Ptolemy welcomes Caesar with much diplomacy, but Caesar mistrusts him. Achilla introduces Cornelia and Sextus: Ptolemy has them arrested. Achilla offers to help Cornelia in exchange for her love, but he is rejected. She is sent to the harem and Sextus to prison.

ACT 2 Lydia (Cleopatra) has organised entertainment to seduce Caesar. She appears to him dressed up as Virtue… Caesar, captivated, asks to meet her. In the garden of the harem, Cornelia laments her plight but refuses to yield to Achilla’s repeated advances. She complains of his insistence to Ptolemy, who in turn tries to seduce her. She contemplates killing herself but Sextus prevents her and vows to kill Ptolemy. Lydia (Cleopatra) awaits Caesar by the fountain. He enters and talks to her of love. Curio breaks in suddenly: Ptolemy’s men surround Caesar. Cleopatra then reveals her identity and tries in vain to stop her brother’s men. She implores Caesar to flee. He first refuses but then leaves with Curio. Cleopatra, abandoned, cries over her misfortune.

ACT 3 Achilla informs Ptolemy that Caesar and Curio have escaped by throwing themselves into the port and have drowned, and that Cleopatra has sided with the Romans. Caesar being dead, he again requests Cornelia’s hand. Ptolemy refuses. Achilla, furious, decides to join forces with Cleopatra. In a wood near Alexandria, Cleopatra’s warriors are defeated by Ptolemy’s army. Cleopatra, emprisoned by her brother, gives vent to her grief: Cornelia and Sextus are at Ptolemy’s mercy, Caesar is probably dead.

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SYNOPSIS GIULIO CESARE IN EGITTO

Caesar regains consciousness on the riverbank. Sextus and Nireno search for Ptolemy and find Achilla, mortally wounded. Before dying, the latter confesses that he murdered Pompy and wished to assassinate Caesar. He also reveals how he turned against Ptolemy when he refused him Cornelia’s hand. He offers Sextus a seal by which his men will recognise him and allow him to enter into the palace to kill the tyrant. Caesar appears, snatches the seal and reveals his identity. With Nireno, he leaves to rescue Cleopatra. Sextus regains hope as he sees vengeance in sight. In prison, Cleopatra begs her followers to flee before Ptolemy arrives to kill them. Upon hearing the clatter of weapons, Cleopatra thinks her end is nigh. But it is Caesar who enters, sword in hand. Cleopatra, now free, dons her armour. Cornelia is importuned by Ptolemy and tries to escape. Sextus arrives suddenly and kills the tyrant with his father’s sword. At the port in Alexandria, triumphal celebrations for Caesar and Cleopatra are being prepared. Caesar recompenses his allies and crowns Cleopatra with the Egyptian crown. The Egyptians join them to rejoice in the return of peace.

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CARLO VISTOLI als CESARE in GIULIO CESARE


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DIE HANDLUNG THEIR MASTER’S VOICE Der Vorhang öffnet sich zur ersten Bühnenprobe eines neuen Opernprojekts – in diesem Fall zu einem recht unkonventionellen Pasticcio, erdacht von einem amerikanischen Countertenor im Ruhestand namens Jeffrey Himmelhoch zu Ehren seines lebenslangen Idols, des berühmten Kastraten Farinelli, Superstar des 18. Jahrhunderts. Während der Probe, die von der jungen Regisseurin Rosie Blackwell geleitet wird, ist Jeff ständig unglücklich über die Umstände und beklagt sich über die vom einladenden Opernhaus vorgegebenen Produktionsbedingungen, da er als Weltstar in den Achtziger- und Neunzigerjahren schon viel bessere Zeiten erlebt hat.

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DIE HANDLUNG THEIR MASTER’S VOICE

Während Jeff versucht, die schönsten Musikstücke der barocken Operngeschichte mit der persönlichen tragischen, heroischen und einzigartigen Geschichte seines singenden Idols Farinelli zu kombinieren, versucht Rosie in diesem Kontext aktuelle Fragen über Geschlecht und Identität aufzuwerfen, indem sie darauf hinweist, dass »Kunst kein Geschlecht hat!«. Für seine Show hat Jeff einen jungen Countertenor namens Lukas Dahlberg eingeladen, um das Leben des jungen Kastraten darzustellen, sucht aber auch aussichtslos nach einem Mezzo­ sopran mit einer Stimme, die hoch genug ist, um Farinellis Stimmumfang zu entsprechen. Da sich solche Stimmen nur mit Hilfe von Wundern aufspüren lassen, werden wir nie wirklich herausfinden, wie sich die magische Erscheinung der sagenhaften Maddalena Cigno, der Sängerin, die »Their Master’s Voice« rettet, verstehen oder erklären lässt.

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SYNOPSIS THEIR MASTER’S VOICE The curtain opens to the first stage rehearsal of a new opera project – in this case to a rather unconventional pasticcio, conceived by a retired American counter tenor called Jeffrey Himmelhoch, to honor his lifelong idol, the famous 18th century superstar castrato Farinelli. During the rehearsal, which is guided by young director Rosie Blackwell, Jeff is constantly unhappy with the circumstances and complaining about the production conditions he has been given by the inviting Opera House, since he had experienced much better times, having being a world star in the eighties and nineties. While Jeff is trying to combine the most beautiful musical pieces of baroque opera history with the personal tragic, heroic and iconic story of his singing idol Farinelli, Rosie is trying to raise contemporary questions about gender and identity within the context, making the point that »Art has no gender!« For his show, Jeff has invited a young counter tenor called Lukas Dahlberg, to enact the life of the young castrato but has also been searching hopelessly for a mezzo soprano with a voice high enough to meet Farinelli’s vocal range. As such voices are only to be found with the help of miracles, we will never really figure out, how the magical appearance of the unbelievable Maddalena Cigno, the singer who safes »Their Master’s Voice« can be understood or explained.

JOHN MALKOVICH als JEFF in THEIR MASTER’S VOICE

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ANDREAS LÁNG & OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT KS CECILIA BARTOLI

MUSIK, DIE BERUHRT ll

Der große Arthur Schnitzler lässt eine seiner Bühnenfiguren feststellen, dass alle Künstlerinnen und Künstler durch ihr Wirken letztlich nach Unsterblichkeit streben. Geht es Ihnen auch so? cb Für mich sehe ich dies nicht, jedenfalls hoffe ich, dass ich damit nicht einer Selbsttäuschung zum Opfer falle… Meine Rolle ist vielmehr die eines Katalysators zwischen den Komponisten von damals und dem Publikum von heute. Wenn mich die Leidenschaft für eine bestimmte Musik packt, will ich den Leuten im Saal zurufen: »Hört doch diese fantastische Musik…«! Ich wünsche mir, dass der Opernkomponist Vivaldi unsterblich wird, der italienische Gluck, dass Salieri rehabilitiert wird oder Haydn – nicht ich. Unsterblich sollte die klassische Musik sein, weil sie die Menschen berühren kann. ll Was war Ihrer Meinung nach der Grund, dass Barockopern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder einen wichtigen Stellenwert in den Spielplänen bekommen haben?

cb Es gibt eine Reihe von Gründen. Zunächst ganz praktische: Ursprünglich war die historische Aufführungspraxis ein Sektor für vielfach belächelte Nerds und Amateure. Selbst die Anfänge des Concentus Musicus Wien oder einige Jahrzehnte später, ebenfalls inspiriert von Nikolaus und Alice Harnoncourt, das Zürcher Orchestra La Scintilla: Gleichgesinnte setzten sich zusammen, probierten Dinge aus, lernten, feilten, forschten, bauten sich Instrumente und wagten sich schließlich auf die Bühne. Oder man denke an die ersten Barocksänger und Countertenöre, deren technische und expressive Möglichkeiten noch weit entfernt von dem waren, was wir heute erleben dürfen. Inzwischen gibt es an allen großen Musikhochschulen hervorragend geführte Abteilungen für Alte Musik. Sogar wer sich nicht speziell dort eingeschrieben hat, muss sich zumindest mit Fragen der Aufführungspraxis auseinandersetzen: junge Pianistinnen und Pianisten ornamentieren Klavierkonzerte von Mozart oder Beethoven, dasselbe tun wir Sänger – das gehört inzwischen einfach dazu. Damals, Mitte des 20. Jahrhunderts, waren kaum Noten verfügbar und schon gar keine kritischen Aus22


MUSIK, DIE BERÜHRT

gaben. Die umfangreiche VivaldiEdition war noch nicht begonnen. Als die Callas sich für Bellinis Norma einsetzte, hatte sie keinen Zugang zu den Manuskripten. Eine Urtextedition wurde vom Verlag Bärenreiter erst produziert, nachdem ich vor über 15 Jahren eine rekonstruierte Fassung dieser Oper vorgelegt und in zahlreichen Städten aufgeführt hatte. Digitalisierung und Internet erleichtern den Zugang zu Bibliotheken und allerhand Ausgaben inzwischen ungemein, es liegt quasi alles unter unseren Fingern. Dazu kam wahrscheinlich eine gewisse Ermüdung der CD-Industrie: von allen bekannten Werken gab es bereits mehrere, maßstabsetzende Aufnahmen. Da musste neues Repertoire her. Für die Theater war das praktisch, weil gewisse Fächer kaum noch adäquat zu besetzen waren, während auf dem Gebiet der Barockoper reihenweise fantastisch ausgebildete, hochmusikalische und charismatische Solistinnen und Solisten sowie Dirigentinnen und Dirigenten heranwuchsen. Zufällig vollzogen sich in der Popmusik ähnliche Veränderungen, welche die barocke Oper prägen: die Mischung von Musik und Tanz, die wenig linearen Erzählweisen, sich ähnelnde Geschichten in neuem Gewand, das Ersetzen von Realismus durch Strass und Glitzer. Das Schillernde, Androgyne, Überbordende – wie bei Michael Jackson, Freddy Mercury, David Bowie. Aber auch Cher, Madonna oder Lady Gaga. Neben der Üppigkeit fürs Auge brachte uns die barocke Bewegung eine umwerfende neue Palette an Farben, Dynamiken und Details fürs Ohr, aber auch Leichtigkeit und Tempo. Ich

stelle mir das so vor wie man heute viel seltener Viergänger und schwere Saucen isst, sondern farbige, frische Salate, weg von dem Schlagobers, hin zu neuen Geschmacksrichtungen und knackigen Texturen! Und schließlich spricht die barocke Musik viele junge Menschen an, weil ihre Strukturen (Wiederholung, Symmetrie, Rhythmus, Improvisation) der Popmusik und dem Jazz entsprechen. ll Eine lange Zeit spielte man barocke Musik romantisch, dann mischten Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt die Welt auf und lehrten uns, Alte Musik neu zu hören. Wie historisch informiert muss/darf/soll barocke Musik heute klingen? cb Man muss stets vollumfänglich informiert sein, wissen, was man tut und wieso. Aber die Zeiten der Au­thentiker, die nur die geschriebene Note gelten ließen, sind vorbei. Was eh absurd war, wenn man weiß, wie viel die Komponisten im 18. Jahrhundert NICHT aufschrieben, weil die Musiker es ohnehin wussten oder weil man davon ausging, dass frei ornamentiert wurde. Dies habe ich übrigens von Harnoncourt gelernt. Heute switchen die besten Musikerinnen und Musiker zwischen Perioden, Stilen und Genres, ohne die eigene Persönlichkeit zu verleugnen. Darum arbeite ich so gerne mit dem Dirigenten Gianluca Capuano. Er ist unglaublich gebildet – nächtens schreibt er ja philosophische Traktate –, aber in der Aufführung kommt das spontan Musikantische zum Vorschein und ein mitreißendes Temperament. In Monte-Carlo produzieren wir übri23


IM GESPRÄCH MIT KS CECILIA BARTOLI

gens im nächsten Winter Das Rhein­ gold mit Les Musiciens du Prince und Gianluca Capuano, die erste vollumfängliche Inszenierung einer Wagneroper, die von historischen Ins­ trumenten begleitet wird. Zwischen den Vorstellungen aber können Sie sich mit dem Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo unter Philippe Jordan eine konzertante Version des 2. Akts von Tristan und Isolde anhören und somit die beiden Zugänge direkt vergleichen. Das ist es, was mich wirklich interessiert, und ich bin extrem stolz auf dieses Projekt! ll Schon bei der Uraufführung war Giulio Cesare beim Publikum ein Hit, zudem ist das Werk nie ganz aus den Spielplänen verschwunden. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? An der Geschichte? Der Musik? cb Die durch den Titel hervorge­ rufenen Assoziationen und die Namen der Hauptfiguren – die übrigens mit ihren historischen Vorbildern kaum etwas zu tun haben, sondern vielmehr mit romantisierten Abbildern in der Kunst wie Shakespeares Tragödie Antonius und Cleopatra – spielten da schon eine wichtige Rolle. Und welche Sängerin träumt nicht von Elizabeth Taylors umwerfenden Kostümen… Aber Händels Musik ist in dieser Oper extrem abwechslungsreich, das Werk enthält fantastische Arien, auch spektakuläre, und darüber hinaus sehr schöne Duette und ungewöhnliche Einfälle wie die Zaubermusik auf dem Musenberg Parnass oder die kriegerischen Rufe des Chors hinter der Bühne.

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Händel, der Komponist des Giulio Cesare, war einem beinharten Konkurrenzkampf unterworfen und daher auch zu Zugeständnissen an den Publikumsgeschmack gezwungen. Die große künstlerische Freiheit à la Wagner und Beethoven beispielsweise war das dann nicht, oder doch? cb Nein – das waren keine romantischen Künstler, die sich und ihr »Genie« verwirklichen wollten, sondern Handwerker, oder später Unternehmer bzw. Impresari. Kein Hauch von Übernatürlichem. Vielleicht kommen wir hier zu Ihrer allerersten Frage zurück. So, wie wir uns heute als Katalysatoren für die Komponisten sehen, waren damals Komponisten die Katalysatoren für das unglaubliche Talent bestimmter Bühnenkünstler, den oder die man aus Begeisterung und Leidenschaft im besten Licht zeigen wollte. Ok, Händel wollte einmal seine Primadonna aus dem Fenster werfen, aber generell hat er wohl kaum darunter gelitten. Komponist oder Musiker zu sein war wohl ein Beruf wie jeder andere. ll War das Publikum zur Entstehungszeit des Giulio Cesare nicht musikalisch gebildeter als heute? Kann das Publikum von heute diese Musik überhaupt genauso »verstehen«, wie es das zeitgenössische Publikum sie verstanden hatte? cb Ich glaube, im Unterschied zu heute waren den Leuten im Saal von damals die Geschichten und die 24


MUSIK, DIE BERÜHRT

Rhetorik bekannter. Man erkannte sofort eine Sturmarie oder eine Jagdarie und was sie im Kontext bedeutet, man wusste um die Symbolik einzelner Instrumente, zum Beispiel Blockflöte: pastoral, Trompete: royal usw. Wir müssen das halt durch unser Musizieren vermitteln und – im Idealfall – durch die Inszenierung, die ja heute viel präziser und ausdrucksreicher sein kann als früher. In erster Linie sollten wir an barocke Opern aber direkt herangehen und uns fragen, wie wir dem Publikum unmittelbar vermitteln, was die Musik erzählt. Wie können wir berühren? Wir geben keine Lektion in Musikwissenschaft, das ist für die Bibliotheken, aber nicht für die Opernbühne. ll Vor zwei Jahren waren Sie mit Rossini Mania in Wien zu Gast. Wodurch unterscheiden sich Rossini’sche Koloraturen von Händel’schen? Hat man mehr Freiheiten? cb Einerseits gibt es eine starke Verbindung, denn Rossini hielt ja die Kunst der Kastraten für die höchste Form von Belcanto und schrieb selber ab und zu noch für Kastraten, während er sich zum Beispiel über manche Tenöre seiner Zeit lustig machte. Es ist schwierig zu verallgemeinern, denn sowohl im Barock als auch bei Rossini gibt es Stellen, wo die Koloraturen ausgeschrieben sind, während bei anderen einfach klar ist, dass man ornamentieren muss. Und Händel wie Rossini schrieben ihre Partien in der Regel ihren Solistinnen und Solisten auf den Leib. Ich habe aber schon das Gefühl, dass Rossini dazu tendierte, die Koloraturen immer

genauer aufzuschreiben, wie zum Beispiel im ersten Teil des Rondos »Nacqui all’affanno« in La ceneren­ tola. Und es ist wohl kaum möglich, sich hier originellere und perlendere Koloraturen vorzustellen, als Rossini vorgibt. Aber wenn er hervorragende Musikerinnen und Musiker auf der Bühne hatte, wie seinen Freund Manuel García oder dessen hochbegabten Töchter Maria Mali­ bran und Pauline Viardot, kümmerte ihn die genaue Beachtung des Notentexts wohl weniger. Angeblich hat ja nach dem Misserfolg bei der Uraufführung erst die Improvisationskunst Garcías den Barbier von Sevilla zum Triumph geführt. ll Wie viel von den Koloraturen ist überliefert, wie viel ist »original Bartoli«, muss/ kann man heute andere Koloraturen präsentieren als zur Entstehungszeit? Wo finden sich die Richtlinien für all die Ausziehrungen? cb Über Stil und Verzierungen kann man viel lesen und man lernt natürlich auch in der Praxis, in der Zusammenarbeit mit großen Dirigenten und Kolleginnen und Kollegen. Es gilt, zunächst den Notentext genau zu studieren, um sich danach davon zu befreien und der Fantasie freien Lauf zu lassen, immer im Rahmen des Stils. Also nicht wirklich anders als beim Musizieren überhaupt. Ich selber singe gerne beim ersten Mal die Noten, die geschrieben sind, und variiere sie erst bei der Wiederholung, aber andere sehen das anders und verzieren von Anfang an. Dies ist eine Frage des Geschmacks und der künstlerischen Persönlichkeit. 25

Folgende Seiten: KS CECILIA BARTOLI als CLEOPATRA in GIULIO CESARE


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IM GESPRÄCH MIT KS CECILIA BARTOLI

