Programmheft »Lady Macbeth von Mzensk«

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LADY MACBETH VON MZENSK → Oper in vier Akten Musik Dmitri Schostakowitsch Text Alexandr Preis & Dmitri Schostakowitsch nach Nikolaj Leskow Orchesterbesetzung Piccoloflöte, 2 Flöten (2. auch Altflöte und Piccoloflöte), 2 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagwerk, 2 Harfen, Celesta, Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass Bühnenmusik 7 Trompeten, 2 Hörner, 2 Posaunen, 2 Tenorhörner, 2 Tuben Spieldauer 3 Stunden 15 Minuten (inkl. 1 Pause)

Uraufführung der 1. Fassung: 22. Jänner 1934, Maly-Theater, Leningrad Diese Fassung wurde vom Komponisten ein Jahr nach der Uraufführung überarbeitet. Uraufführung der erneut überarbeiteten Oper unter dem Titel Katerina Ismailowa: 8. Jänner 1963, Stanislawski-Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater, Moskau Erstaufführung der Katerina Ismailowa an der Wiener Staatsoper: 12. Februar 1965 Erstaufführung der 1. Fassung an der Wiener Staatsoper: 23. Oktober 2009




DIE HANDLUNG Die junge, aus armen Verhältnissen stammende Katerina Ismailowa wurde unglücklich mit dem reichen Provinzkaufmann Sinowi verheiratet. Nach fünf Jahren ist die Ehe immer noch kinderlos, und Katerina leidet unter der fehlenden Zuwendung ihres Ehemannes. Die tagtäglichen Vorwürfe und Anzüglichkeiten ihres tyrannischen Schwiegervaters Boris, der die eigentliche Oberaufsicht über den Familienbetrieb hat, setzen der jungen Frau ebenfalls zu. Durch die Einstellung des Knechtes Sergej wird der quälende alltägliche Trott allerdings jäh unterbrochen. Obwohl man Katerina vor Sergej warnt und sie sogar Zeugin wird, als dieser an einer Massenvergewaltigung teilnimmt, verfällt sie ihm vollständig. Der Umstand, dass Sinowi für längere Zeit außer Haus ist, ermöglicht Sergej und Katerina zahllose gemeinsame ungestörte Liebesnächte. Eines Abends werden die beiden jedoch von Boris überrascht, der Sergej daraufhin wutentbrannt öffentlich auspeitscht. Angesichts dieses grausamen Vorganges beschließt Katerina Boris zu töten und serviert ihm ein mit Rattengift vermengtes Pilzgericht, das dieser mit großem Appetit verspeist. Kurz darauf stirbt Boris. Die beiden Liebenden Katerina und Sergej werden eines Nachts vom heimkehrenden Sinowi überrascht. Sie bringen ihn kurzerhand um und verstecken seine Leiche im Keller. Einige Zeit später beschließen Katerina und Sergej zu heiraten und veranstalten ein großes Hochzeitsfest. In der Zwischenzeit findet ein betrunkener Bauer die Leiche Sinowis und alarmiert die Polizei, die die Hochzeitsfeierlichkeiten unterbricht und Sergej und Katerina verhaftet. Trotz Sergejs und Katerinas Verurteilung zur Zwangsarbeit bleibt Katerinas Liebe zu Sergej weiterhin aufrecht. Dieser sucht hingegen die Gunst von Sonjetka, einer Mitgefangenen. Als Katerina bemerkt, dass Sergej sie hintergeht, tötet sie sich und ihre Nebenbuhlerin.

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DIE H A N DLU NG

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SYNOPSIS The young Katerina Ismailova, from a poor background, is unhappily married to the rich provincial merchant Zinoviy. After five years, their marriage has produced no children, and Katerina is troubled by the lack of affection her husband shows her. The daily reproaches and lewdness of her tyrannical father-in-law Boris, who is the real supervisor of the family business, also trouble the young woman. When the farm labourer Sergey is taken on, the excruciating plod of daily life suddenly changes. Although Katerina is warned about Sergey and even witnesses his participation in a group rape, she falls completely under his spell. The fact that Zinoviy must go away for some time gives Sergey and Katerina the opportunity to spend numerous uninterrupted nights together. One evening, however, the two are surprised by Boris, who then has Sergey publicly flogged. Unable to tolerate this cruel treatment, Katerina determines to kill Boris; she serves him a mushroom dish mixed with rat poison, which he eats with great relish. Shortly thereafter, Boris dies. The two lovers, Katerina and Sergey, are awakened one night by Zinoviy, who has returned home. Without further ado, they kill Zinoviy and hide his body in the cellar. Some time later, Katerina and Sergey decide to get married and arrange a big wedding feast. During the festivities, a drunken peasant stumbles on the body of Zinoviy and alerts the police, who interrupt the wedding ceremony and arrest Sergey and Katerina. Despite the fact that Sergey and Katerina are sentenced to forced labour, Katerina’s love for Sergey is unwavering. Sergey, however, seeks the favours of Sonyetka, a fellow prisoner. When Katerina realizes that Sergey is deceiving her, she kills herself and her rival.

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SY NOPSIS


ÜBER DIESES PROGRAMMBUCH

Die Uraufführung von Dmitri Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk im Jahr 1934 war ein triumphaler Erfolg: Die ironische, zugespitzte, aber auch berührende Musik ließ Publikum wie Presse jubeln, der ungeschminkt-harten Geschichte von Unterdrückung, Hingabe und Mord vermochte man sich nicht zu entziehen. Doch Lady Macbeth von Mzensk steht auch für den Leidensweg Schostakowitschs, der durch diese Oper bei Stalin in Ungnade fiel: Sie entsprach nicht den politisch-ästhetischen Vorgaben, durfte nicht mehr gespielt werden – und der Komponist schwebte in Lebensgefahr. Ausschnitte aus Schostakowitschs Schriften (S. 30 und 38) als auch die von Stalin verfasste oder zumindest veranlasste vernichtende Kritik in der Prawda (Seite 62) sind in diesem Programmbuch ebenso zu lesen wie Anmerkungen zum kulturpolitischen Umfeld der Uraufführung (Rainer Traupel ab Seite 46 und Bernd Feuchtner ab Seite 54). In zwei Interviews zeigen Alexander Soddy, der Dirigent der Wiederaufnahme, und der Regisseur Matthias Hartmann ihre Zugänge zu dem Werk auf (ab Seite 8 bzw. 14). Schlaglichter auf die literarische Vorlage und das Libretto wirft Joachim Reiber ab Seite 20, Angelika Niederberger beschreibt die Entstehungsgeschichte der Oper (ab Seite 32) und vergleicht ab Seite 42 die unterschiedlichen Fassungen des Werks. Manfred Mugrauer widmet sich ab Seite 70 den Besuchen des Komponisten in Wien.

→ KS Angela Denoke als Katerina, 2009

Ü BER DIE SE S PROGR A M MBUCH

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DIE ESSENZ DER KUNST Oliver Láng im Gespräch mit dem Dirigenten Alexander Soddy

Sehr gerne würde ich mit einer ganz allgemeinen Frage anfangen. Von Karl Popper gibt es den berühmten Satz: »Alles Leben ist Problemlösen«. Gilt das auch für Dirigentinnen und Dirigenten? Im Sinne von: »Alles Dirigieren ist Problemlösen«? Wenn ich Popper richtig verstehe, meinte er den Satz in Richtung von Versuch und Irrtum – was natürlich auch beim Dirigieren zutreffend ist. Doch haben wir eine besondere Situation, die immer wieder übersehen wird: Ungefähr 90 Prozent unserer Arbeit findet am Schreibtisch statt. In dem Moment, in dem wir eine Partitur aufschlagen, eröffnen wir einen komplexen Prozess: Wir lesen aus den Noten Informationen heraus, analysieren das Werk, lauschen auf unsere Empfindungen, treffen Entscheidungen, entwickeln Konzepte. Wenn man nun eine Partitur im Laufe der Arbeit immer und immer wieder durchgeht, kommt es gewissermaßen zu einem Versuch-und-Irrtum-Prozess, indem man Überlegungen und Ideen entwickelt, diese aber oft wieder über den Haufen wirft. Das reicht vom kleinsten Detail bis zum großen Bogen. Ich würde also sagen: Dirigieren ist durchaus auch ein Problemlösen, aber dieses muss – zum größten Teil – bereits am Schreibtisch passieren. Ganz besonders dann, wenn man mit den besten Klangkörpern der Welt arbeiten darf, wie es das Orchester der Wiener Staatsoper ist. Denn wenn ich im Orchestergraben stehe, muss ich die zentralen Fragen schon geklärt haben und darf nicht erst mit dem Versuchen und Irren anfangen. Das bedeutet natürlich nicht, dass dann schon alles gelaufen ist. Man wird ja ständig von neuen Impulsen, von der Inspiration der Musikerinnen und Musiker oder vom Orchesterklang beeinflusst. Die verbleibenden zehn Prozent betreffen dann den Akt des Dirigierens an sich. ALEXANDER SODDY

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Man ist mit unterschiedlichen Problemen konfrontiert und der Job besteht darin, diese oftmals technischen Herausforderungen zu überwinden: durch Musikalität, Ausdruck und Überzeugung. Denkt man etwa an Ihre Elektra-Dirigate an der Staatsoper, dann macht die Transparenz, die Sie trotz eines 100köpfigen Orchesters erzeugen können, Staunen. Wie schaffen Sie eine solche Durchsichtigkeit? Ich muss sagen, dass Transparenz für mich zu den größten Prioritäten zählt. Die zentrale Frage für jeden Dirigenten ist und bleibt ja zunächst: Wie macht man die einzelne, unverstärkte menschliche Stimme im Zusammenspiel mit einem Riesenorchester gut hörbar? Zweifellos ein Spagat! Auch wenn wir das immer versuchen, gelingt es mitunter nicht – schon deshalb, weil es Werke und Momente gibt, die die Überwältigung der Sängerinnen und Sänger, aber auch des Publikums durch einen Gesamtklang geradezu konzeptuell vorsehen. Das kann ja auch einen besonderen dramatischen und dramaturgischen Effekt haben. Jedenfalls: Das Wort, das ich im Probenprozess wahrscheinlich am häufigsten verwende, lautet tatsächlich: Transparenz. Darin sehe ich auch eine meiner Hauptaufgaben, nämlich für Klarheit und Durchsichtigkeit zu sorgen. Das Ganze steht und fällt freilich mit der Qualität des Orchesters: all das kann überhaupt nur gelingen, wenn man mit den Besten, wie in Wien, musiziert. Denn um eine so schwierige Partitur leise spielen zu können, braucht es eine unglaubliche handwerkliche Beherrschung. Doch das ist ja nicht nur in der Musik so, sondern auch in anderen Disziplinen. Wenn Sie etwa an einen Koch denken: die Kunst besteht doch darin, eine Essenz herauszukristallisieren! Wie erreicht man das in der Musik? Mit einer großen Klarheit im Kopf, einer deutlichen Klangvorstellung, der Fokussierung auf die wesentlichen Elemente, um ein Zuviel an Information zu verhindern. Doch, wie gesagt: Als Dirigent bin ich nur ein Teil des Ganzen, es geht immer auch um die anderen, die Sängerinnen und Sänger und natürlich das Orchester. SODDY

Kommen wir zur Lady Macbeth von Mzensk. Sehen Sie eine Traditionslinie, die dieses Werk mit der vorangegangenen russischen Oper verknüpft? Das Großartige bei Schostakowitsch liegt – auch – in seiner unglaublichen stilistischen Flexibilität. Er war so genial, handwerklich so geschickt, dass er jeden Stil, jede Farbschattierung für seine kompositorischen Bedürfnisse heranziehen und einsetzen konnte. So auch das Vergangene, die Traditionen. Ich entdecke unter anderem zwei deutliche Parallelen zu Mussorgski: Das große Lamento der Katerina nach dem – von SODDY

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ihr herbeigeführten – Tod von Boris, bei dem sie den Anschein eines tiefen Trauerns erweckt sowie den Schluss, dieses düstere, dunkle, depressive Ende – beides erinnert sehr stark an Boris Godunow. Schostakowitsch zog also, wie viele seiner Kollegen, einzelne Aspekte aus der Operngeschichte heran. Aber wie er mit diesen umging, wie er Elemente einsetzte, Dinge zusammenführte und welche Funktion er musikalischen Momenten gab: das ist dann wiederum ungemein persönlich und spezifisch. Und kümmert Sie als Dirigent die Aufführungstradition? Interessiert Sie das, was vor Ihnen war? Oder ignorieren Sie bewusst all das, was andere taten, um unbeeinflusst zu bleiben? Es interessiert mich immer, die Aufführungsgeschichte eines Werkes zu betrachten und auch frühere Aufnahmen zu hören – denn es scheint mir sinnvoll, möglichst viele Informationen zu sammeln und Impulse zu bekommen. Daher ziehe ich am Anfang einer Studienphase, wenn ich etwas neu erarbeite, auch bestehende Einspielungen heran. So interessant Traditionen aber auch sind, stellen sich Fragen. Woher kamen sie? Warum halten wir uns eigentlich an sie? Manchmal ist es ja so, dass eine bestimmte Spielweise einen Grund hatte, doch wurde sie im Laufe der Zeit immer extremer – und das birgt natürlich eine Gefahr. Ein kleines Beispiel: Es gibt bei Schostakowitsch Metronomangaben, die in dieser Form gar nicht umsetzbar sind, denn sie vermitteln Tempi, die praktisch unspielbar sind – selbst wenn man bedenkt, dass Schostakowitsch seine eigenen Werke stets besonders rasch interpretierte. Man muss sich beim Studium mit solchen Dingen auseinandersetzen und sie auch hinterfragen. Natürlich wurde ich persönlich zunächst durch die Lady Macbeth-Einspielung von Rostropowitsch geprägt, denn mit ihr bin ich aufgewachsen. Als ich dann Antonio Pappanos Sicht kennen lernen konnte, die ich als Student am Royal Opera House in London live erlebte, beeindruckte mich das ebenso wie auch ganz besonders jene von Kirill Petrenko, dessen Assistent ich drei Jahre in Bayreuth war. Ich bin also durchaus von verschiedensten Interpretations-Traditionen umgeben. SODDY

Spannend ist, wie der Komponist die Figuren seiner Oper sah: Im Gegensatz zu vielen Kollegen versuchte er gar nicht, sie objektiv zu betrachten, sondern widmete seine ganze Sympathie der Titelfigur. Absolut! Das war, glaube ich, auch einer der zentralen Gründe, warum er in der Prawda so extrem angegriffen wurde: es ging um »Moral«, um seine Einstellung zur Täterin Katerina. Nikolaj Leskow, der die literarische Vorlage schrieb, legt eine sehr viel objektivere Sichtweise vor, er berichtete über die Ereignisse ganz nüchtern. Schostakowitsch hingegen passte die Erzählung durch ein paar wesentliche Eingriffe an, um die SODDY

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Figur der Katerina viel sympathischer zu machen und um Mitleid für sie zu erzeugen. So strich er etwa den vierten Mord, jenen des Kindes, und die anderen Morde werden stets auf die eine oder andere Weise emotional initiiert. Es kommt nicht zu einer kaltblütigen Planung der Verbrechen, sondern sie passieren im Affekt. Immer geht der Tat ein Auslöser voraus, die Gewalttätigkeit etwa, mit der Boris Sergej bestraft, die Erniedrigung, die Katerina am Ende erleiden muss. Schostakowitsch stellt sich hier ganz auf ihre Seite, auf die Seite der Frau, die unterdrückt wird und leidet. Auch musikalisch gibt es keinen Zweifel: der Komponist hebt für Katerina das Schönste, Subjektivste, Emotionalste auf. Man spürt, wie sehr er auf der Seite der Titelfigur ist. Die Groteske bekommen immer die anderen. Lässt sich aus Ihrer Sicht sagen, was das Fesselnde an Schostakowitschs Musik ist? Was macht ihre Faszinationskraft aus, die sie schon beim ersten Anhören entfaltet? Er hat eine fantastische Direktheit, eine Brillanz, eine rhythmische Eindrücklichkeit, die uns sofort anspricht. Dazu seine Orchestrierungskunst und die ungemeine Wirkung, die seine Musik hat – mitunter mit einfachen Mitteln erzeugt. Um es salopp zu sagen: Oft ist es einfach ein Riesenspaß, denn es ist eine sehr impulsive Musik. Bei Schostakowitsch kommt aber noch eine weitere Ebene dazu. Es gibt eine laufende Diskussion, was er musikalisch mit manchem gemeint haben könnte, denn durch die massive Verfolgung, die er durch das Sowjet-Regime erleiden musste, sucht man in seiner Musik oftmals nach inneren Bedeutungen – ob sie nun immer da sind oder nicht. Ich bin ja nicht immer überzeugt, dass etwas dahinterstecken muss. Musik sollte ja auch für sich selber sprechen können. Aber auch aus diesen beiden Gründen bleibt Schostakowisch ein sehr aktuelles und lebendiges Thema und hat auch heute noch eine besondere Relevanz. SODDY

Gerade Lady Macbeth von Mzensk ist von einer unglaublichen Farbigkeit und einem Abwechslungsreichtum gekennzeichnet. Das muss für einen Dirigenten, für Sängerinnen und Sänger und für ein Orchester geradezu ein Paradies sein? Ja, und das sage ich mit einem großen Lächeln. Es ist ein herrliches Stück, wenn auch unglaublich schwierig und komplex. Die Oper ist voller Kontraste, sie bietet eine große Zartheit, andererseits darf man manchmal nicht zu vorsichtig sein: die Musik muss mitunter einfach überwältigen und an die Grenzen gehen. Dieses An-die-Grenzen-Gehen und womöglich das Überschreiten ist dann doch auch eine sehr spannende Sache. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass ich die Oper hier an diesem Haus machen darf. SODDY

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Iwan Sollertinski → Was hat das mit Shakespeare zu tun?

