Opernring 2 | September 2024

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S. 2

WAS BEDEUTET FREIHEIT HEUTE?

KIRILL SEREBRENNIKOV ÜBER SEINE ARBEIT AN DON CARLO

S. 8

VERDI VERTONTE SOGAR DIE PROPAGANDAMASCHINERIE PHILIPPE JORDAN IM GESPRÄCH

S. 14

ICH BIN IMMER ICH ASMIK GRIGORIAN SINGT IN DER DON CARLO -PREMIERE

S. 20

EISLOCHBADEN SCHADET DER STIMME NICHT JENNI HIETALA IM PORTRÄT

S. 24

CARMEN IN FÜNF WORTEN AIGUL AKHMETSHINA UND ELSA DREISIG

S. 28

MUSIK, DIE MAN SEHEN KANN ÜBER DIE WIEDERAUFNAHME VON ROMÉO ET JULIETTE

S. 34

»STÜRZ BEIM ABGANG NICHT ÜBERN GRABMAYR!« ZUR GRABMAYR-AUSSTELLUNG AN DER STAATSOPER

S. 38 DER PRÄGENDE MOMENT NADINE SIERRA

S. 41 WO THEATERWÜNSCHE WAHR WERDEN DIE NEUE SPIELSTÄTTE DER STAATSOPER

S. 42 SCHLAGLICHTER IM SEPTEMBER

S. 44 PINNWAND

S. 46

ICH MAG TYPEN, ICH MAG DIE MENSCHEN MARTIN SCHLÄPFER IM GESPRÄCH

S. 52 MITMACHEN: EIN STÜCK ENTWICKELN & AUF DER BÜHNE STEHEN! DIE LABOR-PROJEKTE SUCHEN NEUE ENSEMBLEMITGLIEDER

S. 54 DEBÜTS

Kostümherstellung und Anproben für DON CARLO in den Kostümateliers von ART for ART im Juni 2024. Fotos BALÁZS DELBÓ

WAS BEDEUTET FREIHEIT HEUTE?

Kirill Serebrennikov debütierte als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner an der Wiener Staatsoper 2021 mit Wagners Parsifal. War er damals noch der Willkür des russischen Regimes ausgeliefert, das ihm mit fadenscheinigen Begründungen die Ausreise verweigerte, ihn mit Gefängnishaft bedrohte und ihm nur die Arbeit per Videoliveschalte gestattete, so gelang es ihm in der Zwischenzeit – kurz nach der vollumfänglichen Eskalation des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – Russland zu verlassen und in Westeuropa zahlreiche Regiearbeiten in Film, Schauspiel und Oper zu realisieren. Zuletzt brachte er bei der Ruhrtriennale LEGENDE zur Uraufführung, nach Motiven aus der Welt des georgischen Filmregisseurs Sergey Paradjanov. Nun ist er seit Mitte August in Wien vor Ort, um Verdis Don Carlo zu inszenieren. Produktionsdramaturg Sergio Morabito hat Serebrennikovs Gedanken zu dessen Annäherung an die Partitur hier aufgezeichnet.

Verdi macht es der Regie nicht leicht. Seine Opern szenisch sinnvoll zu interpretieren, ist schwer, und die Gefahr, dass man sich dabei in eine konzeptuelle Sackgasse manövriert, groß. Ein so verdichtetes, hinreißend durchstrukturiertes Meisterwerk wie Don Carlo ist fast so etwas wie ein Selbstläufer, der sich gegen eine ganze Reihe heutiger Regietechniken sperrt. Ich stand und stehe als Regisseur also vor einer großen He -

»Wir haben unsere Kostümrepliken Zerstörungs- und Erosionsprozessen unterzogen, so, als hätten sie tatsächlich fünfhundert Jahre überstehen müssen.«

rausforderung. Folgende Überlegung wurde zum Schlüssel für mein Konzept. Das Stück ist ein »Familiengemälde in einem fürstlichen Hause«, wie Schiller selbst sein Drama einmal bezeichnet hat. Wir sollten uns also der historischen und sozialen Verortung seiner Geschichte und seiner Charaktere stellen. Aber ich musste meinen eigenen künstlerischen Zugang dazu finden, damit diese Oper zu

wirklichem Theater und nicht zu einem »Konzert im Kostüm« wird – wie man szenisch statische und schauspielerisch nicht durchdrungene Opernaufführungen auch nennt. Ich musste also die Kostüme selbst theatralisieren.

Wir haben uns dazu entschieden, die Kostüme der historischen Akteure in einem aufwendigen Prozess zu rekonstruieren. Die offizielle Garderobe der historischen Vorbilder der im Stück auftretenden Figuren – Philipp II. von Spanien, sein Sohn Don Carlos, Elisabeth, die französische Prinzessin, die mit Carlos verlobt war, die aber dann sein verwitweter Vater für sich beansprucht hat, und Philipps Geliebte, die Fürstin Eboli, sowie der geheimnisvolle Mönch, hinter dem Carlos’ Großvater Karl V. vermutet wird – ist auf einigen zeitgenössischen Ganzkörperporträts des 16. Jahrhunderts dokumentiert. Und natürlich sind diese Porträts und ihre Darstellungen in erster Linie Machtdiskurse. An ihrer Kostbarkeit und nicht zuletzt an der Zeit, die sowohl die Herstellung als auch das Anlegen dieser äußerst aufwendigen Hofkleidung in Anspruch nehmen, lässt sich die Macht ihres Trägers oder ihrer Trägerin ablesen. Alles kreist um den Träger oder die Trägerin des Kostüms und damit um die Macht. Aber zugleich wird der Bewegungsradius

der Träger rigoros eingeschränkt. Auch und gerade für die Mächtigen wird das Kostüm zum Gefängnis des Körpers, der darin diszipliniert und dem abgezirkelten Hofzeremoniell unterworfen wird. Die historische Garderobe ist also direkt mit der Frage nach Macht und Freiheit verknüpft, und damit den zentralen Themen dieser Oper.

Gemeinsam mit der Kostümbildnerin Galya Solodovnikova haben wir ein großes Rechercheprojekt gestartet, in dem wir viele Quellen zur historischen Kostümkunde des 16. Jahrhunderts studiert haben, bevor die eigentliche Herstellung dieser »Museumsstücke« in Zusammenarbeit mit den wunderbaren Werkstätten der Wiener Staatsoper ein weiteres volles Jahr in Anspruch nahm. Eine Herausforderung bestand darin, nicht nur die Außenansicht der Vorlagen zu reproduzieren, sondern die Kostüme tatsächlich von innen her aufzubauen und auch dabei

absolute historische Treue zu wahren, von der Unterwäsche, der Unterkleidung, den Unterbauten der Reifröcke und Strümpfe, bis hin zu allen Accessoires, den Bändern, Handschuhen, Perlen-, Feder- und sonstigen Applikationen, den Schmuckstücken, Orden, Waffen und natürlich auch dem Schuhwerk. Dabei haben wir auch mit nahezu ausgestorbenen Web-, Näh-, Stick-, Veredelungs- und Färbetechniken experimentiert. Es ist das erste Mal, dass ich in der Oper mit Rekonstruktionen historischer Kostüme arbeite. Diese historische Referenz stellt aber nur eine von mehreren Ebenen meiner Inszenierung dar. Denn wir präsentieren diese Kostüme in einem zeitgenössischen Kontext. Einer meiner stärksten Eindrücke bei einer Reise durch Japan war der Besuch des berühmten KCI, des »Kyoto Costume Institute«, in dem über 13.000 Original-Objekte aus allen Epochen und Kulturen aufbe -

wahrt werden. Ich erhielt auf meine Bitte eine Führung durch den nach außen unauffällig wirkenden Gebäudekomplex. Im Inneren der Lager-, Forschungs-, Restaurierungs- und Ausstellungsräume fühlte ich mich dann aber wie ins 23. Jahrhundert katapultiert: Die Arbeit dort findet an Hightech-Computerarbeitsplätzen statt, die mit avantgardistischen Lichtarmaturen ausgestattet sind; die Oberfläche der Wände ist gegen UV-Strahlung, Staub, Feuchtigkeit und alle anderen schädlichen Umwelteinflüsse versiegelt; all das, um das Fragilste überhaupt, nämlich die hoch empfindlichen Fasern und Texturen zu schützen, die zum Teil auch in temperierten Kühlfächern gelagert werden müssen. Die archivierten Textilien dürfen nur nach Anlegen weißer

GIUSEPPE VERDI

Handschuhe berührt werden, die ebenfalls Sonderanfertigungen darstellen. Und dennoch: Man empfindet die Gefährdung der Objekte geradezu körperlich, gerade, weil hier alles Menschenmögliche getan wird, um gegen ihren Zerfall anzuarbeiten. Diese Erfahrung hat mir eine weitere Dimension von Verdis Oper erschlossen: Das Wissen um die Vergänglichkeit des Menschen, seiner Leidenschaften, seiner Anstrengungen und seiner Taten, den Fluss der Zeit, der merklich oder unmerklich alles von Menschen Gemachte auslöscht und zerstört. Don Carlo beginnt ja mit einem Memento mori, mit den Stimmen psalmodierender Mönche. Sie singen, dass vom einstigen Weltenherrscher Karl V. nicht mehr übriggeblieben ist als »stummer Staub«. Und am Ende der Oper

DON CARLO

26. 29. SEPTEMBER 3. 6. 9. OKTOBER PREMIERE

Musikalische Leitung PHILIPPE JORDAN Regie, Bühne & Kostüme KIRILL SEREBRENNIKOV

Choreographie EVGENY KULAGIN Video ILYA SHAGALOV Licht FRANCK EVIN

Musik-Dramaturgie DANIIL ORLOV Mitarbeit Bühne OLGA PAVLIUK Mitarbeit Kostüme GALYA SOLODOVNIKOVA

Mit u.a. ASMIK GRIGORIAN / ROBERTO TAGLIAVINI / JOSHUA GUERRERO / ÉTIENNE DUPUIS / DMITRY ULYANOV

DAN PAUL DUMITRESCU / EVE-MAUD HUBEAUX / ILIA STAPLE

erscheint der geheimnisvolle Mönch wieder, um anzukündigen, dass sich die »Kriege des Herzens« nur im Himmel, also in der Ewigkeit beruhigen werden.

Neben diesen beiden Dimensionen –die in ihren Überresten präsente Zeit des 16. Jahrhunderts und unserer heutigen Gegenwart – gibt es eine dritte Ebene, eine Zwischenzone gewissermaßen, in der sich Vergangenheit und Gegenwart vermischen und in der die Sängerinnen und Sänger aus ihrer heutigen Kleidung in schwarze, umrisshaft bleibende Prototypen oder Musterfertigungen der Kostüme ihrer historischen Avatare schlüpfen und deren Drama neu durchleben. Nur einer der von Schiller erfundenen Charaktere hat kein historisches Vorbild: Carlos’ Freund Rodrigo, der Marquis von Posa, ist eine Gestalt der Aufklärung, ein moderner Mensch, wenn wir so wollen. Als ÖkoAktivist verkörpert er auch bei uns eine revolutionäre Fragestellung, nämlich die nach der dysfunktionalen Überproduktion und dem Überkonsum von Textilien und Bekleidung unter den Bedingungen der kapitalistischen Massenkultur und -gesellschaft heute. Er konfrontiert uns mit den katastrophalen Arbeitsbedingungen der Herstellung von Bekleidung in Taiwan, Pakistan, China oder Indien und mit den nicht weniger katastrophalen Folgen der sogenannten Entsorgung von Textilmüll, die etwa in Lateinamerika zur Aufschichtung von Müllgebirgen und zur Verwüstung ganzer Landstriche führt. Posa stellt die Frage nach Freiheit und nach einer menschenwürdigen Gesellschaftsform heute, um sie an uns, die Zuschauerinnen und Zuschauer, weiterzugeben.

»Diese Oper ist eine der schönsten Partituren, die in der Menschheitsgeschichte komponiert wurden.«

VERDI VERTONTE SOGAR DIE PROPAGANDAMASCHINERIE

PHILIPPE JORDAN
Fotos PETER MAYR

ANDREAS LÁNG IM GESPRÄCH

Es gibt auch die Liebe auf den zweiten Blick. Und diese erweist sich mitunter als ebenso dauerhaft und leidenschaftlich wie die vielbeschworene auf den ersten. Philippe Jordan beispielsweise konnte sich in seiner Jugend zunächst kaum für die Werke Giuseppe Verdis erwärmen, und wenn er entsprechende Vorstellungen besuchte, dann nur, um sich einen allgemeinen Überblick über das Repertoire des 19. Jahrhunderts zu verschaffen. Mozart, Strauss, Wagner –diese Trias hatte es ihm von Anfang an angetan, in Verdi sah er lediglich einen Produzenten schöner Melodien mit den oft beschworenen Umtata-Begleitungen.

Es war dann die Piangi, piangiStelle des Giorgio Germont in der Traviata, die gewissermaßen als Türöffner wirkte und Jordan während einer Aufführung aufmerken ließ: Im Innersten berührt und erschüttert erkannte er eine Tiefendimension in dieser Partitur, die ihn neugierig auf mehr machte. Also widmete er sich mit wachsendem

Interesse und zunehmender Begeisterung zunächst La forza del destino und schließlich Don Carlo. Und hier geschah es dann endgültig: Die Arie des ebenso mächtigen wie ungeliebten Königs Philipp, die musikalische Porträtierung des dämonischen Großinquisitors, das bald darauf folgende Quartett von Elisabeth, Eboli, Posa und dem König machten aus Philippe Jordan mit einem Mal einen bekennenden Verdi-Liebhaber.