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Wer ist Cleopatra in Händels Oper? Eine Strategin? Liebt sie Cesare? Wie entwickelt sie sich psychologisch? cb Cleopatra ist nicht die historische Figur – ägyptische Königin aus der griechisch-makedonischen Dynastie der Ptolemäer –, sondern das abstrahierte Idealbild einer schönen, klugen, mächtigen und leidenschaftlichen Frau. Das Interessante ist, dass Händel dieser Figur eine ungewöhnlich breite Auswahl an Arien gegeben hat (plus ein wunderbar leichtes, verliebtes Duett), sodass es tatsächlich gelingen kann, eine dramaturgische Linie aufzubauen von der hochmütigen, berechnenden Herrscherin zur leidenschaftlich liebenden Frau. Solche Gelegenheiten hat man in der barocken Oper nicht oft – ein weiteres, wunderbares Beispiel wäre die Alcina – weil dies dem Aufbau und Charakter dieses Genres eigentlich widerspricht. Und gerade deswegen liebe ich Händel so sehr, weil er dann doch die Quadratur dieses Kreises schafft. ll Die Wiener Staatsoper ist ein Bauwerk aus dem späten 19. Jahrhundert, wobei der Zuschauerraum sogar ein Werk des mittleren 20. Jahrhunderts ist. Inwieweit ist dieses Haus trotzdem ein »passendes Gefäß«, in dem ein Barockspektakel stattfinden kann? cb Szenisch ist das überhaupt kein Problem, und eine barocke Oper muss ja ein Spektakel sein, d.h. man soll bzw. darf den Raum entsprechend füllen. Ich bin überzeugt, Sie werden von Davide Livermores

einfallsreicher, spektakulärer und ironischer Inszenierung begeistert sein. Akustisch sind solche Räume so oder so nicht einfach zu bespielen, ganz unabhängig vom Repertoire. Daher bereiten wir uns immer sehr aufmerksam vor und arbeiten intensiv an der dynamischen Balance zwischen Orchester und Solisten und ihrer räumlichen Positionierung im Haus. ll Als Publikum darf man sich auf Berührendes wie »Vʼadoro pupille« oder auf spektakuläre Koloraturen wie »Al lampo dellʼarmi« freuen. Auf welche der Arien freut sich Cecilia Bartoli? cb Die Szene auf dem Parnass mit »V’adoro pupille« ist ein Traum, aber »Se pietà di me non senti« und »Piangerò« sind für mich die inneren Eckpfeiler der ganzen Oper. Da soll die Zeit stillstehen. Wobei ich in dieser Inszenierung etwa Neues ausprobieren wollte in der Tempodramaturgie: in der Regel werden sie beide im selben getragenen Tempo, Largo, gesungen. Bei dieser Inszenierung dachte ich, ich würde die beiden langsamen Arien unterschiedlich schnell singen, weil es hier in den Kontext passt und so die Intensität Richtung »Piangerò«, der Hauptarie dieser Oper, kontinuierlich zunimmt. Aber mal sehen, vielleicht ändern wir das wieder. Das ist ja das Schöne am kreativen Prozess, dass man mit solchen Dingen spielen kann. ll In der Besetzung wird die Cleopatra als Sopranistin ausgewiesen. Wie hoch liegt die Tessitura der Partie? 28


MUSIK, DIE BERÜHRT

cb In der damaligen Zeit gab es ja noch keine Stimmfächer im heutigen Sinn. Alle – selbst Kastraten – waren Soprane; wenige Ausnahmen mit einer tiefer gelegenen Stimme waren Alti. Unterteilt wurden die Solistinnen und Solisten vielmehr nach ihrem »box office value«: also Primadonna (erste Dame), dann zweite Dame usw. Die erste Cleopatra war die Cuzzoni, deren Tessitur sich angeblich vom einzum dreigestrichenen C erstreckte. Ich betrachte mich zwar eindeutig als Mezzosopran, aber ihre Rollen liegen mir in der Regel sehr gut in der Kehle, genauso übrigens wie das Repertoire von Händels anderer Primadonna, der Strada del Pò, die unter anderem die erste Alcina war und die Cleopatra in der Londoner Wiederaufnahme von 1730. Sie wissen ja sicher, dass ich mich gegen das strikte Fachdenken wehre, sondern finde, man sollte das singen (und spielen!), wozu einen seine Physis führt. ll Die Kastraten hatten eine ganz spezielle Klangfärbung. Inwieweit entspricht das Zusammenspiel der heutigen Stimmen dem Original des 18. Jahrhunderts? cb Also, es gibt ja Aufnahmen des letzten Kastraten Moreschi von Anfang des 20. Jahrhunderts, die kann man sich auf YouTube anhören. Er war Solist in der Sixtinischen Kapelle, muss also ein sehr guter Sänger gewesen sein. Aber bei so alten Aufnahmen kann man die Qualität der Stimme nicht wirklich beurteilen, eher Fragen des Stils zum Beispiel. Ich versuche jeweils, mir aufgrund der Partituren ein Bild von der

Stimme von Kastraten zu machen, weil die ja einem bestimmten Sänger auf den Leib geschrieben wurden. Man sieht da sehr deutlich, was für einen unglaublich langen Atem die Kastraten hatten, den Stimmumfang, ihre technischen Möglichkeiten. Mit unserer Physis können wir uns dem nur annähern, gerade wir Frauen, denn unsere Lungenkapazität lässt sich niemals mit den Kas­ traten vergleichen, deren Oberkörper als Folge der »Hormonverwirrung« nach der Operation oft überdimensionale Ausmaße annahm. Aber wir tun unser Bestes. Ich bin stolz, dass wir Ihnen mit grandiosen Countertenören wie Carlo Vistoli, Max Emanuel Cenčić und Kangmin Justin Kim einen zumindest annäherenden, spektakulären Eindruck von der Kunst dieser grandiosen Künstler vermitteln können. ll Mit Their Master’s Voice gibt es ein neues Werk. Wer hatte die Idee zu diesem Projekt? Haben Sie am Buch mitgearbeitet? Wie konnten Sie John Malkovich für das Projekt gewinnen? cb Ich kenne John Malkovich natürlich aus dem Kino, aber er interessierte mich auch wegen seines Theaterprojekts mit Motiven von Casanova, Mozart und Da Ponte, denn ich hatte immer die Vorstellung, etwas Ähnliches zu machen mit einem Thema aus der Welt der Barockmusik. Ich glaube, auch er hatte Lust auf ein gemeinsames Projekt. Das Stück selber ist dann langsam gewachsen, auch während der Proben in Monte-Carlo haben wir viel ausprobiert und geändert. So, wie es jetzt zur Aufführung kommt, 29


IM GESPRÄCH MIT KS CECILIA BARTOLI

ist es ein Pasticcio auf halbem Weg zwischen Sprechtheater und Oper mit zahlreichen Lieblingsarien aus meinem Repertoire. Ergänzt wird der Abend durch die Präsenz des jungen Countertenors Philipp Mathmann und die englische Schauspielerin Emily Cox, und auch der Chor der Opéra de Monte-Carlo singt ein paar eindrückliche Nummern. ll Der Untertitel lautet: »Ein G ender -D uel l z w i s chen John Malkovich und Cecilia Bartoli«. Worum wird es an diesem Abend gehen? cb Am ehesten handelt es sich um einen Dialog – ein Gedankenspiel, in dem immer wieder hinterfragt wird, warum und wie Musik auf der Bühne dargestellt werden soll. Dazu Einblicke in ein Kastratenschicksal zwischen Ruhmesglanz und Finsternis im privaten Bereich, der im barocken Theater übliche ständige Wechsel zwischen den Geschlechtern der Darstellerinnen und Darsteller sowie ihrer Rollen. Aber keine Angst: am Schluss gibt es eine innige Auflösung! Malkovich ist großartig, magisch in seiner Präsenz, wenn er zögert oder Fragen in den Raum stellt, auch zutiefst berührend. ll Zum Abschluss gibt es ein Galakonzert: Wie sieht die Dramaturgie dieses Abends aus? Ist es ein Best-of? Oder

gibt es einen roten Faden, der sich durch das Programm zieht? cb Gerade im Bereich der barocken Oper liegt es nahe, ein Pasticcio zu erfinden, also die tollsten Nummern aus verschiedenen Opern an einem Abend zu vereinen, interpretiert von den größten Virtuosinnen und Virtuosen der Gegenwart. Damals gab es ja kein Copyright und keine Aufnahmen. Kaum war die Oper vorbei, war auch die Musik wieder weg, meist für immer. Die Verwendung von Musik eines Kollegen in einem neuen Werk wurde daher als Ehre angesehen, als Möglichkeit, das Leben eines Stücks Musik zu verlängern und war sehr populär, das kennen wir ja zum Beispiel auch von Bach. Der Abend wird eine Art Schaulaufen: Wir sind alle gute Freunde und freuen uns schon wahnsinnig, in Wien mit- und gegeneinander um die Wette zu singen, angefeuert vom begeisterten Publikum – nach dem Motto »anything you can do, I can do higher« bzw. virtuoser… Die Opéra de Monte-Carlo mit ihrem Team, die Musiciens du Prince, der Chor der Opéra de Monte-Carlo, Gianluca Capuano und die Solistinnen und Solisten sind extrem stolz und können das Gastspiel in Wien kaum erwarten, allen voran ich selber!!

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KS CECILIA BARTOLI als CLEOPATRA in GIULIO CESARE



DER SHAKES- PEARE DER MUSIK OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT DEM DIRIGENTEN GIANLUCA CAPUANO ÜBER GIULIO CESARE

ol

Fangen wir beim Titel an. Warum heißt die Oper eigen­ tlich Giulio Cesare in Egitto und nicht Giulio Cesare e Cleopatra? Im Zentrum steht ja das Paar. gc Ja, es sind tatsächlich beide absolut gleichrangig, auch was die Anzahl der Arien betrifft. Wir können also davon ausgehen, dass Händel wirklich von einem zentralen Paar ausging. Wobei wir natürlich nicht vergessen dürfen, dass er ein Libretto vertonte, das Giacomo Francesco Bussani 1676 für Venedig geschrieben hatte und das von Nicola Francesco Haym für ihn überarbeitet wurde. Wir sprechen im Fall von Bussani also von einem vor-metastasianischen Modell, das seine eigenen Regeln hatte. Doch bereits in diesem Libretto sind Cesare und Cleopatra einander ebenbürtig. Also: Man könnte die Oper durchaus auch Giulio Cesare e Cleopatra nennen… ol Georg Friedrich Händel schrieb neben vielen anderen Werken 42 Opern. Was macht gerade Giulio Cesare

so besonders? Sie wird ja oft als erfolgreichste und beste Oper des Komponisten bezeichnet. gc Händel war damals, also um 1724 herum, am Höhepunkt seines Opernkönnens und er setzte all sein Wissen und seine Kenntnisse ein wie auch alle bis dahin erworbenen musikalischen Techniken. So etwa seine einzigartige Fähigkeit, das altklassische griechisch-römische rhetorische Wissen in Musik umzusetzen. Was Giulio Cesare so besonders macht, ist erstens einmal die musikalische Charakterzeichnung, die er den Figuren zukommen lässt: Ich sage immer wieder, dass Händel der Shakespeare der Musik war, also ein Künstler mit einer unglaublichen Fähigkeit zur tiefstgründigsten psychologischen Ausdeutung der agierenden Personen. Zweitens gehört die Orchestration in Giulio Cesare zu den spannendsten in seinem reichen Œuvre. Wir hören zum Beispiel eine Arie mit gleich zwei Orchestern, Händel setzt bei einer anderen Arie eine begleitende Viola da Gamba ein, dann wieder ein Horn oder eine 32


DER SHAKESPEARE DER MUSIK

Harfe. Das sorgt für einen enormen Farben- und Abwechslungsreichtum. Es ist also offenbar, dass die Hauptsache, warum Giulio Cesare so ein Meisterwerk ist, in der Musik begründet liegt. ol Und er schrieb für die Großen seiner Zeit. gc Ja, es kommt noch dazu, dass er im Falle von Giulio Cesare für die größten Stars der damaligen Oper arbeitete, für den Kastraten Senesino, der die Titelrolle sang, für Francesca Cuzzoni, die die Cleopatra gab, für Margherita Durastanti und etliche andere. Das gab dem Projekt zusätzlichen Auftrieb. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Giulio Cesare zu den ersten Opern zählte, die im 20. Jahrhundert wiederentdeckt wurden. Schon 1922 kam in Göttingen ein Giulio Cesare heraus – und war damit eines der ersten Werke des bis heute andauernden Abenteuers der Renaissance seiner Werke. ol Die doch etwas komplexe Handlung behinderte den Erfolg nicht? gc Nein, weil das von Haym adaptierte italienische Libretto erstmals auch zum Lesen auf Englisch angeboten wurde. So konnte das Publikum der Handlung folgen und diese trotz aller Wendungen verstehen. Das hat sicherlich auch zum großen zeitgenössischen Erfolg dieser Oper beigetragen. ol Händel war gebürtiger Deutscher, bereiste Italien und wirkte lange in England. Was ist Giulio Cesare nun der Form nach? Eine klassische italienische Oper, die damals auch in England in Mode war?

gc Das ist schwierig zu sagen. Denn bei Händel haben wir verschiedene Einflüsse, die in seiner Musik immer gleichzeitig präsent sind. Man sagt ja gerne, dass er als junger Komponist nach seiner Italienreise seinen Stil komplett geändert hat. Mit dieser Aussage bin ich aber nicht so ganz einverstanden. Ich denke nämlich, dass für Händels Personalstil auch seine Zeit in Deutschland wichtig und prägend war, ja, für mich war es sogar die prägendste Periode seines Lebens! Etwa der Einfluss des damals sehr bekannten Komponisten Reinhard Keiser, dem Leiter der Oper am Gänsemarkt in Hamburg, wo Händel im Orchester spielte und wo seine erste Oper uraufgeführt wurde. Oder seiner Freunde Telemann und Mattheson: beide hatten eine umfassende klassische Bildung – Kenntnisse der alten Sprachen, der Grammatik, der Rhetorik. Telemann war Jurist, Mattheson Sekretär und Korrespondent des englischen Gesandten, er schrieb die wichtigsten musikalischen Traktate der Epoche wie die Generalbaßschule und Der vollkommene Capellmeister, ohne die man die Musik Händels nicht verstehen kann, obwohl sie in den 1730er Jahren veröffentlicht wurden. Doch diese Periode ist weniger erforscht als andere in Händels Leben. Natürlich hat er in seinen Jahren in Italien die dortige musikalische Sprache aufgenommen. Gleichzeitig aber darf man die auf den Komponisten einwirkenden französischen und englischen Einflüsse nicht vergessen. Ich würde also sagen: Rein nach der Form ist Giulio Cesare eine italienische Oper, 33



DER SHAKESPEARE DER MUSIK

es gibt aber substanzielle Einflüsse aus anderen damals für die Musik wesentlichen Ländern. Diese sind in Händels Opern schlechthin immer präsent – und man soll sie auch hörbar machen. ol Sie sprachen über die Psychologie der Figuren. Wie drückt sich diese musikalisch aus? Immerhin gab es zu Händels Zeiten ein festes Formschema, das in Bezug auf die Ausdrucksformen einiges festlegte. Wo blieb da Platz für Psychologisches? gc In der damaligen Ausbildung gab es ein großes Spektrum an »klassischen« Fächern wie etwa Rhetorik – ganz andere Unterrichtsinhalte als heute, selbst, wenn wir klassische Bildungswege beschreiten. Dieses Wissen floss natürlich auch in die Kompositionskunst ein – daher ist es wichtig, sie auch heute zu beherrschen, wenn man als Interpret die alte Musik wirklich verstehen will. Die psychologische Tiefe, die Händel seinen Operncharakteren verleiht, hat wesentlich mit diesen Kenntnissen zu tun, die er einzigartig einzusetzen verstand. Ich spreche von: musikalischen »Pattern«, Tonarten, Schreibweisen, Artikulationen (Sprache und Musik parallel geführt), harmonischen Verarbeitungen und so weiter. Händel entwickelte ab seinen ersten Opern die für seine Epoche originellste Weise, alle diese Elemente zu verknüpfen und zu verarbeiten. ol Unterscheidet Händel – um an das Musik & Gender-Symposium im Vorfeld dieses Gastspiels anzuschließen – CARLO VISTOLI als CESARE in GIULIO CESARE

zwischen Musik, die für Frauen geschrieben wurde, von einer Männern zugedachten Musik? gc Es gab damals, vor allem, was die Rollenzuteilung von Kastraten und Frauen betrifft, eine große Durchlässigkeit. Es konnten also dieselben Rollen sowohl von Kastraten als auch von Frauen gesungen werden. Ganz allgemein würde ich sagen, dass es für Händel an sich keinen Unterschied zwischen einer Musik für Männer und Frauen gegeben hat. Ein Beispiel: Der Sesto in Giulio Cesare wurde bei der Uraufführung von Margherita Durastanti gesungen, bei der Wiederaufnahme in 1725 hörte man einen Tenor. In unserer Version für die Wiener Staatsoper habe ich für Sesto – Kangmin Justin Kim, der in der Sopran-Stimmlage singt – eine Arie, die nur in der 1725er-Tenor-Version steht, eingebunden. Die Veränderungen, die Händel bei der Wiederaufnahme im Notentext vornahm, sind nicht radikal, sondern betreffen hauptsächlich die Tonalität, und er schreibt für die verschiedenen Sänger auch neue Arien. Mit anderen Worten: Die Art und Weise, wie er für Frauen und Männer schrieb, war immer dieselbe. Aus heutiger Sicht betrachtet darf man nicht vergessen, dass in Händels Zeit – auch in der Gesellschaft! – eine große Freiheit bestand: Es war üblich, dass Männer weibliche Rollen sangen und umgekehrt. ol Viele erwarten im Theater Antworten auf brennende Fragen des Lebens, möchten Rosenkavalier’sche Weis35


GIANLUCA CAPUANO ÜBER GIULIO CESARE

heiten hören oder hoffen auf ein großes Welttheater. Was bietet Giulio Cesare in dieser Hinsicht? gc Großen Komponisten gelingt in ihren zentralen Werken eine immerwährende Gültigkeit, die quer durch die Epochen reicht. Das macht gerade das Besondere an den Meisterwerken aus, dass jede und jeder von uns sich angesprochen fühlt, dass man Fragen und vielleicht Antworten bekommt und die Themen einen zur Auseinandersetzung auffordern. Abgesehen davon liegt Händels Zeitlosigkeit in einer ungemeinen Modernität, die man in seinen Werken findet; denken Sie nur an die psychologischen Aspekte, über die wir schon sprachen. Händels Theater ist übrigens ein Welttheater im doppelten Sinn: Es stellt die Welt dar, aber umgekehrt spielt die Welt auch eine große Rolle, jene der Seele und der realen Geschehnisse. ol Opernvorstellungen waren in der Barockzeit immer auch eine Show. Prächtige Bühnenbilder, Effekte, Augentheater. In welchem Maße gilt das für die Musik? Hat Händel entlang des Publikumsgeschmacks geschrieben? gc Ein Charakteristikum bei Händel ist, dass er nie einen Effekt um des Effektes willen einsetzt. Sondern ihn immer in die Qualität der Musik einschließt. Natürlich orientiert Händel sich an bestimmten Sängerinnen und Sängern, auch was ihre Fertigkeiten anbelangt, so fordert er mehr oder weniger Koloraturen, platziert Virtuosität oder verwendet bestimmte Lagen. Das alles dient auch einem

Theatereffekt – aber dieser muss gleichzeitig immer auch etwas ausdrücken, eine psychologische Motivation haben, in die Tiefe eines Charakters hineinleuchten. Effekt: ja, aber niemals als Selbstzweck. ol Wir wissen aus der Aufführungsgeschichte, dass Händel Giulio Cesare umgeschrieben und je nach Aufführungssituation verändert hat. Wieso entfalten wir heute so selten diese Freigiebigkeit in Bezug auf den Notentext? gc Es gibt diese Freiheit heute durchaus. Aber es ist mir persönlich als erster Schritt wichtig, zunächst einmal von dem auszugehen, was Händel hinterlassen hat. Jetzt wissen wir natürlich, dass die Art, wie damals Musik niedergeschrieben wurde, lückenhaft war: Die Notation war sehr sparsam, nicht alles, was tatsächlich erklungen ist, stand auch in den Noten. Und das bringt uns zur Freiheit der heutigen Interpretierenden: Denn unsere Aufgabe besteht darin, diese vorhandenen Lücken zu füllen. Dafür ist freilich notwendig, auch eine tiefe Kenntnis des Außermusikalischen zu haben: Man muss Traktate kennen, die Ikonographie, aber selbstverständlich auch Theorien der Kunst, Literatur, Philosophie. Hier half mir meine philosophische Ausbildung sehr! Das betrifft die Dirigenten, die Sängerinnen, die Instrumentalistinnen. Ich persönlich versuche, mir hier eine maximale Freiheit zu bewahren, egal, ob es die Agogik, die Dynamik oder sogar die Wahl der Instrumente betrifft. Ein Beispiel: 36


DER SHAKESPEARE DER MUSIK

Wir wissen, dass damals die Oboisten auch Flöte spielten. Folglich ist es erlaubt und manchmal vielleicht angebracht, eine Oboenstimme mit einer Flöte zu besetzen – und umgekehrt. Weiters ist es mir sehr wichtig, eine große Continuo-Gruppe zu haben, um eine umfassende Farbigkeit erzeugen zu können. Wir haben bei Giulio Cesare zwei Cembali, zwei Theorben, eine Harfe und eine Orgel – ich habe also eine große Variationsvielfalt. Das Continuo drückt für mich einen echten Meta-Text aus: Ich versuche immer mit dem Continuo die Tiefe der Charaktere zu zeigen,

und im Allgemeinen erzähle ich mit dem Continuo immer etwas wie eine parallele Geschichte … Hier ist Raum für Freiheit, und diesen nützen wir! Was es im Umgang mit dieser Freiheit freilich braucht, ist nicht nur Wissen, sondern auch Erfahrung. Und ich bin froh, dass ich diese gemeinsam mit den Musiciens du Prince sammeln durfte: Wir haben inzwischen fast alle großen Opern von Händel aufgeführt und das hat zu einer Reife geführt, die das Publikum bei den Aufführungen hoffentlich bei jeder Note erspüren kann!

