Das MONATSMAGAZIN
ASMIK GRIGORIAN
№ 30
DEZEMBER 2023
REINES GOLD, PURE ENTSPANNUNG
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GOLD
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INHALTSVERZEICHNIS
S
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WIENS NEUE TURANDOT
S.
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LIEBE & ANGST ZUR TURANDOT-PREMIERE
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INTERVIEW MIT ASMIK GRIGORIAN
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MIT DIESEM PRINZEN KANN TURANDOT GESUNDEN JONAS KAUFMANN IM GESPRÄCH
S.
S.
S.
14
EINE PARABEL ÜBER DIE LIEBE REGISSEUR CLAUS GUTH ÜBER SEINE TURANDOT-INSZENIERUNG
S.
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AUF DER RASIERKLINGE GELEBT INGEBORG BACHMANN ÜBER MARIA CALLAS
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SHIFTING SYMMETRIES DAS WIENER STAATSBALLETT FEIERT DIE ERSTE STAATSOPERN-PREMIERE DER SAISON
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EIN NEUES DESIGN FÜR GEORGE BALANCHINE
S.
30
SYNTHESE ZWEIER SPRACHEN IM GESPRÄCH MIT DEM DIRIGENTEN MATTHEW ROWE
S.
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SCHLAGLICHTER S.
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MIT DEM GEISTERSCHIFF DURCH DAS HAUS AM RING EINE NEUE WANDEROPER FÜR DIE WIENER STAATSOPER
S.
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FÜNF FRAGEN AN NINA BLUM & MARGIT MEZGOLICH
S.
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IN DIE MUSIK EINTAUCHEN DER KOMPONIST GERALD RESCH ÜBER DIE NEUE WANDEROPER
S.
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»TRAU KEINEM FUCHS AUF GRÜNER WEID«
S.
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ER KAM, SANG & SIEGTE! STEPHANO PARK IST DER NEUE OPERALIA-GEWINNER
S.
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EISERNER VORHANG 2023/24
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MIT HÖHEREM VERBUNDEN DIE SOPRANISTIN SERENA SÁENZ
S.
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DEBÜTS
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PINNWAND
WIENS NEUE TURANDOT »Eine absolute Bühnenfigur, die ihrer Rolle nicht nur eine Stimme gibt, sondern ihr Seele verleiht«, so las man über Asmik Grigorians Staatsopern-Debüt (als Cio-Cio-San in der Madama Butterfly-Premiere) im Jahr 2020 in der Wiener Zeitung. Und man las in anderen Rezensionen: »Tragödin ohne falsches Pathos«, »mitreißend«, »strahlende, unangestrengt wirkende Dramatik«, »wunderbare Intensität und differenzierter Ausdruck«… Die Liste ließe sich ebenso lang fortsetzen, wie der Publikumsjubel nach ihren Auftritten währt. Nach ihrem Anfangstriumph hat Grigorian sich konsequent auch an der Staatsoper als eine der führenden Bühnen-Charismatikerinnen unserer Zeit bewiesen: als Manon Lescaut, Jenůfa, Nedda, Tatjana und eben Cio-Cio-San. Gesang und Ausdruck, Darstellung und Beglaubigung, Verinnerlichung und Durchdringung: Grigorian spielt nicht, sie ist. Mit allen Fasern ihres Künstlerinnentums, all ihrer Stimme und Intensitätskraft. → Siehe auch Interview auf Seite 6. A SM I K GR IG OR I A N a ls…
… b r i l l a nt e N E D DA i n PAG L I AC C I
… e r s c hü t t e r n d e C I O - C I O - S A N
b e i d e r E r ö f f nu n g s p r e m i e r e d e r D i r e k t i o n B o g d a n Ro š č i ć s … i m L u x u s d a s e i n v e r l o r e n e M A N O N L E S C AU T
… J E N Ů FA – o h n e l e i c ht fe r t i ge m H a p p y E n d (vo n l i n k s o b e n n a c h r e c ht s u nt e n)
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KOP F Z E I L E
J O N A S K AU F M A N N a l s C A L A F &
A SM IK GR IG OR I A N als T U R A N DOT Fo t o s M A R C E L U R L AU B
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OLIVER LÁNG & ANDREAS LÁNG
LIEBE & ANGST
Nur zwei Monate nach der Premiere der vorletzten Puccini-Oper Il trittico wird am 7. Dezember eine Neuproduktion der letzten Puccini-Oper Turandot in der Inszenierung des Regie-Großmeister Claus Guth und unter der Leitung Marco Armiliatos vorgestellt. Im Fokus der internationalen Opernwelt stehen darüber hinaus Asmik Grigorian und KS Jonas Kaufmann in den beiden Hauptrollen: Denn KS Jonas Kaufmann wird nach einer fulminanten Otello-Serie an der Wiener Staatsoper sein weltweites szenisches Calaf-Debüt geben und Asmik Grigorian wird ihre allererste Turandot überhaupt singen. Zwei Wochen vor der Premiere und knapp vor den Endproben gaben die beiden Ausnahmekünstler die nachfolgenden Interviews. I N D I E S E M A R T I K E L S E H E N S I E P RO B E N F O T O S :
M I T A N G E D E U T E T E N KO S T Ü M E N , O H N E R I C H T I G E S
B Ü H N E N L I C H T, M I T T E N I N D E R A R B E I T. E I N E I N B L I C K I N D I E T H E A T E RW E R K S T A T T !
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OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT ASMIK GRIGORIAN
ol
Das Schicksal vieler von Ihnen dargestellter Figuren wie Cio-Cio-San, Salome oder Manon Lescaut ist ungemein tragisch. Wie fügt sich Turandot in diese Reihe ein? Ist sie, zumindest am Ende, glücklicher? ag Ich weiß es nicht. Ich denke aber, dass am Ende immer alles gut wird – oder es ist nicht das Ende. Natürlich ist Turandot anfangs ein tragischer Charakter. Aber wir reden ja eigentlich über das Leben an sich, und Turandot ist eine Figur, die präzise aufzeigt, dass ein Dasein sich letztlich zum Guten wenden kann. Der Gewinner ist am Ende immer das Leben. ol Die Oper endet zumindest für das zentrale Liebespaar glücklich, doch rang Puccini sehr mit diesem Finale. Wie glaubwürdig ist für Sie die plötzliche Liebe Turandots? ag Alles ist möglich und man kann an alles glauben! Betrachte ich das Werk aus der Perspektive Turandots, dann entdecke ich zweierlei. Zunächst: Die Ahnin, auf deren Vergewaltigung sich Turandot beruft und ihre Grausamkeit begründet, ist für sie nur eine Ausrede, um ihre eigenen Traumata zu überdecken. Gleichzeitig ist sie eine Gefangene dieser Geschehnisse, die tatsächlich nichts mit ihrem eigenen Leben und ihrer persönlichen Geschichte zu tun haben. Wie jeder Mensch will Turandot geliebt werden – und lieben. Nur: Sie kennt auch jene Ängste, die diesen Bedürfnissen entgegenstehen. Und damit ist mit wenigen Worten umrissen, worum es für mich in dieser Oper letztlich geht: Um den Kampf zwischen Angst und Liebe. ol Ist es das, was uns Turandot lehrt? ag Ja, sie lehrt uns, dass es von unserer Wahl abhängt: zu lieben oder zu fürchten. ol Und was ist es, was sie an Calaf liebt? Seine Unerschrockenheit? Die Unbedingtheit? ag Wissen Sie, wenn Sie eine Erklärung haben, warum sie gerade diese oder jene Person lieben, dann ist die Liebe bereits nebensächlich geworden. Wir lieben, weil wir lieben, wir lieben eine Person, weil wir eben sie lieben. Vielleicht, nach fünf Jahren des Zusammenlebens, wird Turandot das Warum begreifen. Aber… Ich denke, dass Liebe ein Gefühl ist, das sich der Frage nach dem Weshalb entzieht. ol Will sie im Geheimen eigentlich, dass Calaf die Rätsel, die sie ihm stellt, lösen kann? Denn wenn er sie nicht löste, hätte er sein Leben ja verwirkt. ag Was das Unbewusste angelangt, lautet die Antwort auf alle Fälle: ja! Aufgrund der Liebe. Wenn wir aber das Bewusste anschauen, dann lautet die Antwort natürlich Nein. Aufgrund der Angst. ol Hat Turandot ein schlechtes Gewissen in Bezug auf Liù, deren Tod sie verschuldet hat? ag Natürlich. Natürlich! Aber nicht nur bezüglich Liù, sie hat ein schlechtes Gewissen in Hinblick auf alles. Und das ist ein ewiger Kreislauf! Wenn wir einen Fehler machen, dann verbleiben wir – gerade
aufgrund der Schuld – in einer Spirale und machen ihn immer und immer wieder auf Neue. Genau denselben Fehler! ol Wer bedarf eigentlich mehr einer Psychotherapie? Turandot oder Calaf? ag Naja, sie ist offensichtlich eine sehr traumatisierte Person… ol Nun ist die Rolle der Turandot bekanntlich stets ein besonderes stimmliches Wagnis. Worin liegt für Sie die Herausforderung in der Gestaltung? ag Wir sind noch mitten in den Proben und ich hatte noch keine gemeinsame mit dem Orchester. Daher ist es nicht einfach, das zu beschreiben. Aber ganz generell: Es gibt große Lautstärken und für mich ist die Tessitura, also die stimmliche Lage der Rolle, die ganze Zeit wirklich hoch. Die Partie wurde von Puccini bewusst so komponiert, dass eine gewisse Schärfe erzeugt wird. Im Vergleich dazu liegt die Tessitura der Liù stets deutlich darunter. Und ganz abgesehen davon, Turandot ist für mich eine ganz neue Partie – und das ist immer eine besondere Herausforderung! ol Wenn Sie sich einer solchen neuen Rolle wie Turandot nähern – steht als Initiator die Musik oder der Charakter der Figur im Zentrum? ag Wenn ich im Falle der Oper Turandot mehr an der Musik interessiert wäre, würde ich Liù singen. Denn ihre Musik ist einfacher, in gewisser Hinsicht auch schöner. Aber als Charakter interessiert mich natürlich Turandot! ol Gibt es für Sie den ultimativen Turandot-Moment? Die besondere Stelle, die Sie besonders lieben? ag Das ist eine einfache Frage! Ich liebe sie alle. ol Für eine lange Zeit wurde Puccini von Kollegen wie etwa Gustav Mahler oder Richard Strauss, aber auch von vielen Kritikern, nicht ernst genommen. Ist seine Musik zu schön, um gut zu sein? ag Er wurde kritisiert, weil er seiner Zeit immer weit voraus war. Das ist ein bekanntes Phänomen. Wenn etwas Großes neu ist, stößt es zunächst auf Ablehnung und wird erst akzeptiert, nachdem der Künstler gestorben ist. ol Wie wichtig ist für Sie eine Identifikation mit einer von Ihnen dargestellten Figur? Muss es das überhaupt geben? Sind Sie Turandot? ag Ich bin alle meine Rollen. Ich spiele niemals etwas… Ich weiß nicht, wer Turandot ist oder wer Puccinis Turandot war. Ich kenne nur meine persönliche Turandot. Was jetzt kommt, mag vielleicht eingebildet klingen, aber: Ich versuche erst gar nicht, einen Operncharakter oder einen Komponisten zu interpretieren. Weil ich nicht glaube, dass eine oder einer von uns wissen kann, was Puccini wirklich 6
OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT ASMIK GRIGORIAN
dachte. Und selbst wenn wir nachvollziehen könnten, was er in der Entstehungszeit im Kopf hatte, wüssten wir trotzdem nicht, was er dächte, wenn er heute lebte. Das Einzige, was ich also machen kann und was ich daher auch in all meinen Produktionen tue, ist: Ich interpretiere mich selbst durch die Musik! ol Ein finaler Satz zu dieser Oper? ag Turandot transformiert sehr gut meine beiden Seiten: eine ist sehr kalt, die andere sehr heiß. Und wie ich sagte: Es ist eine Schlacht, eine Schlacht zwischen Liebe und Angst.
GIACOMO PUCCINI
TURANDOT 7. 10. 13. 16. 19. 22. DEZEMBER 2023 Musikalische Leitung MARCO ARMILIATO Inszenierung CLAUS GUTH Bühne ETIENNE PLUSS Kostüme URSULA KUDRNA Choreographie SOMMER ULRICKSON Licht OLAF FREESE Video ROCAFILM Dramaturgie KONRAD KUHN Turandot ASMIK GRIGORIAN Calaf JONAS KAUFMANN Liù KRISTINA MKHITARYAN Altoum JÖRG SCHNEIDER Timur DAN PAUL DUMITRESCU Mandarin ATTILA MOKUS Ping MARTIN HÄSSLER Pang NOBERT ERNST Pong HIROSHI AMAKO
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J O N A S K AU F M A N N a l s C A L A F & A SM IK GR IG OR I A N als T U R A N DOT
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ANDREAS LÁNG IM GESPRÄCH MIT JONAS KAUFMANN
MIT DIESEM PRINZEN KANN TURANDOT GESUNDEN al
In der Turandot-Neuproduktion von Claus Guth hat es Calaf nicht mit einer pompös aufgetakelten Prinzessin inmitten ihres gewaltigen Hofstaates zu tun, sondern mit einer jungen Frau, die gerne im Nachthemd auf ihrem Bett kauert und sich mit Puppen in ihrem Schlafzimmer verbarrikadiert. jk Das Fehlen der üblichen herumwuselnden Massenszenen, die wohltuende Aufgeräumtheit des Bühnenbildes und der Personenführung hat den großartigen Effekt, dass man sich darauf konzentrieren kann, was zwischen den zentralen Charakteren passiert. Ich finde es eine geniale Zugangsweise, Turandot nicht jene oft gesehene äußerliche Unnahbarkeit aufzustempeln, die ihr ein wenig die Anmutung einer hexenhaften Spinne verleiht, die in ihrem Netz auf Beute wartet. Denn üblicherweise fragt man sich schon, was die Motivation all jener Prinzen ist, ihr Leben wegzuschmeißen, nur um dieses gefährlich-bombastische Wesen gewinnen zu können. In unserer Produktion habe wir vordergründig gesehen, dieselbe Ausgangssituation: Eine Reihe von Prinzen, zuletzt der fremde, vertriebene Calaf, verlieben sich unsterblich in Turandot. Aber der Beweggrund, das Wagnis der Rätsel auf sich zu nehmen, ist ehrenvoller, da ein Spüren dahintersteht, wie sehr diese offenbar traumatisierte Frau dringend jemanden braucht, der sie aus ihrer mehr als bedrückenden Situation herausholt. Wenn Calaf am Schluss Turandots Eises-
kälte anspricht, dann spielt er auf ihr Grundproblem an, das darin besteht, Nähe und Geborgenheit mit einem Eingekerkertsein zu verwechseln. Darum verweigert sie Calaf zunächst auch den Kuss, nicht, weil sie ihn nicht mag. Natürlich haben wir während der Vorstellung nicht so viel Zeit, wie es im wirklichen Leben braucht, um seelische Wunden zu heilen, aber wir versuchen möglichst viele erkennbare Schritte einzubauen, die dazu führen, dass Turandot sich am Ende öffnen kann. al All die Prinzen, inklusive Calaf, leiden also unter einem Helfersyndrom? jk Ein bisschen, ja, aber es geht dann doch um leidenschaftlich entbrannte Liebe in einem Märchen. Ich habe mit Claus Guth natürlich viel darüber diskutiert, was denn letztlich zu diesem plötzlichen Emotionswandel bei Calaf führt. Eben verflucht er Turandot noch und paar Sekunden später ist er ihr wie in einem Drogenrausch hundertprozentig verfallen. So etwas dürfte einem normal ausgeruhten Geist eher ungewöhnlich vorkommen. Wahrscheinlich ist etwas in dem Blick dieser Frau, das ihn fasziniert und dazu bringt, ein Abenteuer zu wagen, das durchaus mit dem eigenen Tod enden könnte. al Ein eher pubertäres Agieren… jk Absolut. Auch Calaf muss im Laufe der Geschichte einen Reifungsprozess durchmachen. Zunächst ist er naiv, unbedarft-spontan, denkt nicht unnötig kompliziert um die Ecken. Darum erkennt 11
ANDREAS LÁNG IM GESPRÄCH MIT JONAS KAUFMANN
er übrigens die Liebe Liùs vorerst auch gar nicht – erst nach ihrem Selbstmord begreift er die Gefühle dieser anderen jungen Frau. al Könnte diese Unbedarftheit auch erklären, warum Calaf, im Gegensatz zu allen anderen, die als unbeantwortbar geltenden Rätsel Turandots lösen kann? jk Vermutlich. So viel intelligenter als seine Vorgänger wird er nicht sein und so ultraschwer sind diese Rätsel letztendlich auch nicht. Calaf ist einfach weniger aufgeregt, weil er sich im wahrsten Sinn des Wortes keinen Gedanken um seinen Kopf macht. Eine andere Frage ist, warum all jene, die bei der Beantwortung versagen, enthauptet werden. Auch darüber haben wir viel diskutiert. Der einzig einleuchtende Grund wäre, dass immer dieselben
Gefahr läuft, zu versagen. Erst der Ausruf der in der Nähe stehenden Liù »È per l’amore« hilft ihm, die Lösung zu finden. Da es sich bei diesem kurzen Einwurf um den einzigen Satz Liùs in gesamten Akt handelt, muss er für Puccini an dieser Stelle eine Bedeutung gehabt haben. Offenbar soll noch einmal unterstrichen werden, wie sehr Calàf erst durch die Liebe, die Liù ausstrahlt, sein Glück findet. Das
GIACOMO PUCCINI
TURANDOT 7. 10. 13. 16. 19. 22. DEZEMBER 2023 Musikalische Leitung MARCO ARMILIATO Inszenierung CLAUS GUTH Bühne ETIENNE PLUSS Kostüme URSULA KUDRNA Choreographie SOMMER ULRICKSON Licht OLAF FREESE Video ROCAFILM Turandot ASMIK GRIGORIAN Calàf JONAS KAUFMANN Liù KRISTINA MKHITARYAN Altoum JÖRG SCHNEIDER Timur DAN PAUL DUMITRESCU Mandarin ATTILA MOKUS Ping MARTIN HÄSSLER Pang NOBERT ERNST Pong HIROSHI AMAKO
drei Fragen aufs Tapet kommen und verhindert werden soll, dass jene die falsch raten und daraufhin zwangsläufig die richtige Antwort erfahren, diese an den nächsten Kandidaten verraten. al
Es fällt auf, dass Calaf bei der Beantwortung der drei Rätsel unterschiedlich lange braucht: Nummer 1 – »Hoffnung« – hat er sofort erraten. Für die zweite Antwort »Blut« braucht er schon länger und bis er drittens »Turandot« nennt, vergeht eine gefühlte Ewigkeit. jk Das hat primär dramaturgische, theaterpraktische Gründe. Puccini ging es natürlich darum, Spannung aufzubauen und möglichst lange anhalten zu lassen. Ähnliches finden wir am Schluss: Wird Turandot Calaf verraten, nachdem sie von ihm selbst seinen Namen erfahren hat? Es herrscht eine spannungsvolle Ungewissheit, die erst mit dem Satz »Ich kenne den Namen, sein Name ist Liebe« aufgelöst wird. Aus der handlungsinternen Sicht Calafs dürfte es hingegen so sein, dass er sich mit dem ersten Rätsel wirklich leicht tut und beim zweiten tatsächlich