» Der merkwürdige Titel der Leskow’schen Novelle war Programm. In der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts tauchen ähnliche Titelformulierungen auf: Hamlet des Stschigrowsker Kreises und Ein König Lear der Steppe von Turgenjew oder Ein König Lear vom Dorfe von Slatowratski. Diese Literatur war oftmals revolutionär und von sozialkritischem Inhalt. Durch den Shakespeare-Bezug suchten die Autoren eine Art Legitimation ihrer Figuren und Handlungen. In diesen und ihnen verwandten Erzählungen und Novellen geht es um Helden, deren Schicksal in vielem an die tragischen Schicksale der großartigen Shakespeare-Gestalten erinnern. Durch die lokale Beschreibung »Kreis«, »Steppe« oder »Dorf« werden die Personen Shakespeares in die konkrete Provinz geholt. Die russischen Doppelgänger sind für gewöhnlich kleiner, grauer und hässlicher, unscheinbarer und verzerrter als ihre Prototypen bei Shakespeare; sie sind alltäglich, provinziell und finster – das »Milieu hat sie


ausgezehrt«, sie sind geradezu eingemauert in der Enge des russischen Hinterwäldlerdaseins, und wenn sie in plötzlichen Verzweiflungsausbrüchen zu »rebellieren« beginnen, findet ihr »Protest« seinen Ausdruck oft in triebhaften, grausamen Handlungen. Die russischen Figuren stehen ihren Vorbildern punkto Gewalttätigkeit und Dramatik um nichts nach, sie sind aber in ihrer geistigen Beweglichkeit eingeschränkter und provinzieller. Bei Shakespeare drückte die machtbesessene Lady Macbeth ihrem unentschlossenen Mann den Dolch in die zitternde Hand und hetzte ihn zum Königsmord auf; der Beweggrund ihrer Handlung ist die Gier nach dem Thron. Bei Leskow tötet die reiche Kaufmannsgattin Katerina Ismailowa den Schwiegervater, den Ehemann und den jungen Fedja, damit niemand ihr Glück mit ihrem Liebhaber Sergej stören kann, zu dem es sie mit einer unbändigen Leidenschaft hinzieht. « 13

KOLUMN EN T IT EL


ES GIBT KEINE IDENTIFIKATIONSFIGUR Andreas Láng im Gespräch mit dem Regisseur Matthias Hartmann

Gibt es für Sie so etwas wie eine zentrale Aussage der Oper? Mich beschäftigt in diesem Werk ein ganz wichtiges Thema: nämlich die Frage, inwieweit man aufgrund der sozialen Umstände zum Opfer oder zur Täterin bzw. zum Täter wird, inwieweit wir determiniert sind uns auf bestimmte Weise zu verhalten und daher notgedrungen – zum Beispiel wie hier im Stück – zu Mördern werden. In der Lady Macbeth von Mzensk finden wir ein unbeschreiblich hartes Umfeld vor, ein Umfeld, aus dem alle religiösen und kulturellen Wurzeln herausgekappt zu sein scheinen, so wie das im Sozialismus war. Und in dieser extrem harten, materialistischen, kalten Umgebung wird nun durchdekliniert, was mit einem Menschen passieren kann, wenn er unfrei wird und seine Sehnsüchte ins Maßlose übersteigert. MATTHIAS

HARTMANN

Und wie sieht das im speziellen Fall der Hauptfigur, also Katerina aus? HARTMANN

All das, was Katerina im Laufe der Handlung zu tun bereit ist, ist für mich nicht notwendig kausal, sie ist nicht unbedingt ein R EGIS SEU R M AT T HI AS H A RTM A N N IM GE SPR ÄCH

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Opfer der gegebenen Umstände, auch wenn man sie durchaus so sehen kann. Und vielleicht unterstützen manche musikalischen Passagen diesen Interpretationsansatz. Man darf aber nicht vergessen, dass Katerina die Opferrolle nicht annimmt. Sie befreit sich, sie wehrt sich – allerdings mit falschen Mitteln und wird so zur Mörderin. Meiner Meinung nach agiert Katerina auf diese Weise, weil ihre Persönlichkeit von Haus aus genau so geartet ist – sie agiert also unabhängig von den Umständen, auf die sie trifft. Und das finde ich eine deprimierende und gleichzeitig hochaktuelle Aussage. Wir alle scheinen Geworfene zu sein, die aus der Sackgasse unserer Existenz nur sehr schwer herauskommen. Die Figuren in dieser Oper sind also bedingungslos Getriebene? Sie scheinen es zu sein, sind es aber nicht zwangsläufig. Diese Oper handelt davon, dass unser Anspruch und unsere Konstruktion eine Divergenz und keine Kongruenz haben. Der Zuschauer muss vor allen Dingen Fragen an sich selbst stellen, Fragen über die eigene Verführbarkeit. Wenn ein Mann etwa daran denkt, wer die Frau sein soll, mit der er den Rest seines Lebens verbringen will, dann stellt er sich eine intelligente, selbstbestimmte Person vor, die mit ihm auf gleicher Augenhöhe ist, die ihren eigenen Weg kennt. Und was passiert morgens um acht? Er sieht an der Busstation ein hübsches Dummerchen auf einer Litfaßsäule, das Werbung für eine Modemarke macht. – Und sofort dreht sich instinkthaft sein Kopf zu dieser Frau hin, ungewollt. Was ist das also an ihm, was ihn nicht an seine Ansprüche bindet, sondern an seine genetische Determination? Genau diese Schizophrenie zwischen unserem Anspruch und unserer Anlage bildet Schostakowitsch in scharf geschnittenen Bildern ab. HARTMANN

Gibt es in dieser Oper überhaupt eine sympathische Figur? Die Handlung wird unter anderem auch von lächerlichen Figuren bevölkert. Schostakowitsch verwendet das Stilmittel der Groteske und zeigt eine besondere, gemeine Form des Humors. Ich selbst finde keine einzige Person in dieser Oper, mit der ich in irgendeiner Art und Weise sympathisiere. Und genau dieser Umstand ist ja das ganz besonders Harte und Lebensechte an dem Stück, dass alle Handelnden in ihrer Verzweiflung, in ihrer Not gezeigt werden und auch deren Umgehen mit ihrer jeweiligen Situation. Ich glaube nicht, dass hier die klassische Dramaturgie mit der Identifikationsfigur funktioniert, in der man sich notwendigerweise mit einer Person des Werkes verbinden muss, indem man sagt: »Ach, wäre doch alles anders, dann müsste die liebe Katerina nicht zur Mörderin werden.« Katerina trägt, wie gesagt, das Zur-Mörderin-Werden in sich, ganz unabhängig von äußeren Gegebenheiten. HARTMANN

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Worin unterscheidet sich das Inszenieren einer Oper vom Inszenieren eines Schauspiels? Ich bin als Regisseur im Schauspieltheater mein eigener Komponist und Dirigent. Ich kann bestimmen, wie lange es dauert, bis eine Türe aufgeht, wie lange der Ton stehenbleibt. Im Musiktheater ist es zunächst die Partitur, dann der Dirigent, und erst zuletzt der Regisseur, der Vorgänge bestimmt. Das ist andererseits auch ganz erholsam, weil man sich in die Partitur hineinlegen kann wie in ein gut gemachtes Bett. Aber ganz unabhängig davon, ob ich ein Sprechstück oder eine Oper inszeniere, möchte ich Schauspieler wie Sänger nicht mehr davon überzeugen müssen, etwas Bestimmtes zu tun. Das sind Künstlerinnen und Künstler, die mit mir auf Augenhöhe operieren, sich selbst mit ihrer Euphorie, ihrer Sehnsucht, etwas erzählen zu wollen, einbringen. Meine Funktion als Regisseur besteht dann darin, die Entscheidung zu treffen, was letztendlich szenisch zu bleiben hat und was nicht. HARTMANN

Wie gehen Sie ein so schwieriges Werk wie die Lady Macbeth von Mzensk an? In der Zwischenzeit habe ich gelernt, dass jene Produktionen, bei denen ich mir im Vorfeld, also noch vor Beginn der Probenzeit, jeden Schritt, jede Bewegung der Akteure genau zurechtgelegt habe, nicht notwendigerweise die besten geworden sind. Oft zeitigten die prozesshaft erarbeiteten Inszenierungen ein besseres Ergebnis. Die Aufgabe meines Berufes sehe ich im Sortieren, im Weglassen, Nehmen, Destillieren des Angebotenen, bin also gewissermaßen ein Jäger und Sammler. Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, was zusammen mit dem Boris der Premiere, mit Kurt Rydl, als Gemeinschaftsprodukt entstanden ist, wie er neugierig auf meine Vorschläge einging und wir in der Probensituation aus diesen Ansätzen neue Ideen entwickelt haben, auf die ich unter Umständen gar nicht gekommen wäre – zum Beispiel die Vergewaltigung eines Sessels –, so finde ich darin eine Bestätigung meiner Arbeitsweise. Ein ähnlich erfolgreiches Geben und Nehmen ergab sich auch in der Arbeit mit Michael Roider, der in der Premiere die Rolle des Schäbigen verkörpert: die gemeinsam gefundene Lösung für seine Soloszene – das Zwiegespräch mit einer Flasche – finde ich äußerst gelungen. Im Allgemeinen versuche ich zu reduzieren, arbeite gern sehr abstrakt und beweise, dass man wenig braucht, um auf der Bühne viel zu erzählen. In unserem Fall der Lady Macbeth haben wir ein Bühnenbild, in dem kaum etwas zu sehen ist, wir sehen einen harten Parkettboden – gewissermaßen als Metapher für ein bürgerliches Umfeld, der aber aufgesprungen, der kaputt und morsch ist. Darauf steht über weite Strecken nichts weiter als ein Bett. HARTMANN

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Dieses Bett kann als Symbol leuchten, ein Anziehungspunkt für Katerina und Sergej werden, die sich als Suchende wie Schattenrisse von diesem abheben. Kurzum: Ein Raum, in dem nicht viel Mobiliar nötig ist, in dem in erster Linie die Figuren ausgestellt sind und jede ihrer Regungen, jede ihrer Bewegungen wie unter einer Lupe vergrößert erscheinen. Bei diesem Werk handelt es sich auch um ein Chorstück. Ist es schwieriger, mit dem Chor oder mit den Solisten zu arbeiten? Ich habe bisher bei all meinen Operninszenierungen – in Paris wie in Zürich – mit den Sängerinnen und Sängern immer wie mit Schauspielerinnen und Schauspielern zusammengearbeitet. Und sie hatten meist auch große Lust, mich genau an diesem Punkt zu finden: als Regisseur, der besonderen Wert auf das Detail legt und in den kleinsten Bewegungen psychologische Kausalitäten wittert. Hier in Wien ist es das erste Mal in meiner Laufbahn, dass ich zusätzlich große Lust verspürte, mit dem Chor zu arbeiten. Dies hat aber auch mit dem Staatsopernchor an sich zu tun: eine hoch motivierte Truppe, die sich auf jeden Vorschlag ungemein energievoll eingelassen hat. Und so wuchs eins zum anderen schön zusammen. HARTMANN

Dieses Interview entstand anlässlich der Premiere 2009

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Joachim Reiber

ÜBER DIE GLEICHWERTIGKEIT VON KUNSTFORMEN

Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk Libretto und Vorlage


Worauf ein Operntext gegründet sei, ist eine Grundfrage jeder Librettoanalyse. Und das aus gutem Grund: Operntexte sind in aller Regel abgeleitete Texte, Destillate aus vorhandener Literatur, aus Schauspielen zumeist, seltener aus Romanen oder Erzählungen. Der Gang »ad fontes« bahnt daher den Weg zur Interpretation. Welche Vorlagen ein Librettist benützt, wie er mit ihnen umgeht, wo er Vorhandenes belässt und Neues hinzuerfindet: Das alles sind Aspekte, die Aufschluss über seine und des Komponisten Absicht geben und folglich für das Verständnis der Oper wichtig sind. Textgeschichte verheißt Gesichertes. Besonders verlässlich erscheint sie da, wo Librettisten und Komponisten selbst Auskunft über sie geben. Im Fall der Lady Macbeth von Mzensk scheint solche Authentizität gewährleistet zu sein. Dmitri Schostakowitsch hat sich in den frühen dreißiger Jahren mehrmals selbst zur Textgeschichte seiner Oper geäußert. In dem Aufsatz Tragödie – Satire, der 1932 noch während der Arbeit an der Partitur erschienen ist, berichtet Schostakowitsch sachgemäß: »Das Libretto der Oper Lady Macbeth von Mzensk ist der gleichnamigen Erzählung Leskows entlehnt. […] Das Libretto wurde geschrieben von A. C. Preis, einem jungen Leningrader Dramatiker, zusammen mit mir. Es ist fast vollständig gebaut nach Leskow, mit Ausnahme des 3. Aktes, der sich durch seinen akzentuierten sozialen Gehalt um einiges von Leskow unterscheidet.«1 Schostakowitsch nimmt darüber hinaus aber auch gleich die Deutung der Textgeschichte selbst in die Hand: Interpretierend und bewertend erläutert er Unterschiede zwischen Leskows Erzählung und dem Libretto seiner Oper. In dem zitierten Aufsatz hebt er seine persönliche Sichtweise der Titelfigur als wichtigste Abweichung von Leskow hervor und begründet sie mit persönlichen Argumenten: »Ungeachtet dessen, dass Katerina Lwowna die Mörderin ihres Mannes und ihres Schwiegervaters ist, sympathisiere ich trotzdem mit ihr. Ich war bestrebt, der ganzen Lebensweise, die sie umgibt, einen finsteren, satirischen Charakter zu verleihen. Das Wort ›satirisch‹ verstehe ich durchaus nicht als ›komische‹ Witzelei. Im Gegenteil, in der Lady Macbeth war ich bestrebt, eine Satire, eine enthüllende Satire zu schaffen, die die Masken herunterreißt und zwingt, die ganze schreckliche Willkür und Bösartigkeit des Kaufmannslebens zu hassen.«2 Wenn sich Schostakowitsch in demselben Aufsatz auf eine offiziell verlautbarte Forderung Maxim Gorkis beruft (»Man muss lernen. Man muss sein Land erkennen, seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.«3), dann gibt er damit aber auch zu verstehen, dass seine eigene künstlerische Entscheidung mit den normativen Forderungen der sowjetischen Kulturpolitik konform gehe. Es mag sein, dass Schostakowitsch sich hier tatsächlich eins wusste mit Maxim Gorki. Aber gewiss ist, dass Absicherung Not tat. Wer unter Stalins Herrschaft künstlerisch wirken wollte, kam um die öffentliche Bekundung von Linientreue nicht herum. Schostakowitsch bediente sich des geforderten Zungenschlags, als er in einem Aufsatz zur Uraufführung 21

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der Lady Macbeth am Kleinen Staatlichen Operntheater in Leningrad 1934 nochmals auf die Textgeschichte der Oper einging: »Meine Aufgabe als sowjetischer Komponist besteht darin, unter Beibehaltung der ganzen Kraft der Leskow’schen Erzählung kritisch an sie heranzugehen und den sich in ihr abspielenden Ereignissen eine Interpretation von unserem zeitgenössischen Standpunkt aus zu geben. In entsprechender Art und Weise wurde auch das Sujet selbst etwas verändert. Von Katerina Lwowna sollte der Eindruck einer positiven Persönlichkeit zurückbleiben.«4 Mit dieser Darstellung bezeichnenderweise am Vortag der Premiere im offiziellen Blatt der Leningrader Oper publiziert, verbindet sich eine Akzentverschiebung in der Beurteilung der Leskow’schen Erzählung. Spricht Schostakowitsch in Tragödie – Satire von einer »besonders wahrhaften und tragischen Darstellung des Schicksals einer talentierten, klugen und hervorragenden Frau, die zugrunde geht unter den schrecklichen Bedingungen des vorrevolutionären Russland«5, so erscheint Leskow nun als ein Künstler, dessen historisch befangene, von den Bedingungen des vorrevolutionären Russland abhängige Anschauungsweise kritischer Behandlung bedürfe. Am deutlichsten kommt dies in einem Aufsatz zur Geltung, den Schostakowitsch für eine Artikelsammlung zur Uraufführung beigesteuert hat. »Außerdem«, heißt es da, »konnte Leskow als hervorragender Vertreter der vorrevolutionären Literatur keine wahre Erklärung für jene Ereignisse, von welchen seine Erzählung handelt, geben.«6 Damit wird, autorisiert durch den Namen des Dichterkomponisten, ein griffiges Modell von Textgeschichte bereitgestellt. Die Umgestaltung der Titelfigur in eine positive, »progressive Gestalt« (so eine Formulierung aus dem zitierten Kommentar zur Uraufführung) markiert demnach den entscheidenden Unterschied zwischen der Erzählung und der Oper – einen Unterschied, der wiederum als Folge eines historisch-gesellschaftlichen Fortschritts erscheint. Die »wahre Erklärung« der Geschichte, die Leskow, dieser Lesart zufolge, im beschränkten Horizont seines vorrevolutionären Bewusstseins unergründlich bleiben musste, ist dem Künstler der Sowjetunion scheinbar zugänglich: Er erkennt, dass individuelles Handeln gesellschaftlich determiniert ist, und kann daher, aus der höheren Warte revolutionären Bewusstseins, die Verbrechen der Katerina Ismailowa als Form des Protests gegen gesellschaftliche Unterdrückung rechtfertigen. Nach all dem, was man, nicht zuletzt aus Schostakowitschs Memoiren7, über das politische und geistige Klima im Russland der dreißiger Jahre weiß, fällt es schwer, dieses Modell der Textgeschichte als authentischen Kommentar des Dichterkomponisten zu werten. Wirkliche Authentizität hätte die Freiheit der Meinungsäußerung zur Voraussetzung. Es liegt aber auf der Hand, dass hier, unter den Bedingungen der Diktatur, der offiziösen Fortschrittsideologie eines repressiven Systems Tribut gezollt werden musste. In der Rezeptionsgeschichte der Lady Macbeth behauptete sich die ideologisch JOACHIM R EIBER