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ANDREAS GAMERITH

»SIAN DI BENE O DI MAL, SON SEMPRE ESEMPIO.« ODER: EINE BAROCKE STILKUNDE IN VIER SZENEN

Barock hat es schwer. Kaum eine Epoche ist im allgemeinen Bewusstsein von derart vielen Klischees und Vorurteilen heimgesucht wie jene Kunst zwi-

schen 1600 und (längstens!) 1800, die unter dem kunst- und kulturgeschichtlichen Begriff des »Barock« zusammengefasst wird. Überladen, skurril,

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EINE BAROCKE STILKUNDE IN VIER SZENEN

grotesk, schrill, oberflächlich und frivol, bigott und grundverdorben: Wer die Nüchternheit moderner Lebensentwürfe verinnerlicht hat, wird den exzessiven Eskapaden, mit denen das Barockzeitalter seine Kunstwerke (und damit: das Leben) zu gestalten verstand, wenig Sympathie entgegenbringen können.

PROLOG Dabei ist es nicht einfach, der Vielstimmigkeit der beiden Jahrhunderte eine stringente Grundhaltung zugrunde zu legen. Im Gegensatz zum 18. Jahrhundert zeigte sich die Zeit nach 1600 als experimentierfreudig und vage, den Gedanken der Renaissance ernsthaft verbunden und zugleich unentrinnbar konfrontiert mit Änderungen, die den endgültigen Bruch mit jeder Ära der Vergangenheit heraufbeschwören mussten. Der Verlust der gottgegebenen Sicherheit, den das geozentrische Weltbild seit Jahrhunderten gewährleistet hatte, markierte nur den Beginn einer neuen Weltsicht: Das tiefverwurzelte Vertrauen in eine göttliche Ordnung, in einen geheimnisvollen höheren Sinn des ganzen Weltgebildes, begann zu bröckeln vor dem Hintergrund prickelnd neuer Erkenntnisse und Einsichten. Oder, um in den Möglichkeiten der Kunst zu sprechen: Neben den Idealismus Guido Renis mit engelsgleichen Madonnen im Geiste Raffaels trat die schonungslose Wirklichkeit der Camera obscura, die es Caravaggio ermöglichte, die Welt neu zu sehen und so, schonungslos, in seinen Bildern festzuhalten. Eine Welt der »Wirklichkeit«, in der Heilige und Huren dieselbe Bühne belebten. Bild linke Seite: GIOVANNI DOMENICO TIEPOLO DAS GASTMAHL DER KLEOPATRA, 1743

Doch damit nicht genug! Das 17. Jahrhundert war auch das Zeitalter von Künstlerdiplomaten à la Rubens oder Velázquez, die ebenso als Maler Erfolge feierten wie als Gesandte königlicher Majestäten. Als Aushängeschilder florierender Kunstlandschaften verkörperten sie jene Nobilitierung als »Künstler«, die den Geruch des Handwerks allmählich abzustreifen vermochten und damit jenen Traum verwirklichten, der die Genies der Rena issance beseelt hat te. Da s 17. Jahrhundert war das Zeitalter Gianlorenzo Berninis, der mit Skulpturen und Architekturen, aber auch Gemälden und Karikaturen (!) den überbordenden Reichtum seines Könnens unter Beweis stellte – hochgehalten von den Protagonisten wechselnd besetzter päpstlicher Höfe und imstande, gegenüber seiner hochbegabten Konkurrenz nichts weniger als ein diktatorisches Imperium des Geschmacks aufzubauen. Außerdem: Ein Zeitalter, in dem die religiösen Streitigkeiten der Konfessionen ein letztes Mal auf internationalem Feld und über drei blutige Jahrzehnte hinweg ausgetragen wurden und man religiöse Erkenntnismöglichkeit mit der unverschämten Ergriffenheit sexueller Ekstase zum Ausdruck bringen konnte. Man denke an Berninis heilige Teresa in der römischen Kirche S. Maria della Vittoria. Dieses brodelnde Chiaroscuro, dieses krasse Helldunkel mag zwar die Basis gebildet haben jener barocken (Lebens-)Kultur, für die Georg Friedrich Händel mal erfolgreich, mal unverstanden Opern und Oratorien in Musik setzte. Doch seine Welt, die Welt des 18. Jahrhunderts, hatte sich bereits entfernt von der Kompromisslosigkeit

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ANDREAS GAMERITH

des Seicento, war eleganter, galanter geworden. Wissen ist Macht? Nein, Kenntnis ist Macht. Esprit…

»STRAVAGANTE PENSIER« (ATTO SECONDO, SCENA 1) Die Schaffenszeit Händels fällt in eine Zeit, in der die vormalige Phase des Ausprobierens abgelöst wurde von einer Periode, die der Inspiration weniger Beachtung schenkte als der makellosen Beherrschung des in der Kunst soeben Erreichten; die Ära des Virtuosentums war endgültig angebrochen. Gleichgültig, ob in halsbrecherischen Koloraturen über ungeahnte Tonumfänge hinweg oder in monumentalen Deckenbildern, die in wortgewaltigen Allegorien die Fresken der Renaissance zu überbieten versuchten: Der Virtuose in der Kunst beanspruchte mit derselben Nonchalance seinen gesellschaftlichen Rang, der zuvor nur dem adeligen gentiluomo aufgrund seiner Abstammung zugestanden worden war. Originalität, das Erfinden von Unabhängig-Neuem musste hier letztendlich befremden. Wenn Giambattista Tiepolo, der führende Freskant der Serenissima im 18. Jahrhundert, bewusst auf der Malerei Veroneses aufbaute, so geschah dies nicht im Sinn eines einfältigen Epigonentums. Es bedeutete vielmehr die bravouröse Auferstehung eines für ewige Zeiten gültig erachteten Ideals, das als unmittelbar mit Venedig verbunden angesehen wurde – untrennbar verbunden wie der Klang seines Dialekts, untrennbar wie das dunstige Licht über der Lagune. Andere venezianische Malerexporte wie Gianantonio Pellegrini oder Sebastiano Ricci (Rizzi) weisen mit langen Aufenthalten in England Parallelen

auf zum in London erfolgreichen Deutschen Händel – und illustrieren damit ein Lebensmodell, das symptomatisch ist für die Kultur des 18. Jahrhunderts. Ausgebildet in Italien und ausgestattet mit Kenntnissen der Kunst Venedigs wie Bolognas oder Roms stellten die beiden Malervirtuosen ihre Kunst einem internationalen Publikum zur Verfügung (wenn die Finanzen nur ausreichten). Dessen Entzücken lag weniger im verstörend Neuen der dargebotenen Werke, sondern in der geistreichen Bezugnahme. In Anspielungen, Doppeldeutigkeiten oder richtiger: Uneindeutigkeiten. Die Verfügbarkeit von italianità (und sei es auch – wie bei Händel – durch die Vermittlung eines gottbegnadeten Sachsen) versprach den Kunstbegeisterten fernab des Landes, wo die Zitronen blühen, unmittelbare Teilhabe an der aktuell höchststehenden Kunstproduktion »der ganzen Welt«. Uns mögen die Ergebnisse dieser Kunstproduktion mitunter befremden in ihrer seriellen Wiederholbarkeit – das laut Strawinski 500mal geschriebene, immer gleiche Konzert Vivaldis drängt sich hier ebenso auf wie die von Versatzstücken nur so strotzenden Freskokompositionen Carlo Innocenzo Carlones, der ungeniert sein einmal erarbeitetes Figurenrepertoire immer und immer wieder gegen gutes Geld zum Besten gab. Doch was verstehen wir Nachgeborenen denn tatsächlich von Esprit? Denn der außergewöhnliche Einfall nutzt sich nicht ab mit der Wiederholung »da capo«. Er vertieft sich...

»SO, CHE M’ INTENDE ...« (ATTO PRIMO, SCENA IX) Die zahlreichen Anspielungen, Bezugnahmen und Zitate, in denen sich

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EINE BAROCKE STILKUNDE IN VIER SZENEN

GIOVANNI LORENZO BERNINI DIE VERZÜCKUNG DER HEILIGEN THERESE, 1644

Kunstwerke des 18. Jahrhunderts ergehen (lustvoll!), nehmen sich heutzutage ausgesprochen befremdlich aus. Gerade im dramatischen Ablauf von Giulio Cesare mit den heftigen Schilderungen von Gefühlen wirkt der eingestreute Austausch von Höflichkeiten, gepaart mit Vergleichen und Allusionen, mitunter hemmend, schwerfällig: »…io non so dir se maggior lume apporte… il sole in cielo o Tolomeo qui in terra«. Dabei sollte – geht man von einer idealen Zuhörerschaft des 18. Jahr­hunderts aus – dieser Aspekt im Gegenteil besonders attraktiv wirken. Wie sonst kann man den Einfall Cleopatras nachvollziehen, als Allegorie (!) der virtù (!!!) Cesare bezaubern, verführen zu wollen? Gerade diese Szene, bei der die Heldin in die Verkleidung einer Personifikation schlüpft, ist es wert, genauer unter die Lupe genommen zu werden:

Denn virtù ist hier keineswegs als simple Tugend zu verstehen – in jenem farblosen Sinn, den die Autoren der Aufklärung ihren weiblichen Protagonisten zugestanden. Im Kreis der Musen auf dem Parnass offenbart sich in der Figur das facettenreiche Spiel, dass unter virtù auch eine Verbindung zu künstlerischem, ästhetischem Ausdrucksvermögen besteht. Ihm kann es schlussendlich gelingen, Liebe zu wecken. Edle Einfalt und stille Größe? Vonwegen! Einen Kriegshelden im Sturm zu nehmen, wird hier lediglich zur Frage der Inszenierung. »... più graziosa fa ogni core innamorar.« Voraussetzung für dieses – man beachte! – Spiel war die gesellschaftlich verankerte Anforderung Allegorien, Sinnbilder, Personifikationen, Metaphern zu lesen – und zu verstehen. Dass dabei keine frei assoziativen Zugänge behilflich sein konnten (im Sinne des

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ANDREAS GAMERITH

SEBASTIANO RICCI DIE WIEDERAUFFINDUNG DES KREUZES DURCH DIE HEILIGE HELENA, 1710

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EINE BAROCKE STILKUNDE IN VIER SZENEN

»Symbols« im 20. Jahrhundert), sondern Regelwerke und standardisierte Leseanleitungen vonnöten waren, versteht sich im Kontext einer barocken Lebenswelt von selbst. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte sich hierfür die Schrift der Icono­ logia des italienischen Gelehrten Cesare Ripa als gängiges Werk etabliert. Darin stand eine Vielzahl abstrakter Begriffe in personifizierter Form zur Verfügung, die durch ihre Attribute als Amerika, Milde, Neid oder Eifer identifizierbar waren. Da Cesare Ripa das Werk explizit als Arbeitshilfe für Prediger anpreist (die ihren rhetorischen Elaboraten dadurch mehr Gehalt verleihen könnten), ist klar ersichtlich, dass Cleopatras Kunstgriff beim Publikum des 18. Jahrhunderts idealiter durch­aus auf Verständnis gestoßen wäre. Was wäre überzeugender als eine Allegorie...?

»PIANGERÒ – MA!« (ATTO TERZO, SCENA IV) Anspielungen, Gesten, das Aufgreifen und Weiterspinnen eines einfallsreichen Gedankens können als Grundlage der Rezeption barocker Kunstwerke verstanden werden. Auch der »Affekt«, die gemäß anerkannten Regeln in Kunst gegossene Gefühlsregung, ist zweifelsohne zu den Voraussetzungen barocken Kunstwollens zu zählen. Was Händel in eindrucksvoll sich dahinschleppenden Lamenti (»... se pietà di me non senti, giusto ciel...«) oder aber in perlenden, vielleicht sogar hysterischen Tonläufen (»Al lampo dellʼarmi questʼalma guerriera vendetta farà!«) seiner Zuhörerschaft vermittelt, findet sich als »Seelenmahlerei« seit Charles

Le Brun als ein Desiderat bildlicher Darstellung: Wie sind die Gefühlsregungen des Inneren in ein bildhaftes Medium zu übertragen? Dass es dabei nicht um Charaktererkenntnis ging (wie sie später der Schweizer Caspar Lavater in Angriff nahm), liegt auf der Hand. Denn das 18. Jahrhundert akzeptiert – der Leibnizʼschen Lehre von der unveränderlichen Monade zum Trotz – den irisierenden Farbenreichtum menschlicher Seelenverfasstheit. Dass dieselbe Cleopatra mitleidserregende Arien wie ironisch-giftige Kommentare über ihren als Liebhaber erfolglosen Bruder in ihrem Charakter (überzeugend!) vereinen kann, beweist ein Denken, das der menschlichen Psyche Variabilität zutraut, abseits eines engmaschigen Schwarz-Weiß-Denkens. Gerade das unmittelbare Aufeinanderprallen der Gefühlsregungen (am eindrücklichsten in der Arie »Piangerò«) macht den Unterschied deutlich zu jenen sittlich einwandfrei verfassten Wesen, die mit dem Anbrechen der Aufklärung im Theater gefordert wurden. Die Guten gut, die Bösen bös. Ein wenig mag in dieser kontrastreichen Darstellung das Erbe der Helldunkelmalerei durchblicken, die das 17. Jahrhundert hervorgebracht hatte. Freilich waren die »Tenebrosi« des 18. Jahrhunderts zu elegant, um die Radikalität ihrer Ahnen um 1600 unkommentiert fortzuführen. Giambattista Piazettas Judith und Holofernes enthält sich der blutrünstigen Drastik Caravaggios oder Artemisia Gentileschis. Aus warmem Dunkel lösen sich bei Piazzetta die Gestalten; der Unhold wie unruhig in seine Träume verstrickt, sie, die Heldin, mit einem beinahe zärtlichen Lächeln. Sie hebt den Vor-

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EINE BAROCKE STILKUNDE IN VIER SZENEN

hang, wird aktiv (so wie ihr Gewand ein aufbrausendes Eigenleben erhält), Liebhaberin, Mörderin. Retterin der Heimatstadt, Verräterin am ihren Reizen erliegenden Feldherrn. Ihr »Ma!« / »Aber!« steht noch aus; aber das Licht, das auf die Linke mit dem Schwert fällt (noch nicht die Rechte!), genügt als Andeutung dessen, was kommen muss. In solcher Schwebe belässt die Kunst des 18. Jahrhunderts den Ausgang der Dinge. Auch wenn der Lauf der Dinge vorhersehbar ist – für einen Moment mögen auch Gefühle hervorbrechen, die die conditio humana nunmal auch kennt. Undurchsichtig.

ten Kriegshelden, feinschmeckerischen Anspielungen im Libretto (die heroische Taten anderer Figuren wie Alexander des Großen in Erinnerung riefen) und einer Ausstattung, die natürlich

»... LA BELLA GIOIA ED IL PIACER...« (ATTO TERZO, FINALE) Als Händel seinen Giulio Cesare schrieb, war das 18. Jahrhundert sozusagen noch jung – und seine Geisteshaltung strebte einem Höhepunkt zu. Ein im katholischen Rom erfolgreicher Protestant, ein von Kardinälen und Eminenzen umschmeichelter Deutscher (wer hätte das für möglich gehalten im radikalen 17. Jahrhundert?) lieferte seinem Londoner Publikum jene Musik, die dieses mit dem Glanz der Ewigen Stadt (der realpolitisch mehr als stumpf geworden war) in Verbindung brachte. Ein Triumph der Phantasie! Keiner, der 1724 seine Sinne beieinander hatte, hätte eine archäologisch-getreue Rekonstruktion des »Bellum Alexandrinum« erwartet. Vielmehr forderte man ein geistreiches Bearbeiten des historischen Rohmaterials – mit Sopranisten als tugendhaf-

CESARE RIPA AMERICA, aus ICONOLOGIA, 1611

nicht dem barbarischen Gusto des hellenistischen Ägyptens verpflichtet war, sondern mit grandezza nach neuester Mode aufwarten konnte. Nicht lange und all diese Erwartungen würden, seitens der Aufklärung, mit heftigen Vorwürfen konfrontiert werden – Vorwürfen, die letztendlich bis heute im Untergrund jener Skepsis schwelen, die man barocker Kunst entgegenbringt. Zu unnatürlich? Zu wenig historisch? Vielleicht. Doch vor dem Hintergrund barocken Lebensgefühls – und in gutmütiger Geduld gegenüber dem überbordenden Esprit einer Epoche – allemal bestens geeignet für schöne Freude und erlesenes Vergnügen.

