Programmheft »Capriccio«

Page 1

CAPRICCIO Richard Strauss


INHALT

Die Handlung

4

Synopsis in English

5

Über dieses Programmbuch

6

Geleitwort zu Capriccio → Richard Strauss

10

Emotion ist die Basis jeder Inspiration → Philippe Jordan 14 Eine Oper über die Oper → Interview mit Marco Arturo Marelli

18

Prima la musica? → Thomas Leibnitz

22

Die Entstehungsgeschichte von Capriccio → Oliver Láng

28

… mit ungeheurer Spannung … → Gerhart Hauptmann

42

Das Werden von Capriccio → Viorica Ursuleac

44

Die Muse → Oliver Láng

48

Vom melodischen Einfall → Richard Strauss

50

Aus einem Gespräch mit Oliver-Hector Krauss → Heiko Cullmann

56

Capriccio als opernästhetische Étude → Jürgen Maehder 60 Über Richard Strauss → Clemens Krauss

66

Richard Strauss und Clemens Krauss → Götz Klaus Kende

68

Capriccio an der Wiener Staatsoper → Oliver Láng

72

Leistet etwas für das Theater → Andreas Láng

76

Oszillierende Spiegelungen → Marco Arturo Marelli

80


Ton und Wort … … sind Bruder und Schwester. Olivier – Flamand


CAPRICCIO → Ein Konversationsstück für Musik in einem Aufzug Musik Richard Strauss Text Richard Strauss, Clemens Krauss

Orchesterbesetzung 3 Flöten, 1 Piccolo-Flöte, 2 Oboen, Englischhorn, kleine Klarinette in C, 2 Klarinetten, Bassetthorn, Bass-Klarinette, 3 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Schlagwerk, 2 Harfen, Cembalo, Violine I, Violine II, Viola, Violoncello, Kontrabass Bühnenmusik 2 Violinen, 2 Violen, 2 Violoncelli (hinter der Bühne), Violine, Violoncello, Cembalo (auf der Bühne) Spieldauer 2 Stunden und 15 Minuten (keine Pause) Autograf Richard-Strauss-Archiv, Garmisch-Partenkirchen Uraufführung 28. Oktober 1942, Bayerische Staatsoper – Nationaltheater München Erstaufführung an der Wiener Staatsoper 1. März 1944




DIE HANDLUNG

Die Oper Capriccio schildert die Entstehung einer Oper. Die Handlung beschreibt einen Tag im Salon der jungen und kunstsinnigen verwitweten Gräfin Madeleine, die im Zentrum des Geschehens steht. Madeleine inspiriert gleichsam als Muse die sie umgebenden Künstler. Allen voran den Dichter Olivier und den Komponisten Flamand, die beide in sie verliebt sind und hoffen, mit ihrem jeweiligen künstlerischen Schaffen das Herz der schönen Gräfin zu erobern, die sich jedoch für keinen der beiden entscheiden kann. Rivalität herrscht zwischen Flamand und Olivier auch in der Frage hinsichtlich der Bedeutung von Dichtung und Musik: Gebührt dem Wort oder doch dem Ton der Vorrang – prima la musica dopo le parole oder doch umgekehrt prima le parole dopo la musica? Eine diesbezügliche Entscheidung erwarten die beiden vom Urteil der Gräfin, die aber erkennt, dass erst das Zusammentreffen von Dichtung und Komposition zum künstlerischen Ideal führt: »Eins ist im andern und will zum andern.« Eine gänzlich andere Position nimmt der praktisch veranlagte Theaterdirektor La Roche ein. Für ihn zählt nur das publikumswirksame Theater mit einprägsamer Musik. Dementsprechend will er zum Geburtstag der Gräfin ein großes Huldigungsspiel vorbereiten. Die Gräfin wünscht sich indessen statt des veralteten Festspiels eine neu zu schaffende Oper. Der Graf, ihr Bruder, regt »etwas boshaft« an, die Vorkommnisse des »heutigen«, eben erlebten Tages, unter anderem die hitzig geführten Diskussionen um die Vorrangstellung von Wort und Ton, als Handlung zu wählen. Diese Idee findet die allgemeine Zustimmung und die Gesellschaft löst sich auf. Der allein zurückgebliebenen Gräfin meldet ihr Haushofmeister, dass Olivier sie am nächsten Morgen in der Bibliothek aufsuchen wird, um von ihr das Ende der geplanten neuen Oper zu erfahren, also das endgültige Urteil über die Vorrangstellung von Wort oder Ton. Und damit auch ihre Wahl: Olivier oder Flamand. Da Olivier in der Bibliothek zur gleichen Stunde erscheinen wird wie Flamand, dem die Gräfin ebendort bereits ein Treffen zugesagt hat, wird es allerdings abermals keine Entscheidung geben. Der Schluss der Oper bleibt offen. Und fragend wendet sich Madeleine, um eine Antwort zu erhalten, ihrem Spiegelbild zu: »Gibt es einen Schluss, der nicht trivial ist?«