lange Zögern bei der dritten Frage halte ich eher für ein Taktieren Calafs. Er möchte Turandot einfach zappeln lassen. Interessant ist – Claus Guth hat diesen Punkt bei den Proben betont –, dass alle drei Rätsel mit Turandot selbst zu tun haben, also drei Aspekte ihrer eigenen Situation benennen. al Wie fest ist das Fundament dieser Liebe zwischen Calaf und Turandot? jk Das wird die Zeit zeigen. Turandot ist eine verletzte und traumatisierte Seele und da gibt es nie eine Garantie dafür, dass es ein normales Leben geben wird. Aber mit Calaf hat sie jedenfalls die größten Chancen darauf. al Was hebt die Rolle des Calaf für den Tenor auf die gewaltige Herausforderungsstufe eines Otello? jk Es liegt nicht an der Länge der Partie, die ist nicht so extrem. Aber man hat auf der einen Seite eine sehr dicke Orchestrierung und auf der anderen eine insgesamt sehr hoch liegende Tessitura mit mehreren Spitzentönen. Diese Kombination ist einfach herausfordernd und Respekt gebietend. Wenn zum Beispiel der Chor in voller Lautstärke singt und das Orchester dazu im Fortissimo spielt, muss man wirklich einen Turbo einschalten, um nicht verloren zu gehen. Dazu kommt diese bei Puccini vorherrschende Eigentümlichkeit, dass man von den Wellen 12
ANDREAS LÁNG IM GESPRÄCH MIT JONAS KAUFMANN
dieser Musik mitgerissen wird und emotional ohne jedes Sparen mitgehen möchte. In der Tosca geschieht das allerdings nur drei, viermal, hier in der Turandot aber praktisch durchgehend. Würde man Otello oder Calaf wie »Hänschen klein« singen, wären die Herausforderungen in den Partien kaum der Rede wert. Da aber in beiden Fällen extreme Emotionen unentwegt von der Musik aufgeladen und vokal entsprechend weitergegeben werden müssen, sieht die Sache anders aus. al Es gibt populärere und weniger populärere Puccini-Opern. Warum ist Turandot so beliebt beim Publikum und eine Fanciulla del West weniger? jk Ein lieber Freund und Musiker hat mich einmal gefragt, was denn so Besonderes an der »Nessun dorma«-Arie sei: In Wahrheit wäre ja die Melodie äußerst simpel gestrickt und trotzdem bekäme jede und jeder beim Hören dieses Schlagers eine Gänsehaut. Aber genau darin liegt eben die Meisterschaft Puccinis, dass er es fertiggebracht hat, mit aller scheinbaren Einfachheit ein auf drei Minuten komprimiertes, so faszinierendes Stück zu schaffen. Und obwohl die Oper Turandot, was z.B. die Stimmführung des Orchesters betrifft, durchaus ein Schritt zurück war verglichen mit den von Puccini unmittelbar davor komponierten Opern, ist das Werk insgesamt dennoch eine Art Essenz eines Altmeisters, der aus
dem Vollen seiner Erfahrungen geschöpft hat. Ähnlich wie Verdi im Otello und noch mehr im Falstaff. Nichtsdestotrotz finde ich es sehr schade, dass überaus phänomenale Werke wie die von Ihnen erwähnte Fanciulla, aber auch Manon Lescaut deutlich seltener gespielt werden. al Anders als heute, hat Puccini früher die Kunstwelt doch recht entzweit: Mahler beispielsweise lehnte Puccini ab, Korngold hingegen bewundert ihn. Warum ist Puccini mehr als der »Verdi des kleinen Mannes«, wie ihn Tucholsky herablassend bezeichnet hat? jk Viele im Publikum mussten sich daran gewöhnen, dass Emotionen durch Musik so unmittelbar und intensiv transportiert werden. Es hat die Leute irritiert, dass man ab dem Verismo nicht mehr mit einem feinen Lächeln oder einem leicht feuchten Auge davonkommt, sondern von den Gefühlen regelrecht überschwemmt wird. Und Puccini ist darüber hinaus das letzte Bindeglied vor der Operette. Ein Lehár hat zum Beispiel exakt so instrumentiert wie Puccini, wenn man etwa an die ersten Geigen denkt, die regelmäßig die Melodie des Sängers verdoppeln. Das Puccini-Orchester klingt dementsprechend auch ohne Sänger großartig – Giuseppe Verdi hat Ähnliches bewusst vermieden. Das ändert aber nichts am Genie Puccinis und an der Qualität seiner Partituren.
»Wahrscheinlich ist etwas im Blick dieser Frau, das Calaf fasziniert und dazu bringt, ein Abenteuer zu wagen, das durchaus mit dem eigenen Tod enden könnte.«
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KON R A D K U H N I M G E SP R ÄC H M I T TURANDOT-REGISSEUR CLAUS GUTH
C L AU S G U T H Fo t o M O N I K A R I T T E R S H AU S
EINE PARABEL UBER DIE LIEBE kk Im Libretto der Oper Turandot heißt es: »Die Handlung spielt zur Märchenzeit.« Was bedeutet das für dich? cg Eine erfundene Zeit. Für mich ist der Begriff »Parabel« zutreffender als »Märchen«. Wenn man das Werk mit purem Realismus auf die Bühne zu bringen ver-
sucht, landet man schnell in einer Sackgasse. Turandot ist, anders als z.B. La bohème, eine Parabel fernab des »Verismo«. Im Kern geht es darum, wie ein junger Mann – über den wir nichts wissen, außer dass er auf der Flucht ist – in eine Welt hineinstolpert, deren Gesetzmäßigkeiten er nur bruchstückhaft begreift. Wie in einem 14
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schlechten Traum. Er hat sich anlocken lassen von dem Mythos um die Herrscherin eines Reiches. Sie scheint einer Legende entsprungen. Keiner hat sie je von Nahem gesehen; alle seine Vorgänger wurden geköpft, weil sie die Rätsel nicht lösen konnten. Turandot ist anfangs ein Sehnsuchtsbild des »unbekannten Prinzen«, wie er in der Partitur genannt wird, eine Fiktion, der er erlegen ist. Er lernt zunächst ein System kennen, und zwar von seiner brutalsten und grotesken Seite. Hinzukommt seine Verstrickung mit der eigenen Vergangenheit: Er findet unverhofft seinen Vater (Timur) und eine Frau, die ihn liebt (Liù), ihm aber kein Begriff ist. Und das alles in stark komprimierter Form, wie ein Kondensat der Existenz. kk Als Ortsangabe ist »Peking« angegeben … doch ich glaube, spätestens seit der Aufführung am »Originalschauplatz«, also der Verbotenen Stadt, ist klar, dass man nicht weit kommt, wenn man das wörtlich nimmt. cg Das halte ich in der Tat für ein großes Missverständnis. Seit Generationen arbeiten sich Bühnenbildner an verschiedensten Illustrationen dieses Ortes ab. Aber darum geht es für mich gar nicht. Puccini brauchte zum Komponieren einen Auslöser, und er war sehr geschickt darin, immer wieder einen solchen Trigger für sich zu finden. Für China hat er sich meines Erachtens nur insoweit interessiert, als er auf bestimmte harmonische Gegebenheiten und Motive zurückgreifen konnte, die man mit chinesischer Musik assoziiert: ein kompositorischer Zugriff, der durch die Exotik vor allem eine gewisse Fremdheit erzeugt. An diesem Punkt wird es für mich interessant. Denn das hilft, das Werk ein Stück weit von uns weg zu rücken und den Blick darauf zu lenken, worum es eigentlich geht: Weniger um opulentes Ausstattungstheater als um urmenschliche Organisationsformen des Zusammenlebens und ihre Wurzeln. kk Wenn ich die Oper anschaue, erscheint es mir, als ob darin drei verschiedene Geschichten erzählt werden: einmal die von Calaf, dann die von Turandot, die überhaupt erst im zweiten Akt auftritt, und schließlich eine Geschichte über die Manipulierbarkeit der Menge. Für welche der drei Geschichten interessierst du dich? cg Ich möchte im ersten Akt die Geschichte Calafs erzählen, der in die Mühlen eines Systems gerät. Wie erlebt er dieses System? Im zweiten Akt erzähle ich, was Turandot erlebt. Das heißt, die Perspektive wechselt. Sie spricht davon, was ihrer Ahnin »vor tausenden von Jahren« zugestoßen ist. Aber für mich ist deutlich erkennbar, dass es dabei um eigenes Erleben gehen muss; um ein Ereignis, das sie als fremdbestimmten Übergriff
erlebt hat, wobei es für mich sekundär ist, durch wen. Entscheidend ist: Wir sehen einen verstörten, verletzten Menschen. Ich möchte zeigen, mit welch gewaltigem Aufwand sich Turandot davor schützt, erneut zum Opfer zu werden. Dadurch gerät sie in die Rolle des Täters. Wenn man in sie hineingeschaut hat, versteht man rückwirkend das System, auf das Calaf im ersten Akt trifft. Der zentrale Begriff ist für mich »Angst«. Die Angst des Individuums greift auf die Gesellschaft über und bestimmt das System: Angst davor, verletzt zu werden, schwach zu sein. Im dritten Akt geht es dann darum, wie das Paar Turandot-Calaf zusammenkommt – eine veritable Liebesgeschichte zwischen zwei modernen Menschen, die ich sehr ernst nehme. Bevor sie zueinanderfinden können, müssen beide erst mit sich ins Reine kommen. Dabei kann der jeweils andere helfen. Gerade heute, wo viele Menschen von einer Beziehung in die nächste schlittern, gibt es häufig schlechte Erfahrungen, Erlebnisse aus der Vergangenheit, die nicht einfach weggewischt werden können. Diese Liebesgeschichte bleibt in Aufführungen der Oper häufig unterbelichtet. Man nimmt immer Liù als Verkörperung der Liebe wahr, während die Titelfigur als die kalte Frau gezeigt wird, die am Schluss eine schwer nachvollziehbare Wandlung durchmacht. Ich möchte Liù mehr als Trägerin einer Funktion auffassen; sie steht mit ihrem Handeln für eine Idee, die in Calaf und Turandot Veränderungen hervorruft. Als Figur empfinde ich sie eher als Konstrukt – trotz der ergreifenden Musik, die Puccini für sie geschrieben hat. kk Wenn man die Liebesgeschichte zwischen Calaf und Turandot zeigen will, kann man nicht mit dem Tod Liùs und der darauffolgenden Trauermusik enden, wie das in Inszenierungen hin und wieder geschieht – in Anlehnung an die Uraufführung, bei der Arturo Toscanini an dieser Stelle den Taktstock niedergelegt hat. Wie gehst du mit der Problematik um, dass Puccini den Schluss nicht mehr selbst zu Ende komponiert hat? cg Ich muss gestehen, dass ich darüber nicht so sehr stolpere. Franco Alfano hat das – in seiner ursprünglichen Version, die als »Alfano 1« bekannt ist – sehr geschickt gemacht. Er hat Puccini weitergedacht und den Schluss organisch komponiert. Die Euphorie am Ende steht für mich dafür, dass es möglich ist, zu einem anderen Menschen vorzudringen. Dieser Mut zu großen Gefühlen fasziniert mich. Hier wendet sich das Geschehen wieder ins Traumhafte. Das Pompöse des Finales finde ich unter diesem Aspekt interessant, denn es entsteht ein Gegensatz: Das Paar hat gerade erst zueinander gefunden und wird nun sofort an die Öffentlichkeit – ins Funktionieren – gezerrt. 15
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kk Der erste Akt arbeitet mit harten Schnitten und abrupten Wechseln in der Stimmung der Menge, fast im Sinne einer Filmdramaturgie. Der zweite Akt fokussiert im Gegensatz dazu auf eine durchgehende Situation, nämlich die Rätselprobe. Im dritten Akt ist die Erzählstruktur wieder stärker episodisch, bis die Handlung dann in das Duett der beiden Protagonisten mündet. Wie kann man vom Bühnenbild her auf diese heterogene Anlage reagieren? cg Wir haben uns entschieden, den Chor quasi vor die Spielfläche zu platzieren, wodurch die Dynamik seiner Interventionen akustisch sehr stark zu erleben ist. Gleichzeitig rücken wir szenisch die beiden Hauptfiguren in den Mittelpunkt. Ihre Geschichte geht in dem »Wimmelbild«, das durch die Dramaturgie des ersten Aktes entstehen kann, leicht verloren. Von daher ist der Chor in seiner Gewalt bei uns enorm präsent, teilt aber nicht dieselbe Bühne mit den Protagonisten. Wir gehen von einem öffentlichen Ort aus, einer Art Vorraum. Man sieht die Tür, zu der es den Prinzen mit aller Macht hinzieht, aber er wird noch nicht vorgelassen. Im zweiten Akt befinden wir uns dann im intimsten Bereich von Turandot: in ihrem Schlafzimmer, also auf der anderen Seite der Tür – wo ihr Trauma seinen Ursprung hat. Hier ist der Chor akustisch präsent, aber visuell nicht wahrnehmbar. Dadurch wird er zum Echo der Haltungen, die die Hauptfiguren einnehmen. Indem Calaf alle drei Rätsel löst, entsteht ein Machtvakuum. Das erleben wir im dritten Akt. Wohin driftet dieser Staat? Wie es häufig geschieht, richtet sich die Gewalt in der Orientierungslosigkeit nach innen. Es herrscht Chaos. Von einer überdeterminierten staatlichen Ordnung kippt es in die völlige Unordnung. Von der Tektonik des Raums her hat eine Verschiebung stattgefunden. Die Koordinaten sind verrutscht. Die Schauplätze lassen sich nicht mehr voneinander trennen. Das Vorzimmer und das Schlafzimmer sind eins geworden, der Ort, an dem im ersten Akt der Chor platziert war, ist plötzlich zu einem intimen Ort geworden. Erst aus der Auflösung kann etwas Neues entstehen, was sich dann im Liebesduett vollzieht. kk Du hast von der Tür gesprochen, vor der Calaf Einlass begehrt. Zu diesem Element des Bühnenbildes gibt es eine konkrete Inspiration, die mit Wien zu tun hat. Was hat es damit auf sich? cg Vor Jahren habe ich das Sigmund-Freud-Museum in der Berggasse besucht, das sich ja in der ehemaligen Wohnung befindet. Ich war nur mäßig davon beeindruckt. Doch als ich wieder gehen wollte, stand ich plötzlich vor der geschlossenen
Wohnungstür, die von innen massiv mit Riegeln und Schlössern bewehrt ist. Ausgerechnet bei dem Menschen, der sich so intensiv mit der Erforschung unserer Urängste auseinandergesetzt hat, muss es ein geradezu paranoides Sicherheitsbedürfnis gegeben haben. Wobei der damalige Antisemitismus ihm sicher auch Gründe dafür geliefert hat. Freud hat vielleicht eine berechtigte Angst davor empfunden, dass eine Gesellschaft kippen kann. kk Es gibt drei Figuren in der Oper, die aus der Commedia dell’arte herkommen: Ping, Pang und Pong. Sie stammen aus der Vorlage von Carlo Gozzi, wurden von Puccini jedoch anders gestaltet. In ihren Szenen kommen musikalisch am deutlichsten »exotische« Elemente zum Tragen. Zu Beginn des zweiten Aktes werden sie uns dann ganz nahgerückt. Wie gehst du mit diesem Trio um, das auch ein komisches Element hereinbringt? cg Das ist sehr schön gebaut von Puccini. Wir erleben sie in unserer Interpretation zunächst als eine Art Ober-Beamte in einem ameisenhaften System. Sie nehmen ihre Aufgabe fast zu ernst und sind darin völlig gefangen. Ins Komische rutschen sie durch ihre Akkuratesse. Zu Beginn des zweiten Aktes sieht man sie dann »unter sich«. Das ist wie ein Blick hinter die Kulissen – des Systems wie auch dieser drei Figuren. Wir erkennen, wie sehr sie unter der Rolle, die sie spielen müssen, leiden. Sie formulieren triviale, sehr menschliche Sehnsüchte und werden dadurch real. Als ob sie die Masken abnehmen: Gerade diese drei hochartifiziellen Geschöpfe werden plötzlich als private Individuen fassbar. Doch dann werden sie zurück zu ihrer Pflicht gerufen. Im weiteren Verlauf des zweiten Aktes und im dritten erleben wir sie dann anders, nachdem wir gesehen haben, wie verhasst ihnen das System ist. Auch wenn sie sich das nicht anmerken lassen, denken wir es als Zuschauer jetzt mit. Das ist wie ein Exkurs: eine ganz eigene, berührende kleine Geschichte. Das automatische Funktionieren führt dazu, dass sie das System nicht verlassen können. kk Sie sind Teil einer Bürokratie, die menschenverachtend ist. Das kann man mit der Entstehungszeit der Oper in Verbindung bringen, die durch das Aufkommen des Faschismus in Europa geprägt war. Wie nimmst du darauf Bezug? cg Ich fasse diese Bürokratie eher aus der Perspektive eines Jacques Tati auf – oder vor dem Hintergrund der Texte von Franz Kafka. Wenn bürokratische Vorgänge stark ritualisiert sind, wird das Grauen, das ihre Auswirkungen hervorrufen müsste, nicht mehr wahrgenommen. Die Unmenschlichkeit liegt in der Perfektionierung des 16
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I n n e n a n s i c h t d e r E i n g a n g s t ü r e z u d e n P r a x i s r ä u m e n
vo n S i g mu n d F r e u d , S I G M U N D F R E U D - M U S E U M ,
B e r g g a s s e 1 9, 10 9 0 W i e n Fo t o P E T E R M AY R
Freud mietete die Räume dieser Mezzaninwohnung Nr. 5 nach neuesten Erkenntnissen wohl um 1906 an, um dort seine zuvor im Erdgeschoss gelegene Praxis neu einzurichten. Die nebenan gelegene Wohnung Nr. 6 hatten er und seine Familie schon seit 1891 bewohnt, in der späteren Praxis lebte zu diesem Zeitpunkt Freuds Schwester Rosa Graf. Wann die Gitter an der Tür montiert wurden, ist nicht gesichert; fest steht nur, dass sie im Mai 1938 bereits angebracht waren. Zu diesem Zeitpunkt nahm Edmund Edelman jene heute berühmten Bilder auf, die die Räume für die Nachwelt dokumentierten. Edelman arbeitete dabei buchstäblich in Lebensgefahr: Das Haus stand zu diesem Zeitpunkt unter Beobachtung der Gestapo. Am 4. Juni 1938 emigrierte die Familie Freud nach London. Im Freud-Museum spekuliert man, dass die Türgitter mit der Übernahme der Räume für die Praxis, also um 1906, montiert wurden. Gesichert ist diese Information aber nicht.