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geprägte Lesart der Textgeschichte freilich bis zuletzt auf dem Boden des real existierenden Sozia­lismus. Noch 1985 sah sich ein Autor der DDR zu ähnlicher »Kritik« an Leskow veranlasst, wie sie schon fünfzig Jahre zuvor in den Organen der Leningrader Oper veröffentlicht worden war. Leskow, liest man da, »kann […] sich nicht aufschwingen, einen Charakter, der in dieser Welt geknechtet wird und mit äußerster Kraftanstrengung versucht, letztlich auch Verbrechen nicht scheuend, seinem Leben einen Sinn zu geben, zu verteidigen und zu rechtfertigen«.8 Er kann sich nicht »aufschwingen«? Vielleicht, so sei dagegen gefragt, will sich dieser Leskow gar nicht »aufschwingen«? Vielleicht will er nicht mehr und nicht weniger, als einfach eine Geschichte erzählen? Textgeschichte verheißt Gesichertes nur dann, wenn sie mit philologischer Sorgfalt einhergeht. Grundsätzliche Unterschiede zwischen den Kunstformen müssen ins Kalkül gezogen werden. Opernlibretto und literarische Vorlage sind durch eine Gattungstransformation getrennt, die im Fall der Lady Macbeth besonders deutlich ausfällt. Eine Erzählung gehorcht anderen künstlerischen Regeln, arbeitet mit anderen literarischen Mitteln als ein Operntext. Das trennt Leskow von Schostakowitsch und Preis. Leskows Lady Macbeth ist eine Erzählung. Diese scheinbar banale Feststellung verlangt, dem Vorgang des Erzählens und der Figur des Erzählers höchste Aufmerksamkeit zu schenken. Leskow, einer der bedeutendsten Prosaisten der russischen Literatur im 19. Jahrhundert, lädt zu solcher Konzentration ein, denn er führt geradezu exemplarisch vor, was Erzählen heißen kann. Nicht zufällig hat Walter Benjamin 1936 zum Werk Leskows gegriffen, um Grundsätzliches über das Erzählen auszusagen. Der Erzähler. Betrachtungen zum Werk Nikolai Leskows lautet der Titel der Studie9, die bis heute als Standardtext zur Theorie des Erzählens gilt. Benjamin sah Leskow als »naiven« Dichter im Schiller’schen Sinn, als einen letzten Zeugen jener »elementaren Rolle, die das Erzählen im Haushalt des Menschen spielt«10, und vermied so freilich eine notwendige Differenzierung, die in der Erzähltheorie heute gängig ist: Autor und Erzähler sind nicht gleichzusetzen. Der Erzähler ist die Rolle, mit deren Hilfe der Autor eine Geschichte übermittelt. Die Mittelbarkeit aber ist das wesentliche Gattungsmerkmal der Erzählung. Der Erzähler in Leskows Lady Macbeth ist ein Vertreter jenes Typs, den man heute einen auktorialen nennt und früher als allwissend bezeichnet hat. Der allwissende Erzähler erscheint als souveräner Mittler: Er weiß, wovon er spricht, kennt Zusammenhänge und Hintergründe, ist vertraut mit den Figuren, ihrem Äußeren ebenso wie mit ihrem Innenleben. Ohne Gestalt anzunehmen, ist er doch greifbar als derjenige, der den Erzählablauf organisiert und das Erzählte zuweilen kommentiert. Da spricht einer, der das Allgemeine im Blick hat und aus solch überlegener Übersicht den Einzelfall herausgreift. Er tut es dis­tanziert, aber nicht ohne Anteilnahme. Einleitend spricht er von seiner Erschütterung und setzt dadurch ein klug platziertes Signal an sein 23

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Gegenüber, den Leser, die Leserin: Er macht gespannt, ohne einstweilen viel zu verraten. Der Impuls ist gegeben, die Geschichte kann entrollt werden. Souverän ist, wer Zeit hat. Der Erzähler der Lady Macbeth hat Zeit. Ruhig enthüllt er Figuren und Situation. Erzählzeit und erzählte Zeit, Zeitgestaltung und gestaltete Zeit entsprechen einander: Erzählt wird von der Langeweile Katerina Lwownas, und der Erzähler tut dies mit langer Weile. Langeweile aber kommt dabei nicht auf. Der Gleichlauf der Zeit hat etwas Trügerisches, latent Explosives. Der Erzähler hält sich bedeckt. Bezeichnend ist der Schluss des ersten Kapitels: »Langweilig war das Leben, das Katerina Lwowna seit fünf Jahren im reichen Haus ihres Schwiegervaters an der Seite eines nicht sehr zärtlichen Ehemannes führet. Aber wie es so geht: Niemand schenkte dieser Langeweile die geringste Beachtung.«11 Aber wie »es so geht«: Das ist der Gestus der Abgeklärtheit, der den Erzähler der Lady Macbeth kennzeichnet. Aus der Position überlegener Distanz setzt er sparsam, aber wirkungsvoll seine spannungssteigernden Vorgriffe auf das Folgende. Andeutungen genügen. Der Erzähler der Lady Macbeth drängt sich nicht auf. Er lässt dem Geschehen seinen Lauf und beschränkt sich auf den Part des Chronisten: »Am Abend desselben Tages aß Boris Timofejitsch ein Grützgericht aus Pilzen. Danach bekam er Sodbrennen; später verspürte er krampfartige Schmerzen in der Herzgegend; er erbrach sich mehrfach, und gegen Morgen starb er. Er starb auf die gleiche Weise wie die Ratten in seinen Speichern, für die Katerina Lwowna mit einem ihr anvertrauten gefährlichen weißen Pulver eine besondere Speise zu bereiten pflegte.«12 Kann man knapper, distanzierter von einem Mord berichten? Der Erzähler verlässt sich auf sein Gegenüber: Der Leser soll sich selbst seinen Reim auf das Erzählte machen. Die Lakonie des Stils prägt auch die Charakteristik der Figuren. Der Erzähler hat zwar, allwissend wie er ist, Zugang zum Inneren der Figuren und gibt zuweilen sogar die auktoriale Erzählhaltung zugunsten einer personalen auf, erzählt also für Augenblicke unmittelbar aus der Perspektive der Figuren, doch bleibt er auch hier ein Berich­tender. Sichtbar gemachtes Einfühlungsvermögen ist seine Sache nicht. Erst am Ende der Handlung, als von der Kränkung Katerinas durch Sergej zu berichten ist, schleicht sich ein wertendes Attribut ein: »Die bedauernswerte Frau brach in Tränen aus […].«13 Das ist schon fast ein Bruch in der Konzeption des Erzählens. Ansonsten gilt für die Lady Macbeth jene Zurückhaltung, die Walter Benjamin grundsätzlich im Erzählverfahren Leskows beobachtete: »[…] der psychologische Zusammenhang des Geschehens […] wird dem Leser nicht aufgedrängt. Es ist ihm freigestellt, sich die Sache zurechtzulegen, wie er sie versteht […].« 14 Aus der Zurückgenommenheit des Erzählens resultiert die Grundspannung des Werks: die Spannung zwischen Darstellung und Dargestelltem. So lakonisch der Erzähler sich gibt, so drastisch ist, was er zu erzählen hat. Auf der Folie eines gedämpften Chronistenstils nimmt sich das Geschehen der JOACHIM R EIBER

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» Lady Macbeth von Mzensk hat ihrem Schöpfer Weltruhm gebracht. Seit 1934 wurden seine Werke immer häufiger aufgeführt, aufgenommen und editiert. Acht Jahre nach der Uraufführung seiner Symphonie Nr. 1 befand sich Schostakowitsch in der Spitzengruppe der führenden Komponisten des 20. Jahrhunderts. « Krzysztof Meyer


Lady Macbeth wahrhaft ungeheuerlich aus. Erschütterung stellt sich ein, gerade weil der Erzähler darauf verzichtet, selbst packend schreiben zu wollen. Die erschütterndsten Geschichten schreibt das Leben selbst. Leskows poetologische Grundformel, dargelegt 1869, lautet: »Literatur ist aufgezeichnetes Leben.«15 Leskows Rang als Prosaist zeigt sich im überlegt-überlegenen Umgang mit den gattungsimmanenten Möglichkeiten der Erzählung, das heißt: mit der Mittelbarkeit des Erzählens. Solche Mittelbarkeit ist der Oper fremd. Als dramatische Gattung wirkt sie unmittelbar, bewährt sich im Hier und Jetzt des Bühnengeschehens. Die Spannung zwischen Vermittlung und Vermitteltem, wie sie der Erzählung eigen sein kann und wie Leskow sie in seiner Version der Lady Macbeth gekonnt benützt, hat in der Oper nur punktuell, nicht grundsätzlich ihren Platz. Die Spannung muss, wo es um Unmittelbarkeit geht, im Bereich des Dargestellten liegen. Opernlibretti suchen daher, stärker noch als Schauspieltexte, den klar konturierten Konflikt, den Kontrast auf den Ebenen der Handlung, der Szene und der Figuren. Die Typenhaftigkeit herkömmlicher Operntexte resultiert aus dem Grundanspruch der Oper, Spannungen dramatisch unmittelbar präsent zu machen, um sie musikalisch umsetzen zu können. Da die Musik das Bestreben hat, »Gefühle größtmöglich und uneingeschränkt auszudrücken«16, hat das Libretto auch für die emotionalen Komponenten der dramatischen Spannung zu sorgen. Gleich die erste Szene der Oper macht klar, dass sich Schostakowitsch und Preis auf das Librettohandwerk verstehen. Der Text steuert ohne Umschweife auf den offenen dramatischen Konflikt zu. Wo Leskow seinen Erzähler erst einmal die monotone Statik im Leben Katerinas darstellen lässt, suchen Schostakowitsch und Preis sofort die Dynamik, wissend, dass dem dramatischen Komponisten versagt bleiben muss, was dem Erzähler gelingen kann: Langeweile ist kein Thema für die Oper. Also wird sie nicht breit dargestellt, sondern nur konstatiert. Im einleitenden Monolog ist es der Hauptfigur aufgegeben, selbst von der Last der Langweile zu sprechen. Und schon hier finden Schostakowitsch und Preis eine klärende Zuspitzung: Katerinas Langweile ist nicht bloß Zustand, sondern auch Ergebnis, Resultat der Repression im Hause Ismailow, gegen die Katerina Klage erhebt: »Warum nimmt man mir jedes Recht zu leben?« Ein Verweis auf einstmals glückliche Zeiten, da Katerina arm, aber frei gewesen, tut ein Übrigens, den exponierten Konflikt emotional zu grundieren, von Anfang an Sympathie und Antipathie zu wecken. Schon Katerinas Monolog fertigt jenes wertende Raster, in das sich der Auftritt des Boris Timofejitsch nahtlos einfügt. Mit schneidender Aggressivität kehrt er den Hausherrn heraus. Sexuelles fungiert dabei als Druckmittel im patriarchalen Zwangssystem, einmal bei Boris’ Versuch, Katerina wegen ihrer Kinderlosigkeit zu demütigen, dann beim (vereitelten) Vorhaben, die Schwiegertochter sexuell zu missbrauchen. JOACHIM R EIBER

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Dies alles sind Abweichungen, Zuspitzungen und Verschärfungen im Libretto gegenüber der literarischen Vorlage. Sie verfolgen den Zweck, Licht und Schatten zu schaffen, Zu- und Abneigung hervorzurufen. »Jeder Künstler, sei er nun Schriftsteller, Maler oder Komponist, kann sich nicht gleichgültig gegenüber seinen Helden verhalten. Er sollte sie entweder glühend lieben oder glühend hassen. Von meinen Helden in der Lady Macbeth liebe ich nur Katerina Lwowna«, erklärt Schostakowitsch 1932 in einem Statement für eine Zeitung.17 Ob diese Einstellung tatsächlich für jede Künstlerin und jeden Künstler zu gelten habe, bleibe dahingestellt. Der Oper aber sind glühender Hass und glühende Liebe seit jeher zuträglich. Die Liebe des Komponisten zu Katerina Lwowna erklärt auch die wesentlichste Abweichung von Leskow: Katerinas Mord am minderjährigen Neffen und Miterben Fedja, ist in der Oper getilgt. Bei Leskow ist damit noch eine Brücke zum namensgebenden Macbeth-Drama Shakespeares gegeben: ein Mord, der durch nichts anderes motiviert ist als durch den Willen, das verbrecherisch Erreichte durch ein weiteres Verbrechen zu sichern. Wenn Schostakowitsch und Preis diese Episode aussparen, folgen sie damit auch dem dramaturgischen Gebot der Konzentration. Verdichtung tut Not, wenn ein Prosatext in eine Oper umgewandelt werden soll. Das Libretto der Lady Macbeth erfüllt auch in dieser Hinsicht den Anspruch der Gattung. Besonders eindrucksvoll gelingt diese Verdichtung im dritten Opern-Akt, dessen letztes Bild das Verbrechen aufdeckt: Die Hochzeitsfeier zu Häupten der im Keller verborgenen Leiche bietet ein Szenarium von höchster theatralischer Wirksamkeit. Dass an dieser Szene auch der Chor wesentlich beteiligt ist, also die Spannung zwischen Kollektiv und Individuum in das musikdramatische Geschehen eingebaut wird, ist ein Indiz mehr für den operngerechten Zuschnitt dieses Librettos. Schostakowitsch selbst hat in seinen erläuternden Bemerkungen immer wieder darauf hingewiesen, welche musikalischen Möglichkeiten ihm das Opernbuch der Lady Macbeth an die Hand gegeben hat. Katerina »hat viel weiche, warme Lyrik«18, eine Tonsprache der Sympathie, wie sie in der Oper seit jeher zu Hause ist; die Gegenspieler aber werden in ihrer Negativität satirisch »entlarvt«. Die Spannung zwischen Tragödie und Satire, die Schostakowitsch als grundlegend für seine Oper herausgestellt hat19, erweist sich als tragfähiges Fundament einer facettenreichen musikalischen Dramaturgie. Schostakowitsch hat sich als sein eigener Librettist meisterlich auf die Erfordernisse der Gattung Oper verstanden. Er hat Leskows Erzählung konturiert, konzentriert und damit opernmäßig eingerichtet. Dass die Gattungstransformation mit einem wie auch immer gearteten »Fortschritt« verbunden sei, ist ein Argument der Ideologie, das in Anbetracht der Philologie vollends verblasst. Als Muster ihrer Gattung, als Repräsentanten zweier Kunstformen stehen Leskows Erzählung und Schostakowitschs Libretto gleichwertig nebeneinander. »Es gibt nichts, was Geschichten dem Gedächtnis nachhalti 27

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ger anempfiehlt als jene keusche Gedrungenheit, welche sie psychologischer Analyse entzieht. Und je natürlicher dem Erzählenden der Verzicht auf psychologische Schattierung vonstatten geht, desto größer wird ihre Anwartschaft auf einen Platz im Gedächtnis der Hörenden […]«, so schreibt Walter Benjamin in seinem Aufsatz über Leskow.20 Der Verzicht auf formulierte Deutung wäre demnach ein Kriterium hoher Qualität. In seinen Memoiren hat Dmitri Schostakowitsch ganz ähnlich auf eine Interpretation nach normativen Kriterien verzichtet und sich dabei mit Leskow einig gefühlt: »Für mich ist aber die Person das Wichtigste. Ich glaube, so war es schon Leskow ergangen. Bei ihm existieren keine allgemeinen standardisierten Verhaltensnormen. Alles hängt von der Situation ab, vom Menschen […] Man kann nicht alles über einen Leisten schlagen.«21 Doktrinären Festlegungen und ideologisch fixierten Auslegungen, zu deren Wesen nun einmal das Alles-über-einen-Leisten-Schlagen gehört, wird damit eine Absage erteilt. Schostakowitsch wusste, dass er sich auf seine Kunst verlassen konnte. »Wer will«, empfiehlt er daher lapidar, »kann die Oper ja hören«.22

1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 17, 18, 19 Dmitri Schostakowitsch, Tragödie-Satire, zit. nach: Eckart Kröplin, Frühe sowjetische Oper, Berlin 1985, S. 539 7, 21, 22 Vergl. Zeugenaussage. Die Memoiren des Dmitrij Schostakowitsch, hg. von Solomon Volkow, Hamburg 1979 9, 10, 20 Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, Bd. II/2, hg. von Rolf Tiedermann, Frankfurt a. M. 1997, S. 438-465 11, 12, 13, 15 Nikolaj Leskow, Die Lady Macbeth aus dem Landkreis Mzensk, dt. Bodo Zelinsky, Stuttgart 1980, S. 11 14 Walter Benjamin, wie 9 16 Peter Hacks, Oper, München 1980, S. 219

→ KS Kurt Rydl als Boris, 2009

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Dmitri Schostakowitsch

EINE TRAGISCHSATIRISCHE OPER


Ich arbeite an der Lady Macbeth schon etwa zweieinhalb Jahre. Lady Macbeth ist der erste Teil einer von mir geplanten Trilogie, die der Lage der Frau in verschiedenen Epochen in Russland gewidmet ist. Das Sujet der Lady Macbeth von Mzensk ist der gleichnamigen Erzählung von Nikolaj Semjonowitsch Leskow entlehnt. Diese Erzählung spricht den Leser durch ihre ungewöhnliche Prägnanz und ihren Gehalt an. Im Sinne einer im höchsten Grade wahrhaftigen und tragischen Darstellung des Schicksals einer begabten, klugen und überdurchschnittlichen Frau, die unter den bedrückenden Bedingungen des vorrevolutionären Russlands zugrunde geht, nimmt diese Erzählung meines Erachtens einen sehr hohen Rang ein. Maxim Gorki sagte zu seinem Jubiläum: »Man muss lernen. Man muss sein Land und dessen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennenlernen.« Und die Erzählung von Leskow entspricht dieser Forderung von Maxim Gorki in einem Maße, wie es besser nicht sein könnte. Sie ist eine ungewöhnlich eindrucksvolle Darstellung einer der dunklen Epochen des vorrevolutionären Russlands. Für den Komponisten der Lady Macbeth ist sie buchstäblich ein Schatz. Die klar gezeichneten Charaktere, die dramatischen Konflikte, alles das zog mich ungemein an. Das Libretto wurde von Arkadi Germanowitsch Preis, einem jungen Leningrader Dramatiker, gemeinsam mit mir ausgearbeitet. Es folgt fast vollständig Leskow, ausgenommen den 3. Akt, der sich zugunsten eines stärker ausgeprägten sozialen Gehalts ein wenig von Leskow unterscheidet. Eingefügt wurde eine Szene auf der Polizei, weggelassen die Ermordung des Neffen der Katerina Lwowna. Die Oper geht bei mir tragisch aus. Ich würde sagen, man kann Lady Macbeth eine tragisch-satirische Oper nennen. Obwohl Katerina Lwowna die Mörderin ihres Mannes und ihres Schwiegervaters ist, habe ich Sympathie für sie. Ich war bemüht, den ganzen sie umgebenden Lebensverhältnissen einen finster-satirischen Charakter zu geben. Das Wort »satirisch« verstehe ich durchaus nicht im Sinne von »lächerlich, spöttisch«. Im Gegenteil: in der Lady Macbeth habe ich mich bemüht, eine Oper zu schaffen, die eine entlarvende Satire ist, die Masken herunterreißt und dazu zwingt, die ganze schreckliche Willkür und das Beleidigende des Kaufmannsmilieus zu hassen. Das musikalische Material der Lady Macbeth unterscheidet sich deutlich von meiner vorangegangenen Arbeit auf dem Gebiet der Oper, der Nase. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass in einer Oper gesungen werden muss. Und alle Vokalpartien der Lady Macbeth sind sanglich, kantilenenhaft. Das Orchester steigert sich an einigen pathetischen Stellen zum Gewaltigen. Es werden eine Militärkapelle und verschiedene zusätzliche Instrumente einbezogen. Zur Zeit sind drei Akte geschrieben. Insgesamt sollen es vier werden. Ich nehme an, dass ich in etwa drei bis vier Monaten fertig werde. (1932)