Dass gerade dieses Stück bis heute einen zentralen Platz in seiner Laufbahn einnimmt, zeigt sich auch an seinem Wirken an der Wiener Staatsoper: Bereits 2005 leitete er hier Don Carlo -Vorstellungen in der Inszenierung von Pier Luigi Pizzi, später waren es Aufführungen in der Regie Daniele Abbados, und nun wird er am 26. September die Premiere der Neuproduktion von Kirill Serebrennikov dirigieren. Noch vor Probenbeginn entstand das folgende Interview.

al Obwohl Don Carlo nicht zur trilogia popolare gehört, also zu den drei »Schlager-Opern« Rigoletto, Traviata, Trovatore, wird dieses Stück von großen Teilen des Publikums sehr geschätzt. Bei diversen Rankings der beliebtesten Werke nimmt Don Carlo immer wieder einen der ersten Plätze ein. Warum?

pj Das hat zwei Gründe: Erstens haben wir es mit einem unglaublich starken Sujet zu tun – Friedrich Schiller war nun einmal ein genialer Dramatiker, und sein Don Karlos, die wesentlichste Vorlage für diese Oper, hat Verdi zwangsläufig zu Höchstleistungen inspiriert. Zweitens sind wir mit der italienischen Version des Don Carlo, die wir jetzt auch bei der Premiere zeigen werden, beim schon älteren Verdi angelangt, dem Verdi der Aida und des Requiem. Die Partitur bietet daher nicht nur großartige Melodien und einen Sinn für Dramatik, sondern zusätzlich eine kompositorische Reife, die sich in einer ungeahnten Raffinesse in der Harmonik und Instrumentation ausdrückt. Eine Raffinesse, mit deren Hilfe Verdi meisterhafte Atmosphärenschilderungen und Charakterporträts entwickelt. al Apropos italienische Version: Sie ist das Ergebnis eines langjährigen Überarbeitungsprozesses der französischen Uraufführungsfassung durch Verdi selbst. Sind für den Interpreten die unterschiedlichen Entstehungsschichten erkennbar? pj Sicher ist, dass die französische Uraufführungsversion von 1867 die einheitlichste und konsequenteste von allen ist. Sie entstand für die Pariser Grand Opéra und hatte daher gewisse formale Anforderungskriterien zu erfüllen, um dort überhaupt aufgeführt zu werden. Neben dem langen Ballett sind das vor allem die großen, fast riesenhaften Arien, die wie musikalische Kolossalgemälde angelegt sind – die Elisabeth-Arie im letzten Akt entspricht in ihrer Dreiteiligkeit etwa einem monumentalen Triptychon. All das ist eingebettet in eine ausladende, fünfaktige Partitur, die in ihrer zeremoniellen, höfischen Sprache und ihrem Gesamtduktus weniger opernhaft und emotional als schauspielhaft und intellektuell wirkt. Fast ein bisschen abstraktkühl. Mein Herz schlägt aufgrund der oben erwähnten kompositorischen Reife, aber auch wegen der Sprache für die spätere vieraktige, in Mailand erstaufgeführte italieni-

sche Fassung von 1884. Allerdings sind in ihr gewisse Uneinheitlichkeiten auszumachen. Um also die Frage zu beantworten: Ja, es treffen verschiedene Entstehungsschichten aufeinander. Mitten im reiferen, geraffteren und kompakteren Verdi stoßen wir in einigen ausladenden Arien auf nicht oder kaum bearbeitete Relikte der Ursprungsversion, die – so großartig sie auch sind –etwas aus der neuen Gesamtdisposition herausfallen.

al Nun hat Verdi 1886 für Aufführungen in Modena den in Mailand eliminierten ersten Akt der französischen Fassung, den sogenannten Fontainebleau-Akt, wieder eingefügt bzw. der Oper vorangestellt… pj … was für mich keinen essenziellen Gewinn darstellt. Der Fontainebleau-Akt fühlt sich in seiner Formelhaftigkeit im stilistisch weiterentwickelten italienischen Umfeld der nachfolgenden Akte als Fremdkörper an, er funktioniert nur in der französischen Ursprungsversion. Darüber hinaus empfinde ich die Stück-Dramaturgie ausgeglichener, wenn man nicht im Wald von Fontainebleau, sondern erst im Kloster beginnt: Erstens ergibt sich ein schönerer Bogen vom Anfang zum Schluss hin, der ja ebenfalls im Kloster spielt, und zweitens rückt das »effektvolle« Autodafé und die Szene mit dem Großinquisitor in die Mitte der Handlung, wodurch der Aufbau an Ebenmäßigkeit gewinnt.

al Sie haben die Meisterschaft Verdis erwähnt, durch raffinierte Harmonien und Instrumentationen im Don Carlo Atmosphäre und Charaktere hörbar zu machen.

pj Das geht schon beim ersten Takt los: Auf welche Weise lässt Verdi am Beginn die Düsterkeit des Klosters entstehen? Zunächst vermittelt der Klang der vier unisono spielenden Hörner, die die Oper mit einer weitgespannten, langsamen, etwas wehmütigen und zugleich sakralen Melodie eröffnen, eine feierliche, aber fast resignierte, ruhige Erhabenheit – in fis-Moll – in einer Tonart also, die von Haus aus etwas Dunkles, Verschattetes ausstrahlt. Verstärkt wird dieser Eindruck vom folgenden, wie aus der Ferne klingenden Choral der Mönche sowie von der Spannung, die durch den steten DurMoll-Wechsel entsteht, der diesen Beginn durchzieht. Etwas, das übrigens Gustav Mahler später sehr gerne einsetzen wird. Die Stimmung scheint jedenfalls zwischen dem Gefühl der Hoffnung und der Verzweiflung

»Mein

Herz schlägt aufgrund der kompositorischen Reife für die vieraktige, italienische Fassung.«

»Die

Partitur bietet eine kompositorische Reife, die sich in einer ungeahnten Raffinesse in der Harmonik und Instrumentation ausdrückt.«

unentwegt zu changieren. Wie anders zeichnet Verdi hingegen später, im dritten Akt, eine weitere Düsterkeit, jene des Gefängnisses, in dem Posa eingekerkert ist und wo er Carlo zum letzten Mal trifft. Auch hier herrscht eine dunkle Grundierung vor, aber diesmal eine in C-Dur. Die sich mehrfach wiederholenden Figuren im kurzen Streichervorspiel und das klagende Oboensolo – eine Reminiszenz an das nämliche Motiv im Rezitativ zur Carlo-Arie – spiegeln das Brüten

»Carlos wird benutzt, ignoriert, in Situationen hineinmanövriert, denen er nicht gewachsen ist.«

und Warten des Gefangenen wider, und das fast unbegleitete Rezitativ von Carlo und Posa verstärkt das Gefühl der alles beherrschende Stille. Selbst in der anschließenden Posa-Arie benutzt Verdi, um dieselbe Stimmung aufrechtzuerhalten, eine sparsame Orchestrierung. Die Einsamkeit Philipps in dessen Arie am Beginn des dritten Aktes wird wiederum durch die Einsamkeit des Solocellos symbolisiert, das den Gesang einleitet beziehungsweise begleitet. Da sieht man übrigens sehr schön eine der Entwicklungen von der französischen Urversion, in der an dieser Stelle noch die gesamte Cellogruppe zu spielen hat, zur reiferen italienischen Fassung mit dem Soloinstrument! Ein komplett gegensätzliches Szenario erleben wir in der Gartenszene im ersten Akt, konkret in der Schleierarie der Eboli: Die Halbton-Koloraturen in der Kadenz, der wiederholte Wechsel zwischen Dur und der mixolydischen Kirchentonart vereint mit einem markanten Rhythmus im 6/8-Takt, den wir übrigens auch im Zwischenspiel zum letzten Akt der Carmen vollkommen identisch wiederfinden, ruft unweigerlich den beabsichtigten Eindruck eines spanischarabischen Gartenambientes hervor. Und als letztes Beispiel nenne ich noch den Auftritt des Großinquisitors im dritten Akt: Anders als Mozart, der keinen seiner Akteure verurteilt, charakterisiert Verdi den Großinquisitor schon durch seine Auftrittsmusik als bedrohlichen, eiskalten, mitleidlosen Machtpolitiker, der über Leichen geht: Cello, Kontrabass, Fagott, Kontrafagott, Posaunen, Pauken und Große Trommel –lauter tiefe, dunkle Instrumente, die im punktierten Rhythmus das mühsame Schreiten und Hinken dieses unsympathischen, alten Mannes akustisch veranschaulichen. Schwärzer geht es kaum.

al In der Musik des Autodafés – dieses pervertierten Großevents mit öffentlicher Ketzerverbrennung – sucht man hingegen das Grausame, Furchtbare eher vergebens. Da klingt alles eher marktschreierisch-fröhlich.

pj Weil Verdi die offizielle, mächtige Propagandamaschinerie zu Wort kommen lässt: Hier wird eine

Massenhinrichtung als Spektakel inszeniert, die durchaus auch eine sakrale, feierliche Stimmung hat. Die Musik ist also bewusst als Kontrapunkt zum Geschehen gesetzt, wodurch die Schrecklichkeit des Ganzen noch deutlicher hervorgehoben wird.

al Die Herausforderungen für den Dirigenten sind von Verdi-Oper zu Verdi-Oper unterschiedlich – die Ensembleoper Falstaff zum Beispiel hat andere als ein chorlastiges Werk à la Nabucco. Wie sieht es diesbezüglich bei Don Carlo aus?

pj Mir fallen da vor allem drei Aspekte ein. Erstens: So klug und effektvoll die Instrumentation auch ist, muss der Dirigent hinsichtlich der dynamischen Balance gelegentlich etwas nachhelfen, da sonst einiges zu laut gerät oder die Mischung der unterschiedlichen Instrumentengruppen nicht so aufgeht, wie Verdi sich das gewünscht hat. Zweitens: Es dauert seine Zeit, bis die Handlung wirklich in Fahrt kommt. Man muss also alles gut kalkulieren, bis zum Autodafé einen Bogen spannen, allerdings ohne zu rasch zu werden, da ansonsten die einzelnen atmosphärischen Stimmungen beeinträchtigt werden. Und drittens: Relativ viele Nummern im 4/4Takt beginnen nicht auf eins, sondern ungewöhnlich als auftaktige Melodie auf der dritten Viertel. Beispiele wären die Carlo-Arie am Beginn »Io la vidi«, Posas »Per me giunto« und im Grunde auch Phlipps »Ah, si maledetto«. Das mag vielleicht aus dem Französischen kommen, wo die Betonung des Wortes oft auf der Endsilbe ist.

al Bleiben wir noch bei der Carlo-Arie. Es ist auffallend, dass die Oper »Don Carlo« heißt, die Titelfigur aber außer dieser einen, kurzen Arie nur in Ensembles vorkommt. pj Ich finde das sehr bezeichnend. Da ist ein junger Mann, ein verzweifelnd Liebender, der zwar nominell als Thronfolger gehandelt wird, aber in den großen Fragen der Politik und Religion vollkommen bedeutungslos ist, ohne jede Macht, ohne jeden Einfluss. Sein Charakter ist geradezu unerheblich, seine Tragik vollkommen privater Natur, geschildert wird er immer nur in Konstellation mit den anderen. Er wird benutzt, ignoriert, in Situationen hineinmanövriert, denen er nicht gewachsen ist. Trotzdem oder gerade deshalb ist er auf eine gewisse Weise das Zentrum, um das sich alles dreht. Es ist also sehr stimmig, dass das Werk einerseits nach ihm benannt ist und er trotzdem nur am Beginn diese kurze, wenn auch für den Tenor herausfordernden Arie bekommt, mit der er eingeführt und zugleich positioniert wird: Denn gerade durch diese Arie wird auch von der Musik von Anfang an klargestellt, dass er niemals das Heft in der Hand hat und haben wird. Eine weitere Arie ist nicht nötig, man hat seine ausweglose, beklagenswerte Situation verstanden, und diese wird im Laufe der Handlung immer neu bestätigt.

ASMIK GRIGORIAN Foto TIMOFEY KOLESNIKOV –ALPHA CLASSICS

ICH BIN IMMER ICH

ODER: DIE SÄNGERIN, DIE IHR MITTAGESSEN NICHT TEILT

Wenn sie die Bühne betritt, scheint die Zeit stehen zu bleiben. Asmik Grigorian singt nicht, spielt nicht, sie lebt die Kunst und ist mit jeder Faser ihres Daseins ganz Bühnenwesen, Theaterwesen. In der Premiere von Verdis Don Carlo singt sie erstmals in ihrem Leben die Rolle der Elisabetta. Was sie sich vom Regisseur erwartet, über echte und selbstinszenierte Diven und woran sie auf der Bühne mitunter denkt, das erzählt sie Oliver Láng im Interview.

ol Fangen wir mit Ihrem letzten Soloabend an der Wiener Staatsoper an, A Diva is Born. Viele haben sich ja bezüglich des Titels gefragt: Wie sieht sich Asmik Grigorian? Ist sie eigentlich eine Diva? ag Ja und nein. Es hängt davon ab, worüber wir sprechen: Wenn Sie mich fragen, ob ich Dinge wie Fotoshootings, Interviews, Mich-daneben-Benehmen mag, dann lautet die Antwort ganz klar: Nein! Ich mag diese Selbstinszenierungen und Maskierungen nicht, und ich brauche sie auch nicht, ich bin ja ohnedies eine Diva! (lacht)

ol Aber braucht der Opernbetrieb Diven? ag Ich glaube, dass die Oper solche wie die oben beschriebenen Diven nicht braucht. Aber vielleicht brauchen die selbstinszenierten Diven die Oper? Denn sie ist ein guter Ort, um all seine Eitelkeiten zeigen zu können. Es ist natürlich auch eine Sache der persönlichen Einstellung, ob man das alles mag oder nicht. Es ist wie beim Dresscode, den manche einfordern und als wichtig erachten, also die Frage, was man als Sängerin tragen soll oder angeblich muss. Ich war immer eine, die das gebrochen hat, einfach, weil ich keinen Sinn hinter all dem sehe.

ASMIK GRIGORIAN

Foto TIMOFEY KOLESNIKOV –ALPHA CLASSICS

ol Aber vielleicht hilft eine gewisse Form der Selbstinszenierung den Künstlerinnen und Künstlern? Es ist wie eine Verkleidung, die das Private verbirgt.

ag Ich weiß nicht… Ich habe einmal mit einer Regisseurin, die mich mein ganzes Leben lang kennt, sehr intensiv darüber diskutiert. Sie meinte höchst eindringlich, dass ich Asmik Grigorian von Asmik trennen muss, also die öffentlich agierende Sängerin von der Privatperson, weil ich sonst im Opernbetrieb nicht überleben könnte. Aber… ich habe das nie getan, nicht in meinem Opernleben und nicht in meinem echten Leben. Immer bin ich Asmik und gleichzeitig die Sängerin Asmik Grigorian. Diese beiden gehören einfach zusammen, haben sich gemeinsam entwickelt und sind miteinander verbunden. Niemals habe ich versucht, mich dadurch zu schützen, dass ich etwas vorspiele. Ich bin immer ich. Das ist etwas, das vielleicht besonders ist und das die intensive Beziehung, die mich mit meinem Publikum verbindet, ausmacht. Denn die Zuhörerinnen und Zuhörer verstehen und schätzen diese Ehrlichkeit. Keine Masken! Ich denke, es ist mutiger, sich zu zeigen, wie man ist. Und das ist letztendlich auch viel wichtiger als das ganze Drumherum.

ol Hat sich das Divo/Diva-Selbstverständnis in den letzten Jahrzehnten geändert? Ich kann mich an den Wiener Abschiedsabend von Carlo Bergonzi erinnern, da war er ganz ein Divo – aber im guten Sinne. ag Ich denke, da geht es auch um unterschiedliche Arten von Persönlichkeiten. Ich bin ja nicht gegen Diven – denken Sie nur an Maria Callas. Wenn sie einen Raum betrat, veränderte sich alles, einfach nur, weil sie war, wer sie war und wie sie war. Sie spielte keine Diva, sie war eine. Ich bin aber gegen den heutigen Trend, dass jede Zweite auf Insta gram ihren Busen herzeigt und zu einer »Diva« wird. Diese Art von Diven meine ich. Die wahre Diva, das ist die, die eine besondere Energie hat und nicht vorgeben muss, etwas zu sein, was sie nicht ist. Denken Sie an Karita Mattila, sie hat es nicht nötig, etwas zu spielen. Neben ihr werden alle anderen ganz klein, ohne dass sie etwas Besonderes tut. Das sind die echten Diven für mich!

ol Diese besondere Energie, von der Sie sprachen – die besitzen gerade Sie ja auch! Ist dieses Charisma erlernbar? Oder ist es angeboren?