DIE H A N DLU NG

← Vorherige Seiten: Renée Fleming als Gräfin, 2013

4


SYNOPSIS

The opera Capriccio is about an opera being written. The plot outlines a day in the salon of the young widowed artlover Countess Madeleine, around whom the events unfold. Like a muse, Madeleine inspires the artists around her. First and foremost, the poet Olivier and the composer Flamand, both of whom are in love with her and hope to conquer the heart of the beautiful countess with their artistic creations. However, she cannot decide between the two of them. Another rivalry exists between Flamand and Olivier, namely the question of the importance of words and music: do the words or the music take precedence – prima la musica dopo le parole, or is it the other way around: prima le parole dopo la musica? The two of them await a decision on this matter from the Countess, who however realizes that only the union of words and music can achieve artistic perfection: “One lives in the other and seeks the other.” The practically minded theatre director La Roche takes a very different position. For him, all that matters is drama with audience appeal and memorable music. Accordingly, he wants to rehearse a grand homage performance to celebrate the Countess’s birthday. Instead of the outdated festival, the Countess expresses the wish for a new opera. The Count, her brother, proposes “somewhat mischievously”, that they use the events of the “current” day they have just experienced, including the heated discussions on the importance of words and music, as the plot for the opera. The idea meets with general approval and the company disperses. The steward tells the Countess that Olivier will call on her the following morning in the library to find out from her what the ending to the planned new opera is to be, in other words what her final decision is on the superiority of words or music. And therefore also her choice: Olivier or Flamand. Since Olivier will appear in the library at the same hour as Flamand, with whom the Countess has also made an appointment in the same place, there will however be no decision. The ending of the opera remains unresolved. Looking for an answer, Madeleine turns to her mirror: “Is there an ending that is not trivial?”

5

SY NOPSIS


ÜBER DIESES PROGRAMMBUCH

»Die Bühne enthüllt uns das Geheimnis der Wirklichkeit, wie in einem Zauberspiegel gewahren wir uns selbst« – es ist die Gräfin Madeleine, die den Erkenntnispunkt der Oper Capriccio trifft und ausspricht: Die Theaterbühne als Abbild der Realität, mehr noch, als jener Ort, an dem sich der Mensch erkennt und sein wahres Antlitz erblickt. Dies war es, was Richard Strauss in seinem milden, altersweisen Werk Capriccio – das andererseits auch von Heiterkeit und Augenzwinkern durchsetzt ist – vermitteln wollte. Capriccio ist eine Oper über das Kunstwerk Oper, es schildert in einer Verschränkung von Rückblick und Gegenwart, von unterschiedlichen Ebenen die Geburt eines Werkes. Und stellt theoretische Prinzipien der Bühnenpraxis gegenüber, lässt feinsinnige Künstlernaturen mit einem geerdeten Theaterdirektor zusammenkommen. Dass Strauss auch bei diesem Werk ganz aus seiner erlebten Bühnenpraxis schöpfte, liest man schon in seinem »Geleitwort zu Capriccio« (Seite 10) wie auch in seinem Briefverkehr mit Clemens Krauss (Seite 34). Ein weiterer Text aus seiner Feder – Vom melodischen Einfall – erlaubt ebenso einen Blick in die künstlerische Werkstätte Straussʼ (Seite 50) wie Viorica Ursuleac (die Uraufführungs-Madeleine) einen in den Entstehungsprozess von Capriccio ermöglicht (Seite 44). Auch Oliver-Hector Krauss, der Sohn des Uraufführungsdirigenten, steuert Familien-Erinnerungen bei (Seite 56), Oliver Láng fasst die Entstehungsgeschichte der Oper ab Seite 28 zusammen. Das vordergründige Thema der Oper, der Streit um den Primat von Musik oder Text, wird vom Strauss-Fachmann Thomas Leibnitz auch historisch beleuchtet (Seite 22), Andreas Láng beschäftigt sich mit der besonderen Spezies des »Theatermenschen« (Seite 76). Musikalisch spinnt Strauss in Capriccio feine Fäden: Kammermusikalisch der Beginn mit einem Streichsextett, er zitiert Eigenes und Fremdes, wirft Ü BER DIE SE S PROGR A M MBUCH