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EIN E T R AGISCH-SAT IR ISCHE OPER


Angelika Niederberger

ZUR ENTSTEHUNG DER » LADY MACBETH VON MZENSK«

Uwe Schweikert


Als Schostakowitsch im Jahre 1930 mit der Komposition seiner zweiten Oper Lady Macbeth von Mzensk begann, war er erst 24 Jahre alt und hatte bereits mit einigen Werken für großes Aufsehen gesorgt. 1924 schrieb er seine erste Sinfonie, vier Jahre später seine erste Oper – Die Nase – nach Gogol. Beide Werke machten ihn schlagartig berühmt. Der Komponist plante seine neue Oper als ersten Teil einer Opern-Trilogie, die sich mit der Lage der Frau in verschiedenen Epochen Russlands befassen sollte. Dieses Thema fand sich in der sowjetischen Kunst und Literatur der 20er und 30er Jahre recht häufig. Die Titelheldin Katerina Ismailowa sollte den Anfang machen, die Protagonistin der zweiten Oper sollte die junge Anarchistin Sofia Perowskaja sein, die 1881 am Attentat auf den Zaren Alexander II. beteiligt war, die dritte Oper sollte von einer Arbeiterin aus der Sowjetzeit handeln. Dem Libretto liegt die Novelle Lady Macbeth von Mzensk von Nikolaj Leskow aus dem Jahr 1865 zugrunde. Schostakowitsch, der das Textbuch zusammen mit Alexandr Preis verfasste, nahm einige Änderungen in der literarischen Vorlage vor, um aus der Protagonistin eine positivere Figur zu machen und um der Handlung einen sozialkritischeren Hintergrund zu geben. Mitte Oktober 1930 war eine erste Ensembleszene und das Zwischenspiel zwischen dem zweiten und dritten Bild komponiert. Wegen diverser Auftragsarbeiten musste er dann die Arbeit an der neuen Oper beiseitelegen. In Georgien, wohin Schostakowitsch für zwei Monate fuhr, beendete er am 5. November den ersten Akt. Im Frühling wurde der zweite Akt in Leningrad fertig gestellt. Der dritte Akt konnte wegen der Vorbereitung zur Premiere von Shakespeares Hamlet, dessen musikalische Gestaltung er übernommen hatte, erst im August 1931 beendet werden. Der Komponist arbeitete an dieser Oper zwei Jahre, eine für Schostakowitsch ungewöhnlich lange Entstehungszeit. Die letzte Note schrieb er am 17. Dezember 1932 in Leningrad. Während der Entstehungszeit der Lady Macbeth von Mzensk vertiefte sich die Beziehung zu seiner späteren Ehefrau, der Physikerin Nina Warsar. Er heiratete sie im Mai 1932. Ihr widmete er auch die Partitur der Lady Macbeth. Im Jahre 1933 begannen an zwei Bühnen gleichzeitig die Proben zur neuen Oper. Am kleinen Opernhaus in Leningrad inszenierte Nikolaj Smolitsch das Musikdrama in den konstruktivistischen Bühnenbildern von Wladimir Dmitrijew, Dirigent war Samuil Samossud. Es handelte sich um dasselbe Team, das auch schon die Uraufführung der ersten Oper Die Nase geleitet hatte. Die neue Oper fand bei den Musikern allgemeines Interesse. Sie gingen mit Enthusiasmus an die Vorbereitung des Werks. Schostakowitsch nahm an den Vorbereitungen teil. So konnte er noch kleine Änderungen vornehmen oder Fehler in den Stimmen korrigieren. In Moskau studierte Wladimir Nemirowitsch-Dantschenko – der Weggefährte Stanislawskis und Mitbegründer des Künstlertheaters – an seinem eigenen Opernhaus die Lady Macbeth ein, 33

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allerdings unter dem Titel Katerina Ismailowa. Es handelte sich aber um genau dieselbe Oper, verwirrend ist vielleicht, dass die revidierte 3. Fassung der Oper von 1963 denselben Titel erhalten hat. Auch die Aufführung in Moskau stattete Dmitrijew aus, diesmal aber mit realistischen Bühnenbildern. Dirigent war Grigori Stoljarow. Die Uraufführung am 22. Jänner 1934 in Leningrad war ein triumphaler Erfolg. Ihr folgte zwei Tage später die Moskauer Erstaufführung. Unter den Premierengästen in Moskau saß auch Maxim Gorki. Publikum wie Presse waren von der neuen Oper begeistert. Die Zeitungen erklärten Lady Macbeth zum »Sieg des sowjetischen Musiktheaters« und zum »grandiosen Schritt in Richtung des sozialistischen Realismus«. Überraschend war, dass Schostakowitsch von beiden ästhetischen Richtungen gelobt wurde, von den »Realisten« Nemirowitsch-Dantschenko und Alexej Tolstoi ebenso wie von den »Avantgardisten« Meyerhold und Eisenstein. Die Thea­terverwaltung gab einen Erlass heraus, in dem es hieß, die Oper »stelle den Beginn der großartigen Blüte des sowjetischen Opernschaffens auf der Grundlage des historischen Beschlusses des Zentralkomitees der Kommunistischen Allunionspartei (Bolschewiki) vom 23. April 1932 dar«. Ende Februar, also einen Monat nach der Uraufführung, schrieb der Komponist an den Regisseur Smolitsch: »Lieber Nikolaj Wassiljewitsch! Gestern fand die zehnte Vorstellung der Lady Macbeth statt. Das Stück läuft gut. Das Publikum hört aufmerksam zu und begibt sich erst nach dem Schlussvorhang in die Garderoben; es wird kaum gehustet. Ganz allgemein erfreut vieles mein Autorenherz, und zum wiederholten Mal empfinde ich große Dankbarkeit für Ihre Arbeit an der Lady Macbeth. Ich vergaß zu erwähnen, dass diese zehn Aufführungen vor ausverkauftem Haus und bei erhöhten Eintrittspreisen stattfanden. Dies freut mich, denn wenn die Leute aufhören zu kommen, wird das Stück aus dem Repertoire genommen, und ich werde der Möglichkeit beraubt, mir mein Kind anzuhören. […]« Binnen zweier Jahre wurde das Werk 83-mal in Leningrad und 94-mal in Moskau gespielt. Die erste ausländische Aufführung erfolgte am 31. Jänner 1935 in Cleveland. Der Dirigent dieser Aufführung war Artur Rodzinski. Für ihn war Lady Macbeth ein sensationelles Meisterwerk und einer der wichtigsten Beiträge zur zeitgenössischen Musik in den letzten fünfundzwanzig Jahren. Obwohl die Oper auch in Amerika begeistert aufgenommen wurde, waren einige Kritiker empört über so viel dramatisches, düsteres Geschehen auf der Bühne. William Henderson schrieb in der The New York Sun, »Schostakowitsch ist zweifellos der bedeutendste Komponist pornographischer Musik in der Geschichte der Oper«. Er nannte Lady Macbeth eine »Schlafzimmer-Oper«. Es folgten im selben und im darauffolgenden Jahr 1936 Aufführungen u. a. in der Tschechoslowakei, in Argentinien, den Vereinig­ten Staaten, in SchweA NGELIK A N IEDER BERGER

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den, Jugoslawien, Dänemark, England und in der Schweiz. Die 1935 erstmals erschienenen Ausgaben (Klavierauszug/Textbuch bei der Universal Edition in Wien und bei Musgis in Moskau) erhielten bereits etliche Eingriffe. Es handelte sich z. T. um erhebliche textliche Veränderungen, in denen schroffe, vulgäre und erotische Stellen eliminiert oder gemildert wurden. Aber auch musikalisch wurde in das Werk eingegriffen. So war die neue Oper 1935 in einer redigierten und gemilderten Druckausgabe auf dem Markt. Schostakowitsch äußerte sich zu seiner Oper anlässlich der ersten Inszenierungen. Er rechtfertigte sich darin für die Wahl des Stoffes und die Wahl einer Mörderin als Titelfigur. Im Jänner 1936 war das Maly-Theater (Kleines Opernhaus) von Leningrad mit zwei Opern zu einem Gastspiel nach Moskau eingeladen worden, und zwar mit Iwan Dsershinskis Stillem Don und mit Schostakowitschs Lady Macbeth. Die oberste Partei- und Staatsführung hatte sich zu den Aufführungen angesagt. Nach dem Besuch des Stillen Dom erntete der Komponist großes Lob von Stalin und Molotow. Am 26. Jänner besuchten die Parteiführer die Lady Macbeth von Mzensk. Schostakowitsch berichtete seinem Freund Sollertinski darüber: »Lieber Iwan Iwanowitsch. Am 26. kam ich in Moskau an. Abends ging ich zu Gisin. Neuigkeiten erfuhr ich keine. Aber während ich bei ihm saß, rief der stellvertretende Direktor des Bolschoi-Theaters, Leontjew, an und forderte mich auf, doch sofort in die Filiale zu kommen. Es gab Lady Macbeth. Genosse Stalin und die Genossen Molotow, Mikojan und Shdanow besuchten die Aufführung. Die Aufführung verlief gut. Am Ende wurde der Autor hervorgerufen (vom Publikum hervorgerufen). Ich ging hinaus, um mich zu verbeugen und bedauerte, dass ich das nicht bereits nach dem dritten Akt getan hatte. Mit trauriger Seele ging ich wieder zu Gisin, nahm mein Gepäck und fuhr zum Bahnhof. […] Ich war in schlechter Stimmung. […]« Was war geschehen? Die Parteiführer folgten der Aufführung unaufmerksam, lachten und verließen die Vorstellung frühzeitig. Der Tenor Sergej Radamsky schilderte Jahre später in der Times (1963) diesen Abend ausführlich. Die Parteiführer seien in der Loge direkt über den Blechbläsern und dem Schlagzeug gesessen, auch die Bühnenmusik sei zu laut gewesen. Die Liebesszene im 2. Akt hätte die Herren besonders amüsiert. Der Komponist war über die Reaktion der Parteiführer sehr gekränkt. Er musste in dieser Nacht zu einem Konzertgastspiel mit dem Cellisten Viktor Kubatzki nach Archangelsk fahren. Am 28. Jänner kaufte der Komponist die russische Zeitung Prawda und stieß auf Seite 3 auf einen ungezeichneten Artikel, der den Titel »Chaos statt Musik« trug. »Diesen Tag werde ich nie vergessen. Er ist vielleicht der denkwürdigste in meinem ganzen Leben. Der Artikel auf der dritten Prawda-Sei 35

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te veränderte ein für allemal meine ganze Existenz.« So erinnerte sich Schostakowitsch später an diesen Tag. Bei dem Artikel handelte es sich um einen massiven Angriff auf seine Oper Lady Macbeth von Mzensk. Der Komponist habe vom Jazz die »nervöse, verkrampfte, krankhafte Musik« übernommen. »Alles ist grob, primitiv und vulgär. Die Musik schnattert, saust, keucht, erstickt – mit dem Ziel – möglichst natürlich die Liebesszene auszudrücken…« Die Oper sei Ausdruck von »linksradikaler Zügellosigkeit« und »kleinbürgerlichem Neuerertum« und mit dem »Formalismus« behaftet. Der Autor des offiziellen Zentralorgans – der Artikel wird Stalin persönlich zugeordnet, was aber nicht bewiesen ist – befand, dass dieses Werk in eine gefährliche Richtung in der sowjetischen Musik ginge. Dieser Artikel war zwar eindeutig gegen Schostakowitschs Oper gerichtet, aber an ihm, dem berühmten, auch im Ausland mittlerweile bekannten Komponisten sollte ein Exempel statuiert werden. Die sowjetischen Theater mussten die Oper sofort vom Spielplan absetzen. Es war dies ein Signal und gleichzeitig eine Warnung an alle Künstler, die sich dem Geschmack und den Ideen des Zentralkomitees nicht unterordnen wollten. Der Prawda-Artikel hatte eine katastrophale Wirkung. Ein Kritiker nach dem andern, aber auch ein Freund nach dem andern revidierte seine frühere positive Meinung über die Lady Macbeth und ging konform mit der offiziellen Partei-Meinung. Maxim Gorki wies die Aussage des Artikels zurück, verhielt sich Stalin gegenüber aber so, als ob es sich dabei nicht um dessen Meinung handeln würde. Schostakowitsch vollendete keine weitere Oper mehr. Die Partitur verschwand für 27 Jahre aus den Spielplänen der sowjetischen Opernhäuser. Erst viele Jahre später – in der Zeit des Tauwetters unter Chruschtschow – überarbeitete Schostakowitsch die Oper zu einer neuen Fassung, die am 8. Jänner 1963 unter dem neuen Titel Katerina Ismailowa in Moskau uraufgeführt werden konnte. Es war dies eine geglättete Fassung ohne anrüchige Textpassagen, ohne erotische oder vulgäre Szenen, ohne scharfe, dissonante Orchesterklänge. Diese Fassung, die überall gespielt wurde, war auch an der Wiener Staatsoper im Jahre 1965 zu hören. Erst als es Schostakowitschs Freund Mstislaw Rostropowitsch gelang, die Partitur der Erstfassung in den Westen zu bringen und sie 1979 im Druck erschien, konnten die Bühnen wieder die Urfassung Lady Macbeth von Mzensk spielen.

→ KS Kurt Rydl als Boris und KS Angela Denoke als Katerina, 2009

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AUS DEN MEMOIREN DES DMITRI SCHOSTAKOWITSCH Ich widmete Lady Macbeth meiner Braut. Versteht sich, dass die Oper auch von Liebe handelt, aber nicht nur. Sie handelt auch davon, wie Liebe sein könnte, wenn nicht ringsum Schlechtigkeit herrschte. An diesen Schlechtigkeiten ringsum geht die Liebe zugrunde. An den Gesetzen, am Besitzdenken, an der Geldgier, an der Polizeimaschinerie. Wären die Verhältnisse anders, wäre auch die Liebe eine andere. […] Zum Beispiel unser Kulturhistoriker Iwan Sollertinski hielt die Liebe für eine hohe Begabung. Wer lieben kann, besitzt ein Talent wie jemand, der Schiffe konstruieren oder Romane schreiben kann. In diesem Sinne war Katerina ein Genie, genial in ihrer Leidenschaft: Um der Liebe willen war sie zu allem fähig. Unsere derzeitigen Lebensbedingungen erachtete Sollertinski als wenig geeignet für das Erblühen von Talenten dieser Art. Alles ringsum jammerte darüber, dass die Liebe verkümmere. Wahrscheinlich ist das immer so. Jede Generation bildet sich ein, für die Liebe sei das letzte Stündlein gekomDMIT R I SCHOSTA KOW ITSCH

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men. Jedenfalls aber glaubt man immer, dass diese Frage sich heute anders stellt als gestern. Und morgen wird sie nicht mehr so gestellt wie heute. […] Liebe zu dritt war ein großer Filmerfolg. Im Theater gab man Stücke wie Die Nationalisierung der Frauen. Man arrangierte Diskussionen über die freie Liebe. Diese Diskussionen hatten großen Zulauf. Auf ihnen wurde die »GlasWasser-Theorie« diskutiert. Man stellte sich geschlechtliche Beziehungen so einfach vor wie den Griff nach einem Glas Wasser, das den Durst löscht. Im »Theater der jungen Arbeiter« sagte die Heldin eines Stückes, die Hauptsache sei, die geschlechtlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Nur das sei wichtig, sonst nichts. Aber man könne nicht ständig aus demselben Glas trinken, man werde dessen überdrüssig. Gleichzeitig gab es Auseinandersetzungen über ein sehr populäres Buch Der Mond von rechts von Sergej Malaschkin. Ein sehr schlechtes Buch. Doch das focht die Leser nicht an. Wichtig war der Inhalt: Sexual­orgien junger Komsomolzen. […] Hitzig wurde die Frage verhandelt, ob ein Mädchen 22 Männer haben könne. Das Problem beschäftigte alle – selbst Meyerhold horchte auf, der doch ein Mann von gutem Geschmack war. Dies charakterisiert ein übriges Mal die damalige Atmosphäre. Meyerhold plante, Tretjakows Stück Ich will ein Kind aufzuführen, hatte schon mit den Proben begonnen. Doch dann wurde das Stück verboten. Zwei Jahre bemühte er sich um die Aufführungsgenehmigung. Es blieb bei dem Verbot. Das Haupt-Repertoire-Komitee verurteilte das Stück als vulgär und zu direkt. Meyerhold konterte, wenn man dem Theater alle vulgären Wörter fernhalten wollte, dann müsste man den ganzen Shakespeare verbrennen und könnte nur noch Rostand aufführen. Meyerhold wollte das Stück als Disput inszenieren. Es ging darum, die Liebe abzuschaffen. Eine brave Frau sagt: »Ich liebe nur meine Parteiarbeit.« Sex gibt es so nebenher. Und von Zeit zu Zeit werden gesunde Kinder geboren, klassenmäßig reine Kinder, von guter arischer, Verzeihung, proletarischer Abstammung. Keine erfreuliche Geschichte. Tretjakow träumte davon, dass in Zukunft Kinder nur nach Plan in die Welt gesetzt werden würden, nun, man hat ihn umgebracht. Und Meyerhold wurde vorgeworfen: »Er bestand hartnäckig darauf, das Stück des Volksfeindes Tretjakow aufzuführen, ein Stück, das eine bösartige Verleumdung der sowjetischen Familie darstellt.« Meine Oper, in der es keine direkten Berührungspunkte mit unserer ruhmreichen Wirklichkeit gibt, hat bei genauerem Hinsehen eben doch eine Menge davon. Allgemein gesprochen, ist für die russische Oper eine Heroine wie Katerina Lwowna nicht typisch, aber in meiner Oper gibt es auch eine ganze Reihe traditioneller Figuren, die mir auch sehr wichtig zu sein scheinen. Der ganze vierte Akt spielt im Zuchthaus. Einige meiner Bekannten waren der Ansicht, der Akt sei zu traditionell. Aber ich wollte dieses Finale so. 39

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Schließlich ging es um Sträflinge. In früheren Zeiten nannte man Sträflinge »Unglückliche«. Man versuchte, ihnen zu helfen, ihnen etwas zu schenken. Erst in meiner Zeit wandelte sich die Beziehung zu Verhafteten: Gerätst du ins Gefängnis, bist du schon kein Mensch mehr. Tschechow reiste nach Sachalin, um die Lage gewöhnlicher Krimineller zu erleichtern. Von den politischen Häftlingen gar nicht zu reden – sie alle waren in den Augen der Gebildeten Helden. Dostojewski erinnerte sich, wie ihm als Sträfling ein kleines Mädchen eine Kopeke geschenkt hat. Er war für sie ein Unglücklicher. Ich wollte zeigen, dass Häftlinge unglückliche Menschen sind, dass man den schon am Boden Liegenden nicht noch mit Füßen treten darf. Heute bist du ein Gefangener – morgen ich. Das ist für mich ein sehr wichtiger Moment in Lady Macbeth, ein sehr traditionsreicher in der russischen Musik. […] Gegen die Nase hatten seinerzeit Arbeiterkorrespondenten aufgeregte Briefe geschrieben. Auch die Ballette Der Bolzen und Dynamiada beschimpften sie in jeder nur möglichen Form. Bei Lady Macbeth war es anders. In Leningrad wie in Moskau wurde die Oper mehrmals in der Woche gespielt, in beiden Städten in zwei aufeinander folgenden Spielzeiten fast hundert Mal. Für eine neue Oper war das ein gutes Resultat. Ich beschäftige mich hier nicht mit Selbstlob. Es geht auch nicht nur um Musik. Nicht einmal um die Aufführungen. Wichtig war die allgemeine Atmosphäre. Und die war damals für Opern ziemlich günstig. Vielleicht war das die glücklichste Zeit für meine Musik. So etwas hatte es noch nie gegeben – weder vorher noch nachher. Vor der Oper war ich ein grüner Bengel, den man verhauen konnte. Später wurde ich zum Volksfeind. Immer unter Beobachtung. Immer beargwöhnt. Doch in der Zeitspanne dazwischen war alles verhältnismäßig glücklich. Diese in Wirklichkeit unbegründete Zuversichtlichkeit kam in mir auf, weil eine Zeit lang die Dinge von sachlich-kompetenten Leuten entschieden wurden. Das heißt, sie besaßen natürlich keinerlei Entscheidungsbefugnisse, aber ihre Empfehlungen wurden angehört. Und das war schon sehr viel.