»Inzwischen habe ich glücklicherweise gelernt, mich nicht nur als Objekt des Zweifels zu sehen, sondern ich beginne auch zu erkennen, dass es einige Dinge im Leben gibt, die ich beherrsche.«

ag Zunächst: Vielen Dank! Und zweitens: Beides ist der Fall. Charisma ist ein Geschenk, eine Gabe, die man bekommen hat. Aber es ist wie mit allen Gaben, man muss sich um sie kümmern, sie pflegen, entwickeln und wachsen lassen.

ol Bei Ihrem A Diva is Born -Abend haben Sie auch sehr harte Kritik zitiert, die Sie sich anhören mussten. Wie gehen Sie mit solcher um? Macht sie Sie stärker? Sie verletzt Sie aber natürlich auch?

ag Wiederum ist beides der Fall. Sie verletzt mich, weil ich eine super-sensible Person bin. Und daher hat diese Art von Kritik eine wirklich große Zerstörungskraft. Gleichzeitig ist es so, dass ich eine Superkraft habe und die in so einem Fall jedes Mal aktiviert wird. Ich bin nämlich eine sehr gute Sammlerin meiner selbst. Das bedeutet: Selbst wenn ich in 1000 Stücke zerberste, weiß ich, wie ich alle Teile aufsammeln und wieder zusammensetzen kann. Und das macht mich stärker!

ol Alle Künstlerinnen und Künstler leiden an Selbstzweifel…

ag … naja, nicht alle!

ol Also: Viele Künstlerinnen und Künstler leiden an Selbstzweifel. Sind diese im Laufe Ihrer Karriere größer oder kleiner geworden? Heute haben Sie einerseits mehr Erfahrung, andererseits auch mehr Einblick in die Komplexität des Opernbetriebs. ag Als ich jung war, bestand ich ausschließlich aus Selbstzweifeln, etwas anderes gab es gar nicht! Inzwischen habe ich glücklicherweise gelernt, mich nicht nur als Objekt des Zweifels zu sehen, sondern ich beginne auch zu erkennen, dass es einige Dinge im Leben gibt, die ich beherrsche. Und dass ich diesem Wissen und Können vertrauen kann. Beim Diva-Projekt hatte ich freilich schon meine Zweifel. Es war ja etwas ganz Neues! Es standen alle Möglichkeiten offen: Dass es gut wird – oder dass es danebengeht. Alleine schon die Lady-Gaga-Lieder waren eine große Sache. Viele akademische Sängerinnen und Sänger glauben ja, dass es keine Musik gibt, die sie nicht singen können. Es ist jedoch eine ganz andere Technik, und man muss viel Energie darauf verwenden, das zu lernen.

ol Apropos Lady Gaga: Sie sangen bei Ihrem Abend Puccini und Lady Gaga. Was macht für Sie gute Musik aus?

ag Man kann diese Dinge, Verdi, Puccini, die heutige Pop-Musik nicht miteinander vergleichen. Puccini… Wenn Sie nur eine seiner Opern , Madama Butterfly etwa, nehmen, so enthält diese so viel, dass Sie daraus die nächsten fünf Jahre Pop-Songs auf dem höchsten Level produzieren könnten. Für mich zählt aber in erster Linie nur eine Frage: Berührt es einen oder nicht? Das ist für mich die generelle Frage aller Kunst: Geht mir das Erlebte nahe?

ol Bleiben wir bei der Kunst im Allgemeinen. Sie sind eine brillante Sängerin, eine Ausnahme-Darstellerin, den Abendzettel Ihres Konzerts im Mai 2024 haben Sie – augenzwinkernd – auch selbst gestaltet. Ist Kunst unteilbar? Würden Sie gerne auch inszenieren?

ag Ich denke, dass jeder künstlerische Ausdruck etwas Eigenes ist. Aber, ja, ich könnte mir durchaus vorstellen zu inszenieren. Aber wenn, dann müsste ich viel Zeit damit verbringen, das wirklich zu erlernen und zu beherrschen. Ich kann singen, weil ich 20 Jahre Erfahrung habe, 20 Jahre! Daher könnte ich heute oder morgen nicht einfach eine gute Regisseurin sein, nur weil ich eine gute Künstlerin bin – es fehlt mir die Zeit des Lernens. Es ist ein eigenständiger Beruf, zu dem es so viel braucht: Kenntnisse, Wissen, Handwerk – und auch noch mehr: Man muss ein Team finden, man muss das »Geschäft« beherrschen. Ein Riesending!

ol In der Staatsopern-Turandot-Inszenierung sitzen Sie vor Ihrem ersten Ton etwa eine Viertelstunde lang fast regungslos am Bett und blicken vielsagend schräg nach unten. Woran denken Sie in diesen 15 Minuten eigentlich? An Ihren ersten Ton?

ag (lacht) Ach, das ist ganz unterschiedlich. Manchmal höre ich den anderen auf der Bühne einfach nur zu, manchmal denke ich an ganz alltägliche Dinge: Habe ich für die Abreise alles eingepackt? Was gebe ich meiner Tochter morgen zum Frühstück?

ol Und wie viel Schauspiel steckt in dem, was Sie auf der Bühne machen? Wie viel Turandot, um ein Beispiel zu nennen, sind Sie?

ag Ich denke überhaupt nicht ans Spielen. Ich bringe mich einfach in Stimmung – und dann macht mein Körper von selbst, was die Szene braucht. Ich habe einfach Spaß!

ol In der Neuproduktion von Don Carlo arbeiten Sie erstmals mit Kirill Serebrennikov zusammen. Was erwarten Sie sich von ihm?

ag Ich erwarte niemals etwas. Ich freue mich einfach darauf und bin glücklich.

ol Sie singen die Elisabetta erstmals in Ihrem Leben. Inwiefern entwickeln Sie noch vor Beginn der Proben ein szenisches Rollenbild, eine Charakterdefinition der Figur, die Sie darstellen?

ag Im Allgemeinen versuche ich genau das zu vermeiden. Ich bemühe mich, vorab den Charakter einer Figur so wenig wie möglich mit meinen eigenen Vorstellungen anzureichern. Denn was tun, wenn die Proben beginnen und der Regisseur einen komplett anderen Charakter im Kopf und entwickelt hat? Ich warte also die Proben ab und konzentriere mich darauf, die musikalische Seite zu studieren und mir das entsprechende Material anzueignen.

ol Und warum die Elisabetta als neue Partie?

Weil sich die Gelegenheit ergab? Weil die Umgebungsvariablen stimmen?

ag Ganz einfach: Weil es eine wunderschöne Musik ist und Don Carlo meine liebste Verdi-Oper.

ol Don Carlo ist ein Werk mit zahlreichen Schichten: Es geht um Verantwortung, Freundschaft, Liebe, Vernunft und vieles

mehr. Was spricht Sie am meisten an? Elisabettas Konflikt? Die Politik?

ag Ich interessiere mich eigentlich immer mehr für das zutiefst Menschliche als für die politischen Aspekte einer Oper.

ol Ich möchte zuletzt noch einmal aufs Selbstvertrauen zurückkommen: Macht es Sie stolz, dass der Name Asmik Grigorian für ausverkaufte Häuser sorgt? Schenkt es Glück?

ag Ich würde es so sagen: Der gute Kartenverkauf macht mich extrem glücklich. Nicht stolz, denn es sind an diesen Abenden so viele Personen beteiligt, die für das Zustandekommen arbeiten, dass ich den Erfolg nicht nur als den meinen bezeichnen kann. Glücklich macht es mich aber, weil ich keine sozialen Medien bediene – und dennoch für ausverkaufte Säle sorgen kann. So kann ich mit der Vorstellung brechen, dass man, um überhaupt sichtbar zu sein, täglich online sein Mittagessen teilen muss. So ist es aber nicht! Wenn man erfolgreich sein will, muss man in dem gut sein, das man macht. Verstehen Sie mich richtig: Ich habe überhaupt nichts gegen soziale Medien, sie haben auch viele positive Seiten. Aber man darf nicht glauben, dass der persönliche Erfolg von ihnen abhängt.

ASMIK GRIGORIAN als TURANDOT in TURANDOT Foto MONIKA RITTERSHAUS

JENNI HIETALA
als BERTA in IL BARBIERE
DI SIVGLIA
Foto MICHAEL PÖHN

EISLOCHBADEN SCHADET DER STIMME NICHT

JENNI HIETALA IM PORTRÄT

Ist das Ensemble der Wiener Staatsoper ein Kollektiv mit eigener Handschrift, vergleichbar mit dem des Orchesters? Nun, Ensemblesänger eines Hauses werden beispielsweise wohl kaum eine gemeinsame Klangfarbe entwickeln, an der man sie unverwechselbar zuordnen könnte. Trotzdem wachsen sie im Laufe der Jahre zu einer Einheit zusammen: aufeinander eingespielt durch die vielfachen gemeinsamen Proben und Auftritte in den stilistisch unterschiedlichsten Werken und Produktionen, geprägt durch die Arbeit mit denselben Solorepetitoren, Dirigenten und Regisseurinnen, geformt durch die nämliche Akustik des Zuschauerraumes und des Orchesterklanges. Zu einer Einheit, deren Eigenheit umgekehrt wiederum mitbestimmt wird durch die einzelnen künstlerischen Individualitäten der Mitglieder. Jeder Neuzugang verändert daher, kaum merklich, aber doch, ein wenig die Gesamtfärbung.

Eine, die ab September das Ensemble bereichern wird, ist die finnische Sopranistin Jenni Hietala. Wobei: Ein unbeschriebenes Blatt ist sie

für die meisten im Publikum nicht –schließlich hat sie in den vergangenen zwei Jahren als Mitglied des hiesigen Opernstudios so manchen Auftritt in zahlreichen Partien diverser Komponisten absolviert. Zuletzt, knapp vor der Sommerpause, als kurzfristige Einspringerin für eine erkrankte Kollegin in Verdis Nabucco. Das ist ja schließlich einer der großen Vorteile des Opernstudios, dass die besten der jungen Talente, die hier, also an einer der bedeutendsten internationalen Bühnen, gewissermaßen künstlerisch sozialisiert werden, direkt ins Ensemble hineinwachsen dürfen und somit mit Antritt des Fixengagements nicht von Grund auf das gewaltige Repertoire erlernen müssen. Oder, in einer fasslichen Zahl ausgedrückt: Jenni Hietala hat in den beiden Opernstudiojahren nicht weniger als 35 Rollen einstudiert und immerhin knapp die Hälfte davon auch gesungen (für die andere Hälfte stand sie als Cover zur Verfügung). Ein Pensum, das freilich nicht alle in dieser zufriedenstellenden Form bewerkstelligen wie sie.

Aber mit ihrer großen Musikalität, ihren vokalen Vorzügen und ihrer Leidenschaft für ihren Beruf bringt sie Voraussetzungen mit, die ihr helfen, dem großen Konkurrenzdruck und den schier unzählbaren Herausforderungen einer beginnenden Opernkarriere standzuhalten.

Angefangen hatte alles mit den ersten Erlebnissen im Kinderchor einer Opernproduktion in ihrem Heimatort in Nordfinnland. Die damaligen Erfahrungen des Theaterspiels und des Gesangs vor Publikum lösten ein ungemeines Glücksgefühl in ihr aus, das sie nie mehr vergessen sollte und im Grunde ihren späteren Lebensweg vorzeichnete: Als sie ein paar Jahre später, als 13-Jährige, sogar im eigentlichen Opernchor mitwirken durfte (zwischen lauter 40- und 50-Jährigen), entschied sie sich, neben dem Klavier- noch ein professionelles Gesangsstudium als Nebenfach zu belegen – und irgendwann stellte sie schließlich alles andere hintan, um sich vollends der Ausbildung ihrer Stimme widmen zu können. An eine Karriere außerhalb Finnlands

EISLOCHBADEN SCHADET

DER STIMME NICHT

dachte Jenni Hietala zunächst weniger. Die ausgedehnten, unberührten Wälder ihrer Heimat, in denen sie mit ihrer Familie schier endlose Zeiten verbrachte, Ruhe und Frieden für ihre künstlerische Arbeit tankte und Unmengen an Pilzen und Beeren sammelte, wollte sie ebenso wenig missen wie die Rin-

derherden in den Dörfern ihrer Umgebung. Insbesondere das Hornvieh am Hof ihrer Kusine kannte, pflegte und molk sie regelmäßig. Nennen andere Katzen oder Hunde als ihre liebsten Haustiere, so schlägt das Herz Jenni Hietalas eindeutig für Kühe! Wäre sie nicht Sängerin geworden, wer weiß, ob sie heute

als GRÄFIN CEPRANO in RIGOLETTO Foto MICHAEL PÖHN

als SENTA in DAS VERFLUCHTE GEISTERSCHIFF

Foto MICHAEL PÖHN

nicht jeden Tag ihre Lieblinge im Stall und auf der Weide betreuen würde.

Doch für das Studium bei KS Linda Watson verließ sie ihre Heimat und übersiedelte 2019 nach Wien, lernte in kürzester Zeit fließend Deutsch und erwandert seither den Wienerwald und die ländlichen Gegenden rund um die österreichische Hauptstadt. Mittlerweile der einzige Wermutstropfen für sie: Dass es hier keine kalten Winter mit rund 30 Grad unter Null gibt. Aber wenn die Donau gelegentlich zufriert, frönt sie immerhin auch hier mit großer Lust dem Eislochbaden (ihre Landsfrau aus dem Staatsopernensemble, Aurora Marthens hat sie im letzten Jänner ebenfalls zu dieser, das Immunsystem stärkenden Tätigkeit überreden können).

Durch ihre Anstellung an der Staatsoper wird sie also weiterhin in Wien bleiben und ihr persönliches Repertoire ausbauen. Ihre Vorlieben sind das Wagner-Fach (ihr professionelles Debüt gab sie 2022,

als AMANDA in einer Probe von LE GRAND MACABRE

Foto MICHAEL PÖHN

parallel zu ihrer Aufnahme ins Opernstudio, in einer Walküre-Produktion in Helsinki), Französisches wie Poulencs Dialogues de Carmélites, Tschaikowski, natürlich ihr Landsmann Sibelius und nicht zuletzt italienische Rollen – war doch Puccinis La bohème einst ihre Einsteiger- Oper gewesen. Kein Wunder, dass sie sich freut, im Oktober Mimì, die weibliche Hauptrolle in eben diesem Werk, covern zu dürfen. Live wird man sie in der ersten Ensemblematinee der Saison, am 15. September, im Gustav Mahler-Saal erleben können, wo sie ein ausgewähltes Arien- und Liedprogramm zum Besten geben wird. Doch davor, im Sommer, ging es ab nach Finnland, an den Hof der Kusine – zu den geliebten Kühen.

TIPP: Ensemblematinee

15. September, 15.00 / Gustav Mahler-Saal Mit JENNI HIETALA, IVO STANCHEV

Klavier RITA KAUFMANN

CARMEN IN FUNF WORTEN

Carmen und Micaëla – zwei Gegenspielerinnen, Konkurrentinnen, zwei unterschiedliche Charaktere. Wie verschieden sind sie aber wirklich? Wie denken sie über fundamentale Begriffe wie Liebe, Freiheit und Treue? Aigul Akhmetshina, weltweit als Carmen gefeiert und nun auch an der Wiener Staatsoper erstmals in dieser Rolle zu erleben und Wiens neue Micaëla Elsa Dreisig, die im Haus am Ring bereits als Manon brillierte, geben in fünf Antworten Einblick in die Seelenlandschaften ihrer Figuren.