Systems. Es geht nur noch um eins: Passt etwas ins Raster oder nicht? Dadurch wird die Empathie ausgeschaltet. Bei Kafka wird sehr deutlich die Ohnmacht des Individuums beschrieben, das an einer Maschinerie abprallt, die es nicht durchschaut. Auch dafür steht die überdimensionale Tür in unserem Bühnenbild. kk Es gibt erklärte Puccini-Verächter, die seine Musik als sentimental kritisieren. Was würdest du auf solche Urteile antworten? cg In meiner Sozialisation als Theatermann war ich häufig mit Haltungen dieser Art konfrontiert. Als ich dann einige von Puccinis Opern selbst erarbeitet habe, ist mir klargeworden, was für einen unfassbaren Theaterinstinkt er hat. Er bringt die Dinge, die er darstellt, punktgenau zum Brennen. Die Emotionen sind für mich nicht unecht. Wenn es so wirkt, liegt das an der Gestaltung. Von der Idee her ist Puccini sehr wahrhaftig; und darin enorm wirkungsbewusst. Dafür gehen wir doch in die Oper: Es geht um große Gefühle; da kann man nicht mit angezogener Handbremse fahren. Als Regisseur hat man die Verantwortung, es von der wahrhaftigen Seite her zu fassen zu kriegen – und das geht nur mit großen Künstlerpersönlichkeiten als Darstellern. Man darf keine Klischees bedienen und leere Formen wiederholen. Vielleicht muss man dafür erst einmal Distanz schaffen, um den Bogen dann wieder zurück ins Zentrum zu schlagen. Ich empfinde es manchmal geradezu als tragisch, dass ich kaum eine Musik so sehr verehre wie die von Puccini, andererseits aber im Theater kaum eine Aufführung so sehr verachte wie eine unehrliche Interpretation seiner Werke – angefangen bei den verlogenen Künstlerklischees in La bohème, die seit Jahrzehnten repetiert werden, bis hin zu Erzählweisen bei Madama Butterfly, die wir heute als hochproblematisch empfinden müssen. Man tut Puccini keinen Gefallen, wenn man seine Verortungen der Stücke zu wörtlich nimmt – die Welt hat sich verändert, aber die Nöte und Sehnsüchte der Menschen darin, denen verschafft er Gehör.
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M A R I A CA LL A S
Fo t o B E T T M A N N / G E T T Y I M AG E S
INGEBORG BACHMANN
AUF DER RASIER KLINGE GELEBT Ich habe mich immer gewundert, dass diejenigen, die Maria Callas gehört haben, nicht darüber hinausgekommen sind, in ihr eine außerordentliche, allen Fährnissen unterworfene Stimme zu hören. Es hat sich wohl nicht nur um eine Stimme gehandelt, oh keineswegs, in einer Zeit, in der so viele ausgezeichnete Stimmen zu hören waren. Maria Callas ist kein »Stimmwunder«, sie ist weit davon entfernt, Maria Callas’ Geburtstag jährt sich am oder sehr nah 2. Dezember zum 100mal. Bei dem abgedruckdavon, denn sie ten, leicht gekürzten Text handelt es sich um ist die einzige ein Fragment Ingeborg Bachmanns. Kreatur, die je eine Opernbühne betreten hat. Ein Geschöpf, über das die Boulevardpresse zu schweigen hat, weil jedes seiner Sätze, sein Atemholen, sein Weinen, seine Freude, seine Präzision, seine Lust daran, Kunst zu machen, eine Tragödie, die zu kennen im üblichen Sinn nicht nötig ist, evident sind. Maria Callas wird nie vergessen machen, dass es Ich und Du gibt, dass es Schmerz gibt, Freude, sie ist groß im Hass, in der Liebe, in der Zartheit, in der Brutalität, sie ist groß in jedem Ausdruck, und wenn sie ihn verfehlt, was zweifellos nachprüfbar ist in manchen Fällen, ist sie noch
immer gescheitert, aber nie klein gewesen. Sie hat nicht Rollen gesungen, niemals, sondern auf der Rasierklinge gelebt, sie hat ein Rezitativ, das altbacken schien, neu gemacht, ach nicht neu, sie war so gegenwärtig, dass alle, die ihr die Rollen geschrieben haben, von Verdi bis Bellini, von Rossini bis Cherubini, in ihr nicht nur die Erfüllung gesehen hätten, sondern weitaus mehr. Ecco un artista, sie ist die einzige Person, die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat, um den Zuhörer unten erfrieren, leiden, zittern zu machen, sie war immer die Kunst, ach die Kunst, und sie war immer ein Mensch, immer die Ärmste, die Heimgesuchteste, die Traviata. Sie hat immer direkt getroffen, auf den Umwegen über Libretti, über Figuren, zu denen man Liebe haben muss, um sie akzeptieren zu können. Sie war der Hebel, der eine Welt umgedreht hat, zu dem Hörenden, man konnte plötzlich durchhören, durch Jahrhunderte, sie war das letzte Märchen. 19
N I KOL AUS S T E N I T Z E R
MIT DEM GEISTERSCHIFF DURCH DAS HAUS AM RING E I N E N E U E WA N DE RO P E R FÜR DIE WIENER STAATSOPER
Ich möchte den jungen Besucherinnen und Besuchern mit meiner Inszenierung Lust auf Oper machen – auf die Musik, auf die Geschichte und das tolle Gebäude der Staatsoper. Wenn sie rausgehen und sagen, »das war spannend, da möchte ich wieder hin«, dann ist uns viel gelungen. Nina Blum
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MIT DEM GEISTERSCHIFF DURCH DAS HAUS AM RING
Senta ist ein ganz normaler Teenager: Sie hat eine beste Freundin (eine sprechende Ratte), schwärmt für einen Star (den »Fliegenden Holländer«) und schämt sich für ihren Papa. Dabei ist Daland eigentlich ein ganz netter Kerl – seit er in Rente gegangen und auf sein Hausboot gezogen ist, schlägt einfach der Hippie in ihm immer stärker durch. Ständig will er sich mit allen anfreunden, und für ihn muss auch alles immer Friede, Freude, Eierkuchen sein. Klar, dass sich das mit Sentas Leidenschaft für das Dunkle und Unheimliche und ihrem Gothic-Stil nicht so gut verträgt. Dass Senta sich für unheimliche Geschichten und vor allem für die Geschichte vom Verfluchten Geisterschiff begeistert, kann Daland nicht verstehen. Diese Legende, für die auch Sentas Freundin, die Ratte, schwärmt, besagt, dass der Kapitän des Geisterschiffs, den alle nur den »Holländer« nennen, große Schuld auf sich geladen hat. Deshalb ist er verdammt, bis in alle Ewigkeit auf den Weltmeeren zu segeln. Nur alle sieben Jahre darf er an Land gehen, um einen Menschen zu finden, der ihm hilft, den Fluch zu brechen… Mit Das verfluchte Geisterschiff inszeniert die Regisseurin Nina Blum nach der erfolgreichen Entführung ins Zauberreich (2021) zum zweiten Mal eine Wanderoper für junges Publikum an der Wiener Staats-
oper, die junge und jüngste Besucher*innen auf eine spannende Reise durch das Haus am Ring führen wird. Mit dabei ist ihr bewährtes Team: Die Librettistin Margit Mezgolich hat zusammen mit der Regisseurin auf der Grundlage von Richard Wagners Der Fliegende Holländer die Geschichte entwickelt und ein neues Libretto geschrieben, das Originaldichtungen Richard Wagners in den neuen Text verwebt. Der Komponist Gerald Resch hat Originalmusik aus Wagners Holländer für eine kleine Besetzung arrangiert (besetzt aus dem Bühnenorchester der Wiener Staatsoper unter der musikalischen Leitung von Markus Henn) und mit neuen Originalkompositionen in Dialog gesetzt, die der besonderen Version der Geschichte Rechnung tragen. So gehen die Besucher*innen mit einer neu geschriebenen »Meeresmusik« auf Tauchstation und sind bei anderen Neukompositionen sogar zum Mitsingen eingeladen. Kostümbildnerin Agnes Hamvas hat die Solist*innen, sämtlich Mitglieder des Opernstudios und des Ensembles der Wiener Staatsoper, ergänzt durch die Schauspielerinnen Patrizia Leitsoni und Christina Kiesler, mit fantasievollen Kostümen ausgestattet. Einige Räume der Wiener Staatsoper werden sich für den Zeitraum der Vorstellungen in überraschend maritimem Gewand präsentieren: Bühnenbildner Marcus Ganser hat die aufsehenerregende Ausstattung entworfen, die das raue Ambiente der Geisterschiffahrt in das Haus am Ring trägt.
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DI E F R AG E N S T E L LT E N I KOL AUS S T E N I T Z E R
FUNF FRAGEN
AN NINA BLUM & MARGIT MEZGOLICH
WAS HAT ES MIT DEM VERFLUCHTEN GEISTERSCHIFF AUF SICH? WER FÄHRT DAMIT ZUR SEE, UND WER HAT ES VERFLUCHT? MM Seit vielen hundert Jahren erzählen sich Seeleute die Legende vom verfluchten Geisterschiff. Dieses Schiff segelt schon seit Ewigkeiten über alle Meere. Angeblich hat es blutrote Segel und einen großen schwarzen Mast. Wer immer es auf See erblickt, dem droht großes Unglück. Kern der Legende um dieses Geisterschiff ist ein Kapitän, der durch eigene Schuld einen Fluch auf sich lädt. Dieser Fluch zwingt diesen armen Mann, den alle nur den »Holländer« nennen, mit seinem Schiff bis ans Ende der Zeit zu segeln. Nur alle sieben Jahre darf er für einen Tag an Land. Wenn er an diesem Tag jemanden findet, der mit ihm auf sein Geisterschiff kommt, nur dann wird der Kapitän und sein Schiff von diesem Fluch erlöst. DIE SAGE VOM FLIEGENDEN HOLLÄNDER WURDE VON VIELEN AUTOREN UND AUTORINNEN BEARBEITET, RICHARD WAGNERS VERSION IST NUR DIE BEKANNTESTE. BEI BEARBEITUNGEN, GERADE, WENN ES UM MÄRCHEN, SAGEN UND LEGENDEN GEHT, IST ES ÜBLICH, DEN STOFF ZU ADAPTIEREN. WAS HABT IHR VERÄNDERT, WAS IST NEU? NB Neu ist eine grundlegende Erweiterung in der Figurenkonstellation. Wir haben die zentralen Figuren wie den Holländer, Senta, Daland und Erik belassen und um eine spannende Figur bereichert: nämlich um die einer Schiffsratte. Sie ist Sentas beste Freundin. MM Diese Ratte ist es auch, die zu Stückbeginn eine leicht veränderte Version der Sage vom Fliegenden Holländer erzählt: In Wagners Oper ist der verwunschene Kapitän auf der Suche nach einer Frau, die mit ihm auf sein Geisterschiff kommt und ihn so von seinem Fluch erlöst. In unserer Version sucht er einen Menschen, der ihn befreit. Und so ist es in unserem Verfluchten Geisterschiff Sentas Freund Erik, der sich bereit erklärt, mit dem Holländer auf sein Geisterschiff zu gehen. Senta, Daland, die Ratte und das Publikum machen sich nun gemeinsam auf den Weg in ein großes Abenteuer, um Erik und den Holländer von seinem Fluch zu befreien.
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DI E F R AG E N S T E L LT E N I KOL AUS S T E N I T Z E R
WAS KÖNNT IHR SCHON ÜBER DIESE »WANDEROPER« VERRATEN? WIE KANN MAN SICH EINE VORSTELLUNG VORSTELLEN? NB Die Wanderoper findet an drei verschiedenen Spielorten statt. Beim Wandern von Spielort zu Spielort wird das Publikum von Musiker:innen begleitet. Der Operncharakter bleibt dadurch auch auf den Wegen erhalten. Bereits am Spielort eins werden die Zuschauer*innen als Partygäste von Sentas Geburtstag eingeführt. Eine sympathische Schiffsratte heißt alle herzlich willkommen. Im Spielort zwei befindet man sich auf dem Hausboot von Sentas Papa Daland, der alles für die große Geburtstagsparty vorbereitet hat. Doch in diese ausgelassene Partystimmung »crasht« der Holländer mit seinen Geisterpiraten hinein und die Geschichte nimmt eine völlig neue Wendung. Am Spielort drei findet dann der große Showdown statt – am Strand, wo auch das verfluchte Geisterschiff ankert. Zwischen Spielort zwei und drei taucht das Publikum gemeinsam mit den Sänger*innen und Musiker*innen in die Tiefen des Ozeans ab. Gerald Resch hat dafür auch eine eigene »Meeresmusik« komponiert. WAS, DENKT IHR, MACHT EURE GESCHICHTE FÜR DAS JUNGE OPERNPUBLIKUM INTERESSANT? NB Kinder brauchen Erlebnisse, die ihnen noch längere Zeit in Erinnerung bleiben. Es gibt mehrere Ingredienzien, die unsere Geschichte interessant macht. Da ist einmal das Wandern, das für Kinder den Erlebnischarakter ermöglicht. Ich erlebe nicht nur eine spannende Geschichte, höre wunderbare Musik, sondern wandere auch noch durch das imposante Gebäude der Staatsoper. Dann gibt es diese vielen Interaktionen mit den Zuschauer*innen. Das Publikum singt beim Geburtstagssong für Senta mit, bringt eine Muschel dazu, dass sie ihnen den Weg weist und es muss in den Tiefen des Meeres verschiedene Aufgabe lösen, um die Perlen zu finden. Diese Mitmachaktionen mit dem Publikum dienen dazu, dass sich Kinder wie Erwachsene aktiv in das Geschehen einbezogen und als Teil der Geschichte fühlen. Und es ist die Geschichte selbst, die besonders ist: Die Art, wie wir sie erzählen, mit dem neu geschriebenen Libretto, der neu komponierten Musik, den neuen Wagner-Arrangements, den Tänzen, den bunten Kostümen und dem großartigen Bühnenbild. MM Das verfluchte Geisterschiff ist eine Oper, bei der man nicht stillsitzen muss, sondern lustvoll und verspielt mit reingezogen wird ins Handlungsgeschehen. Wir wissen aus Erfahrung, dass das für Kinder sehr reizvoll ist – und auch für viele Erwachsene! WAS WÜNSCHT IHR EUCH: WAS SOLLEN DIE JUNGEN OPERNBESUCHER UND -BESUCHERINNEN MITNEHMEN, WENN SIE DAS VERFLUCHTE GEISTERSCHIFF ERLEBT HABEN? NB Ich möchte ihnen mit meiner Inszenierung Lust auf Oper machen – auf die Musik, auf die Geschichte und das tolle Gebäude der Staatsoper. Wenn sie rausgehen und sagen, »das war spannend, da möchte ich wieder hin«, dann ist uns viel gelungen. MM Ich wünsche mir für alle großen und kleinen Besucher*innen ein unvergessliches Erlebnis! 23
IN DIE MUSIK EINTAUCHEN DER KOMPONIST GERALD RESCH ÜBER ...