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CHARLES BURNEY,1785

»HÄNDELS GEWÖHNLICHE MIENE WAR ETWAS FINSTER UND SAUERSEHEND; WENN ER ABER EINMAL LÄCHELTE, SO WAR ES WIE DIE SONNE, DIE AUS EINER SCHWARZEN WOLKE HERVORBRICHT.«


OLIVER LÁNG

EIN VIEL- SCHICHTIGERCHARAKTER GEORG FRIEDRICH HÄNDEL

Im Grunde gehören nur drei Anekdoten zum allgemeinen Legendenbestand in Sachen Georg Friedrich Händel. Erstens: Der junge Händel übt in der Dachkammer gegen den Willen seines Vaters am Clavichord und bringt sich so selbst das Musizieren bei. Zweitens: Der raffinierte Händel überrascht den englischen König Georg I. auf der Themse mit seiner berühmten Wassermusik. Drittens: Der resolute Händel packt eine widerspenstige Sängerin, hängt sie aus dem Fenster und wird so Herr ihrer Kaprizen. Soweit das populäre Allgemeingut. Und doch liegt Georg Friedrich Händel vielen als Person vom Emotionellen her ferner als manch anderer seiner Komponistenkollegen. Obgleich seine Werke, dank der beständigen Oratorienpflege, niemals aufgehört wurden gespielt zu werden, kam es im romantischen Zeitalter, aber auch in der Neuzeit, weniger zur Verklärung dieses Genies. Dort, wo Mozart zwischen Wunderkind, Rüpel und einem Leben in Armut inszeniert wird, wo Beethoven der sture Außenseiter ist, Schubert als Biedermeier-Liedsänger sein Dasein im Liebespech fristet, bleibt Händel ein resoluter Barockmeister mit mächtiger Perücke, der beständig und erfolgreich

gegen Sopranistinnen ficht. Eine populäre, leicht fassbare und eingängige Figur, aber dann doch nicht vollkommen persönlichkeitsdeckend. Dieses Bild liegt, zuallererst, an Händel selbst. Vom Taufbuch über seine Immatrikulation, von Abrechungen und Zeitungsankündigungen, von Gemälden und Stellungnahmen über ihn bis hin zu einer sehr frühen Biografie – man spricht mitunter sogar davon, dass dies die allererste echte Musikerbiografie an sich ist – existiert reichhaltiges Material, das sein Leben, sein Schaffen und seine unterschiedlichen Tätigkeiten belegt. Ein zum Teil tatsächlich lückenlos dokumentiertes Leben also, das nur wenige unscharfe Zeitspannen in seiner Karriere übrig lässt. Händel war, das steht fest, der populärste Komponist seiner Zeit, er war geliebt und gehasst, er wurde von Regenten geschätzt, sein Ruf erstreckte sich über ganz Europa, seine Werke wurden überall gespielt. Und er war, auch das im Gegensatz zu so manchem anderen Tonsetzer, durchaus wohlhabend, wie sein finanzieller Nachlass es beweist. Doch: Von Händel über Händel, oder wenigstens: von Händel über die Welt, über seine Umwelt, existiert praktisch nichts. Trotz aller Forschung ist es

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EIN VIELSCHICHTIGER CHARAKTER

nicht gelungen, ausreichend persönliches Material zu finden, alles, das man kennt, stammt von anderen. Teile der berühmten Biografie von John Mainwaring gehen zwar sicherlich auf seine eigenen Erzählungen zurück, doch ersetzt das nicht das echt Eigene, das Eigenhändige, das Private. Händel war in solchen Dingen über alle Maßen zurückhaltend. Man kennt keine Frauengeschichten, selbst wenn ihm die eine oder andere Affäre nachgesagt wird; es gab keine Mrs. George Frideric Handel, es gibt keinen aufrührerischen Revolutionär, keinen Kirchenstürmer, keinen Anhänger irgendeiner besonderen Richtung. Er hatte kein Laster außer üppiges Essen, so lautet der Befund seines Zeitgenossen, und selbst das gute Speisen und der Genuss von teurem Wein wurden nach und nach im fortschreitenden Alter zurückgenommen. Händel ist also schwer zu fassen, was das Zwischenmenschliche anbelangt. Zu alldem hielt er sich also in selbstbestimmter Distanz; was ihn freilich wiederum interessant macht. Es ist sein Verhältnis zur Macht und zu den Mächtigen, das uns heute, rund 300 Jahre später, beeindruckt: Von frühester Jugend an behauptete er seinen Platz in der Gesellschaft, wusste um sein Können, seine Kenntnisse, seine Stärken. Händel lebte ein System der möglichst weitgestreckten Unabhängigkeit, er legte Wert darauf, seine Verbundenheit mit Regenten und den Adelshäusern nicht zu eng werden zu lassen. So spielte er mehrfach durchaus die Rolle eines Protegés, doch stand er niemals so stark im Sold eines Herrschers, dass ihm nicht ein gewisser Freiraum geblieben wäre. Es klingt fasst ein bisschen anmaßend, wenn man liest, wie

er in seiner frühen Zeit in Deutschland, knapp über 20 Jahre alt, Ferdinando de’ Medici weiszumachen versucht, dass die italienische Kunst – immerhin, und noch vor Paris, das Zentrum der europäischen Kultur – so viel nicht zu bieten habe und das Angebot des Mäzens ausschlägt, gemeinsam mit ihm und auf dessen Kosten das Land zu bereisen. Und wenig später: Das Angebot, als Kapellmeister an den Hof des Kurfürsten von Hannover zu kommen, nimmt er nur unter Zusicherung umfangreicher Urlaubszusagen an, von denen er exzessiven Gebrauch macht. Händels Biografie verliert sich für kurze Zeit im Ungefähren, als er für drei Jahre ins Haus des Earl of Burlington verschwindet und dort in einer Mischung aus Gast und Angestellter Kompositionen fertigt. Zu dieser Lebensepisode ist allerdings anzumerken: Händel nützte die Zeit, um tagtäglich Studien der englischen Musik anzustellen und sich zu vervollkommnen. Man spürt aus all dem eine Zielstrebigkeit: Händel bleibt stets der Selbstbestimmte, der seinen persönlichen Bereich schützt und durchaus weiß, wie weit er sich einem übergeordneten Auftraggeber unterzuordnen hat und unterordnen kann. Gleichzeitig war der Komponist aber klug genug, sich fallweise zu unterwerfen. Seine Geburtstagsode für Königin Anne brachte ihm etwa nicht nur Sympathien, sondern auch eine jährliche Rente von 200 Pfund ein. Dieser bedachtvollen Vorgangsweise steht freilich ein anderes überliefertes Händelbild entgegen, jenes des aufbrausenden Cholerikers, des Tyrannen, mit dem nicht gut zu streiten ist. Sein jugendliches Duell mit dem Kollegen Johann Mattheson, das trotz

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EIN VIELSCHICHTIGER CHARAKTER

aller Freundschaft wegen einer Lappalie (es ging ums Accompagnieren am Cembalo) stattfand und beinahe blutig geendet hätte, seine Streitereien mit den eigensinnigen und aufmüpfigen Künstlern der Oper zeigen einen weit weniger überlegt und überlegen vorgehenden Menschen, also einen, der die Durchsetzung seines Willens als oberstes Gebot ansah und dieses mit gehörigem Nachdruck durchzusetzen versuchte. Dort, wo es aber ohne diese Kraftanstrengungen geht, spürt man den Pragmatiker, der sich den Umständen anzupassen verstand, zwar nicht opportunistisch, aber immer seinem Weiter- und Durchkommen, dem Erfolg seiner Musik verpflichtet. So wurde aus Georg Friedrich Händel der italienische Hendel, ja sogar der Caro Sassone, später der englische George Frideric Handel: er, der neugierige und offene Kosmopolit, konnte sich an äußere Umstände anpassen. Um Nebensächlichkeiten, wie die Wahrung seines Namens, kam es ihm dabei nicht an. Das zeigt sich auch musikalisch. Die Kunstfertigkeit des Komponisten lag eben gerade auch darin, dass er sein Können in die richtigen Bahnen lenken konnte, dass er lernbegierig und lernfähig war. Es erstaunt immer wieder, wie schnell er seinen Stil an die ihn jeweils umgebende Gesellschaft anpasste, wie er in Italien den Stil der herrschenden Kirchenmusik in sein Werk aufnahm, in England durchaus auch Elemente des damaligen örtlichen Geschmacks in seine Werke einfließen ließ. Das war weniger ein Unterwerfen als ein Benützen des Bekannten, um sich seinen Platz und sein Publikum zu sichern, und gerade auch so Höchstpersönliches zu schaffen. KS CECILIA BARTOLI als MADDALENA in THEIR MASTER’S VOICE

Pragmatisch war er auch im Schreiben für einen Anlass, für den Moment: Natürlich gab es Werke wie Giulio Cesare, für die er sich lange Zeit nahm und die er mit größter Sorgfalt ausarbeitete; auf der anderen Seite stehen die schnell hingeworfenen Kompositionen, die er in hoher Geschwindigkeit zu erstellen verstand. Dabei bediente er sich einer Methode, die doch auch bereits in seiner Zeit kritisch hinterfragt wurde. Händel verwendete reichlich musikalisches Material wieder, das er zuvor bereits eingesetzt hatte. Und nicht nur das: Er griff durchaus auch bei Kompositionen anderer Meister zu, entnahm Passagen, manchmal auch komplette Nummern, die er in neuem Gewand als eigene Schöpfung präsentierte. Pragmatisch war er auch, was seine Zuwendung zum Genre des Oratoriums betraf: Als die italienische Oper – und Georg Friedrich Händel war stets ein Theatermensch, der als Komponist, Unternehmer, Dramaturg gerade diese Gattung über alles schätzte – beim Publikum nicht mehr ankam, verlagerte er sein Schaffen widerwillig, aber doch, auf das englische Oratorium, das ihm zu einem zweiten Höhenflug beim Publikum verhelfen sollte. Dennoch bleibt er in vielem schwer zu fassen: Sein trockener Humor, sein Optimismus und seine Tatkraft, was die Umsetzung aktueller Pläne betrifft, seine Neugierde – all das ist nur auf den zweiten oder dritten Blick zu erkennen. Und so war und ist Händel, gerade aus Mangel an privatem Material, an persönlichen Ansichten und Aussagen, an Allzumenschlichem ein stets aufs Neue zu entdeckender Meister – damals wie auch heute.

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OLIVER LÁNG

WIE HANDELS GIULIO CESARE IN EGITTO ENTSTAND Das Trauergedicht, das er zum Tod seines Vaters verfasst, unterzeichnet er bereits mit »Der freyen Künste ergebener«. Da ist Georg Friedrich Händel erst zwölf Jahre alt. Und schon etliches davor, das will sein früher Biograf John Mainwaring wissen, war das Kind bereits der Musik verfallen. So sehr, dass »sein Vater, der ihn immer für das Studium des Zivilrechts vorgesehen hatte, Grund zur Sorge hatte«. Was folgt, ist bekannt: Organist, Musiker und Komponist in Hamburg, am bürgerlichen Opernhaus am Gänsemarkt, dann ein jahrelanger Aufenthalt in den kulturellen Zentren Italiens, in denen sich der Komponist einen klingenden Namen macht. Hendel (wie er sich nun schreibt) wirkt unter anderem in Rom, Venedig, Florenz, lernt und lernt kennen, erlebt und hört viel. Als er schließlich in England ankommt, hat sich sein Stil vervollkommnet. Handel (so schreibt er sich nun) debütiert und brilliert 1711 mit Rinaldo am Londoner Queen’s Theatre, es dauert nicht lang, und der Komponist lässt sich – bestens, auch mit dem Adel und Königshaus vernetzt – dauerhaft in England nieder. Das kulturelle Klima behagt ihn, das Opernleben floriert, wenn auch

mit Unterbrechungen, Hindernissen – und Konkurrenzen. Und er wird zum Unternehmer: 1719 gründen Adelige die Royal Academy of Music, eine Institution, die es sich zur Aufgabe setzte, die italienische Oper in England, insbesondere auch die Opern Händels, zu fördern. Als Leiter wird Händel bestimmt, er hat auch für klingende Namen zu sorgen, denn der Konkurrenzdruck wie auch das finanzielle Risiko sind groß. Also engagiert er Prominenz wie den Kastraten Senesino, Margherita Durastanti oder Francesca Cuzzoni nach London, alles Stars der damaligen Opernwelt. Steht das Unternehmen von Anfang an auf wirtschaftlich wackeligen Beinen, so erstrahlt Händels künstlerischer Stern hell: Die Jahre 1723 bis 1725 dokumentieren eindrucksvoll seine Meisterschaft. Die 1724, also mitten in dieser Phase uraufgeführte Oper Giu­ lio Cesare in Egitto zählt zu seinen berühmtesten, erfolgreichsten und besten Werken überhaupt. Der Weg dahin ist allerdings weit. Bereits 1723 eröffnet Händel die Arbeit an der Oper, auch diesmal (wie des Öfteren) greift er auf ein bestehendes, aber neu bearbeitetes Libretto zurück. Es stammt aus der

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WIE HÄNDELS GIULIO CESARE IN EGITTO ENTSTAND

Feder Nicola Francesco Hayms, eines Cellisten, Komponisten und Librettisten, der gleich mehrere Textbücher für Händel verfasst. Hayms Cesare-Dichtung fußt jedoch auf einem deutlich älteren Libretto, das ursprünglich Giacomo Francesco Bussani für Antonio Sartorio gedichtet hatte und das 1676 in Venedig erstmals aufgeführt wurde. Zwischen dieser 1676er-Fassung und der Überarbeitung durch Haym finden sich zahlreiche, gewichtige Unterschiede: So sind die Arien-Texte zu einem großen Teil neu, die Rezitative wurden gekürzt, die Dramaturgie modernisiert und geändert. Die Gewichtung der Rollen verlagert sich noch stärker hin zu den Hauptpartien, das Komische, das Teil des venezianischen Librettos ist, verliert an Bedeutung, die zentralen Rollen erhalten mehr Musik. Die Wissenschaft hat die in mehreren Schichten übereinandergelegte Entwicklung der Musik Händels sorgsam filetiert und insgesamt sechs große Arbeitsschritte definiert. Diese dokumentieren unter anderem, wie sich der Komponist an der ihm zur Verfügung stehenden Besetzung orientiert hat. Hier zeigt sich auch die Flexibilität der Besetzung der Rollen in puncto Stimmlage bzw. Geschlecht der Darstellenden, aber auch das Bedürfnis, große Namen zu platzieren: Cesare wurde mit dem Kastraten Senesino und Cleopatra mit Francesca Cuzzoni besetzt – wie schon erwähnt: gefragte Künstler der damaligen Zeit. Für den Tolomeo, den letztlich der Altkastrat

Gaetano Berenstadt singt, war ursprünglich der Tenor Alexander Gordon geplant. Berenstadt wäre stattdessen als Sesto (der Sohn Cornelias) vorgesehen gewesen, der aber wurde in der Uraufführung von der Sopranistin Margherita Durastanti gesungen. Diese wiederum hätte eigentlich die Cornelia sein sollen, die bei der Uraufführung von der Altistin Anastasia Robinson verkörpert wird. Was zeigt: Mutter (Cornelia) und Sohn (Sesto), bei der Uraufführung mit Alt und Sopran besetzt, waren eigentlich als Sopran und Alt geplant, also in der Stimmhöhe genau umgekehrt. Die Rochaden gingen weiter, so sang bei Wiederaufführungen der Oper den Sesto ein Tenor. Der große Erfolg am 20. Februar 1724 im King’s Theatre (vormals: Queen’s Theatre) zeigt sich schon an den zwölf folgenden Aufführungen im Uraufführungsjahr. Es kommt 1725, 1730 und 1732 zu Wiederaufnahmen in London. Doch nicht nur in London, auch in Deutschland und Frankreich wird Giulio Cesare noch zu Lebzeiten Händels gegeben. Und nach Jahren der Vergessenheit kehrt das Werk recht früh zurück: Der Musikhistoriker Oskar Hagen bringt 1922 Giulio Cesare in bearbeiteter Form und mit deutschem Text in Göttingen zur Aufführung und schließt damit an die von ihm initiierten Aufführungen von Rodelinda und Ottone an.

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Folgende Seiten: SZENENBILD GIULIO CESARE




ADRIAN MOURBY

AVE CAESAR DIE EREIGNISSE DES JAHRES 48 V. CHR. SIND BEKANNT, EBENSO WIE DIE BEIDEN PROTAGONISTEN

Gaius Julius Cäsar (100-44 v. Chr.) war ein römischer Konsul und populistischer Politiker, der lukrative militärische Siege und die Unterstützung des Mobs nutzte, um seine politischen Ambitionen zu fördern. Er war auch ein großer Schriftsteller, der wie Winston Churchill die Geschichte der von ihm geführten Kriege niederschrieb. Nach einem Exkurs in die ägyptische Politik stand Cäsar kurz davor, sich selbst zum Monarchen/Diktator auf Lebenszeit über eine römische Republik auszurufen, die ihre Freiheit von Herrschern aller Arten schätzte, und er wurde bald darauf ermordet. Kleopatra VII. Thea Philopator (6930 v. Chr.) war 31 Jahre jünger als er und erst 21 Jahre alt, als der 52-jährige Cäsar während einer Unterbrechung der römischen Bürgerkriege in Ägypten eintraf. Sie war sehr intelligent und wahrscheinlich das einzige Mitglied der griechischen Ptolomäer-Dynastie, das Ägyptisch gelernt hatte. Sie behauptete, eine Affäre mit Cäsar gehabt und ihm einen Sohn geboren zu haben. Nach militärischen Niederlagen im folgenden Krieg gegen Rom beging sie Selbstmord. Ihr Sohn, Caesarion regierte Ägypten nur 18 Tage lang, bevor er auf Befehl von Cäsars Erben und

Großneffen ermordet wurde. Das ptolomäische Ägypten wurde daraufhin eine römische Provinz. Es gibt zwei weitere Personen, die in dieser Geschichte eine zentrale Rolle spielen, aber nicht in Giulio Cesare vorkommen – aber wir werden sie später kennenlernen. Sie sind nicht zu übersehen. Fragen wir uns zunächst, wie diese beiden Personen – ein Mann mittleren Alters, der es nicht schaffte, unangefochtener Herrscher Roms zu werden, und eine Frau, durch deren Intrigen ihre Familie die Herrschaft über Ägypten verlor – einen so nachhaltigen Einfluss auf die europäische und amerikanische Kunst haben konnten. Vieles hängt davon ab, von wem das Epitaph verfasst wird. Der griechische Dichter Plutarch hat Gaius Julius Cäsar aus der Geschichte herausgegriffen, um ihm einen didaktischen Zweck zu geben. Plutarchs Parallelbiografien (ursprünglich bekannt als Βίοι Παράλληλοι, oder auf Lateinisch: Vītae Parallēlae) war eine Reihe von 48 Biografien berühmter Männer, die der griechische Philosoph und apollinische Priester wahrscheinlich zu Beginn des zweiten Jahrhunderts nach Christus, lange nach dem Tod Cäsars, schrieb.