»FREIHEIT«

elsa dreisig (micaëla) Mit Micaëlas Freiheit ist es so eine Sache. Klar, sie ist frei und auch stark – wäre sie es nicht, würde mich diese Rolle überhaupt nicht interessieren. Auf der anderen Seite steht sie jedoch unter einem großen moralischen Druck. Wir alle kennen das ja: Man meint, ein freier Mensch zu sein, bis… jemand aus der Familie anruft. Und schon fühlt man sich ein bisschen weniger unabhängig. Einfach, weil man sich denkt: Ich muss dieses oder jenes so oder so machen, um den Erwartungen zu entsprechen. So geht es auch Micaëla: Sie meint, manches tun zu müssen, um andere glücklich und zufrieden zu machen. Und schon ist es passiert, und Micaëlas Freiheit ist wieder ein bisschen kleiner geworden.

aigul akhmetshina (carmen) Ein Schlüsselwort für Carmen! Das beginnt schon bei der Rollengestaltung: Man braucht als Sängerin im Moment der Aufführung ausreichend Freiheit und Raum für Improvisation und kann nicht alles im Vorfeld zu einhundert Prozent fixieren – sonst passt man einfach nicht zum Charakter. Was bedeutet nun Freiheit für die Opernfigur Carmen? Was sie wirklich sucht, sind Menschen, die sie akzeptieren und sie nehmen, wie sie ist. Ohne ihr Grenzen zu setzen, sie kontrollieren zu wollen oder sie zu verurteilen. Carmen richtet sich nur nach ihren Gefühlen und Wünschen, wobei es ihr aber nicht um eine Freiheit à la Ich mache, was immer ich will geht. Sondern: Carmen sucht nach den richtigen Menschen, bei denen sie ganz sie selbst sein und sich frei fühlen kann. Das ist Carmens Freiheit.

ELSA DREISIG Foto SIMON FOWLER
AIGUL AKHMETSHINA Foto LERA NURGALIEVA

»LIEBE«

ed Liebt Micaëla Don José oder hält sie aufgrund eines gesellschaftlichen Drucks zu ihm, weil sie meint, das tun zu müssen? Eine sehr gute Frage! Ich denke, man kann beide Sichtweisen vertreten. Also: Es könnte eine richtige Liebe sein, eine lange, intensive Verbindung, eine echte Romanze. Aber es könnte natürlich auch sein, dass Don Josés Mutter hier hineinspielt und diese Verbindung will. Es ist ja eine seltsame Opernfigur, diese Mutter. Sie betritt nie die Bühne, aber ist doch immer irgendwie präsent. Vielleicht hat also Micaëla nicht die Kraft, sich dieser alten, vielleicht kranken und hilflosen Frau zu widersetzen und einfach »Nein« zu sagen. Mit anderen Worten: Die Liebe ist keine Entscheidung Micaëlas, sondern der Mutter. Und vielleicht geht es hier um das große Problem dieser Figur: Dass eine Verantwortung für andere auf ihren Schultern lastet. Micaëla fühlt sich womöglich nicht nur der Mutter verpflichtet, sondern vor allem Don José. Sie denkt, dass sie ihn retten kann. Wenn man das so betrachtet, wird der Charakter Micaëlas komplex. Denn eigentlich könnte sie ja auch sagen: »Nein, dieser Mann ist mir zu gefährlich, zu schwierig, er wird mich nicht glücklich machen. Ich verlasse ihn.« Aber nein, sie wird Opfer solcher Gedanken wie: Vielleicht kann ich ihm helfen! Vielleicht kann ich den Unterschied machen! Es geht also um Verantwortlichkeit!

aa Carmen will Liebe. Und sie möchte geliebt werden. Aber: Sie weiß nicht genau, was das eigentlich ist. Immer, wenn sie Leidenschaft, Spannung und Erregung spürt, in kurzen Liebesaffären wie mit Escamillo, denkt sie: Oh, ist das vielleicht Liebe? Und doch, trotz allem Suchen trifft sie niemals auf die wirkliche Erfüllung und Befriedigung. Da ist es ganz egal, wie viele Menschen – hauptsächlich Männer – sie um sich hat und wie viele sie bewundern, das echte Glück findet sie nie. Meistens ist es dann doch nur Leidenschaft. Ich denke, der Schlüssel zu diesem Mangel ist, dass sich Carmen selbst nicht liebt… Aber: Jedes Mal, wenn Carmen Ich liebe dich sagt, dann meint sie es auch so. Und sie behauptet nie, dass es für immer sein wird. Da ist sie ganz ehrlich. Und nicht zuletzt: Carmen ist eine Figur der Extreme: Wenn sie liebt, liebt sie. Wenn sie hasst, dann verbrennt sie alle Brücken hinter sich. Ein Vielleicht, das gibt es bei ihr nicht!

»STÄRKE«

ed Das ist für mich, wie gesagt, wichtig. Denn ich möchte nur starke Frauen spielen! Hier gibt es einen spannenden Widerspruch zwischen Micaëlas Charaktereigenschaften, der die Rolle erst attraktiv macht: Wäre sie einfach nur freundlich und süß, dann wäre es eine etwas schwache Person. Wäre sie nur selbstbezogen, ginge es nur um sie und ihr Selbstvertrauen, dann würde man keine Sympathie empfinden. Aber durch diese Gegensätze, durch Fragen wie Warum hat sie so Lust, diesen Don José zu retten? wird der Charakter vielschichtig – und das macht ihn stark. Unter Stärke verstehe ich aber nicht, dass alles perfekt und richtig ist, sondern, dass es eine Komplexität, Tiefe und Mehrdimensionalität gibt.

aa Carmen ist offensichtlich sehr stark. Aber ich denke, diese Stärke des Charakters entspringt auch einer Angst. Denn sie musste immer um ihr Überleben kämpfen, um ihre Vorstellung vom Leben, um ihre Unabhängigkeit. Ihre Stärke beruht darauf, dass sie niemals aufgibt. Und jetzt komme ich wieder zu Carmen der Träumerin, die von einem besseren Leben ohne Schmuggelei, ohne ein Weglaufen vor der Polizei, ohne das stetige Herumziehen träumt, die aber diese Illusion niemals verwirklichen kann. Der Traum bringt sie dazu, stark zu bleiben und immer weiterzumachen. Eine Kämpferin zu sein und zu überleben. Wobei man in der Oper auch ein paar kleine Momente ihrer Verletzlichkeit sehen kann –denn sie ist ein Mensch, und zum Menschsein gehört beides: Stärke und Verletzlichkeit.

»ANGST«

ed Ja, das ist auch ein Begriff, der mit Micaëla zu tun hat. Wenn sie im dritten Akt zu den Schmugglern geht, dann spürt sie Furcht. Aber… vielleicht ist es nicht nur Angst, sondern auch Neugierde. Es ist ein Kitzel für etwas Neues, auch für diese Empfindung von Furcht. Es ist dieses: Uuh, und wenn ich diesen Weg nähme? Hier haben wir wieder zwei Pole, die den Charakter von Micaëla markieren, einerseits Angst, andererseits Freude am Entdecken. In ihrer Arie im dritten Akt entdeckt sie etwas Neues in sich, eine Seite, die sie nicht kennt und die sie vielleicht nicht kennen möchte. Aber vielleicht fühlt sie sich auch lebendig, und diese Lebendigkeit ist etwas, das sie sonst nicht oft erlebt – und das kann wiederum ein Gefühl von Angst mit sich bringen…

aa Ich glaube, Carmen fürchtet, dass sie niemals Frieden finden wird – auch mit sich nicht, nie Akzeptanz, nie Menschen, die nicht versuchen, sie zu ändern und zu kontrollieren. Carmens Angst kommt wahrscheinlich aus früheren Traumata: Sie wurde ausgenützt und musste um ihr Überleben kämpfen. Und daraus entspringt dieses Immer-bereit-Sein, Immer-auf-der-Hut-Sein. Und eben die Furcht. Manches davon kennen vielleicht einige von uns oder kennen Menschen, die wie Carmen sind. Und das macht den Zauber der Oper aus – dass wir auf der Bühne so viele Zustände, Lebenslagen, Gefühle erkennen, die es im täglichen Leben gibt und die uns immer umgeben.

»TREUE«

ed Micaëla hat es nicht leicht, weil es dieses Klischeebild der sehr süßen, sehr netten, sehr treuen Figur gibt. Aber ihre Treue kann weit über diese Stereotypen hinausreichen. Zunächst einmal: Sie ist sich selbst treu, vertraut auf sich selbst, indem sie es wagt, an diesen erschreckenden Ort der Schmuggler zu gehen, um Don José zu treffen. Ihre Treue zu sich selbst, ihre Wertschätzung ihrer selbst merkt man auch daran, dass sie sich ernst nimmt. Sie denkt nicht: Ich bin nichts, ich habe nichts. Sondern das Gegenteil: Ich komme hierher, weil ich etwas zu sagen habe und bewirken will. Ihre Treue zeigt sich auch in ihrem Glauben an Gott, dem sie vertraut und an den sie sich hält. Micaëlas Treue ist also sehr stark, vieles umfassend und weit mehr als dieses Bild einer braven, schüchternen jungen Frau.

aa Carmen ist sich selbst treu. Absolut. Aber nur sich selbst, weil sie nur sich selbst traut. Wobei… Sie sucht jemanden, der genauso stark ist wie sie, mit dem Leben umgehen kann, der nicht über sie bestimmen will und nicht von ihr abhängt. Wenn sie den hat: Dann wird sie für diese Person einstehen, so wie sie für ihre Gruppe – Mercédès, Frasquita, Dancaïro und Remendado – einsteht. Für diese Leute ist sie bereit zu kämpfen. Das hat mit Verantwortlichkeit zu tun, und auch mit Treue. Aber worum geht es denn eigentlich wirklich? Don José läuft vor seiner Mutter davon und trifft auf eine Frau, die auf ihn aufregend wirkt. Und die anders ist als seine bisherige Welt. Also folgt er ihr. Und Carmen wiederum denkt sich: Vielleicht wird dieser Mann, José, meine Probleme lösen . Wobei es ihr letztlich gar nicht um die Realität, sondern nur um den Glauben an etwas geht: Den Glauben, dass Don José ihr immer und vorbehaltlos folgen wird. Ihr dabei aber die Freiheit lässt. Wenn sie sagt: »Lass uns gehen«, dann erwartet sie gar nicht, dass er mitkommt. Sie will nur ihren Traum fortsetzen, der lautet: Ja, wir beide, wir werden irgendwann zusammen weglaufen. Es geht darum, dass er ihren Traum unterstützt. Denn letztlich ist sie eine große Träumerin, sie träumt von einem anderen, einem besseren Leben.

GEORGES BIZET

CARMEN

SZENENBILDER , die unterschiedliche Facetten der Lichtarchitektur PATRICK WOODROFFES wiedergeben

Foto MICHAEL PÖHN

CHARLES GOUNOD

ROMÉO ET JULIETTE

8. 14. 17. SEPTEMBER WIEDERAUFNAHME

Musikalische Leitung BERTRAND DE BILLY Inszenierung JÜRGEN FLIMM Bühne & Lichtarchitektur PATRICK WOODROFFE Kostüme BIRGIT HUTTER Bewegungsregie RENATO ZANELLA

Mit u.a. NADINE SIERRA / SAIMIR PIRGU / PATRICIA NOLZ / DANIEL JENZ / STEFAN ASTAKHOV / PETER KELLNER WOLFGANG BANKL / DAN PAUL DUMITRESCU / STEPHANIE HOUTZEEL / ANDREI MAKSIMOV

MUSIK, DIE MAN SEHEN KANN

Die Zusammensetzung des Repertoires ist und war auch an der Wiener Staatsoper einem ständigen Wechsel unterworfen. Das hatte natürlich immer wieder auch politische Gründe – sei es im 1. Weltkrieg, als Werke lebender Komponisten aus »Feindstaaten« zeitweilig mit einem Aufführungsverbot belegt waren, sei es zwischen 1938 und 1945, als Werke jüdischer Komponisten zu verschwinden hatten. Aber es gab auch andere Ursachen. Internationale Hörgewohnheiten, das Angebot an bestimmten Stimmtypen, das Hin-

terfragen stilistischer Aufführungstradition und Ähnliches führten regelmäßig zu deutlichen Aktenzverschiebungen im Angebot. So beliebt Donizetti und Rossini beispielsweise um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren, so verächtlich wurden sie am Beginn des 20. Jahrhunderts als zweitrangige Tonschöpfer abgetan, bis sie durch Sängerpersönlichkeiten wie Maria Callas oder später Luigi Alva, Edita Gruberova, Cecilia Bartoli oder Juan Diego Flórez auch in Wien wieder rehabilitiert wurden. Und die historisch informierte Aufführungspraxis

führte bekanntlich unter anderem zur Auferstehung der Barockoper, die sich im Haus am Ring zuletzt in gefeierten Monteverdi-Erstaufführungen widerspiegelte.

Doch es gibt auch die unerklärlichen Phänomene. Jahrzehntelange Kassenschlager, die zum absoluten Bestand des sogenannten Kernrepertoires zählten, verschwanden ohne triftigen Grund von einem Tag auf den anderen, manchmal für mehrere Generationen. So auch Roméo et Juliette. Das neben Faust zweite Erfolgsstück des Franzosen Charles Gounod wurde 1869 schon in der Eröffnungswoche der neuen Hofoper am Ring aus dem alten Kärntnertortheater übernommen und blieb bis 1918, also rund ein halbes Jahrhundert lang, eines der populären Zugstücke, in dem die bedeutendsten Interpretinnen und Interpreten regelmäßig zu erleben waren. Und dann verschwand die Oper. Keiner – weder vor noch hinter den Kulissen, hatte nach der letzten Vorstellung damit gerechnet, das Stück an diesem Haus nie wieder zu erleben. Dass Richard Strauss, Staatsoperndirektor von 1919 bis 1924, kein Interesse an Roméo et Juliette

hatte, lag an dessen persönlicher Abneigung gegen Vertonungen berühmter Schauspiele. Aber nach 1924? Nun, es gibt die unterschiedlichsten Gründe, warum ein Werk letztlich nicht zur Neuproduktion gelangt, auch wenn das grundsätzliche Interesse vorhanden ist: Termin- oder Besetzungsschwierigkeiten, finanzielle Probleme, persönliche Vorlieben der Theaterleiter etc. Und irgendwann »vergisst« man ein Stück, denkt einfach nicht mehr daran. Bei Roméo et Juliette dürfte es eine Mischung aus alledem gewesen sein.