6


einen Blick in die Musikgeschichte und findet mit der »Mondscheinmusik« zu einem der berühmten Schlager der Opernliteratur. Aspekte der Strauss’schen Klangwelt leuchtet der Musikdirektor der Wiener Staatsoper, Philippe Jordan aus, der sowohl die Premiere 2008 als auch die Musikalische Neueinstudierung 2022 leitete (Seite 14). Ergänzend wirft Jürgen Maehder, einer der großen Musikwissenschaftler unserer Zeit, einen analytischen Blick in die Partitur (Seite 60). Inszenierung und Bühnenbild der aktuellen Produktion stammen von Marco Arturo Marelli (Interview Seite 18), der das Element der Spiegelung in sein Raumkonzept einbezogen hat und darüber hinaus mit drehbaren Dreieckstürmen unterschiedliche Zeit- bzw. Handlungsebenen herstellt. Für ihn ist Capriccio nicht nur die letzte Oper von Strauss, sondern überhaupt die allerletzte Oper der Musikgeschichte im traditionellen Sinn. Und es ist ein Werk des Rückblicks, ohne Pathos: »Die Oper symbolisiert etwas Besonderes: Richard Strauss trinkt in und durch Capriccio mit der Madame Oper noch einen letzten, ganz tollen Champagner.«

→ Nächste Seiten: Szenenbild, 2008

7

Ü BER DIE SE S PROGR A M MBUCH




Richard Strauss

GELEITWORT ZU »CAPRICCIO« Motto: »Der Arie ihr Recht! Auf die Sänger nimm Rücksicht! Nicht zu laut das Orchester…« Mit der Befolgung dieser Mahnung seines Chefs glaubt der normale Theaterkapellmeister seine Pflicht gegenüber Individuen erfüllt zu haben, deren Beruf es ist, gegen den Arm eines unerbittlichen Taktstockrhythmikers und sein behaglich in Mezzoforte plätscherndes Orchester eine menschliche Singstimme soviel als möglich zur Geltung zu bringen. »Man hat heute Abend die Sänger sehr gut gehört und auch ab und zu Text verstanden…«. Dies ist ein Lob, auf das der herrschende Generalmusikdirektor stets besonders stolz ist. Und mit Recht – denn es ist dies immerhin schon ganz eine hübsche Etappe auf dem Wege zu einer halbwegs erträglichen Opernaufführung – außer dem Erraten der richtigen Zeitmaße ist es ja auch tatsächlich nicht leicht für den mitten im Orchester sitzenden Dirigenten, umgeben von 34 bis 64 Streichern, die er fortwährend dämpfen zu müssen glaubt, während die entfernter von ihm sitzenden Bläser (sogar schon das Holz) den eigentlichen Sängermord vollführen – den richtigen Ausgleich zwischen Bühne und »sinfonischer Begleitung« zu finden, wie ihn nicht nur Parkett und Logen, sondern auch die oberen Ränge zu fordern berechtigt sind. Der Schutzpatron dieser theoretischen Komödie, deren erster Anlass der Titel eines vergessenen Opern-Librettos des Abbé de Casti: Prima le parole, dopo la musica war, der große Reformator des Kompositionsstils Gluck, hatte seiner Alceste ein Vorwort gegeben, das ein Jahrhundert lang richtunggebend war für eine Entwicklung des musikalischen Dramas, an deren Ende mir als kleiner Epilog der Rat einer fünfzigjährigen Dirigentenerfahrung gestattet sein möge, der den verehrten Pultkollegen, die sich der dankenswerten Mühe R ICH A R D ST R AUS S