→ KS Wolfgang Bankl als Boris, 2017

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KOLUMN EN T IT EL


Angelika Niederberger

FASSUNGEN DER » LADY MACBETH VON MZENSK « Es wird immer von zwei verschiedenen Fassungen der Oper gesprochen, von der Urfassung Lady Macbeth von Mzensk von 1934 und von der revidierten Fassung von 1963 mit dem Titel Katerina Ismailowa. Richtigerweise muss man aber von drei verschiedenen Fassungen sprechen: Ein Jahr nach der Uraufführung der Lady Macbeth von Mzensk im Jahre 1934 bearbeitete Schostakowitsch den Text der Oper. Etliche Stellen wurden geglättet und abgeschwächt, vor allem eliminierte er erotische Anspielungen. Als Beispiel für eine Textänderung sei hier Katerinas Arie zu Beginn des 3. Bildes angeführt: FAS SU NGEN DER »LA DY M ACBET H VON M ZENSK«

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Urfassung 1934 Alles paart sich: Der Hengst läuft der Stute nach, dort der Kater das Kätzchen jagt, und hier drängt der Täubrich zur Taube. Warum aber kommt denn keiner zu mir? Der Westwind streichelt den Birkenwald, und die Sonne wärmt ihn mit ihrer Glut: Einmal hat jeder das Glück gespürt. Wer aber kommt denn jemals zu mir, ja, wer streichelt mir zart den Hals, und wer küsst mir wie Feuer den Mund? Ach, wer wird mir lustvoll die Brüste liebkosen? Wer liebt mich, bis ich vor Erschöpfung nicht mehr kann. Ausgabe 1935 Vor langer Zeit sah ich aus meinem Fenster unterm Dache ein kleines Nest, worin ein Taubenpaar wohnte. Sie waren so glücklich, flatterten froh. Ich schaue oft zu dem Taubenpaar und weine oft, wenn ich denke, wie sehr ich die beiden beneiden muss, da ich doch niemanden hab’, den ich lieben könnt’, weil ich doch keine Freiheit hab’ und keine Flügel zu fliegen. Ich hab’ keinen Geliebten, um zärtlich zu sein. und um glücklich zu sein und zu lieben den, der mich liebt. An einem weiteren Beispiel soll gezeigt werden, wie Schostakowitsch Veränderungen vornahm, um Katerina sympathischer zu machen und sie zu entlasten. Bei Leskow wurde der Ehemann Sinowi von seiner Frau – Katerina – allein ermordet. In der Erstfassung der Oper wird der Mord zusammen von Katerina und ihrem Geliebten Sergej begangen. In der 2. Fassung von 1935 wurde aus dem Mord ein Totschlag, weil Sergej sich gegen Sinowi wehren musste. Aber es wurden auch etliche musikalische Änderungen vorgenommen: Dissonanzen wurden beseitigt, Synkopen und andere »schräge« Rhythmen eliminiert. Das Zwischenspiel am Ende des 3. Bildes, wo der Liebesakt zwischen Katerina und Sergej musikalisch ausgedrückt wurde, hat der Komponist erheblich gekürzt und die aggressive Orchestrierung verändert. 43

A NGELIK A N IEDER BERGER


Die Verwendung der zusätzlichen Bläsermusik in sechs Bildern wurde in der revidierten Fassung gestrichen. Als Stalin 1936 die Oper besuchte und anschließend der Artikel in der Prawda erschien, den er möglicherweise selbst angeordnet oder sogar verfasst hat, erlebte er also bereits die revidierte, gemilderte Fassung. Nach Stalins Tod und der damit einhergehenden Liberalisierung unter Chruschtschow konnte der Komponist darangehen, seine totgeschwiegene und abgesetzte Oper einer neuerlichen Bearbeitung zu unterziehen. Diesmal griff Schostakowitsch wieder erheblich in die Partitur ein – sowohl musikalisch wie textlich. Nochmals wurden heikle Stellen geglättet, Vulgarismen herausgenommen. Die Orchesterbegleitung zum Liebesakt wurde gänzlich gestrichen. Zwei aggressive Zwischenmusiken wurden gegen neu komponierte, pathetische Stücke ausgewechselt. Unter dem Titel Katerina Ismailowa wurde die nun 3. Fassung jahrelang gespielt. So auch in der Wiener Staatsoper im Jahre 1965. Es gelang dem Musiker und Freund des Komponisten – Mstislaw Rostropowitsch –, die Urfassung in den Westen zu bringen. Nach der Einspielung 1979 und der Veröffentlichung der Partitur wird wieder diese Erstfassung der Oper gespielt, so auch in Wien.

→ Eva-Maria Westbroek als Katerina, 2017

FAS SU NGEN DER »LA DY M ACBET H VON M ZENSK«

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KOLUMN EN T IT EL


Rainer Traupel

DAS KULTURPOLITISCHE UMFELD

Nach der Februarrevolution von 1905, die sich trotz ihres Scheiterns als Aufstandssignal erwies, wurde das zaristische Russland von Protestwellen gegen ökonomische, politisch-soziale und kulturelle Anachronismen erschüttert. Für viele junge Künstler gab es nur noch ein Ziel: Die Zertrümmerung der alten Gesellschaft und die gigantische und komplexe Umgestaltung der Welt und des Menschen. Mit ihrer Kunst beteiligten sie sich aktiv daran, allen voran die avantgardistische Phalanx. Dazu gehörten vor allem die verschiedenen Gruppierungen der Futuristen – Wladimir Majakowski, Welimir Chlebnikow, Kasimir Malewitsch, Alexandr Rodtschenko u. a.–, die das Publikum, um es zum Umdenken aufzufordern, bewusst schockierten. Ihre Ausstellungen, Theatervorstellungen, öffentlichen Diskussionen oder Konzerte (wie etwa die Uraufführung des 2. Klavierkonzertes von Prokofiew) gipfelten meist in Skandalen. Für sie als junge Radikale war der ästhetische Nihilismus die einzige Richtlinie, und die totale Tabula rasa war der Ausgangspunkt für neues, unkonventionelles Schaffen. Mit einigen Ausnahmen waren sie alle robuste Provinzler und sahen das gärende Leben laut, brutal, dissonant, widersprüchlich – wie es eben war – mit harmonischen Formen in schöner Ordnung nicht mehr einzufangen. Es war das »silberne Zeitalter der russischen Kultur«. R A IN ER T R AU PEL

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Im Jahre 1917 brach endlich die ersehnte Revolution aus. Für die russischen Künstler, Dichter, Maler und Kritiker, Komponisten und Theaterautoren war sie der Strom, in dem sie alle schwammen. Sie glaubten, dass nun ein grenzenloses schöpferisches Umfeld entstehen würde. Durch die Machtübernahme der Bolschewiki aber, die keine Opposition duldeten, versanken allmählich ihre Utopien. Mindes­tens für einige Jahre vermochte der politisch und kulturell im Ausland aufgeklärte Kommissar Lunatscharski, ein Freund der Futuristen, die kreative Freiheit der Künstler zu bewahren. Er erreichte, dass die Avantgardisten als Künstler anerkannt wurden und gab ihnen künstlerische und pädagogische Möglichkeiten, die sie weder vorher noch nachher erhalten konnten. So wurde beispielsweise der futuristische Komponist Arthur Lourié so etwas wie ein »Musikminister«. Die herausragende Kunstrichtung der Revolutionszeit war der Konstruktivismus, in dem Majakowski, Rodtschenko, El Lissitzki und viele andere eine Rolle spielten. Diese Künstler bekannten sich bis auf einige Ausnahmen zu den linken politischen Idealen, von denen sie sich die totale Verwandlung des Menschen und der Gesellschaft und die Verwirklichung ihrer Ideen erhofften. Sie versuchten mit Ausstellungen, Diskussionen, Dichterlesungen, Konzerten, Plakaten oder Bemalen der Hauswände den Kontakt zum neuen Publikum, dem »kleinen Mann« auf der Straße oder dem Soldaten der Roten Armee, zu finden. Der berühmte Theaterregisseur Wsewolod Meyerhold inszenierte riesige Massenschauspiele mit mehreren Tausend Mitwirkenden. Die Grenzen zwischen Zuschauerraum und Bühne wurden aufgehoben und das Publikum nahm aktiv am Geschehen teil. Die bolschewistische Partei bemühte sich, diesen Massenaufführungen eine propagandistische Prägung zugunsten ihrer Ideologie zu verleihen. Um 1921 verwandelte sich der »heroische Kommunismus« der Revolutions- und Bürgerkriegsjahre in die »Neue Ökonomische Politik« (NEP, 1921–1928), die als Heilmittel für die zerrüttete Nationalwirtschaft ins Leben gerufen wurde. Man ließ wieder den freien Binnenhandel zu und pflegte Kontakte zum Westen. Der bisher freie Künstler begab sich als »Kunstproduzent« in den Bereich der utilitären Kunst – oder wurde dorthin vertrieben. Viele zogen die Emigration vor. Vorbei war der Höhenflug der linksgerichteten Avantgarde, die zu Fest- und Gedenktagen ganze Städte in ein einziges Kunstwerk verwandelte. Auch für die Literatur gab es nur noch beschränkte Freiheiten: Sie musste positiv zur Revolution stehen und durfte keine antikommunistischen Themen behandeln. Antikommunistische oder reaktionäre Schriftsteller wurden mundtot gemacht. Trotzdem gelang es einigen, wie z.B. Sostenschko und Majakowski, mittels Satire den neu entstandenen Bürokratismus und die NEP-Politik zu entlarven. Die NEP-Periode hatte auch positive Seiten: Es waren die einzigen Jahre in der Geschichte der Sowjetunion, in denen engere Bande zur Kultur des Westens bestanden und zu einem fruchtbaren gegenseitigen Austausch führten. 47

DAS K U LT U R POLIT ISCHE UMFELD



← Brandon Jovanovich als Sergej, 2017

Man lud ausländische Künstler ein, in Russ­land zu gastieren. Sie brachten ein neues Repertoire und dadurch neue Anregungen mit, die insbesondere für die Musik von großer Bedeutung waren. Berühmte Dirigenten (wie Bruno Walter und Otto Klemperer) und Komponisten (wie Alban Berg, Darius Milhaud, Franz Schreker) reisten in die Sowjetunion. Schostakowitsch war einer der eifrigen Zuhörer, die die Konzerte und Opernaufführungen (z. B. den Wozzeck von Alban Berg, Leningrad 1927) besuchten und er lernte u. a. den amerikanischen Jazz kennen. Alle Künstler aus dem Westen lobten das ungewöhnliche Publikum. Die sowjetische Musik, die bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Restriktionen erdulden musste – während die Literatur den Druck der Partei immer mehr spürte –, erlebte in der NEP-Periode ihre fruchtbarste Zeit. Als einer der Höhepunkte galt die Uraufführung der Oper Die Nase von Schostakowitsch (1927/28, uraufgeführt 1930), eine Satire auf die Epoche Zar Nikolaus I. mit offensichtlichen Parallelen zur Gegenwart. Zu den Charakteristika jener Epoche zählen: Korruption, Polizeiterror, Faulheit, Bürokratie, Zensur. Entsprechend frech war die grotesk-satirische Musik: frech, geräuschvoll, zuweilen vorsichtig untermalend. Die Uraufführung löste einen regelrechten Sturm unter den Kritikern – Befürwortern wie Gegnern der Avantgarde-Oper – aus. Ungeachtet der Kritik komponierte Schostakowitsch in den Jahren 1930–32 seine zweite Oper, Lady Macbeth von Mzensk (uraufgeführt 1934). Obwohl, oder eben weil diese modernistische und freizügige Oper ein großer Publikumserfolg wurde, nahm sie die Partei in dem berüchtigten Prawda-Artikel »Chaos statt Musik« von 1936 zum Anlass, auch die Musik, als letzte der Künste, zur Konformität nach den Vorstellungen der Partei zu zwingen. Um die Einschränkungen der Künste in der Sowjetunion seit den 20er Jahren zu verstehen, müssen wir auf Aussagen Lenins zurückgreifen. Richtungweisend wurde seine Schrift über »Parteiorganisa­tion und Parteiliteratur« aus dem Jahr 1905, wo die Einstellung der Bolschewiki zur Literatur und Kunst wie folgt definiert wird: »Die literarische Tätigkeit […] darf überhaupt keine individuelle Angelegenheit sein, die von der allgemeinen proletarischen Sache unabhängig ist. Nieder mit den parteilosen Literaten! Nieder mit dem literarischen Übermenschen! […]« Lenin fährt fort: »Jeder hat die Freiheit zu schreiben und zu reden, was ihm behagt, ohne die geringste Einschränkung. Aber jeder Verband (darunter die Partei) hat auch die Freiheit, solche Mitglieder davonzujagen, die […] parteiwidrige Auffassungen predigen.« Diese Äußerungen Lenins sind als Grundlage und Ausgangspunkt der sowjetischen Kulturpolitik anzusehen, obwohl sie zunächst nur auf die bolschewistische Parteipresse gemünzt waren. Seit 1918 wurden sie aber von ihm selbst, und später in verschärfter Form von Stalin, auf jede literarische und künstlerische Tätigkeit überhaupt bezogen. So war beispielsweise für Lenin selbst der Proletkult (Abkürzung für »pro-

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letarische Kultur«) eine Institution, die, gefördert von Lunatscharski, sich der Formung und Erziehung des befreiten Proletariats mithilfe der Literatur und Kunst annahm, nur im Dienste und unter der strengen Kontrolle der Partei interessant und bemerkenswert. Nach dem Tode Lenins (1924) fügte das sowjetische Parteiregime unter Stalin systematisch Stein auf Stein, um die revolutionär-schöpferische Sturmund Drangphase langsam zu ersticken. Es begann mit der Resolution vom 18. Juni 1925. Sie gestand zwar den »Mitläufern« (d. h. Dichtern, die zwar nicht einer proletarischen Literaturvereinigung angehörten, jedoch positiv der Revolution gegenüberstanden) nochmals eine Betätigungsmöglichkeit zu, betonte aber gleichzeitig, dass die Partei das Recht habe, die Schriftsteller zu kontrollieren und auch sonst überall in das Kulturleben einzugreifen. Die Stalin-Ära kündigte sich an. Bereits 1921 warnte der symbolistische Revolutionsdichter Alexander Blok anlässlich einer Feier zu Ehren des Dichters Puschkin in seinem Vortrag »Über die Bestimmung des Dichters«: »Schon zu Puschkins Zeiten nahm die Bürokratie rasch den Platz des Adels ein. Diese Tschinowniki (zaristische Beamte) sind […] unser Mob […] Der Mob verlangt vom Dichter, denjenigen zu dienen, denen er, der Mob, selbst dient. Er verlangt vom Dichter, der Außenwelt dienlich zu sein, ›nützlich‹ zu sein […] Ruhe und Freiheit sind dem Dichter unentbehrlich […] Aber Ruhe und Freiheit nimmt man ihm weg […] Der Dichter stirbt, da er keine Luft zum Atmen hat.« Diese prophetischen Worte sollten zur bitteren Wahrheit werden. Am 23. April 1932 erlässt das Zentralkomitee der KPdSU die zweite folgenschwere Resolution: 1. Alle bisherigen Assoziationen der proletarischen Schriftsteller werden liquidiert. 2. S tattdessen wird ein einheitlicher Verband der sowjetischen Schriftsteller geschaffen. 3. Auch für die anderen Kunstgattungen wird eine analoge Umwandlung in die Wege geleitet. 4. Die praktische Durchführung dieses Beschlusses obliegt der KPdSU. Damit tritt an die Stelle der bislang noch vorhanden gewesenen Vielfalt die organisierte Eintönigkeit. Das betraf auch die untereinander heftig zerstrittenen Musikergruppierungen: → Assoziation für Zeitgenössische Musik (ASM), der die westlich orientierten Modernisten (u. a. Schostakowitsch) angehörten. → Die Russische Assoziation Proletarischer Musiker (RAPM), die für eine sehr einfache, allgemein verständliche und volksnahe Musik eintrat. → Die akademischen Traditionalisten, die Hüter des klassischen russischen Erbes. R A IN ER T R AU PEL

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Die Partei löste sie auf und ersetzte sie durch den Sowjetischen Komponistenverband, in dem die Traditionalisten eine immer einflussreichere Stellung einnahmen. Während des ersten Schriftstellerkongresses von 1934 postulierte der Staat die neue Formel der sowjetischen Kulturpolitik: »Sozialistischer Realismus«. (Der Begriff stammt aus einer Rede Maxim Gorkis auf diesem Kongress.) Shdanow, der Gehilfe Stalins, erläuterte diesen »Sozialistischen Realismus«, der weder mit Sozialismus noch mit Realismus etwas zu tun hat. Bar jeder ästhetischen Komponente enthält er – verkürzt formuliert – folgende Punkte: 1. Literatur und Kunst müssen die sowjetische Wirklichkeit positiv widerspiegeln. Schattenseiten des Daseins in der kommunis­tischen Wirklichkeit dürfen nicht dargestellt werden. 2. Literatur und Kunst haben parteilich zu sein. 3. Literatur und Kunst haben optimistisch zu sein. Der Held der Literatur muss positiv sein. Nach dem Prawda-Artikel über die Lady Macbeth von Mzensk von 1936 gelten all diese Punkte auch für die Musik. Die Durchsetzung der oben genannten Gesetze mit totalitären Mitteln und Methoden führte einerseits zur Verwandlung der Kunst in ein Instrument der staatlichen Massenbeeinflussung und des psychischen Terrors und hatte andererseits schreckliche Konsequenzen für das persönliche Schicksal einer ganzen Generation sowjetischer Künstlerinnen und Künstler: Alexander Blok starb halb verhungert 1921. Der Dichter Sergej Jessenin und Wladimir Majakowski sowie die Dichterin Marina Zwetajewna begingen Selbstmord. Wsewolod Meyerhold und die Dichter Osip Mandelstam und Isaak Babel verschwanden für immer in Arbeitslagern. Schostakowitsch, dem man immer wieder durch erniedrigende Artikel drohte, wurde von der Verhaftung verschont, da er sich – äußerlich – dem Parteiauftrag fügte. Was wäre aus ihm geworden, wenn er die offizielle Kritik seiner Werke abgelehnt und den Parteiapparat kritisiert hätte?