... DEN KLANG DER NEUEN WANDEROPER Das Verfluchte Geisterschiff klingt über weite Strecken nach Richard Wagners Originalmusik, die aber aufgebrochen, umgruppiert, gekürzt und zugespitzt wird. Natürlich wollten wir die schönsten Melodien aus dem Fliegenden Holländer nützen, aber um die Opulenz und Weiträumigkeit von Wagners Musik knapper und flotter zu machen, hat zum Beispiel die Schiffs-Ratte, die überraschende Wendungen ins Geschehen bringt und für die nötige Leichtigkeit sorgt, eine ganz andere Musik: sehr lebendig, sodass im Aufeinandertreffen der Ratte mit dem geheimnisvollen Fliegenden Holländer und seiner naturgemäß schwereren Musik witzige Situationen entstehen. Weiters gibt es etwa ein ausgelassenes Geburtstagslied von Sentas Vater Daland, der in unserer Deutung eine Art sympathischer Hippie ist, sowie stimmungsvolle Unterwassermusiken, zu denen das Publikum gemeinsam durch die Unterwasserwelten der Wiener Staatsoper »taucht« und dabei verschiedene Rätsel lösen wird… ... SEINE ÜBERLEGUNGEN ZUR ADAPTION VON RICHARD WAGNERS MUSIK UND DEN KOMPOSITIONSPROZESS: Ich wollte gerne den charakteristischen, dichten Klang von Wagners Orchester einfangen: gleichzeitig musste mein kleines Orchester flexibel genug bleiben, um gemeinsam mit dem Publikum zwischen unterschiedlichen Spielorten wechseln zu können, denn Das verfluchte Geisterschiff ist ja eine Wanderoper. Daher habe ich einen Kompromiss gefunden, einerseits besondere ungewöhnliche Instrumente wie die Harfe und die Tuba zu verwenden, die auch bei Wagner vorkommen. Andererseits aber prinzipiell ein solistisch besetztes, dirigiertes Ensemble beizubehalten. Denn in einigen Situationen kommt das Publikum einzelnen Instrumenten sehr nahe. Ich glaube, dass es ein echtes Erlebnis ist, zum Beispiel neben einem Kontrabass zu stehen und zu hören, wie dieses große Instrument mit einer Riesen-Schildkröte kommuniziert…
Der Kompositionsprozess ging sehr flüssig von der Hand, da ich mich mit meiner Musik am hervorragenden Libretto von Margit Mezgolich entlangbewegen konnte, das ein sehr gutes Timing hat. Besonders bei einer Oper für junge Leute (aber eigentlich in jeder Oper) ist meiner Meinung nach das Um und Auf, dass die dramaturgischen Bögen straff gespannt sind und es spannend bleibt, weil die Musik das Geschehen stets weitertreibt. Musiktheater birgt die große Chance, eine vielfältig bunte Musik zu präsentieren, die unterschiedliche Stile vermengt. So wie Alban Bergs Wozzeck: von komplexer Polyphonie bis hin zum Kinderlied kommt alles vor. Daher hatte ich keine Sorge, dass die im Verfluchten Geisterschiff von mir neu komponierten Teile mit Wagners Musik konkurrieren würden, solange die komponierte Musik im Dienst der Handlung steht. ... DEN CHARAKTER DES NEUEN STÜCKES IM VERHÄLTNIS ZUR WANDEROPER DIE ENTFÜHRUNG INS ZAUBERREICH (2021) UND SEINE ERWARTUNGEN AN DIE PREMIERE: Ich finde, dass das Verfluchte Geisterschiff allein schon durch den völlig anderen Charakter der Musik Richard Wagners eine ganz andere Atmosphäre kreiert als Die Entführung ins Zauberreich. Die Schwärmerei von Senta für den geheimnisvollen Fliegenden Holländer ist in unserer Lesart eine Art psychologischer Projektion eines jungen Teenagers, und das heimliche zentrale Motiv unserer neuen Wanderoper ist die Freundschaft zwischen Senta und Erik, die auf die Probe gestellt wird und sich letztendlich bewährt. Eigentlich eine sehr zarte Geschichte, die durch Statist*innen, Tänzer*innen usw. auch optisch sehr abwechslungsreich erzählt wird, um der Schwere von Wagners Musik genug Leichtigkeit entgegenzustellen. Besonders gespannt bin ich darauf, ob es uns wieder gelingen wird, das Publikum für die 75 Minuten, die Das Verfluchte Geisterschiff dauern wird, abzuholen, zu verzaubern und zu begeistern. Ich bin zuversichtlich!
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KOP F Z E I L E
ANTONIO PAPPANO Accademia Nazionale di Santa Cecilia
Orchester- und Chorkonzerte Leitung ANTONIO PAPPANO, JAKUB HRŮŠA mit PINCHAS ZUKERMAN, SONYA YONCHEVA, JUDIT KUTASI, JONAS KAUFMANN, MICHELE PERTUSI Liederabende CHRISTIAN GERHAHER, LISE DAVIDSEN / FREDDIE DE TOMMASO
Tanz Johannes-Passion · Uraufführung SASHA WALTZ / BACH Elektro Seme – presented by MAX COOPER SARAH ARISTIDOU / NIELS ORENS tickets@osterfestspiele.at · Tel + 43 662 80 45-361 osterfestspiele.at Festspiel-Mäzenin ALINE FORIEL-DESTEZET
22.3. – 1.4.2024
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MOTIV: BUS.GROUP DESIGN: OFF OFFICE
Oper La Gioconda AMILCARE PONCHIELLI Inszenierung OLIVER MEARS Mit ANNA NETREBKO, JONAS KAUFMANN Neuproduktion
K I YO K A H A S H I MO T O & B R E N DA N S AY E
in den P roben z u W ILLI A M FOR S Y T HE S
I N T H E M I D D L E , S O M E W H A T E L E VA T E D Fo t o A S H L E Y TAY L O R
VA N M A N E N / F O R S Y T H E / B A L A N C H I N E
SHIFTING SYMMETRIES 23. 27. 29. DEZEMBER 2023 2. 4. 5. JÄNNER 2024 Musikalische Leitung MATTHEW ROWE Choreographie HANS VAN MANEN, WILLIAM FORSYTHE, GEORGE BALANCHINE © THE GEORGE BALANCHINE TRUST Musik FRANK MARTIN, THOM WILLEMS, JOHANNES BRAHMS/ARNOLD SCHÖNBERG Bühne & Kostüme KESO DEKKER, WILLIAM FORSYTHE, THOMAS ZIEGLER & VERA RICHTER Licht JOOP CABOORT, TANJA RÜHL, ROBERT EISENSTEIN Einstudierung NANCY EUVERINK, KATHRYN BENNETTS, NILAS MARTINS & CHRISTIAN TWORZYANSKI Harfe CHARLOTTE BALZEREIT/ANNELEEN LENAERTS Cembalo SONJA LEIPOLD Klavier SHINO TAKIZAWA WIENER STAATSBALLETT ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER EINFÜHRUNGSMATINEE 10. DEZEMBER 2023
NASTASJA FISCHER
SHIFTING SYMMETRIES DAS WIENER STA ATSBALLET T FEIERT DIE ERSTE STAATSOPERNPREMIERE DER SAISON Hans van Manen, William Forsythe, George Balanchine – das neue Programm des Wiener Staatsballetts vereint zum ersten Mal drei Werke dieser Meisterchoreographen, die die Ballettgeschichte und -entwicklung entscheidend geprägt haben. Das Ballett ist vielleicht jene unter den Kunstformen, in der eine Wechselwirkung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Geschichte und Zukunft am meisten zum Tragen kommt. Inwieweit kann ein*e Tanzkünstler*in, ein*e Choreograph*in das klassische Bewegungsvokabular neu denken, sich öffnen für eine andere, individuelle Perspektive auf die Danse d’école und den akademischen Tanz? Der Amerikaner William Forsythe hat seinen Ansatz oder vielmehr Anspruch an Choreographie und Tanz dabei wahrscheinlich am radikalsten formuliert: »Choreographie ist ein neugieriges und trügerisches Konzept. Das Wort selbst ist, wie die Prozesse, die es beschreibt, schwer fassbar, beweglich und auf verrückte Weise unkontrollierbar. Choreographie auf eine einzige Bezeichnung zu reduzieren, bedeutet, den wichtigsten ihrer Mechanismen nicht zu verstehen: sich früheren Definitionen zu widersetzen und sie zu reformieren.« Was für Forsythe und sein »Re-Positioning of Ballet« gilt, ist auch ein verbindendes Element zu Hans van Manen und George Balanchine: Während Balanchine eine Brücke zwischen der Ballettkunst des 19. und 20. Jahrhunderts gebaut, dem akademischen Tanz »das Gefängnis genommen hat« (Martin Schläpfer), folgt van Manen ganz diesem neoklassischen Vorbild und attestiert »Tanz handelt von Tanz«. Concertante,
1994 für das Nederlands Dans Theater II kreiert, ist ein Signaturstück van Manens, das mittlerweile von den größten Ballettcompagnien getanzt wird und zu Beginn des Triple Bills steht. Van Manen zeigt zu Frank Martins Petite Symphonie Concertante meisterhaft das komplexe Wechselspiel der Beziehungen von Frau und Mann in seiner klaren und spannungsvollen, den Raum definierenden Bewegungssprache. In the Middle, Somewhat Elevated von Forsythe gilt gemeinhin als das Werk, das die Welt des Balletts radikal verändert hat. Nach seiner Balanchine gewidmeten Arbeit France/Dance ist In the Middle 1987 die zweite von Rudolf Nurejew in Auftrag gegebene Choreographie für das Ballett der Pariser Oper und steht ganz im Zeichen des »traditionellen« Schemas von Thema und Variation, das Forsythe immer wieder manipuliert und dekonstruiert. Zum Soundtrack von Thom Willems geht es Forsythe um »die Erweiterung und Beschleunigung der traditionellen Figuren des Balletts. Durch die Verschiebung der Anordnung der Positionen und der Betonung der Übergänge beginnen die Verkettungen schräg zu kippen und erhalten einen unerwarteten Schwung, der sie im Widerspruch zu ihren Ursprüngen erscheinen lässt.« Der am Anfang der Ballettmoderne stehende Balanchine, der nicht nur van Manen und Forsythe inspiriert hat, sondern wegweisend war für ein gegenwärtiges Ballett, beendet mit seinem Werk Brahms-Schoenberg Quartet das Programm. Ein hinreißendes Tanz- und Orchesterfest, das in all seiner Virtuosität den Blick zurückwirft – nicht nur auf die österreich-ungarische Musiktradition, sondern auch auf das Erbe des klassischen Balletts nach Petipa und Fokine, dem Balanchine mit seiner athletischen, ganz der Musik folgenden Neoklassik eine neue Perspektive bot. Shifting Symmetries – Verschobene Symmetrien ist nicht nur ein Ballettprogramm, das sich den großen modernen Meistern widmet, sondern eben auch meisterhaft die klassische Tanzkunst als mobiles Denken über jene und als sich stets veränderndes Körpersystem begreift. 27
A N N E D O PAÇ O I M G E S P R ÄC H M I T T HOM A S Z I E G L E R
B ü h n e n e nt w u r f z u B R A H M S - S C H O E N B E RG Q UA R T E T Fo t o s T H O M A S Z I E G L E R
EIN NEUES DESIGN FUR GEORGE BALANCHINE Bühnen- und Kostümdesigns zahlreicher renom mierter Künstler*innen sind 2023/24 in den Premieren des Wiener Staatsballetts zu sehen: Namen wie David Salle, Peter Speliopoulos, Santo Loquasto und Keso Dekker stehen neben Karl Lagerfeld und Jürgen Rose. In Zusammenarbeit mit dem George Balanchine Trust New York ist außerdem eine neue Ausstattung für die Wiener Erstaufführung von George Balanchines Brahms-Schoenberg Quartet in der Premiere Shifting Symmetries entstanden. Von Vera Richter stammt das Kostümdesign. Thomas Ziegler hat einen Raum kreiert, der dem Geist des 1963 uraufgeführten Werkes mit dem Blick und Materialien unserer Zeit begegnet. 28
EIN NEUES DESIGN FÜR GEORGE BALANCHINE
adp Neben Designs für Ballett-Uraufführungen und Operninszenierungen hast du auch für Werke des Repertoires neue Ausstattungen entworfen. Wie kam es zu der aktuellen Wiener Arbeit? tz Meine ersten Kreationen dieser Art entstanden für Antony Tudors Jardin aux Lilas und Dark Elegies sowie den Pas de deux aus The Leaves are fading. Martin Schläpfer hatte diese beim ballettmainz bzw. Ballett am Rhein programmiert, und Donald Mahler, der sich nach seiner Tänzerkarriere in Kanada und den USA intensiv für den Erhalt von Tudors Erbe einsetzte und Einstudierungen verantwortete, zeigte sich für die Idee sehr offen, diesen Werken neue Räume und Kostüme zu schenken. Er hatte einige meiner Arbeiten gesehen, die ihm sehr gefielen – und so begann eine intensive Zusammenarbeit. Für die Neueinstudierung des Brahms-Schoenberg Quartet erhielt ich nun erstmals einen Auftrag für ein Balanchine-Ballett, allerdings war der Weg ein ganz anderer. Der Balanchine Trust kannte meine Arbeitsweise nicht. Ich habe mich also – wie Vera Richter mit ihrem Kostümbild – mit einem Konzept präsentiert, das in New York dann streng diskutiert wurde. adp Brahms-Schoenberg Quartet zählt mit einer Besetzung von 55 Tänzer*innen zu den großen Ensemblewerken Balanchines. Bereits zweimal wurde es in von der Uraufführung abweichenden Designs gezeigt: mit dem Ballett der Pariser Oper in einem Entwurf von Karl Lagerfeld, mit dem Hamburg Ballett in der Bühne von Heinrich Tröger und den Kostümen von Judanna Lynn. Wie bist du an das Stück herangegangen? tz Unser Bild von Balanchine ist ja vor allem durch seine Black & White-Ballette geprägt: choreographisch radikale, häufig athletische Ballette in schlichten, schwarz-weißen Leotards oder Trikots, die den Körper stark betonen. Die Bühne ist in der Regel eine Blackbox mit einem hell leuchtenden Horizont. Dieser Stil ist aber nur eine Seite Balanchines. Wir dürfen nicht vergessen, dass er über seine gesamte Schaffenszeit auch sehr opulente Produktionen herausbrachte, für die ihm u.a. mit Karinska eine fantastische Kostümbildnerin zur Seite stand. adp Aus diesem Repertoire waren in Wien zuletzt Jewels sowie Liebeslieder Walzer zu sehen, in diese Serie gehört auch das BrahmsSchoenberg Quartet ... tz ... und natürlich wollen wir diese Seite von Balanchines Ästhetik in unserem Entwurf auch zeigen. Mir war es wichtig, die Ideen des Originals zu respektieren, aber in eine modernere Sprache zu übersetzen. Die New Yorker Version Peter Harveys aus dem Jahr 1963 habe ich genau studiert und mich – wie übrigens auch Karl Lagerfeld in Paris – entschieden, die dort zu findende Szenerie aufzugreifen: eine alte Schlossfassade. Ich habe die Architektur aber
gedreht, die Situation also auf die Gartenseite des Gebäudes verlegt und – auf Wunsch des Balanchine Trusts – auf Szenenwechsel verzichtet. In der Originalversion erfährt die Bühne durch helle Seidenschleier an den Seiten eine deutliche Begrenzung, das Raum-Volumen ist also klar definiert. Das wollte ich auflösen, eine offenere, amorphere Atmosphäre schaffen und zugleich auch gewährleisten, dass mein Entwurf nicht nur von den Mittel-, sondern auch von den Seitenplätzen zu sehen ist. Entsprechend habe ich schwarze Gassenwände gesetzt, die ich aber in die Malerei einbeziehe, sodass eine Arena-Situation entsteht, die Bühnengestaltung also den Tanz quasi umarmt und nicht in Form eines Rück-Prospektes einfach als Aussage dasteht. adp Dein Entwurf wird von den Theatermaler*innen bei Art for Art umgesetzt. In welchem Stil ist er gehalten, mit welchen Materialien arbeitest du? tz Da das Schlossmotiv das ganze Stück über präsent ist, rückte seine maltechnische Ausführung für mich stark in den Fokus. Als das Projekt an mich herangetragen wurde, war es Frühling – eine Jahreszeit, die ich immer als sehr inspirierend empfinde. Direkt vor meiner Wohnung steht eine große, uralte Linde, deren Laub auf eine sehr feine Art ausschlägt. Diese fast wächsern wirkenden Blattpunkte haben mich zu einer pointillistischen Arbeitsweise inspiriert. Gemalt wurde auf schwarzen Samt, ein Material, das eine sehr hohe Saugkraft hat. Im ersten Auftrag verblasst die Farbe zunächst. Es entsteht eine Grundierung, die ich mit einer zweiten Farbschicht punktuell übermale. Diese steht nun gut auf der Grundierung und gewinnt durch die Arbeit mit Goldpunkten, die sehr sensibel auf Licht reagieren, nicht nur an Leuchtkraft, sondern steigert durch die unterschiedliche Reflektionskraft der einzelnen Punkte, Farbschichten und Materialien auch die räumliche Wirkung. adp Lincoln Kirstein spürte in Balanchines Choreographie die »Verunsicherungen, die sich mit dem Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie verbanden«, sah in ihr aber auch die »Suggestion einer Welt, die sich an Wein und Rosen berauscht«. tz Genau diese Atmosphäre des Diffusen, Schwebenden, aber auch Verlassenen und Verlorenen zu betonen war mir wichtig. In meinem Entwurf hat das Schloss den Charakter eines Luft- oder Traumschlosses. Es gibt keine leuchtende oder festliche Fassade, sondern die Fensterzonen sind dunkel gehalten. Es ist ein Bild aus der Vergangenheit, vor dem sich Balanchines Tanzfest entfaltet. adp Ein Tanzfest, das ebenfalls eine Art Echo ist: in Balanchines Übersetzung ein Nachhall der großen Divertissements Marius Petipas, in denen Balanchines Kunst ihre Wurzeln hat. 29