10


unterziehen, sich ernsthaft mit dem Studium meiner Opernpartituren zu befassen, gerade für dieses Capriccio von Nutzen sein dürfte. Bei der heutigen Gewissenhaftigkeit des musikalischen Studiums an Opernbühnen und bei der Wichtigkeit, die im Capriccio dem gesprochenen Wort ganz besonders zukommt, dürfte der Rat nutzbringend sein, dass vor Beginn des Notenstudiums der Regisseur mehrere gründliche Leseproben mit Berücksichtigung deutlichster Konsonantenaussprache (nur an der Hand der Textbücher) abhalten möge, die allenfalls vor den letzten Bühnenproben (etwa zwei bis drei Tage vor der Generalprobe) zu wiederholen wären (ohne Noten!). Was das Orchesterstudium betrifft, so empfiehlt es sich, dass die Gesamtproben für das Orchester so genau durchgeführt werden, dass beim Einzutreten der Sänger an einzelnen Gruppen und Instrumenten im Orchester kein Detailstudium mehr nötig wäre. Denn für diesen Moment tritt mein Vorschlag in Kraft, dass der Dirigent einem mit dem Werk ebenfalls eng vertrauten Kollegen den Taktstock anvertraut und von den verschiedensten Plätzen des Hauses den Gesamtklang beurteile, über den er niemals den ganz richtigen Eindruck von seinem Pult aus gewinnen kann. Es ist kein Zweifel, dass ein homophon begleitendes Orchester des früheren und mittleren Verdi dem Sänger der liebste Gefährte auf dem Wege zum Herzen des »Bis« jauchzenden Publikums ist. Das Seccorezitativ (nur von Streicher- und Cembaloakkorden unterbrochen) ist die primitivste Kunstform, in der eine einigermaßen komplizierte Komödienhandlung immerhin deutlich zur Darstellung kommen kann. Sobald im Orchester auch nur eine Stimme dagegen singt, beginnt schon das Unglück! Bei Mozart sind Arien, Duette, Quartette nicht mehr rein lyrische Gefühlsergüsse, während die Handlung völlig still steht, sondern sie sind stark von dramatischem, die Handlung vorwärtstreibendem Leben erfüllt, und schon in Figaro und Così fan tutte finden sich im Orchester Kontrapunkte, wo gegenüberliegenden Holzbläsern, hohen Hörnern und figuriertem Streichquartett in bewegten Zeitmaßen rasch deklamierende Singstimmen Mühe haben, das Wort bis zur 4. Galerie hinaufzubefördern. Das ideale Verhältnis zwischen Singstimme und Orchester weisen Richard Wagners Werke auf, Verse, mit feinster Wortwurzelempfindung deklamiert und zu ausdrucksvollen Gesangsperioden gestaltet, sind in meisterhaftem Wechsel von Rezitativ und Kantilenen, in schönstem Ebenmaß der Melodie geführt und gestützt von einem in plastischer und motivischer Arbeit und niemals überflüssiger Polyphonie erklärenden und erregenden Orchester. Werke, in denen eine richtige Abschätzung der Distanz von Bühne und Zuhörer vorwaltet, wie sie vorbildlich nur noch in Schillers dramatischen Gedichten sich findet. Ich weiß wohl, dass mein viel in hoher Lage spielendes Orchester der Singstimme mehr Schwierigkeiten bereitet als der dunkle Samtteppich des Wagner’schen Streichquintetts, dass eine über dem Sopran selbständig musizierende Flöte schon die Verständlichkeit des Textes behindern kann – ich weiß wohl, dass die Klarlegung meiner stark verästelten Polyphonie einerseits 11