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Der Schriftsteller Anatoli Lunatscharski, Volkskommissar für das Bildungswesen bis 1929, gab in einem Vortrag im Moskauer Bolschoi-Theater am 12. Mai 1930 Impulse für die Entwicklung auf dem Gebiet des Musiktheaters:

» Sollen wir uns mit einem solch einmaligen Spielzeug, mit dieser goldenen Kinderklapper, über die einst Zaren und Zarinnen, Bourgeois und Bourgeoisinnen in Entzücken gerieten, nur amüsieren und nichts Neues auf dem Gebiet von Oper und Ballett hervorbringen? Im Gegenteil! Wenn das Operntheater trotz des fremdartigen Inhaltes eine derart starke ästhetische Kraft ausstrahlt, die auf unsere Zuschauer anregend wirkt – was für eine gewaltige Waffe wird es dann erst in unseren Händen sein, wenn wir es mit unserem Inhalt erfüllen? Um unseren eigenen Inhalt auszudrücken, müssen wir auch die Form beherrschen. Das Proletariat wird seine eigene Opernform entwickeln. Auf keinen Fall dürfen wir jedoch annehmen, dass nach dem Vorbild Christi der Tempel in drei Tagen zerstört und in drei Tagen neu errichtet werden könne. Zerstören können wir den »Tempel« tatsächlich in drei Tagen, wiederaufbauen jedoch nicht. Wir müssen daher Konservatoren sein, die besten Traditionen bewahren.

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Auf dem Gebiet des Sprechtheaters werden alte Traditionen mit neuem Inhalt erfüllt; häufig schaffen wir jedoch auch neue Formen für einen neuen Inhalt. In der Oper zeichnet sich diese Entwicklung jedoch vorerst kaum ab. Versuche, die in dieser Richtung unternommen wurden, sind kaum erwähnenswert. Das ist betrüblich; diese Situation zu ändern ist jedoch nicht so leicht. Schwierigkeiten auf diesem Wege gibt es viele. Vor allem muss bei einer inhaltlichen Reformierung der Oper die Forderung nach Sujets aus der Gegenwart gestellt werden, die der Wirklichkeit so nahe wie möglich kommen. Die Fabel muss das Leben eines realen Menschen darstellen, sie muss viel von dem haben, was dem Leben eines gewöhnlichen Helden entspricht. Die Wege des Verismus beschreiten können wir jedoch nicht, da eine »Frau erstechen« keine Heldentat und dafür kein Pathos erforderlich ist. Die Revolution dagegen ist mit enormem Pathos erfüllt, und dem Theater fällt es nicht leicht, das Leben einzuholen. Die Revolution ist dermaßen glühend und frisch, dass das Theater schwerlich ergreifender sein kann als das Leben selbst. «

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A NATOLI LU NATSCH A RSK I


Bernd Feuchtner

SCHOSTAKOWITSCHS » LADY MACBETH « UND DAS ENDE DER SOWJETISCHEN AVANTGARDE

Als Alban Berg am 5. Mai 1927 in Berlin in einem Bruno-Walter-Konzert die Erste Symphonie von Dmitri Schostakowitsch hörte, schrieb er einen begeisterten Brief an den jungen Komponisten – der war erst 19, als er dieses Stück komponiert hatte: »Mein lieber Herr Schostakowitsch, ich habe mich ungemein gefreut, Ihre Symphonie kennenzulernen. Ich finde sie, namentlich den 1. Satz, famos! Dies klingt wirklich sehr gut und ich gratuliere Ihnen herzlich dazu! Ihr Berg.« Da Berg keine Adresse zur Hand hatte, schickte er den Brief an den Komponistenverband, dessen Vorsitzender Boris Assafjew ihn jedoch nicht an den Empfänger weiterleitete. Doch wenig später war Berg selbst in Leningrad, denn seine Oper Wozzeck wurde dort am 13. Juni 1927 im Kaiserlichen Marientheater aufgeführt – schon zwei Jahre nach der Berliner Uraufführung und drei Jahre vor ihrer Erstaufführung an der Wiener Staatsoper. Jetzt traf er den russischen Kollegen in Person, und beide verstanden sich ausgezeichnet. SCHOSTA KOW ITSCHS »LA DY M ACBETH« U ND DAS ENDE DER SOW JETISCHEN AVA N TGA R DE

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Der Austausch mit dem Westen war damals lebhaft. Am 30. November 1927 konnte Schostakowitsch in Leningrad Schönbergs Gurrelieder hören, und am selben Abend spielte Maria Judina das Klavierkonzert von Ernst Křenek. Auch dessen Sprung über den Schatten wurde aufgeführt. Schostakowitschs enger Freund Iwan Sollertinski, der klügste russische Musikdramaturg, leitete einen »Bruckner-Mahler-Enthusiastenverein«. Dirigenten wie Erich Kleiber und Otto Klemperer waren regelmäßig zu Gast und brachten auch Musik von Hindemith, Strawinski und der französischen Six wie Milhaud und Poulenc zu Gehör. Vor dem Wozzeck war im Marientheater Die Liebe zu den drei Orangen von dem im Ausland lebenden Sergej Prokofjew gespielt worden, und der Einfluss dieser beiden Opern auf Schostakowitsch wurde oft hervorgehoben – in der sowjetischen Presse allerdings immer stärker unter negativem Vorzeichen. Schostakowitsch begann im Sommer mit der Komposition seiner ersten Oper Die Nase nach Gogol, die Anfang 1929 uraufgeführt werden sollte. Da Assafjew jedoch vorher die Aufführung der komischen Oper Armer Kolumbus des jungen deutschen Komponisten Erwin Dressel durchsetzte (wofür Schostakowitsch kurzerhand zwei Orchesterstücke schrieb), fand die Uraufführung der Nase erst am 18. Jänner 1930 statt. Die Nase wurde 14-mal aufgeführt. Brisant war das Stück nicht nur wegen seiner musikalischen Neuerungen – etwa dem ersten reinen Schlagzeugstück der Musikgeschichte noch vor Varèses Ionisation –, sondern auch wegen seiner Verspottung des Spießbürgertums. Im selben Jahr 1930 begann Schostakowitsch mit der Arbeit an seiner zweiten Oper Lady Macbeth von Mzensk. Am 17. Dezember 1932 schloss der inzwischen 26-jährige Komponist seine Partitur ab. Seit der Nase hatte er zwei weitere Symphonien mit avantgardistischen Ambitionen, zwei Ballette mit politischem Einschlag und zahlreiche plastische Film- und Theatermusiken geschrieben. Bei dem Theaterstück Die Wanze von Majakowski arbeitete er mit dem Theaterrevolutionär Meyerhold und dem Kunst-Avantgardisten Rodtschenko zusammen. Zugleich mit ihnen wurde Schostakowitsch auch zum Ziel der sowjetischen Kulturbürokraten. Schon 1929 hatten viele westliche Zeitungen von einem sowjetischen Zeitungsartikel berichtet: »Wozzeck ist ›konter-revolutionäre Musik‹. Die in Moskau tagende Kommission der kommunistischen Partei für Musikpflege hat Richtlinien aufgestellt, die russische Musik, die sich noch ganz in den Händen des Bürgertums befindet, zu proletarisieren. Opernwerke wie Jonny spielt auf und Wozzeck werden als konterrevolutionäre Musik bezeichnet, die von einer dem Proletariat feindlichen Harmonik getragen sind. Künftig sollen die Tonkünstlervereinigungen nur Tonwerke wiedergeben, die dem sozialistischen Aufbau und dem Kampf des Proletariats gegen die kapitalistischen Elemente in Stadt und Land dienen.« Es hatte ein Kulturkampf begonnen, bei dem die Kunst als Mittel zum Totschlag benutzt wurde. Der Kampf begann mit Worten und in konkurrierenden Künstler- und Kulturvereinigungen. Schostakowitsch selbst gehörte 55

BER N D FEUCH T N ER



← Marian Talaba als Sinowi, 2009

der ASM an, einer Leningrader Vereinigung von Komponisten und Musikkennern, die sich intensiv mit der einheimischen und internationalen Entwicklung auseinandersetzten. Den der Partei nahestehenden Gruppierungen, die sich auch untereinander bis aufs Messer bekriegten, ging es nur um die Macht. Für sie war auch die Musik ein Mittel im Klassenkampf. Entweder sie nutzte dem eigenen Zweck, oder sie wurde als feindlich eingestuft. Schostakowitsch saß da zwischen allen Stühlen. Denn seine Zweite Symphonie hatte er der Oktoberrevolution gewidmet, doch die Musik war alles andere als »proletarisch«. Sie entwickelte sich aus einer Klangfläche, deren Faktur sich immer mehr verdichtet. Wie aus einem Strudel erwächst die Bewegung, die am Ende allerdings in einen plakativen Agitationschor mündet. Die Dritte Symphonie widmete er dem »1. Mai« und ließ sie wieder mit platter Agitation enden. Doch davor gibt es ein vor Vitalität berstendes Durcheinander von populären Rhythmen und Melodien à la Charles Ives. Man könnte aber auch an Charlie Chaplin denken, den der Stummfilmpianist Schostakowitsch sehr schätzte – dass seine Musik Übergänge oft nach Filmschnitt-Art vornimmt, ist kein Zufall. Das fröhliche Treiben wird jedoch von Gewehrsalven auseinandergesprengt und in Blut ertränkt. Daraus erhebt sich trotzig der Schlusschor. In seinen Balletten hatte der Komponist populäre amerikanische Unterhaltungsmusik als Zeichen der Dekadenz benutzt – mit der Folge, dass diese Passagen den Leuten am besten gefielen. Schostakowitsch konnte sich wie ein Chamäleon in jede Musikart hineinwerfen und so tun, als habe er sie gerade erfunden. Dabei schärfte er die Fähigkeit zur Parodie, oft lässt sich nicht unterscheiden, ob etwas ernst gemeint ist oder als purer Hohn. Mit Schostakowitsch konnte man also nicht rechnen. Bald war er der Avantgardist abstrakter Musik, bald der Agitator im Theater der Jugend, bald der glänzende Unterhalter. Sein Gedächtnis war phänomenal. Die bekannteste Geschichte ist die von der Entstehung des Tahiti-Trotts: Nachdem er Vincent Youmans Tea for two auf Schallplatte gehört hatte, schrieb Schostakowitsch in einer Dreiviertelstunde ein komplettes Orchesterstück mit brillanter Instrumentierung nieder, eben jenen Tahiti-Trott. Er komponierte ein Klavierkonzert – vor allem, um damit selbst als Pianist aufzutreten – als Parodie eines romantischen Konzerts. Politik konnte auf diesen Komponisten nicht bauen. Da er erfolgreich war, musste sie ihn brechen. Mit vielen anderen Künstlern hatte Schostakowitsch zunächst an die sozialen Ziele der Oktoberrevolution geglaubt und den eigenen künstlerischen Aufbruch im Einklang mit dem politischen Aufbruch gesehen. Der Kampf der Kommunisten um die Macht hatte den Künstlern noch genügend Freiraum gelassen, denn man hatte sie als Bündnispartner beim Kampf um die Köpfe gebraucht. Nachdem die Macht gefestigt war und nachdem Stalin nach Lenins Tod im Jahr 1924 allmählich nach der totalen Macht griff, wurde auch an der Kulturfront »aufgeräumt«. Bei der Kollektivierung der Landwirtschaft kamen Millionen Menschen um, und es brach eine große Hungersnot aus; da

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war kein Bedarf an städtischen Querdenkern. Weil die Sowjetunion ja noch immer der einzige sozialistische Staat auf der Welt war und sich von Feinden umzingelt sah, weil Faschismus und Nationalsozialismus die befreundeten kommunistischen Bewegungen in Europa in ihrer Existenz bedrohten, gab es immer genügend Gründe, die Menschen zu zwingen, sich in die Front einzureihen. Überall wurden Verschwörungen aufgedeckt, spektakuläre Prozesse durchgeführt und Menschen erschossen oder ins Gulag deportiert. Nicht, dass Schostakowitsch kein politisches Bewusstsein gehabt hätte. Seine zweite Oper Lady Macbeth von Mzensk hatte er ausdrücklich als das erste Stück einer Trilogie über die Lage der Frau in Russland angekündigt. Damit schlug er einen entschieden anderen Weg ein als die Vorlage, denn die Novelle von Leskow schildert Katerina Ismailowa tatsächlich als eine blutrünstige Frau, die zum Erreichen ihres Zieles nach dem Muster des Shakespeare’schen Vorbildes über Leichen geht. Schostakowitsch interessierte sich jedoch mehr für die sozialen Ursachen, die zu solchen Exzessen führen. Und wenn Katerina am Ende zur Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt ist, spürt man in seiner Musik das Mitleid mit den »Unglücklichen«, ein in Russland traditionell verbreitetes Gefühl. Das stärkste Mittel, das er dafür einsetzt, ist das »Gewaltmotiv«, das immer dann auftritt, wenn Katerina Gewalt angetan wird. Interessanterweise tritt es nicht nur auf, wenn ihr Schwiegervater Boris sie drangsaliert, sondern auch, wenn ihr Liebhaber Sergej sie in ihrem Zimmer besucht – ausgehungert, wie sie ist, hat sie es zwar herbeigesehnt, dass er über sie herfällt, doch Sergej interessiert nicht die Frau, sondern nur seine eigene Lust und der Vorteil, den er durch die Liebe der Frau für sich herausschlagen kann. Katerina träumt von Liebe und Lust, doch die Musik verrät uns, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt. Deshalb ertönt auch am Ende des Liebesaktes das »Gewaltmotiv«. Dieser Liebesakt, der auf der Bühne des Moskauer Bolschoi-Theaters im Gegensatz zur Leningrader Produktion bei offenem Vorhang gezeigt wurde, erboste Stalin bei seinem Besuch am 26. Jänner 1936, als die Oper schon zwei Jahre lang im In- und Ausland erfolgreich lief, über die Maßen (außerdem saß unter seiner Loge das Schlagzeug). Vermutlich amüsierte es ihn nicht, dass er auch noch die Verspottung der staatlichen Organe mitansehen musste – unter fröhlicher Beteiligung des »Gewaltmotivs«. Die Karikatur des Popen hätte ihm vielleicht noch gefallen können, doch auch diese Szene ist so spießerfeindlich, dass die Kulturbürokraten und Geheimdienstleute keinen Spaß daran haben konnten. Doch diese Ignoranten waren gerade dabei, ihre Diktatur zu errichten. Die Kritik war bereits über die Ballette Das Goldene Zeitalter, Der Bolzen und Der helle Bach hergefallen, hatte den Komponisten einen bourgeoisen Stil vorgeworfen und beispielsweise dem populären Tahiti-Trott eine Schädlichkeit für die sowjetische Kultur unterstellt. Zwei Tage nach Stalins Besuch der Lady Macbeth von Mzensk jedoch erschien unter der Überschrift »Chaos BER N D FEUCH T N ER

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statt Musik« ein Artikel in der Prawda, dem Zentralorgan der Kommunistischen Partei, der mit der Avantgardekunst grundsätzlich abrechnete. Der schlimmste Vorwurf lautete »Meyerholdismus« – Meyerhold, Babel, Mandelstam und viele andere wurden bald darauf ermordet, Majakowski und Zwetajewa begingen Selbstmord. Schostakowitschs enger Freund Michail Tuchatschewski, Marschall der Sowjetunion und der fähigste Heerführer des Landes, aber auch ein gebildeter Musikfreund, war im Juni 1937 über Nacht hingerichtet worden – der junge Komponist, der vom Geheimdienst unter dem Vorwurf, einer Terroristengruppe anzugehören, verhört wurde, hatte keinen Grund, nun für sich ein anderes Schicksal zu erwarten. Man schlief in Kleidern, einen Koffer mit dem Allernötigsten neben sich, und wartete darauf, mitten in der Nacht abgeholt zu werden. Schostakowitsch hatte Familie. Um zu überleben, musste er eine Strategie entwerfen. Glücklicherweise schätzte Stalin Schostakowitsch als Schreiber populärer Massenlieder und Filmmusiken. Seine Vierte Symphonie, zu der die Proben bereits begonnen hatten, zog er sofort zurück. Ein Jahr später präsentierte er die scheinbar klassizistische Fünfte als öffentliche Selbstkritik. Doch viele Menschen in der Sowjetunion brachen bei den Aufführungen in Tränen aus – sie spürten, dass diese Musik, die wie ein Triumph klang, in Wahrheit eine Tragödie war. Schostakowitsch hatte in seine Musik einen doppelten Boden eingezogen, der für die Bürokraten nicht fassbar war. Wer nicht auf die Gleichschaltung und die Massenhysterie hereinfiel, konnte die Gefühle empfinden, die in dieser Musik ausgedrückt waren. Diese Maske des Komponisten erlaubte es ihm später auch, offizielle Funktionen anzunehmen und doch für sein Publikum eine integre Identifikationsfigur zu bleiben. Erst als sein Gegner Stalin 1953 starb, ging diese Phase seines Schaffens mit der Zehnten Symphonie zu Ende. Ohne den Stalinismus hätten wir einen ganz anderen Schostakowitsch gehabt. Aber – ohne den Stalinismus hätten wir eine ganz andere Welt gehabt…

→ Folgende Seiten: Szenenbild

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» CHAOS STATT MUSIK «

In der Prawda wurde – entweder durch Stalin selbst oder auf seinen Befehl hin – Schostakowitschs Oper aggressiv angegriffen und verdammt. Dies führte zu einer Ächtung des Werks wie auch des Komponisten, der sich seines Lebens nicht mehr sicher sein konnte.


