Opernring 2 | Oktober 2024

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Das MONATSMAGAZIN

OKTOBER 2024

S. 2

WIE ES (VIELLEICHT) ENDET

GYÖRGY KURTÁGS OPER FIN DE PARTIE

S. 8 »EINE MUSIK, DIE IN DEN SCHATTEN LEBT« GESPRÄCH MIT SIMONE YOUNG

S. 14

IM BANN DES ABSURDEN

GEORG NIGL & PHILIPPE SLY IM GESPRÄCH

S. 20

WAS MUSIK MIT EINEM MACHT ADAM FISCHER IM GESPRÄCH

S. 24

SCHEIN ODER NICHTSCHEIN ANMERKUNGEN ZU BARRIE KOSKYS COSÌ FAN TUTTE -INSZENIERUNG

S. 30 60 JAHRE SCHWANENSEE VON RUDOLF NUREJEW

S. 36 NEU IM WIENER STAATSBALLETT

S. 38

VERLOREN AUF HOHER SEE DIE GEFEIERTE PRODUKTION VON BILLY BUDD WIRD WIEDERAUFGENOMMEN

S. 44

MEHR ALS EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN

S. 46 OPER ALS LEBEN STEPHANIE MAITLAND IM PORTRÄT

S. 50 DEBÜTS

S. 52 DER GELEBTE TRAUM INTERVIEW MIT DER DIRIGENTIN GIEDRĖ ŠLEKYTĖ

S. 58

UND JETZT: MACBETH GERALD FINLEY GIBT EIN WELTWEITES ROLLENDEBÜT

S. 62 PINNWAND

SAMUEL BECKETT
Foto ROSEMARIE CLAUSEN
ULLSTEIN BILD / GETTY IMAGES

WIE ES (VIELLEICHT) ENDET

Mit

seinem späten Opernerstling Fin de partie hat György Kurtág möglicherweise einen neuen Klassiker des zeitgenössischen Musiktheaters geschaffen.

Samuel Becketts

Vorlage faszinierte und verwirrte Generationen von Theaterbesucherinnen, Darstellern und Intellektuellen.

Natürlich war es eine Sensation. 92 Jahre war György Kurtág alt, als Fin de partie im Jahr 2018 in Mailand seine Uraufführung feierte: Die erste Oper des Meisters der kleinen Form, das mit Abstand längste Werk im Katalog des ungarischen Komponisten, in dessen Portfolio sich auch Stücke von wenigen Minuten Dauer finden. Und doch ist dieses Werk, dessen aktuelle Fassung der inzwischen 97-jährige Kurtág weiterhin als »vorläufige« bezeichnet, die eigentlich zwingende Konsequenz aus einem gut 60-jährigen Schaffen. Fin de partie krönt ein so umfangreiches wie ungewöhnliches Vokalwerk, das Werke für Orchester und Solostimme umfasst, Kammermusik mit Gesang, Lieder, Dialogisches für Soloinstrument und Solostimme sowie mehrere Chorwerke. Der vollständige Titel Samuel Beckett: Fin de partie: Scènes et Monologues wiederum korrespondiert mit dem Episodischen, das etwa Kurtágs Vokalzyklen auszeichnet: Dem Bau von Becketts Schauspiel durchaus entsprechend und diesen eher noch verstärkend,

betont Kurtág in seiner Erzählung von Becketts Vorlage unter Verwendung von etwa sechzig Prozent des Originaltextes die einzelnen Momente in einer Weise, dass diese fast für sich stehen könnten –und folgt dabei in zwingender Weise der Dramaturgie von Becketts Schauspiel. Ein Widerspruch ist das nicht, eher wiederum ein Kurtág'sches Merkmal –stehen doch auch Vokalzyklen wie die Kafka-Fragmente op. 24 in einer festen, dramturgisch durchdachten Abfolge.

Und schließlich Beckett. Zweimal hat Kurtág bereits Texte des Nobelpreisträgers vertont: What is the Word (op 30a – 1990 für Altstimme und Klavier bzw. 30b – 1991 für Altstimme solo, fünf Vokalisten und im Raum verteilte Kammerbesetzungen) und pas a pas … nulle part (op. 36 –1993–98, überarbeitet 2007–08). Fin de partie aber ist György Kurtág besonders eng verbunden: 1957, so der Komponist in einem Interview, habe er das Stück in Paris gesehen, also im Jahr der Uraufführung –

»und nichts verstanden«. Dass er an diesem Text festhalten sollte bis zur Kulmination in der 2018 uraufgeführten Oper, 61 Jahre nach der ersten Begegnung, ist passgenau mit allen Bestandteilen dieser Geschichte: Beckett, Kurtág, Fin de partie. Was ist das aber für ein Werk, das György Kurtág in »Szenen und Monologen« zum Musiktheater machte? Fin de partie – der französische Titel ist das Original, Becketts eigene englische

GYÖRGY KURTÁG

FIN DE PARTIE

16.

19. 22. 25. 29. OKTOBER

Musikalische Leitung SIMONE YOUNG Inszenierung, Bühne & Kostüme HERBERT FRITSCH

Licht FRIEDRICH ROM

Mit CHARLES WORKMAN / HILARY SUMMERS / PHILIPPE SLY / GEORG NIGL

Übertragung Endgame entstand später und unter Mühen des Autors – gilt als ein Klassiker des »absurden Theaters« mit allen begrifflichen Missverständnissen, die diese Kategorisierung mit sich bringt. Treffend scheint aber die häufig synonym verwendete Bezeichnung »Theater des Absurden«, die Martin Esslin geprägt hat. Denn sie drückt aus, was auch Beckett ausdrückt: Die Absurdität einer Welt, der sich das Theater mit ihm angemessen erscheinenden Mitteln nähert. Fin de partie ist eines von Becketts drei bekanntesten Theaterstücken, einer der vielen seiner Texte, die Literatur- und Theatergeschichte geschrieben haben, und vielleicht dasjenige seiner Werke, um dessen Bedeutung am meisten gerungen wurde –zumindest lässt das die Rezeptions- und Aufführungsgeschichte vermuten. Zu den Meilensteinen derselben darf Theodor W. Adornos Aufsatz Versuch, das Endspiel zu verstehen (1958) gezählt werden , den der Philosoph Beckett selbst »in memory of Paris« widmete. Adornos Lektüre, die Becketts Text gegen den Existenzialismus französischer Prägung in Stellung brachte, besticht nach wie vor: Bei Beckett, so Adorno, ist dem Subjekt sogar die Möglichkeit entzogen, sich auf sich selbst zurückzuziehen, denn »das Endspiel«, so Adorno, »zerstört die Illusion über die Freiheit des Einzelnen.« Adornos Text verallgemeinert das Elend, in dem Beckett die vier Bedeutungslosigkeitsträger Hamm, Clov, Nell und Nagg zeichnet, zum »Elend der Phi-

losophie« und erteilt in Gewissheit des Einverständnisses des Autors der Suche nach Sinn im Text eine Absage: »Es verstehen kann nichts anderes heißen, als seine Unverständlichkeit verstehen, konkret den Sinnzusammenhang dessen nachzukonstruieren, dass es keinen hat.« Beckett, der mit anhaltender Weigerung, Details am Text zu erklären, Journalisten ebenso verzagen ließ wie Darstellerinnen und Regisseure, hätte dem bestimmt zugestimmt. Doch an Adornos Text ist nicht nur seine rigide Negativität interessant, sondern auch die Stellen, an denen sie ihm zu entgleiten scheint, etwa dann, wenn er Analogien zwischen der Figur des Hamm und der des Hamlet bei Shakespeare zieht. Mit dem Verweis auf die Ähnlichkeit in den Namen der beiden Antihelden wagt sich Adorno weit auf das Feld der Autorenintention vor, um von Beckett korrigiert zu werden: An Hamlet, habe er, so Beckett nach Siegfried Unselds Zeugnis, überhaupt nicht gedacht. Adorno störte sich am Widerspruch des Autors nicht und verwendete seine Analogie sowohl in einem Vortrag in Anwesenheit des Widersprechers Beckett als auch in seinem einflussreichen Aufsatz. Interessant ist diese Episode deshalb, weil sie ein Charakteristikum von Fin de partie so deutlich zeigt: Becketts Meisterstück zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es vor Symbolen und Verweisen nur so strotzt. Aber viele der Symbole verweigern die Preisgabe des Symbolisierten, und viele Verweise führen ins Leere. Dass mit Adorno selbst der größte Fürsprecher des Nicht-Bedeutens in die Bedeutungsfalle ging, ist vielleicht das größte Kompliment für Becketts Arbeit.

Liest man heute Berichte von den Proben zu den ersten Inszenierungen des Schauspiels und speziell die Korrespondenz zwischen Beckett und dem Regisseur Alan Schneider, so entsteht gelegentlich der Eindruck aufwendiger Tanzeinlagen auf dem Vulkan des Absurden: Schneider

fragt nach Details, und es lässt sich schwer entscheiden, ob der Ton der Fragen unbekümmert oder nah an der Verzweiflung zu nennen ist. Nach mehr Information über »Hamms Geschichte« wird da gefragt, danach, warum Beckett die Gesichter der beiden Schauspieler »so rot« imaginiert hat. Beckett antwortet lakonisch und launig, rät, nicht alles zu »überinterpretieren«. An einer Stelle wird es plötzlich brennend interessant und glasklar: Schneider fragt nach dem »Old Greek«, von dem Hamm spricht. Wer war das? Es geht dabei um das Gleichnis, das sowohl Hamm als auch Clov verwendet: Wenn man Körnchen auf Körnchen legt: Wann entsteht ein Haufen? Beckett antwortet, dass viele Sophisten mit diesem Bild arbeiten würden, Hamm meine womöglich Protagoras. Dann führt er aus: »Ein Zweck des Bildes, wie es sich durch das Stück zieht, ist der Hinweis auf die logische, das heißt eristische Unmöglichkeit, dass das ›Ding‹ jemals an ein Ende kommt. ›Das Ende ist der Beginn, und doch fahren wir fort.‹ In anderen Worten die Unmöglichkeit der Katastrophe. Beendet an ihrem Beginn, und in jedem folgenden Moment, setzt sie sich fort, ergo kann sie niemals enden.« Der Schlüssel zu allem? Wenn ja, dann ist der Schlüssel ein Geheimnis: »Erwähne nichts von alldem gegenüber den Schauspielern!« warnt Beckett. Er will nicht, dass die Schauspieler die Auflösung eines Gleichnisses spielen, das ihn inspiriert hat. Er will, dass sie die Absurdität selber spielen, was ungleich schwieriger ist.

György Kurtág, der sich vor Beginn der Kompositionsarbeit, wie er in einem Interview mit dem Spiegel erklärte, noch einmal zwei Jahre lang nur mit Becketts Text beschäftigt hatte, gelingt in seiner Partitur das Meisterstück, Becketts »Absurdes« zum Klingen zu bringen. Wenn Simone Young (Interview auf S. 8) beschreibt, wie Kurtág Töne, Geräusche, Konstellationen für Nicht-Gesagtes, Nicht-Gedachtes, ja, für die Abwesenheit von rational erfassbarem Sinn findet, dann ist damit die Hintersinnigkeit des ganzen Unterfangens auf den Punkt gebracht. Vordergründig aber hat György Kurtág ein kompaktes Werk geschaffen, dreizehn Szenen (und ein Epilog ohne Worte), in eine unverwechselbare, hochtheatrale Klangsprache gesetzt. Hochtheatral deshalb, weil Kurtág fast irritierend nahe an Becketts Schauspiel komponiert. Das betrifft das Komponieren mit und von Sprache ebenso wie die Dramaturgie: Becketts Theater ist Rhythmus und Musik, Kurtágs

Komponieren – vor allem, aber nicht nur für Stimme – ist das sensible Austarieren von Sprache und Dramaturgie. Die Dirigentin und der Regisseur der Wiener Neuproduktion, Simone Young und Herbert Fritsch, sind sich einig: Kurtág wird Beckett nicht bloß gerecht, sondern unterstützt ihn an den richtigen Stellen in bemerkenswerter Weise. Die kompositorische »Auslegung« des Textes, die er vornimmt, erteilt, wie die Dirigentin am Rande der Proben bemerkte, Sängern und Sängerin genaue Vorgaben in Dynamik und Ausdruck, wo Schauspieler freier agieren können. Aber diese Vorgaben tragen dazu bei, dass Kurtág das Meisterstück einer Archäologie der Beckett’schen Komik gelingt, die ihresgleichen sucht. In den oft zarten, oft überraschenden Bauten von Kurtágs Fin de partie hallt Becketts hintersinniges Lachen wider. Das Publikum ist zum Mitlachen eingeladen – vielleicht auch zum Erschrecken, bestimmt zum Staunen.

SAMUEL BECKETT: FIN DE PARTIE

SCÈNES et MONOLOGUES von GYÖRGY KURTÁG

In einer lebensfeindlichen, fast unbewohnbaren Welt vegetieren vier Gestalten: Hamm, Clov, Nell und Nagg. Hamm, im Rollstuhl, lässt sich von Clov bedienen. Hamms Eltern Nell und Nagg leben in (Müll-)Tonnen. Sie haben, wie sie lachend berichten, ihre Beine einst bei einem Fahrradunfall verloren. In ihrer schier ausweglosen, isolierten Lage – dass es auf der Welt noch andere Menschen gibt, scheint ausgeschlossen – haben die vier erstaunlich viel zu erzählen. Nagg und Nell schwelgen in Erinnerungen: An den Fahrradunfall in den Ardennen, an ihre Zeit als Verlobte am Comer See. Nagg ist ganz besessen von dem Witz über den englischen Schneider, die Hose und die Erschaffung der Welt, den er immer wieder erzählt. Hamm wiederum beschäftigt die Geschichte eines Mannes, der sich eines Tages herbeigeschleppt habe, um Aufnahme für sich und seinen Sohn bittend. Sich selbst inszenierend, mit ständig wiederkehrendem Lob und Kritik am eigenen Vortrag, erzählt er diese Geschichte als Belehrung über die Ausweglosigkeit: »Sie müssen doch wissen, was das ist, die Erde, jetzt!« Mit Clov teilt sich Hamm das Gleichnis des »alten Griechen«, dessen Name in Vergessenheit geraten ist: Wenn man immer ein Körnchen auf das andere legt: Wann ist es ein Haufen? Ob irgendwann ein Haufen entsteht, ob es »vielleicht zu Ende geht«, und wenn, was das bedeuten kann, wenn nicht den Tod: Das sind die großen Fragen von Fin de partie, deren Beantwortung Samuel Beckett stets kategorisch verweigert hat.

HERBERT FRITSCH

Herbert Fritsch, »Eroberer von unbekannten Räumen« (Sabrina Zwach in Opernring 2 7/2021) betrat die Bühnen der Welt nach einer Schauspielausbildung an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule. Als Schauspieler unter anderem durch langjährige Tätigkeit an Frank Castorfs Berliner Volksbühne abgehärtet, drehte er ab den 1980er Jahren Filme, die zum Teil bei Festivals reüssierten, zum Teil wütenden Widerspruch hervorriefen. »Über meinen Film Die Suppe hat mir der Leiter des Festivals von Locarno einen vier Seiten langen Brief geschrieben«, erzählt Fritsch während der Proben zu Fin de partie an der Wiener Staatsoper. Es ist seine zweite Arbeit an diesem Haus nach Il barbiere di Siviglia (2021). Als Theaterregisseur debütierte Fritsch an der Berliner Volksbühne mit einer kleinen Beckett-Arbeit: Nicht-Ich. Über Luzern, Halle, Wiesbaden, Schwerin, Magdeburg und Leipzig führte der Weg schließlich wieder nach Berlin, wo die Volksbühne ein weiteres Mal zu seiner künstlerischen Heimat wurde. Dort entstanden höchst erfolgreiche Arbeiten wie Die (s)panische Fliege (2011), der die Mann (2015) oder Pfusch (2016). Ein zen-

VARGAIOVÁ

trales Element seiner Inszenierungen ist die Raumbühne, die Fritsch als sein eigener Bühnenbildner stets selbst entwirft. Legendär wurde die Inszenierung von Dieter Roths Ein-WortDrama Murmel Murmel (2012), lange im Repertoire der Berliner Volksbühne und auch im Rahmen zahlreicher Gastspiele zu sehen. Fritsch inszenierte auch an der Berliner Schaubühne, dem Schauspielhaus Bochum, dem Schauspiel Frankfurt und dem Wiener Burgtheater (zuletzt Zentralfriedhof, 2024). Durch die intensive Musikalität seiner Inszenierungen wurden bald auch Opernhäuser auf Fritsch aufmerksam. 2012 inszenierte er Jacques Offenbachs Banditen in Bremen und Péter Eötvös’ Tri Sestri in Zürich. Weitere Arbeiten in Zürich, Basel, Luzern, an der Komischen Oper Berlin und an der Staatsoper Hamburg folgten. Zuletzt arbeitete er für experimentelle musikalische Formate unter anderem mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja und dem Popmusiker Herbert Grönemeyer zusammen. Fin de partie begleitet Fritsch ein halbes Künstlerleben lang. Als

junger Schauspieler gab er viele Male den Clov in einer Inszenierung von Niels-Peter Rudolph. Seine eigene Interpretation des Werks in der Musik von György Kurtág grenzt Fritsch aber vor allem gegen die deutsche Tradition der strengen, düsteren Beckett-Exegese ab. An Fin de partie interessiert Fritsch, wie er erklärt, ein veränderter, weil angstfreier, ja, »fröhlicher« Blick auf den Topos der Vergänglichkeit. Aber auch das Thema der Resilienz, des »Verankert-Seins« im Augenblick, beschäftigt den Regisseur, der seiner Sängerin und seinen Sängern auf den Proben wie üblich viel abverlangt – dabei aber selbst als vorund mitspielender Regisseur womöglich von allen Personen auf der Probebühne am meisten in Bewegung ist.

GYÖRGY KURTÁG

György Kurtág ist einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart. Mit Fin de partie debütierte er 2018 als Opernkomponist.

György Kurtág wurde am 19. Februar 1926 in Lugoj (Banat/Rumänien) geboren. Seit 1948 ist er ungarischer, seit 2002 auch französischer Staatsbürger. Im Alter von fünf Jahren erhielt er den ersten Klavierunterricht. Für seine musikalische Entwicklung wurde das gemeinsame Musizieren mit der

Schaffen. Der Komponist brachte das programmatisch in der Bezeichnung seines 1959 entstandenen Streichquartetts als »Opus 1« zum Ausdruck – obwohl er davor schon Musik komponiert und veröffentlicht hatte. Zu den wichtigen Eindrücken der Zeit in Paris zählte schließlich auch der Besuch von Samuel Becketts Fin de partie – übrigens auf Anraten György Ligetis. Kurtágs umfangreicher Werkkatalog reicht von Werken für Solostimme und -instrument über ein umfangreiches

Mutter bedeutend: Die beiden spielten vierhändige Bearbeitungen von Haydn- und Beethoven-Sinfonien und MozartOuvertüren. Nach ersten Kompositionsstudien in Timișoara (Banat/Rumänien) begann er 1946 sein Studium in Klavier, Kammermusik und Komposition an der Budapester Musikakademie. Dort lernte er György Ligeti kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. 1947 heiratete Kurtág die Pianistin Marta Kinsker. Marta Kurtág wurde als Interpretin, Beraterin und erste Kritikerin seiner Werke zur bestimmenden künstlerischen Persönlichkeit in György Kurtágs Leben. Die beiden waren bis zu Marta Kurtágs Tod 2019 verheiratet.

Für Kurtágs künstlerischen Weg war sein Aufenthalt in Paris 1957/58 von entscheidender Bedeutung. Dort besuchte er Kurse bei Olivier Messiaen und Darius Milhaud und fand mithilfe der Psychologin Marianne Stein aus einer schweren Schaffenskrise. Die Eindrücke dieses Jahres, zu dem auch der Besuch vom Komponisten selbst dirigierter Aufführungen von Werken Pierre Boulez’ sowie die Begegnung mit Ligetis elektronischer Artikulation und Stockhausens Gruppen zählten, markierten einen entscheidenden Wendepunkt in Kurtágs

GYÖRGY KURTÁG Foto ÁKOS

kammermusikalisches Werk bis zu Kompositionen für großes Orchester. Einen besonderen Platz nehmen darin jene Werke ein, in denen der Komponist teils höchst unkonventionelle Dialoge mit der Literatur eingeht, darunter die Kafka-Fragmente für Sopran und Violine (op. 24 – 1987) oder die Szenen aus einem Roman auf Gedichte von Rimma Dalos für Sopran, Violine, Kontrabass und Cymbal (op. 19 – 1981/82) György Kurtágs Werk wurde mit zahlreichen Preisen gewürdigt, unter anderem ist er Träger des Ordre pour le Mérite für Wissenschaft und Künste. Er war Composer in Residence der Berliner Philharmoniker und am Wiener Konzerthaus, wo er auch eine Meisterklasse unterrichtete, außerdem Honorarprofessor am königlichen Konservatorium in Den Haag. Er ist korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München und Mitglied der Akademie der Künste Berlin sowie  Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters und der American Academy of Arts and Sciences in Cambridge, Massachusetts.