GELEIT WORT Z U CA PR ICCIO


und die Diskretion derselben bei der Begleitung des Sängers andererseits dem Dirigenten schwere Aufgaben stellt; um so mehr verlangt die von mir vorher angeratene Kontrolle der Beziehungen von Singstimme zu Orchester die peinlichste Sorgfalt! Ich kenne Fälle, wo eine konzertierende Solovioline (Mozart-Arie, erste Szene Daphne) gegenüber einer »allzu viel Ton« gebenden Sängerin sich kaum behaupten kann, während umgekehrt etwas höher liegende Streicher und Holzbläser selbst im pp eine in der Mittellage sich bewegende Sopranstimme decken können! Wie oft muss von Takt zu Takt im Augenblick, vom Dirigenten sowohl wie vom Sänger, durch plötzliches Hervortreten oder Zurücktreten des einen oder anderen Elements ein Ausgleich geschaffen werden, soll das dem Komponisten vorschwebende Tonbild zur richtigen Erscheinung gelangen, d.h. die in die verschiedensten Gruppen und einzelne Instrumente verteilte führende Stimme mit thematischen Teilen in der Gesangsstimme zu einer geschlossenen Melodie verschmolzen werden. Noten- und wortgetreue Interpretation und kongeniale Improvisation sind »Bruder und Schwester« wie Wort und Ton! Im Sinne obiger Ausführungen sei besonders jedem »Espressivo« in den Orchesterstimmen besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

→ Renée Fleming als Gräfin, 2013

GELEIT WORT Z U CA PR ICCIO

12



Philippe Jordan

EMOTION IST DIE BASIS JEDER INSPIRATION

Zweifelsohne ist Capriccio eine Musik gewordene, liebevoll-wehmütige Reminiszenz. Das gesamte Genre Oper, ihre Geschichte, wichtige Etappen, Formen, Gattungen sowie Beispiele von der Barockmusik über Gluck, Mozart, Rossini und Bellini bis hin zu Strauss selbst werden thematisiert, ironisch ins Scheinwerferlicht gerückt, durch Zitate und Scheinzitate in Erinnerung gerufen. Lustigerweise bezeichneten Strauss und sein Co-Librettist Clemens Krauss das Ganze dennoch nicht als Oper, sondern als »Konversationsstück für Musik«. Auf jeden Fall hat mich seit meiner Jugendzeit dieses durch und durch Vollendete gepackt, das Capriccio ausstrahlt und in so manchen der namhafteren Werke Richard Strauss’ nicht in dieser Ausprägung zu finden ist. Alles wirkt wie aus einem Guss, man spürt förmlich, dass es beim Entstehungsprozess keinerlei künstlerische Geburtswehen gab, sondern das Ergebnis eines langen, reifen und erfahrenen Komponistendaseins hier seine Conclusio gefunden hat. Es handelt sich also um ein wunderschönes Beispiel eines überreichen, abgeklärten Spätstils – ähnlich wie er dann auch in Strauss’ Vier letzte Lieder zu finden ist. Genau genommen variierte Strauss ja in allem, was nach der Frau ohne Schatten kam, das bereits von ihm GefundePHILIPPE JOR DA N