Zusammen mit der allgemeinen kulturellen Aufwärtsentwicklung in unserem Land wuchs auch das Bedürfnis nach guter Musik. Niemals und nirgendwo hatten Komponisten ein solch dankbares Publikum vor sich. Die Volksmassen erwarten schöne Lieder, aber zugleich auch gute Instrumentalwerke und gute Opern. Einige Theater boten dem neuen, kulturell gewachsenen sowjetischen Publikum als Neuheit, als Errungenschaft die Oper Lady Macbeth von Mzensk von Schostakowitsch dar. Eine gefällige Musikkritik preist die Oper bis in den Himmel, verleiht ihr einen lauten Ruhm. Statt einer sachlichen und ernsthaften Kritik, die ihm in seiner weiteren Arbeit von Nutzen sein könnte, bekommt der junge Komponist nur enthusiastische Komplimente zu hören. Von der ersten Minute an verwirrt den Hörer in dieser Oper die betont disharmonische, chaotische Flut von Tönen, Bruchstücke von Melodien, Keime einer musikalischen Phrase versinken, reißen sich los, und tauchen erneut unter im Gepolter, Geprassel und Gekreisch. Dieser »Musik« zu folgen ist schwer, sie sich einzuprägen unmöglich. So ist es fast während der ganzen Oper. Auf der Bühne ist der Gesang ersetzt durch Geschrei. Wenn es dem Komponisten passiert, unerwartet auf den Weg einfacher und verständlicher Melodik zu kommen, dann stürzt er sich, gleichsam erschrocken über solch ein Unglück, in das Dickicht musikalischen Chaos, das stellenweise in Kakophonie ausartet. Die Ausdruckshaftigkeit, die der Hörer fordert, ist ersetzt durch ungezügelten Rhythmus. Musikalischer Lärm soll Leidenschaft ausdrücken. Der Grund für all das liegt nicht in der mangelnden Begabung des Komponisten, nicht in seinem Unvermögen, einfache und starke Gefühle in der Musik auszudrücken. Diese absichtlich »verdrehte« Musik ist so beschaffen, dass in ihr nichts mehr an die klassische Opernmusik erinnert und sie mit symphonischen Klängen, mit der einfachen, allgemein verständlichen Sprache der Musik nichts mehr gemein hat. Das ist eine Musik, die nach dem gleichen Prinzip der Negierung der Oper aufgebaut ist, nach dem die »linke« Kunst überhaupt im Theater die Einfachheit, den Realismus, die Verständlichkeit der Gestalt, den natürlichen Klang des Wortes negiert. Das ist die Übertragung der negativsten Eigenschaften der »Meyerhold-Manier« in vergrößertem Maße in die Oper, in die Musik. Das ist linkes Chaos anstelle von natürlicher, menschlicher Musik. Die Fähigkeit guter Musik, die Massen zu ergreifen, ist kleinbürgerlichen, formalistischen Versuchen und Bestrebungen, Originalität mit Mitteln billiger Originalitätshascherei zu erreichen, zum Opfer gebracht worden. Die Gefährlichkeit einer solchen Richtung in der sowjetischen Musik ist klar. Linke Abweichung in der Oper erwächst aus demselben Grunde wie auch linke Abweichung in der Malerei, in der Poesie, in der Pädagogik, in der Wissenschaft. Kleinbürgerliches »Neuerertum« führt zur Abwendung von echter Kunst, von echter Wissenschaft, von echter Literatur. Dem Autor der Lady Macbeth von Mzensk schien es nötig zu sein, vom Jazz dessen nervöse, krampfartige, epileptische Musik zu entlehnen, um seinen Helden »Leidenschaft« zu verleihen. 63

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» Es dauerte nicht mehr lange, und Schostakowitsch wurde mit dem Etikett › Feind des Volkes ‹ versehen. Von dieser Beschuldigung aber führte nur noch ein kleiner Schritt zu Verhaftung und physischer Verfolgung. Das Leben lieferte eine Fülle entsprechender Beispiele, und die nächsten Monate sollten eine Steigerung des Terrors mit sich bringen, der immer stärker auch die Künstlerkreise ergriff. « Krzysztof Meyer

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Während unsere Kritik – darunter auch die musikalische – den Namen des sozialistischen Realismus beschwört, bietet uns die Bühne in dem Werk von Schostakowitsch gröbsten Naturalismus dar. Eintönig, mit tierischem Antlitz treten uns alle entgegen – sowohl die Kaufleute als auch das Volk. Die raubtierhafte Kaufmannsfrau, die für Reichtum und Macht auf den Weg des Mordes geraten ist, wird gewissermaßen im Sinne eines »Opfers« der bürgerlichen Gesellschaft dargestellt. Der genrehaften Erzählung von Leskow wurde ein Sinn aufgezwungen, den es in ihr nicht gibt. Und das alles ist grob, primitiv und vulgär. Die Musik ächzt und stöhnt, keucht und gerät außer Atem, um die Liebesszenen möglichst natürlich darzustellen. Und die »Liebe« wird in der ganzen Oper in der vulgärsten Weise beschrieben. Das Doppelbett des Kaufmanns steht als Mittelpunkt auf der Bühne. Auf dem Bett werden alle »Probleme« gelöst. Im selben grob naturalistischen Stile wird auch der Tod durch Vergiften gezeigt, ebenso die Prügelszene. Der Komponist hat sich anscheinend nicht die Aufgabe gestellt, auf das zu hören, was das sowjetische Auditorium in der Musik erwartet und sucht. Er verschlüsselte seine Musik anscheinend absichtlich, brachte alle Klänge in ihr so in Unordnung, dass seine Musik Eingang fand nur bei formalistischen Ästheten, die den gesunden Geschmack verloren haben. Er ignorierte die Forderung der sowjetischen Kultur, Grobheit und Primitivität aus allen Bereichen des sowjetischen Lebens zu verbannen. Diese Lobpreisung kaufmännischer Wollüstigkeit bezeichnen einige Kritiker als Satire. Hier kann in keiner Weise von Satire die Rede sein. Mit allen Mitteln sowohl der musikalischen als auch der dramatischen Ausdrucksfähigkeit ist der Autor bestrebt, die Sympathien des Publikums für die groben und vulgären Bestrebungen und Taten der Kaufmannsfrau Katerina Ismailowa zu gewinnen. Lady Macbeth hat Erfolg bei bürgerlichem Publikum im Ausland. Lobt das bürgerliche Publikum diese Oper nicht deshalb, weil sie chaotisch und absolut unpolitisch ist? Nicht deshalb, weil sie den degenerierten Geschmack des bürgerlichen Auditoriums durch ihre krampfhaft zuckende, schreiende, neurasthenische Musik kitzelt? Unsere Theater wandten nicht wenig Arbeit auf, um die Oper von Schostakowitsch sorgfältig in Szene zu setzen. Die Darsteller zeigten bedeutendes Talent in der Überwindung des Lärms, des Schreiens und des Kreischens des Orchesters. Durch dramatisches Spiel versuchten sie, die melodische Dürftigkeit der Oper auszugleichen. Leider traten dadurch ihre grob-naturalistischen Eigenschaften nur noch klarer hervor. Das talentierte Spiel verdient Anerkennung, die verausgabten Kräfte – Bedauern.

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LIEBE UND SEX IN ZEITEN DER SOWJETUNION

Domostroi – Das altrussische Hausbuch In der Zarenzeit galt ein Kodex, eine Art »Knigge« – genannt Domostroi –, der sowohl die Pflichten des russischen Bürgers gegenüber dem Zaren, der Kirche, der Familie und der Dienerschaft festlegte. Die patriarchalischen Grundsätze gaben dem Zaren im staatlichen, dem männlichen Familienoberhaupt im privaten Bereich nahezu uneingeschränkte Macht. LIEBE U N D SEX IN ZEIT EN DER SOW J ET U N ION

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Wenn der Mann bei seinem Weibe oder bei den Dienern Unordnung erblickt oder etwas nicht so ist, wie es in dieser Merkschrift steht, dann soll er sein Weib in Besonnenheit vermahnen und belehren. So sie es sich zu Herzen nimmt und danach handelt, soll er sie lieben und werthalten, wenn aber eine Frau nicht nach jener Belehrung und Vermahnung lebt, es selbst nicht vermag und es den Dienern nicht beibringt, kommt es dem Manne zu, sie unter vier Augen zu strafen und durch Furcht zu heilen. Nachdem er sie zurecht gewiesen hat, verzeihe er ihr und begegne ihr in Güte. Nur wenn Weib oder Sohn oder Tochter Worte und Ermahnungen nicht beachten und nicht hören wollen, sie nicht beherzigen, sich nicht fürchten noch so handeln, wie es der Mann, der Vater oder die Mutter sie heißen, sollen sie je nach Schuld mit der Peitsche gestriegelt werden. Schlage sie nicht vor den Leuten, sondern wenn du mit ihnen allein bist, und begegne ihnen danach in Freundlichkeit und lass Milde walten. Niemals aber soll das Weib ihrem Manne oder der Mann seinem Weibe zürnen. Für welches Vergehen auch immer, niemals schlage auf das Ohr oder auf das Auge, auch nicht mit der Faust unter das Herz, und tritt nicht mit den Füßen, prügele weder mit einem Knüppel noch mit Eisen oder Holz. Wer im Zorn oder aus Ärger so zuschlägt, richtet viel Unheil an, davon können Blindheit und Taubheit herrühren, ausgerenkte Arme und Beine, gebrochene Finger, Kopfschmerzen und Zahnweh, und bei schwangeren Frauen kann das Kind im Mutterleibe Schaden nehmen. Mit der Knute züchtige behutsam und mit Vernunft, damit es schmerzt, Furcht einflößt und der Gesundheit nicht Abbruch tut. Nur bei großer Schuld oder schlimmem Frevel, für große und schreckliche Unbotmäßigkeit und Nachlässigkeit ziehe dem Missetäter das Hemd vom Leibe, halte ihm die Hände fest und schlage vorsichtig mit der Peitsche zu, je nach Schwere des Vergehens. Nachdem du dem Schuldigen eine Lehre erteilt hast, sage ihm ein freundliches Wort, hege jedoch keinen Zorn und lass die Leute nichts davon erfahren oder hören, und niemand soll Beschwerde führen.

Freiheit der Liebe! Die Idee der Frauenemanzipation und damit auch der sexuellen Freiheit der Frau anstelle der Reduktion der weiblichen Sexualität auf die Fortpflanzung kam erst nach der Revolution 1917 auf. Für einige Jahre blühte die Hoffnung auf eine sexuelle Befreiung auf. Erzählungen wie Der Instruktor der ›Roten Jugend‹ von Lydia Sejfullina zeugen davon, in der es heißt: Fort mit dem kapitalistischen Joch der Eltern. Die leben in veralteten Begriffen und haben ihren eigenen Verstand überlebt. Burschen und Mädchen! Ich erkläre euch gerade heraus, auf Grund meiner Vollmacht, bezüglich der Zivilehe: Freiheit der Liebe und alles, was drum und dran hängt! Küsst euch und liebt euch! Nicht wie es früher war, wo die Zivilehe verfolgt wurde, wo man euch mit Gewalt 67

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verheiratete und die Eltern dem Burschen die Frau aussuchten. Daher kommen auch die öffentlichen Häuser und so. Aber jetzt gibt es das nicht mehr. Nichts dergleichen gibt es mehr für Geld! Der Mädchenhandel ist verboten! Alles umsonst – Freiheit der Liebe! Doch schnell erstarkte eine Gegenströmung, die nicht die Ehe als Attribut der Bourgeoisie ausmachte, sondern sexuelle Ausschweifung. Die Ausführungen von Aaron B. Zalkind in Revolutionäre Normen des Sexualverhaltens (1925) markieren diese Gegenposition, die in den 30er Jahren obsiegen wird. Alle Elemente des Geschlechtslebens, die der Bildung eines gesunden revolutionären Nachwuchses schaden, die die Energie der Klasse ausplündern, die ihr Lustempfinden pervertieren und die die Beziehungen innerhalb der Klasse verderben, müssen schonungslos aus dem proletarischen Haushalt gefegt werden. […] Eine gesunde revolutionäre Nachkommenschaft bei maximaler produktiver Ausnutzung seiner Energie und bei besten Beziehungen zu den anderen Klassengenossen verwirklicht nur der Werktätige, der sein Sexualleben spät beginnt, der bis zur Ehe ein keuscher Junggeselle bleibt, der eine sexuelle Beziehung mit einem Menschen eingeht, der ihm klassenmäßig und emotional nahe steht, der mit dem Geschlechtsverkehr knausert… Die konservativen Moralvorstellungen setzten sich durch. So wurde die Abtreibung erstmals seit 1920 wieder unter Strafe gestellt. Ein neues Ehe- und Familienrecht sollte eingeführt werden, die sowjetische Familie musste gestärkt werden. Auf Stalins Initiative wurde die Scheidung erschwert. Dass die Parteiführung Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk, die den Kampf der unterdrückten Frau gegen das Patriarchat und den Versuch um weibliche Selbstbestimmung zum Inhalt hat, nicht goutieren konnte, liegt auf der Hand.

LIEBE U N D SEX IN ZEIT EN DER SOW J ET U N ION

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Aus: Nikolaj Leskow → Lady Macbeth des Mzensker Landkreises

» Bei allem Überfluss und Wohlstand führte Katerina Lwowna im Haus des Schwiegervaters ein überaus langweiliges Leben. Besuche machte sie selten, und wenn sie wirklich einmal mit ihrem Mann zu Bekannten aus der Kaufmannschaft fuhr, dann war dies auch kein Vergnügen. Alle waren sehr strenge Menschen: Sie passten auf, wie sie sich setzte, wie sie ging, wie sie aufstand; Katerina Lwowna aber hatte einen impulsiven, leicht entflammbaren Charakter, und da sie ihre Mädchenjahre in Armut verbracht hatte, war sie an Einfachheit und Freiheit gewöhnt. « 69

KOLUMN EN T IT EL


Manfred Mugrauer

SCHOSTAKOWITSCH IN WIEN

Vor fast 120 Jahren, am 25. September 1906, wurde Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch in St. Petersburg geboren. Anlässlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages waren die Werke des sowjetischen Komponisten auch in den österreichischen Konzertsälen so präsent wie nie zuvor. Schostakowitsch avancierte 2006 zum zweiten musikalischen »Jahresregenten« neben Wolfgang Amadeus Mozart.

Weltfriedenskongress 1952 Dmitri Schostakowitsch reiste fünf Mal nach Österreich: 1952 anlässlich des Wiener Weltfriedenskongresses, 1953 als Teilnehmer an der Generalversammlung der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft (ÖSG), 1955 als Ehrengast bei der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper, 1958 als Leiter der sowjetischen Delegation beim ÖSG-Bundeskongress und zuletzt 1965 anlässlich der Premiere seiner Oper Katerina Ismailowa an der Wiener Staatsoper. Dmitri Schostakowitsch reiste erstmals im Dezember 1952 nach Wien, um am »Völkerkongress zum Schutz des Friedens« teilzunehmen, der vom 12. bis 19. Dezember 1952 unter großer internationaler Beteiligung tagte. Insgesamt hatten sich Schostakowitschs gesellschaftspolitische Aktivitäten in diesen Jahren, insbesondere sein Engagement in der Weltfriedensbewegung, deutlich verstärkt. Als aktives Mitglied des Weltfriedensrates wurde ihm 1954 – gemeinsam mit Charlie Chaplin – der Internationale Friedenspreis verliehen. Die friedenspolitischen Aktivitäten Schostakowitschs stießen auch in Österreich, vor allem im kulturellen Umfeld der KPÖ, auf Widerhall. Der SCHOSTA KOW ITSCH IN W IEN

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Antrag von Schostakowitsch am Weltfriedenskongress in Warschau im November 1950, »zwischen den Künstlern aller Länder persönliche Beziehungen und einen Austausch der Werke herzustellen«, wurde von Marcel Rubin auch in Österreich bekannt gemacht. Diese Initiative Schostakowitschs und die in Warschau gefassten Beschlüsse, die ebenso auf die Erweiterung der kulturellen Beziehungen abzielten, nahm die Österreichisch-Sowjetische Gesellschaft im April 1951 zum Anlass, beim Sekretariat des Zentralkomitees der KPÖ dafür einzutreten, bei der WOKS »dringend für eine größere Anzahl von Einladungen an Österreich zu plädieren«, worauf die Entsendung einer österreichischen Musikerdelegation in die Sowjetunion geplant wurde. Als Rahmenprogramm fand am 18. Dezember 1952 im Vortragssaal des Konservatoriums der Stadt Wien eine Begegnung von Schostakowitsch mit österreichischen Komponisten und Musikschaffenden statt, an der u. a. Alfred Uhl, Marcel Rubin, Hanns Eisler, Mitglieder des Professorenkollegiums und bekannte Wiener Instrumentalistinnen und Instrumentalisten teilnahmen. Schostakowitsch brachte bei dieser Gelegenheit erstmals in Wien drei seiner Präludien und Fugen für Klavier zu Gehör. Auf die Frage, was die Hauptaufgabe der modernen Musik sei, soll Schostakowitsch kurz geantwortet haben: »Die Hauptaufgabe der modernen Musik ist, möglichst tief die reiche innere Welt des Menschen und die Herrlichkeit der Natur zu schildern! […] Der Künstler habe – auf welchem Gebiet immer – der Sprache seiner Zeit die gültige Form zu geben und dem künstlerischen Ausdruck neue Bereiche des Menschlichen zu erobern […].« Ähnlich äußerte sich Schostakowitsch in einem Interview über die Aufgaben zeitgenössischer Musik: »Realistisches, schöpferisches, ideelles, nicht auf äußerliche Originalitätshascherei ausgehendes, sondern auf die bestmögliche, richtige Darstellung neuer Empfindungen, wie sie unsere Gegenwart hervorbringt, gerichtetes Neuerertum, das ist die dankbare und wichtige Aufgabe, die den Meistern der Musik gestellt ist.«