A N N E D O PAÇ O I M G E S P R ÄC H M I T M AT T H E W ROW E
SYNTHESE ZWEIER SPRACHEN Der britische Dirigent Matthew Rowe debütiert mit der Wiener Staatsballett-Premiere Shifting Symmetries in der Wiener Staatsoper. Live am Programm stehen Kompositionen von Frank Martin und Johannes Brahms in der Bearbeitung von Arnold Schönberg. adp Sie sind Musikdirektor von Het Nationale Ballet Amsterdam und Künstlerischer Leiter des Niederländischen Ballettorchesters, Sie arbeiten seit langem mit dem Nederlands Dans Theater zusammen und sind regelmäßig Gast bei renommierten Compagnien weltweit. Was fasziniert Sie daran, Musik für den Tanz zu machen? mr Die Synthese zweier Sprachen: die Sprache der Musik und die Sprache der Bewegung. Ich bin fasziniert von der Art und Weise, wie sie interagieren. Sie sind scheinbar miteinander verbunden, aber in Wirklichkeit so unterschiedlich. Tanz und Musik gehen Hand in Hand, aber die Art und Weise, wie Tänzer*innen und Musiker*innen Musik hören und auf sie reagieren, ist völlig unterschiedlich. Ich liebe es, auf der Brücke zwischen beiden zu stehen und dazu beizutragen, sie zusammenzubringen, aber auch zu erleben, was Choreograph*innen in der Musik finden und wie sie Klänge in Bewegung umsetzen. Wir alle wissen, was es heißt, sich zu bewegen, und wir alle reagieren auf Musik. Aber es ist eine ganz besondere Reaktion, wenn wir sehen, wie ein Meister Bewegungen zur Musik kreiert. Die Bewegung gibt dem Klang und der Klang der Bewegung eine zusätzliche Dimension. adp Ballett zu dirigieren ist eine Kunst, die viel Flexibilität, Einfühlungsvermögen und ein genaues Auge für Bewegungsabläufe erfor-
dert. Was ist das Geheimnis eines guten Ballettdirigenten? mr Die Bühne ist für die Tänzer*innen ein sehr anspruchsvoller, exponierter und manchmal auch beängstigender Ort. Sie müssen die Möglichkeit und Freiheit haben, sich voll und ganz ausdrücken zu können. Meine Aufgabe ist es, ihnen die bestmögliche Umgebung und ein Gefühl des Vertrauens zu bieten. Wenn alle wissen, was sie von der Musik zu erwarten haben, können sie sich voll auf das Tanzen konzentrieren. Ein Ballettdirigent muss also die Bedürfnisse der Bühne ganz genau kennen und in der Lage sein, im richtigen Moment auf das Geschehen zu reagieren. Deshalb ist es wichtig, die Tänzer*innen in den Proben kennenzulernen, sie »lesen« zu können, zu verstehen, wie sie sich bewegen und was ihre individuellen Bedürfnisse sind. Diese Arbeit ist wie die Zusammenarbeit mit einem Solisten in einem Instrumentalkonzert. Ich liebe die Anforderungen, die das Dirigieren für Tanz an mich als Musiker und Dirigent stellt. Man muss je nach den Bedürfnissen der Choreographie und der Tänzer*innen flexibel und offen sein – aber ich übernehme natürlich auch die Rolle des Anwalts des Komponisten und des Verantwortlichen für die Musik. adp Die Premiere Shifting Symmetries ist nicht nur ein State of the Art des Balletts des 20. Jahrhunderts mit Balletten von Hans van Manen, William Forsythe und George Ba30
SYNTHESE ZWEIER SPRACHEN
lanchine, sondern auch im Hinblick auf die Kompositionen sehr interessant. Was ist der musikalische Bogen des Programms? mr Die Eröffnung macht die Petite Symphonie Concertante, die Frank Martin 1945 für Klavier,
M A T T H E W ROW E Fo t o M A R S H A L L L I G H T S T U D I O
Cembalo, Harfe und zwei Streichergruppen schrieb. Das Zusammenspiel dieser drei eng verwandten Soloinstrumente und der raffinierte Einsatz des doppelten Streichorchesters schaffen ein faszinierendes Werk. Der Schweizer Komponist vereinte in seinem Schaffen verschiedene Einflüsse: Die Inspiration durch Johann Sebastian Bach steht neben Anregungen durch bulgarische und indische Rhythmen, durch Volksmusik, aber auch Elemente des Jazz und Schönbergs Zwölfton-Technik. Die Musik zu William Forsythes In the Middle, Somewhat Elevated
stammt von dem Niederländer Thom Willems, mit dem Forsythe seit über 40 Jahren zusammenarbeitet. Das Werk entstand 1987, und die Musik wurde speziell für die Choreographie komponiert. Willems’ elektronische Klangpalette ist von der des Orchesters weit entfernt, aber die kraftvolle, pulsierende und hochrhythmische Partitur verbindet sie eng mit den Werken, die sie umrahmen. Zum Schluss folgt Brahms’ Klavierquartett Nr. 1 g-Moll in der Orchesterversion Arnold Schönbergs. Dieses Quartett aus dem Jahr 1861 ist eine der mitreißendsten Kompositionen von Brahms, es verbindet jugendlichen Überschwang mit einer meisterhaften Struktur und thematischen Entwicklung. adp Was hat Schönberg aus dieser Kammermusik gemacht? mr Schönberg war ein brillanter Komponist, aber er war auch ein Meister der Orchestrierung. Trotz seiner bahnbrechenden Neuerungen in der Kompositionstechnik – darunter die Erfindung der Zwölftontechnik – hatte er große Hochachtung vor seinen Vorgängern, was sich u.a. in seinen Bearbeitungen und Transkriptionen von Werken Bachs, Busonis, Schuberts oder Mahlers spiegelt. 1937 wurde er von Otto Klemperer und dem Los Angeles Philharmonic Orchestra eingeladen, eine Transkription von Brahms’ 1. Klavierquartett zu erstellen. Klemperer und Schönberg kannten sich aus Wien, waren aber beide nach Kalifornien übersiedelt, um der Bedrohung durch die Nazis zu entgehen. Schönberg bewunderte das Klavierquartett sehr und war der Meinung, dass es nicht die Aufmerksamkeit erhielt, die es verdiente: »Es wird immer sehr schlecht gespielt, denn je besser der Pianist ist, desto lauter spielt er, und von den Streichern hört man nichts«, sagte er und fuhr fort: »Ich wollte einmal alles hören, und das habe ich erreicht.« Bei allem Respekt vor der Originalkomposition schöpfte Schönberg aus der in strumentalen Farbpalette des 20. Jahrhunderts und schuf Kombinationen, von denen Brahms zu seiner Zeit nur träumen konnte. adp Was, glauben Sie, hat Balanchine an dieser Musik inspiriert? Brahms hat die vier Sätze des Quartetts in einer klaren und schönen Architektur gebaut und in einer weitgehend »klassischen« Form angelegt. Er war aber auch ein Meister des Prinzips der entwickelnden Variation, bei dem kleine Motive als Bausteine für die Schaffung und Entfaltung von Ideen verwendet werden. Jeder Satz des Klavierquartetts ist nach dieser Methode gebaut und enthält charakteristische motivische Zellen, die einer ständigen Variation und Entwicklung unterworfen sind. Diese Aspekte (sowohl makro- als auch mikroökonomisch) eröffnen der Choreographie zahlreiche Möglichkeiten. Die groß angelegten Gruppierungen und Muster auf der Bühne spiegeln die Gesamtstruktur der Musik wider, während die kontinuierliche Entwicklung und Va31
SYNTHESE ZWEIER SPRACHEN
riation endlose Möglichkeiten für Vielfalt und Innovation bieten. Darüber hinaus erstrahlt die Partitur in ihrer Orchesterfassung in Farbe und Licht. Die Kombination Brahms-Schönberg ergibt eine Musik, die vor kontrastierenden Ideen, Stimmungen und Bildern nur so strotzt. Es gibt Momente von großer Kraft und Majestät, Momente von hoher Energie und Erregung, aber auch Momente von außergewöhnlicher Süße, Intimität und zärtlichem Dialog. Und nicht zuletzt gibt es atemberaubend schöne Melodien. Es ist also leicht zu verstehen, warum das Werk eine so unwiderstehliche Inspiration für einen Choreographen von Balanchines Musikalität und Genialität war. adp Was verbindet Sie mit Hans van Manen, William Forsythe und George Balanchine? mr Ich fühle mich allen drei Choreographen sehr verbunden, weil sie alle einen äußerst musikalischen Ansatz verfolgen. Alle drei schaffen Werke, die von der von ihnen gewählten Musik inspiriert sind. Bei allen kann ich die Musik in den Bewegungen, die sie schaffen, sehen. Ich hatte das außerordentliche Privileg, fast 20 Jahre lang eng mit Hans van Manen zusammenzuarbeiten, habe viele seiner Ballette dirigiert, durfte ihn kennenlernen und ihm bei der Arbeit zusehen. Er ist eine inspirierende Persönlichkeit und auch mit 91 Jahren noch voller Energie und Leidenschaft für den Tanz – ein wirklich bemerkenswerter Mensch. William Forsythe setzt nur gelegentlich Live-Musik ein. Aber kürzlich hatte ich das Vergnügen, mit ihm an seinem Vertiginous Thrill of Exactitude zu arbeiten, einem atemberaubenden Ballett zum Finale von Schuberts 9. Symphonie. Es war wunderbar, mit ihm Details der Partitur zu besprechen und zu beobachten, wie er mit den Tänzer*innen arbeitete, damit sie die innige Beziehung zwischen der Musik und den Bewegungen verstehen. Für ihn war es von entscheidender Bedeutung, dass die Schritte extrem genau auf die Musik abgestimmt waren – trotz ihrer großen Geschwindigkeit und Komplexität! Und nicht zuletzt hatte ich das Glück, im Lauf meiner Karriere zahlreiche Balanchine-Ballette zu dirigieren. Dies ist immer eine große Freude und lohnende Erfahrung, da Balanchine ein so wunderbares Repertoire auswählte und auf eine Weise choreographierte, die ein tiefes Verständnis für die Musik zeigt. Ich wünschte nur, ich hätte ihn persönlich treffen können!
DANCE MOVIES HANS VAN MANEN – JUST DANCE THE STEPS ÖSTERREICH-PREMIERE IM FILMCASINO »Ich werde der Erste sein, der aufhört, wenn ich denke, dass ich aufhören sollte. Aber bis jetzt sehe ich keinen Grund ... Ich habe nie ans Aufhören gedacht, weil ich mit meiner Arbeit nie ganz zufrieden war. Es gibt immer noch Raum für Verbesserungen.« Mit diesen Worten eröffnet Hans van Manen die anlässlich seines 90. Geburtstags erschienene Dokumentation Just Dance the Steps und macht direkt zu Beginn des Films die ungemeine Energie deutlich, die noch immer in dem mittlerweile 91-Jährigen steckt. Der bisher nur in den Niederlanden gezeigte Film über den bedeutenden Choreographen, dessen Werk Concertante das neue Programm des Wiener Staatsballetts Shifting Symmetries eröffnet, lässt die Zuschauer*innen teilhaben an van Manens einzigartiger »classy« Aura – sei es im Probenprozess mit Ensembles wie Het Nationale Ballet Amsterdam, dem Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg und dem Wiener Staatsballett oder aber in ganz privaten Momenten, wie während des Umzugs in ein neues Apartment. Willem Aerts / NL 2022 / 60 Min / OmeU Sonntag, 17. Dezember 2023 / 13 Uhr / Filmcasino danach Gespräch mit Beteiligten von Concertante Tickets über → filmcasino.at
O L G A E S I N A i n L I V E vo n H A N S VA N M A N E N Fo t o A S H L E Y T AY L O R
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KOP F Z E I L E
Spielzeit DIREKTION CECILIA BARTOLI
23/24
OPERA.MC
HÄNSEL UND GRETEL Fo t o M I C H A E L P Ö H N
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SCHLAGLICHTER
IM DEZEMBER SOLISTENKONZERT FLÓREZ
HÄNSEL UND GRETEL
MEISTEROPER Märchenwelt. Psychologisches Drama. Post-wagnerischscher Klangzauber. Und eine Oper, die schlechterdings allen im Publikum etwas gibt: Hänsel und Gretel, Engelbert Humperdincks Meisterstück, gehört zu den Wiener Weihnachtsklassikern schlechthin. In der Staatsopern-Produktion, die der britische Regisseur Adrian Noble inszenierte, mischen sich auf kunstvolle Weise Realität und Traumwelt: was ist Zauber, was ist wirklich? Die magischen Bilder werden von einem faszinierenden Mix aus liedhafter Einfachheit und komplexer Musiksprache umschlossen, eine Musikwelt, die schon Komponisten wie Richard Strauss, Gustav Mahler oder Johannes Brahms begeisterte. Die aktuelle Aufführungsserie (Vormittag- und Abendvorstellungen!) dirigiert Alexander Soddy, einer der spannendsten Dirigenten seiner Generation. Zu hören sind Adrian Eröd, Regine Hangler, Christina Bock, Florina Ilie, Monika Bohinec und Miriam Kutrowatz.
Seit 1999 ist der weltweit gefeierte Tenor und Publikumsliebling KS Juan Diego Flórez in einer beglückenden Regelmäßigkeit Jahr für Jahr auch an der Wiener Staatsoper zu hören. Sie ist geradezu eines seiner Stammhäuser geworden, an der er mit den unterschiedlichsten Hauptpartien seines Repertoires zu hören ist. Und im Vorjahr ließ er es sich nicht einmal nehmen, als Luxusbesetzung sogar die herausfordernde, aber kurze Partie des Sängers im Rosenkavalier zu geben! Aktuell stehen nach seinen Alfredo-Auftritten im Oktober (La traviata) ein eigenes Solistenkonzert am 12. Dezember (mit Werken von u.a. Händel, Mozart, Rossini, Donizetti, Verdi, Massenet, Tosti) sowie im März erstmals die extrem schwierige Partie des Arnold in Rossinis Guillaume Tell auf dem Programm.
K S J UA N D I E G O F L Ó R E Z
K S CA MILL A N Y LU N D
Strauss- StraußStrauss Mit ihrem fulminanten Salome-Debüt hatte sich KS Camilla Nylund 2005 augenblicklich in den innersten Zirkel der Publikumsgunst an der Wiener Staatsoper gesungen – und ist seither nicht von dort gewichen. Seither bedeutet: 17 Partien von 9 Komponisten in 115 Vorstellungen (darunter mehrere Premieren); dazu diverse Auszeichnungen – nicht zuletzt die Verleihung des Kammersängerinnen-Titels. Im Dezember kehrt sie als Chrysothemis in Strauss’ Elektra und als Rosalinde in Strauß’ Fledermaus zurück auf diese Bühne. Aber damit ist die Wiener Nylund-Spielzeit noch nicht zu Ende: Denn im Juni wird sie erneut ihre allererste »Staatsopernpartie«, die Titelpartie in Strauss’ Salome geben – diesmal allerdings in der neuen, heftig akklamierten Inszenierung von Cyril Teste, in der das Lieben und Handeln der Teenager-Prinzessin aus einer spannenden, ganz anderen Perspektive als in der alten Barlog-Regie erzählt wird.