14


ne, allerdings durchaus immer auf sehr kreative Weise neu gestaltet: Arabella sollte beispielsweise ein weiterer Rosenkavalier werden, die Schweigsame Frau knüpfte wieder einmal an den von Strauss so hochgehaltenen Mozart an und Daphne griff das Antikenthema wieder auf, wenn auch deutlich abgeklärter als in Elektra. Aber durch den bereits angesprochenen Spätstil mit der klugen Reduktion der Ausdrucksmittel bekommt Capriccio dann doch einen ganz eigenen Stellenwert innerhalb von Strauss’ Schaffen. Dazu kommt der kammermusikalische Aspekt, der bereits mit dem Vorspiel besondere Bedeutung erhält und sich dann über verschiedenste Weise durch das Stück zieht. Aber auch der Umgang mit dem Text ist in diesem Konversationsstück besonders liebevoll, geistreich und auch humorvoll gestaltet. Es ist sicherlich in dieser Hinsicht das am feinsten ausgearbeitete Werk von Strauss. Nicht zuletzt beeindruckt hier auch die großartige Kunst, Ensembles zu schreiben (spätestens seit der Schweigsamen Frau ist Strauss für mich diesbezüglich der große Erbe Mozarts) – urkomisch sind etwa die beiden großen Ensembles, das Lach- und Streitensemble, die nicht nur textlich und charakterlich, sondern auch klanglich einen bestimmten Geist verkörpern; dann der Dienerchor als Reminiszenz an die Commedia dell’arte in der Ariadne auf Naxos und auch die ungewöhnliche Art, eine Diskussion über den Vorrang von Wort und Ton in die Form einer Fuge unterzubringen. War der Rosenkavalier eine Komödie im Sinne von Mozarts Le nozze di Figaro, so beschäftigt sich Capriccio jedenfalls – so wie übrigens auch Wagners Meistersinger – auf vielsinnige, reflexiv-humorvolle Art und Weise mit dem Wesen der Kunst an sich und ihren Ausprägungen. All die zahllosen ironischen Gemeinplätze, die in Capriccio angesprochen werden, von den angeblich schlechten Libretti der italienischen Opern bis hin zum lauten Orchesterapparat, der die Sängerinnen und Sänger zudeckt, dem gelangweilten Publikum, das nur auf die »hohen Töne des beliebten Tenors wartet« und dass man bei sanfter Musik am besten schlafen würde, sind ein satirischer Blick auf das gesamte Operngeschehen. In der Hölle des Zweiten Weltkriegs und des NS-Terrors, aber auch in einer Zeit, in der stilistisch andere Tendenzen in der Musik längst überhandgenommen haben, vollzog Strauss mit Capriccio eine Art innere Emigration und widmete sich Opern-Themen, die komplett anachronistisch schienen. Vordergründig behandelt Capriccio den Pariser Opernstreit des 18. Jahrhunderts und die Diskussion, ob dem Wort oder der Musik der Primat zukommt. In Wahrheit geht es aber vielmehr um die Frage, welche Aufgabe die immer wieder totgesagte Gattung Oper grundsätzlich hat, wofür sie steht, warum man sich mit so etwas scheinbar Absurdem wie dem Musiktheater überhaupt beschäftigt. Es geht also um jene Themen, die Komponisten und Librettisten aller Epochen ebenso umtreiben wie die Interpreten und das Publikum. Die ewigen Themen, die sich aber in immer neuen Erscheinungsformen präsentieren. Konnte man sich früher pro oder contra Gluck bzw. Piccinni 15

EMOT ION IST DIE BASIS J EDER INSPIR AT ION


ereifern, so entfacht heute zum Beispiel die Frage nach dem sogenannten Regietheater hitzige Diskussionen! Capriccio ist ein Stück über diese unentwegt geführte Standortbestimmung von Oper – allerdings ohne dabei zu einem reinen Diskursstück zu verkommen, denn dann wäre das Werk von den Spielplänen natürlich schon längst dauerhaft verschwunden. Oper kann nämlich nur über Emotionen funktionieren, sie sind ihre Basis, Triebfeder und Daseinsberechtigung. Und genau das unterstreicht Capriccio. Wie bei den schon erwähnten Meistersingern sind persönliche Gefühle, Nöte, Ängste, Bedürfnisse, Zuneigungen der Akteure in Musik verwandelte und mit Emotionen aufgeladene Träger jener Gedanken, die verhandelt werden sollen: Über die Liebe Flamands respektive Oliviers zur Gräfin Madeleine und deren Unentschlossenheit in dieser sonderbaren Dreiecksbeziehung wird eben der Frage nach dem Vorrang von Musik oder Dichtung nachgegangen. Madeleine ist also die Muse für den Komponisten und den Dichter. Und jede Muse ist letztlich eine aus Emotionen und Leidenschaften gespeiste Inspiration. Die abschließende Hornfigur am Ende von Capriccio symbolisiert freilich ein großes Fragezeichen. Warum? Weil eine Antwort auf die großen Streitfragen des Theaters offenbleibt, offenbleiben muss. Weil jede diesbezügliche Antwort wiederum von Emotionen genährt wird und daher von Moment zu Moment unterschiedlich ausfallen wird. Das ist auch eine Aussage von Capriccio: dass wir die Antwort nicht wissen. Capriccio ist zudem – so wie auch Rosenkavalier und Ariadne auf Naxos – ein Bekenntnis zum Neoklassizismus. Man darf nicht vergessen, dass dieser eine überaus wichtige Strömung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war, eine bewusste Gegenbewegung zur Wagner-Tradition und zugleich eine Alternative zur Dodekaphonie, zu allen freitonalen und seriellen Bestrebungen. Denken wir nur an Strawinski, wie er nach Sacre du Printemps eine Kehrtwendung machte zu Rake’s Progress oder zum Pulcinella-Ballett, denken wir an Prokofjews Symphonie classique, selbst Gustav Mahler zeigt schon entsprechende Aufbrüche in seiner 4. Symphonie. Es handelt sich um eine Rückkehr zu den Wurzeln, einen Versuch, die Essenz des musikalischen Ausdrucks im klassischen Erbe wiederzuentdecken und neu durchzustarten. In diesem Wissen hat man in Capriccio den Rahmen abzustecken, durchaus zu unterscheiden zwischen den einzelnen Stilelementen, die hier nebeneinander gestellt sind. Ein Weiteres: Strauss’ Schaffensprozess, sein Zugang zu den eigenen Werken hat, ganz anders als dies bei Wagner oder Mahler der Fall war, immer etwas sehr Objektives. Schon in seinen symphonischen Dichtungen, in einer Zeit also, als er als Enfant terrible galt, bediente sich Strauss zum Beispiel der Ironie, um vom allzu romantisch Subjektiven wegzukommen. Selbst in der Elektra, die vor Leidenschaften förmlich glüht, merkt man in der musikalisch kommentierenden Nachzeichnung des Textes diesen objektiven Zugang. Dadurch erhält bei Strauss alles etwas Erzählerisches, liebevoll Humorvolles, PHILIPPE JOR DA N