ÖSG-Kongress 1953 und Staatsopern-Wiedereröffnung Bereits ein halbes Jahr später weilte Schostakowitsch erneut in Wien, als Mitglied der sowjetischen Freundschaftsdelegation, die an der im Schwechater Hof in Wien-Landstraße tagenden Generalversammlung der ÖsterreichischSowjetischen Gesellschaft am 6. und 7. Juni 1953 teilnahm. Am Flughafen wurde Schostakowitsch von ÖSG-Präsident Hugo Glaser willkommen geheißen und nach Beendigung der Tagung, am 9. Juni, auch von Bundespräsident Theodor Körner empfangen. Anlässlich seines zweiten Wien-Aufenthalts fand erneut eine Zusammenkunft mit österreichischen Komponisten statt, an 71

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der u. a. Joseph Marx und Staatsoperndirektor Franz Salmhofer teilnahmen. Vor dem Hintergrund der sowjetischen Musikdiskussion der letzten Jahre kamen im Rahmen dieses zwanglosen Zusammentreffens die Bedingungen, unter denen in der Sowjetunion Musik entstehe, zur Sprache: »Entscheiden in der Sowjetunion über die Aufführung wie bei uns Großindustrielle, Sektionschefs und Stardirigenten?« Schostakowitsch schüttelte den Kopf. »Das erste Wort hat der Komponistenverband«, gab Marcel Rubin Schostakowitschs Antwort wider. An freien Abenden wohnte er Vorstellungen der Wiener Staatsoper in ihrem Ausweichquartier im Theater an der Wien bei. Im Rahmen einer Pressekonferenz sprach Schostakowitsch, der mit dem Filmregisseur Grigorij Alexandrow (Begegnung an der Elbe) nach Wien gereist war, über die Rolle der Musik im Film und betonte, dass es für sowjetische Komponisten »eine Ehre und eine Pflicht« sei, »an der Filmarbeit, die wie keine andere Kunst die Massen erreicht, teilzunehmen«. Vor der Abreise der Delegation am 15. Juni referierte Schostakowitsch – auf Vermittlung der ÖSG und auf Einladung der steirischen Musikdirektion – auch im Saal des Landeskonservatoriums in Graz vor Musikausübenden, Komponisten, Kapellmeistern der Grazer Oper und Studierenden des Konservatoriums »über die Heranbildung und die Lage der sowjetischen Komponisten«. Der dritte Wien-Besuch fand im November 1955 statt, als Schostakowitsch gemeinsam mit dem Direktor der Moskauer Oper Michail N. Tschulaki als Ehrengast der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper beiwohnte. Die Einladung dazu war vonseiten der Wiener Staatsoper und der österreichischen Bundesregierung ergangen, was auch als Reverenz gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht zu deuten ist. Bei der Eröffnungspremiere (Fidelio) am 5. November kam es zu einer Begegnung Schostakowitschs mit dem deutschen Dirigenten Bruno Walter, den der Komponist bereits 1926 in Moskau kennengelernt hatte und dem er bei dieser Gelegenheit die Partitur seiner 1. Symphonie auf dem Klavier vorspielte. Auch von Schostakowitsch, der neben den Premieren von Fidelio und Don Giovanni den Generalproben von Die Frau ohne Schatten und Aida beiwohnte, kamen über das »musikalisch glanzvoll[e], szenisch laut der damaligen Kritik großteils enttäuschend[e]« Musikfest zustimmende, gleichzeitig jedoch auch vorsichtig kritische Worte: Besonders hob er seine Bewunderung für die Wiener Philharmoniker und deren »glänzende Orchesterkultur« hervor. Ebenso beeindruckt war er vom Dirigenten Karl Böhm. Weniger befriedigend hielt er die Leistungen der Sänger und Sängerinnen und noch weniger – insbesondere bei Fidelio – die Inszenierung. »Die Qualität der Stimmen als solche, [sic!] hätten bei ihm keinen besonders guten Eindruck hinterlassen, wenn es ihm auch fern läge, sie als schwach zu bezeichnen«, so die Presseberichterstattung über die Einschätzung Schostakowitschs, der diese Kritik auf die Solonummern und nicht auf die Ensembles bezog. Enttäuscht zeigte er sich im Rahmen einer Pressekonferenz im Hotel Erzherzog Rainer am 8. M A N FR ED MUGR AU ER

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Februar von den Inszenierungen der beiden Eröffnungsvorstellungen: Diese erschienen ihm mangelhaft und im Falle des Fidelio »matt, phantasielos und in keiner Weise der dynamischen Musik entsprechend«. »Unbegreiflich« fanden Schostakowitsch und Tschulaki, dass in den von ihnen besuchten Generalproben von Die Frau ohne Schatten und Aida die Sängerinnen und Sänger trotz geladenen Publikums nur markierten, weshalb sie diese öffentlichen Proben auch sogleich verließen. Darüber hinaus zeigte der Komponist seine Ablehnung des auch heute noch umstrittenen Eisernen Vorhangs von Rudolf Eisenmenger, der ihn an die »Seifenetikette in einer Parfümerie« erinnere. Schostakowitschs ungewöhnlich freimütig geäußerte Kritik wurde von der Wiener Tagespresse breit rezipiert. Der Erinnerung des Presse-Musikkritikers Franz Endler zufolge besaß er »als einziger […] die Courage, seine Meinung unverblümt zu sagen«. Er »fand die Aufführung dem Anlass nicht unbedingt entsprechend« und äußerte »nicht nur freundliche, sondern auch klug-kritische Worte«. Es war womöglich auch diesen Äußerungen geschuldet, dass der frühere Generalsekretär des Wiener Konzerthauses und spätere Direktor der Wiener Staatsoper, Egon Seefehlner, Schostakowitsch »als den interessantesten« der zur Wiedereröffnung des Hauses eingeladenen Komponisten charakterisierte. Eine wie bei seinen ersten beiden Wien-Besuchen am 9. November anberaumte Zusammenkunft mit österreichischen Komponisten musste Schostakowitsch kurzfristig absagen, da er Nachricht vom Ableben seiner Mutter erhielt und sofort abreisen musste. Er kam gerade noch rechtzeitig mit dem Flugzeug zur Beerdigung am 12. November 1955.

Präsident der SÖG 1958 Als Schostakowitsch 1958 erneut beim Kongress der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft in Wien zu Gast war, war er wenige Monate zuvor zum Präsidenten der neu gegründeten Schwestergesellschaft der ÖSG in Moskau, der Sowjetisch-Österreichischen Gesellschaft (SÖG), gewählt worden. Infolge seines jahrelangen Engagements für die österreichisch-sowjetischen Beziehungen war Schostakowitsch zu diesem Zeitpunkt der ÖSG bereits zu einem »vertrauten Freund« geworden. Bei der SÖG-Gründungsversammlung am 24. Juli 1958 in Moskau waren der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates der UdSSR Anastas Mikojan, der österreichische Botschafter Norbert Bischoff sowie Bundeskanzler Julius Raab anwesend, der anlässlich des Besuches einer Regierungsdelegation in der Sowjetunion weilte. In der ersten Sitzung des 102-köpfigen SÖGVorstands wurde Schostakowitsch zum Vorsitzenden der Gesellschaft bestellt, ein Amt, das der Komponist – zuletzt nach seiner Wiederwahl 1971 – bis zu seinem Tod 1975 bekleidete. Julius Raab wies in seiner Rede darauf hin, dass 73

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sich die Wiener Volksoper für das neueste Bühnenwerk Schostakowitschs’ die Operette Moskau Tscherjomuschki, interessiere und um die Übermittlung des Textbuches und des Klavierauszuges ersuche. Zur österreichischen Erstaufführung dieses Werks kam es allerdings erst 2005 in der Wiener Kammeroper. In seiner neuen Eigenschaft als SÖG-Präsident führte Schostakowitsch die sowjetische Delegation beim V. Bundeskongress der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft an, der am 29./30. November 1958 im Schwechater Hof in Wien tagte. Anlässlich des Kongresses wurde er auch vom österreichischen Bundespräsidenten Adolf Schärf empfangen. In einer Pressekonferenz sprach er über aktuelle Projekte und musikalische Zukunftsvorhaben, etwa seine 12. Symphonie und das 7. Streichquartett. Über die kommunistische Presse hinaus nahmen die österreichischen Medien dieses Mal jedoch keine Notiz vom Aufenthalt des Komponisten in Wien. Für die Betreuung Schostakowitschs war Charlotte Eisler, die erste Frau Hanns Eislers, verantwortlich, die nach ihrer Rückkehr aus dem englischen Exil als Sängerin bzw. Gesangspädagogin in Wien lebte und 1947 eine Professur für Gesang am Konservatorium der Stadt Wien erhalten hatte. Schostakowitsch besuchte mit Charlotte Eisler die Wiener Staatsoper und eine Bruckner-Messe in der Hofburgkapelle, die auf ihn eine starke Faszination ausgeübt haben soll. Ihrem Sohn, dem Maler Georg Eisler, gestattete der Komponist, ihn mehrere Stunden lang zu portraitieren.

Katerina Ismailowa und Ehrungen Der fünfte und letzte Wien-Besuch von Dmitri Schostakowitsch stand im Zusammenhang mit der österreichischen Erstaufführung seiner neu bearbeiteten Oper Katerina Ismailowa, die am 12. Februar 1965 in der Wiener Staatsoper stattfand. Schostakowitsch traf am 2. Februar gemeinsam mit seiner Gattin mit dem Zug in Wien ein, wurde bereits am Bahnhof vom sowjetischen Botschafter Viktor Awilow, von Staatsoperndirektor Egon Hilbert und seinem Stellvertreter Heinrich Reif-Gintl und zwei Ministerialbeamten begrüßt und nahm in den Folgetagen an den letzten Proben teil. Neben Vorstellungen des Rosenkavaliers von Richard Strauss und der Fledermaus von Johann Strauß in der Wiener Staatsoper sowie des Grafen von Luxemburg von Franz Lehár in der Volksoper besuchte Schostakowitsch auch eine Aufführung von Gustav Mahlers 5. Symphonie und der d-Moll-Messe von Anton Bruckner. Von der Aufführung des Rosenkavaliers in der Staatsoper soll er begeistert gewesen sein. Nach der Premiere seiner Oper Katerina Ismailowa zeigte er sich über die Darbietung sehr zufrieden und hob die »vorzügliche[n] Sänger« und das »ausgezeichnete Orchester« hervor. Das Publikum feierte den Komponisten »inmitten der Schar seiner Mitarbeiter sehr herzlich«, war in der Österreichischen Musikzeitschrift zu lesen. M A N FR ED MUGR AU ER

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In der Forschungsliteratur wird die »künstlerische Ehrlichkeit und Integrität« Schostakowitschs hervorgehoben und das Bild eines bescheidenen, gütigen und hilfsbereiten Menschen gezeichnet. Auch Hugo Glaser betonte 1965 die »große Beliebtheit« Schostakowitschs in der österreichischen Hauptstadt: »Er wurde von allen Seiten mit einer Herzlichkeit geehrt, wie sie nur selten einem Gast zuteil wird.« So war Schostakowitsch am 4. Februar Gast bei Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ), am 8. Februar 1965 fand ein Empfang in der sowjetischen Botschaft statt, bei dem u. a. der Bundesminister für Unterricht Theodor Piffl-Perčević (ÖVP), Staatsoperndirektor Egon Hilbert, der Direktor der Volksoper Albert Moser und zahlreiche Persönlichkeiten des kulturellen Lebens anwesend waren. In seinem Zimmer im Hotel Sacher empfing Schostakowitsch mehrere Journalisten, das Presseecho auf seinen Besuch war insgesamt sehr groß. Am 11. Februar gab die 1964 gegründete Österreichische Gesellschaft für Musik für ihn einen Empfang, der über die Sowjetbotschaft eingefädelt worden war. Schostakowitsch soll dort allerdings kein Wort gesprochen haben. Zur Vertiefung der Beziehungen zwischen ÖSG und SÖG wurde seit 1962 alljährlich ein Kulturabkommen zwischen beiden Freundschaftsgesellschaften unterzeichnet. Der Wien-Aufenthalt von Schostakowitsch wurde nun zum Anlass genommen, dass die beiden Präsidenten, Hugo Glaser und Dmitri Schostakowitsch, ihre Unterschrift unter diesen Vertrag für kulturelle Zusammenarbeit setzten. Auch anlässlich dieses Wien-Aufenthalts fand wie bereits bei seinen Besuchen in den Jahren 1952 und 1953 auf Einladung der ÖSG eine Aussprache mit österreichischen Komponisten, ein »zwangloses Beisammensein« im Österreich-Haus am Josefsplatz, statt. Nachdem Schostakowitsch den Wunsch geäußert hatte, Werke lebender österreichischer Komponisten kennenzulernen, wurde bei dieser Zusammenkunft ein zweiter Termin zur Vorführung zeitgenössischer österreichischer Musik auf Tonbändern und Schallplatten vereinbart. Diese fand am Vortag der Staatsopernpremiere im Rahmen der ÖSG statt und dauerte drei Stunden, wobei sich Schostakowitsch zu jedem einzelnen Werk Notizen machte. Danach erklärte er, dass er vom österreichischen Musikschaffen der Gegenwart stark beeindruckt sei und sich zu Hause mit den Werken, die er gehört habe, aufgrund seiner Notizen und Unterlagen noch eingehend befassen werde. Dieser fünfte Besuch Schostakowitschs in Wien war auch sein letzter in Österreich, kamen doch im Oktober 1973 und August 1974 zwei geplante und bereits öffentlich angekündigte Reisen nach Österreich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zustande. Schostakowitsch wurde mit zwei hohen Ehrungen der Republik Österreich ausgezeichnet: In Anerkennung seiner Bemühungen um die Herstellung von Kontakten zwischen Österreich und der Sowjetunion auf dem Gebiete der Musik erhielt er am 15. März 1967 in der österreichischen Botschaft in Moskau aus den Händen von Bundeskanzler Josef Klaus das ihm vom Bundespräsidenten Franz Jonas verliehene 75

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»Große silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich«. Am 30. Mai 1974 wurde Schostakowitsch in Moskau im Rahmen einer Feier im Haus der Freundschaft mit den Völkern des Auslands von Bundeskanzler Bruno Kreisky das »Ehrenzeichen der Republik Österreich für Wissenschaft und Kunst« überreicht, als »Symbol des Dankes für Schostakowitschs Bemühungen um die Intensivierung der kulturellen Beziehungen zwischen der UdSSR und Österreich«. Das Engagement Schostakowitschs für den sowjetisch-österreichischen Kulturaustausch wurde somit auch von offizieller Seite entsprechend gewürdigt.

→ Dmitri Schostakowitsch (links) im Zuschauerraum der Wiener Staatsoper, 1965

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UNSERE ENERGIE FÜR DAS, WAS UNS BEWEGT. Das erste Haus am Ring zählt seit jeher zu den bedeutendsten Opernhäusern der Welt. Als österreichisches und international tätiges Unternehmen sind wir stolz, Generalsponsorin der Wiener Staatsoper zu sein. Alle Sponsoringprojekte finden Sie auf: omv.com/sponsoring

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Impressum Dmitri Schostakowitsch LADY MACBETH VON MZENSK Spielzeit 2022/23 Wiederaufnahme (Premiere der Produktion: 23. Oktober 2009) HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Musikdirektor: Philippe Jordan Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Redaktion: Sergio Morabito, Andreas Láng, Oliver Láng, basierend auf dem Premieren-Programmheft 2009 (Konzept & Gesamtredaktion: Angelika Niederberger) Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Anton Badinger Bildkonzept Cover: Martin Conrads, Berlin Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau TEXTNACHWEISE Alle Texte bis auf das Gespräch mit Alexander Soddy entstammen dem Premierenprogrammheft 2009 Angelika Niederberger, Die Handlung (englische Übersetzung: Andrew Smith), Die Entstehung der Lady Macbeth von Mzensk, Fassungen der Lady Macbeth von Mzensk – Bernd Feuchtner, Schostakowitschs Lady Macbeth und das Ende der sowjetischen Avantgarde – Joachim Reiber, Über die Gleichwertigkeit von Kunstformen, aus: Theater ist ein Traumort, Opern des 20. Jahrhunderts von Janáček bis Widmann, hg. von Hanspeter Krellmann, Berlin 2005 – Manfred Mugrauer, Schostakowitsch in Wien, gekürzt aus: Musicologica Austriaca 27, 2008 – Altrussisches Hausbuch Domostroi, Leipzig und Weimar 1987 – Zeugenaussage. Die Memoiren des Dmitri Schostakowitsch, aufgezeichnet von Solomon Volkow, New York 1979 – Dmitri Schostakowitsch, Erfahrungen, Aufsätze, Leipzig 1983 – Detlev Gojowy, Dmitri Schostakowitsch in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1995 – Juri Jelagin, Kunst und Künstler im Sowjetstaat, Frankfurt/Main 1961 – Eckart Kroeplin, Frühe sowjetische Oper, Berlin 1985 – Anatol Lunatscharski, Musik und Revolution, Leipzig 1985 – Iwan Sollertinski, Von Mozart bis Schostakowitsch, Leipzig 1979 – Prawda vom 28.1.1936 – Rainer Traupel, Das kulturpolitische Umfeld, aus: Programmheft der Basler Theater, Spielzeit 1987 – Ann Jones, Frauen die töten, Frankfurt 1986 Mit besonderem Dank an Manfred Mugrauer für die Überlassung seines Artikels.

BILDNACHWEISE Coverbild: © »Dip« by Sonja Lekovic Szenenbilder Seite 2,3, 7, 18, 19, 29, 37, 56: Axel Zeininger / Wiener Staatsoper GmbH Szenenbilder Seite 41, 45, 48, 60, 61: Michael Pöhn / Wiener Staatsoper GmbH S. 77: Archiv der Wiener Staatsoper Lektorat: Martina Paul Nachdruck nur mit Genehmigung der Wiener Staatsoper GmbH / Dramaturgie Kürzungen werden nicht gekennzeichnet. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


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