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Diese Lebensläufe sind paarweise angeordnet, um Tugenden oder Schwächen großer Männer der Vergangenheit zu beleuchten. Unter den überlebenden 23 parallelen Leben war es Alexander der Große, der Julius Cäsar gegenübergestellt wurde. Diese Paarung gereicht Cäsar zu großer Ehre, denn er wird als nachsichtig gegenüber seinen Feinden dargestellt (im Gegensatz zu Alexander). Ungewöhnlich ist, dass Plutarch nicht auf die Verschuldung Cäsars in seiner Jugend eingeht (was der Dichter normalerweise missbilligte). Auch die moralische Frage, ob die Ermordung Cäsars gerechtfertigt war, wird übergangen und von Plutarch im Leben des Brutus behandelt. Er verschweigt auch die Geschichten über die zahlreichen Mätressen des Konsuls; seine Affäre mit Servilia (der Mutter des Brutus) wird in das Leben des Brutus verlegt, während diejenige mit Kleopatra viel weniger detailliert dargestellt wird als in der Biografie des Marc Anton (dessen selbstzerstörerisches Leben in ungünstigem Kontrast zu dem des makedonischen Feldherrn Demetrius I. Poliorcetes, dem Schöpfer der Kunst des Belagerungskrieges, steht). Mög l icher wei se t at Wi l l ia m Shakes­peare (1564–1616) dem Ruf Cäsars einen noch größeren Gefallen, als er 1599 Sir Thomas Norths PlutarchÜbersetzung plünderte. Diese Version war 1580 veröffentlicht worden und brachte die Geschichten über die verfeindeten Römer in die Welt der elisabethanischen Dramatiker. Nordeuropäische Schriftsteller kannten Figuren der klassischen Antike schon vor Sir Thomas North – Chaucer schrieb über Dido, Cressida und Kleopatra – Plutarchs Parallelbio­

grafien war jedoch die einzige Quelle für Shakespeares drei große römische Stücke: Julius Caesar (1599), Coriolanus (1605–1608) und Antonius und Kleopa­ tra (1607). Nach der Wiedereröffnung der englischen Theater zu Beginn der StuartRestauration (1660) wurde The Tragedy of Julius Caesar 1672 von Thomas Killigrews King’s Company wieder aufgenommen. Dieses Stück war eines der wenigen Shakespeare-Werke, das weder in der Restaurationszeit noch im 18. Jahrhundert überarbeitet wurde – einer Zeit, in der sowohl König Lear als auch Romeo und Julia mit Happy End versehen wurden. Nicht alle römischen Dramen verdankten jedoch ihre Handlung Shakespeare und Sir Thomas North. Georg Friedrich Händel feierte 1724 in London mit seiner Opera seria Giulio Ce­ sare in Egitto einen großen Erfolg. Sie basierte allerdings keineswegs auf Shakespeare, sondern spielte während der Zeit, die Cäsars Bürgerkriegs bezeichnet wird, vier Jahre vor Shakespeares Julius Caesar. Die Handlung, in der Cäsar seinen ehemaligen Verbündeten Pompeius nach Ägypten verfolgt, wo er ihn tot vorfindet – und Kleopatra VII. Thea Philopator sehr lebendig –, stammte aus der Feder von Händels Librettist Nicola Francesco Haym und basierte auf einem Libretto von Giacomo Francesco Bussani, das wiederum von dem venezianischen Komponisten Antonio Sartorio 1676 vertont worden war. Für diejenigen, die Latein lesen konnten, gab es neben Thomas North noch viele andere Quellen. Sowohl Sueton (69-122 n. Chr.) als auch Appian (95-165 n. Chr.) hatten ihre Versionen von Cäsars Leben nach der Veröffent-

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ADRIAN MOURBY

lichung von Plutarchs Parallelbiogra­ fien verfasst, ebenso wie Lucan (39-65 n. Chr.). Dank seiner Italienischkenntnisse konnte Händel auf diese alternativen Erzählungen zurückgreifen. (Es sollte nicht vergessen werden, dass Händel in London trotz seines Geburtsorts und seines dicken hannoverschen Akzents als italienischer Komponist galt). Giulio Cesare war ein großer Erfolg, auch dank der beeindruckenden Präsenz von Senesino als Cäsar und Francesca Cuzzoni als Kleopatra. Obwohl Händels Opern schon vor seinem Tod aus der Mode kamen, lebte die Geschichte von Cäsar in Ägypten in neuen Versionen weiter. Im Jahr 1821 wurde Giovanni Pacinis Vertonung von Giulio Cesare in Egitto am Teatro Argentina in Rom uraufgeführt. Ironischerweise wurde das Teatro Argentina über dem antiken Theater des Pompeius errichtet, in dem Julius Cäsar ermordet wurde. Die Hegemonie der Cäsaren über Rom, von Julius bis Domitian (96 n. Chr.) und darüber hinaus, hatte in Architektur, Malerei und Theater großen Einfluss auf die europäische Kultur. In Gibbons Fall & Decline of the Roman Empire (1772) datiert der englische Historiker den Beginn des Niedergangs auf das Jahr 52 v. Chr., die Zeit, in der Cäsar, Pompeius und Cicero die Republik zerschlugen (und die somit mit Cäsars Involvierung in Ägypten zusammenfiel). Übersetzungen der Werke von Sueton und Appian sowie von Tacitus’ Historiae aus dem viktorianischen Zeitalter hielten den Aufstieg und Fall der Cäsaren fest, wie man sie sich in der europäischen Kultur des 19. Jahrhunderts vorstellte. Epische Gemälde

von der Ermordung Cäsars, der Verbrennung der Christen durch Nero oder von Gladiatoren, die darauf warten, in welche Richtung der Daumen des Imperators zeigt, waren in den viktorianischen Salons beliebt. Die deutschen Könige Preußens nahmen im 19. Jahrhundert den Titel »Kaiser« an, aber die Russen, Bulgaren und Serben hatten schon viele Jahre zuvor »Zar« verwendet, beides abgeleitet von »Caesar«. In London war es ab der Restauration von Charles II. im Jahr 1660 üblich, Statuen der britischen Monarchen mit römischer Rüstung auszustatten; die überhöhende Gepflogenheit endete erst mit dem übergewichtigen George IV., der es vorzog, als schottischer Highlander schmeichelhafter dargestellt zu werden. Im britischen Drama folgten auf William Shakespeares Julius Caesar (1599) George Chapmans Caesar and Pompey (1604), William Alexanders Julius Caesar (1607) und Fletchers und Massingers The False One (1620) über die Begegnung zwischen Cäsar und der jungen Kleopatra. Im Jahr 1642 kam Pierre Corneilles La Mort de Pom­ pée hinzu, und in allen diesen Stücken stand Cäsar im Mittelpunkt. Viele Dramen beschäftigten sich auch mit Kleopatra, einige mit Cäsars Leutnant Marc Anton. John Drydens All for Love (1677) behandelt denselben Stoff wie Shakespeares Antonius und Kleopatra (es geht um Kleopatra, die sich auf die Seite von Cäsars Stellvertreter schlägt), aber Dryden beschränkt die Handlung auf die letzten Stunden von Antonius’ Beziehung zu Kleopatra in Alexandria. Zu dieser Zeit bestand der Wunsch, die Qualität ernster Dramen in den Londoner Theatern zu steigern, und tatsächlich war Drydens emotional

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zurückhaltende Version so erfolgreich, dass sie Shakespeares Stück von der Bühne verdrängte, Antonius und Kleopatra wurde erst 1813 wieder aufgeführt. Shakespeares römische Dramen blieben während des neunzehnten Jahrhunderts im Repertoire und wurden in eine Reihe europäischer Sprachen, darunter auch ins Deutsche, übersetzt. Sowohl Hans von Bülow als auch Robert Schumann schrieben Ouvertüren und Bühnenmusik für Julius Caesar. Im Jahr 1898 schrieb der englischirische Dramatiker George Bernard Shaw, bekannt für seine Liebe zur Provokation, seine Version Caesar and Cleopatra (1898) mit der Absicht, die populäre Vorstellung vom altersmäßig ungleichen Liebespaar zu unterminieren, das durch ein Attentat auseinandergerissen wird. Hier wurden die beiden mit dem für Shaw typischen Witz als Politiker:in – eine jung, einer alt – dargestellt, die versuchen, mit den Gefahren der imperialer Herrschaft umzugehen. Im Gegensatz zu einigen anderen Lehrstücken Shaws erfreute sich Cä­ sar und Kleopatra im 20. Jahrhundert wachsender Beliebtheit. 1945 spielte Vivien Leigh in einem Film von Gabriel Pascal Kleopatra an der Seite von Claude Rains als Cäsar. Die Rolle des Cäsar wurde ursprünglich John Gielgud angeboten, der jedoch ablehnte. (Sir John spielte Cäsar dann in den 1970er Jahren in einer wenig erfolgreichen Verfilmung von Shakespeares Stück, mit Charlton Heston als Antonius.) In Giulio Cesare fehlt eine dritte – und sehr offensichtliche – Figur dieser zeitlosen dramatischen Erzählung. Es

handelt sich natürlich um Marc Anton, einen entfernten Verwandten Cäsars, einen Befehlshaber der Kavallerie und einen begeisterten Anhänger seines Cousins. Antonius war eigentlich Cäsars Vertreter in Rom, während der Konsul sich um Ägypten kümmerte. Marc Anton wäre eine unscheinbare Fußnote in der Geschichte, ein politisch unfähiges Mitglied des Triumvirats, das die Ermordung Cäsars rächen wollte, wäre da nicht seine spätere Beziehung zu Kleopatra. 1951 spielten Vivien Leigh und ihr Ehemann Laurence Olivier sechs Monate lang im Londoner St. James’s Theatre abwechselnd Shaws Cäsar und Kleopatra und Shakespeares Antonius und Kleopatra. Olivier, der es genoss, seine Chamäleonqualitäten einzusetzen, spielte an einem Abend Cäsar und am nächsten Antonius. Sein Cäsar bei Shaw war in erster Linie ein Kopfmensch, ein Politiker und Staatsmann mit schütterem Haar, der seinen Feinden immer zwei Schritte voraus war. Im Gegensatz dazu spielte er Shakespeares Antonius als bärtige politische Naturgewalt, die jedoch von Liebe und Begehren geblendet ist. Leigh gelangt es wunderbar, ihre Kleopatra zwischen den beiden Stücken über Nacht reifen zu lassen, ohne dass sie dazu Gesichtsbehaarung brauchte. Unter den anderen Schauspielerinnen, die Kleopatra spielten, befanden sich die große Sarah Bernhardt 1891 in Cléopâtre von Victorien Sardou (dem Autor von Tosca) und Émile Moreau. Eine der ersten Filmdarstellerinnen war Theda Bara; sie spielte in dem Stummfilm aus 1917, der Shakespeares Antonius und Kleopatra, Moreaus und Sardous Cléopâtre und H. Rider Haggards Roman Kleopatra aus dem Jahr

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1889 miteinander zu verschmelzen versuchte (leider ist von dieser Produktion aus der Zeit vor dem Sittlichkeit bewahrenden Hayes-Code nur sehr wenig erhalten). 1934 spielte Claudette Colbert die Rolle der Cleopatra für Cecil B. DeMille, was dem Regisseur seine erste Oscar-Nominierung für ein Epos einbrachte. Wie später üblich, teilte dieser Film ihr Leben zwischen den Beziehungen zu Cäsar (Warren Willian) und Antonius (Henry Wilcox) auf. Der nicht endenwollende Reiz des Dreiecks Cäsar-Kleopatra-Antonius wurde weder von Shakespeare noch von Händel oder Shaw ausgeschöpft, auch nicht von denen, die in ihre Fußstapfen traten. So, wie sie uns überliefert wurde, bietet ihre Geschichte viel Raum für Interpretationen – und glanzvolle Wiederholungen. Kleopatra ist der Dreh- und Angelpunkt der Erzählung, eine intelligente, sexuell selbstbestimmte Frau, die in ihrer Jugend unter den Einfluss von Gaius Julius Cäsar gerät, dem geschicktesten Politiker und Feldherrn seiner Zeit. Gemeinsam verfügen sie über das Territorium und den Scharfsinn, mit dem sie den Mittelmeerraum hätten beherrschen können, doch bei seiner Rückkehr nach Rom wird Cäsar ermordet. Kleopatra verbündet sich dann mit dem prahlerischen Antonius, einem viel jüngeren Mann, der von Cäsar immer gefördert wurde (jedoch nie sein Protegé war). Die beiden geraten jedoch in Konflikt mit Cäsars Großneffen Octavian, zum Zeitpunkt des ägyptischen Abenteuers erst 17 Jahre alt und später dessen Erbe. Es kommt zum Krieg. Antonius nimmt sich verzweifelt das Leben, weil er überzeugt ist, dass die große Liebe

seines Lebens tot ist, während Kleopatra durch den Biss einer Aspisviper stirbt, weil sie nicht bereit ist, sich von Octavian im Triumph nach Rom bringen zu lassen. Wenn Antonius die dritte Figur in dieser äußerst einflussreichen Geschichte ist, dann ist Octavian die vierte. Gaius Octavius Thurinus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.), auch bekannt als Octavian (und später als Augustus), war der Gründer des Römischen Reiches. Er regierte von 27 v. Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 14 n. Chr. Als Cäsar in Ägypten ankam, war er erst 15 Jahre alt. Dennoch taucht er in beiden Stücken Shakespeares als Gegengewicht zum charismatischen und impulsiven Antonius auf. Octavian, die vierte Figur in dieser machtvollen Geschichte, war erst 19 Jahre alt, als sein Großonkel in Rom ermordet wurde. Nach Ansicht vieler Dramatiker und Romanautoren, die sich mit dieser entscheidenden Zeit in der europäischen Geschichte befasst haben, ist Octavian die eine Hälfte von Cäsar – der große Politiker, dem alle charismatischen Elemente fehlen. Im Gegensatz dazu verkörpert Antonius die charismatischen »Mafia-Boss«-Elemente Cäsars ohne dessen politische Selbstbeherrschung. Diese vier Figuren wurden in einem der größten und schlechtesten Filme aller Zeiten über das Alte Rom vereint. Cleopatra (1963) war das Epos aller Epen und beinahe das Ende aller Großproduktionen. Elizabeth Taylor spielte Cleopatra, Richard Burton Marc Anton, Rex Harrison Cäsar und Roddy McDowall Octavian. Regie bei diesem kostspieligen Film führte Joseph L. Mankiewicz, das Drehbuch ba-

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sierte auf dem Roman des italienischen Journalisten Carlo Maria Franzero Kleopatra – Ihr Lieben, ihre Zeit (1957). Mankiewicz stützte sich auch auf die historischen Werke von Plutarch und auf Suetons Die zwölf Cäsaren (die erste Geschichte, in der Cäsars Epilepsie erwähnt wird). Der Film war so groß und teuer, wie es in den 1960er Jahren nur möglich war. Er war zeitlich und finanziell völlig überdimensioniert und wurde aus PR-Sicht durch die Affäre zwischen Burton und Taylor überschattet. Als der Film schließlich in die Kinos kam, waren viele Leute überrascht, dass Rex Harrison – damals ein viel größerer Name als Burton – überhaupt mitspielte. Nach dem Burton-Taylor-Spektakel hielten sich die Studios mit einer Neuauflage dieser Geschichte zurück, aber eine gute Geschichte lässt sich nicht unterdrücken. 1972 schrieb Charlton Heston das Drehbuch, führte Regie und spielte die Hauptrolle in Antonius und Cleopatra, der an Shakespeares Drama angelehnt war. Der Film erhielt schlechte Kritiken und fand nur begrenzt Verbreitung. 1999 kam die Hallmark-Miniserie Cleopatra, eine Verfilmung des historischen Romans The Memoirs of Cleopa­ tra von Margaret George aus dem Jahr 1997; Timothy Dalton spielte darin Cäsar, Billy Zane war Antonius. Die chilenische Schauspielerin Leonor Varela übernahm die Rolle der ägyptischen Königin. Der Film wurde in Marokko gedreht, wo einige der Kulissen noch heute in den Atlas Studios stehen. In jüngerer Zeit erzählte die HBO/ BBC-Fernsehserie Rom (2005–2007) das Leben von Cäsar, Kleopatra und

Antonius neu, indem sie es mit den Karrieren von zwei einfachen Legionären, Titus Pullo und Lucius Vorenus, verknüpfte. Diese beiden Zenturien gab es tatsächlich – Cäsar erwähnt sie beide in seinem De Bello Gallico – aber ihre Geschichte wurde recht frei nacherzählt. Cäsar (Ciaran Hinds) wird hier als Opportunist dargestellt, der mit seinem Ehrgeiz die Patrizier und die Republikaner bewusst provoziert. Kleopatra ist eine drogensüchtige Neurotikerin aus einer dekadenten Inzuchtgesellschaft und Antonius ist arrogant und ausschließlich penisgesteuert. Dieses Rom unterscheidet sich stark vom Prunk Hollywoods (dessen Kulissen aus den 1960er Jahren durch die Zeit nach Augustus inspiriert wurden). In diesem Rom gab es außerdem eine völlig neue Version für die Abstammung des Caesarion. In den letzten Romanen der Trilogie Cicero (2006-2015) stellte Robert Harris den Untergang der römischen Republik aus der Sicht des Sekretärs des römischen Redners Cicero dar. Cäsar wird wieder einmal als Opportunist in einer Welt eingeführt, die dem Gangster-Rom von HBO sehr ähnlich ist. Die große Stadt ist noch im Aufbau begriffen, während das Geld aus den eroberten Provinzen fließt und die Patrizier sich darum streiten, welche Familie an der Spitze eines zunehmend lukrativen Imperiums stehen soll. Die Kombination von vier so ehrgeizigen Gestalten in einer glamourösen und doch zugänglichen Welt lässt vermuten, dass künftige Generationen das, was Cäsar in Ägypten – und danach – getan hat, weiterhin für ihre eigene Zeit neu erfinden werden.