Fo t o s M I C H A E L P Ö H N ( H ä n s e l u n d G r e t e l ) /
G R E G O R H O H E N B E RG / S O N Y M U S I C E N T E R T A I N M E N T ( F l ó r e z) / A N NA . S . ( Nylund)
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SERGIO MORABITO
»TRAU KEINEM FUCHS AUF GRUNER WEID« ODER DER WEG ZUR ANTISEMITISCHEN HÖLLE IST MIT GU TEN VORSÄTZEN GEPFLASTERT
I. Ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 7. Oktober dieses Jahres dokumentiert unter dem Titel Ein Fuchs namens Salomon Unglaubliches. Es geht um den Debütroman I miei stupidi intenti (Meine törichten Vorsätze)1 des jungen Autors Bernardo Zannoni. 2021 von einem renommierten italienischen Verlagshaus veröffentlicht, wurden ihm immenses Kritikerlob und zahlreiche Literaturpreise zuteil. In Frankreich, Deutschland, England und den USA erschienen Übersetzungen, für weitere – derzeit sieben – europäische Länder bzw. Sprachräume sowie für die Türkei sind sie angekündigt, eine deutsche Hörbuchfassung wird ebenfalls bereits vermarktet. In dieser Tierfabel spielt ein anhand der Tora des Lesens kundig gewordener Fuchs eine Hauptrolle. Er trägt den Namen Salomon (in der Bibel Herrscher des vereinigten Königreiches Israel) und ist ein bösartig-verschlagener Wucherer: saumseligen Schuldnern hetzt er seinen Hund Gioele (wie Joel, der alttestamentarische Prophet) auf den Hals, der ihre Spur anhand von Fellproben aufnimmt und sie mit dem Tode bedroht. Dies ist nur die Spitze eines antisemitischen Eisbergs, dessen Vermessung im genannten Artikel nachvollzogen werden kann. Das Fazit der Redakteurin: »Der Roman enthält viele Darstellungen, die seit Jahrhunderten verwendet werden, um vermeintlich typisch Jüdisches zu beschreiben.«2 Ich möchte noch auf einen Zufallsfund verweisen, der auf die Herkunft des von Zannoni aktualisierten Erzählmotivs aufmerksam macht: 1936 erschien im Nürnberger Stürmerverlag das Bilderbuch Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid. Mit der Gleichsetzung von Fuchs und Jude wird darin die dem Fuchs nachgesagte Hinterlist auf den Juden übertragen, als Anleitung zum Rassenhass für die Sechs- bis Neunjährigen. Keine der bislang erhobenen kritischen Stimmen hat die weltweite Verbreitung dieser angeblich philosophisch grundierten Tierfabel aufhalten können. Einziges greifbares Ergebnis der Proteste ist die bizarre Auskunft des Rowohlt Verlags an die Journalistin der F.A.Z., man habe es »für die deutsche Ausgabe als wünschenswert« erachtet, den Fuchs in Absprache mit dem Autor in »Fëdor« umzu36
»TRAU KEINEM FUCHS AUF GRÜNER WEID«
taufen. Weitere Minimal-Retuschen können nachgewiesen werden: Aus dem Wucherer machte die deutsche Fassung einen Pfandleiher, aus dem Sabbat, an dem – einer im Roman zitierten Warnung der Tora gemäß – das Holzsammeln verboten ist, wurde ein Samstag, und die Drohung, so geschlagen zu werden wie »die Juden die Ungläubigen schlagen«, hat die Übersetzerin stillschweigend getilgt. An einer Stelle sagt der Fuchs, er habe mit dem Wucher aufgrund der Lehren Gottes begonnen; diese hätten ihm bewusst gemacht, dass das Leben nicht nur aus Stehlen und Töten bestehe. Der Icherzähler kommentiert: »Mir schien es, er tat genau diese Dinge, aber hinter einem komplexeren System.« Die Übersetzung camoufliert: »Mir schien, er hatte zu seiner Berufung gefunden, mithilfe eines komplexen Systems.« Wie geht das zusammen, fragt man sich, mit jenem immer engmaschiger werdenden Netz freiwilliger Selbstkontrolle, dem sich Verlage und Redaktionen zunehmend unterwerfen? Mit dem Wirken sogenannter »Sensibilitätsleser« also, die im Auftrag der Verlage möglicher Verletzung von allerlei »Gefühlen« durch literarische Texte entgegenarbeiten sollen? Wie kann es sein, dass das Erkennen von Antisemitismus offenbar unter- oder vielleicht auch: oberhalb dieses Radars liegt? Ist das derzeit rund um das Buch Zannonis sich Ereignende nur einer jener oft beschworenen Einzelfälle, ein Ausrutscher von allerdings bedauerlicher Größenordnung? Oder muss man beides zusammendenken – das »sensitivity reading« und den Antisemitismus – um zu verstehen, was hier geschieht?
II. Es ist die ausdrückliche Abstandnahme der »Sensibilitätsleser« davon, künstlerische Kriterien anzuerkennen und gelten zu lassen, die das Versagen der involvierten Verlagshäuser mitermöglicht hat. Also die paradoxe Nicht-Zuständigkeitserklärung der »Sensibilitätsleser« dem Kunstcharakter der von ihnen redigierten Texte gegenüber. Diese werden einzig auf den Prüfstand einwandfreier wertschätzender Kommunikation mit dem potenziellen Konsumenten gestellt. Freilich: »Nirgends erweist sich einem Kunstwerk oder einer Kunstform gegenüber die Rücksicht auf den Aufnehmenden für deren Erkenntnis fruchtbar.«3 Künstlerische Praxis definiert sich gerade dadurch, dass sie sich aus ihr – der direkten Kommunikation – löst und über den Konsumenten rücksichtslos hinwegsetzt. Indem sie nämlich ein symbolisches Feld kreiert und bespielt, in dem nichts ist, wie es in der Realität scheint. Um herauszufinden, worauf ein literarischer Text verweist, bedarf es der Interpretation – eine kostbare Kulturtechnik, die den »Wert des Dazwischen« auslotet, also den Wert (lat. pretium) dessen, was nur zwischen (lat. inter) den Zeichen, zwischen den Buchstaben, zwischen den Zeilen gesagt oder angedeutet ist: das Ungesagte, die Leerstellen. Die zählebigen antisemitischen Narrative, die Zannonis Erzählung aufgesogen hat, entziehen sich der Wahrnehmung des SensibilitätsLektorats, weil sein Koordinatensystem ein kunstfremdes ist. Als solches ist es außerstande, Nicht-Ausgesprochenes zu empfangen. Es beschränkt sich darauf, Texte bürokratisch abzugleichen mit dem, was in der Wirklichkeit des vorgestellten Lesers angeblich der Fall ist oder sein soll. Worte werden nicht als Elemente innerhalb 37
»TRAU KEINEM FUCHS AUF GRÜNER WEID«
eines Sprachspiels verstanden, sondern in ihrer vermeintlichen Eindeutigkeit dingfest gemacht und festgenagelt. Nicht sehr viel anders, als wenn Suchmaschinen das Netz auf angebliche Regelverstöße durchkämmen – oder wenn aus dem Romantitel Satanische Verse der Schluss gezogen wird, es müsse der Leibhaftige dahinterstecken. Das führt dazu, dass »dichterische Freiheit« heute zwar zunehmend weniger toleriert wird, sich aber in einem von Antisemitismus gesättigten Text wie den Stupidi intenti offenbar völlig ungehemmt und ungebremst entfalten darf. Aber es geht hier nicht allein um eine »Unterlassungssünde« des Lektorats, das versäumt hätte, den antisemitischen Schlagschatten des Buches wahrzunehmen. Sondern darum, dass einige der immer wieder als »woke« apostrophierten Kriterien dem Antisemitismus gegenüber nicht nur blind, sondern selbst strukturell antisemitische sind. Um das zu bemerken, hätte es der Verstrickung sich selbst als linksliberal verstehender Kreise in den globalen antisemitischen Rollback, den wir erleben, nicht bedurft. Es hätte genügt, den Identitätsbegriff der Identitätspolitischen, der sich mit dem der Identitären vom rechten Rand überraschend deckt, zu analysieren. Beide Gruppierungen verstehen Identität nämlich nicht als dynamisch und in sich bewegt, nie mit sich identisch, immer widersprüchlich und in permanenter Entfaltung und Neufindung begriffen, sondern sie missverstehen das Wort als essentialistische und klassifikatorische Kategorie. Daher ist die Definition ständig neuer Identitäts-Einheiten heute durch bestimmte akademische und aktionistische Milieus von rassistischen Neologismen wie »Voll-, Halb-, Viertel-« oder »Achteljude« strukturell nicht zu unterscheiden: Letztere zielen auf eindeutige Identifizierung, erstere auf eindeutige Identifikationsangebote. Die Erfassung des maßgeschneiderten Adressatenprofils durch die Diversitätsagenturen maskiert sich dabei als Dienst am Kunden. Doch hinter der Erstellung des individualisierten Angebotes sind die Konturen des künftigen Überwachungsstaats bereits mit bloßem Auge erkennbar. In diesen Kontext gehört auch die erzwungene Markierung der Sprecherposition. Eine entsprechende »Markierung« disqualifizierte die Texte jüdischer Autoren in den 30er und 40er Jahren, ohne dass sich die Volksgenossen noch der Mühe unterziehen mussten, sie zu lesen, geschweige denn zu verstehen. Und ist es noch niemandem aufgefallen, dass das Schreckgespenst »kultureller Aneignung« zum Kernbestand des ererbten antisemitischen Haus-(Un)rats zählt? Der Jude als Parasit, der von der Kultur seines Wirtsvolks nachahmend zehre, ohne zu autochthoner künstlerischer Schöpfung fähig zu sein? In beiden Fällen steht die irrsinnige Annahme dahinter, Kultur sei etwas mit sich Identisches, das einen unveräußerlichen Besitz darstelle, der durch die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv ver- und ererbt werden könne, mit dem man also qua Geburt ausgestattet sei und worauf der Zugriff durch »Artfremde« geahndet werden muss. Es ist Rassismus pur, der hier der Tribalisierung der Kultur das Wort redet. Dass er früher oder später den Juden als Feindbild (wieder-)entdecken musste, darf niemanden überraschen. Doch Es gibt keine kulturelle Identität, wie François Jullien in seinem gleichnamigen Buch dargelegt hat4: Alle Kultur ist Aneignung, unermüdliche individuelle Aneignung – oder sie ist keine. 38
»TRAU KEINEM FUCHS AUF GRÜNER WEID«
III. Warum erscheint dieser Essay in der Theaterzeitung eines Opernhauses? Weil auch die Opernhäuser mehr und mehr in den Sog kapitalistischer (Selbst-)Vermarktungsstrategien von »Diversityund Empowerment-Trainern« geraten. So begrüßenswert deren Beitrag zur Lösung sozialer und institutioneller Schieflagen sein mag, so problematisch ist es, wenn sie vermeinen, zu einem umstandslosen Zugriff auf komplexe ästhetische Fragestellungen qualifiziert zu sein. Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre hatte die Oper Frankfurt unter Klaus Zehelein bei der Etablierung von Angeboten für Schulen, die zu Aufführungen hinführten und diese ergänzten, Pionierarbeit geleistet. Deren Erfolg trug dazu bei, dass Kinder- und Jugendprogramme für jedes Opernhaus heute eine Selbstverständlichkeit sind. Doch bereits in den Nullerjahren konstatierte Zehelein eine bedenkliche Entwicklung: Manche der Vermittler begriffen es weniger als ihre Aufgabe, Heranwachsenden die Besonderheit ästhetischer Erfahrung zu erschließen, als auf die Unterordnung der Kunst unter die Zwecke sozialpädagogischer Didaktik zu drängen. Selbstverständlich schließen sich beide Sphären nicht aus, im Gegenteil: Ein erhöhtes Bewusstsein für das soziale Miteinander von Opernarbeit – der kollektivsten Kunstform schlechthin – schlägt regelmäßig in ästhetischen Mehrwert um. Das Problem beginnt in dem Moment, in dem beide Sphären – die soziale und die ästhetische – nicht mehr als dennoch unterschiedene wahrgenommen und reflektiert werden. Angelehnt an die Agenda der »Critical Whiteness«, also der Erforschung »Kritischen Weißseins«, werden unter dem Schlagwort »Critical Classics« Opern des Kernrepertoires bestimmten ideologischen und moralischen Forderungen gemäß überarbeitet. Wie es heißt, sollen die historischen Wort- und Notentexte viel gespielter Opern »unseren Standards« angepasst und von »Unzeitgemäßem« gereinigt werden. Unter anderem wird das Ziel verfolgt, Die Zauberflöte »von diskriminierender Sprache komplett freizubekommen«5. Die angehenden Funktionäre ahnen nicht, dass sie damit keineswegs aus der schlechten Überlieferungstradition des Opernbetriebs ausbrechen, sondern diese fortsetzen, in einem »Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit«6. Denn es stimmt ja gar nicht, dass die »Werke« vom Opernbetrieb sakralisiert werden: Deren wort- und notentextliche Grundlagen wurden und werden permanent manipuliert, nicht Genehmes wird unterschlagen oder konsequent übersehen und der idealisierende Überbau überlieferter Deutungen mit der Sache selbst verwechselt. Die damalige Gegenwart des Faschismus und des Stalinismus hat alle tradierten Opern ihrer ideologischen Agenda und dem staatsfrommen Begriff akademischer Klassizität gemäß retuschiert und so die Erwartungshaltung von Generationen geprägt, bis heute. Dagegen hilft nur eins: im Rückgang auf den Wortlaut des Originals die verleugneten Wundmale freilegen. Mit Walter Benjamin ist daran zu erinnern, dass kein Kulturgut »ein Dokument der Kultur [ist], ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein«7. Gerade die kompromittierten Aspekte der tradierten Opern sind die entscheidenden. Von ihnen können diese Opern 39
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nicht »gereinigt« werden, ohne dass sie ästhetisch verstummen. Ihre Inszenierung muss freilich daran gemessen werden, ob sie »Diskriminierung an sich reproduziert« oder ob sie »Diskriminierung reproduziert, um aufzuklären«, wie der Soziologe Klaus Holz jüngst unterschied: Es sei möglich, »antisemitische Stereotype zu reproduzieren, um sie vorzuführen, zu dekonstruieren und der Kritik auszusetzen, um zu zeigen, dass sie falsch sind.«8 Erst und gerade diese Auseinandersetzung mit historischen Schmerzpunkten ist es, die einer szenischen Realisation Triftigkeit verleiht. Das Theater darf wohlfeile Symbolpolitik nicht mit ästhetischer Durchdringung verwechseln, sondern muss versuchen, seinem künstlerischen Auftrag gerecht zu werden, »nicht fürchtend die unreine Wahrheit«, »nicht verbergend den Rest, der nicht aufging«9. An deren Darstellung muss sich heutige Theaterkunst bewähren. Die Vergegenwärtigung sogenannter Meisterwerke ist sinn- und inhaltslos, sofern sie nicht Erfahrung und Reflektion der Gegenwart des Vergangenen ist, die sich lustvoll offenbart im entfesselten Spiel der theatralischen Kräfte mit den Zumutungen, Widersprüchen, Lücken und Brüchen der Überlieferung. Dabei kann und darf man künstlerisch scheitern, keine Frage, aber wenn man sich unserer Gewaltgeschichte, die den Werken eingraviert ist, nicht stellt, sondern sie ausblendet, begibt man sich jeden Kunstanspruches. Wenn ein Theaterbesuch nicht mehr beunruhigt, können wir ihn uns sparen: »Weitgehend dasselbe übrigens, etwas wahrnehmen und etwas Beunruhigendes wahrnehmen! Der Wahrnehmung des Nichtbeunruhigenden antwortet augenblickliches Vergessen. Es wird eigentlich überhaupt nicht wahrgenommen; was mit anderen Worten besagt, dass es eine innige Beziehung zwischen Wahrnehmung und Schmerz gibt.«10 Man muss also zum Beispiel auch Wagners Antisemitismus ins Auge blicken, wenn man seine Musikdramen inszeniert. Sonst wirken dessen Botschaften subkutan weiter, wie es in jenem Buch geschehen ist, von dem unsere Überlegungen ihren Ausgang nahmen und dessen Autor das Ausmaß seiner Infizierung mit ihnen angeblich nicht bewusst war. Es sind immer totalitäre Regime, die versuchen, die Kontamination der Kunst mit der von ihnen selbst betriebenen Barbarei zu camouflieren: Russlands Mörderstaat überzog auf seinem Weg in die Diktatur Anfang der Nullerjahre unbotmäßige Kunst mit Anklagen aufgrund der »Verletzung von Gefühlen Gläubiger«. Wahre Kultur bewährt sich darin, den Finger in die Wunde zu legen und diese produktiv zu machen, das Scheitern ihrer Utopien und den Blick auf die eigenen historischen Abgründe und Verstrickungen auszuhalten und wachzuhalten. Weil sie sich sonst wiederholen.