Es war Direktor Ioan Holender der in seiner Amtszeit eine Vielzahl an früheren Klassikern wiederbelebte. So auch 2001 Roméo et Juliette – wobei mit der bis heute zu sehenden Neuproduktion gleich zwei »Premieren« über die Bühne gingen: Roméo et Juliette wurde erstmals an diesem Haus im französischen Original gegeben (bis in die Mitte der 1950er Jahre war ja Deutsch als Aufführungssprache obligatorisch), und außerdem in einer vollkommen neuen und ungewohnten Inszenierungsform: Anstelle eines Bühnenbildes erwartet das Publikum eine beeindruckende Lichtarchitektur

FÜNF FRAGEN

VON ANDREAS LÁNG AN BERTRAND

DE BILLY, DEN DIRIGENTEN DER WIEDERAUFNAHME IM SEPTEMBER

BERTRAND DE BILLY

al Gounods Roméo et Juliette wird im Untertitel als »Drame lyrique« ausgewiesen. Was bedeutet das für den interpretatorischen Zugriff?

bb Solche Begriffe klingen gut, bedeuten aber nicht immer gleichermaßen viel. Im aktuellen Fall wollte Gounod bewusst darauf hinweisen, dass in seiner Opernversion von Shakespeares Schauspiel einerseits zwar das Dramatische seinen Platz behalten hat wie die Kämpfe zwischen den Mitgliedern der beiden Familien, aber gleichberechtigt dazu auch der lyrische Aspekt der tragisch endenden Liebesgeschichte existiert und sehr zentral verarbeitet wird.

al Gounod war auch ein bedeutender Kirchenmusikkomponist. Merkt man davon etwas in der Roméo et Juliétte -Partitur?

bb Bei Gounod finden wir stets eine Mischung aus den unterschiedlichsten Ingredienzien – deshalb sind seine Werke, insbesondere Roméo et Juliette, auch so typisch »français«: Religion, Politik, Freundschaft, Liebe, Militär. Das Sakrale ist eben auch einer dieser Bestandteile – im Faust ist das in der berühmten Szene mit Méphistophélès und Marguerite in der Kirche sogar noch ausgeprägter abgehandelt als in Roméo et Juliette, in der wir das Religiöse hauptsächlich in der kurzen Trauungs-

szene finden. Das Spannende hier ist aber der Charakter des Geistlichen Laurent, der die beiden verheiratet. Eine auch von der Musik her sehr ambivalent gezeichnete Figur, mit einer schwarzen, geradezu hypnotischen Facette, die andere in ihren Bann zieht.

al Gounod hat die Partitur mehrfach überarbeitet – wirkt die endgültige Fassung, die wir auch an der Staatsoper spielen, trotzdem wie aus einem Guss, oder sind Bruchstellen auszumachen?

bb Natürlich sind manche Passagen erst später hinzugekommen – etwas, das Ballett oder die gesungenen Rezitative anstelle der gesprochenen Dialoge. Dennoch weist Roméo et Juliette in der letztgültigen Version keine stilistischen Uneinheitlichkeiten auf. Gounod hatte nämlich von Anfang an ein Gesamtkonzept vor Augen, in dem auch die Hinzufügungen und Änderungen unschwer ihren Platz fanden. Man war zu dieser Zeit recht frei: Von Ambroise Thomas’ Hamlet gibt es beispielsweise zwei unterschiedliche Schlüsse – einmal wird Hamlet zum König ausgerufen, das andere Mal stirbt er. al Im Zentrum der Oper stehen vier Duette

der beiden Liebenden. Wodurch unterscheiden sie sich?

bb An den Duetten kann man ablesen, wie Roméo und Juliette einander immer vertrauter werden. Zunächst hält man alle nötigen Anstandsregeln und Höflichkeitsvorschriften im Umgang miteinander ein. Darum ist das erste Duett bewusst auch als »Madrigal« ausgewiesen. Doch nach und nach fallen diese gesellschaftlichen Konventionen, werden die einengenden Grenzen von den beiden gesprengt – und das spiegelt sich auch entsprechend in der Musik.

al Es gibt von Gounod eine Reihe von Opern. International aufgeführt werden allerdings nur Faust und Roméo et Juliette. Warum?

bb Es gibt da noch Mireille, aber die Thematik und der Ort der Handlung – die Provence –sind so speziell, dass diese Oper außerhalb von Frankreich nur schwer Fuß fassen kann. Die Faust- und Romeo-und-Julia-Story sind hingegen zeitlos und weltweit bekannt. Die Vorlagen von Goethe bzw. Shakespeare sind höchste Literatur und konnten entsprechend auf die kompositorische Inspiration Gounods zurückwirken.

Foto MICHAEL PÖHN
Fotos MICHAEL PÖHN

des berühmten englischen Lichtdesigners Patrick Woodroffe, die auf jede kleinste Veränderung der musikalischen Textur augenblicklich reagiert. Auf diese Weise wird die akustische Wahrnehmung 1:1 in eine ebenbürtige optische umgesetzt, also wirkungsvoll verstärkt, wodurch dem Publikum ein intensiveres Eindringen in die Oper ermöglicht wird. Rudolf Fischer, Beleuchtungschef der Wiener Staatsoper, erinnert sich, dass für das detailreiche Lichtkonzept nicht nur Lichttürme konstruiert und spezielle Scheinwerfer samt einem Lichtpult angeschafft werden mussten, sondern auch ein eigener Programmierer für die Moving-Lights engagiert wurde. Die einzelnen Aktionen und Lichtstimmungen sollten schließlich auf die Sekunde genau die gewünschte Atmosphäre verbreiten. Der Erfolg der Produktion gab den Anstrengungen und komplexen Vorbereitungen jedenfalls recht, und bis heute hat diese unorthodoxe szenische Lösung, obwohl seit der Premiere schon fast ein Vierteljahrhundert ins Land gezogen ist, nichts an Attraktivität verloren.

Die Oper Roméo et Juliette selbst war von der Uraufführung an erfolgreich. Charles Gounod hatte schon seit seinen Studententagen mit dem Gedanken gespielt, Shakespeares vielleicht bekanntestes Schauspiel zu vertonen. Doch über erste Skizzen kam er vorerst nicht hinaus. Zu groß war die Konkurrenz der Dutzenden Vertonungen dieses Stoffes, nicht zuletzt Berlioz’ gleichnamige dramatische Symphonie oder Bellinis Oper I Capuleti e i Montecchi wirkten vorerst erdrückend für einen unerfahrenen und im beinharten Musikgeschäft des 19. Jahrhunderts unvernetzten Newcomer.

Aber aufgegeben hatte Gounod das Projekt keineswegs. Und so wandte er sich Jahre später, nicht zuletzt angestachelt durch die neue und hochwertige Französisch-Übersetzung der Shakespeare-Dramen durch François-Victor Hugo, erneut dem berühmtesten Liebespaar der Literatur zu. Doch diesmal war er bereits ein arrivierter, durch den Erfolg des Faust selbstbewusster gewordener Komponist. Die Qual der Wahl für Gounod und seine beiden Librettisten Jules Barbier und Michel Carré war es allerdings, eine Auswahl unter den zu vertonenden Szenen zu finden, um die Länge der Oper nicht ausufern zu lassen. Schließlich einigen sie sich, um das Private, die persönlichen Gefühle und Beziehungen der Handelnden besser herausstellen zu können, neben dem Prolog und einigten dramatischen Abschnitten vor allem vier Duette des Protagonistenpaares ins Zentrum zu stellen, die dramaturgisch geschickt miteinander verknüpft wurden. Der Erfolg der Uraufführung, die im Zuge der Pariser Weltausstellung 1867 in einen besonderen Fokus gerückt war, übertraf sogar die kühnsten Erwartungen. Dennoch über-

arbeitete Gounod das Werk mehrfach für weitere Pariser Bühnen, die form- und gattungstechnisch andere Anforderungen an eine Opernpartitur stellten. Heute pflegt man international – und auch an der Wiener Staatsoper – die dritte, für die Grand Opéra entstandene Fassung zu spielen.

Lichtdesigner PATRICK WOODROFFE (geboren 1954) arbeitete mit zahllosen Pop-Größen (u.a. ABBA, Bob Dylan, Lady Gaga, Rolling Stones, Michael Jackson, Paul McCartney) und Filmgrößen wie Martin Scorsese zusammen, beleuchtet seit 1995 die VANITY FAIR OscarParties in Los Angeles und Cannes, 2012 die Zeremonien rund um die Olympischen Spiele in London, ist aber auch im Musiktheaterbereich tätig.

Zum Interview mit Hausdebütantin NADINE SIERRA , der neuen Wiener Juliette: siehe Seite 38

Foto AXEL ZEININGER

»STURZ BEIM ABGANG NICHT UBERN GRABMAYR!«

DIE WIENER STAATSOPER ZEIGT IM BALKONUMGANG EINE UMFASSENDE AUSSTELLUNG MIT WERKEN VON FRANZ GRABMAYR

Die Ausstellung gibt erstmals Einblick in ein freies bildnerisches Schaffen, das über ein Jahrzehnt hinweg in der Wiener Staatsoper entstanden ist. Franz Grabmayr, 1927 in Kärnten geboren und 2015 in Wien verstorben, malte zeitlebens in den Sommermonaten im Waldviertel, zurückgezogen lebend, aber von bedeutenden Künstlerinnen und Künstlern der nachfolgenden Generationen bewundert, darunter Herbert Brandl, Gunter Damisch und Sonja Lix. Die Albertina widmet Franz Grabmayr parallel zur Ausstellung in der Wiener Staatsoper eine posthume Retrospektive, die eine landesweite und internationale Entdeckung dieses bescheidenen Ausnahmekünstlers bedeutet.

Franz Grabmayr erhielt Anfang der 1970er Jahre die Erlaubnis – von wem, ist nicht mehr festzustellen – in den Wintermonaten bei den täglichen Proben des Staatsopernballetts im Ballettsaal zu zeichnen und mit Kreide zu malen. Später konnte er das Staatsopernballett auch auf der Bühne der Wiener Staatsoper mit Buntfarben malend begleiten. Während der Aufführungen war er dabei in den seitlichen Vorhängen rechter Hand versteckt. Diese Bilder malte er nur für sich selbst.

»STÜRZ

Sie wurden bisher nie publiziert oder gezeigt. Tänzerinnen und Tänzer dieser Zeit erinnern sich gut an den Maler. Vor dem Auftritt hörten sie bisweilen: »Stürz beim Abgang nicht übern Grabmayr!«

Franz Grabmayr hat noch zu Lebzeiten 29 Blätter aus den mehreren hundert Malereien auf Papier, die in diesem Haus entstanden sind, ausgewählt und in einer Mappe mit »Oper 1970-1980« beschriftet. Darauf beruht unsere Ausstellung.

Er beobachtete jeweils sehr lange und malte dann sehr schnell. So entstanden grafische Kürzel für Bewegung, die eine große Energie und malerische Freiheit aufweisen. Alles ist »live« in direktem Angesicht von Balletttänzerinnen und -tänzern des Staatsopernballetts gemalt. Das gibt diesen Blättern ihre innere Spannung. Die direkte Umsetzung von Ballettschritten auf höchstem Niveau – auch Rudolf Nurejew hat vor Grabmayr getanzt – ergibt eine Malerei, die Figuration und Abstraktion in neuer Weise verbindet.

AUSSTELLUNG FRANZ GRABMAYR

Ab 4. September 2024 im Balkonumgang der WIENER STAATSOPER , 2. Rang

In Kooperation mit FRANZ GRABMAYR ESTATE

KURATOR Robert Fleck

Ein begleitendes Buch Franz Grabmayr, Oper 1970–1980 erschien im SNOECK VERLAG , Köln. Erhältlich bei HAMTIL & SÖHNE in der Wiener Staatsoper. MEDIENPARTNER News

NADINE SIERRA Fotos GREGOR HOHENBERG

DER PRAGENDE MOMENT

Keine Zugabe in einer Verdi-Oper, egal, wie sehr das Publikum auch jubelt. So lautet ein ungeschriebenes Gesetz an der Mailänder Scala. Warum diese Regel durchbrochen wurde und welche anderen Momente ihr Leben künstlerisch prägten, das durfte Oliver Láng von der Sopranistin Nadine Sierra erfahren und niederschreiben. Die US-amerikanische Sängerin, die als Teenager als Sandmännchen in Hänsel und Gretel ihr frühes Operndebüt gab und danach systematisch alle Preise, die in ihre Nähe kamen, abräumte, tritt in den führenden Zentren auf: Metropolitan Opera New York und Mailänder Scala, London und Paris, Neapel und Barcelona. Und nun auch in der Wiener Staatsoper in der Rolle der Juliette in Charles Gounods betörendem Meister werk Roméo et Juliette.

Am Anfang standen meine Eltern, besonders meine Mutter. Sie brachten mir die Oper näher, vermittelten mir die Liebe zum Genre und unterstützten mich von Beginn an. Kein Wunder, hatte meine Mutter die Oper doch ihrerseits von ihrer Mutter, die immer Sängerin werden wollte, aber keine entsprechenden Möglichkeiten dazu hatte, vermittelt bekommen. Die Leidenschaft war also seit Generationen da und wurde weitergegeben. Und so verliebte auch ich mich mit zehn Jahren in diese Kunstform. Was anfangs übrigens nicht ganz einfach war, denn mit diesem besonderen Interesse galt ich in der Schule als »anders« und wurde von Kindern entsprechend gehänselt. Wäre da nicht die Unterstützung seitens meiner Eltern gewesen – ich hätte gar nicht angefangen,

diesen Weg ernsthaft zu beschreiten. So aber nahm ich sehr früh Gesangsunterricht – und damit komme ich zu den nächsten prägenden Menschen. Denn das waren alle meine Lehrer! Vor allem aber einer: Kamal Khan, ein Stimmbildner und Coach, mit dem ich seit inzwischen 23 Jahren zusammenarbeite. Er hat mich auf jede Rolle, jedes Konzert vorbereitet und all das, was ich mache, ist buchstäblich aus der Arbeit mit ihm erwachsen.

Von den mir wichtigen Menschen komme ich zu einer wichtigen Phase meines Lebens. Nämlich zum Übergang von meiner Studienzeit am Mannes College of Music in New York zur jungen Künstlerin an der San Francisco Opera. Sagen wir es einmal so: Ich war nicht die beste Studentin, weil mir die Geduld

NADINE SIERRA

fehlte! Ich wollte mehr tun als nur mitschreiben und studieren – und dieses Mehr, das bot mir das Young Artist Program in San Francisco. Das war der Ort, der mir zeigte, was mich in der professionellen Welt der Oper erwartet. Und das war der Ort, an dem ich als junge Solistin als Profi behandelt wurde. Das Studium einerseits und dann das Young Artist Program: das ist die Grundlage all meiner Karriere.

Als diese angelaufen war, erlebte ich Ende 20, bei meinem Debüt an der Mailänder Scala, einen außergewöhnlichen Moment. Es war einer jener Augenblicke, die mich als Künstlerin, aber die auch meine Sicht auf das Genre Oper, veränderten. Ich durfte an der Seite von Leo Nucci die Gilda in Verdis Rigoletto singen – und ich muss nicht erwähnen, wer Leo Nucci ist: ein Gott der italienischen Oper! Während der Aufführungen gaben wir vor dem Vorhang

eine Zugabe, die Wiederholung von »Sì vendetta«. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich allerdings nicht, dass es an der Scala eine von Arturo Toscanini stammende eherne Regel gibt: keine Zugaben in einer Verdi-Oper! Vor allem wusste ich nicht, dass die Ausnahmen von dieser Regel sehr rar sind. Wahrscheinlich waren wir erst die Dritten, die seit Toscanini etwas wiederholen durften. Sie können sich vorstellen, wie monumental das für mich war! Diese Zustimmung, und das in dieser Oper, mit diesem Partner! Und das brachte mich zum Nachdenken: Ja, Oper ist auch eine heutige Kunstform, aber der Kern wird immer etwas bleiben, das aus der Vergangenheit stammt. Und wir können nicht in die Zukunft gehen, ohne etwas von dieser Vergangenheit mitzunehmen. Und umso länger ich über diese Erfahrung nachdenke, desto mehr verliebe ich mich in diese Gattung!