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Folgende Seiten: KS CECILIA BARTOLI als CLEOPATRA & CARLO VISTOLI als CESARE in GIULIO CESARE




ELISABETH THERESIA HILSCHER

WARUM SAMMELT MAN AUTOGRAMME? ODER: VON JÄGERN UND GEJAGTEN Egal ob am Bühnentürl des Burgtheaters oder der Staatsoper, vor den Künstlergarderoben im Musikverein und im Konzerthaus, aber auch bei diversen Konzerten der Unterhaltungsmusik – überall sind sie zu finden, die Autogrammjäger und -jägerinnen. Sie nehmen es auf sich, stundenlang anzustehen, vom Sicherheits- bzw. Portierdienst oft als »natürliches Feindbild« betrachtet zu werden, um wenigstens eine halbe Minute (oder vielleicht werden es ja doch mehr?) seinem/ihrem »Liebling« ganz nahe sein zu dürfen, ein Autogramm zu erhaschen, vielleicht ein paar Worte zu wechseln und sogar ein kleines Geschenk überreichen zu dürfen. Gibt es den typischen »homo venator autographum«, den typischen Autogrammjäger/die typische Autogrammjägerin? Wahrscheinlich nicht, denn die Beweggründe der »Jagd« sind unterschiedliche. Alle vereint eine große Liebe zu Musik, doch während die einen das Sammeln von Unterschriften in Konzert- oder Opernprogrammen aus reiner Sammellust betreiben, identifizieren sich andere in unterschiedlicher Weise mit »ihrem« Star, »ihrem« Liebling. Letztere sind es, die alle Aufnahmen ihrer »Lieblinge« zu Hause haben, Presseartikel penibel

sammeln, auch Informationen zu Privatem zu erlangen versuchen und nach Möglichkeit zu allen Auftritten reisen, um dann eben beim Bühneneingang treu auf den/die verehrte(n) Künstler/ Künstlerin zu warten und ihn bzw. sie mit kleinen, selbstgemachten Geschenken zu überraschen (solche Geschenke, wie die selbst eingekochte und liebevoll in kleine Gläser verpacken Marmeladen, die Cecilia Bartoli einmal in einem Interview als »Liebesgaben« ihrer Fans erwähnt hat, haben auch andere Musiker und Musikerinnen von ihren Fans schon bekommen). In dieser Verehrung, die nicht nur nehmend (Autogramm), sondern auch gebend (die angesprochenen kleinen Geschenke) ist, liegt, wenn sie aus dem Ruder läuft, durchaus auch Potenzial für Pathologisches – vom Sammeln von »Fetischen« bis hin zu Stalking. Auch von diesen negativen Seiten der Verehrung können viele erfolgreiche Stars – egal, ob aus dem sogenannten U- oder E-Musik-Bereich – ein Lied singen. Diese enge (manchmal zu enge) und spannungsgeladene Interaktion zwischen Star und Fan ist jedoch kein Phänomen unserer Tage bzw. ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Schon die Gladiatoren der römischen Antike hatten ihre »Groupies«, doch lebten

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WA RU M S A M M E LT M A N AUTOGRAMME?

sie (ähnlich K-Pop-Stars heute) in abgeschotteten Gladiatorenschulen und somit gut geschützt vor allzu zudringlichen Fans. Minnesänger bekamen von den von ihnen besungenen hohen Frauen Schleifen und Bändchen, ebenso Ritter von den Damen, für die sie sich in Turnieren mannhaft in den Kampf warfen, wie Wolfram von Eschenbach nicht ohne Witz in seinem Parzival dichterisch ausgeschmückt berichtete. Und die Oper war von je her ein Ort, der Primadonnen und KastratenStars auch vor und nach den eigentlichen Vorstellungen eine »Bühne« bot. Doch anders als im folgenden Jahrhundert hatten diese meist Mäzene und Mäzeninnen, die sie förderten und unterstützten – von Trauben an Verehrerinnen und Verehrern an den Bühneneingängen wird hingegen nicht berichtet, allerdings von durchaus handgreiflich ausgetragenen Beifallskundgebungen der einzelnen »Parteien« der ersten Sängerinnen und Sänger der Häuser. Geradezu legendär wurde der »Krieg« zwischen den rivalisierenden Primadonnen Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni(-Hasse) in London in den 1720er Jahren, in den auch Georg Friedrich Händel hineingezogen wurde. Am 6. Juni 1727 eskalierte der Konflikt auf offener Bühne, wobei sich die beiden Damen nicht nur sehr undamenhaft beschimpften, sondern auch gegeneinander handgreiflich wurden – und auch im Publikum tobte die Schlacht der Pro-Cuzzoni-Anhänger gegen die ProBordoni-Anhänger, wobei auf jegliches englisches Understatement vergessen wurde. Die Entwicklung des Fan-Wesens, wie es auch heute (und nicht nur im

künstlerischen Bereich – man denke beispielsweise an den Sport) praktiziert wird, fällt mit einem Phänomen zusammen, das um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert seine Wurzeln hatte: jenes der »Kunstreligion«. Der deutsche Pastor Friedrich Schleiermacher schuf in seinen fünf Reden Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern (1799 in Berlin erstmals erschienen) die Grundlagen für jene mit religiösen Elementen aufgeladene Atmosphäre, in die Künstlerinnen und Künstler im 19. Jahrhundert als »neue Propheten« wie »Hohepriester und -priesterinnen der Kunst« gehoben wurden. Schleiermachers ursprüngliches Anliegen war es, die Kraft der Kunst (und vor allem der Musik) zu nützen, um die Herzen der Menschen zu öffnen und (wieder) empfänglich für Religion zu machen. Als Pastor störte ihn die Schere, die sich durch die französische Aufklärung zwischen Kirche/ Religion und dem aufgeklärt und rational denkenden Menschen aufgetan hatte. Da diese Menschen das Wort des Predigers/Priesters nicht in seiner Tiefe erreichen könne, bedürfe es der Kunst, um sie wieder emotional zu öffnen und empfänglich für Religion und Religiöses zu machen. Dem Künstler, der in seinem kreativen Prozess des Schaffens direkt mit dem Göttlichen in Kontakt treten würde, wäre nach Schleiermacher prädestiniert, als »neue Priester« in einer durch die Kunst getragenen Religion zu fungieren. »Gibt Gott einem, der in dieser Laufbahn sich bewegt, zu seinem Streben nach Ausdehnung und Durchdringung auch jene mystische und schöpferische Sinnlichkeit, die allem Inneren auch ein äußeres Dasein zu geben strebt, so muß er nach jedem

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ELISABETH THERESIA HILSCHER

Ausfluge seines Geistes ins Unendliche den Eindruck, den es ihm gegeben hat, hinstellen außer sich als einen mitteilbaren Gegenstand in Bildern oder Worten, um ihn selbst aufs neue in eine andere Gestalt und in eine endliche Größe verwandelt zu genießen, und er muß also auch unwillkürlich und gleichsam begeistert – denn er täte es, wenn auch Niemand da wäre – das, was ihm begegnet ist, für Andere darzustellen, als Dichter oder Seher, als Redner oder als Künstler. Ein solcher ist ein wahrer Priester des Höchsten, indem er ihn denjenigen näherbringt, die nur das Endliche und Geringe zu fassen gewohnt sind; er stellt ihnen das Himmlische und Ewige dar als einen Gegenstand des Genusses und der Vereinigung, als die einzige unerschöpfliche Quelle desjenigen, worauf ihr ganzes Dichten [bzw. allgemeiner ihr Schaffen] gerichtet ist [Hervorhebung durch E.Th.H.]. So strebt er, den schlafenden Keim der besseren Menschheit zu wecken, die Liebe zum Höchsten zu entzünden, das gemeine Leben in ein höheres zu verwandeln, die Söhne der Erde auszusöhnen mit dem Himmel, der ihnen gehört, und das Gegengewicht zu halten gegen die schwerfällige Anhänglichkeit des Zeitalters an den gröberen Stoff. Dies ist das höhere Priestertum, welches das innere aller geistigen Geheimnisse verkündet und aus dem Reiche Gottes herabspricht [Hervorhebung durch E.Th.H.]; dies ist die Quelle aller Gesichte und Weissagungen, aller heiligen Kunstwerke und begeisterten Reden […].« (Friedrich Schleiermacher, Über die Religion, 1799, Erste Rede, S. 12). Wollte Schleiermacher die Menschen mittels Kunst wieder zur Reli-

gion führen, verselbstständigten sich seine Theorien in der Folge durch Laizismus, Kulturkampf und den Rückzug der katholischen Kirche aus den aktuellen Entwicklungen unter Papst Pius IX. Statt in die Kirchen »pilgerten« nun die Menschen in die neuen »Tempel der Kunst«, die für den boomenden bürgerlichen Konzertbetrieb in vielen europäischen Städten eigens errichtet wurden. Mit Elementen antiker Tempelarchitektur, Statuen oder Porträtbüsten der sogenannten »Großen« (als neue »Heilige«?) und einer Sitzordnung, die an die in den Kirchen erinnerte, wurden religiöse Elemente in den Kunstbetrieb übernommen. Und dass man nun nicht mehr gesellig plaudern, essen und trinken durfte während der Darbietungen, sondern man ihnen andächtig zu lauschen hatte, verstand sich von selbst, denn das Konzert wurde zum neuen »Gottesdienst«. Wie lautet das Motto des Leipziger Gewandhauses: Res severa verum gaudium – eine ernste Sache ist ein wahres Vergnügen (Seneca); und die neue »Kunstreligion« war eine sehr ernste Sache. In einem Musikbetrieb, in dem die Darbietung also zum »Gottesdienst« geworden war, kam auch den Interpretinnen und Interpreten sowie den Komponisten und Komponistinnen eine neue, quasi-priesterliche Rolle zu. Doch nun tut sich ein interessanter »gender gap« auf. Während Frauen wie Männer in der Rolle als ausführende Künstler als »Hohepriester« auf dem »Altar der Kunst« geschätzt und verehrt wurden, galt dies keineswegs für den Bereich der Komposition, der als Domäne der Männer galt. Wie Ludwig Rellstab es in einer Kritik über ein Konzert der österreichischen Pianis-

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tin Leopoldine Blahetka, bei der diese nicht nur als Pianistin glänzte, sondern auch eigene Kompositionen zu Gehör gebracht hatte, arrogant sinngemäß formuliert, sei es Frauen nur gegeben zu gebären, nicht aber zu zeugen. Sprich: Als Ausführende seien Frauen (unter gewissen Bedingungen und wenn sie nicht Mann und Kinder dadurch vernachlässigen würden) wohlgelitten und durchaus Männern an die Seite zu stellen (aber – Gott bewahre – nicht ihnen gleich!), aber das Komponieren sollten sie doch besser den Männern überlassen. Dieser »gender gap« in der Musikkritik des 19. Jahrhunderts vergrößerte sich, je mehr man in den Norden des heutigen Deutschland blickt, wurde hingegen gegen Süden deutlich geringer und fehlte weitgehend in Italien oder Frankreich. Und auch heute noch sind von Zeit zu Zeit merkwürdig aus der Zeit gefallene, misogyne Töne über Komponistinnen und Frauen am Dirigentenpult zu hören bzw. zu lesen, schwingen aber auch mit, wenn Figur und Aussehen von Künstlerinnen wichtiger bewertet werden als künstlerische Darbietung und Können. Doch zurück zu den verehrten Sängerinnen bzw. Sängern und den Autogrammjägern und -jägerinnen. Dass Musik als Merchandising-Ware Potenzial hat, dass das Publikum des stetig wachsenden Konzert- und Musiktheaterbetriebes nach Stücken giert, die zu Hause an spezielle Musikereignisse und Künstlerbegegnungen erinnern bzw. im Salon den Besuchern die Musikliebe und -kenntnis der Hausfrau augenscheinlich machen lassen, wurde von findigen Kunst- und Musikalienhändlern mit der Entwicklung

des öffentlichen Konzert- und Musiktheaterwesens rasch entdeckt. Schon in den 1780er Jahren entwickelten die Wiener Verleger geschickt diesen Markt und brachten neben Musikalien mit den Bearbeitungen der Hits der eben erst uraufgeführten Opern und Singspiele auch Stiche der beliebtesten Sängerinnen und Sänger heraus, ebenso den Komponisten – oft in an Dynastiestammbäume erinnernde großen Tableaus. Das internationale Publikum, das in Scharen in die Stadt strömte, geschickt für sich nützend, kam es zu einer ersten großen MusikMerchandising-Initiative zur Zeit des Wiener Kongresses 1814/15: Die Verleger warfen ihre Druckpressen an, um die neuesten Tänze in unterschiedlicher Besetzung anbieten zu können, die Komponisten schrieben Unmengen an neuen, neuesten und allerneuesten Tänzen zu den Festen des Kongresses (nicht immer von berückender Qualität) und wiederum waren es Stiche der diversen Feste und deren prominenter Künstler, die als Souvenir und Erinnerungen für Zuhause und die Daheimgebliebenen weggingen wie die sprichwörtlichen »warmen Semmeln«. Und wer es sich leisten konnte, nahm als besondere Erinnerung ein Musikinstrument aus Wien mit, vorzugsweise einen der in dieser Zeit weltberühmten Streicher-Flügel aus der Manufaktur in der Ungargasse. Sich persönlich mit den prominenten Künstlern (beispielsweise Ludwig van Beethoven) der Stadt zu treffen, war jedoch wenigen vorbehalten. Die erste Sängerin, der in Wien geradezu kultische Verehrung zuteil wurde, war Jenny Lind, die »schwedische Nachtigall«, die auf ihren um-

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ELISABETH THERESIA HILSCHER

jubelten Konzertreisen quer durch Europa auch 1846 in Wien Station machte. Ganz Wien lag im sogenannten »Lind-Fieber«: Es gab nicht nur Fächer und Handschuhe mit dem Bildnis der Sängerin, auch eine LindTorte wurde kreiert und man konnte Bänder und Kränze erwerben, um sie der Sängerin bei ihren Auftritten auf die Bühne zu werfen (wen erinnert das nicht an heutige Pop-Konzerte). Selbst der ansonsten so distinguierte Franz Grillparzer widmete ihr in großer Verehrung ein schwärmerisches Gedicht. Jenny Lind Sie nennen dich die Nachtigall Mit dürft’gem Bilderraube; So süß auch deiner Lieder Schall, Doch nenn’ ich dich die Taube; Und bist du Rose, wie du’s bist, Sei’s denn die Alpenrose, Die, wo sich Schnee und Leben küßt, Aufglüht aus dunklem Moose. Du bist nicht Farbe, bist das Licht, Das Farbe erst verkündet, Das, wenn sein Weiß an Fremdem bricht, Die bunte Pracht entzündet. Und spenden sie des Beifalls Lohn Den Wundern deiner Kehle, Hier ist nicht Körper, kaum noch Ton, Ich höre deine Seele. Ganze Horden an vorwiegend jungen männlichen Verehrern begleiteten Jenny Lind nach den Aufführungen zu ihrem Quartier, um dort vor ihren Fenstern ein Ständchen zu bringen.

Ab diesem Zeitpunkt gab es für die Verehrung von Künstlern und vor allem Künstlerinnen in Wien kein Halten mehr, und sie gilt auch als etwas »Typisch-Wienerisches«, diese enge Beziehung zwischen den Wiener Musikbzw. Opern-Fans und »ihren« Stars. Im 19. Jahrhundert waren es v.a. die Jugendlichen und jungen Erwachsenen des gehobenen Wiener Bürgertums, die Kinder der »Ringstraßenbarone«, die sich manchmal wie eine »Leibgarde« sich um ihre Lieblinge scharrten, um sie gegen Angriffe aller Art verbal wie auch brachial zu verteidigen (man denke an die Bruckner-Apologeten, die ihrem »Meister« gegen die »Brahminen« verteidigten oder die – allerdings friedlichen – zahlreichen Damen, die Franz Liszt umschwärmten). Es wurde regelrecht Mode, Künstler-Stammbücher anzulegen, in die man liebevoll die Bilder der Crème de la Crème der Oper und des Konzertbetriebes einklebte (gleichsam wie Fußball-Fans die Bilder ihrer Stars in Panini-Hefte), deren Auftritte gewissenhaft notierte und – natürlich – ein Autogramm des bzw. der Verehrten einholte, vielleicht mit ein paar persönlichen Worten, die dann das Glück der Teenager (nicht nur) der damaligen Zeit ins Unendliche steigerten. Selbst die vielfachen Krisen und Umbrüche des 20. Jahrhunderts konnten in Wien dieser ganz eigenen Beziehung zwischen Künstlerinnen und Künstlern und ihren Fans nichts anhaben. Freilich würde heute niemand mehr Sänger und Sängerinnen in quasi-priesterlicher Funktion im Sinne Friedrich Schleiermachers ansehen, doch Können und Kunstfertigkeit werden hier nach wie vor hochgeschätzt. Doch ein bisschen von Schleicherma-

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chers »Kunstreligion« ist auch heute noch erhalten geblieben: Wenn auch der Merchandising-Sektor sich in den Bereich der Popularmusik verschoben hat, so ist das Sammeln von Erinnerungsstücken großer Sänger- und Sängerinnenpersönlichkeiten nach wie vor hoch im Kurs, wie entsprechende Auktionen und die dabei erzielten Preise zeigen. Sind diese Erinnerungen nun Devotionalien oder gar Reliquien? Oder sind sie für die Sammlerinnen und Sammler einfach Erinnerungen an unvergessliche Abende und per-

sönliche Begegnungen mit prägenden Künstlerpersönlichkeiten? Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück, dem Autogramm-Sammeln. Darf man ruhigen Gewissens auch heute noch Autogramme sammeln? Ist es noch zeitgemäß? Das sollte jeder Sammler bzw. jede Sammlerin sowie jeder Künstler und jede Künstlerin für sich entscheiden. Maß und Ziel sind sicherlich entscheidend. Künstlerinnen und Künstler lieben ihr Publikum ebenso, wie das Publikum sie liebt – vor allem in Wien.

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Folgende Seiten: MAX EMANUEL CENČIĆ als TOLOMEO in GIULIO CESARE




OLIVER LÁNG STELLT...