SIMONE YOUNG
Foto SANDRAH STEH

»EINE MUSIK, DIE IN DEN SCHATTEN LEBT«

NIKOLAUS STENITZER & SIMONE YOUNG IM GESPRÄCH ÜBER FIN DE PARTIE

nis Wenn Sie Fin de partie für jemanden beschreiben müssten, der noch keinen Ton daraus gehört hat: Wie klingt diese Oper?

sy Fin de partie klingt wie fantasievoll betonte Sprache. Bei guten Musiktheaterstücken kann man ja generell sagen, dass die Musik total am Text hängt – und diese Oper zieht ihr ganzes Dasein aus dem Text. Das Französisch ist absolut perfekt in Musik gesetzt, in einer unheimlich detaillierten Weise. Aus vielen kleinen Fragmenten und der detaillierten Bearbeitung der Gesangslinie hat Kurtág auch die großen Monologe komponiert, und die Sprache ist auch in die Orchesterstimmen eingeschrieben, dort, wo die Orchestermusiker parallel mit dem Text spielen – etwa, wenn die Stimme von Hamm in der Bassklarinette gedoppelt wird oder die Stimme von Clov im Kontrabass. Interessant ist, wie die Komposition die unterschiedlichen Textformate gestaltet. Den sehr schön gesungenen Monologen stehen die dialogischen Stellen gegenüber, in denen Kurtág sich quasi auf Monteverdi bezieht, in einer Art modernem Rezitativstil, der nahe am parlando ist. Es ist wie ein Verweis auf die Oper vor Mozart. In der Instrumentation gibt es außerdem eine Besonderheit: Das Cimbalom, eine Art Hackbrett, ist in der Partitur in eine Instrumentengruppe eingebettet, die man als eine modern interpretierte Cembalo-Gruppe bezeichnen könnte: Cimbalom, Klavier, Pianino, Harfe, zwei Bayans, das sind chromatische Knopfakkordeons. Ein wenig wie eine Continuogruppe, die durch das Stück läuft. Das ist gewissermaßen das raffinierte, fein gebaute Skelett des Ganzen.

nis Kurtág ist berühmt als »Meister der kleinen Form«, für seine Miniaturen, die oft nur aus wenigen Takten bestehen. Im Bezug auf Fin de partie wurde bisweilen darauf hingewiesen, dass auch innerhalb dieser großen Oper gewissermaßen Miniaturen zu finden sind. Beim Hören entsteht aber – vielleicht aufgrund des angesprochenen »Skeletts« –durchgängig den Eindruck einer verbindenden, unverwechselbaren Klangsprache. sy Das würde ich absolut bestätigen. Kurtágs Vorliebe für Fragmente und Miniaturen findet auch ihren Weg in die Partitur, und für ihn als Komponisten ist der reduzierte Text von Samuel Beckett das perfekte Pendant. Aber über das Ganze bildet seine musikalische Sprache eine einheitliche Linie. Es ist höchst komplex, aber was man sagen kann ist, dass es ist die ganze Zeit über mit der Theorie und Ideologie des Absurden Theaters verbunden bleibt. Auffällig ist, dass man, auch wenn man die Partitur nicht kennt und das Stück nur hört, gewisse Miniaturen schnell erkennt und wiedererkennt, in gewisser Weise Leitmotive. Das sind die sehr klaren Motive, die er als »Conductus A« und »Conductus B« bezeichnet, aber es gibt auch kleine Figuren, die fast wie Volksmusikmotive klingen. Etwa ein Motiv, das in den Bayans eingeführt wird, das ist fast wie eine Sekunde Zirkusmusik, die dann fragmentiert in unterschiedlichen Instrumentengruppen wiederkehrt, etwa in den Streichern im Tremolo. Das sind keine Leitmotive im Sinne von Wagner oder Strauss, eher kleine Hinweise, die die dreizehn Szenen auf raffinierteste Art verbinden.

nis Die feine Detailarbeit, die Kurtág leistet, vor allem in den leisen Tönen: Ist das etwas, das sich dem Publikum beim Hören vermittelt?

sy Man muss die Frage stellen: Wie viel muss man vermitteln? Sehr viel liegt im Subtext und zielt auf das Unbewusste. All die detaillierten Miniaturpausen, Vorzeichen, mehrfachen Pianissimi, dann wieder Pianissimo mit einem kleinen Akzent, aber sul ponticello, damit die Töne wie verhaucht sind: Man könnte sagen, dass das eine Musik ist, die in den Schatten lebt. Das ist eine Beschreibung, die auch auf das Schauspiel von Beckett zutrifft: Es ist ein Stück, das in den Schatten lebt. Wir befinden uns dort in einer postapokalyptischen Welt, wir wissen nicht, was draußen ist – ob es überhaupt ein Außerhalb dieser vier Menschen gibt. Ein Relikt, ein Überbleibsel einer Katastrophe. Dieses Theater des Absurden ist im Schatten des Zweiten Weltkriegs entstanden, und Kurtág nimmt das von sich aus den Nach-UdSSR-Jahren. Es lebt in den Schatten, und die Details sind in den Schatten zu spüren, zu hören, aber vielleicht nicht unmittelbar zu erkennen. Der Text ist klar, aber die Bedeutung ist verhüllt, und so ist es in der Musik auch. Grundsätzlich ist alles so fein gearbeitet, dass man das als Zuhörer beim ersten

Hören gar nicht alles begreifen und erfassen kann. Und vielleicht ist das so auch richtig. nis Inwiefern?

sy Das absurde Theater ist etwas, das man anzufassen versucht, und in dem Moment, in dem man es zu fassen glaubt, verschwindet es wieder. Mercurial würde man es im Englischen nennen, quecksilbrig. Kurtág ist unheimlich nah an Becketts Konzeption. Er stellt in fast jedem Takt ein Rätsel. Zum Beispiel setzt er das Fagott in einer Weise ein, dass man fast sagen kann: Es sind darin die Gedanken ausgedrückt, die nicht ausgesprochen werden. Und damit bewegt er sich vollkommen auf dem Boden des Theaters des Absurden. Das eigentlich unkonkrete Geschehen, das dieses Theater auszeichnet, ist in den großen Pausen zwischen den gesungenen Sätzen abgebildet. Und die Musik soll uns, glaube ich, dazu führen, dass wir diese Brüche für uns selbst ausfüllen. Die überraschenden Espressivofiguren im Fagott verstehe ich als unsere Perspektive, die der Zuschauer. Das sind also unsere Gedanken, die nicht ausgesprochenen Gedanken. Aber das ist eine persönliche Interpretation.

nis Die formale Besonderheit des absurden Theaters hat vielleicht selbst dazu geführt, dass die Stücke oft besonders ernsthaft und streng inszeniert wurden: Es provoziert immer wieder die Suche nach Sinn und Bedeutung, um dafür dann aber wieder den Boden zu entziehen. Das ist bei Beckett so, und Kurtág folgt ihm darin.

sy Beckett macht sich auch ein wenig über das existenzialistische Theater lustig, das unmittelbar davor Konjunktur hatte. Und Kurtág hat die Substanz von Becketts Theater quasi perfekt in Musik gefasst. Interessant ist dabei: wenn man die Intention dieses Theaters konsequent durchdenkt, läuft es ihm eigentlich völlig zuwider, es in Musik zu setzen. Denn die Musik gibt uns konkrete Gefühle. Und darum gibt es meiner Ansicht nach so viele Stellen, die im pianissimo stehen, geflüstert und schattiert sind, Flageoletts in den Streichern, Rauschen in den Maracas oder auf den Becken. Es sind unheimlich viele Fast-Noten, Fast-Geräusche. Fast subliminal. Dadurch wischt Kurtág das Emotionale, das mit traditionellen Opernstimmen und Instrumenten kommen würde, erst einmal weg und macht Platz. Aber der Platz, der so entsteht, ist kein Vakuum. Häufig gibt es das, was ich als hörbares Schweigen bezeichnen würde. Und das ist eben die verhüllte Bedeutung, von der ich gesprochen habe.

nis Ein Aspekt an Fin de partie, den sowohl Regisseur Herbert Fritsch als auch Sie immer wieder betonen, ist der des Humors.

sy Weil er so wichtig ist. Wir haben ja generell die Sicht auf moderne Musik, dass alles sehr seriös ist. Es ist alles sehr dunkel, fast fromm. Kurtág will weg davon. Beckett wollte auch weg davon. Aber es

»DER SCHWARZE HUMOR

GEHÖRT UNBEDINGT ZUM ABSURDEN

THEATER DAZU, UND KURTÁG HAT IN DEN GESANGSLINIEN

IMMER DORT LEICHT ÜBERTRIEBEN, WO DER BÖSE HUMOR ZUM TRAGEN KOMMT.«

hat sich aus dem Schauspiel eine gewisse Tradition entwickelt, vor allem in Deutschland – darauf weist auch Herbert Fritsch immer wieder hin – in der das dann sehr dunkel, grau, langsam und bedeutungsvoll wurde. Sowohl Beckett als auch Kurtág sehen viel mehr Witz in der ganzen Sache –da gibt es falsch zitierten Baudelaire, falsch zitierten Shakespeare. In der Musik finden wir dann etwa ein Moment, das an Strawinski erinnert, ein anderes, das an Bartók erinnert. Diese kleinen Elemente sollen auch ein kleines Schmunzeln hervorrufen. Der schwarze Humor gehört unbedingt zum absurden Theater dazu, und Kurtág hat in den Gesangslinien immer dort leicht übertrieben, wo der böse Humor zum Tragen kommt. nis Auf den Proben kann man im Moment beobachten, welche Präzision die Sängerinnen und Sänger brauchen, um Kurtágs oft spielerisch klingende Gesangslinien im Sinne des Komponisten umzusetzen.

sy Die Arbeit muss unglaublich genau sein, das stimmt. Es muss perfektionistisch geprobt werden. Zum Glück habe ich eine Besetzung, die das versteht. Die Sänger werden angeregt durch diese Arbeit – sie können das, und es ist auch eine Herausforderung für sie. Und das ist in der Arbeit für mich auch sehr dankbar. Es gibt immer eine Extraverantwortung, wenn der Komponist noch lebt. Man will, dass er damit zufrieden ist. Das ist sein Kind – man will ihm nicht das Gefühl geben, dass wir dem Kind die Haare abgeschnitten haben oder es zu dick werden lassen. Wir haben eine zusätzliche Verantwortung, dass das auch für ihn befriedigend ist. nis Für die Vorbereitung waren Sie auch bei György Kurtág in Budapest. Wie verlief die Arbeit mit ihm? Hat er sie auf viele Details hingewiesen, die ihm wichtig sind, oder haben Sie ihm eher Fragen gestellt?

sy Ich war lange mit Herrn Kurtág im Gespräch, und in Budapest sind wir die Partitur genau durchgegangen, er hat sie am Klavier gespielt, wir haben alle Stimmen gesungen. Ich hatte die Partitur genau studiert und einige Fra-

gen vorbereitet. Viele Fragen sind für den Zuhörer nicht so wichtig, für mich aber sehr – Fragen zum Notentext, der verschiedene Symbole verwendet, zu den Korrekturen, die nach den ersten Aufführungen dazugekommen sind. Wir haben auch über den »indefinitiven« Charakter des Werks gesprochen –es wurde ja als »vorläufige Fassung« uraufgeführt. Er hatte außerdem einige Notizen in seiner Partitur, die nicht in das gedruckte Werk eingegangen sind, und ich fühlte mich sehr geehrt, dass ich diese Notizen abschreiben durfte. nis Wie ist Ihr bisheriger Zugang zu Kurtág gewesen? Haben Sie seine Musik gut gekannt, hat sie Sie begleitet?

sy Einige seiner kleinen Ensemblestücke habe ich selbst aufgeführt. Was ich gut kenne und auch schon länger, sind viele der kleinen Klavierstücke aus der Sammlung Játekok [ Spiele ]. Und er komponiert immer noch! Als ich für die Vorbereitung in Budapest war, kam ich morgens zu ihm, und er zeigte mir gleich ein Klavierstück, das er nachts komponiert hatte. Aus diesen Stücken lernt man viel über seine Harmonien und ihre Symboliken. Über den Sommer habe ich außerdem noch einmal sehr viel von seiner Musik gehört. Etwa die Kammermusikarbeiten, für die er bekannt ist. Das hat mir schon vieles erzählt. Aber ich komme jetzt auch immer wieder auf meine Bewunderung für seine Partitur zurück –dass er, auch in seinem Alter, mit einer derartigen Deutlichkeit schreibt. Es ist einfach alles in der Partitur, was ich brauche. Ich könnte gar nichts verstehen vom Theater des Absurden, nichts von seiner anderen Musik – und könnte trotzdem fast alles aus der Partitur lesen, was ich brauche, um damit zu arbeiten. Das ist absolut bemerkenswert.

THURSDAY – SUNDAY 2.30pm – 5.00pm

IM BANN DES ABSURDEN

Beide gehören zu den großen Charakterdarstellern der Staatsoper, loten Extreme aus, zeigen Menschen, nicht Schablonen auf der Bühne: Georg Nigl und Philippe Sly. In der Fin de partie-Premiere stehen sie gemeinsam als Clov und Hamm auf der Bühne, zeigen Abhängigkeiten, Tragikomödie,

Abgründe. Ein Gespräch über Sterben und Lachen, Angst und Hoffnung, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und die Kraft des Absurden.

PHILIPPE SLY
Probenfoto SOFIA VARGAIOVÁ

ol Fangen wir ganz einfach an. Wer sind die beiden Figuren, die Sie darstellen, also Clov und Hamm?

gn Als ich das Stück und viel Literatur zu Beckett las, fragte ich mich natürlich bald: Wer ist Clov eigentlich? Wen stelle ich dar? Ist er vielleicht nur eine Idee, ein Gedankenspiel von Hamm? Womöglich findet das Ganze nur in Hamms Kopf statt? Dann aber habe ich das Ganze schnell für mich heruntergebrochen und mir gesagt: Clov ist einfach nur ein Diener. Allerdings kein Butler wie aus Downton Abbey, sondern er ist im Widerstand. Sein Problem ist nur, dass er nichts über die Welt jenseits seiner unmittelbaren Umgebung weiß.

ps Hamm ist einer, der nicht aufgibt. Er hält sich für sehr intelligent und für einen Künstler, der edel für sein Werk leidet. Ich hatte ursprünglich einen sehr existentialistischen Zuschnitt der Figur im Kopf und war in der Arbeit mit Herbert Fritsch sehr überrascht, als dieser eine deutlich komödiantischere Perspektive ins Spiel brachte. Sie gab mir eine neue Leichtigkeit, eine Farbe, die ich am Anfang nicht hatte. Es hat der Sache sehr geholfen!

ol Sie sprechen von der komödiantischen Dimension im Werk. Was ist das für ein Humor?

ps In dem Stück hat man das Gefühl, dass wir nur darauf warten, dass alles aufhört zu existieren.

In Hamms erstem Monolog kommt die Frage auf: Warum bestehen wir weiter? Warum kann es nicht einfach enden? Und die Antwort scheint wirklich in der Komik zu liegen. Wenn man das Leben nicht mit Humor betrachten kann, macht es einen wahnsinnig. Es ist verrückter, nicht zu lachen als zu lachen!

gn Wenn man heute Zeitungen aufschlägt, ist das, was einem entgegenspringt, furchtbar. Und was in Fin de partie geredet wird, ist auch furchtbar. Die Frage lautet nun, wie man mit all dem Schrecklichen umgeht. Ich kann die Nachrichten lesen und sofort zu weinen anfangen, oder aber ich lache. Eines ist aber ganz wichtig: Clov und Hamm empfinden sich selbst nicht als lustig. Und damit sprechen wir eines der Geheimnisse dieses Stücks an – und auch ein großes Theatergeheimnis an sich. Nämlich: Die unterhalten werden sollen, sind nicht die auf der Bühne, sondern die im Zuschauerraum. Wenn das Publikum über uns und all die Schrecklichkeiten, die wir sagen, lachen kann, bekommt das Stück plötzlich die vorhin angesprochene Leichtigkeit.

ol Das Publikum soll also lachen? Oder auch nachdenken?

gn Das ist deren Sache. Wir reden in den Proben nicht einmal darüber, was unser Ziel in dieser Hinsicht wäre.

GEORG NIGL
Probenfoto SOFIA VARGAIOVÁ

FIN DE PARTIE

HERBERT FRITSCH, PHILIPPE SLY & GEORG NIGL

Probenfotos SOFIA VARGAIOVÁ

ol Aber dennoch: Was wollen Sie im Innersten? Etwas vermitteln? Eine moralische Lehrstube sein, wie bei Schiller?

gn Fin de partie ist einfach eine große Irritation. Die Musiksprache, die wir hier erleben, ist schwieriger zu verstehen als jene des 18. und 19. Jahrhunderts, es ist nicht die Klangwelt eines Haydn oder Mozart. Dieses »anders« irritiert. Und dazu kommt Text, der noch mehr irritiert, weil er absurd ist. Wobei ich persönlich keine Probleme mit absurden Stücken habe, denn wenn man an das Leben außerhalb des Theaters denkt, ist es ja auch absurd! Ich komme jetzt noch einmal zu den Nachrichten, die wir alle konsumieren: Wenn man mitbekommt, was heute in der Welt alles passiert, ist ein surrealistisches Werk doch nichts dagegen!

ps Wir zeigen etwas auf der Bühne und Menschen erkennen darin Aspekte ihres eigenen Verhaltens – und das bringt sie zum Nachdenken. Denn wenn wir ehrlich sind: Wir alle wählen im Leben unsere eigenen Käfige, auch wenn wir so tun, als ob das nicht wahr wäre. Und genau darum geht es in dieser Oper! Das Stück handelt von den Käfigen und von dem Leid, das wir uns selbst schaffen. Viele Menschen identifizieren sich irgendwann so sehr mit ihrem Leiden, dass sie glauben, ohne es nicht leben zu können. Sie halten daran fest, weil es das Einzige ist, das sie kennen.

ol Fin de partie arbeitet mit den kleinen, präzisen Mitteln des Theaters. Fehlt Ihnen etwas im Vergleich zu einem mächtigen Ausstattungstheater?

ps Die Tatsache, dass die Mittel dieser Oper und des Theaterstücks sehr bescheiden sind – zum Beispiel: drei der vier handelnden Figuren können sich kaum bewegen –, trägt zur Intensität des Abends bei. Die kleinsten Gesten, die Feinheiten des Theaters sorgen für sehr starke Momente. Ich kann mich so mehr auf Charakterisierung und Farben konzentrieren. Herbert Fritsch und Simone Young geben mir, was den Einsatz meiner Stimme angeht, eine Menge Freiheiten. Und die besondere Orchestrierung erlaubt es mir, die Extreme meiner Stimme zu nutzen. Ich kann meiner Fantasie freien Lauf lassen – das ist sehr aufregend.

gn Manchmal würde ich gerne Philippes Rolle, also den Hamm spielen! Denn mit zunehmendem Alter mag ich die szenische Reduktion mehr und mehr. In jungen Jahren

will man möglichst großflächig spielen, um auf der Bühne wahrgenommen zu werden. Man glaubt, dass man so mehr Aufmerksamkeit bekommt. Aber so ist es ja nicht... Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass ich schon sehr froh bin, den Clov zu singen. Denn Hamm ist musikalisch unglaublich herausfordernd…

ol Ist es nicht schwierig, ein Werk zu spielen, bei dem sich der Autor des originalen Schauspiels bewusst jeder Interpretation entzog? Braucht es nicht irgendeinen Anker? Etwas Konkretes?

ps Die Lebensgeschichten der Figuren sind nicht wirklich bedeutsam. Es gibt ein paar grundsätzliche Dinge, die wichtig sind, wie das Verhältnis der Figuren zueinander: Herr und Diener, Eltern und so weiter. Aber ich habe das Gefühl, dass wir, wenn wir zu viele Entscheidungen treffen, uns daran hindern, das Ganze verständlich zu machen. Es ist wie beim Singen eines Liedes. Man kann sich eine Hintergrundgeschichte für seine Figur ausdenken – aber das macht ein Lied nicht besser. Denn es geht darum, die Verbindung zwischen Klang und Poesie zu finden, zu erfahren, wie die Musik und die Poesie mit- und manchmal gegeneinander arbeiten. Diese Spannung erzeugt eine bestimmte Farbe. Und hier in Fin de partie ist es ganz ähnlich.

ol Das der Oper zugrundeliegende Theaterstück von Beckett wurde 1957 uraufgeführt. Das war vor fast 70 Jahren. Das Dystopische scheint zeitlos zu sein…

gn Das Stück wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben, da ging die Angst vor Atomraketen um. Auch wenn heute eine Sorge um die Zukunft herrscht, ist die Situation doch eine ganz andere. 1957 gingen die Menschen noch in Kirchen. Das ist etwas, das viele heute nicht mehr machen. Religion hat vielerorts ihren Wert verloren, Weihnachten ist nur noch ein Geschenkefest. Und in den 1950er Jahren hatten viele Freunde und Bekannte, die im Weltkrieg ihr Leben verloren hatten. Würden wir heute das Stück in einer Kriegsregion spielen, wäre die Bedeutung für uns eine ganz andere.

ol Aber ist das Werk heute dunkler? Eben weil, wie Sie sagen, in den 1950er Jahren viele noch Hoffnung etwa durch eine Religion hatten?

gn Das hängt ganz von der jeweiligen Person ab. Für mich ist Fin de partie nicht sehr

dunkel. Absurd ja, aber nicht dunkel. Aber wie ich vorhin sagte: Das Leben ist ja auch absurd. Oftmals denke ich im Flugzeug: Und was wäre, wenn der Flieger jetzt abstürzte? Ich bin zur Schule gegangen, habe Matura gemacht, geheiratet und viel gesungen – und dann dieses plötzliche Ende. Dabei wollte ich doch immer einen Tod haben, bei dem ich zurückblicke und endlich alles verstehe.