Und jetzt etwas ganz Aktuelles: Ich arbeite seit einiger Zeit mit einem Management zusammen, das versteht, wie wichtig es ist, eine Karriere nicht nur aufzubauen, sondern auch aufrechtzuerhalten, Künstlerinnen nicht nur beruflich, sondern auch persönlich zu unterstützen. Echte Opernliebhaber! Das hat die Dynamik verändert und auch die Art und Weise, wie ich jetzt meinen Weg gehen kann – und ich spüre, wie ich aufblühe. Und das, obwohl ich technisch gesehen seit meinem 14 . Lebensjahr in diesem Geschäft bin! Jedenfalls haben sich Türen geöffnet, die ich verschlossen wähnte und die zu durchschreiten ich keinen Mut oder kein Selbstvertrauen hatte. Diese Unterstützung ist mir wichtig – um meine Karriere weiterzuführen und zu erweitern!

WO THEATERWUNSCHE WAHR WERDEN

THIERRY TIDROW

SAGT DER WALFISCH ZUM THUNFISCH Oper für Kinder 7. DEZEMBER URAUFFÜHRUNG

NESTERVALS GÖTTERDÄMMERUNG Ein immersiver Opernabend 13. DEZEMBER URAUFFÜHRUNG

SERGEJ PROKOFJEW

PETER UND DER WOLF Choreographie MARTIN SCHLÄPFER 26. JÄNNER URAUFFÜHRUNG

OPER*ETTEN-TALK Diskussion mit NICK-MARTIN STERNITZKE »THAT’S AMORE« –12. DEZEMBER

»HOLDING OUT FOR A HERO« –10. JÄNNER WEIHNACHTEN

Am 7. Dezember 2024 bricht ein neues Zeitalter an der Wiener Staatsoper an: Das Haus am Ring bekommt eine neue Spielstätte, einen Ort, der speziell für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien geschaffen und entwickelt wurde. Genannt NEST, kurz für NEue STaatsoper, beheimatet im Künstlerhaus am Karlsplatz. Dabei handelt es sich nicht um einen Veranstaltungsraum, der einfach nur Abhilfe für die notorische Platznot im Haus am Ring schaffen soll, sondern um ein komplett neu gestaltetes Theater in einem historischen Bau, ein Theater, das diesen stolzen Namen auch verdient: mit Bühne, Orchestergraben, Schnürboden, Projekträumen, Garderoben, Technik und so weiter. Hier wird ein umfangreiches Programm entstehen, das so aufregend wie ungewöhnlich, so facettenreich wie fantasievoll ist und vor allem eines will: die Neugierde und Lust auf Musiktheater wecken und befriedigen. Das Schlagwort lautet dabei Vielfalt: Große Künstlerinnen und Künstler wie Kate Lindsey, Georg Nigl und Jan Lauwers sind ebenso zu erleben wie Mitmachprojekte des Outreach-Teams, Uraufführungen stehen neben Diskussionen, neue Namen am laufenden Band. Ein kleiner Ausblick auf die ersten Wochen des Spielbetriebs – rechte und linke Spalte – soll das Spektrum ein wenig umreißen.

MIT DER OPERNSCHULE

Konzert 8. 22. DEZEMBER

PLANET: BALLETT –PHYSICAL INTRODUCTION

Einführung zum Mittanzen zu SHIFTING SYMMETRIES 11. JÄNNER

TANZKARAOKE 11. JÄNNER

PLANET: ZAUBERFLÖTE Eine kreative Auseinandersetzung mit Mozarts Meisterwerk 24. JÄNNER

ALL THE WORLD’S A STAGE Workshop ab 8 Jahren 14. DEZEMBER

KS JUAN DIEGO FL Ó REZ als ALFREDO GERMONT in LA TRAVIATA

IM SEPTEMBER

DREAMTEAM

Als Lisette Oropesa vor knapp einem Jahr erstmals an der Wiener Staatsoper die Violetta in La traviata sang, war die Begeisterung überbordend. »Oropesa verwandelt mit ihrem leuchtend-blühenden Sopran die gefürchteten Koloraturen von ›È strano‹ gekonnt in überschwänglichen Ausdruck, genauso wie sie mit ›Addio del passato‹ zwischen letztem Sehnen und zartem Verzweifeln zu Tränen rührt«, schrieb der Rezensent der Kronen Zeitung, sein Kollege von der Presse meinte: »Man muss ein gehöriges Stück zurückblättern in den Annalen der Staatsoper, bis man auf eine Traviata von ähnlicher Souveränität stößt.« Und geht man nach dem Vorstellungsjubel, sah das Wiener Publikum die Sache genauso. Im September wird Oropesa erneut die Partie der Violetta verkörpern, an ihrer Seite ist Juan Diego Flórez als Alfredo zu erleben, als Giorgio Germont steht Ludovic Tézier auf der Bühne – ein Dream-Team! Gespielt wird in der spektakulär anmutenden Inszenierung von Simon Stone, die die berühmte Opernhandlung gekonnt ins Heute verlegt.

WANDERN, LAUSCHEN

Oper erleben, durch ein historisches Architekturjuwel wandern, Rätsel lösen – und ganz nahe an einer berühmten, spannenden Geschichte dransein. Wo gibt’s das alles zusammen? Natürlich in der Wiener Staatsoper! Und zwar bei der Produktion von Das verfluchte Geisterschiff nach Richard Wagners Der fliegende Holländer. Hier können Kinder an mehreren Spielorten Senta, dem Holländer & Co auf ihrer Reise folgen, durch eine zauberhafte Dekoration schreiten und auch selbst an der Handlung teilnehmen. Mit dabei ist eine plaudernde und quirlige Schiffsratte, die das junge Publikum durch die Vorstellung führt. Basierend auf Wagners Holländer -Musik hat der Komponist Gerald Resch eine Kinderopern-Fassung erstellt und diese auch mit neuen Klängen versehen. Kein Wunder, dass die Kinderaugen um die Wette glänzen, dass die Aaahs und Ooohs sich im Publikum überbieten und Nina Blums fantasievolle Inszenierung immer neue junge Fans findet.

DIE VULKANOPER

»Es ist ein ganz geniales, sehr starkes Werk, das entschieden zu dem Bedeutsamsten gehört, was unsere Zeit hervorgebracht! Es arbeitet und lebt da unter einer Menge Schutt ein Vulcan, ein unterirdisches Feuer – nicht ein bloßes Feuerwerk!« Also sprach Gustav Mahler, der geniale Komponist, Dirigent und für Wien so wichtige Operndirektor. Die Rede ist von Richard Straussʼ Salome . Die aktuelle Inszenierung stammt von Cyril Teste: Gekonnt verbindet er die Theater- und Klangebene, fügt sinnhaft und die Psychologie der Figuren ausleuchtend Live-Videos hinzu und setzt sogar einen Duftmoment: So wird für eine Sequenz ein eigens für diese Produktion kreiertes Parfüm in den Zuschauerraum eingebracht. Die aktuelle Serie wird von Musikdirektor Philippe Jordan dirigiert, Simone Schneider wird ihre erste Salome an der Staatsoper singen, Tomasz Konieczny gestaltet den Jochanaan, Matthäus Schmidlechner und Monika Bohinec singen das Paar Herodes-Herodias.

CHRISTINA KIESLER als SCHIFFSRATTE
LISETTE OROPESA
KS TOMASZ KONIECZNY

GEBURTSTAGE

KS RENÉ PAPE feiert am 4. September seinen 60. Geburtstag. Der weltweit gefragte Bass verkörperte auch an der Wiener Staatsoper wesentliche Partien seines Faches, so unter anderem Sarastro, Leporello, Philipp II., die Titelpartie in Boris Godunow, Hunding, König Marke, Gurnemanz, Orest.

CHRISTOPH VON DOHNÁNYI vollendet am 8. September sein 95. Lebensjahr. Als Maßstäbe setzender Dirigent hat er über viele Jahrzehnte international Aufführungsgeschichte geschrieben. An der Wiener Staatsoper hat er u.a. die Wiener Erstaufführung von Cerhas Baal, eine Neuproduktion von Schönbergs Moses und Aron , die Uraufführung von Einems Kabale und Liebe , eine Neuproduktion von Mozarts Zauberflöte und Wagners Meistersinger von Nürnberg sowie die Premieren von Rheingold, Walküre und Götterdämmerung des neuen Ring 1992/1993 geleitet.

ADAM FISCHER wird am 9. September 75 Jahre alt. Er zählt zu den wichtigsten Dirigenten der Gegenwart und ist der Wiener Staatsoper, deren Ehrenmitglied er ist, seit Jahrzehnten verbunden. In 415 Vorstellungen leitete er bisher mehrere Premieren, Wiederaufnahmen und zahlreiche Repertoireaufführungen von fast 30 unterschiedlichen Werken. Nächste Dirigate an der Wiener Staatsoper: Così fan tutte im Oktober, Zauberflöte im April/Mai und Rosenkavalier im Juni.

KS MARGARETA HINTERMEIER feiert am 11. September ihren 70. Geburtstag. Das langjährige Ensemblemitglied stand mehr als 1000-mal auf der Bühne der Wiener Staatsoper –u.a. als Komponist ( Ariadne auf Naxos), Clairon (Capriccio), Dorabella, Octavian, Fricka, Prinz Orlofsky, Mary (Fliegender Holländer).

Der finnische Bassbariton JUHA UUSITALO wird am 18. September 60 Jahre alt. An der Wiener Staatsoper hörte man ihn als Holländer, Cardillac, Jochanaan, Wotan, Wanderer, Don Pizarro.

TODESFÄLLE

KS RUTH HESSE verstarb am 13. Juli 87-jährig in Hallstatt. Die in Wuppertal geborene Sängerin sang regelmäßig an den wichtigsten europäischen Bühnen, aber ebenso in San Francisco, Chicago, Washington, am Teatro Colón in Buenos Aires, in Mexiko, Rio de Janeiro und in Japan. In Österreich, ihrer späteren Wahlheimat, war sie den Salzburger Festspielen und der Wiener Staatsoper eng verbunden. So sang sie im Haus am Ring zwischen 1965 und 1988 über 200 Vorstellungen, u.a. Herodias, Eboli, Azucena, Fricka, Ortrud, Kundry, Brangäne, Amme (Die Frau ohne Schatten).

Der weltweit erfolgreiche deutsche Komponist und Musikschriftsteller WOLFGANG RIHM ist am 27. Juli im Alter von 72 Jahren im deutschen Ettlingen verstorben. Seine vielgefragte, 1979 uraufgeführte Kammeroper Jakob Lenz wurde von der Wiener Staatsoper in der Direktion Drese am Künstlerhaus-Theater neun Mal gezeigt.

Am 4. August ist der spanische Dirigent und Komponist MIGUEL GÓMEZ MARTÍNEZ im 75. Lebensjahr verstorben. An der Wiener Staatsoper dirigierte er zwischen 1976 und 2009 über 170 Vorstellungen – hauptsächlich Werke von Verdi und Puccini, aber auch Bizets Carmen , Massenets Werther oder das VerismoDoppel Cavalleria rusticana und Pagliacci

Probenbesuch zu UWE SCHOLZ’ JEUNEHOMME im April 2024

Auch in der neuen Saison erwartet die Förderinnen und Förderer des Freundeskreises Wiener Staatsballett ein vielseitiges und aufregendes Programm. Gleich der September beginnt mit drei spannenden Veranstaltungen: Eine Backstage-Führung durch die Wiener Staatsoper findet exklusiv für neue Freund*innen statt, an einer Führung durch die ART for ART-Dekorationswerkstätten mit Einblicken in die Entstehung des Bühnenbildes zur Premiere The Winter’s Tale können alle Freund*innen teilnehmen. Ein weiteres Highlight für Förderinnen und Förderer ab Stufe Silber ist eine Lecture Demonstration im Ballettsaal mit Ballettmeister Cédric Ygnace, der mit den Solist*innen an ihren Rollendebüts in Rudolf Nurejews Schwanensee arbeiten wird.

Probenbesuche zu den Premieren des Wiener Staatsballetts und in der Ballettakademie, Künstlergespräche, Meet & Greets und viele weitere Einblicke »behind the scenes« bilden auch in der Saison 2024/25 wieder Programmschwerpunkte. Eine Registrierung für den Freundeskreis Wiener Staatsballett ist online und jederzeit möglich.

Anmeldung und das vollständige Programm: WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN/ FREUNDESKREIS-WIENER-STAATSBALLETT

FREUNDESKREIS

WIENER STAATSOPER

Highlights aus dem Septemberprogramm des Offiziellen Freundeskreises der Wiener Staatsoper: Die neue Spielzeit startet mit einer Komponistenführung zu Franz Schubert, dabei werden Teile des neunten Wiener Gemeindebezirks erwandert – in der Nussdorferstraße steht bekanntlich das Geburtshaus des Komponisten, in der Marktgasse die Schubert-Kirche

Foto ASHLEY TAYLOR (Probenbesuch)
KS RUTH HESSE

mit der historischen Orgel aus 1774 –, dazu gibt es Erzähltes zum Komponisten und dem Wien seiner Zeit (6./9. September). Am 14. September folgt eine VIP-Führung im Rahmen der Viennacontemporary, am 18. September wird Jendrik Springer, der künstlerische Assistent von Musikdirektor Philippe Jordan, eine musikalische Einführung zu Verdis Don Carlo geben, am 20. September besucht man gemeinsam die Dekorationswerkstätten der Wiener Staatsoper im Arsenal. Das gesamte Programm finden Sie unter WIENER-STAATSOPER.AT/OFFI ZIELLERFREUNDESKREIS

SPENDENAKTION ZUGUNSTEN

DER ÖSTERREICHISCHEN KINDERKREBSHILFE

Die Ballettakademie der Wiener Staatsoper hat auch heuer erneut die Österreichische Kinderkrebshilfe mit Spendenaktionen unterstützt: Bei zwei Studioperformances in der Ballettakademie sowie der großen Matinee in der Wiener Staatsoper wurden insgesamt 3.345,37 Euro gesammelt, die der so wichtigen Arbeit der Hilfsorganisation zugute kommt. Wir bedanken uns herzlich bei allen Spenderinnen und Spendern, die als Dankeschön einen KrapfenGutschein vom Sponsor der Ballettakademie Ströck erhielten.