FUNF FRAGEN AN JOHN MALKOVICH ol

Their Masterʼs Voice dockt an der Barockzeit an. Was interessiert den Schauspieler Malkovich an dieser Epoche? Die Opulenz? Die Musik? Das Theaterspektakel? jm Barockmusik ist so stark und rein, dass man besser nicht gegen sie anspielt. Und das Barocktheater wirkt in einem überlebensgroßen Rahmen, präsentiert Könige und Königinnen, Götter und Göttinnen und versucht mithilfe dieser magischen Welt, die Menschen und ihre verwirrten Herzen zu verstehen. ol Was fasziniert Sie an Michael Sturmingers Stück? jm Wir suchen gemeinsam nach den Momenten, in denen etwas Unerwartetes passieren kann. Wir versuchen, Situationen zu erschaffen, in denen die Figuren Farbe bekennen müssen. Üblicherweise entsteht eine echte Zusammenarbeit zwischen Sängerinnen und Sängern, Schauspielern, Musiker­ innen und dem Leading Team, sodass wir alle unsere Komfortzone verlassen und etwas Unerwartetes kreieren. ol Wie viel von John Malkovich steckt in der Figur, die Sie darstellen?

jm Bei jeder Figur, die man spielt, muss man seinen Körper, seine Stimme, sein Temperament, sein Bauchgefühl, seinen Intellekt, seine Erinnerungen und sein Herz einsetzen. Aber als Michael Sturminger und ich anfingen, über Jeff Himmelhoch zu reden, sind wir auf eine Menge Farbfacetten gekommen, die ich normalerweise nicht so oft verwende. Das führte uns mehr in Richtung Komödie und Ironie, und im Grunde lachten wir über uns selbst, weil wir über unsere eigene lächerliche Eitelkeit, über unsere eigene unglaubliche Naivität und unsere eigene Dummheit lachten. ol In aller Kürze: Was ist Oper? jm Oper ist etwas, das entstehen kann, wenn Musiker, Geschichtenerzählerinnen, bildende Künstler, Bühnenbildnerinnen, Sänger und Schauspielerinnen zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Werk zu schaffen. Das klappt selten auf allen Ebenen, aber wenn es gelingt, ist es unglaublich stark. Wenn jedoch der Sinn für gegenseitigen Respekt und Zusammenarbeit unterdrückt wird, lahmt das Ganze schnell und funktioniert nur noch für Spezialisten, während es anderen seltsam altmodisch vorkommt. 72


JOHN MALKOVICH als JEFF in THEIR MASTER’S VOICE

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Als Schauspieler sind Sie für Ihre faszinierende Unverwechselbarkeit bekannt. Wie erzeugen Sie diese? jm Ich weiß es nicht, denn ich strebe nicht nach Unverwechselbarkeit, und es ist auch keine Eigenschaft, derer ich mir bewusst wäre. Aber wenn Sie an Ihrem Potenzial, sich selbst zu überraschen, interes-

siert bleiben, können Sie eine große Anzahl an Wegen erforschen – und das wird Ihnen wiederum zahllose Wahlmöglichkeiten eröffnen. Wenn die Menschen eine große Abwechslung erleben, während sie Ihnen zuschauen, können Sie ihnen zahllose unerwartete Momente bieten und das Theater bleibt auf diese Weise lebendig ... 73


KORDULA KNAUS

MANNER ALS AMMEN – FRAUEN ALS LIEBHABER CROSS-GENDER-CASTING IN DER OPER 1600–1800

Gegengeschlechtliche Besetzungspraxis ist in den ersten beiden Jahrhunderten der Operngeschichte von einem quantitativen Ausmaß geprägt, mit dem selbst das gegenwärtige experimentelle Musiktheater mit all seinen postmodernen geschlechtlichen Spielvarianten kaum konkurrieren kann. Die Besetzungskonventionen des 17. und 18. Jahrhunderts sind jedoch weder vorsätzlich und von einer besonderen Absicht geprägt, die per se mit dem Geschlechtlichen zu tun hätte, noch sind sie dadurch beliebig und zufällig. Vielmehr sind sie Ausdruck sozialer Rahmenbedingungen und Diskurse, die neben anderem mit der Kategorie Geschlecht verbunden sind. Sie sind geprägt durch geschlechtliche Asymmetrien. Dies ist bereits ersichtlich, als die Gattung Oper entsteht. Die Gesellschaft bestimmt, ob und wann Sängerinnen auf Bühnen auftreten dürfen – eine Diskussion, die bei Sängern (bis auf sehr wenige regionale Ausnahmen) gar nicht geführt wird. Zugleich unterliegt die Darstellung theatralischer Figuren von Beginn an einer Erwartungshal-

tung, die auch geschlechtlich kodiert sein kann, aber nicht für alle Bühnenfiguren in gleichem Maße ist; das bedeutet, dass die soziale Konvention, dass Sänger Frauenrollen übernahmen, nicht prinzipiell hinterfragt wurde, aber für bestimmte weibliche Figuren die Anforderung der spezifisch überzeugenden Darstellung dieser »Weiblichkeit« existierte. Zugleich fehlten aber jene Diskurse, wonach Frauen Frauenfiguren besser darstellen könnten, weil sie Frauen wären. Dieses Denken tritt jedoch auch umgekehrt auf, etwa dort, wo im Sprechtheater Schauspielerinnen Männerfiguren darstellen. Es geht um die überzeugende Darstellung jener »Männlichkeit«, der die Figur unterliegt, nicht per se um das Mannsein. So herrscht auf der Bühne kein Anspruch an »Naturalismus« im Geschlechtlichen, sehr wohl aber ein Anspruch auf eine gelungene »Täuschung« und insofern ein Bewusstsein für die geschlechtlichen Diskrepanzen. Dass sie nicht prinzipiell ausgespielt wurden, hängt zunächst mit den oben genannten sozialen Faktoren zusammen. Dass sie aber durchaus ausge-

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MÄNNER ALS AMMEN – FRAUEN ALS LIEBHABER

spielt werden konnten, zeigt die sich sehr früh etablierende Konvention der vecchia nutrice. Alter und Hässlichkeit werden hier ganz bewusst mit Unweiblichkeit in Verbindung gebracht, die sich theatralisch in der Besetzung durch einen Sänger und die im Vergleich zu anderen weiblichen Figuren tiefere und männlich kodierte Stimmlage mitteilt. Zugleich scheint es bereits im 17. Jahrhundert eine Tendenz dafür gegeben zu haben, andere nicht-komische Frauenfiguren dort, wo sie nicht von Frauen gesungen wurden, mit sehr jungen Sängern zu besetzen. Dass die gesellschaftlichen Restriktionen zunächst das ausschlaggebende Moment für die Besetzungspraktiken des 17. Jahrhunderts sind, verdeutlicht die zunehmende Ablösung von Sängern in Frauenrollen durch Sängerinnen und die Tatsache, dass diese Besetzungspraktiken bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr weitergeführt werden. Sehr bald war die Darstellung von Frauenfiguren durch Sänger keine optimale Lösung mehr und verschwand weitgehend. So hält sich bis ins 20. Jahrhundert einzig die komische alte Frau als für die Darstellung durch Sänger geeignet. Die Kastraten in Frauenrollen in Rom sind wiederum auf soziale bzw. religiöse Restriktionen zurückzuführen. Es kann deshalb festgestellt werden, dass die Übernahme von Frauenrollen durch Sänger aus ästhetischer Sicht zu keiner Zeit eine besonders erwünschte besetzungstechnische Variante war. Sie ist innerhalb misogyner Kontexte zu sehen und verläuft linear entlang der Distinktionen Alter, sozialer Status und Schönheit. Unweiblich (und somit für die Darstellung durch Männer geeignet) sind alte,

niedrig gestellte, hässliche Frauen wie im Falle der vecchia nutrice; unmännlich genug für die Darstellung von Frauenfiguren in Rom waren junge und schöne Kastraten, die Grazie und Eleganz ausstrahlen mussten, um nicht mit Bäckerinnen oder Konditorinnen – also wiederum sozial niedrig gestellten Frauen – verglichen zu werden. Das am Ende des 17. Jahrhunderts vermehrte Auftreten von Sängerinnen in männlichen Bühnenrollen bedingt sich einerseits durch den Wegfall bestimmter Restriktionen, durch die Entstehung eines Marktes und der breiteren Verfügbarkeit gut ausgebildeter weiblicher Sängerinnen in Zusammenhang mit der zu geringen Anzahl entsprechender weiblicher Rollen in den Opernlibretti. Dazu kommt die zunehmende und auch unter den Aspekten von Begehren und Erotik zu sehende Attraktivität von Darstellerinnen in Hosen, die nicht nur in der Oper, sondern auch im Sprechtheater zu bemerken ist. Vorbedingung für diese über fast ein Jahrhundert verbreitete Konvention ist die Komposition vieler männlicher Figuren für hohe Stimmen – die Stimmästhetik ist deshalb das ausschlaggebende Kriterium für besetzungstechnische Entscheidungen. Der auffallend häufige und über diesen langen Zeitraum erfolgende Einsatz von Sängerinnen in männlichen Bühnenrollen lässt jedenfalls die These zu, dass diese nicht bloß als Ersatz für fehlende Kastraten gehandelt wurden, sondern dass sie in der Opera seria von Beginn an eine gleichwertige Alternative zu Kastraten insbesondere (aber nicht nur) für weniger präsente oder wichtige männliche Rollen waren.

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KORDULA KNAUS

Dass sie weniger oft primo uomo-Rollen sangen, kann nicht damit in Verbindung gebracht werden, dass sie musikalisch inferior zu Kastraten gewesen wären, da es für Sängerinnen auch noch die weiblichen Bühnenfiguren zu singen gab und sonst von einer Inferiorität der Kastraten ausgegangen werden müsste. In der Besetzungspraxis gleicht sich damit die Asymmetrie der verfügbaren männlichen und weiblichen Bühnenrollen aus. In der Opera buffa wurden Sängerinnen in den parti serie – also den ernsten Liebhaberfiguren, die für hohe Stimmen geschrieben wurden – häufig den Kastraten vorgezogen, weshalb anzunehmen ist, dass sie für die Darstellung dieser Figuren sowohl im gesamtästhetischen als auch im musikalischen Sinne als beste Lösung empfunden wurden. Auch dies verdeutlicht die Wechselverhältnisse zwischen Kastraten und Sängerinnen, insbesondere da beide in der Opera buffa um 1760 von Tenören verdrängt werden. Es ist erstaunlich, dass sich eben diese Entwicklung im 19. Jahrhundert zweifach wiederholen wird, nämlich im italienischen Melodramma um 1830, als Sängerinnen von Tenören abgelöst wurden, nachdem sie etwa zwanzig Jahre die musico-Rollen dominiert hatten, und in der Operette um 1880, ebenfalls nachdem Sängerinnen etwa zwanzig Jahre vermehrt in männlichen Liebhaberfiguren auftraten. Zudem könnte hier ein weiterer Bogen zum vermehrten Auftreten von Sängerinnen in männlichen Liebhaberfiguren um 1900 (etwa in den Opern Massenets) gespannt werden. Es scheint schwierig (um nicht zu sagen unmöglich), diese zyklischen Wellen mit einem einzigen Paradig-

menwechsel, der sich auf Körperbilder, Körperverständnis und Geschlecht bezieht und bereits in der Einleitung erläutert wurde, erklären zu können. Dass es im 18. Jahrhundert einen Bedeutungswandel der Kategorie Geschlecht gab, der mit einer Biologisierung und Naturalisierung des Geschlechtskörpers einherging, soll hier nicht prinzipiell angezweifelt werden, doch sind weder die Besetzungspraktiken der Zeit davor noch die der Zeit danach sinnvoll damit zu erklären. Ein Bruch zwischen einer Barockoper, in der Besetzungen im Hinblick auf den Faktor Geschlecht vermeintlich beliebig wären, und einer späteren Gattungstradition, in der das Geschlecht der singenden Person mit der jeweiligen Rolle übereinstimmen musste, existiert nicht. Die Besetzungspraxis der Oper vor 1800 operiert dort, wo sie nicht durch soziale und moralische Restriktionen eingeschränkt ist, durchaus mit Erwartungshaltungen und Vorstellungen von Geschlecht. Offenkundig wird das insbesondere in der Frage der Rollentypen. Alle Konventionen gegengeschlechtlicher Besetzung unterliegen einer Typisierung, die in graduellen Abstufungen mehr oder weniger sichtbar und offensichtlich ist. Bereits vordergründig erkennbar ist das für Figuren wie die vecchia nutrice, die vecchia im 18. Jahrhundert, die innamorati der neapolitanischen Commedia oder die Pagenfiguren des 18. Jahrhunderts. Hier werden bestimmte Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit durch die gegengeschlechtliche Besetzung gerade determiniert. Weniger augenscheinlich, aber durchaus bemerkbar ist dies in den Männerfiguren der Opera seria und den Liebhaberfiguren

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MÄNNER ALS AMMEN – FRAUEN ALS LIEBHABER

der Opera buffa, die von Sängerinnen übernommen wurden. Die Figuren der Opera seria agieren beinahe ausschließlich in aristokratischen Kontexten und sind so vergleichsweise homogen. Die zahlreichen immer wieder auftretenden Forderungen nach höfischer Eleganz, Noblesse und Grazie sowie die Idealisierung von Jugend kamen einer Darstellung höfischer Männlichkeit durch Sängerinnen auf der Bühne ebenso entgegen wie den Kastraten. Obwohl Sängerinnen nie sozial niedrig gestellte oder alte männliche Figuren interpretierten, gab es dennoch in sozialer sowie musikalischer Hinsicht ein klares hierarchisches Gefälle im Vergleich zu Männerrollen, die Kastraten oder Tenöre übernahmen. Diese Hierarchisierungen sind allerdings in der Opera buffa nicht vorhanden, weil es nur einen männlichen parte seria gibt, für den zumindest zwischen 1740 und 1760 Sängerinnen als die im Vergleich zu Kastraten oder Tenören bevorzugte Variante aufgefasst werden. Sängerinnen kamen folglich für die Darstellung bestimmter Männerfiguren infrage und zum Einsatz, die Besetzungspraxis war jedoch weitgehend nicht an die Ausschließlichkeit dieser Besetzungsmöglichkeit gebunden beziehungsweise durch sehr rasche Umbrüche gekennzeichnet. In allen gegengeschlechtlichen Besetzungskonventionen, die nicht prinzipiell auf das Verbot von Sängerinnen zurückzuführen sind, zeigen sich somit Interdependenzen der Faktoren Sozialhierarchie, Alter, Schönheit, Geschlecht und Stimmlage. Diese Inter­de­p endenzen ermöglichen die Diskrepanz zwischen dem Geschlecht der Sängerin oder des Sängers und

demjenigen der Rolle, weil der Faktor Geschlecht von anderen überlagert wird. Diese Faktoren sind auch im 19. Jahrhundert tendenziell, aber nicht per se die gleichen. Der größte Unterschied liegt in der neuen Kodierung des Faktors Stimmlage für männliche Liebhaberfiguren, der sich in den oben genannten Wellen in verschiedenen Genres durchsetzt (zuerst in der Opera buffa um 1760, dann im Melodramma um 1830, dann in der Operette um 1880). Wenn höher gestellte männliche Charaktere nicht mehr für Soprane oder Alte geschrieben werden, sondern für Tenöre, verhindert dies das Auftreten von Sängerinnen in diesen männlichen Rollen. Dass der Faktor Stimmlage entscheidend ist, beweist auch der Vergleich der italienischen mit der französischen Operntradition, wo es eben diesen historischen Bruch in der Stimmlage für männliche Liebhaberfiguren nicht gibt und diese deshalb von Beginn an Sängern vorbehalten waren. Nicht zuletzt ist die Änderung der Stimmlagenkodierung in der italienischen Oper auch auf französischen Einfluss zurückzuführen. In weniger privilegierten Positionen bleibt jedoch die gegengeschlechtliche Besetzungspraxis weiterhin in durchaus ähnlicher Form wie vor 1800 erhalten. Der secondo uomo oder der terzo uomo wird (zwar nicht mehr so benannt) als sehr junge Figur weitergeführt und weiterhin mit Sängerinnen besetzt – und zwar sowohl in italienischer als auch französischer Oper sowie in anderen nationalen Traditionen. Auch die »männliche« alte hässliche Frau mit tiefer Stimme taucht gelegentlich im 19. und 20. Jahrhundert noch auf. (Dass sie im Vergleich mit dem 17. und frühen

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Folgende Seiten: SZENENBILD THEIR MASTER’S VOICE




MÄNNER ALS AMMEN – FRAUEN ALS LIEBHABER

18. Jahrhundert wesentlich seltener zu finden ist, hängt mit den dramaturgischen Umbrüchen der Gattung und weniger mit einer Reduzierung gegengeschlechtlicher Praktiken zusammen.) Begründungszusammenhänge für gegengeschlechtliche Besetzungen verändern sich somit nicht prinzipiell im Sinne eines einzigen Umbruchs, der mit einer Neuformulierung der Geschlechterwahrnehmung zu tun hätte. Jedoch wird Kritik an entsprechenden Besetzungspraktiken zunehmend mithilfe dieser Diskurse sowie einer Forderung nach Bühnenrealismus untermauert. Kritik an einer Sängerin in einer männlichen Liebhaberfigur wird mit dem Argument der »Unnatürlichkeit« gestützt. Dies betrifft jedoch wiederum die ernsten Genres mehr als die komischen, wie sich an der Operette zeigt, wo eine Erotisierung der Sängerin in der Hosenrolle den Unterhaltungswert des Genres steigerte. Für die Wahrnehmung und Ästhetik gegengeschlechtlicher Besetzungen vor 1800 ergeben sich Differenzen insbesondere anhand der Unterscheidung ernst oder komisch. Die Darstellung einer ernsten Liebhaberfigur durch eine Sängerin war sowohl in der Opera seria als auch der Opera buffa der überzeugenden Vermittlung höfischer Tu-

genden verpflichtet. Jugendlichkeit und Schönheit waren unterstützende Kriterien; unterschwellig hatte aber sicherlich die Erotik der Frau in Hosen in dieser Zeit einen spezifischen Einfluss auf die Wahrnehmung. Deutlich erkennbar ist dies in den Knaben- und Pagenrollen des 18. Jahrhunderts, die nun explizit für Sängerinnen komponiert werden. Dadurch ergibt sich wiederum eine geschlechtliche Asymmetrie, denn Sänger in komischen Frauenrollen sollten durch ihre übertriebene Darstellungsweise gerade die Unweiblichkeit der Figur betonen – mit subtiler Erotik hatte dies wenig zu tun, eher schon mit derber sexistischer Komik. Einen Sonderfall stellen auch hier die Kastraten in Frauenrollen in Rom dar, die sich durchaus innerhalb eines Raumes von Jugend, Schönheit und Erotik bewegen. Die Besetzungspraxis vor 1800 unterlag somit einem subtilen Netz an Gesetzmäßigkeiten, die – zunächst von externen sozialen Restriktionen bestimmt – sehr rasch bestimmte Männlichkeiten und Weiblichkeiten mit der Konvention der gegengeschlechtlichen Besetzung in Verbindung brachten. Diese Gesetzmäßigkeiten sind vorbehaltlich aller ausgeführten Differenzierungen auch über die Zeit nach 1800 hinaus erstaunlich homogen.