(lacht) Aber das Leben ist nicht so. Wir müssen verstehen, dass das Einzige, das wir haben, das Jetzt ist.

ps Das Helle entsteht in der Erkenntnis, dass wir den gegenwärtigen Moment nutzen müssen. Wir können zwar an die Vergangenheit und die Zukunft gebunden sein, aber der einzige Moment, zu dem wir tatsächlich Zugang haben, dieser winzige Splitter, der ist das Jetzt. Und noch etwas: Das Stück heißt Endspiel, nicht Apokalypse. Man kann das Warten auf das Ende in ein Spiel verwandeln, und darin liegt auch der Humor des Lebens. Das Theater wiederum ermöglicht es uns, uns selbst zu betrachten. Hamm kann das, er distanziert sich von sich selbst und findet sich plötzlich urkomisch – und das ist sehr gesund. Denn

»Das Helle entsteht in der Erkenntnis, dass wir den gegenwärtigen Moment nutzen müssen.«

die Menschen nehmen sich selbst zu ernst, fast krankhaft ernst. Fin de partie zeigt uns, dass wir wieder lernen müssen zu lachen.

gn Ich denke, der größte Fehler unserer Zeit ist, dass wir uns so viel mit uns selbst beschäftigen. Daher versuche ich, die meiste Zeit nicht an mich zu denken, sondern an die Gemeinschaft. Das ist auch einer der Gründe, warum ich Sänger geworden bin. Ich arbeite heute nicht mehr wie früher in einem Spital, sondern in der Oper, aber ich möchte als Künstler anderen durch meine Arbeit etwas Schönes schenken. Und ich schätze es, meine Zeit in einer Gemeinschaft zu verbringen. Etwa jetzt gerade, bei unserem Gespräch. Wenn ich das mache, habe ich auch weniger Angst vor dem Sterben, da ich dann nicht über meine Einsamkeit nachdenke. Auch das hat mit Fin de partie zu tun: Denn letztlich brauchen die Figuren einander und können ohne die jeweils anderen nicht existieren. Das darf man nicht vergessen: Es geht nicht um einen, sondern um vier.

ps Die Welt, in der wir leben, bietet eine Dualität an: Man kann als Individuum handeln, aber ist gleichzeitig auch Teil eines größeren Ganzen. Jeder einzelne Aspekt des Lebens funktioniert auf diese Weise: Ein Atom, ein Molekül, ja, auch unsere Organe haben eine Identität, aber sie gehören auch zu etwas Umfassenderen. Es wäre pathologisch, das eine oder das andere zu leugnen. Was ich bei Fin de partie auch interessant finde, ist, dass das Stück zu Beginn eines enormen Wohlstandsaufschwungs geschrieben worden ist: Von 1950 bis 1990 ging es hierzulande in vielen Dingen steil bergauf. Das waren die Babyboomer, die heute auf die Welt schauen und meinen, dass alles den Bach runtergeht. Mit anderen Worten: Fin de partie wurde zu Beginn des Aufschwungs geschrieben und wir spielen es am Ende dieser Periode. Wir befinden uns in einer Zeit der Dekadenz und des Exzesses und der überreifen Früchte, wie am Ende des Römischen Reiches.

gn Das ist eine mögliche Sicht auf das Stück. Aber es kann noch Hunderte andere geben. Beckett würde sich womöglich missverstanden fühlen, wenn wir ihm diese Deutung erzählen würden.

ps Jedenfalls ist es ein sehr persönliches Werk, weil es von seiner eigenen Angst handelt. ol Angst… haben Sie persönlich Angst vor dem Ende?

ps Es ist amüsant, denn viele Menschen haben Angst, dass der Tod das Ende sein könnte –und viele fürchten, dass er es eben nicht ist. Auf eine gewisse Art fasziniert er mich. Es macht uns Menschen jedenfalls zu etwas Besonderem, dass wir uns unseres Endes bewusst sind. Das hat auch eine aktivierende Kraft... Ich persönlich schwanke sehr. Manchmal erscheint mir der Tod

PHILIPPE SLY
PHILIPPE SLY
Probenfoto SOFIA VARGAIOVÁ
»Der Tod ist eine Frage, die so gewaltig ist, dass wir einfach keine Antwort auf sie finden.«
GEORG NIGL

GEORG NIGL

Probenfoto SOFIA VARGAIOVÁ

als natürlich und ich kann mich auf den Gedanken an ihn einlassen, dann wiederum empfinde ich eine so große Freude an dem, was passiert, dass ich das Leben unbedingt festhalten möchte – und das lässt mich den Tod fürchten.

gn Ich blicke auf ein Jahr zurück, in dem ich viele Tote zu beklagen hatte und ich war auf vielen Friedhöfen, von denen ich teils gar nicht wusste, dass sie existieren. Da ich gelernt habe: Der Moment, in dem man mit dem Tod einer nahestehenden Person konfrontiert wird, ist ganz anders, als man es erwartet. Man kann sich darauf nicht vorbereiten. Bei der Einsegnung eines meiner besten Freunde blickte ich in der Kirche erstmals auf die alten, steinernen Grabplatten nicht wie auf historische Kunstwerke, sondern dachte: Auch ich werde einmal unter einem solchen Stein liegen und ein anderer wird die Inschrift lesen. Ein seltsames Gefühl! Der Tod ist eine Frage, die so gewaltig ist, dass wir einfach keine Antwort

auf sie finden.

ol Joachim Fest sprach einmal davon, dass die meisten Menschen entweder in der Vergangenheit oder der Zukunft leben. Wo leben Sie?

gn Nur in der Gegenwart und in der Zukunft. Was vorbei ist, ist vorbei und interessiert mich nicht mehr. Natürlich bin ich durch meine Vergangenheit das, was ich heute bin, aber ich blicke dennoch nicht zurück.

ps Ich stelle fest, dass ich ein sehr nostalgischer Mensch bin. Ich bin also mehr in der Vergangenheit und der Gegenwart als in der Zukunft. Natürlich habe ich als Vater gewisse Verpflichtungen, was die Zukunft anbelangt. Aber je älter ich werde, desto mehr mag ich Geschichten, und deshalb ist mein Blick zurück jetzt viel stärker als in meiner Jugend, als es nur um die Zukunft ging.

FISCHER

WAS MUSIK MIT EINEM MACHT

WOLFGANG AMADEUS MOZART

18. 20. 23. 27. OKTOBER Musikalische Leitung ADAM FISCHER Inszenierung BARRIE KOSKY Mit NICOLE CAR / CECILIA MOLINARI / MARKUS WERBA / BOGDAN VOLKOV / MARIA NAZAROVA / LUCA PISARONI

ADAM

Am 9. September wurde Adam Fischer 75 Jahre alt. Man glaubt, sich geirrt zu haben und muss das zweimal lesen. 75? Denn erlebt man den ungarischen Dirigenten in seiner Behändigkeit, mit seiner sprühenden Energie und seinem jugendlichen Schalk, wähnt man ihn Jahrzehnte jünger.

Die Statistik belehrt einen: Staatsopernengagement als Korrepetitor 1973, Staatsoperndebüt als Dirigent 1980, weit über 400 Auftritte im Haus am Ring, Ehrenmitglied, ein schier unüberschaubares Repertoire. Das er so atemberaubend bringt, dass man, müsste man einen Favoriten wählen, nicht entscheiden könnte: Wagner? Oder Verdi? Oder, natürlich, der Fischer’sche Rosenkavalier ? Fledermaus, Fidelio, Verismo: alles berückend. Doch, vielleicht steht einer über den anderen, zumindest quantitativ: Mozart. Keinen anderen Komponisten hat Fischer an der Staatsoper häufiger dirigiert. Anlässlich seiner Così fan tutte -Vorstellungen erzählt der Dirigent Oliver Láng, bei welcher Mozart-Stelle er bis heute Herzklopfen bekommt, was eine Lebensabschnittswahrheit ist und wovon Dirigenten nachts so träumen. Und er beantwortet die Frage, ob die Musik ihn zu einem anderen, vielleicht sogar besseren Menschen gemacht hat.

ol Gibt es eigentlich so etwas wie den typischen Dirigenten-Traum, oder: Alptraum?

Etwa: Man tritt auf und hat die Noten vergessen. Oder an sich einen wiederkehrenden Berufstraum?

af Also, früher habe ich manchmal geträumt, dass ich noch in der Garderobe sitze und die Vorstellung beginnt plötzlich ohne mich. Weil ich nicht im Orchestergraben bin, übernimmt der Konzertmeister und ich höre über den Lautsprecher die Musik. Fragen Sie

mich nicht, was dieser Traum bedeuten soll, ich weiß es nicht… Übrigens ist das schon passiert, wenn auch zum Glück nicht mir. In Kopenhagen bei irgendeiner Vorstellung, da hat der Dirigent verschlafen und man musste anfangen. Bis er endlich am Pult stand, war man schon bei der zweiten Hälfte des ersten Aktes. Das ist also gar nicht so abwegig. Aber in meinem Fall war’s Gott sei Dank immer nur ein Traum.

»Ich hätte mich in meinem Leben auch mit Literatur oder Malerei beschäftigen können. Aber Musik kann für mich mehr, sie vermag mehr auszudrücken, als das reine Wort es kann. Musik sagt, was mit Worten nicht zu beschreiben ist.«

ol Bleiben wir in der Traumwelt. Wenn Sie eine Oper dirigieren: Ist das so etwas wie das Eintreten in eine andere Dimension? In dem Sinne, dass Sie fühlen: Draußen Realität, aber nun bin ich in der Nozze di Figaro-Welt oder der Così fan tutte -Welt. Eben fast wie ein Traum?

af Ja, das ist ganz klar. Ich fange an und tauche in die Oper ein. Und in die Figuren. Soll ich an dieser Stelle erzählen, dass ich mich früher in Nozze di Figaro mit Cherubino identifiziert habe, heute eher mit Don Alfonso aus Così fan tutte? (lacht) Sie merken, die Zeit ändert manches und zweifellos sieht man die Werke im Laufe der Jahre aus anderen Perspektiven. Wo immer ich aber gerade stehe: Immer fühle ich mit den Darstellerinnen und Darstellern mit. Die Emotionen, die ausgedrückt werden, die Traurigkeit der Gräfin oder die Wut des Grafen in Nozze di Figaro: am Dirigentenpult erlebe auch ich das alles. ol Und versteht man dann die echte Welt besser? Wenn Sie die Traurigkeit der Gräfin fühlen, begreifen Sie eine reale Trauer in der Welt auch tiefer?

af Auf alle Fälle ist es in Bezug auf die eigene Befindlichkeit so. Denn die Kunst ist dazu da, Gefühle zu beschreiben. Eine gute Aufführung bedeutet, dass jemand im Zuschauerraum oder auf der Bühne die eigenen Emotionen entdeckt. Also: »Ah, diese Figur ist traurig, und ja, gestern, gestern ging es mir genauso!« Man erkennt sich selbst. Genau darauf konzentriere ich mich, auf die Emotionen, die entstehen und vermittelt werden. Und noch ein Nachtrag zur vorherigen Frage, zum Eintauchen in die Welt der

Musik und der Oper: Es ist ja fast ein Luxus, wenn ich das als Dirigent machen kann. Denn eigentlich ist es ein Kunstfehler, wenn man als Ausführender der Musik zu sehr nachgibt. Im Grunde sollte der Kopf nämlich klar bleiben. Wie bei einem Arzt, der operiert. Der darf ja auch keine Emotionen haben in Bezug auf das, was er gerade tut. Wobei: In dem Augenblick, in dem etwas Unvorhergesehenes im Theater passiert, kühlt mein Kopf sofort wieder ab. Und es ist klare Konzentration angesagt: Achtung, die Oboe muss jetzt früher einsetzen und ich muss auf der Bühne auf dieses oder jenes achten… ol Wer ist Mozart für Sie? Ein Kollege, ein Freund, ein Vorbild, ein Genie, das kaum zu begreifen ist?

af Er füllt mein Leben aus. Ich habe mit zwölf Jahren in der Zauberflöte gesungen, das hat mich geprägt. Bis heute bekomme ich Herzklopfen, wenn die Posaunen im Finale erklingen. Denn unmittelbar nach den Posaunen war, als einer der drei Knaben, mein Einsatz. Seit diesen Auftritten ist Mozart Teil meines Lebens, ist er meine Welt… Das betrifft übrigens auch Wien. Ich bin Mitte September 1968 hier angekommen, und die allererste Aufführung, die ich an der Wiener Staatsoper erlebte, war rund zwei Wochen später Così fan tutte. Josef Krips hat dirigiert, und ich durfte den Wiener Klang kennenlernen – und der ist wirklich einmalig. Mit Mozart fing es auch hier an. ol Führen Sie eigentlich mitunter im Kopf Gespräche mit Mozart? Befragen Sie ihn zu Werken? Oder fragen Sie ihn, wie er eine Vorstellung empfunden hat?

af Nein, das eigentlich nicht. Aber ich bin ihm sehr nahe, ich kenne sein Leben sehr genau. Ich weiß um Mozarts Verbindung zu seinem Vater, kenne die Briefe, die ganze Biografie, die Aufführungsgeschichte von seinen Werken. Und wenn Sie mich jetzt fragten, was ich von ihm oder in Bezug auf ihn gerne wüsste: eine Menge! Vor allem: Was er noch komponiert hätte, wenn er nicht so früh gestorben wäre. Denn: Wäre er nach Don Giovanni gestorben, dann hätten alle gemeint, dass mit diesem Werk der absolute Gipfel erreicht sei. Das könne man nicht mehr überbieten! Und was machte Mozart? Er schrieb die Zauberflöte, ein Werk in einem ganz neuen Stil. Ich denke, dass er in seinen letzten Monaten einen ganz neuen Weg eingeschlagen hat, den er aber nicht zu Ende gegangen ist. ol Etliche Zuschauerinnen und Zuschauer berichten, dass sie nicht in jeder Lebenssituation jeden Komponisten hören möchten. So ist zum Beispiel Wagner für manche mitunter anstrengend. Aber Mozart scheint hier die Ausnahme zu sein. Ist es bei Ihnen auch so, dass Sie Mozart immer hören und dirigieren können?

af Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der ich Mozart nicht hören könnte. Dass Wagner an-

strengend ist, das kommt vor. Es gibt Momente, da möchte ich eigentlich nur Bach hören – aber Mozart geht dann eigentlich auch. Nur ein Stück von ihm mag ich nicht… seine Bearbeitung vom Händel’schen Messias. Ich habe das zweimal dirigiert, werde aber mit dem Werk nicht warm. Doch es ist wirklich sein einziges Stück, bei dem es mir so geht!

ol Rainer Maria Rilke beschreibt in einem Gedicht eine Kunsterfahrung, die so intensiv ist, dass er daraufhin sein Leben

Das hat eben mit dem immensen Reichtum Mozarts zu tun.

ol Gibt es Momente, in denen Sie das Gefühl haben, Mozart ganz verstanden zu haben? Vielleicht nicht für immer, aber zumindest punktuell?

af Für Augenblicke denke ich, dass etwas so oder so sein muss. Aber es ist keine ewige Wahrheit, vielleicht gilt die Erkenntnis schon am nächsten Tag nicht mehr. Manche sagen, dass es Lebensabschnittspartner gibt; ich habe Lebensabschnittswahrheiten.

Beispiel: Osmin in der Entführung aus dem Serail liegt deshalb so tief, weil der Uraufführungssänger diese Tiefe gehabt hat. Oder Mitridate: Der Sänger der Uraufführung soll keine gute Mittellage gehabt haben, daher hat Mozart eine Partie geschrieben, die eher im oberen und unteren Bereich viel fordert. Heute muss man demnach einen Sänger zu finden, der genau das beherrscht.

ol Sie verbringen Ihr ganzes Leben mit Musik. Hat Sie das als Mensch verändert? Sind

ändern muss. Sind Sie schon einer solch großen und bewegenden Mozart-Stelle begegnet, die von Ihnen fordert, ein neuer Mensch zu werden?

af Ein neuer Mensch ist ein vielleicht zu großes Wort. Aber wenn ich Probleme habe, denke ich an eine Mozart-Stelle und fühle ich mich dadurch wohler. Manchmal tröstet mich das.

ol Und welche Stelle ist das?

af Wenn ich eine nenne, bin ich den anderen Stellen gegenüber ungerecht. Aber… »Bisogna aver coraggio«, diese Passage aus Don Giovanni. Aber das sage ich gerade nur so aus dem Bauch heraus, ohne Garantie. Wenn Sie mich in zehn Minuten nochmals fragen, nenne ich Ihnen vielleicht eine ganz andere Stelle.

ol Immer wieder erzählen Sängerinnen und Sänger, dass Mozart der Stimme besonders wohltut.

af Naja, Mozart hat von der Gesangsstimme natürlich viel verstanden. So schrieb er Partien, die gut »in der Stimme liegen«. Aber, und das darf man nie vergessen, er schrieb für damals lebende, ganz bestimmte Sängerinnen und Sänger, die er im Ohr hatte. Daher können manche Partien für heutige Darsteller schwierig sein, weil Mozart eben auf die Besonderheiten einer bestimmten Person einging. Wenn man also Besetzungen sucht, ist es, als ob man zu einem bestehenden maßgeschneiderten Anzug eine Person suchte, die genau hineinpasst. Ein

Sie durch die Musik vielleicht sogar ein besserer Mensch geworden?

af Das weiß ich nicht. Ich finde jedenfalls, dass Musik eine interessantere und intensivere Kunstgattung ist als alle anderen. Ich hätte mich in meinem Leben auch mit Literatur oder Malerei beschäftigen können. Aber Musik kann für mich mehr, sie vermag mehr auszudrücken, als das reine Wort es kann. Musik sagt, was mit Worten nicht zu beschreiben ist. Ich jedenfalls betrete durch sie eine andere Dimension und kann mein Innerstes besser offenbaren als in jeder anderen Sprache. Ich würde also sagen, dass die Musik aus mir zumindest einen anderen Menschen gemacht hat!

ADAM FISCHER
Foto AGNETE SCHLICHTKRULL

SCHEIN ODER NICHTSCHEIN

Was ist Sein, was ist Schein? Das »Spiel im

Spiel« ist Kern und Würze von Wolfgang Amadeus Mozarts Così

fan tutte. Barrie Kosky macht es in seiner Inszenierung explizit zum Thema – und wandelt dabei auf Shakespeares Spuren.

Auf der Theaterbühne schlüpfen die Darstellerinnen und Darsteller in ihre Rollen und präsentieren diese einen Abend lang in ihren Handlungen und Gefühlen. Zwischen Bühne und Publikum besteht dabei das unausgesprochene Übereinkommen, das Dargestellte als Wirklichkeit der Theaterwelt anzunehmen. In der Theater- und Operngeschichte gibt es jedoch immer wieder auch Werke, in denen innerhalb der Handlung Theater gespielt wird. Mit diesem Spiel im Spiel stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen Wirklichkeit und Spiel verläuft.

In Così fan tutte spielen Ferrando und Guglielmo die Rollen zweier fremder Verehrer, um die Treue ihrer Verlobten zu prüfen. Diese Idee des Spiels als Prüfung

findet sich bereits in der früheren Theatergeschichte an besonders prominenter Stelle: In William Shakespeares Hamlet wird von einer Schauspielgruppe ein Königsmord nachgespielt und der mutmaßliche Täter anhand seiner Reaktion überführt. Hamlet kündigt dies selbst an: »Es gibt zu Nacht ein Schauspiel vor dem König; ein Auftritt kommt darin dem Umstand nah, den ich von meines Vaters Tod dir sagte.« Korrespondenzen des »Spiels im Spiel« zwischen den Werken von Shakespeare und Mozart und Da Ponte sollen hier näher betrachtet werden. In seinem Buch Maske – Theater, Kult und Brauchtum definiert Manfred Brauneck den Zweck der Maske im griechischen Theater als die Möglichkeit, »sich zu ver-

SZENENBILDER

COSÌ FAN TUTTE

Fotos MICHAEL PÖHN

SZENENBILD

COSÌ FAN TUTTE

Foto MICHAEL PÖHN

bergen, zugleich aber, […] sich zu zeigen; verwandelt in ein anderes Wesen als das, welches man ist, oder: in eines, das man sein möchte.« Ähnliches kann von den Kostümierungen gesagt werden, die Ferrando und Guglielmo im zweiten Akt von Così fan tutte anlegen . Nach Wolfgang Willaschek versetzen sich die beiden immer mehr in die Rolle der »Albaner«, die versuchen, Dorabella und Fiordiligi zu verführen, bis »der Schein des Spieles endgültig in unmittelbares Sein« umschlägt.