RADIO-

& FERNSEHTERMINE

1. Sept. 15.05 KAPELLMEISTER Ö1

DER ALTEN SCHULE

Erinnerungen an den Dirigenten

Berislav Klobučar zum 100. Geburtstag

Mit MICHAEL BLEES

8. Sept. 15.05 DER Ö1

OPERNDIRIGENT

CHRISTOPH VON DOHNÁNYI

Erinnerungen zum 95. Geburtstag

Mit MICHAEL BLEES

12. Sept. 14.05 ALFREDO Ö1 KRAUS

Zum 25. Todestag

14. Sept. 14.00 PER OPERA radio klassik

AD ASTRA

Verdi: Don Carlo

15. Sep. 15.05 DER Ö1 OPERNDIRIGENT

ADAM FISCHER

Zum 75. Geburtstag des vielseitigen Maestros Mit MICHAEL BLEES

22. Sept. 15.05 VERDIS Ö1 DON CARLOS

Ein Work-in-progress – unterschiedliche Fassungen Mit MICHAEL BLEES

29. Sept. 15.05 DAS WIENER Ö1

STAATSOPERNMAGAZIN

Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper

Mit MICHAEL BLEES

29. Sep. DON CARLO (Verdi) ARTE Musikalische Leitung JORDAN

Mit GRIGORIAN, TAGLIAVINI, GUERRERO, DUPUIS, HUBEAUX, ULYANOV, DUMITRESCU, STA PLE, AMAKO, TONCA

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Live aus der Wiener Staatsoper

PRODUKTIONSSPONSOREN

ROMÉO ET JULIETTE

LE NOZZE DI FIGARO

SALOME SERVICE

ADRESSE

Wiener Staatsoper GmbH

A Opernring 2, 1010 Wien

T +43 1 51444 2250 +43 1 51444 7880

M information@wiener-staatsoper.at

IMPRESSUM

OPERNRING 2

SEPTEMBER 2024 SAISON 2024 / 25

Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH / Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ / Kaufmännische Geschäftsführung DR. PETRA BOHUSLAV / Musikdirektor PHILIPPE JORDAN / Ballettdirektor MARTIN SCHLÄPFER / Redaktion SERGIO MORABITO / ANNE DO PAÇO / IRIS FREY / ANDREAS LÁNG / OLIVER LÁNG / KRYSZTINA WINKEL / Art Direction EXEX / Layout & Satz IRENE NEUBERT / Lek torat MARTINA PAUL / Am Cover ASMIK GRIGORIAN / Foto TIMOFEY KOLESNIKOV / Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUK TIONS GMBH, BAD VÖSLAU

REDAKTIONSSCHLUSS für dieses Heft: 21. AUGUST 2024 / Änderungen vorbehalten / Allgemein verstandene personenbezogene Ausdrücke in dieser Publikation umfassen jedes Geschlecht gleichermaßen. / Urheber/innen bzw. Leistungsschutzberechtigte, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. WIENER-STAATSOPER.AT

ICH MAG TYPEN, ICH MAG DIE MENSCHEN

ANNE DO PAÇO IM GESPRÄCH MIT BALLETT DIREKTOR MARTIN SCHLÄPFER ÜBER DIE NEUE SAISON

adp Die Spielzeit 2024/25 ist deine letzte als Direktor des Wiener Staatsballetts. Was war dir für die Planung wichtig?

ms Eines meiner Ziele für Wien war es, das Programm stilistisch und thematisch in verschiedene Richtungen weiter zu öffnen. Natürlich sind unsere beiden Häuser Repertoirestätten –auch für den Tanz. Sie haben als solche darin eine große Qualität und sind bedeutend für das Wiener Staatsballett und unser Publikum. Darüber hinaus werden wir in meiner letzten Saison aber nochmals eine Reihe von Uraufführungen zeigen. Ich habe die Choreograph*innen Andreas Heise, Alessandra Corti, Louis Stiens und Martin Chaix eingeladen. Sie sind bereits etabliert, aber noch nicht in aller Munde und arbeiten erstmals in Wien.

adp Alle vier machen nicht einfach Ballette, sondern sind auf der Suche nach eigenen Ausdrucksformen, eigenen Themen, einem eigenen Standpunkt.

MARTIN SCHLÄPFER

Fotos MICHAEL DANNENMANN

ms Ich erwarte mir von ihnen eine Frische für unseren Spielplan in der Volksoper, dass sich zum Abschluss meiner Direktion weitere Türen öffnen. Und ich selbst werde mit Pathétique auch ein neues Ballett für die letzte Premiere in der

Wiener Staatsoper sowie mit Peter und der Wolf ein Kinderstück für die neue Spielstätte NEST kreieren.

adp Kreation heißt für das Publikum zu erleben, wo der Tanz heute steht, was gegenwärtige Künstler umtreibt. Was bedeutet Kreation für die Tänzer*innen eines Ensembles? ms In einem kreativen Prozess ist das Terrain für die Tänzer*innen nicht von vornherein definiert. Es steht ein Choreograph oder eine Choreographin vor ihnen und es braucht den Mut, in etwas hineinzugehen, ohne schon vorher zu wissen, wie es wird. Kreation ist eine Grundvoraussetzung, dass die darstellenden Künste am Leben und relevant für unsere Gesellschaft bleiben. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie unser Repertoire von heute und morgen aussehen wird, sondern auch um die Tänzer*innen. Wenn diese nur nachtanzen, was bereits existiert, verkümmert die Imaginationskraft. Damit meine ich natürlich nicht, dass eine Odette und ein Prinz Siegfried in einem Tänzer nicht etwas künstlerisch ausformen. Und natürlich ist es essenziell für eine Ballettcompagnie, sich auch damit auseinanderzusetzen. Viele wirklich große Tanzereignisse sind aber als Kreationen zwischen Choreograph und Tänzer entstanden – und dass dies nicht abreißt, dafür haben wir eine Verantwortung, gerade in einer Zeit, in der immer weniger Choreograph*innen an der Spitze von Ballettcompagnien stehen und künstlerisch wie tanztechnisch eine eigene Haltung zeigen, wie es von George Balanchine

»Dass man das, was war, und das, was ist und sein wird – also Kreation –, nicht gegeneinander ausspielt, sondern gleichzeitig pflegt, halte ich für wesentlich.«
MARTIN SCHLÄPFER

über John Cranko, Merce Cunningham hin zu John Neumeier, Hans van Manen, Pina Bausch – um nur einige Beispiele zu nennen – Standard war. Derzeit sehen wir überall die gleichen Namen aufpoppen. Das ist natürlich nicht schlimm, denn jedes Land, jeder Ort hat sein eigenes Publikum, und für dieses wie die Tänzer*innen ist es allemal toll. Doch international gesehen gleicht sich das Repertoire immer mehr an, weil überall dieselben »heißen« Stücke eingekauft werden. Mich hat es nie interessiert, das zu zeigen, was gerade alle machen, sondern ich wollte meinen Ensembles ein eigenes Profil, einen unverwechselbaren Charakter geben. Auch im Tanzerbe gibt es so vieles zu entdecken. Ich habe früher Kurt Jooss gezeigt, Anthony Tudor, Martha Graham. Ich bin mit Hans van Manen einen über 30-jährigen Weg gegangen – auch zu einer Zeit, als er von den Spielplänen außerhalb der Niederlande fast verschwunden war. Balanchine war immer eine wichtige Säule. Für mich sollte sich ein Spielplan als Netz an Beziehungen entfalten – nicht vordergründig, aber für die lesbar, die daran interessiert sind. Und zugleich soll man sich einfach einen schönen, interessanten, berührenden oder aufwühlenden Abend mit uns machen können.

adp Auch in Wien hast du eine ganze Reihe an Choreograph*innen gezeigt, die noch nie mit dem Staatsballett zu sehen waren.

ms Ich habe Alexei Ratmansky dreimal nach Wien geholt, wir konnten – neben Konstanten wie Nurejew, Balanchine, Robbins,

van Manen, Cranko, Forsythe – Lucinda Childs, Karole Armitage, Ohad Naharin und Anne Teresa De Keersmaeker verpflichten, haben mit Merce Cunningham, Paul Taylor und Mark Morris den Spielplan um zentrale Positionen des amerikanischen Tanzes erweitert, mit Uwe Scholz, Heinz Spoerli und natürlich John Neumeier auf das europäische Ballett der letzten Jahrzehnte geschaut. Wir müssen auch dieses Erbe pflegen, gerade in einer Kunstform, die es so schwer mit ihrer Historie, den Fragen nach Original, Tradierung und Verankerung hat, weil sie im Moment lebt und mit dem Körper spricht. Geht das alles verloren, ist es nicht nur die Vergangenheit unserer Kunst, die verloren ist, sondern es ist unsere Sprache,

die immer mehr verarmt, eindimensionaler wird. Dass man das, was war, und das, was ist und sein wird – also Kreation –, nicht gegeneinander ausspielt, sondern gleichzeitig pflegt, halte ich für wesentlich.

adp Diese Gedanken spiegeln sich auch in der Besetzung des Ensembles, in der du eigene Akzente gesetzt hast –und dafür in Wien auch kritisiert wurdest: das Ensemble sei nicht mehr homogen genug, um z.B. einen Schwanensee von Nurejew zu tanzen. Was denkst du darüber?

ms Schauen wir uns doch an, was Nurejew nicht nur als Tänzer für ein Rebell war, sondern wen er als Direktor des Balletts der Pariser Oper alles geholt, wen er mit neuen

Werken beauftragt hat! Er hat etwas aufgerissen. Darüber sollten wir sprechen. Stattdessen wird Nurejew von vielen in eine eindimensionale Richtung verklärt. Natürlich braucht es eine gewisse Zeit, wenn man ein Repertoire erneuert oder besser gesagt aufmischt – ich habe ja viele Werke weiterhin gepflegt und gezeigt –, und man vergesse bitte nicht, dass unsere Arbeit durch die Pandemie über zwei Spielzeiten auf krasse Weise gestoppt wurde. Manches mag auf kürzere Sicht erst einmal gelitten haben. Würde ich in Wien bleiben, wäre eine solche Kritik in zwei bis drei Jahren sicher kein Thema mehr. Natürlich muss ein Corps de ballet im Einklang sein. Daran arbeiten wir jeden Tag. Und ich würde einen Schwanensee, eine Symphony in C nicht ansetzen, wenn mich das nicht interessieren würde. Nichtsdestotrotz erstaunt es mich, dass all das andere, das wir aufgebaut haben, für manche nicht zählt. Wir zeigen grandiose Dinge, und das Publikum liebt sie, spürt, dass sich hier etwas bewegt, verändert, lebendig ist. Was ist mit der Uraufführung von Marco Goecke zu Gustav Mahler? War es nicht einmalig, Anne Teresa De Keersmaeker im Verbund mit Cunningham und van Manen in einem Programm zu zeigen, diese drei Handschriften nebeneinander von einem Wiener Staatsballett getanzt zu sehen? Wo gibt es das sonst? Das hat für mich auch ein großes Gewicht. Man kann ein Ensemble auch in einer bestimmten Schneise einfrieren, stilistisch und tanztechnisch mehr oder weniger beim gleichen bleiben, um das Ziel absoluter Homogenität zu erfüllen. Aber geht es wirklich ausschließlich darum? Heute, in unserer so vielfältigen Gesellschaft? Für eine solche Programmierung hat man mich nicht nach Wien geholt.

adp Was ist dir wichtig an einem Tänzer, einer Tänzerin?

ms Ich mag Typen, ich mag die Menschen. Ein interessanter Tänzer ist für mich einer, der imaginiert, der denkt, bei dem ich nachvollziehen kann, was eine Bewegung bedeutet, was er mit ihr sagen will. Das ist nicht selbstverständlich und ein Aspekt, der durchs Kreieren trainiert wird. Marcia Haydée war eine hochbegabte Tänzerin, aber erst in der Arbeit mit Cranko hat sie die großen klassischen Rollen auch darstellerisch zu füllen gelernt. Wir müssen lernen, unsere Sprache durch die Schritte und Bewegungen zu sprechen – und das ist ge -

nauso notwendig für den klassischen Tanz. Auch dieser ist ja nicht nur Form. Auch eine Pirouette muss gefüllt sein.

adp In der ersten Premiere in der Wiener Staatsoper zeigst du Christopher Wheeldons The Winter’s Tale – eines der großen Handlungsballette der jüngsten Vergangenheit.

ms The Winter’s Tale wurde 2014 beim Royal Ballet London uraufgeführt und hat sowohl für die Choreographie als auch für die Komposition wichtige Preise gewonnen. Wir präsentieren die österreichische Erstaufführung und konnten das American Ballet Theatre in New York als Kooperationspartner gewinnen, das das Werk als USA-Premiere an der Westküste und an der MET herausbringen wird. Wheeldon ist ein charismatischer Künstler und großartiger Choreograph, der nicht nur für Ballettcompagnien, sondern auch für den Broadway kreiert. Seine Arbeit hat eine faszinierende Leichtigkeit, aber trotzdem haben seine Charaktere eine große und berührende Tiefe. Im Moment gibt es wenige, die Handlungsballette auf diesem Niveau choreographieren, und auch in ihrer sehr komplexen und aufwendigen Bühnenausstattung ist die Produktion ganz auf der Höhe unserer Zeit. Die Handlung basiert auf Shakespeares Wintermärchen, also einem Stoff, der nicht schon hundert Mal auf der Tanzbühne erzählt wurde. Wheeldon hat eine eigene Partitur bei dem Komponisten Joby Talbot in Auftrag gegeben und das Stück hat wunderbare Rollen, die große Erfahrung in der Darstellung verlangen. Ich denke, dass wir die Künstler*innen im Ensemble haben, die das füllen können, die ich aber mit einem solchen Werk auch neu fordere. adp Für eine Uraufführung in der zweiten Staatsopern-Premiere setzt du dich mit Tschaikowskis letzter Symphonie, der sogenannten Pathétique auseinander. ms Es ist so großartige Musik und in allem auch Tanzmusik! Auch in seinen Symphonien spürt man, wie sehr der Tanz ein Teil von Tschaikowskis Kunst ist. Die Sechste reißt eine ganze Welt auf: Der 1. Satz ist hochkomplex, sehr dramatisch, wie Naturkräfte, die aufeinanderprallen. Der Walzer suggeriert auf den ersten Blick so eine Pseudobeschwingtheit – und ist doch alles andere als das. Der 3. Satz hat diese ungemeine Schärfe – und dann folgt dieses trunkene, hochmelancholische Finale. Natürlich darf ICH MAG TYPEN,

man dieser Musik nicht erliegen, ich frage mich aber, wieso so viele Choreographen so formal zu Tschaikowski kreieren. Mein Ballett wird sicher sehr körperlich. Ich möchte Menschen von heute zeigen. Und das Orchester der Wiener Staatsoper wird das herrlich spielen.

adp Wie gehst du an Prokofjews Peter und der Wolf heran – ein Stück für Kinder ab 6 im NEST?

ms Interessanterweise habe ich gar nicht das Gefühl, dass das etwas anderes als jedes andere Ballett für mich ist. Peter und der Wolf ist brillant gebaut und für den Tanz eröffnen sich schöne Räume. Wir schauen uns die Figuren sehr genau an. Wie kann man einen Wolf darstellen? Ist er nur der Feind, oder kann er auch etwas sehr Schönes, Nobles, Verwunschenes haben? Etwas Archaisches, Dunkles? Wir werden ihn sicher nicht am Schwanz fangen. Und muss er wirklich in den Zoo?

adp Was ist dein Eindruck von der neuen Spielstätte?

ms Es ist großartig, nun solch einen Raum für die Wiener Staatsoper zu haben. Diese Modernität, diese völlige Konzentration, die er ausstrahlt. Ich finde es total schön, in diesem Raum anders denken zu können, anders ans Publikum heranzukommen ...