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JOHN MALKOVICH als JEFF & KS CECILIA BARTOLI als MADDALENA in THEIR MASTER’S VOICE


KOPFZEILE


ARNOLD JACOBSHAGEN

FARINELLI & FRIENDS

VIRTUOSE GESANGSKUNST IN DER OPER DES 18. JAHRHUNDERTS

Farinelli & Friends: Die virtuose Gesangskunst in der Oper des 18. Jahrhunderts lässt sich am besten mit dem Namen des berühmtesten Sängers seiner Zeit umschreiben. Tatsächlich waren es weniger die Komponisten und ihre Werke, sondern vor allem die Sängerinnen und Sänger, für die sich das Opernpublikum damals (wie heute) interessierte. »Farinelli« war der Künstlername von Carlo Maria Michelangelo Nicola Broschi (17051782), dem berühmtesten aller Kastraten und einem der der ersten musikalischen Weltstars im modernen Sinne. Er entstammte einer wohlhabenden apulischen Familie aus dem Amtsadel, in der die Musik eine herausgehobene Rolle spielte. Sein musikliebender Vater Salvatore Broschi bekleidete Ämter als Bürgermeister und Gouverneur, sein älterer Bruder Riccardo Broschi war ein erfolgreicher Komponist, und Carlo sollte von Kindheit an Sänger werden. Als solcher konnte man in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nur mit einer sehr hohen Stimme wirklich reüssieren. Tenöre und Bässe spielten indes in der Opera seria dieser Zeit eine geringere Rolle. Bald nach seiner um 1714 vollzogenen Kastration nahm Carlo Broschi

eine Gesangsausbildung bei dem berühmten Komponisten und Gesangspädagogen Nicola Porpora (1686-1768) in Neapel auf, mit dem er fünf Jahre lang studierte. In dieser Zeit lebte er als Gast in der angesehenen Magistratsfamilie Farina, der er auch seinen Künstlernamen »Farinelli« verdankt. Sein Operndebüt feierte Farinelli 1720 in Rom in Porporas Angelica e Medoro. Das Libretto zu dem Werk schrieb der spätere Wiener Hofdichter Pietro Metastasio, mit dem Farinelli zeitlebens eng befreundet war. Von allen Komponisten dieser Zeit war sein Lehrer Porpora mit Farinellis Stimme wohl am besten vertraut, denn nach seiner Ausbildung hatte er den Sänger auch in wesentlichen Stationen seiner Karriere begleitet. So konnten Porpora und Farinelli zahlreiche weitere gemeinsame Erfolge in Rom (La Festa d’ Imeneo, 1723), Neapel (Semiramide, 1724) und London Poli­ femo (1736) feiern, um nur drei Glanzpunkte aus der Zusammenarbeit beider Künstler in unterschiedlichen europäischen Opernmetropolen zu erwähnen. Auch Riccardo Broschi konnte in vielen seiner Opern auf die Mitwirkung seines Bruders Farinelli zählen, und beide wurden gemeinsam 1730 in die

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FA R IN ELLI & FR IEN DS

ehrwürdige Accademia Filarmonica in Bologna aufgenommen. Besonders nachhaltigen Erfolg hatten seine für Farinelli geschriebenen Opern Idaspe (1730), Ezio (1731) und Merope (1732). Neben Porpora und Riccardo Broschi war auch der erfolgreiche Komponist Johann Adolph Hasse (1699–1783) jahrzehntelang ein wichtiger Partner Farinellis, mit dem er persönlich sehr eng befreundet war. Wenngleich Farinelli an allen großen Theatern Italiens Triumphe feierte, erwarb er seinen größten Ruhm außerhalb der Heimat. In Wien wurde er 1732 zum Hof- und Kammersänger ernannt und erhielt vom Kaiser eine lebenslange Rente. In London stellte er in den Jahren 1734 bis 1737 an der »Opera of the Nobility« das konkurrierende Opernunternehmen Georg Friedrich Händels in den Schatten. Und in Madrid linderte er in den hierauf folgenden beiden Jahrzehnten durch seinen Gesang nicht nur die Depressionen des Königs Philipp V., sondern erlangte auch politisch bedeutenden Einfluss am spanischen Hof. Mit seinem Namen verbindet sich somit auch die Vorstellung der heilenden Kraft der Musik: Farinelli war gewissermaßen der erste Musiktherapeut in der Geschichte. Farinelli wurde häufiger porträtiert als jeder Komponist seiner Epoche, und sein Reichtum ermöglichte ihm einen fürstlichen Lebensstil, den Erwerb großzügiger Villen und die Sammlung bedeutender Gemälde. Diesen Erfolg verdankte er seiner gewaltigen und zugleich überaus beweglichen Stimme, die einen Umfang von dreieinhalb Oktaven hatte und damit sowohl die Sopran- wie auch die Mezzo-, Alt- und hohe Tenorlage umfasste. Die äußerst anspruchsvollen Gesangspartien, die

für seine Stimme komponiert wurden, können aufgrund des gewaltigen Stimmumfangs heute nur wenige Sängerinnen und Sänger (Countertenöre) technisch bewältigen. Diese hochvirtuosen Opernpartien geben uns eine Vorstellung über die Gesangskunst der Kastraten des 18. Jahrhunderts.

DIE KUNST DES KASTRATENGESANGS In der abendländischen Kunstmusik ist der Einsatz von Kastratenstimmen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts belegt. Da in der Kirchenmusik aufgrund der apostolischen Doktrin »Mulier taceat in ecclesia« (»Die Frau schweige in der Kirche«) jahrhundertlang keine weiblichen Stimmen zugelassen waren, wurden die hohen Stimmen je nach den regional, institutionell und konfessionell sehr unterschiedlichen Gebräuchen mit Knaben, Falsettisten, Countertenören oder Kastraten besetzt. Letztere waren, sofern sie zur Verfügung standen, den anderen hohen Männerstimmen hinsichtlich des Umfangs und der Durchschlagskraft ihrer Stimmen weit überlegen. In der geistlichen Musik der päpstlichen Kapelle kamen Kastraten noch bis ins frühe 20. Jahrhundert zum Einsatz, und von dem »letzten Kastraten« Alessandro Moreschi (1858–1922) sind sogar noch zahlreiche solistische Tonaufnahmen überliefert. Über die Kunst der Kastraten kursieren zahlreiche Legenden, die in der Musikforschung in jüngster Zeit kritisch hinterfragt worden sind. Die Besonderheit ihres Gesangs beruht nicht allein auf der hohen Stimmlage, und das Ausbleiben des Stimmbruchs war keineswegs die einzige musikalisch bedeutsame physiologische Aus-

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wirkung der im Knabenalter durchgeführten Operation. Darüber hinaus beeindruckten ihre Stimmen vor allem durch eine souveräne Registerkontrolle sowie die Fähigkeit, auf einen einzigen minutenlangen Atem ausufernde Koloraturketten und lang anschwellende Noten eindrucksvoll auszusingen. Hierfür waren sowohl anatomische Vorzüge als auch eine vorzügliche Gesangsausbildung ausschlaggebend. Da infolge der Kastration das männliche Sexualhormon Testosteron nicht ausgebildet wurde, setzte sich das Körperwachstum bis ins Erwachsenenalter fort, weswegen Kastraten zumeist überdurchschnittlich groß waren. Sie besaßen einen vergrößerten Brustkorb und gewaltige Lungen, die ihnen einen deutlich verlängerten Atemfluss und somit die Gestaltung ausgedehnter Gesangsphrasen und Koloraturen ermöglichten. Zudem konnten sie die Gesangsausbildung bereits in jungen Jahren aufnehmen und kontinuierlich durchlaufen, ohne durch den Stimmbruch beeinträchtigt zu werden. Die unwiderrufliche und sehr riskante Operation im Knabenalter diente immer nur einem einzigen Ziel: der Perfektionierung der Gesangskunst. Bezeichnenderweise lautete die offizielle Bezeichnung für den Gesangskastraten damals »Musico«, denn er verkörperte den Musikerberuf in höchster und zugleich schicksalhafter Vollendung. Die Vorstellung, dass Kastraten vor allem Frauenrollen gesungen hätten, ist ebenfalls ein verbreiteter Irrtum: Tatsächlich galt dies nur für Rom und den Kirchenstaat, wo es Frauen nicht erlaubt war, im Theater aufzutreten. Auch stammten keineswegs alle Kas­ traten aus armen Familien, die sich einen sozialen Aufstieg und eine bessere

Zukunft erhofften. Die illegale Operation war jedoch kostspielig und wurde nur an bestimmten Orten vollzogen. Vor allem bedurfte es für eine Gesangskarriere in der Oper einer langjährigen und hochspezialisierten Ausbildung, die ebenfalls nicht ohne weiteres zu haben war. Tatsächlich kamen zahlreiche Kastraten aus durchaus wohlhabenden und musikliebenden Familien, wie das Beispiel Farinellis lehrt.

GENDERN IN DER OPERA SERIA Die musikalische Gattung, die wie keine zweite die Gesangskunst der Kastraten zur Geltung brachte, war die Opera seria (»ernste Oper«), die im 18. Jahrhundert ihre Blütezeit hatte und an den führenden Opernhäusern in ganz Europa verbreitet war. In ihr herrschte die virtuose Gesangskunst des Belcanto, in der es auf hohe, bewegliche und äußerst differenzierungsfähige Stimmen ankam. Frauenstimmen waren in der Oper zu allen Zeiten äußerst begehrt – zumindest außerhalb des Kirchenstaates. Berühmte Primadonnen wurden in gleicher Weise wie Kastraten als Stars gefeiert, und auf der Bühne rivalisierten sie mit ihnen in der Kunst des »schönen Gesangs« (Belcanto). Ob eine bestimmte Rolle von einer Sängerin oder einem Kastraten verkörpert wurde, war oft nur von untergeordneter Bedeutung: Frauen konnten weibliche ebenso wie männliche Partien darstellen, und Kastraten traten außer in männlichen vor allem in Rom und im Kirchenstaat auch in weiblichen Rollen auf. Sofern keine Kastraten verfügbar waren, was im Laufe des 18. Jahrhunderts immer häufiger der Fall war, wurden Frauenstim-

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men eingesetzt und erforderlichenfalls Änderungen in der musikalischen Gestaltung vorgenommen. Wenn heute Cecilia Bartoli die Paraderollen Farinellis interpretiert, reiht sie sich also durchaus im Sinne einer historischen Aufführungspraxis in diese gesangshistorische Entwicklung ein. Auch die Wissenschaft der Gesangskunst nahm in Italien im 18. Jahrhundert einen bedeutenden Aufschwung. Waren bis dahin nur wenige bedeutende Gesangstraktate erschienen, so kamen nun immer mehr Bücher über das Singen auf den Markt. Nicht von ungefähr wurden die wichtigsten italienischen Gesangslehrwerke des 18. und auch noch des frühen 19. Jahr­ hunderts von hervorragend ausgebildeten Kastraten wie etwa Pier Francesco Tosi (1723), Giovanni Battista Mancini (1774), Giuseppe Aprile (1795) oder Girolamo Crescentini (1812 ) verfasst. Nach ihren Grundsätzen wurde in ganz Europa unterrichtet, und es verbreitete sich schnell die Vorstellung, dass die italienische Schule des Belcanto den Inbegriff der höchsten Vokalkunst bezeichnete. Kastraten und Primadonnen standen dabei gleichermaßen im Zentrum sängerischer Virtuosität und Koloraturfertigkeit. Der allmähliche Niedergang des Kastratengesangs ging im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert mit einem musikgeschichtlichen Transformationsprozess einher. Die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Hintergründe für diesen Umbruch reichen weit ins 18. Jahrhundert zurück. Im Zuge der europäischen Aufklärung ging die Zahl der Kastrationen von Knaben in Italien stark zurück. Eine wesentliche Zäsur bedeutete die Besatzung Italiens unter Napoleon ab

1796, denn an allen Theatern Italiens wurden während der französischen Herrschaft Kastratenverbote verhängt. Zwar waren diese Auftrittsverbote nicht von Dauer, und manche Impresari konnten je nach den lokalen Gegebenheiten wieder männliche Sopranisten unter Vertrag nehmen. Luigi Marchesi, Girolamo Crescentini und Giovanni Battista Velluti waren die letzten Opernkastraten von Weltrang. Nachdem seit 1806 am Konservatorium von Neapel die Ausbildung von kastrierten Sängern verboten worden war, gab es für diese Gesangstradition keine Zukunft mehr. Allerdings beschäftigten auch einige deutsche Höfe noch im frühen 19. Jahrhunderts Kastraten. So lernte beispielsweise Richard Wagner in seiner Kindheit in Dresden den dort angestellten Sopransänger Filippo Sassaroli kennen, der bis zur Auflösung der italienischen Hofoper 1832 regelmäßig in Opernrollen auftrat und gefeiert wurde. Die rückläufige Verfügbarkeit von Kastraten hatte notwendigerweise das Aufkommen alternativer Besetzungskonzepte in der Oper zur Folge. Erst relativ spät setzte sich hierbei die Stimme des Tenors durch, der erst ab etwa 1830 als Opernheld unverzichtbar wurde. Vielmehr wurden die Kastraten zunächst durch Sängerinnen in entsprechender Stimmlage ersetzt: Die »Prima donna da musico« in Sopran-, Mezzo- oder Altlage verdrängte allmählich den »Musico« in den männlichen Helden- und Liebhaberrollen. So sind beispielsweise die männliche Titelpartie in Gioachino Rossinis Tancredi (1813) und auch noch der Romeo in Vincenzo Bellinis I Ca­ puleti e i Montecchi (1830) für eine weibliche Mezzosopranistin konzipiert.

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Die gleichgeschlechtliche Besetzung des zentralen Liebespaares durch zwei Frauen war damals in diesen und zahlreichen anderen Opern des damaligen Repertoires in Italien weiterhin völlig üblich.

SOPRAN, MEZZO, ALT ODER COUNTERTENOR? In der Gegenwart hat sich ein neuer Sängertypus etabliert, der für die Besetzung von Kastratenpartien in Opern zunehmend in den Fokus gerückt ist: Der Countertenor. Für große Teile der musikbegeisterten Öffentlichkeit ist der Countertenor heute nachgerade zum Inbegriff historisch informierter Aufführungspraxis von Vokalmusik des Barockzeitalters geworden. Dabei wird allerdings oftmals übersehen, dass es den hochvirtuosen Koloratur-Falsettisten, wie ihn heute zahlreiche herausragende Interpreten international verkörpern, als historisches Stimmfach in der italienischen Barockoper nicht gab. Die hohe Falsettstimme (umgangssprachlich »Kopfstimme«) der Countertenöre lässt sich nicht nur klanglich, sondern auch physiologisch von der Modalstimme (der »natürlichen« oder »Bruststimme«) unterscheiden, denn beide Register basieren auf unterschiedlichen stimmmechanischen Prinzipien: Während im Modalregister die Stimmlippen vollständig schließen, kommt es im Falsett nur zu einem unvollständigen Glottisschluss. Die Klangunterschiede der Register spiegeln sich auch in der Bezeichnung »falsetto«, also der falschen, auch als »voce finta« bezeichneten fingierten bzw. »unnatürlichen« Stimme,

gegenüber der als »natürlich« angesehenen volltönenden Modalstimme. Dieser Auffassung zufolge besaßen die Kastraten »natürliche« Stimmen, weil sie sich – ebenso wie weibliche Stimmen – auch in der Höhe des Modalregisters bedienen konnten. Jüngste stimmwissenschaftliche Untersuchungen haben zwar gezeigt, dass sich ein langjährig geschultes Falsettregister als »gespanntes Bühnenfalsett« klanglich und physiologisch einem Modalregister weitgehend angleichen kann, und einige Countertenöre haben tatsächlich außergewöhnliche technische Fertigkeiten entwickelt. Die heute weit verbreitete Praxis, für Kastraten geschriebene Opernrollen mit Countertenören zu besetzen, hat sich erst in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt und ist weiterhin nicht unumstritten. Sie ist ebenso wie der Einsatz von Frauenstimmen eine mögliche, aber nicht die einzige Besetzungsoption für heutige Opernaufführungen. So kann es zwischen Sängerinnen und Countertenören durchaus zu einem künstlerischen Wettstreit kommen, der eine wichtige Facette der gegenwärtigen Faszination für die Barockoper ausmacht. Und wenn Cecilia Bartoli gemeinsam mit den Sängerinnen Varduhi Abrahamyan, Julie Fuchs, Ann Hallenberg, Regula Mühlemann und Anne Sofie von Otter auf die sehr hohen Männerstimmen der Countertenöre Max Emanuel Cenčić, Kangmin Justin Kim und Carlo Vistoli trifft, denen mit Maxim Mironov und Rolando Villazón zwei Tenöre sowie der Bariton Péter Kálmán zur Seite stehen, so zeigt sich darin die ganze Vielfalt der Gesangskunst der barocken Oper.

PHILIPP MATHMANN als LUKAS & EMILY COX als ROSIE in THEIR MASTER’S VOICE


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IMPRESSUM

BAROCCHISSIMO SPIELZEIT 2023/24 Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ Musikdirektor PHILIPPE JORDAN Kaufmännische Geschäftsführerin DR. PETRA BOHUSLAV Redaktion SERGIO MORABITO, ANDREAS LÁNG & OLIVER LÁNG Gestaltung & Konzept EXEX Layout & Satz IRENE NEUBERT Lektorat MARTINA PAUL Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUKTIONS GMBH, BAD VÖSLAU TEXTNACHWEISE / ORIGINALBEITRÄGE Andreas Láng & Oliver Láng im Gespräch mit Cecilia Bartoli: Musik, die berührt / Oliver Láng im Gespräch mit Gianluca Capuano: Der Shakespeare der Musik / Andreas Gamerith: Eine barocke Stilkunde in vier Szenen / Oliver Láng: Wie Händels Giulio Cesare entstand / Adrian Mourby: Ave Caesar (Übersetzung Andrew Smith) / Elisabeth Theresia Hilscher: Warum sammelt man Autogramme? / Arnold Jacobshagen: Farinelli & Friends ÜBERNAHMEN Opéra de Monte-Carlo: Die Handlung Giulio Cesare (englische Version von Jane Dziuba, Übersetzung Andrew Smith) / Michael Sturminger: Die Handlung Their Master’s Voice (Übersetzung Andrew Smith) / Oliver Láng: Ein vielschichtiger Charakter (Übernahme aus dem Alcina-Programmheft der Wiener Staatsoper, 2010) / Fünf Fragen an John Malkovich (erstmals erschienen im Magazin Opernring 2, Ausgabe Juni 2024) / Kordula Knaus: Männer als Ammen – Frauen als Liebhaber, aus: Kordula Knaus, Männer als Ammen – Frauen als Liebhaber. Cross-gender Casting in der Oper 1600–1800. Archiv für Musikwissenschaft – Beihefte Band 69. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2011 © 2011 Franz Steiner Verlag GmbH, Stuttgart, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags BILDNACHWEISE Cover­bild: Gabriele Picco, »Cloud«, Fiat 500, fiberglass / Bildkonzept Cover: Martin Conrads, Berlin / Alle Szenenbilder: © OMC – Marco Borrelli akg-images: S. 40, 43, 44, 46 Nachdruck nur mit Genehmigung der Wiener Staatsoper GmbH / Dramaturgie. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.



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