Shakespeare verwendete die Möglichkeit der Verkleidung in seiner Komödie Wie es euch gefällt, um das Verwirrspiel der Liebe zwischen Wahrheit und Schein zu gestalten. Orlando verliebt sich, zur Liebeswerbung bewusst aufgefordert, in die von

ihm geliebte, aber als Mann verkleidete Rosalind. Wahrheit oder Täuschung? Bühnenwahrheit, könnte man sagen. Auch in Così fan tutte werden die Irrwege der Protagonistinnen und Protagonisten, wie Wolfgang Willaschek formuliert, »aus der Wirklichkeit in die Wahrheit des Theaters« übertragen. Hier erhält diese Wahrheit allerdings noch eine zusätzliche entscheidende Beglaubigung: Die Musik W.A. Mozarts scheint jeden Zweifel über die Wahrheit des jeweiligen Moments auszuhebeln. Für Regisseur Barrie Kosky bilden Shakespeares Theater und das Spiel im Spiel eine Grundlage für die Auseinandersetzung mit Così fan tutte. Die einsame Insel in Shakespeares Der Sturm kann ebenso als eine Theaterbühne gedeutet werden wie

der Auftritt der verkleideten Liebhaber in Da Pontes Libretto als Theaterspiel. Beide Male gibt es mit Prospero bzw. Don Alfonso einen Leiter des Spiels, der seine ganz eigenen Wünsche in die Spielregeln einbringt. Nicht bestätigen ließ sich bisher die direkte Verbindung, die Hans Walter Gabler im Shakespeare-Handbuch ins Spiel bringt: Mozart selbst habe »das Libretto der Geisterinsel [nach Shakespeares Der Sturm] noch kurz vor seinem Tode zur Vertonung angenommen«.

»Mozart lässt seine Protagonistinnen keineswegs naiv erscheinen.

In ihren großen Arien verhandeln beide Frauen ihre erwachenden Gefühle und die sich ihnen eröffnenden Möglichkeiten.«

Wie im antiken Theater besteht auch bei Shakespeare kein Anspruch auf (Abbild-)Realismus. Die Loslösung von Realitäten, etwa Prosperos Zauberkunst in Der Sturm , ist ebenso »unrealistisch« wie die Verwandlung und Nichtwiedererkennung maskierter Figuren in den Augen ihrer Mitspieler. Die Theaterwirklichkeit spielt mit ihrem Spielraum: Was ist Wirklichkeit, was ist Spiel? Auf diese Dialektik lässt sich auch Mozarts Così fan tutte zurückführen. Ob sich Fiordiligi und Dorabella in die neue äußere Erscheinung ihrer verkleideten Verlobten oder in deren Wesensart verlieben, bleibt eine Frage der Interpretation. Mozart lässt seine Protagonistinnen keineswegs naiv erscheinen. In ihren großen Arien verhandeln beide Frauen ihre erwachenden Gefühle und die sich ihnen eröffnenden Möglichkeiten. Dabei können der Oper shakespearehafte Züge attestiert werden. Überzeugt, dass sie für die Liebe aufs Schlachtfeld und bis in den Tod gehen würde, besingt Fiordiligi ihre Gefühle: »Gib mit diesen Dolch; er soll mir den Tod geben, wenn ein grausames Schicksal meinen Geliebten in die Brust…!« In ihrer Zerrissenheit erinnert sie an Shakespeares Hamlet, der in seinem Monolog über sein unentschlossenes Handeln reflektiert: »Dass wir die Übel, die wir haben, lieber ertragen als zu unbekannten fliehn. So macht Bewusstsein Feige aus uns allen.« Fiordiligi reagiert dagegen gar nicht feige, sondern sieht als einzigen Ausweg aus dem aufkommenden Interesse für den Unbekannten die Flucht aufs Schlachtfeld zu ihrem Geliebten: »Auf zur Schlacht, zur Schlacht! Einen anderen Weg gibt es nicht, um die Unschuld zu bewahren.«

Die Ausformulierung von Hamlets Monolog-Beginn über die zu hinterfragende Existenz und das eigene Sein kann auf das Spiel von Mozarts Oper bezogen werden. Korrespondierend zur Gruppe von Darstellern in Shakespeares Hamlet werden bei Mozart die Figuren in Così fan tutte

selbst zu Schauspielenden. »Die Verdopplung des Spiels im Spiel macht«, nach Ramona Mosses Beitrag zum Hamlet-Handbuch von Peter W. Marx, »noch einmal deutlich, dass eindeutiger Sinn und Bedeutung sich dem Medium Theater strukturell immer wieder entziehen«. Das Spiel bietet in der Gegenüberstellung von Bühnenexistenz und Theaterspiel vielmehr die Möglichkeit, Handlungen anzudeuten und auszuprobieren, die der Realität fern sind und keine Begründung erfahren müssen. Legitimiert werden sie allein durch die eindeutig als Spiel zu erkennende Darstellung, die häufig visuell durch Verkleidungen unterstützt und glaubhaft gemacht wird.

Das Spiel auf der Bühne ermöglicht ein Nebeneinander der verschiedenen Gedanken und Gefühle auf engstem Raum. So kann Guglielmo trotz seines schlechten Gewissens – »Unglücklicher Ferrando!« – gleichzeitig sein Soldatenehrenwort einlösen und Dorabella verführen: »Oh welche Freude!« Da Ponte und Mozart können sich dabei auf die Theaterkonvention verlassen. Dem Publikum ist damals wie heute die theatrale Fiktion auf der Bühne als Wirklichkeit der Bühnenfiguren bewusst und wird als deren Realität angenommen. Die Protagonistinnen und Protagonisten in Così fan tutte verlieren sich ihrerseits zunehmend zwischen den verschiedenen Ebenen des Seins und des Spiels, bis sie schließlich selbst nicht mehr zwischen ihnen unterscheiden können. Mit Blick auf die vier Liebenden in Così fan tutte fängt Mozart die sich damit einstellende Dramatik am Ende seiner Opera buffa doch wieder zur Komödie ein. Es müssen einander alle vergeben, dies jedoch mehr erzwungen als freiwillig – die Konvention des lieto fine, des »happy end« der Opera buffa, schreibt es vor. Durch das Balancieren der Figuren im tragisches Grenzbereich würde auch in dieser komischen Oper ein glücklicher Ausgang nicht zwingend gegeben erscheinen. Im Spiel im Spiel auf der Theaterbühne fallen im letzten großen Handlungsumschwung am Ende alle Masken. So können am Ende von Shakespeares Komödie Wie es euch gefällt Orlando und Rosalind nach der Rückkehr aus dem Spiel in die Theaterrealität ihre Hochzeit feiern. In Così fan tutte enthüllt die Demaskierung der verkleideten Männer auch das Spiel der Wette mit Don Alfonso, deren komödiantischer Ausgang für die vier Liebenden hingegen fraglich bleibt. Da Pontes Libretto finalisiert mit einem letzten großen Ensemble über die »Wechselfälle des Lebens«. Die gesamten zwei vorangegangenen Akte der Oper können mit Blick auf dieses auch musikalisch durch eine deutliche Zäsur abgetrennte Schlussresümee als ein Spiel angesehen werden, das innerhalb des Theaters die verwirrenden Wege des Lebens porträtiert.

EISERNER VORHANG

2024/25

»BAUCHHÖHLE ÜBERFLIEGT STAUMAUER«

VON PIPILOTTI RIST

Oben: hohe Berge, spitz, zerklüftet und schroff. In den Felsen hängen Schneereste, der Himmel darüber ist wolkenverhangen. Anscheinend wurde an den Farbreglern gedreht, um das Nachbrennen der Farben vor dem inneren Auge zu simulieren, denn alles ist in ein surrealtechnisches Blau-Rot-Grün getaucht. Darunter: ein künstlich angestauter See, eingeklemmt im Tal. Wie ein horizontaler Schnitt läuft die glatte Wasseroberfläche, auch sie seltsam rot gefärbt, durchs kantige Panorama. Noch eine Etage tiefer geht es – ein weiterer Schnitt, diesmal vertikal – hinein in eine dunkle Tiefe, durchzogen von länglichen Verzerrungen.

Der »Gipfel« der Künstlichkeit aber schwebt darüber: ein Bild im Bild, der Output eines Magnetresonanztomographen. Auch hier hat man es mit einem erneuten präzisen Schnitt zu tun, diesmal mitten durch die Bauchhöhle, ein Standbild des Lebendigen. Man sieht darauf, was man eben so sieht, wenn man einen Bauch durchschneidet: das, was hält (die Wirbelsäule), das, was arbeitet (die Gedärme), das, was schützend umschließt (der Rumpf). Dazwischen: Leere.

Die Reise, der Flug, führt über einen Stausee und über hohe Berge, führt über einen eisernen Vorhang hinweg auf eine Bühne, auf der ganz reale Körper stehen und im Zusammenspiel mit Klang und Bühnentechnik große Gefühle schaffen. Gefühle, die wir gemeinsam erleben. Gefühle, die uns berühren, körperlich. Und die uns verändern können, wie künstlich auch immer sie sein mögen.

Dominikus Müller

Die Ausstellungsreihe »Eiserner Vorhang« ist ein Projekt von museum in progress in Kooperation mit der Wiener Staatsoper und der Bundestheater-Holding. Jury: Daniel Birnbaum, Bice Curiger, Hans-Ulrich Obrist. Management: Kaspar Mühlemann Hartl, Alois Herrmann. Projektpartner: iSi Group und Sikkens Prize. Support: ART for ART, Bildrecht, Hotel Altstadt, Johann Kattus, Schweizerische Botschaft in Österreich und SO/ Vienna. Medienpartner: DIE FURCHE und Die Presse.

RUDOLF NUREJEW (PRINZ SIEGFRIED) & DAMENENSEMBLE (1988) Foto AXEL ZEININGER

60 JAHRE SCHWANENSEE VON RUDOLF NUREJEW

JUBILÄUM EINES BALLETTKLASSIKERS IN NEUEN BESETZUNGEN

»Es wurde ein Theaterabend, an dem ein besessener Theatermann in seinem künstlerischen Höhenflug alles überragt, was in den letzten Monaten in Europa an Balletten produziert worden ist.«
HORST KOEGLER (1964)

Der 15. Oktober 1964 markiert eines der herausragendsten Ereignisse in der Geschichte des Balletts an der Wiener Staatsoper: die Premiere des Ballettklassikers Schwanensee zu Piotr I. Tschaikowskis Partitur in der neu gedeuteten, vieraktigen Fassung des damals erst 26-jährigen Rudolf Nurejew, der zugleich die auf sich maßgeschneiderte männliche Hauptrolle des Prinzen Siegfried tanzte. Diesen großen, durchaus waghalsigen Coup hatte der damalige Ballettdirektor des Hauses am Ring Aurel von Milloss gelandet. Als Tänzer bereits ein Star, als Choreograph nahezu unerfahren, war es Nurejews erste Inszenierung außerhalb des Royal Ballet, für das er bereits Einstudierungen von Werken Marius Petipas gemacht hatte. Auch bei Schwanensee diente ihm – wie zahlreichen weiteren Choreograph*innen weltweit – Petipas und Lew Iwanows Fassung aus dem Jahr 1895 als Basis. Erstmals wurde an der Wiener Staatsoper somit der komplette Schwanensee aufgeführt, zuvor lediglich der zweite Akt in der Choreographie von Gordon Hamilton nach Iwanow. Für das Ballett der Pariser Oper erarbeitete Nurejew 1984 eine weitere Fassung dieses Meisterwerks.

Die Wiener Schwanensee-Premiere vor exakt 60 Jahren in der Ausstattung von Nicholas Georgiadis und unter dem Dirigat von Charles Dutoit wurde zum Triumph – allen voran für Choreograph und Protagonist Rudolf Nurejew und die britische Ausnahme-Ballerina Dame Margot Fonteyn in der Doppelrolle der Odette/Odile. Mit der bekannten Verfilmung dieser Produktion im Jahr 1966 –ebenfalls mit Nurejew und Fonteyn in den Hauptpartien – wurde dieser außergewöhnlichen Inszenierung zudem ein Denkmal gesetzt.

Was war nun aber das Außergewöhnliche des Wiener Schwanensee?

Der ehemalige Direktor des Wiener Staatsopernballetts Gerhard Brunner

bezeichnete in Ballett 1965 Nurejews Neufassung als eine der bedeutsamsten, die zu dieser Zeit in Europa zu sehen war, »weil sie am glücklichsten die Mitte zwischen choreographischer Überlieferung und notwendiger Erneuerung findet und Ansätze zu einer modernen Dramaturgie enthält, ohne Stil und Tradition zu verletzen«.

Der wohl größte Unterschied zu den bisherigen Fassungen war die Aufwertung der männlichen Hauptrolle, war doch stets die Ballerina die zentrale Figur dieses Balletts gewesen. Nurejew rückte Prinz Siegfried als psychologisch durchleuchtete Gestalt in den Mittelpunkt, indem er für diesen unter anderem am Ende des ersten Akts ein melancholisches Solo einfügte, das er schon 1963 für eine Produktion des Royal Ballet choreographiert hatte, sowie zuvor einen Pas de cinq, an dem der Prinz teilhat. Neben überarbeiteten Ensembletänzen des ersten und dritten Akts, der vom Prinzen getanzten Coda des Pas de deux mit Odette im zweiten Akt sowie dem Pas de deux mit Odile im dritten Akt, gestaltete Nurejew den vierten Akt gänzlich neu mit meisterhaft arrangierten Formationen des Schwanenensembles und einem tragischen Ende: der Prinz und Odette werden nicht, wie in vielen sowjetischen Fassungen, wiedervereint, sondern der getäuschte und betrogene Siegfried ertrinkt verzweifelt in den von Zauberer Rotbart aufgewühlten Fluten –ein optisch, emotional und musikalisch stets ergreifender Moment am Ende dieses Balletts.

Bis heute zählt Nurejews »Wiener Fassung« mit bis dato 256 Aufführungen (Stand 20.9.2024) zu den beliebtesten und nahezu immer ausverkauften Signaturstücken des Wiener Staatsballetts – in immer wieder neuer Ausstattung, aktuell in jener von Luisa Spinatelli, sowie zahlreichen Besetzungen in den vielen größeren, aber auch kleineren solistischen Partien. Als Odette/Odile

waren seit 1964 neben Margot Fonteyn unter anderem 21 Mal Gisela Cech zu sehen, in weiterer Folge etwa Brigitte Stadler, Simona Noja, Maria Yakovleva oder Nina Poláková sowie in der aktuellen Serie Liudmila Konovalova und Kiyoka Hashimoto. Im Oktober ist nun erstmals Ioanna Avraam in dieser Partie zu erleben und die bereits arrivierte Olga Esina. Den Prinzen Siegfried tanzte bei der Wiener Premiere sowie in weiteren 46 Aufführungen im Haus am Ring Rudolf Nurejew selbst, Michael Birkmeyer verkörperte diese Rolle 37 Mal. Weitere Interpreten waren unter anderem Karl Musil, Vladimir Malakhov, Gregor Hatala, Vladimir Shishov und Denys Cherevychko. In der laufenden Saison interpretieren diese Rolle Masayu Kimoto, Timoor Afshar und Davide Dato – der am 20. September sein erfolgreiches Debüt feierte –, am 5. Oktober folgt nun Arne Vandervelde. Als Zauberer Rotbart debütierte im September Géraud Wielick, im Oktober tanzt diesen erstmals Calogero Failla (weitere Debüts siehe Seite 50).

»Das Geniale an ihm waren sein Feuer und seine Besessenheit.«
MICHAEL

BIRKMEYER , ehemaliger ERSTER SOLOTÄNZER des WIENER STAATSOPERNBALLETTS , über RUDOLF NUREJEW

Am 15. Oktober feiert Nurejews Schwanensee sein 60. Jubiläum. Wie die junge Generation auf diese legendäre Inszenierung blickt und an das Rollenstudium herangeht, sollen in der Folge Gedanken von drei Debütant*innen dieser Spielzeit näherbringen.

IOANNA AVRAAM (ODETTE) & ARNE VANDERVELDE (P RINZ SIEGFRIED) in einer Probe

Foto ASHLEY TAYLOR

RUDOLF NUREJEW

SCHWANENSEE

5. 8. 10. 14. 24. OKTOBER

Musikalische Leitung PAUL CONNELLY

Choreographie & Inszenierung RUDOLF NUREJEW nach MARIUS PETIPA & LEW IWANOW

Bühne & Kostüme LUISA SPINATELLI Einstudierung LUKAS GAUDERNAK / JEAN CHRISTOPHE LESAGE / ALICE NECSEA

Odette/Odile IOANNA AVRAAM / OLGA ESINA Prinz Siegfried ARNE VANDERVELDE / TIMOOR AFSHAR

Der Zauberer Rotbart CALOGERO FAILLA / ENO PECI

WIENER STAATSBALLETT / BALLETTAKADEMIE & JUGENDKOMPANIE DER WIENER STAATSOPER ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER

if Welche Bedeutung hat Rudolf Nurejew für junge Tänzerinnen und Tänzer wie euch?

dd Rudolf Nurejew hat mich bereits in meiner Jugend tief inspiriert, und das tut er auch heute noch. Er war ein Mensch, der in relativ kurzer Zeit unglaublich viel erreicht hat. Immer wieder habe ich seine Ballettvideos fasziniert angeschaut und Interviews von ihm angehört oder gelesen. Seine Persönlichkeit hat mich genauso in den Bann gezogen wie seine virtuose Tanzkunst. Darin liegt auch eine besondere Magie, die das Publikum tief berührt.

av Ich erinnere mich, dass ich etwa mit zwölf Jahren ein Buch über Nurejew las und erstaunt darüber war, was die Leute über ihn schrieben sowie jene Dinge, die er durch seine große Leidenschaft zum Tanzen erreichte. Ich ahnte nicht, dass ich einmal seine Choreographien auf jener Bühne tanzen würde, auf der er selbst so oft aufgetreten war.

if Es gibt unzählige Versionen von Schwanensee. Was ist das Besondere an jener von Nurejew?

ia Nurejews Schwanensee ist etwas Besonderes, weil er sich auf die psychologische Komplexität der Figuren konzentriert, insbesondere auf Prinz Siegfried. Im Gegensatz zu anderen Versionen hat Nurejew den Schwerpunkt auf den inneren Kampf des Prinzen gelegt und ihn als eine eher introspektive und konfliktreiche Figur dargestellt. Dies verleiht dem Ballett eine dunklere, nuanciertere Dimension und macht es nicht nur zu einer Liebesgeschichte, sondern auch zu einer tieferen Erforschung menschlicher Gefühle und des Schicksals. Er kreierte etwa auch die »Wiener Version« des »Schwarzen SchwanPas de deux« von Prinz und Odile im dritten Akt, die aufgrund der extremen technischen Präzision, der komplizierten Partnerarbeit und der schnellen Richtungswechsel in den Schrittkombinationen eine besondere Herausforderung ist. In der Verschmelzung von Athletik und Kunstfertigkeit zeigt sich Nurejews wahres Genie, das seinen Schwanensee zu einer dauerhaften und fesselnden Herausforderung für Tänzerinnen und Tänzer macht.

if Ihr habt alle bereits in mehreren Choreographien Nurejews getanzt, darunter Hauptrollen in Don Quixote. Wie empfindet ihr die Herausforderungen generell bzw. im Speziellen bei Schwanensee?

dd Auch wenn man mit der Zeit seine »Sprache« und Art des Choreographierens besser versteht, ist es nie einfach, ein Ballett von Nurejew einzustudieren, vor allem aufgrund der technischen und musikalischen Komplexität. Nurejews Werke sind in ihrer Reinheit und Präzision unvergleichlich und äußerst anspruchsvoll zu tanzen – oft gibt es viele kleine, präzise Schritte und es erfordert ein tiefes Verständnis für Musikalität. Sie verlangen von den

Tänzerinnen und Tänzern daher ein hohes technisches Niveau, das unerlässlich ist, um seine Geschichten auf der Bühne zu erzählen.

av Für mich besteht die große Herausforderung in diesem Ballett darin, die richtige Interpretation für Siegfried zu finden und diese durch das Ballett zu zeigen. Natürlich sind die Schritte und die Partnerarbeit sehr schwierig, aber letztendlich möchte das Publikum Schwanensee sehen, um eine Geschichte und Emotionen zu erleben. Als Basil in Don Quixote kann man manche Fehler verbergen oder »überspielen«. In Schwanensee gibt es keine Möglichkeit dafür, alles ist so sichtbar und verzeiht nichts. if Ein großes Verdienst Nurejews ist, wie zuvor angesprochen, die Aufwertung der Rolle des Prinzen Siegfried und somit des Tänzers. Welche Anforderungen bringt dies mit sich? dd Rudolf Nurejew hat in der Tat einen enormen Einfluss auf die männliche Rolle in klassischen Balletten, vor allem in Schwanensee, ausgeübt. Er hat nicht nur die Präsenz des Tänzers gestärkt, sondern auch die technischen Anforderungen auf ein neues Niveau gehoben. Siegfried ist eine komplexe Figur, die sowohl lyrische Feinfühligkeit als auch dramatische Intensität verlangt. Das Adagio-Solo am Ende des ersten Aktes etwa ist ein bemerkenswerter Moment, der die perfekte Balance zwischen Technik, Ausdruck und physischer Ausdauer erfordert. Es stellt eine immense Herausforderung dar, da es nicht nur technische Präzision, sondern auch außergewöhnliche Kraft und Körperbeherrschung verlangt und eine intensive Belastung für die Waden und Füße bedeutet. Dennoch muss die Darbietung anmutig und scheinbar mühelos wirken. Nurejews Interpretationen haben somit nicht nur die physische, sondern auch die künstlerische Messlatte für Tänzer in klassischen Balletten deutlich angehoben. av Das von Davide erwähnte Solo ist eine meiner Lieblingsstellen in diesem Ballett. Siegfried ist gerade volljährig geworden und soll eine Partnerin auswählen, aber er fragt sich, ob er jemals seine einzige wahre Liebe finden wird. Es ist ein so lyrischer und verletzlicher Moment, den man nicht oft in männlichen Soli findet sowie ein guter Weg, um zu zeigen, was in ihm vorgeht und so auch eine Verbindung zum Publikum herzustellen.