»Wheeldon ist ein charismatischer Künstler und großartiger Choreograph, der nicht nur für Ballettcompagnien, sondern auch für den Broadway kreiert.
Seine Arbeit hat eine faszinierende Leichtigkeit, aber trotzdem haben seine Charaktere eine große und berührende Tiefe. «

MARTIN SCHLÄPFER

Alle Informationen zum Freundeskreis Wiener Staatsballett WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN/ FREUNDESKREIS-WIENER-STAATSBALLETT ICH

adp ... etwas, das dir grundsätzlich wichtig ist.

ms Ja, auf jeden Fall. Wir sind in dieser grandiosen Staatsoper ja irgendwie auch verschanzt. Das aufzubrechen ist uns, denke ich, gelungen. Wir haben im Publikum eine wunderbare Durchmischung durch die Generationen, auch viele junge Menschen besuchen unsere Vorstellungen. Die Einführungen, Podiumsdiskussionen und DANCE MOVI ES sind sehr gut besucht, es findet ein schöner Austausch statt, kommt zu direkten Begegnungen, Kontakten, Bindungen. Die Open Class, mit der wir jeden Samstag externen Tänzer*innen, aber auch interessierten Laien und Studierenden ein klassisches Balletttraining anbieten, ist nicht nur immer ausverkauft, sondern hat sich zu einem wirklich inspirierenden Ort entwickelt, wo wir spüren, worum es geht. Aber auch unseren Freundeskreis Wiener Staatsballett möchte ich in diesem Kontext erwähnen, den wir neu aufgestellt haben und der inzwischen ein sehr lebendiges Gegenüber und in finanzieller wie ideeller Hinsicht ein wichtiger Partner für uns geworden ist und mehr: er ist mit all den Veranstaltungen, die wir unseren Freunden exklusiv anbieten, auch Teil unserer Programmierung. Ich denke, dass hier etwas sehr Schönes entstanden ist. Es kommt uns ein großes Interesse, aber auch Dankbarkeit entgegen. Und zugleich gibt es noch sehr viel zu tun!

Den gesamten Spielplan des Wiener Staatsballetts finden Sie auf WIENER-STAATSBALLETT.AT

MITMACHEN: EIN STUCK ENTWICKELN & AUF DER BUHNE STEHEN!

DIE LABOR-PROJEKTE SUCHEN NEUE ENSEMBLEMITGLIEDER

Diesen Dezember eröffnet die Wiener Staatsoper mit dem NEST ihre neue Spielstätte am Karlsplatz und damit auch die Möglichkeit, an einer Vielzahl unterschiedlichster Workshops rund um Oper und Ballett mitzumachen.

Einige Outreach-Projekte starten jedoch bereits diesen Herbst, so zum Beispiel die Stückentwicklungsprojekte CityLab (für 12- bis 99-Jährige) sowie das Opern- und Tanzlabor (für 15- bis 24-Jährige). Hier sind alle Menschen, die Musiktheater und Tanz besser kennenlernen oder einfach

einmal selbst ausprobieren wollen, eingeladen, Teil eines neu gegründeten Ensembles zu werden und, inspiriert aus den Themen des Spielplans der Wiener Staatsoper, eigene Performances zu entwickeln. Diese werden ab Mitte der Saison dann erstmals im NEST aufgeführt! Während Opern- und Tanzlabor wöchentlich im Kulturhaus Brotfabrik im 10. Bezirk proben, trifft sich das generationsübergreifende CityLab-Ensemble ab dem 25. September einmal im Monat in der Wiener Staatsoper und ab seiner Eröffnung auch im NEST.

»Ich bin mit überhaupt keinen Erwartungen reingekommen. Außer mit der Hoffnung, dass andere mit der gleichen Offenheit mitmachen. Ich habe mich einfach überraschen lassen.«

ZERDA (15), TEILNEHMERIN DES OPERNLABORS 23/24

Um an den Laborprojekten teilzunehmen, sind keine besonderen Vorkenntnisse notwendig. Mitmachen dürfen alle: Die, die das erste Mal mit einer größeren Gruppe musizieren und Theater spielen möchten oder diejenigen, die schon öfter in künstlerischen Projekten mitgewirkt haben. Einzige Bedingung: Mut und Lust, etwas Neues auszuprobieren und sich auf den offenen kreativen Prozess einzulassen. Castings gibt es keine, eine regelmäßige Teilnahme an den Proben ist jedoch Voraussetzung. Die Labor-Projekte sind kostenlos.

ALLES UND NICHTS

Wer sehen möchte, wie das aktuelle Tanzlabor-Ensemble gearbeitet hat, welche Ideen und kreativen Zugänge die Tänzer*innen entwickelt haben und welche schlussendlich Eingang in eine Produktion gefunden haben, kann das bei der Wiederaufnahme des Stücks Alles und Nichts am 12. und 13. Oktober, jeweils um 19 Uhr im Kulturhaus Brotfabrik, tun. Hier zeigen die 16 jungen Tänzerinnen und Tänzer, inspiriert durch den Ballettabend und das Thema Shifting Symmetries, ihr eigenes Stück über die Ambivalenz des Onlineraums und dessen Auswirkungen auf das Zusammenleben, eine Auseinandersetzung mit alltäglichen Algorithmen, die Suche nach Zugehörigkeit und Balance in einer Welt, die uns ständig mit neuen Herausforderungen konfrontiert.

»In unserem Stück geht es einerseits um die digitale Welt, wo ständig Unmengen an Informationen auf uns einprasseln und wir diese filtern und für uns einordnen müssen. Und es geht darum, wie sich dieses Gefühl auf die analoge Welt und auf uns selbst überträgt.«

SOPHIE (21), TEILNEHMERIN

TANZLABOR 23/24

Innerhalb der letzten Saison und ausgehend von den beiden Fragen »Was bringt dich selbst aus der Balance?« und »Wo herrscht schon lange kein Gleichgewicht mehr?« entstand in den wöchentlichen Proben des Tanzlabors Alles und Nichts. Nun wird das Stück nach der Premiere im April 2024 wiederaufgeführt. Ein Schlagwerktrio des Bühnenorchesters der Wiener Staatsoper spielt dabei Stücke von Nebojša Jovan Živković und Leonhard Waltersdorfer, dazu verwebt sich Elektronische Musik der österreichischen Künstler Marco Kleebauer und HVOB. Die Kostüme von Anna Asamer zeigen durch die metallisch glänzenden Oberflächen, angelehnt an die verführerische Strahlkraft eines Smartphone-Bildschirms, die Verflechtungen des »analogen Ichs« mit dem »digitalen Ich«. Die vibrierenden Linien und Wellen auf den Kostümen, die sich ständig überlagern, überschneiden oder aneinander vorbeilaufen, geben eine zusätzliche Ebene zur teilweise temporeichen und komplexen Choreographie.

Tickets zu € 5,– sind auf der Website der Wiener Staatsoper erhältlich. Das Projekt ist eine Kooperation mit TANZ DIE TOLERANZ .

Anmeldungen für die Labore: Ab 1. September unter OUTREACH@WIENER-STAATSOPER.AT Karten für Alles und Nichts : Ab sofort unter WIENER-STAATSOPER.AT/KALENDER Weitere Infos zu aktuellen Outreach-Programmen: INSTAGRAM WIENERSTAATSOPER_COMMUNITY

ALLES UND NICHTS
Foto ASHLEY TAYLOR
ALLES UND NICHTS
Foto STEPHAN BRÜCKLER

DEBUTS

HAUSDEBÜTS

CARMEN 5. SEPT. 2024

AIGUL AKHMETSHINA Carmen

Seit ihrem Debüt als Carmen am Londoner Royal Opera House im Alter von 21 Jahren gehört Aigul Akhmetshina zu den gefragtesten Sängerinnen ihres Faches. Zu ihren jüngsten Engagements gehören Romeo ( I Capuleti e i Montecchi ) bei den Salzburger Festspielen, Carmen an der Met, am Royal Opera House, beim Glyndebourne Festival, in der Arena di Verona, an der Deutschen Oper Berlin und der Bayerischen Staatsoper, Rosina (Il barbiere di Siviglia) an der Met und der Pariser Oper, Charlotte (Werther) an der Deutschen Oper Berlin.

ROMÉO ET JULIETTE 8. SEPT. 2024

NADINE SIERRA Juliette

Nadine Sierra gilt als eine der wichtigsten Opernstimmen unserer Zeit. Nach erfolgreichen Debüts an der Met, der Mailänder Scala, der Pariser Oper, am Londoner Royal Opera House und der Staatsoper Berlin hat sich die mehrfach Ausgezeichnete zu einer festen Größe an wesentlichen internationalen Bühnen entwickelt. 2024/25 umfasst Auftritte an der Met, am Liceu in Barcelona, am Teatro Real Madrid, an der Pariser Oper, am Teatro San Carlo in Neapel. 2018 und 2022 veröffentlichte das Label Deutsche Grammophon je ein CD-Album.

ANDREI MAKSIMOV* Paris

DOHOON LEE* 2. Soldat

Der südkoreanische Bass Dohoon Lee studierte an der Seoul National University. Ab 2022 absolvierte er ein Studium an der Universität der Kü nste Berlin. Dar über hinaus wurde er von Juli bis August 2024 als Mitglied der Internationalen Meistersinger-Akademie (IMA) ausgewählt und erhielt ein Stipendium der IMA, das unter anderem ein Operngala Konzert mit dem Nü rnberger Symphonieorchester beinhaltete. Ab 2024/25 ist er als Stipendiat von WCN –World Culture Networks – Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

Fotos BEATA NYKIEL (Akhmetshina)

GREGOR HOHENBERG ( Sierra)

MIRA ALKHOVIK (Maksimov)

MATHIEU PANTALEO ( Autard )

SHIRLEY SUAREZ (Weigl)

Der russische Bariton Andrei Maksimov absolvierte das Konservatorium St. Petersburg und war Solist an der Jungen Sängerakademie des Mariinski-Theaters. 2019 studierte er an der Akademie des Teatro Comunale Modena und nahm 2021 und 2022 an der Berlin Opera Academy teil. 2023 schloss Andrei Maksimov sein Studium an der Musikhochschule Bern ab, 2022/23 trat er im Opernstudio der Opéra National du Rhin auf. Er ist mehrfacher Preisträger diverser Wettbewerbe und ist ab 2024/25 Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

* Mitglied des Opernstudios

SALOME 21. SEPT. 2024

DAS VERFLUCHTE

DEBUTS

GEISTERSCHIFF 28. SEPT. 2024

ANA GAROTIĆ* Senta

Die Sopranistin Ana Garotić stammt aus Belgrad. Sie studierte in ihrer Heimatstadt und an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. 2022 war sie Finalistin des Montserrat-Caballé-Wettbewerbs und erhielt einen Sonderpreis als beste Sopranistin beim Ferruccio-Tagliavini-Wettbewerb. 2023 debütierte sie als Micaëla in St. Margarethen, weitere Auftritte führten sie ans Nationaltheater in Belgrad sowie an die Philharmonie Ljubljana. Ab 2024/25 ist sie Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

ADRIAN AUTARD* Erik

Der junge französische Tenor Adrian Autard studierte in Avignon und Marseille Violine und Gesang und begann 2019 ein Gesangsstudium an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien. Seit 2022 war er mehrfach zu Gast bei verschiedenen Festivals und Opernhäusern, so unter anderem am MusikTheater an der Wien. Adrian Autard ist Preisträger des 6. Concours Opéra Jeunes Espoirs Raymond Duffaut sowie Gewinner des KS Gabriele-Sima-Stipendiums 2022. Ab 2024/25 ist er Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

LE NOZZE DI FIGARO 22. SEPT. 2024

HANNAH-THERES WEIGL* Barbarina

Die Sopranistin Hannah-Theres Weigl studierte am Tiroler Landeskonservatorium und rundet ihre Ausbildung an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien ab. Sie wurde früh Mitglied der bayerischen staatlichen Förderklasse, in deren Rahmen sie mit 16 Jahren ihr Debüt als Belinda in Dido und Aeneas gab. In unterschiedlichen Rollen war sie ferner am Tiroler Landestheater, am Theater für Niedersachsen und im Schlosstheater Schönbrunn zu hören. Ab 2024/25 ist sie Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

ROLLENDEBÜTS

CARMEN 5. SEPT. 2024

PIER GIORGIO MORANDI

Musikalische Leitung

ELSA DREISIG Micaëla

LUKAS SCHMIDT Remendado

JUSUNG GABRIEL PARK Dancaïre

LA TRAVIATA 6. SEPT. 2024

DOMINGO HINDOYAN Musikalische Leitung

LEONARDO NEIVA Marquis von Obigny

ROMÉO ET JULIETTE 8. SEPT. 2024

SAIMIR PIRGU Roméo

PATRICIA NOLZ Stéphano

STEPHANIE HOUTZEEL Gertrude

DANIEL JENZ Tybalt

STEFAN ASTAKHOV Mercutio

PETER KELLNER Frère Laurent

SCHWANENSEE 20. SEPT. 2024

DAVIDE DATO Prinz Siegfried

GÉRAUD WIELICK Zauberer Rotbart

GODWIN MERANO Spanischer Tänzer

DUCCIO TARIELLO Polnischer Tänzer

SALOME

21. SEPT. 2024

SIMONE SCHNEIDER Salome

MATTHÄUS SCHMIDLECHNER Herodes

MONIKA BOHINEC Herodias

ALMA NEUHAUS Page

HIROSHI AMAKO 4. Jude

JUSUNG GABRIEL PARK 2. Nazarener

LE NOZZE DI FIGARO

22. SEPT. 2024

IVOR BOLTON Musikalische Leitung

MICHAEL GNIFFKE Don Basilio

DON CARLO

26. SEPT. 2024

ASMIK GRIGORIAN Elisabeth ROBERTO TAGLIAVINI Philipp II. JOSHUA GUERRERO Don Carlo ÉTIENNE DUPUIS Rodrigo EVE-MAUD HUBEAUX Eboli

ILIA STAPLE Tebaldo

HIROSHI AMAKO Graf Lerma/Herold

DAS VERFLUCHTE

GEISTERSCHIFF 28. SEPT. 2024

DOHOON LEE* Daland

MARTIN HÄSSLER Holländer

Kultur bereichert unseren Alltag.

Kunst und Kultur gehen neue Wege. Sie bereichern unsere Gesellschaft mit Unterstützung von Siemens. Die Förderung kultureller und innovativer Projekte hat eine lange Tradition bei Siemens. Durch den Einsatz digitaler Lösungen ist es uns möglich, in zahlreichen Ländern mit vielfältigen Initiativen und Projekten auch im Kulturbereich nachhaltig Verantwortung zu übernehmen.

siemens.at/kultur

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„RENT A CHEF“

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Egal ob ein romantisches Dinner zu zweit, ein besonderer Abend mit Freunden oder ein Businessdinner, mit mir als Ihren Private Chef, ist ein außergewöhnlicher kulinarischer Abend garantiert, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.

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Jürgen Lengauer fotografiert von Milan Istvan Gestaltung: since-1973.com

JÜRGEN LENGAUER Executive Chef Grand Hotel Wien

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