1 Deutsch als Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten. Roman, aus dem Italienischen von Julika Brandestini, Hamburg 2023 2 https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/antisemitismus-buch-meine-toerichten-absichten-ist-voller-klischees-19224416.html 3 Walter Benjamin, Die Aufgabe des Übersetzers (1921/23), zitiert nach: Ders., Illuminationen, Frankfurt 2001 4 2016, deutsch 2017 in Frankfurt 5 Zitate aus dem Ergebnisprotokoll der AG Musiktheater der Dramaturgischen Gesellschaft vom 24. Oktober 2023 6 Nach dem Filmtitel von Alexander Kluge (1985) 7 Über den Begriff der Geschichte (1940), zitiert nach: Ders., Illuminationen, Frankfurt 2001 8 https://www.hna.de/kultur/documenta/interview-mit-klaus-holz-zu-antisemitismus-und-der-documenta-15-91799950.html 9 Heiner Müller, Der Horatier (1968), Berlin 2011 10 Albrecht Fabri, Variation über den Ruhm (1954), zitiert nach: Variationen, Wiesbaden 1959
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ANDREAS LÁNG
ER KAM, SANG & SIEGTE!
OPER N S T U DIO -M I T GLI ED S T EPH A NO PA R K IST DER NEUE OPER ALIA-GEWINNER
K S P L ÁC I D O D O M I N G O g r a t u l i e r t d e m W E T T B E W E R B S S I E G E R
S T E P H A N O PA R K b e i d e r
PR EISV ER LEIH U NG
Die Erfolgsgeschichte des 2020 ins Leben gerufenen und dem Bariton Michael Kraus geleiteten Opernstudios der Wiener Staatsoper ist seit November um eine wesentliche internationale Facette reicher. Denn der vielleicht wichtigste Gesangswettbewerb
der Welt, Plácido Domingos World Opera Competition, kurz Operalia, wurde heuer in Kapstadt von einem der Mitglieder des Studios gewonnen – vom 28 Jahre jungen Stephano Park. Wobei es nicht nur darum geht, stolz darauf zu sein, einen gefeierten 41
S T E P H A N O PA R K a l s 2 . S O L DA T ( l i n k s I L J A K A Z A KOV a l s 1 . S O L DA T ) i n d e r S A L O M E - P R E M I E R E a m 2 . Fe b r u a r 2 0 2 3 Fo t o M I C H A E L P Ö H N
ER KAM, SANG UND SIEGTE!
Gewinner in den eigenen Reihen zu haben. Das darf natürlich auch sein. Genauso schön ist aber die erneute Bestätigung für die Qualität des Opernstudios. Schließlich haben erst die in diesem zweijährigen Weiterbildungscurriculum erworbenen zusätzlichen Erfahrungen und Fähigkeiten Park ermöglicht, den prestigeträchtigen 1. Preis zu ersingen, wie der aus
Vertrag unterschrieben. Doch auch abseits des Studios beziehungsweise Opernhauses sehnt sich Stephano Park danach, Unterschiedlichstes für die eigenen Interpretationen fruchtbar zu machen. So studiert der überzeugte Cineast die kleinsten Nuancen der von ihm bewunderten Filmschauspieler und verschlingt außerdem
»So manches scheinbar Nebensächliche, aber in Wahrheit Essenzielle habe ich erst im Opernstudio erlernt.« Korea stammende Bass nicht müde wird, hervorzuheben. Es geht mit anderen Worten um eine Art Diamanten-Feinschliff, der gezielten Förderung und Heranbildung von an sich schon exzellenten Talenten. »Bereits 2021 wurde ich Finalist beim internationalen Belvedere-Wettbewerb«, so der Sänger. »Aber damals war ich noch Student, noch nicht wirklich heimisch auf einer Bühne. So manches scheinbar Nebensächliche, aber in Wahrheit Essenzielle habe ich erst im Opernstudio erlernt. Zum Beispiel einer Figur musikalisch und schauspielerisch Charakter und Gewicht zu verleihen, Bühnenpräsenz aufzubauen, Phrasen so zu gestalten, dass sie den nötigen Inhalt bekommen. Außerdem erhalte ich Unterricht in allen wesentlichen Opernsprachen und kann mein Repertoire in Ruhe erweitern.« Aber auch die Möglichkeit, in der Staatsoper Seite an Seite mit den ganz Großen aufzutreten oder lediglich bei Proben zuzuschauen und auf diese Weise von den anderen zu lernen, trägt natürlich Früchte – wenn man interessiert, aufmerksam, wissbegierig ist und für den Beruf brennt. Und das tut er. Oder wie Michael Kraus es formuliert: »In Stephano Park verbinden sich eine außergewöhnlich schöne Stimme mit künstlerischer Intelligenz und Disziplin auf ideale Weise.« Doch selbst bei den größten Talenten muss es jene geben, die dieses Talent überhaupt erst einmal erkennen, entdecken und ihm den Weg ebnen. Bei Stephano Park waren es zunächst die Kollegen Attila Jun, John Lee und Jennifer Larmore, die ihm eine ausgezeichnete Ausbildung zuteilwerden ließen. Dann kam die Sopranistin Daniella Fally ins Spiel, die Stephano Park beim Abschlusskonzert eines Meisterkurses in Tirol hörte und sofort begeistert tätig wurde: Sie schickte einen Mitschnitt des Konzerts an Michael Kraus mit dem nachdrücklich-euphorischen Hinweis: »Den musst Du Dir unbedingt anhören!« Und auch Stephano Park wurde von ihr instruiert, sich so schnell wie möglich in Wien bei der Leitung des Opernstudios zu melden. So kam zusammen, was zusammenkommen sollte. Stephano Park und Michael Kraus trafen sich, ein Vorsingtermin, bei dem Direktor Roščić anwesend sein konnte, wurde kurzfristig angesetzt und wenig später der Opernstudio-
Buch nach Buch, um aus Situations- und Charakterbeschreibungen der großen Autoren und Dichter so manches ins eigene künstlerische Verständnis mitzunehmen. Doch zurück zum Operalia-Wettbewerb. Dort waren es vor allem Procidas »O tu Palermo« aus Verdis I vespri siciliani in der zweiten Runde und in der letzten die unheimlich herausfordernde Arie »Infelice! E tuo credevi« des rachesüchtigen Silva aus Verdis Ernani, die die Jury restlos überzeugte, Stephano Park zum Sieger zu krönen. »Natürlich war ich in dieser Ausnahmesituation dann doch recht nervös«, so der Geehrte, »schließlich hat Plácido Domingo nicht nur zugehört, sondern sogar das mich begleitende Orchester dirigiert!« Doch Aufregung und harte Arbeit wurden letztendlich belohnt und sind nun Ansporn genug, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Schließlich ist Stephano Park von Anfang an mit dem Wunsch angetreten, einst zu den bedeutendsten Sängern hinzugezählt zu werden und auf den wichtigsten Bühnen vor das Publikum zu treten. Die ersten Schritte zur Verwirklichung sind nun getan – jetzt heißt es durchhalten, nichts übereilen und vor allem das Feuer der Leidenschaft für einen Beruf, der zugleich immer Berufung ist, am Lodern zu halten.
Geboren: Südkorea Stimmlage: Bass Ausbildung: Seoul National University (Bachelorabschluss) Lehrer: Attila Jun, John Lee, Jennifer Larmore Wettbewerbe (u.a.): Preis beim Korean Voice Competition, Finalist Belvedere Wettbewerb 2021, Sieger bei Operalia 2023 Bisherige Auftritte an der Staatsoper: Schließer (TOSCA), 2. Soldat (SALOME), 2. Geharnischter (ZAUBERFLÖTE), Fouquier Tinville (ANDREA CHÉNIER), Bossmin (ENTFÜHRUNG INS ZAUBERREICH) Nächste Auftritte: in FANCIULLA DEL WEST, TOSCA, MEISTERSINGER VON NÜRNBERG, OTELLO, SALOME, DAS VERFLUCHTE GEISTERSCHIFF
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EISERNER VORHANG 2023/24 »SOLARIS« (FÜR STANISLAW LEM) VON ANSELM KIEFER »Solaris scheint nur einen einzigen, Billionen und Aberbillionen Tonnen schweren Bewohner zu haben, der in Gestalt eines Inseln und Archipele umflutenden Ozeans einen Großteil der Planetenoberfläche bedeckt: Einmal gläsern schimmernd, unter bizarren Nebeln wogend oder schäumend, dann wieder gallertig oder dickflüssig glühend wie Lava wirft sich dieser Ozean zu symmetrischen und asymmetrischen oder wolkig erstarrenden und wieder in eine quecksilbrige Dünung zurücksinkenden Formen auf.« Christoph Ransmayr Anselm Kiefers »Solaris« ist inspiriert vom gleichnamigen Science-Fiction-Roman von Stanislaw Lem und nimmt das Opernpublikum mit auf eine Reise, die in das Weltall zu einem fernen Planeten führt. Die Reise zum Planeten Solaris führt die Betrachterinnen und Betrachter letztendlich zu sich selbst. Seit 1998 verhüllt das Kunstprojekt »Eiserner Vorhang« die Brandschutzwand der Wiener Staatsoper und das darauf applizierte Bild von Rudolf Hermann Eisenmenger aus den 1950er-Jahren. Diesem aus gesellschaftspolitischer und kunsthistorischer Sicht äußerst problematischen Werk Eisenmengers setzt das Projekt von museum in progress die künstlerische Praxis der Gegenwart entgegen. Der Eiserne Vorhang ist »das künstlerisch interessanteste, inhaltlich zwingendste und international eindeutig renommierteste Kunstprojekt Österreichs im (halb-)öffentlichen Raum.« Almuth Spiegler, Die Presse, November 2023 Die Ausstellungsreihe »Eiserner Vorhang« ist ein Projekt von MUSEUM IN PROGRESS in Kooperation mit der Wiener Staatsoper und der Bundestheater-Holding. Jury: Daniel Birnbaum, Bice Curiger und HansUlrich Obrist. Management: Alois Herrmann und Kaspar Mühlemann Hartl. 2023/24 ermöglicht durch ISI GROUP und THADDAEUS ROPAC. Support von ART for ART, Hotel Altstadt und Johann Kattus. Medienpartner: Die Furche und Die Presse.
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OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT SERENA SÁENZ
MIT HOHEREM VERBUNDEN Als Einspringerin in der halsbrecherischen Partie der Zerbinetta lieferte Serena Sáenz 2022 ein umjubeltes StaatsopernDebüt. Als Lauretta in Gianni Schicchi überzeugte sie diesen Oktober abermals Publikum und Presse. Nun singt die Sopranistin ihren ersten Staatsopern-Mozart: die Blonde in der atemberaubenden Entführung aus dem Serail-Produktion von Regiemeister Hans Neuenfels. Oliver Láng sprach mit der spanischen Sängerin über ihren »Roboter-Modus«, Lebensplanung und die Wahl der richtigen Rollen. Einen Aspekt hob die Sängerin dabei besonders hervor: die Transzendenz des Bühnenmoments.
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MIT HÖHEREM VERBUNDEN
WOLFGANG A M ADEUS MOZART
DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL 15. 18. 21. 26. DEZEMBER 2023 Musikalische Leitung CORNELIUS MEISTER Inszenierung HANS NEUENFELS Mit SOFIA FOMINA – EMANUELA VON FRANKENBERG / SERENA SÁENZ – STELLA ROBERTS / ANTONIO DI MATTEO – ANDREAS GRÖTZINGER / SEBASTIAN KOHLHEPP – CHRISTIAN NATTER / MICHAEL LAURENZ – LUDWIG BLOCHBERGER / CHRISTIAN NICKEL
ol
Fangen wir mit einer Frage an die junge Sängerin an: Wie vermitteln Sie Oper an Ihre Freunde und Altersgenoss*innen? Sängerin ist doch ein eher ungewöhnlicher Beruf. s Ha! Sehr gute Frage! Wie bringen wir Oper an ein junges Publikum? Also, wenn ich Leuten sage, dass ich Opernsängerin bin, reagieren viele überrascht. Und manche sagen: »Aber du siehst doch gar nicht aus wie eine Sängerin.« Und dann erkläre ich ihnen: Weil Oper nicht das ist, was die falschen Stereotypen einem seit so vielen Jahren erklären! Wir sind hochaktive Unterhaltungskünstler*innen! Und dann lade ich sie ein, sich einfach eine Vorstellung mit offenem Herzen und Geist anzuschauen. Ihre Reaktion auf Opernabende ist immer extrem positiv. Und: überrascht. Überrascht, dass Oper so berührend sein kann. Wir müssen also die Schönheit der Oper immer mehr und immer weiter zu den Jungen bringen. In Schulen gehen! An die Universitäten! Und auch die sozialen Medien dafür einsetzen. Denn die Menschen wissen sehr oft einfach nicht viel über Oper. ol Und was ist Oper für Sie persönlich? Eine Art andere Welt? Eine Antwort auf Fragen? Einfach Freude? Ihr Kollege Rolando Villazón meinte einst, dass Oper-Machen eine Art Psychotherapie ist. s Ich würde nicht sagen, dass es sich um eine Therapie handelt. Oper ist eine umfassende Kunstform, für mich ist sie die Möglichkeit, komplett in Trance zu geraten. Wenn ich auf der Bühne bin, wenn ich singe und spiele, bin ich nicht mehr ich. Es ist also nicht Serena, die singt. Vielmehr nimmt mich eine Art höhere Macht in Beschlag. Es ist wie auf einem komplett anderen Planeten, an einem anderen Ort, mit einer anderen Wahrnehmung von Zeit. Das
Gefühl unterscheidet sich vollkommen von meinem üblichen Leben! Ich kann es vielleicht so zusammenfassen: Die Seele ist befreit und verbindet sich mit etwas Höherem. ol Und wenn Sie die Bühne wieder verlassen: Sind Sie dann wieder Serena? Oder eine gewandelte Serena? s Natürlich ist es so, dass all die Erfahrungen, die ich auf der Bühne mache, sich in mir sammeln. Aber dennoch kommen sie aus einer anderen Welt und verbinden sich nicht immer mit meinem realen Dasein. Ich weiß nicht… ich bin eine ganz gewöhnliche Frau, wenn ich mein Leben lebe. Aber wenn ich auf der Bühne bin… dann bin ich Superwoman. ol Aber wenn Sie in dieser anderen Welt sind: genießen sie das? Oder entzieht sich das Gefühl einer konkreten Beschreibung? s Es ist immer positiv konnotiert. Meistens ist es Freude, Glück, Erfüllung, Inspiration. Aber es ist auch ein Lernprozess, denn nicht jeder Abend ist gleich. Aber letztlich ist es immer etwas sehr Erfreuliches. Nach – und vor allem während einer Vorstellung. ol Wie kommen Sie in diesen besonderen Zustand? Müssen Sie erst einmal eine Stunde meditieren oder reicht ein Bühnen-Scheinwerfer und – zack! – schon ist alles anders? s Ich bete immer, bevor ich auf die Bühne gehe. Das ist etwas, was mir sehr hilft. Und ganz wichtig ist der Moment kurz vor einem Auftritt, in dem ich zu visualisieren versuche, was gleich auf der Szene passieren wird. Das hilft gegen ganz menschliche »Serena-Gedanken«, Zweifel, die einen überkommen, oder ein bisschen Nervosität. Ich muss das alles hinter mir lassen, mich auf das verlassen, was ich zuvor an Arbeit eingebracht habe – und darauf fokussieren, dass nun etwas Erfüllendes kommt. Sobald 48
MIT HÖHEREM VERBUNDEN
B e i i h r e m D e b ü t a l s Z E R B I N E T T A l a g i h r d i e W i e n e r O p e r nw e l t z u F ü ß e n
(a u c h i m B i l d : I lj a K a z a kov, C a r l o s O s u n a , M i c h a e l A r i vo ny, H i r o s h i A m a ko) Fo t o M I C H A E L P Ö H N
ich die Bühne betrete, ist dann ohnedies alles anderes. ol Ihr Debüt in Wien – Zerbinetta in Ariadne auf Naxos – war ein Einspringen. Ist das etwas, was Sie mögen? Das Rasante? Unvorhergesehene? s Ich muss sagen, es ist schon ein besonderes Gefühl, wenn man für ein Einspringen angefragt wird. Ich mag es! Und glücklicherweise passiert es immer wieder. Denn das Adrenalin, dass dann durch meinen Körper schießt, ist so intensiv, dass für Fragen und Zweifel kein Platz bleibt. »Kann
2022 war sie gleich dreifache Preisträgerin des berühmten OperaliaWettbewerbs, mit ihrer Koloraturen-Brillanz bringt sie die Opernwelt zum Jubeln: Serena Sáenz, 1994 in Barcelona geboren. Nach ihrem Studium in ihrer Geburtsstadt und in Berlin sowie Meisterklassen unter anderem bei Neil Shicoff, Montserrat Caballé, Teresa Berganza und Dolora Zajick singt sie unter anderem in Paris, Barcelona, Berlin, München, Buenos Aires, Valencia und Salzburg. Zu hören ist Sáenz international etwa als Lucia di Lammermoor, Norina (Don Pasquale), Pamina (Die Zauberflöte) und Zerbinetta.