if Ioanna, du hast bereits die Besonderheit der Doppelrolle Odette/Odile angesprochen. Wie vollzieht man diese Verwandlung und welcher Charakter liegt dir näher?

ia Die Rolle der Odette/Odile in der Dualität des weißen und des schwarzen Schwans erfordert ein Gleichgewicht zwischen Anmut und Verletzlichkeit sowie Stärke und Macht, wofür eine tiefere Ebene der Kunstfertigkeit erforderlich ist, um die Verwandlung in diese gegensätzlichen Charaktere zu vermit-

teln. Beide Rollen sind für mich gleichermaßen faszinierend. Ich liebe den Kontrast, diese emotionale und psychologische Reise zwischen diesen, und wie sie die Komplexität der menschlichen Natur widerspiegeln, in der sowohl Licht als auch Dunkelheit in ein und derselben Person existieren. Die Verwandlung von der unschuldigen, zerbrechlichen Odette zur feurigen, berechnenden Odile und wieder zurück ist einer der spannendsten und zugleich anspruchsvollsten Aspekte von Schwanensee und wie ein Wechsel zwischen zwei Welten: eine geprägt von reiner Liebe, aber auch Tragödie und Schmerz, die andere von Macht und Täuschung. Bei Odette konzentriere ich mich auf ihre Anmut, Weichheit und ätherische Qualität – jede Bewegung muss fließend und zart sein, so, als würde sie durch das Wasser oder die Luft gleiten. Dabei hilft mir auch ein gezieltes Pilates-Training. Die Darstellung der Odile

hingegen erfordert eine ganz andere Energie sowie besondere technische Präzision.

if Was bedeuten diese ikonischen Rollen von Odette/Odile bzw. Prinz Siegfried für eure Karrieren?

ia Als Odette/Odile in Schwanensee zu debütieren ist wie ein wahr gewordener Traum. Es ist die Rolle, die jede Ballerina anstrebt. Ich empfinde große Demut und gehe mit tiefem Respekt vor dem Erbe, das diese in sich trägt, an sie heran. Gleichzeitig ist es eine Chance, sowohl technisch als auch künstlerisch an meine Grenzen zu gehen.

av Schwanensee ist das erste klassische Ballett, das ich je gesehen habe, und es hat mich dazu gebracht, mit Ballett zu beginnen. Nun die Rolle des Prinzen Siegfried in diesem ikonischen Ballett zu tanzen ist eine Ehre und künstlerisch gesehen eine der anspruchsvollsten Partien für mich.

dd Die Rolle des Prinzen Siegfried stellt einen bedeutenden Höhepunkt meiner Karriere dar und ist eine Art Vollendung meines bisherigen Weges. Sie verkörpert die Essenz des klassischen Balletts und ist gleichzeitig eine große Herausforderung sowohl technischer als auch interpretativer Art. Die jahrelange Erfahrung und das Studium der Nurejew-Choreographien, gepaart mit meinem eigenen künstlerischen Wachstum, machen diesen Moment zu einem sehr persönlichen und bedeutenden Ereignis.

if Warum übt Schwanensee und Nurejews Fassung im Speziellen eurer Meinung nach auch gegenwärtig noch so eine Faszination bei Tänzerinnen und Tänzern, aber auch dem Publikum aus?

ia Der anhaltende Zauber von Nurejews Schwanensee liegt in seinem zeitlosen Reiz und seiner emotionalen Tiefe. Für Tänzer*innen stellt das Ballett die ultimative technische und künstlerische Herausforderung dar. Für das Publikum evoziert Schwanensee universelle Themen wie Liebe, Verrat und Erlösung, unterlegt mit Tschaikowskis einzigartiger Partitur. Nurejews Interpretation verleiht dem Ballett eine psychologische Komplexität, die es nicht nur zu einem visuellen Spektakel, sondern auch zu einer tief bewegenden Erzählung macht.

av Ich würde sagen, dass die Musik Tschaikowskis einen großen Teil des Erfolges ausmacht. Jeder kennt das Leitmotiv von Schwanensee, und unser Orchester spielt die Partitur wunderbar. Auch die Geschichte dieses Balletts, die Tatsache, dass es von Nurejew speziell für das Wiener Staatsballett geschaffen wurde, ist etwas Besonderes. Zudem stehen in dieser Inszenierung 32 Ballerinen als Schwäne auf der Bühne, was wirklich beeindruckend ist, wenn man sieht, wie sich ihre Formationen wie ein Schwarm auf dem Wasser bewegen. Und natürlich Drama, Liebe und Verrat!

dd Zunächst ist Schwanensee ein weltweit bekannter Klassiker. Ein weiterer Aspekt ist Rudolf Nurejew

DAVIDE DATO
(PRIN Z SIEGFRIED)
Foto ASHLEY TAYLOR

selbst – eine charismatische und weltberühmte Persönlichkeit, die diese besondere Inszenierung für Wien geschaffen hat. Sie ist ein kulturelles Erbe von unschätzbarem Wert. Schließlich ist es die einzigartige Kombination aus der Magie des Stücks und der Bedeutung dieser Produktion, die den Ruf Wiens als Ballettstadt weltweit gefestigt und sogar verstärkt hat. Der Wiener Schwanensee ist für mich ein Juwel unseres Theaters und es ist von großer Bedeutung, diese Tradition auch in Zukunft zu bewahren.

Damit ein Meisterwerk wie Schwanensee noch lange Tänzerinnen und Tänzer als auch das Publikum verzaubert, sorgen unter anderem die jeweiligen Einstudierer*innen und Ballettmeister*innen, die mit viel Feingefühl und intensiver Probenarbeit versuchen, Nurejews Geist und Stil an immer neue Generationen weiterzugeben. Doch schon Nurejew betonte:

»Um ein Theaterstück lebendig zu halten, damit es die gleiche Wirkung auf das Publikum hat wie bei seiner Uraufführung, muss es ständig weiterentwickelt werden. Andernfalls ist es tot, etwas unter einer Glasvitrine in einem Museum.«

DANCE MOVI ES 2024/25

Abermals laden die Kinos Filmcasino und Filmhaus am Spittelberg gemeinsam mit dem Wiener Staatsballett zu der Tanzfilm-Reihe DANCE MOVI ES ein und zeigen außergewöhnliche Perspektiven auf den Tanz und die in der Saison 2024/25 vertretenen Künstler*innen.

In der vierten Edition der DANCE MOVI ES freuen wir uns auf den amerikanischen Kultfilm Center Stage, interessante Dokumentationen über William Forsythe sowie Merce Cunningham und John Cage. Die Eröffnung macht am 13. Oktober die ÖsterreichPremiere Cranko. Regisseur Joachim A. Lang erzählt das zutiefst menschliche Drama eines Popstars des Balletts und begleitet den unbequemen Geist eines geradezu besessenen Ausnahmekünstlers, der für seine Visionen kompromisslos nach Perfektion strebte. Dabei erwachen die Choreographien Crankos in anmutigen, melancholischen und berauschenden Tanzszenen auf der großen Leinwand zu neuem Leben. Der britische Schauspieler Sam Riley ist Cranko, in weiteren Rollen sind heutige Stars des Stuttgarter Balletts zu erleben wie Friedemann Vogel, Elisa Badenes oder Jason Reilly.

Nach jedem DANCE MOVI E bietet ein Gespräch mit Künstler*innen und Mitgliedern des Wiener Staatsballetts die Gelegenheit, (Seh-)erfahrungen auszutauschen sowie spannende Einblicke in die jeweiligen Ballett- und Film-Produktionen zu bekommen.

CRANKO

ÖSTERREICH-PREMIERE

Joachim A. Lang / D 2024 / 133 Min / deutsche OF 13. Oktober 2024, 13 Uhr, Filmcasino

Im Anschluss Gespräch mit Regisseur Joachim A. Lang

CENTER STAGE

Nicholas Hytner / USA 2000 / 115 Min / OmU 24. November 2024, 13 Uhr, Filmcasino

SCHWERPUNKT

WILLIAM FORSYTHE

mit u.a. The Barre Project –Blake Works II 12. Jänner 2025, 13 Uhr, Filmhaus am Spittelberg

CAGE/CUNNINGHAM

Elliot Caplan / USA 1991 / 95 Min / englische OF 30. März 2025, 13 Uhr, Filmcasino

TICKETS 9 €

SAISONPASS 28 € 8 € für Förder*innen des Freundeskreis Wiener Staatsballett und des Ö1-Club Kartenreservierung FILMCASINO.AT

FILMSTILL aus CRANKO

NEU IM WIENER STAATSBALLETT

Auch in der Saison 2024/25 begrüßen wir neue Mitglieder im Ensemble des Wiener Staatsballetts, die wir Ihnen im Folgenden kurz vorstellen möchten. Die vollständigen Biograf ien finden Sie auf wiener-staatsballett.at

HALBSOLIST

VÁCLAV LAMPARTER

studierte am Tanzkonservatorium Brünn, an der American Ballet Theatre Jacqueline Kennedy Onassis School und war dort Mitglied der American Ballet Theatre Studio Company. Der Tscheche ging 2014 an das Semperoper Ballett Dresden, wo er 2017 zum Coryphée, 2019 zum Halbsolisten und 2022 zum Solisten ernannt wurde. Zu seinem Dresdner Repertoire zählten Prinz Désiré und Blauer Vogel in Dornröschen , Kavalier der Zuckerfee und Nussknacker Prinz in Der Nussknacker und Goldenes Idol in La Bayadère. Er tanzte Des Grieux in MacMillans Manon , Oberon in Ashtons The Dream sowie in Werken von Balanchine, Bausch, Celis, Dawson, Duato, Ekman, Forsythe, Inger, Kylián, Peck und Ratmansky.

Am 5. Oktober debütiert Václav Lamparter als Gefährte des Prinzen in Nurejews Schwanensee

CORPS DE BALLET WIENER STAATSOPER

ROSE DALTON

erhielt ihre Ausbildung an der Premier Dance Academy in Brisbane, der Tanya Pearson Academy in Sydney und an der John Cranko Schule in Stuttgart. Bereits während ihrer Ausbildung trat die Australierin mit dem Stuttgarter Ballett auf und tanzte zuletzt als Gast mit dem Ensemble in u.a. Crankos Romeo und Julia , Schwanensee und Initialen R.M.B.E., Haydées Dornröschen, Balanchines Symphony in C , MacMillans Mayerling und Makarovas La Bayadère. Von 2022 bis 2023 war sie Mitglied des West Australian Ballet und tanzte Werke u.a. von Balanchine, Kuindersma und Pastor.

CORPS DE BALLET WIENER STAATSOPER

wurde an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper ausgebildet und im Anschluss Mitglied der Jugendkompanie der Ballettakademie der Wiener Staatsoper. Der Italiener sammelte erste Bühnenerfahrungen an der Volksoper Wien in Lacottes Coppélia und dem Musical Anatevka sowie an der Wiener Staatsoper in Nurejews Don Quixote, Schenks Die Fledermaus sowie Schläpfers Dornröschen und Jamie. 2019 tanzte er außerdem in Clercs Choreographie für den Wiener Opernball.

CHRISTIAN FALCIER

CORPS DE BALLET

WIENER STAATSOPER

CATARINA PIRES

wurde in Portugal geboren und an der Tanz Akademie Zürich ausgebildet. 2020 erhielt sie ein Engagement in die Junior Company von Het Nationale Ballet Amsterdam. Zwei Jahre später wurde sie Elevin und 2023 Tänzerin im Corps de Ballet des niederländischen Ensembles. Dort tanzte sie in Werken von u.a. Balanchine, Beaujean, Forsythe, Kylián, Spuck, van Danzig, van Manen und Wright. 2020 war sie Finalistin beim Prix de Lausanne und gewann sowohl den Audience Favourite Award als auch ein Stipendium.

CORPS DE BALLET

WIENER STAATSOPER

JIEUN SHIM

erhielt ihre Ausbildung an der Universal Ballet Junior Company, an der Sunhwa Arts Middle/ High School in Seoul sowie an der Oslo National Academy of the Arts. Die Südkoreanerin wurde 2022 Mitglied im Semperoper Ballett Dresden. Dort tanzte sie u.a. Prinzessin Florine in Dornröschen in der Fassung von Gomes, Watkin & Petipa, Rollen in Der Nussknacker von Watkin & Beechey sowie in Werken von Duato und Inger.

CORPS DE BALLET VOLKSOPER WIEN

ADRIEN FOUGÈRES

wurde an der Ballettschule der Opéra National de Paris sowie am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse in Paris ausgebildet. In dieser Zeit tanzte der Franzose in Hearts and Arrows von Millepied sowie Browns X 100. 2023 wurde er Mitglied der Jugendkompanie der Ballettakademie der Wiener Staatsoper und war u.a. in Schläpfers Dornröschen , Jamie und Tänze, Ashtons La Fille mal gardée und Pecis Choreographie Boléro für das Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker im Schlosspark Schönbrunn zu sehen.

CORPS DE BALLET VOLKSOPER WIEN

JULIA KÖHLER

studierte an der Ballettschule Mainz, dem Russian Ballet College in Genua und ab 2021 an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper. 2023/24 war die gebürtige Deutsche Mitglied der Jugendkompanie der Ballettakademie der Wiener Staatsoper. Sie trat in Vorstellungen der Ballettakademie der Wiener Staatsoper auf, darunter in der Titelrolle in La Sylphide von Bournonville sowie in Chans JIT und Schläpfers Tänze. Mit dem Wiener Staatsballett war sie bisher in Tschernischovas Giselle, Nurejews Schwanensee, Balanchines Symphony in C und Lacottes Coppélia zu sehen.

KORREPETITOR

WIENER STAATSOPER

wurde in Italien geboren und studierte in Sassari am Liceo Classico, Musicale e Coreutico »D. A. Azuni« und am Conservatorio »L. Canepa« mit Hauptfach Klavier. 2019 machte er seinen Abschluss als Ballett-Korrepetitor an der Accademia Teatro alla Scala. Engagements als Korrepetitor führten ihn u.a. an Tanzakademien in Sassari und Mantua sowie an das Serbische Nationaltheater Novi Sad, Tschechische Nationalballett Prag, zu dem Festival Internazionale di Mezza Estate in Tagliacozzo, an das Teatro Lirico Cagliari und Teatro San Carlo Neapel. Zudem arbeitete er als Klavierlehrer und spielte Klavier und Celesta im Orchester der Staatsoper Prag. Fotos ANDREAS

26. 30. OKTOBER 3. 7. 10. NOVEMBER

Musikalische Leitung MARK WIGGLESWORTH Regie WILLY DECKER Bühne & Kostüme WOLFGANG GUSSMANN

Mit u.a. GREGORY KUNDE / HUW MONTAGUE RENDALL / BRINDLEY SHERRATT / KS ADRIAN ERÖD / KS WOLFGANG BANKL

ATTILA MOKUS / ANDREA GIOVANNINI / DAN PAUL DUMITRESCU / LUKAS SCHMIDT / HIROSHI AMAKO

VERLOREN AUF HOHER SEE

EINE

GEFEIERTE PRODUKTION

WIRD WIEDERAUFGENOMMEN

SZENENBILD

Als Benjamin Brittens Billy Budd 2001 an der Wiener Staatsoper zur Erstaufführung gelangte, war das Werk hierzulande so wenig verankert, dass sich der Publikumszuspruch zunächst sehr zögerlich anließ. Die äußerst schlecht besuchte Premiere wurde, wie man im Theater sagt, mit verbilligten Karten gestopft – trotzdem blieben viele Plätze frei. Doch spätestens nach dem Schlussvorhang war allen Anwesenden klar, dass es sich erstens um ein einzigartiges Meisterwerk handelt und zweitens um eine ganz herausragende Produktion – szenisch wie musikalisch. Mundpropaganda und ausgezeichnete Besprechungen in den Medien führten jedenfalls dazu, dass bereits die zweite Vorstellung restlos ausverkauft war. Seit-

her besitzen sowohl das Stück als auch die Inszenierung Kultstatus.

Doch Billy Budd selbst steht an sich schon beispielslos in der neueren Musiktheatergeschichte da: Eine Oper ohne Frauen, eine Oper ohne echte Liebesgeschichte. Allerdings keineswegs ohne Liebe. Diese verkörpert sich in dem engelsguten, enthusiastischen jungen Seemann Billy, der auf dem englischen Kriegsschiff Indomitable seinen Dienst tut. Doch er zieht den Hass des Waffenmeister Claggart auf sich. Dieser ist das pure Gegenstück zu Billy Budd: negativ, brutal, böse. Claggart schwärzt Billy ungerechtfertigterweise beim Kapitän an und zeiht ihn der Meuterei. Bei der Gegenüberstellung mit Claggart ist Billy so schockiert, dass er,

BILLY BUDD
Foto MICHAEL PÖHN

an einer verbalen Verteidigung durch sein in Stresssituationen ausgelöstes Stottern gehindert, den Waffenmeister mit einem Schlag niederstreckt – und tötet. Daraufhin muss Kapitän Vere, obwohl von Billys Unschuld überzeugt, diesen zum Tod durch den Strang verurteilen. Eine Entscheidung, die ihn von da an seine Leben lang in Schuldgefühle und Reue stürzen soll.

Die Vorlage für die Oper stammt von niemand Geringerem als dem Verfasser des berühmten Moby-DickRomans: dem amerikanischen Autor Herman Melville, der die tagtäglichen menschenverachtenden Brutalitäten auf Kriegsschiffen aus der eigenen Bio-

grafie kannte – hatte er doch selbst viele Jahre auf hoher See verbracht. In der posthum entdeckten Erzählung Billy Budd, Sailor, thematisierte er diese ein weiteres Mal.

1948 veröffentlichte man eine revidierte Fassung der Geschichte und noch in demselben Jahr entschloss sich Britten, den jungen Seemann ins Zentrum seines nächsten Opernprojektes zu stellen. Die Uraufführung am 1. Dezember 1951 am Londoner Royal Opera House, Covent Garden wurde zum einhelligen Triumph.

Nun kehrt das Werk in Willy Deckers hochgelobter Inszenierung nach mehr als zwölf Jahren Pause zurück

in den Spielplan – mit einer rundum neuen Besetzung: Allen voran wird der junge britische Bariton Huw Montague Rendall, um den sich mittlerweile alle großen Bühnen reißen, sein Hausdebüt in der Titelrolle geben. Der zuletzt als Otello bejubelte Gregory Kunde gibt sein weltweites Debüt als Kapitän Vere und Brindley Sherrat den teuflischen Claggart. Aber auch am Pult wird es ein Hausdebüt geben: mit dem britische Dirigenten Mark Wigglesworth wird sich ein äußerst kundiger, leidenschaftlicher und hochinteressanter Interpret dem Publikum vorstellen.