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»Ich glaube nicht, dass ich mit einer Bühnenfigur verwandt sein muss. Wichtiger ist, dass ich mich in sie verliebe.«
Serena Sáen z a ls Lauret t a i n der
N e u p r o d u k t i o n vo n G i a n n i S c h i c c h i
(i m B i l d m i t A m b r o g i o M a e s t r i) Fo t o M I C H A E L P Ö H N
ich das oder nicht?« spielt es einfach nicht mehr. Sondern: Ich muss das jetzt machen! Diese Situation nimmt übrigens viel Druck von einem. Ich weiß, dass ich eine beschränkte Zeit habe, das Beste von mir zu geben. Ich nenne das meinen Roboter-Modus. Ich schalte ihn ein – und kann selbst in diesem Zustand Freude aus einer Situation gewinnen. Aber bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Es müssen nicht immer Einspringen sein! (lacht) Denn der Stresslevel ist natürlich deutlich höher… ol Nach welchen Kriterien suchen Sie Rollen aus? Zum Beispiel: Was macht die Blonde in der Entführung aus dem Serail besonders? s Zuallererst muss eine Partie zu meiner Stimme und auch zu meinem Alter passen. Man darf da nichts übertreiben und nichts zu früh machen. Und es muss sich gut anfühlen. Wenn ich die Empfindung habe, dass ich viele meiner Emotionen anbieten und sie in eine Rolle packen kann, dann ist die Partie richtig. Ich muss gleichzeitig fühlen, dass das kein harter Kampf wird. ol Und sollte Ihnen eine Figur möglichst entsprechen? Braucht es viele charakterliche Schnittmengen?
s Ich glaube nicht, dass ich mit einer Bühnenfigur verwandt sein muss. Wichtiger ist, dass ich mich in sie verliebe. Meistens passiert das mit Charakteren, die nicht viel mit mir gemeinsam haben. Dann kann ich neue Spielarten erforschen, mich anderen Sichtweisen auf die Spur heften und Verhaltensweisen ausprobieren, die ich sonst nicht habe. Das ist ungemein spannend. Wissen Sie was? Ich mag den Wahnsinn auf der Bühne! Das ist etwas, was mich sehr fasziniert. An die Grenzen gehen, Extreme ausprobieren. All das, was nicht alltäglich ist. ol Gibt es so etwas wie einen Masterplan für Ihr Bühnenleben? Also: In drei Jahren diese Rolle an diesem Haus, in fünf jene an jenem Haus. s Hm, nein. Überhaupt nicht. Das gibt es für mich nicht. Aber was es gibt, ist: Mit offenen Armen das zu umarmen, was kommt. Und Menschen, die meine Stimme kennen und mich kompetent beraten. Ich möchte die Zukunft nicht zerdenken. Es ist viel besser, die Gegenwart zu erleben!
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DEBUTS HAUSDEBÜTS
DAS VERFLUCHTE 16. DEZ. 2023 GEISTERSCHIFF
DAS VERFLUCHTE 25. DEZ. 2023 GEISTERSCHIFF
CHRISTINA KIESLER Ratte Die gebürtige Niederösterreicherin Christina Kiesler hat 2014 ihre Schauspielausbildung in
PATRIZIA LEITSONI Ratte Die gebürtige Kärntnerin Patrizia Leitsoni ab-
DIE ENTFÜHRUNG 15. DEZ. 2023 AUS DEM SERAIL
SOFIA FOMINA Konstanze Die in Russland geborene Sopranistin Sofia Fomina tritt heute regelmäßig auf den wichtigsten Opernbühnen und Konzertpodien der Welt auf. Zu den Höhepunkten 2023/24 zählen ihr Debüt an der Wiener Staatsoper als Konstanze in Die Entführung aus dem Serail und ihre Rückkehr nach Glyndebourne als Micaëla in einer Neuproduktion von Carmen. Außerdem singt sie erneut die Rolle der Konstanze an der Hamburgischen Staatsoper. Zuletzt war sie als Pamina (Die Zauberflöte) an der Semperoper, Konstanze am Opernhaus Zürich, als Ännchen in einer Neuproduktion von Der Freischütz am Theater an der Wien und als Oksana in Rimski-Korsakows Die Nacht vor Weihnachten zu hören.
Wien abgeschlossen und bespielt seither als freischaffende Künstlerin diverse Bühnen in und um Wien (u.a. Theater der Jugend, Stadttheater Mödling, Scala Wien, Theater Experiment, Werk X) und ist seit 2021 Teil des Märchensommer-Teams in Graz. Neben ihren Engagements widmet sie sich ihren freien Projekten und tritt regelmäßig mit ihrem Musikkabarett Satisfaktion auf. Sie leitet außerdem Schauspielworkshops für Kinder und Jugendliche. Im März 2024 feiert sie mit ihrem neuen Kabarettprogramm Nachspielzeit Premiere im Theater am Alsergrund und bespielt mit ihrer Band eff eff die Wiener Underground Szene.
solvierte ihre Ausbildung am Konservatorium der Stadt Wien. Sie war u.a. 2009 am Ronacher Wien im Rockmusicals Frühlingserwachen als Swing/Cover Wendla zu sehen. Weitere Gastspiele hatte sie im Stadttheater Walfischgasse oder bei den Sommerspielen Laxenburg. Seit 2016 ist sie Ensemblemitglied beim Märchensommer (Aladin und die Wunderlampe – neu erleuchtet, Alice im Wunderland – neu erträumt, Der Zauberer von Oz, Das Dschungelbuch – neu gebrüllt, Schneewittchen – neu verzwergt, Bremer Stadtmusikanten – neu vertont, Rapunzel – neu frisiert). Außerdem arbeitet sie als freiberufliche Logopädin und gibt ihr Wissen am FH Campus Wien im Fachbereich Stimme weiter. SHIFTING SYMMETRIES
MATTHEW ROWE Musikalische Leitung Der Brite Matthew Rowe ist ein überaus vielseitiger Dirigent mit einem breiten Repertoire. Er ist Preisträger mehrerer internationaler Dirigierwettbewerbe, darunter die Leeds Conductors Competition 1999. 2004 gab er sein Debüt bei Het Nationale Ballet Amsterdam, seit 2012 ist er Musikdirektor der Compagnie und Chefdirigent des Niederländischen Ballettorchesters. Zu seinen wichtigsten Produktionen zählen
Fo t o s A L E C S A N D R A R A L U C A D R AG O I
( Fo m i n a) / A E ( K i e s l e r) /
A R N D O E T T I N G ( L e i t s o n i) /
23. DEZ. 2023
M A R S H A L L L I G H T S T U D I O ( Row e) / N A N C Y H O ROW I T Z ( L e i p o l d )
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DEBUTS Wheeldons Cinderella, Ratmanskys Firebird sowie die Uraufführungen von Weis Sacre du Printemps, Brandsens Mata Hari, Dawsons Requiem und Lopez Ochoas Frida, aber auch Werke von van Manen, Balanchine sowie die großen Ballettklassiker. Zudem tritt er regelmäßig mit dem Nederlands Dans Theater auf und ist wiederholt Gast bei internationalen Tanzcompagnien. → weitere Informationen zu Matthew Rowe finden Sie beim Interview auf Seite 30
ROLLENDEBÜTS TURANDOT
DAS VERFLUCHTE 25. DEZ. 2023 GEISTERSCHIFF 7. DEZ. 2023
MICHAEL ARIVONY Holländer ASMIK GRIGORIAN Turandot JÖRG SCHNEIDER Altoum KS JONAS KAUFMANN Calaf KRISTINA MKHITARYAN Liù ATTILA MOKUS Mandarin MARTIN HÄSSLER Ping NORBERT ERNST Pang HIROSHI AMAKO Pong
ELEKTRA
HÄNSEL UND GRETEL
ALEXANDER SODDY Musikalische Leitung CHRISTINA BOCK Hänsel FLORINA ILIE Gretel MIRIAM KUTROWATZ* Sandmännchen, Taumännchen
9. DEZ. 2023
SHIFTING SYMMETRIES
GÜNTHER GROISSBÖCK Orest LUKAS SCHMIDT* Junger Diener STEPHANIE MAITLAND 1. Magd
SONJA LEIPOLD Cembalo (CONCERTANTE) Sonja Leipold widmet sich als Cembalistin vor allem der barocken, zeitgenössischen und selten gehörten Musik und gastiert regelmäßig auf renommierten Podien im In- und Ausland. Als Solistin trat sie u.a. mit dem Wiener Kammerorchester und dem Bachconsort Wien auf sowie als Gast bei den Wiener Symphonikern, dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich, Radiosymphonieorchester Wien, Phace und Cantando Admont. In Zusammenarbeit mit Komponist*innen aus aller Welt entstanden über 120 neue Werke. Zudem ist sie in internationalen CD-, Film- und Radioproduktionen zu erleben. Seit 2015 unterrichtet sie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, seit 2019 ist sie Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik Österreich.
25. DEZ. 2023
29. DEZ. 2023
CONCERTANTE ANNELEEN LENAERTS Harfe
DIE ENTFÜHRUNG 15. DEZ. 2023 AUS DEM SERAIL
30. DEZ. 2023 DAS VERFLUCHTE GEISTERSCHIFF
CORNELIUS MEISTER Musikalische Leitung SERENA SÁENZ Blonde ANTONIO DI MATTEO Osmin SEBASTIAN KOHLHEPP Belmonte
DANIEL JENZ Erik
DIE FLEDERMAUS
31. DEZ. 2023
SIMONE YOUNG Musikalische Leitung JOHANNES MARTIN KRÄNZLE Eisenstein PATRICIA NOLZ Orlofsky NORBERT ERNST Dr. Blind
DAS VERFLUCHTE 16. DEZ. 2023 GEISTERSCHIFF MARKUS HENN Musikalische Leitung JENNI HIETALA* Senta SIMONAS STRAZDAS* Daland TED BLACK* Erik JUSUNG GABRIEL PARK* Holländer
SHIFTING SYMMETRIES 23. DEZ. 2023 alle Tänzer*innen des Wiener Staatsballetts CONCERTANTE CHARLOTTE BALZEREIT Harfe SHINO TAKIZAWA Klavier
* M itglied des Oper nst udios
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P I N N WA N D
TODESFALL Mitte Oktober verstarb der Bühnen- und Kostümbildner ROY SPAHN vollkommen überraschend nach einem Herzinfarkt. An der Wiener Staatsoper schuf er die Bühnenbilder zu Der Spieler (2017) und Orlando (2019).
NEUE DVD
NEUE DVD
RADIO- & TV-TERMINE 9. 14.00
PER OPERA AD ASTRA
radioklassik
VERDIS I VESPRI SICILIANI
GIOACHINO ROSSINI
IL BARBIERE DI SIVIGLIA
16. 20.15
TURANDOT (PUCCINI)
ORF 2
Musikalische Leitung ARMILIATO
JUAN DIEGO FLÓREZ · VASILISA BERZHANSKAYA · ETIENNE DUPUIS PAOLO BORDOGNA · ILDAR ABDRAZAKOV
Inszenierung GUTH
CHOR UND ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER MICHELE MARIOTTI
Mit u.a. A. GRIGORIAN (Turandot), KAUFMANN (Calaf), MKHITARYAN (Liù)
Staged by HERBERT FRITSCH
CHOR UND ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER Aufzeichnung aus der Wiener Staatsoper Dezember 2023
19. 10.05
HÄNSEL UND GRETEL
Ö1
Märchenoper mit Wagner-Orchester Mit MICHAEL BLEES
23. 20.00
In der 2022 an der Deutschen Oper Berlin herausgekommenen Neuproduktion von Wagners Meistersinger erzählt das Inszenierungsteam Jossi Wieler, Sergio Morabito und Anna Viebrock die Handlung im Ambiente einer Musikhochschule. Inspiriert von Elfriede Jelineks Klavierspielerin geht es darum, wie man zum Meister »reift«, mit allen Stadien des Drills, des Niedergemacht-Werdens, des Vernichtet-Werdens. Punktgenau zur umjubelten Wiederaufnahme im November ist nun die DVD der Produktion erschienen und ermöglicht damit einem breiten Publikum die Auseinandersetzung mit einer weiteren Arbeit des seit 1993 verbundenen Regieteams.
Nun gibt es die aktuelle Staatsopern-Produktion von Rossinis Il barbiere di Siviglia auch auf DVD! Die 2021 herausgekommene Inszenierung von Herbert Fritsch verzichtet auf Requisiten und Dekorationen und lenkt so den Blick auf das Spiel der Sängerinnen und Sänger. Der raffinierte Einsatz großformatiger Folien, eine ironisierende Sicht und die entfesselte Darstellungslust lässt die Produktion zu einem außergewöhnlichen Erlebnis werden. Nicht zu vergessen die Sängerinnen und Sänger! Juan Diego Flórez als Graf Almaviva, Vasilisa Berzhanskaya als Rosina, Paolo Bordogna als Bartolo, Etienne Dupuis als Figaro und Ildar Abdrazakov als Basilio machen den Abend zu einem vokalen Fest, das von Dirigent Michele Mariotti mit einem großen musikalisch-dramaturgischen Rossini-Verständnis geleitet wird.
ANDREA CHÉNIER radioklassik (GIORDANO) Musikalische Leitung MATIČIĆ
CORELLI (Andrea Chénier), BASTIANINI (Gérard), TEBALDI (Maddalena), H. KONETZNI (Madelon) CHOR UND ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER
28. 20.00
AIDA (VERDI)
radioklassik
Musikalische Leitung KARAJAN FRENI (Aida), CARRERAS (Radames), BALTSA (Amneris), CAPPUCCILLI (Amonasro), RAIMONDI (Ramfis) CHOR UND ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER
31. 15.05
DAS WIENER STAATSOPERNMAGAZIN
Ö1
Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper Mit MICHAEL BLEES
31. 20.15
DIE FLEDERMAUS (STRAUSS)
ORF III
Musikalische LEITUNG YOUNG Inszenierung SCHENK Mit u.a. KRÄNZLE (Eisenstein), NYLUND (Rosalinde), BANKL (Frank), NOLZ (Orlofsky), MÜHLEMANN (Adele), AMAKO (Alfred), HÄSSLER (Falke), SILBERSCHNEIDER (Frosch)
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P I N N WA N D
BALLETT-STREAM AUS DER WIENER STAATSOPER
LIVE-STREAM AUS DER WIENER STAATSOPER
PRODUKTIONSSPONSOREN DON PASQUALE
27. 19.00
SHIFTING SYMMETRIES CONCERTANTE Musik FRANK MARTIN Choreographie Hans VAN MANEN BRAHMS-SCHOENBERG QUARTET
31. 20.15
DIE FLEDERMAUS (siehe TV-Termine)
MITGLIEDSCHAFT IM FREUNDESKREIS WIENER STAATSBALLETT VERSCHENKEN!
DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
Machen Sie Ihren ballettbegeisterten Freund*innen, Verwandten oder sich selbst ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk! Der Freundeskreis des Wiener Staatsballetts vergibt vom 1. bis 31. Dezember 2023 ermäßigte Mitgliedschaften: -30% auf die Stufen »Junge Förderer«, »Förderer« und »Partner-Förderer«! Weitere Informationen und Buchungsmöglichkeiten unter → fksb.at/weihnachtsfreunde
SERVICE
Musik JOHANNES BRAHMS/ ARNOLD SCHÖNBERG Choreographie GEORGE BALANCHINE © The George Balanchine Trust Musikalische Leitung MATTHEW ROWE WIENER STAATSBALLETT ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER (Zeitversetzter Stream der Premiere vom 23.12.
A T M
ADRESSE Wiener Staatsoper GmbH Opernring 2, 1010 Wien +43 1 51444 2250 +43 1 51444 7880 information@wiener-staatsoper.at
IMPRESSUM
ohne William Forsythes IN THE MIDDLE, SOMEWHAT ELEVATED, was aus rechtlichen
DAV I D E DA T O & E L E N A B O T T A RO
Gründen ausschließlich live gezeigt werden darf.)
i n D O R N RÖ S C H E N Fo t o A S H L E Y T AY L O R
OPERNRING 2 DEZEMBER 2023
SAISON 2023 / 24
Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH / Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ / Kaufmännische Geschäftsführung DR. PETRA BOHUSLAV / Musikdirektor PHILIPPE JORDAN Ballettdirektor MARTIN SCHLÄPFER / Redaktion SERGIO MORABITO / ANNE DO PAÇO / NASTASJA FISCHER / IRIS FREY / ANDREAS LÁNG / OLIVER LÁNG / NIKO LAUS STENITZER / Art Direction EXEX / Layout & Satz IRENE NEUBERT / Am Cover ASMIK GRIGORIAN Foto GW COSMETICS / JAN FRANKL / Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUKTIONS GMBH, BAD VÖSLAU REDAKTIONSSCHLUSS für dieses Heft: 24. November 2023 / Änderungen vorbehalten / Allgemein verstandene personenbezogene Ausdrücke in dieser Publikation umfassen jedes Geschlecht gleichermaßen. / Urheber / innen bzw. Leistungsschutzberechtigte, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. → wiener-staatsoper.at
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O PE R I M KI N O 2023/24 Live aus der Metropolitan Opera in New York
9. DEZEMBER
20. APRIL
FLORENCIA EN EL A M A ZONA S
L A RONDINE
6. JANUAR
11. MAI
Giacomo Puccini
Daniel Catán
NABUCCO
M ADA M A BUT TERFLY
Giuseppe Verdi
Giacomo Puccini
27. JANUAR
C ARMEN Georges Bizet
9. MÄRZ
L A FORZ A DEL DESTINO Giuseppe Verdi
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© Paola Kudacki / Met Opera
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