6 FRAGEN AN DEN DIRIGENTEN MARK WIGGLESWORTH

MARK WIGGLESWORTH

Foto SIM CANETTYCLARKE

al Benjamin Britten gehört zu jenen Komponisten der klassischen Moderne, dessen Werke dauerhaften Eingang in die internationalen Spielpläne gefunden haben. Was ist das Besondere an seiner Musiksprache, das ihn so außergewöhnlich macht?

mw Ich denke, Brittens Opern haben eine Qualität, die sich erst in den Aufführungen wirklich entfaltet. Wenn man seine Partituren studiert, ist man sich bewusst, was er handwerklich tut. Seine Musik ist sehr klar, so klar, dass man sich manchmal fragt, ob sie nicht ein bisschen zu klar ist. Aber wenn man sie hört und erlebt, wird man überwäl-

tigt von einer ungeahnten Ebene die plötzlich da ist. Dazu kommt, dass das Publikum all die Charaktere und Situationen in den Opern Brittens versteht, sich ihnen und ihren Erfahrungen nahe fühlt, sich in all die Geschichten hineinversetzen kann. Es ist für mich geradezu fantastisch, dass Britten als Opernkomponist so angenommen wird, denn Britten zeigt, was Opern wirklich leisten können –selbst in einer Musiksprache, die es nicht leicht macht, Melodien nachzusingen. Aber man ist vom dramatischen Geschehen auf der Bühne tief betroffen.

al Eignet sich Billy Budd deshalb so sehr als Einsteiger-Oper für Opernneulinge?

mw Nun, das Drama funktioniert schon für sich ungemein, weil die Charaktere so klar geformt sind. Dazu kommt die Musik, die auf einer unterbewussten Ebene zusätzlich wirkt. Junge Menschen, die sich fragen, ob die Oper ein Medium ist, das sie verstehen können, werden also gerade dieser Oper folgen können wie einem Film oder einem Theaterstück.

al Welche Komponisten haben den größten Einfluss im Werk Brittens hinterlassen?

mw Auf jeden Fall Mozart… und ganz sicher Verdi. Britten wusste für den zu vertonende Text das jeweils exakte Musiktempo zu finden. Was ich damit meine ist, dass Britten genau verstand, einen Text, bestimmte Worte so in Musik zu kleiden, dass sie im theatralen Sinne ideal zur Geltung kommen. Man spürt also durch seine Musik den Text – so wie Mozart oder Verdi.

al In Billy Budd gibt es einige zentrale rein orchestrale Passagen. Wodurch unterscheiden sich diese von den großen Zwischenspielen in Peter Grimes, dieser anderen wichtigen Oper Benjamin Brittens, die ebenfalls einen engen Bezug zum Meer hat?

mw Es gibt tatsächlich einen großen Unterschied. In Peter Grimes repräsentiert das Meer alles, was draußen vor sich geht. Und das ist allen voran die Gemeinschaft in der Stadt zu der Peter Grimes nicht gehören kann. In Billy Budd, das die ganze Zeit auf hoher See spielt, hört man das Meer hingegen gar nicht. Man hört die Bewegung des Schiffes auf dem Meer. Denn das Schiff ist eine Analogie für eine in sich abgeschlossene Welt. Sehr klaustrophobisch und sehr intensiv, weil alle festsitzen. Das Unwetter bricht über das Schiff herein, Kämpfe, interne Probleme, aber niemand kann diesen engen Kosmos verlassen und eigene Wege gehen.

al Bleiben wir beim Orchester: Gibt es puncto Orchestration irgendwelche Besonderheiten?

mw Von großer Bedeutung sind zwei Dinge: Erstens gibt es einen großen Schlagwerkapparat, vor allem was die tiefen Trommeln angeht. Sie sollen auf einer ersten Ebene die Spannung des Kampfes widerspiegeln. Allerdings stellt der Kampf mit den Franzosen natürlich eine Art Symbol dar für den Kampf, den die Menschen mit sich selbst führen müssen. Britten nutzt die rhythmische Spannung der Trommeln, um diesen inneren Konflikt hör-

bar zu machen. Zweitens ist interessant, dass wir es vorwiegend mit dunklen Klangfarben zu tun haben. Es gibt viele tiefe Holzbläser, die den Emotionen aus dem Zwischendeck entsprechen. Das korrespondiert wiederum mit der Tatsache, dass es nur Männerstimmen in der Oper gibt. Alles scheint aus dem Bauch des Schiffes zu kommen. Die hohen Töne hingegen fühlen sich in gewisser Weise von den Emotionen abgekoppelt an. al Will uns Britten durch dieses Stück, durch diesen kleinen, in sich geschlossenen Kosmos eine Botschaft zukommen lassen?

mw Ich halte diese Oper nicht unbedingt für ein extrem politisches Stück. Aber es gibt eine Aussage und die lautet: Wenn wir nichts tun, werden wir es bereuen. Vere bedauert, dass er sich nicht für Billy eingesetzt hat. Wenn wir uns nicht um die anderen Menschen kümmern, wenn wir diejenigen, die in Schwierigkeiten sind, nicht schützen, dann sind wir am Ende selbst die Opfer. Man wird oft gefragt, warum ein bestimmtes Stück aufgeführt werden soll. Und unsere Antwort lautet: Weil die Fragen, die hier verhandelt werden, zeitgemäß sind. Es wäre schön, wenn das Publikum durch eine Aufführung angeregt wird, über seine eigenen Entscheidungen und die Wahl, die es im Leben trifft, nachzudenken. Vere ist am Ende ein gebrochener Mann, weil er nicht genug Mut hatte, aufzustehen. Er war schwach. Es ist sehr verlockend, schwach zu sein. Aber das kann nicht der Weg sein.

SZENENBILD

Foto MICHAEL PÖHN

6 FRAGEN AN HUW MONTAGUE RENDALL,

DEN NEUEN WIENER BILLY BUDD

al Sie haben jüngst mit Contemplation eine wunderschöne neue CD herausgebracht und zeigen ihr auffallend breites Repertoire. Der Billy Budd wird aber ein weltweites Rollendebüt darstellen?

hmr Ich habe mit meiner Stimme echt Glück gehabt und kann daher sehr unterschiedliche Komponisten und Rollen interpretieren. Von Britten sang ich bis jetzt allerdings nur Ned Keene in Peter Grimes – Billy

Budd ist somit also tatsächlich eine ganz neue Partie für mich, mit der ich mich noch dazu in einem für mich neuen Haus vorstellen darf. Sehr spannend, wie man sich vorstellen kann. Andererseits sieht man am Billy Budd, dass Britten viel von Stimmen verstanden hat. An sich handelt es sich um eine lyrische Bariton-Rolle, aber immer dann, wenn es dramatischer wird, geht Britten in eine höhere Lage hinauf, sodass der Sänger sich von Haus aus leichter tut, noch mehr Substanz zu geben. Ein bisschen erinnert mich die Partie an den Pelléas von Debussy. al Von der Persönlichkeit scheint Billy Budd ein Engel auf Erden zu sein – oder ist er bloß naiv?

hmr In erster Linie ist er die Verkörperung der absoluten Unschuld, zudem in höchstem Maße altruistisch. Als ihn sein Idol Kapitän Vere zum Tod verurteilt, trägt er ihm das nicht nur nicht nach, sondern pocht noch auf die allgemeine Loyalität Vere gegenüber. Und er macht sich Sorgen darüber, was

mit seinen Freunden am Schiff passiert, wenn er ihnen nach seinem Tod nicht mehr helfend zur Seite stehen kann. Billy steht einfach für das vollkommen Reine, so wie Claggart für das Böse, den Hass steht. Die beiden bedingen einander und wenn man das Dunkle zerstören will, geht daher zwangsläufig leider auch das Helle verloren.

al Fühlt sich Billy Budd schuldig, Claggart getötet zu haben?

hmr Nein, er nennt diesen Totschlag – den ja Claggart selbst provoziert und herbeigeführt hat – einfach nur »Schicksal«. Und daher kann Billy auch Kapitän Vere nichts vorwerfen. Budds Position ist sehr klar: In dieser außergewöhnlichen Situation konnte er nicht anders, als Claggart zu erschlagen und Vere konnte daraufhin nicht anders reagieren, als ihn zum Tod zu verurteilen. Beides scheint für Billy ein unveränderbares Naturgesetz zu sein.

al Was charakterisiert Brittens Musik, mit welchem Komponisten ist er vergleichbar?

hmr Einerseits ist er natürlich ganz einzigartig in seiner Klangsprache und damit unverkennbar. Andererseits erinnert Brittens Art, die Innenwelten der Figuren als einen Kosmos mit einer ganz konkreten Farbigkeit zu modellieren, sehr stark an Giuseppe Verdi.

al Christa Ludwig betitelte ihre Biographie mit: »Ich wäre so gerne Primadonna gewesen.« Wären Sie gerne ein Tenor geworden?

hmr Nein, definitiv nicht. Die Fußstapfen meines Vaters wären zu groß gewesen. [Sein Vater, der Tenor David Rendall ist einst, wie seine Mutter Diana Montague, ebenfalls an der Wiener Staatsoper aufgetreten –Anm. der Redaktion] Ich bin ein hoher lyrischer Bariton – und das ist gut so.

al Sie sind vergleichbar jung wie Billy Budd: Ist das Musikbusiness, das Opernbusiness nicht ähnlich gefährlich für einen Sänger, wie das Schiff Indomitable für Billy Budd? Wer beschützt Sie vor allen Verführungen und Abgründen in Ihrem Beruf?

hmr Dieser Vergleich ist sehr zutreffend. Es gibt Konkurrenz, Neid und Eifersucht und auch solche, die sich über die Leistung anderer profilieren möchten. Man muss in diesem Beruf also lernen, sich mit Leuten zu umgeben, die in der Tat das Beste für einen selbst wollen und nicht ihr eigenes Ego über die Kunst stellen. Und man muss lernen, sich eine dicke Haut zuzulegen und auf sich aufzupassen. Mit der Zeit gelingt das aber auch.

GREGORY KUNDE

Foto SIM CANETTYCLARKE

al Sie singen in Wien zum ersten Mal den Vere? gk Richtig… und hoffentlich nicht zum letzten Mal. Das Repertoire, das ich lange Zeit gesungen hatte, ließ mich einen Bogen um die Musik Benjamin Brittens machen. Erst als ich Peter Grimes, einen, wenn auch ganz anderen, aber doch ebenfalls sehr zerklüfteten Charakter machen durfte, begann ich mich für Britten zu begeistern… und ich fragte mich von da an, wie ich diesen wunderbaren Komponisten bis dahin hatte verpassen können. Aber auch der Vere war nicht aktiv von mir angestrebt worden. Eines Tages rief mich die Staatsoper an und fragte: »Interessiert dich Billy Budd?« Worauf ich überrascht entgegnete: »Aber das ist doch eine Baritonpartie.« »Nein, nicht der Billy, die Rolle des Vere natürlich«, war die Antwort. Ich besorgte mir daraufhin die Noten und vergrub mich in die Partitur – und was soll ich sagen? Ich bin unheimlich glücklich, zugesagt zu haben und mit dem Vere an die Wiener Staatsoper zurückkehre zu dürfen.

6 FRAGEN AN GREGORY KUNDE, DEN NEUEN KAPITÄN VERE

al Billy Budd spricht Kapitän Vere von der Schuld los, ihn zum Tod verurteilt zu haben. Aber wie sieht es der Komponist Britten? Begnadigt er ihn ebenfalls? gk Ich bin da nicht so sicher. Im Prolog und im Epilog geht es genau darum: Vere weiß, dass er sich für Billy hätte einsetzen müssen und er ist von Gewissenbissen und Schuldgefühlen geplagt. Der Frieden, den Vere am Ende der Oper findet, der kann nur vorübergehend sein. Ich bin sogar überzeugt davon, dass am Tag darauf, die Frage der Schuld erneut vor den alten Kapitän treten wird. So wie schon seit Jahren und Jahrzehnten. Nicht umsonst findet der Prolog ja viel später, eine gefühlte Ewigkeit nach der eigentlichen Handlung statt. Aber die Wunde heilt nicht, Vere kommt immer wieder zur selben Frage zurück: »Warum habe ich ihn nicht gerettet?« Wenn man zum Beispiel in einen Autounfall verwickelt ist, bei dem ein anderer getötet wird, kann einen das Gericht hundertmal freisprechen – selber wird man sein Leben lang mit dieser Sache zu ringen haben. Und so ist es auch mit Vere. Da gilt der oft zitierte Satz: »Er wird bis zu seinem Tod damit leben müssen.« Und das ist, denke ich, auch die Position von Benjamin Britten. al Aber warum heißt die Oper eigentlich nicht Vere , sondern Billy Budd ? Es geht letztlich um Veres Schuld. Billy Budd und Claggart sind im Grunde nur Symbole, Prinzipien für Gut und Böse. gk Ich denke, weil es eben Billy Budd ist, der all das Geschehen, aber auch die Schuldfrage auslöst. Weil Billy mit seinem Enthusiasmus, seiner Opferbereitschaft, seiner stets guten Laune und seinem bösen Ende jener Stein des Anstoßes ist, an dem sich alle abzuarbeiten haben, die mit ihm zu tun hatten: Vere zuvordererst, aber natürlich auch Claggart, dessen hasserfülltes Inneres so viel Licht nicht ertragen konnte. Und auch alle anderen Matrosen und Offiziere, die gezwungen waren, sich auf irgendeine Weise zu diesem außergewöhnlichen Menschen zu verhalten.

al Sie singen sehr erfolgreich weltweit den Otello. Könnte man Vere mit Otello und Claggart mit Jago vergleichen?

gk Nein. Sicher, Claggart und Jago sind beide Abbilder des Bösen, beide stimmen ein entsprechendes Negativ-Credo an. Aber mit einem wesentlichen Unterschied: Jago zeigt sich nach außen hin sympathisch, als guter Freund. Claggart hingegen wird von allen gefürchtet und gehasst, da macht sich niemand Illusionen über sein Wesen. Und was Vere betrifft: Auch er weiß, was Claggart für eine Person ist, aber er benötigt ihn auf dem Schiff als Ordnungshüter. Aber er lässt sich von ihm nicht manipulieren – da unterscheidet Vere sich klar von Otello.

al Welche Passage in Billy Budd berührt Sie am meisten?

gk Vielleicht jene, an der Billy Budd zum Kapitän gerufen wird, weil er mit der Meuterei-Verleumdung Claggarts konfrontiert werden soll. Billy kommt fast jubelnd, in der Annahme, er würde befördert werden und verspricht dem Kapitän auf geradezu kindliche Art höchste Loyalität. Und dann wird er auf den Boden der Realität heruntergerissen: Nein, um eine Beförderung ginge es nicht, vielmehr um eine furchtbare Anschuldigung und er solle sich rechtfertigen. Hier passiert die Peripetie der Oper, der Moment, in dem der vollkommen Ehrliche und Wehrlose der perfiden, strategisch ausgeklügelten Bezichtigung ausgesetzt und letztlich durch sie vernichtet wird.

al Mit welchem Komponisten würden Sie Britten am ehesten vergleichen?

GK: Wie alle Komponisten, hat sich auch Britten von vielen, die vor ihm waren, inspirieren lassen. Aber, wenn ich mir die Charakterzeichnungen ansehe, so merke ich eine Verwandtschaft zum Verismo. Alle seine Figuren, bis hin zur kleinsten, verströmen eine radikale Realität – die natürlich erst durch die Interpreten beglaubigt werden muss.

MEHR ALS EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN!

JETZT TEIL DER MITMACHPROJEKTE WERDEN: IM GROSSEN HAUS ODER IM NEST

Diesen Monat starten wieder die Mitmach-Projekte der Wiener Staatsoper. Hier haben alle ab 12 Jahren die Möglichkeit, Teil verschiedenster Community-Ensemble zu werden: Ob im Opernlabor, im CityLab oder im Tanzlabor : Alle Projekte laden Menschen unterschiedlichster Interessen und Hintergründe ein, sich aktiv und kreativ mit Oper und Ballett auseinanderzusetzen und am Ende sogar selbst im NEST, der neuen Spielstätte der Wiener Staatsoper, begleitet vom Bühnenorchester, auf der Bühne zu stehen und ihre eigenen Geschichten in Musiktheater und Tanz zu erzählen.

»Durch das Projekt habe ich nicht nur neue Leute kennengelernt und endlich wieder Theater gespielt, sondern habe mich irgendwann fast wie zu Hause in der Wiener Staatsoper gefühlt!«

CONNY, Teilnehmerin des CITYLAB-ENSEMBLES

UND WENN MAN NICHT

SELBST AUF DER BÜHNE STEHEN

MÖCHTE, ABER DENNOCH NICHT GENUG VON DER OPER BEKOMMT?

Das ist natürlich auch total in Ordnung! Die Outreach-Abteilung bietet neben einmaligen Community-Workshops zu Neuinszenierungen ebenso Formate an, in denen die Teilnehmenden Orte, Menschen und Staatsopern-Geschichten kennenlernen, die dem Publikum sonst verborgen bleiben: InsideOpera heißt der Club, der in Zusammenarbeit mit der Dramaturgie junge Erwachsene jeden Donnerstagnachmittag kostenlos einlädt, in die Wiener Staatsoper zu kommen und sich mit anderen Opernbegeisterten über das Wirken am Theater oder die neuesten Inszenierungen am Haus auszutauschen. In den gemeinsamen Treffen lernen die Projektteilnehmenden jede Woche andere Mitarbeitende der Wiener Staatsoper kennen und können diese alles fragen, was sie schon immer wissen wollten: Ist man als Opernstar vor einem Auftritt noch

nervös? Wie regelt man am Theater eine WorkLife-Balance? Wo ist der beste Platz in der Kantine? Wie entsteht ein Kostüm? Wo machen sich die Tänzer*innen vor ihrem Auftritt warm? Und trägt man auf der Bühne eigentlich seine private Unterwäsche und die eigenen Schuhe?

»InsideOpera hat mir geholfen, den unfassbar komplexen und spannenden Theaterbetrieb besser greifen zu können! Ich habe auch ein paar neue Berufsideen kennengelernt!«

JULIA (21), Teilnehmerin INSIDEOPERA

Wer sich neben den regelmäßigen Treffen zusätzlich auch selbst kreativ betätigen möchte, ist eingeladen, neue Episoden für die jüngste Serie des jungen Podcast der Wiener Staatsoper, OpernStoff, zu gestalten. Dazu gehört: Konzepte für die verschiedenen Folgen schreiben, Interview-Fragen und Informationen über Werke recherchieren, Gespräche mit Künstler*innen verschiedener Produktionen führen und Sound-Dramaturgien überlegen. Für die, die sich gerne technisch beteiligen möchten: Jedes Jahr sucht das Projekt auch Teilnehmende, die sich gerne in Aufnahmebetreuung sowie Folgenschnitt und -design ausprobieren möchten. Die fertigen Folgen sind einer breiten Hörerschaft dann online auf Spotify, Amazon Music und der Website der Wiener Staatsoper kostenlos zugänglich. Schon reingehört?

PROJEKTSTART INSIDEOPERA: Donnerstag, 17. Oktober 2024 WÖCHENTLICHE TREFFEN: donnerstags, 16.30-18.00 Uhr in der Wiener Staatsoper ANMELDUNGEN FÜR DIE MITMACHPROJEKTE : ab sofort unter OUTREACH@WIENER-STAATSOPER.AT Weitere Infos zu aktuellen Outreach-Programmen: INSTAGRAM WIENERSTAATSOPER_COMMUNITY

OPER ALS LEBEN

2020 debütierte Stephanie Maitland als Mitglied des Opernstudios an der Wiener Staatsoper, seither hat sie rund 75 Auftritte absolviert, war auch an der Volksoper und ist nun Ensemblemitglied im Haus am Ring. Mit Oliver Láng sprach die aus Schottland stammende Altistin über Außerirdische, den Versuch der Lebenskontrolle und wer einem im Falle eines Einspringens wirklich hilft.

STEPHANIE MAITLAND

ol Wenn morgen ein Ufo auf der Erde landet und Außerirdische Sie fragen, was Sie eigentlich so machen: Wie beschreiben Sie Ihren Beruf jemandem, der gar nichts über Oper weiß?

sm Vielleicht so: Als Sängerin ist es meine Aufgabe, dem Publikum meine Liebe zu meiner Arbeit erfahrbar zu machen.

ol Und wie lautete die Erklärung zur Kunstform Oper?

sm Es geht, als erstes, um die Musik. Ein Komponist hat eine Geschichte vertont und uns viel Raum für Interpretation gelassen. Genau hier beginnt die Kunst: Wir, die Künstlerinnen und Künstler, gehen mit unserer Inspiration an die Arbeit und fragen uns: Womit können wir diesen Raum füllen?

ol Was unsere Außerirdischen vielleicht auch nicht kennen, ist der Zauber eines Theaters, dieses unbeschreibliche Fluidum. Was ist es, das uns alle so hineinzieht?

sm Ich weiß es nicht, es gibt einfach diese unverwechselbare Atmosphäre, die ein Theater ausstrahlt. Und dann gibt diesen Moment, wenn Dirigent, Orchester und Sängerinnen und Sänger alle zusammenwirken, wenn alles zu einem großen Ganzen verschmilzt. Das hat auch viel mit dem Publikum zu tun. Wenn es interessiert ist, mit uns

mitgeht... kann man das auf der Bühne förmlich spüren. Das macht für mich auch den Zauber aus. Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer mit uns sind und wir alle gemeinsam einen Abend erleben. ol Ihr Staatsopern-Debüt gaben Sie als Mitglied des Opernstudios im Jahr 2020. Wenn Sie heute zurückblicken: Haben Sie das Gefühl, dass diese Beginnzeit weit zurückliegt und Sie heute eine andere sind? sm Ich fühle mich eigentlich immer noch sehr frisch im Beruf (lacht). Wenn ich an die fünf Jahre denke, dann fühle ich zunächst einmal große Dankbarkeit. Für die Chancen, für das, was passiert ist. Natürlich... wenn ich mich an die »kleine« Stephanie im Opernstudio erinnere, dann fühle ich, dass ich heute nicht mehr dieselbe Sängerin bin. Es hat sich doch so vieles geändert. Stimmlich, aber auch, dass ich mich gesanglich und in dem, was ich kann, sicherer fühle. Und ich habe viel an Erfahrung gewonnen. Wie schade, dass ich die damalige Stephanie nicht beruhigen kann: »Alles ist ok! Es wird gut! Mach dir keine Sorgen!« Heute frage ich mich nicht mehr: Bin ich genug? Denn: Ich bin genug! Das ist sicherlich der größte Unterschied zu damals.

ol Weil wir heuer ein Bruckner-Jahr haben: Es gibt eine Anekdote aus seinem Leben, als

ANNINA in DER ROSENKAVALIER
Foto MICHAEL PÖHN

MAITLAND als FLOSSHILDE in

STEPHANIE
DAS RHEINGOLD
Foto MICHAEL PÖHN

dass er zuweilen vor lauter Komponieren geradezu in einem Saustall hauste. Die Ausrede war: Keine Zeit, ich muss arbeiten! Kennen Sie das zumindest in abgeschwächter Form? Diese allesverdrängende Arbeit?

sm Ja, freilich, wenn man zum Beispiel auf eine Premiere fokussiert ist. Da ordnet sich vieles unter. Ich als Sängerin denke mir: Du darfst nicht schreien, musst auf die Ernährung achten. Alles, was einen umgibt, muss die Arbeit unterstützen. Daher ist es so wichtig, dass man eine Umgebung hat, die einem zur Seite steht. Meine Familie und mein Freund verstehen das und was ich mache, ist auch für sie wichtig. Natürlich, wenn die Premiere oder die erste Vorstellung einer Aufführungsserie erst einmal vorbei ist, entspannt sich das alles und ich habe auch mehr Raum fürs Chillen.

ol Viel Disziplin also.

sm Im Vorfeld einer Premiere versuche ich zum Beispiel, möglichst bewusst und regelmäßig zu essen, damit ich zumindest das unter Kontrolle habe. Viele Sängerinnen und Sänger suchen sich kleine Dinge, die ihnen – zumindest im Kopf – das Gefühl einer festen Ordnung geben.

ol Es ist der Versuch der Kontrolle im letztlich Unkontrollierbaren: der Kunst.

sm Genau. Andererseits natürlich: Zu viel Kontrolle in allem ist ja auch nicht gut, man muss dem Gefühl und der Spontaneität Raum geben. Es ist besser, diese Aspekte nicht zu sehr zu kontrollieren.

ol Wenn Sie nun so intensiv auf eine Premiere hinleben, haben Sie nicht manchmal die Sorge, dass Sie das Leben außerhalb verpassen?

sm Die Oper ist ja mein Leben! Ich liebe meine Arbeit und ich bin, wie schon gesagt, so dankbar für alles. Jeder Tag im Opernhaus ist schön. Ich habe hier in Wien so ein gutes Leben, jeden Tag, wenn ich in die Staatsoper komme, denke ich: »Wow, ich bin soo glücklich!«

Ich weiß natürlich, was Sie meinen: Dass für das restliche Leben die Pausetaste gedrückt ist. Aber so ist es nicht. Ich kann immer »normale« Abende finden, die ich mit Freunden verbringe und so weiter. Aber da ich meine Arbeit so liebe, ist sie mein Leben. Denken Sie nur: Allein schon, wen man aller trifft! Mit wem ich auf der Bühne stehen darf! In der Traviata etwa mit Lisette Oropesa. Wie oft habe ich sie mir auf YouTube angehört, und jetzt singe ich mit ihr!

ol Wann war eigentlich der Moment, an dem Ihre Eltern erstmals so richtig stolz auf ihre Sängerin-Tochter waren?

sm Als klar war, dass ich ins Opernstudio der Staatsoper komme, habe ich meine Mutter angerufen. Sie war gerade in einem Restaurant, hat geweint und eine Flasche Champagner bestellt. Das war so ein Moment! Oder auch, als ich in Elektra erstmals auf der Staatsopern-Bühne gestanden bin. Meine Eltern sind so lieb zu mir, sie kommen zu all meinen wichtigen Auftritten… sie sind schon so richtig stolz! (lacht)

ol Und wie gehen Sie mit dem Druck, den der Beruf mit sich bringt, um? Stichwort Mental health…

sm Das ist ein sehr wichtiges Thema! Jede und jeder reagiert da anders. Ich bin stark, aber natürlich gibt es Situationen wie Einspringen, die herausfordernd sind. Das klingt jetzt wie ein Klischee, aber auch in solchen Fällen gilt: The show must go on! Das Schöne ist, dass in solchen Augenblicken das gesamte Haus hinter einem steht, die Kolleginnen und Kollegen einem helfen. Als ich im Rosenkavalier eingesprungen bin: Adrian Eröd, Louise Alder, Thomas Ebenstein, sie alle haben mich hinter und auf der Bühne so sehr unterstützt! Nach dem Einspringen war ich unglaublich glücklich, regelrecht high. Im Grunde sind wir aber alle Profis und wissen: Wir können das alles schaffen!

TIPP: Ensemblematinee

13. Oktober / Gustav Mahler-Saal

Mit STEPHANIE MAITLAND & MATTHÄUS SCHMIDLECHNER

Klavier RICHARD SCHWENNICKE

PENELOPE in IL RITORNO D’ULISSE IN PATRIA

22. 25. 28. 30. November 4. Dezember

als ANNINA in LA TRAVIATA
Foto MICHAEL PÖHN

DEBÜTS

HAUSDEBÜTS

DE PARTIE

HILARY SUMMERS Nell

Die in Wales geborene Hilary Summers hat einen herausragenden Namen als Barockinterpretin und arbeitet regelmäßig mit BarockSpezialisten zusammen. Wegen ihres großen Stimmumfangs hat sie auch die Aufmerksamkeit zeitgenössischer Komponisten auf sich gezogen und sang in zahlreichen Uraufführungen. Auftritte führten sie u.a. zu den Festspielen in Salzburg, Aix-en-Provence, Glyndebourne, Edinburgh sowie an die Mailänder Scala, die Berliner Staatsoper, nach Madrid, Barcelona, Cardiff, Frankfurt, Paris, London, Los Angeles.

MARK WIGGLESWORTH

Musikalische Leitung

Der britische Dirigent Mark Wigglesworth ist gleichermaßen in der Welt der Oper und auf dem Konzertpodium zu Hause. Erfolgreiche Interpretationen führten ihn regelmäßig an das Londoner Royal Opera House, die English National Opera, New Yorker Met, Bayerische Staatsoper, Pariser Opéra oder das Teatro Real in Madrid. Wiederholt stand er am Pult der Berliner Philharmoniker, des Concertgebouw, London Symphony, Boston Symphony, New York Philharmonic, Philadelphia Orchestra, Chicago Symphony, Los Angeles Philharmonic und Cleveland Orchestra.

HUW MONTAGUE RENDALL Billy Budd

DEVIN EATMON* Ausguck

Der amerikanische Tenor Devin Eatmon wuchs in The Villages, Florida auf und ist Gewinner der Harold S. Schwartz Music Scholarship. Er erwarb seinen Master- und Bachelor-Abschluss an der Florida State University und kann bereits auf zahlreiche Auftritte in einem breiten Repertoire – zum Teil in Hauptrollen – an amerikanischen Bühnen verweisen (Wolf Trap Opera, Opera Theatre of Saint Louis, Palm Beach Opera, Opera Colorado, Aspen Music Festival). Er ist seit September 2024 Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

ALEX ILVAKHIN* Freund des Neulings

Fotos CLAIRE NEWMAN WILLIAMS (Summers)

SIM CANETTY-CLARKE (Wigglesworth)

ANTHONY DEHODENCQ (Montague Rendall)

WTO (Eatmon)

VITTORIO GRECO (Slekyte)

MARIE-LUISE CALVERO (Kajtazi)

Der britische Bariton Huw Montague Rendall ist eines der aufregendsten Talente der letzten Jahre. Er hat bereits auf einigen der wichtigsten Bühnen der Welt debütiert, wie dem Londoner Royal Opera House, Covent Garden, der Lyric Opera of Chicago, der Opéra National de Paris, dem Pariser Théâtre des Champs-Élysées, der Bayerischen und Hamburgischen Staatsoper, der Komischen Oper Berlin, dem Teatro Real in Madrid, der Santa Fe Opera, beim Festival Aixen-Provence und bei den Festspielen in Salzburg und Glyndebourne.

Der ukrainische Bariton Alexander Ilvakhin studierte in Odessa und an der Royal Academy of Music in London. Er sammelte schon früh Bühnenerfahrung – sowohl als Schauspieler, als auch als Musical- und Operndarsteller. Zahlreiche Preise bei Gesangswettbewerben und erfolgreiche Auftritte u.a. beim italienischen Festival della Valle dʼItria und beim britischen Longborough Festival Opera zeichnen seinen bisherigen künstlerischen Werdegang aus. Alexander Ilvakhin ist seit September 2024 Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

* Mitglied des Opernstudios

FIN
OKT. 2024
BILLY BUDD 6. OKT. 2024

DEBÜTS

LA BOHÈME 28. OKT. 2024

GIEDRĖ ŠLEKYTĖ Musikalische Leitung

Giedrė Šlekytė stammt aus Vilnius und studierte Dirigieren in Graz, Leipzig und Zürich. Als international gefragte Gastdirigentin arbeitete sie u.a. mit Orchestern wie Münchner Philharmoniker, Wiener Symphoniker, Staatskapelle Berlin, Boulez-Ensemble Berlin, Camerata Salzburg, Sächsische Staatskapelle Dresden, SWR Symphonieorchester sowie u.a. an Bühnen wie der Bayerischen, Hamburgischen und Berliner Staatsoper, der Semperoper, am Theater an der Wien, in Frankfurt, an der Deutschen und der Komischen Oper Berlin und der Zürcher Oper.

ELBENITA KAJTAZI Mimì

Die Sopranistin Elbenita Kajtazi stammt aus dem Kosovo. Die mehrfache Preisträgerin sang 2014-2016 an der Deutschen Oper Berlin, 2016/17 war sie Mitglied des Aalto-Theaters Essen und wurde 2018/19 Ensemblemitglied der Hamburgischen Staatsoper. Gastauftritte führten sie unter anderem zu den Salzburger Festspielen, an die Semperoper in Dresden, die Berliner Staatsoper, zu den Festspielen in Glyndebourne und Aix-en-Provence, ans Teatro Municipal de Santiago, an die English National Opera, nach Bordeaux, an die Lyric Opera von Chicago.

ROLLENDEBÜTS

DON GIOVANNI

4. OKT. 2024

PABLO HERAS CASADO Musikalische Leitung

DAVIDE LUCIANO Don Giovanni ANTE JERKUNICA Komtur

LOUISE ALDER Donna Anna

ILJA KAZAKOV Masetto

SCHWANENSEE 5. OKT. 2024

ARNE VANDERVELDE Prinz Siegfried

IOANNA AVRAAM Odette/Odile

CALOGERO FAILLA Zauberer Rotbart

ELLA PERSSON Die Königin

GAIA FREDIANELLI,

SINTHIA LIZ Gefährtinnen des Prinzen

VÁCLAV LAMPARTER Gefährte des Prinzen & Polnischer Tanz (Solist) CÉLINE JANOU WEDER, FRANÇOIS-ELOI LAVIGNAC Neapolitanischer Tanz (Solopaar)

CHIARA UDERZO, ANDRÉS GARCIA TORRES Ungarischer Tanz (Solopaar)

DAS VERFLUCHTE

GEISTERSCHIFF 6. OKT. 2024

FELIX PACHER Daland

MACBETH 12. OKT. 2024

AXEL KOBER Musikalische Leitung

GERALD FINLEY Macbeth

EKATERINA SEMENCHUK Lady Macbeth

SAIMIR PIRGU Macduff

DOHOON LEE* Arzt

JENNI HIETALA Kammerfrau

FIN DE PARTIE 16. OKT. 2024

SIMONE YOUNG Musikalische Leitung

CHARLES WORKMAN Nagg

PHILIPPE SLY Hamm

GEORG NIGL Clov

COSÌ FAN TUTTE 18. OKT. 2024

NICOLE CAR Fiordiligi

CECILIA MOLINARI Dorabella

MARKUS WERBA Guglielmo

LUCA PISARONI Don Alfonso

GREGORY KUNDE Vere

BRINDLEY SHERRATT Claggart

KS ADRIAN ERÖD Redburn

ATTILA MOKUS Ratcliffe ANDREA GIOVANNINI Red Whiskers ANDREI MAKSIMOV* Donald

DAN PAUL DUMITRESCU Dansker

HIROSHI AMAKO Der Neuling

LUKAS SCHMIDT Squeak

EVGENY SOLODOVNIKOV Bootsmann

JUSUNG GABRIEL PARK 1. Maat

LA BOHÈME 28. OKT. 2024

ILA KAZAKOV Colline

BILLY BUDD 26. OKT. 2024

GIEDRĖ ŠLEKYTĖ

Foto DMITRIJ MATVEJEV

DER GELEBTE TRAUM

Mit fünf Jahren begann sie ihre Musikausbildung, studierte später in Graz und Leipzig, war Meisterkurs-Schülerin von Riccardo Muti und Bernard Haitink, später erste Kapellmeisterin am Stadttheater Klagenfurt: Giedrė Šlekytė. Inzwischen kennt sie den Musikverein, die Bayerische Staatsoper, die Zürcher Oper, die Staatskapelle & Staatsoper Berlin, Semperoper, Wiener Symphoniker, Münchner Philharmoniker und viele andere aus der Dirigentinnen-Perspektive und gehört zu den meistgenannten Namen, wenn es um Dirigentinnen ihrer Generation geht. Anlässlich ihres Debüts mit Puccinis La bohème sprach sie mit Oliver Láng über den Erwartungsdruck in der Dirigierpraxis, das Gärtnern als StressAusgleich und den Unterschied zwischen dem Hören und Leiten von Opern.

ol In der aktuellen Spielzeit debütieren Sie an der Wiener Staatsoper und am Royal Opera House in London, in Ihrem Kalender prangen klingende Institutionennamen. Sind Sie mitunter von Ihrer eigenen Karriere beeindruckt?

gs Wenn ich meine Spielzeit überblicke, staune ich tatsächlich und denke mir manchmal: »Gar nicht schlecht!« (lacht) Noch vor fünf Jahren hätte ich mir das so nicht vorstellen können, wobei die Reise natürlich vor Langem angefangen hat: Meine ersten professionellen Auftritte als Dirigentin hatte ich um 2011 herum, seit 2014 bin ich wirklich unabhängig

»Ich entdecke immer wieder neu, wie umfassend meine
Begeisterung für das alles ist, besonders auch für die Oper. Es ist einfach meine Welt und mein Platz. Anders will ich es nicht haben.«

und lebe von dem Beruf. Ich weiß aber auch, dass ich mit all dem ein Riesenglück habe! In schwierigen Momenten sage ich mir daher immer wieder: »Hey, genieß es, es ist dein Traum, den du lebst!«

ol Wie sehen denn die schwierigen Momente des Dirigentinnenlebens aus?

gs Der Beruf bringt, wie jede leitende Funktion, mit sich, dass man auch viel Kritik ausgesetzt ist. Die Erwartungshaltungen sind sehr hoch, so hoch, dass man sie praktisch nicht erfüllen kann. Ich versuche das mit Humor zu nehmen, und es gibt ohnehin keine Dirigentin und keinen Dirigenten, der von allen nur gelobt wird.

ol Was wird alles erwartet? Leiten und organisieren, sozial-sein und sicher?

gs … dass man alle inspiriert, musikalisch überzeugend ist, gut probt, alles hört. Streng ist, aber auch nett. Intensiv arbeitet, aber im Probenprozess auch entspannen kann. Viel vorgibt, aber auch Freiheiten lässt. Eigene Vorstellungen vermittelt, aber auch die Ideen der anderen wahrnimmt. Immer perfekt vorbereitet ist, aber ein breites Repertoire hat. Dass man den Kontext kennt, belesen und kommunikativ ist, viele Sprachen spricht. Ich weiß gar nicht, wo ich aufhören soll…

ol Haben Sie das Gefühl, dass das immer so war? Oder ist das ein Zeichen der heutigen Zeit? Hat man all das auch von einem Karajan verlangt? Etwa, dass er kommunikativ sein soll?

gs Ich kann das nicht beurteilen, weil ich sein Leben nur aus Erzählungen kenne. Aber: Auch er wurde nicht als Legende geboren. Wenn ich aber lese, wie viel Gustav Mahler in Wien und anderen Städten gearbeitet hat, war das damals schon kein leichter Job.

ol Mahler war beseelt und getrieben von einer Vision. Wie verträgt sich so etwas mit der heute so oft eingeforderten Work-Life-Balance?

gs Ich lebe seit einigen Jahren in Klagenfurt, da ist Mahlers Komponierhäuschen in Maiernigg nicht weit entfernt. Wir wissen, dass er dort im Sommer vormittags intensiv komponiert hat, danach war er in der Natur unterwegs und ist viel geschwommen. Das war ein langsameres Tempo, ganz klar. Wobei es außerhalb des Sommers in Wien natürlich ganz anders, nämlich viel intensiver, zugegangen ist. Ich kann nicht sagen, ob das eine gute Work-Life-Balance war, eher Work-Work. Was das Heute betrifft: Unter meinen Kolleginnen und Kollegen gibt es alles: Extreme Workaholics und andere, die auch außerhalb der Arbeit ihre Erfüllung und ihren Spaß finden. Daniel Harding etwa: Neben der Musik hat er eine zweite Leidenschaft, nämlich das Fliegen. Und diese Begeisterung lebt er ebenso aus wie jene zur Musik. Mein berufliches Leben ist zweifellos sehr intensiv, so intensiv, dass ich mir manchmal mehr Ausgeglichenheit wünsche. Dann versuche ich, mit Gartenarbeit oder Yoga eine Balance herzustellen. ol Inmitten der Anforderungen, die für Außenstehende vielleicht wie ein Korsett wirken: Wo bleibt der Spaß? Besteht er darin, dass das, was Sie machen, dann doch einfach erfüllend ist? Oder ist es wie so oft im Leben: Wirklich vollkommen erfüllend ist es nur jeden dritten Tag, aber dieses Glück ist es dann wert?

gs Es wäre eine Lüge zu sagen, dass wirklich jeder Tag gleich gut ist. Ich liebe die Musik aber seit Langem einfach sehr – und mir war irgendwann klar: ohne sie geht es nicht. Und in so einem Fall einer großen Leidenschaft nimmt man vieles in Kauf. Ich entdecke immer wieder neu, wie umfassend meine Begeisterung für das alles ist, besonders auch für die Oper. Es ist einfach meine Welt und mein Platz. Anders will ich es nicht haben.

ol Ist es als freundliche Person notwendig, sich im Sinne der besonderen Anforderungen an eine Dirigentin eine Maske der Strenge aufzusetzen, um Autorität zu zeigen? Weil es vielleicht so erwartet wird und sonst die Probendisziplin dahin wäre?

gs Vielleicht müsste man das. Allerdings beherrsche ich dieses Verstellen nicht sehr gut. Viele sagten mir früher, dass es mit mir und dem Beruf so nicht funktionieren würde, weil ich eben nicht zu freundlich sein darf. Mir ist aber die Treue zu mir selbst

GIEDRĖ ŠLEKYTĖ

Foto NIKOLA MILATOVIC

GIEDRĖ ŠLEKYTĖ Foto VITTORIO GRECO

LA BOHÈME

28. 31. OKTOBER 2. NOVEMBER

Musikalische Leitung GIEDRĖ ŠLEKYTĖ Inszenierung & Bühne FRANCO ZEFFIRELLI Kostüme MARCEL ESCOFFIER

SAIMIR PIRGU / ELBENITA KAJTAZI / LEONARDO NEIVA / MARTIN HÄSSLER

ILJA KAZAKOV / ANNA BONDARENKO / KS HANS PETER KAMMERER

dermaßen wichtig, dass ich es selbst mit ganz viel Training nicht schaffen würde, mich ausreichend zu verstellen, nur um bestimmten Erwartungen zu entsprechen. Und wenn ich das täte, dann wäre so wenig von mir selbst übrig, dass das Ganze ohnedies keinen Sinn hätte. Ein ganzes Leben in einer Verstellung zu leben ist ja auch Quatsch.

ol Wie wirkt sich eine solche Anreicherung mit Literatur und mit Quellenmaterial aus?

Wenn Sie Briefe von Puccini lesen – hat das, direkt oder indirekt, einen Einfluss auf Sie als Interpretin?

ol Nun haben Sie als Dirigentin den ganzen Tag Musik um die Ohren. Wir leben zudem in einer Gesellschaft, in der viele mit Ohrstöpseln versehen sich ihren eigenen Soundtrack schaffen. Wie gehen Sie mit einer solchen Dauermusik um? Wenn Sie am Abend dirigieren, brauchen Sie da zuvor eine Klangpause? gs Wenn ich viel arbeite, höre ich zusätzlich kaum Musik, auch nicht auf der Straße. Es ist ja auch schön, etwas Stille zu genießen. Und Zeiten der Ruhe sind mir wichtig! Es hilft mir nämlich sehr, ein bisschen abgeschieden zu studieren und zu lesen. Wenn mich dabei Gedanken von Künstlern, die zum Beispiel vor 200 Jahren formuliert wurden, unmittelbar ansprechen, ist das ungemein verbindend! So ein: »Ja, genau das, was du schreibst, fühle ich auch gerade!« Was für ein Geschenk, das heute lesen zu können! Diese Momente der scheinbaren Einsamkeit, die ich mit Büchern und Noten verbringe, sind die wichtigsten und produktivsten!

GIACOMO PUCCINI

gs Jedes Projekt macht mich zu einem bisschen anderen Menschen. Nicht komplett. Aber es kommt immer ein kleiner Teil dazu. Prinzipiell hilft ein breites Wissen sehr, ob das nun Bücher sind oder Manuskripte. Man gewinnt immer etwas. Und es hat etwas Inspirierendes! Wenn nicht direkt bei einer Aufführung, dann doch vielleicht in einer anderen Lebenssituation.

ol An der Wiener Staatsoper debütieren Sie mit Puccinis  La bohème . Das ist eine der TopFünf-Opern, die weltweit laufend gegeben werden und die viele von uns unzählige Male erlebt haben. Wie macht man sich als Dirigentin frei von all den Beeinflussungen, die man im Laufe der Jahre gesammelt hat, um ganz man selbst sein zu können?

gs Ich denke nicht viel darüber nach. Es ist kein »O Gott, ich muss diese Erfahrung ausblenden, denn sonst ist das keine ›neue ‹ Bohème !«. Ich habe die  Bohème  so oft gehört… und ich glaube nicht, dass ich vergessen will, was ich alles gehört habe. Zumal gerade die  Bohème  eine Oper ist, mit der ich eng verbunden bin. Fun Fact: Meine ersten Erfahrungen mit  La bohème  machte ich, als ich sie in Vilnius, meiner Heimatstadt, im Kinderchor sang. Das war eine Kultproduktion, mit Asmik Grigorian als Musetta, die in Litauen schon damals ein Star war. 25-mal stand ich auf der Bühne – und viele Jahre später dirigierte ich genau diese Produktion. Ach, das war schon ein besonders berührender Moment, denn ich konnte mich noch so genau an alles erinnern. Die Kostüme, den Unsinn, den wir als Kinder getrieben haben… Nein, das will ich natürlich nicht vergessen!

ol Bereitet es Ihnen Mühe, in der  Bohème  emotional nicht weggespült zu werden? Nicht nur wegen Ihren Erinnerungen, sondern an sich, weil das Werk einen so berühren kann?

gs Das geht ganz automatisch, dass ich nicht weggespült werde. Denn auch wenn sehr viel Emotion bei der Arbeit im Spiel ist, es gibt einen Instinkt, der einen schützt: Wenn man auf der Bühne steht, ist es etwas anderes, als im Publikum zu sitzen. Wenn ich mir eine Oper anschaue, kann ich eine Stunde lang weinen – aber nicht, wenn ich im Orchestergraben bin. Irgendetwas ist da geregelt: Wann welche Hirnhälfte tätig wird.

ol Und was ist schöner?

gs Ich liebe beides. Etwas zu gestalten, aber auch zuzuhören. Ich bin eine leidenschaftliche Opernliebhaberin und ich gehe wirklich in viele Vorstellungen.

ol Was macht nun eine gute Puccini-Dirigentin aus? Im Vergleich etwa zu Mozart oder Verdi? Oder ist alles ein Handwerk, egal, welcher Komponist?

gs Ich finde Puccini durchaus heikel, gerade auch die Bohème. Es gibt viele Tempowechsel, viel Freiheit – aber auch viel Ausgeschriebenes, an das man sich halten soll. Man muss während der Vorstellung die Sängerinnen und Sänger lesen können, also wissen, was sie gerade brauchen, aber das betrifft jede Opernaufführung. Natürlich sollte man das Werk ausgesprochen gut kennen – übrigens auch das Libretto. Denn es ist ein guter Text! Witzig und gefühlvoll, genau dosiert, mit viel Schmelz, aber auch viel Schmäh. Wenn man ihn genau kennt, ist es fast die halbe Bohème-Miete, denn dann ergeben sich die Tempowechsel und Übergänge ganz organisch.

GERALD FINLEY Foto MARSHALL LIGHT STUDIO

UND JETZT: MACBETH

Der aus Kanada stammende Bariton Gerald Finley macht mit seinen feinen und klugen Interpretationen seit mittlerweile mehr als zehn Jahren auch an der Wiener Staatsoper regelmäßig Station: Unvergessen beispielsweise sein Förster in der Premiere von Janáčeks Schlauem Füchslein oder sein

Amfortas in der Parsifal-Neuproduktion von 2017. Mit dem Falstaff hatte er sich 2022 dem Wiener Publikum bereits als exquisiter Verdi-Interpret vorgestellt – nun gibt er hier im Oktober sein weltweites Rollendebüt als schottischer Erz-Finsterling Macbeth.

al Regisseur Barrie Kosky zeigt in seiner Inszenierung einen Macbeth, der von Anfang an mit seinen inneren Dämonen konfrontiert wird und zugleich einer ungeheuren und ausweglosen Einsamkeit preisgegeben ist. Wir sehen also einen Spot auf die psychischen Qualen eines verzweifelt mit sich Ringenden.

gf Ohne Zweifel ein wunderbarer Ansatz, dem wohl alle im Publikum problemlos folgen können. Schließlich hat jede und jeder irgendwelche innere Dämonen, die es niederzuhalten gilt. Bei Macbeth ist der Hauptdämon wohl sein fataler Ehrgeiz, der ihn dazu bringt, den dunklen Pfad einzuschlagen. Macbeth weiß ab einem bestimmten Zeit-

punkt seines Lebens, dass ein weiterer sozialer Aufstieg für ihn auf legalem Weg kaum mehr wahrscheinlich ist. Durch sein Streben weiterzukommen, wird er daher versucht. Wir kennen ja genügend entsprechende Beispiele aus der Wirtschaft, aus der Politik. Ja, mir gefällt der Gedanke, die Hexen und deren Prophezeiungen als Ausformungen des eigenen, übertriebenen oder sogar krankhaften Ehrgeizes zu verstehen, die einen dazu verleiten, nach Dingen zu greifen – in diesem Fall nach der Königskrone –, die für alle eine Kettenreaktion an negativen Folgen auslösen. Shakespeare beziehungsweise Verdi zeigen uns eindrücklich, was passiert, wenn man alle Lebensenergie ohne Rücksicht auf den zu zahlenden Preis aufwendet, um eine persönlich, noto-

rische Unzufriedenheit zu stillen. Der Weg, den Macbeth einschlägt, kann daher immer nur noch tiefer ins Verderben führen.

al Aber erkennt Macbeth, dass er Schuld auf sich geladen hat? Sein berühmtes Zitat, nach dem das Leben lediglich ein Märchen wäre, das von einem Narren voller Klang und Wut erzählt wird und letztlich nichts bedeutet, klingt eher nach: alles ist ohnehin fremdbestimmt.

gf Ich glaube, dass dieser Satz den Beginn eines finalen Erkenntnisprozesses einleitet. Macbeth sagt ihn im Angesicht des vollkommenen Zusammenbruchs: Seine Frau, also sein Alter Ego, ist tot, ihre Unterstützung damit

MACBETH

12. 15. 17. 21. OKTOBER

Musikalische Leitung AXEL KOBER

Inszenierung BARRIE KOSKY

Bühne & Licht KLAUS GRÜNBERG Kostüme KLAUS BRUNS Dramaturgie CLAUS SPAHN

Mit u.a. GERALD FINLEY / ROBERTO TAGLIAVINI / EKATERINA SEMENCHUK / SAIMIR PIRGU

CARLOS OSUNA / DOHOON LEE / JENNI HIETALA

zu Ende, die Zukunft trostlos, der Ehrgeiz, dem er alles untergeordnet hat, enttarnt sich als Hirngespinst und zerplatzt. Macbeth erkennt die Sinnlosigkeit eines Strebens nach etwas, das einem nicht gegeben ist. Dass er sehr wohl eine Schuld erkennt, wird in der Oper in seinem letzten Ausspruch überdeutlich: »Muoio... al cielo... al mondo in ira, vil corona ... e sol per te!«, also: »Ich sterbe … dem Himmel und der Erde verhasst, erbärmliche Krone … und nur für dich!« Macbeth sieht, vergleichbar mit König Lear, seine Schuld, die Ursachen, die ihn zu weit abgetrieben haben, aber eben viel zu spät. al Das Publikum kann ihn somit, trotz seiner Verbrechen, bemitleiden?

gf Das haben wir Verdi und seinem Librettisten Piave zu verdanken. Macbeths zu Herzen gehende Schlussarie »Pietà, rispetto, amore«, in der er einsehen muss, dass er weder im Leben noch nach dem Tod auf Liebe und Tröstung hoffen darf, kommt inhaltlich bei Shakespeare zwar auch vor, aber nur sehr kurz, fast beiläufig. In der Oper wird diesem Moment wirklich Raum gegeben. Und hier sind wir wieder bei der Schuldfrage: Dass er Schuld auf sich geladen hat, weiß Macbeth, was fehlt, ist hingegen Reue. Ohne um Sympathien zu buhlen, blickt er auf die Quintessenz seines Lebens und resümiert desillusioniert sein Versagen. Aber dank Verdi auf eine ungemein verinnerlichte Weise.

al Was verbindet Macbeth und Lady Macbeth miteinander? Ist es Liebe? gf Liebe ist ein sehr weites Feld. Sie sind jedenfalls voneinander abhängig, ergänzen sich und werden von ähnlichen Zielen angetrieben. Lady Macbeth genießt sicherlich die Position, die Gemahlin eines angesehenen, machtvollen Mitglieds des Militärapparates zu sein. Dieser Geltungsdrang macht für sie daher auch die Funktion einer Königin erstrebenswert. Beide leiden auch an ihrer

Kinderlosigkeit, die ihrer Macht einen zeitlichen Riegel vorschiebt. Wir erleben eine äußerst intensive Symbiose, eine auch musikalisch sehr intensive Verbindung. Ob Liebe im Spiel ist, wage ich nicht zu beantworten. al Inwiefern ist diese Verbindung musikalisch untermauert?

gf Man hört das sehr gut bei allen gemeinsamen Auftritten. Meist gibt sie den Duktus vor, dem er sich wie ein Begleitinstrument anschließt. Sie ist schwungvoller, entschlossener, er eher zaudernd, in seinem Charakter gebrochener. Die beiden erinnern an ein Schloss-und-Riegel-Prinzip. Die Musik zeigt also ein aufeinander eingespieltes Team. al Sie werden den Macbeth jetzt zum ersten Mal singen. Wie lange hatten Sie schon den Wunsch, diese Partie in Ihr persönliches Repertoire aufzunehmen?

gf Zunächst einmal: Verdi singen zu dürfen ist für jede Sängerin, für jeden Sänger ein Geschenk. Davon unabhängig habe ich immer nur Rollen angenommen, bei denen ich mich zu hundert Prozent selbst einbringen konnte, also meine Stimme, meine eigenen Gefühle, meine Lebenserfahrung. Schon als ich jünger war, gab es immer wieder Personen, die mir zum Macbeth rieten… ich wollte aber nichts überstürzen. Mittlerweile kann ich auf einige Falstaffe und Jagos zurückblicken, aber auch auf den Lear von Aribert Reimann, den ich, wie schon angedeutet, als einen innerlichen Verwandten des schottischen Königs deute. So gesehen lag es auf der Hand, es endlich mit dem Macbeth zu versuchen. Abgesehen davon bietet die Rolle eine ungemein breite Palette an darstellerischen und vokalen Möglichkeiten. Ich hoffe also, dass mich diese Rolle in Zukunft noch lange beschäftigen wird.

GERALD FINLEY als FALSTAFF in FALSTAFF

Foto MICHAEL PÖHN

GEBURTSTAGE

Der italienische Tenor ANTONINO SIRAGUSA wird am 5. Oktober 60 Jahre alt. An der Wiener Staatsoper sang er in knapp 70 Vorstellungen vor allem Belcanto-Partien (Elvino, Graf Almaviva, Ernesto, Nemorino, Lindoro, Don Ramiro) und Rinuccio in Gianni Schicchi

Der amerikanisch-österreichische Tenor KURT STREIT vollendet am 14. Oktober seinen 65. Geburtstag. An der Wiener Staatsoper interpretierte er an 25 Abenden Belmonte, Tamino, Don Ottavio und Eisenstein.

MANUEL LEGRIS , Staatsopern-Ehrenmitglied und ehemaliger Direktor des Wiener Staatsballetts sowie Choreograph der Ballette Sylvia und Le Corsaire für diese Compagnie, feiert am 19. Oktober seinen 60. Geburtstag.

Der aus Neuseeland stammende SIR DONALD MCINTYRE vollendet am 22. Oktober sein 90. Lebensjahr. Das Staatsopernpublikum konnte ihn als Wotan/Wanderer, Holländer, Amfortas, Kurwenal, Caspar und Don Pizarro hören.

Der deutsche Komponist MANFRED TROJAHN vollendet am 22. Oktober sein 75. Lebensjahr. An der Wiener Staatsoper wurde seine Oper Orest mehrfach aufgeführt.

FREUNDESKREIS

WIENER STAATSBALLETT

Die neue Saison ist für die Förderinnen und Förderer des Freundeskreises Wiener Staatsballett mit einem spannenden Programm aus Führungen durch die Wiener Staatsoper, die Dekorationswerkstätten von Art for Art mit Einblicken in die Entstehung des Bühnenbildes von The Winter’s Tale sowie einem Probenbesuch zu Schwanensee im Ballettsaal der Wiener Staatsoper gestartet. Noch ist es Zeit, für die laufende

Saison eine Mitgliedschaft abzuschließen und damit das Wiener Staatsballett zu fördern sowie in den Genuss eines vielfältigen exklusiven Programms zu kommen. Im Oktober ist ein Künstlergespräch mit dem Ballettmeister und Produktionsleiter Lukas Gaudernak geplant, im November dreht sich auch beim Freundeskreis alles um die Premiere von Christopher Wheeldons Shakespeare-Ballett The Winter’s Tale. Die Möglichkeit zur Anmeldung und das vollständige Programm finden Sie hier:

WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN/ FREUNDESKREIS-WIENER-STAATSBALLETT

CLUB Ö1

Ö1 Club-Mitglieder erhalten 10 % Ermäßigung auf max. zwei Vollpreiskarten pro Ballettvorstellung in der Staats- und Volksoper (außer Premieren und Sonderveranstaltungen)

EINFÜHRUNGSMATINEE

GYÖRGY KURTÁGS Fin de partie erklingt am 16. Oktober erstmals im Haus am Ring. Wie bei jeder Premiere gibt es zuvor eine Einführungsmatinee (6. Oktober, 11 Uhr), die Staatsoperndirektor Bogdan Roščić moderiert. Im Rahmen der Matinee werden Inhalt und Entstehungsgeschichte der Oper erzählt, wird die Musiksprache Kurtágs ausgeleuchtet und es wird die Neuproduktion vorgestellt. Wie jedes Mal bei den Matineen singen und sprechen Mitwirkende der Premiere – diesmal Georg Nigl, Philippe Sly, Charles Workman und Hi-

lary Summers. Dirigentin Simone Young wird durch die musikalische Welt von Fin de partie führen und auch als Pianistin zu erleben sein. Und Regisseur Herbert Fritsch – er hat an der Wiener Staatsoper 2021 Il barbiere di Siviglia herausgebracht – gibt Einblicke in sein Inszenierungskonzept.

ARNOLD ROSÉ

Von April bis Juni 2024 zeigte die Wiener Staatsoper die Ausstellung Nur die Geigen sind geblieben. Alma & Arnold Rosé, die vom Haus der Geschichte Österreich kuratiert und verliehen wurde. Dabei widmete sich das Haus am Ring dem im Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Konzertmeister des Staatsopernorchesters, der als Geiger Musikgeschichte schrieb und dessen Tochter, eine ebenfalls bedeutende Geigerin, die 1944 im Konzentrationsund Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ermordet wurde. Im Rahmen der Ausstellung war auch eine von Alma Mahler geschaffene Büste Arnold Rosés zu sehen, die von den Wiener Philharmonikern dankenswerterweise zur Verfügung gestellt wurde. Diese Büste ist als Dauerleihgabe der Philharmoniker nun länger in der Wiener Staatsoper zu sehen und erinnert an den großen Musiker, der endlich ans Haus am Ring zurückgekehrt ist sowie an dessen tragisches Schicksal.

Fotos VICTORIA NAZAROVA (Freundeskreis Wiener Staatsballett) SANDRAH STEH (Young) SOFIA VARGAIOVÁ (Büste Rosé)

SIMONE YOUNG
Im FREUNDESKREIS mehr erleben
ARNOLD ROSÉ

SCHIKANEDER IN WIEN

Themenführungen zu Komponisten gehören zur Angebotspalette des Offiziellen Freundeskreises der Wiener Staatsoper. In einer guten Stunde schreitet man gemeinsam einen biografischen Weg ab, besucht Wiener Wirkungsstätten und Erinnerungsplätze und erfährt etwas über den Komponisten, die Stadt und das Werk des Meisters. Bisher gab es schon Wanderungen zu unter anderem Mahler, Mozart, Verdi, Donizetti, Beethoven, Puccini oder Schubert, im Oktober geht es erstmals um einen Librettisten: Emanuel Schikaneder. Der Darsteller, Theaterprinzipal und Textschöpfer der Zauberflöte steht am 18. und 21. Oktober auf dem Programm, Informationen wie immer unter WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN

DIE SACHE MIT DEM WISSEN

Die Wiener Staatsoper hat einen Offiziellen Freundeskreis, der eine Reihe von Veranstaltungen anbietet, unter anderem ein Gesprächsformat namens Dialog am Löwensofa . Dort wird über Themen, die mit der Oper zu tun haben, aber auch ein bisschen über das reine Opernfach hinausreichen, gesprochen: Genie und Wahnsinn, Wie demokratisch ist Kunst?, Gibt es einen Wiener Klang?, Kunst und Künstliche Intelligenz waren nur einige der bisherigen Themen. Mit dabei sind stets auch prominente Gäste, zuletzt etwa Rudolf Buchbinder, Nadja Kayali, Paulus Hochgatterer, Hannah Eisendle, Konrad Paul Liessmann, Ketevan Papava, Adam Fischer und Heinz Sichrovsky. Mitglieder des Opernstudios und des Bühnenorchesters gestalten

das musikalische Rahmenprogramm. Am 5. Ok tober wird über Wieviel Wissen braucht die Kunst? diskutiert. Dabei geht es unter anderem um die Fragen, ob man für einen Opernbesuch Vorwissen braucht oder ob Kunst nicht eben etwas sein sollte, das sich direkt, ohne Vorwissen erschließt. Oder ob einem das Wissen gar im Weg steht bzw. was Journalistinnen und Künstler als Wissens-Handwerkszeug brauchen. Als Gäste werden unter anderem Presse-Redakteur Thomas Kramar und KS Adrian Eröd begrüßt. Der Eintritt ist für Mitglieder des Offiziellen Freundeskreises frei, Informationen und Anmeldung unter WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN

RADIOTERMINE

5. Okt. 19.30 DON CARLO Ö1 (Verdi)

Musikalische Leitung JORDAN Mit GRIGORIAN, TAGLIAVINI, GUERRERO, DUPUIS, ULYANOV, GRIGORIAN, HUBEAUX, STAPLE, STANCHEV, AMAKO, TONCA Orchester und Chor der Wiener Staatsoper

19. Okt. 19.30 FIN DE PARTIE Ö1 (Kurtág)

Musikalische Leitung YOUNG

Mit WORKMAN, SUMMERS, SLY, NIGL Orchester der Wiener Staatsoper

27. Okt. 15.05 DAS WIENER Ö1 STAATSOPERNMAGAZIN

Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper Mit MICHAEL BLEES

LIVESTREAM AUS DER WIENER STAATSOPER

19. Okt. 19.30 FIN DE PARTIE (Kurtág)

Musikalische Leitung YOUNG Inszenierung, Bühne & Kostüme FRITSCH Licht ROM

Mit WORKMAN, SUMMERS, SLY, NIGL Orchester der Wiener Staatsoper

PRODUKTIONSSPONSOREN

LE NOZZE DI FIGARO DON GIOVANNI MACBETH SERVICE

ADRESSE

Wiener Staatsoper GmbH

A Opernring 2, 1010 Wien

T +43 1 51444 2250 +43 1 51444 7880

M information@wiener-staatsoper.at

IMPRESSUM

OPERNRING 2

OKTOBER 2024 SAISON 2024 / 25

Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH / Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ / Kaufmännische Geschäftsführung DR. PETRA BOHUSLAV / Musikdirektor PHILIPPE JORDAN / Ballettdirektor MARTIN SCHLÄPFER / Redaktion SERGIO MORABITO / ANNE DO PAÇO / IRIS FREY / ANDREAS LÁNG / OLIVER LÁNG / NIKOLAUS STENITZER / KRYSZTINA WINKEL / Art Direction EXEX / Layout & Satz IRENE NEUBERT / Lek torat MARTINA PAUL / Am Cover SAMUEL BECKETT / Foto STEVE SCHAPIRO / GETTY IMAGES / Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUKTIONS GMBH, BAD VÖSLAU

REDAKTIONSSCHLUSS für dieses Heft: 25. SEPT. 2024 / Änderungen vorbehalten / Allgemein verstandene personenbezogene Ausdrücke in dieser Publikation umfassen jedes Geschlecht gleichermaßen. / Urheber/innen bzw. Leistungsschutzberechtigte, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. WIENER-STAATSOPER.AT

EMANUEL SCHIKANEDER

Hochgenuss trifft Hochkultur

OFFIZIELLER SEKT DER WIENER STAATSOPER

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