16


Distanziertes. Es scheint, als ob sich Strauss im Bad der Emotionen suhlen wollte, ohne sich dabei schmutzig zu machen. Die lyrischen und dramatischen Höhepunkte, diese einzigartigen Katharsismomente wie der Schluss vom Rosenkavalier, der jedem im Publikum zuverlässig ein, zwei Tränen abfordert, oder die tiefromantisch aufrauschende »Mondscheinmusik« in Capriccio sind hervorragend geschaffener Theaterzauber feinster Güte. Sie überwältigen uns, haben aber zugleich etwas bewusst Artifizielles, das offen lässt, auf welcher Seite Strauss selbst steht: Lässt er sich auch emotional fortreißen, oder beobachtet er lediglich aus einer gewissen Distanz die Wirkung seiner Musik? Dessen sollte sich die Interpretin, der Interpret stets bewusst sein.

17

EMOT ION IST DIE BASIS J EDER INSPIR AT ION


EINE OPER ÜBER DIE OPER

Regisseur Marco Arturo Marelli im Gespräch


Capriccio ist Strauss’ letzte Oper. Inwieweit unterscheidet sich dieses Bühnenwerk von seinen früheren? Insofern sehr stark, als es sich hier um ein Stück des Rückblicks, um einen wehmütigen Abschied handelt. Es ist eine Rückschau auf ein Komponisten-Leben mit einem großen Wissen um diesen Beruf und vielleicht gerade deshalb ohne jedes falsche Pathos, ohne zu große vordergründige Emotionen. Im Übrigen haben wir mit Capriccio nicht nur Strauss’ letzte Oper, sondern überhaupt die allerletzte Oper der Musik­ge­­schichte im traditionellen Sinn vor uns. Was später geschaffen wurde, ist Musiktheater, nicht Oper. Ich finde es deshalb sehr schön, dass Strauss mit Capriccio eine Oper über die Oper schrieb. Dadurch wird aus dem Rückblick ein Ausblick, ein Hinweis: so kann Theater sein. Es gibt einen sehr schönen Satz des Morosus in der Schweigsamen Frau, der mir in diesem Zusammenhang sehr zu passen scheint, zumal der Librettist Stefan Zweig auch die ersten Ideen zu Capriccio geliefert hat. »Sein best Teil ist Vergangenheit. Sein Aug hat längst sich satt geschaut, sein Herz geht müd’ und schlägt nicht laut.« Dieser Satz trifft haargenau das Bild des alten Richard Strauss zur Entstehungszeit seiner letzten Oper. Mit Capriccio gab Strauss sein feines Adieu. MARELLI

In Capriccio wird das alte Streitthema abgehandelt, ob in der Oper das Wort oder die Musik den Vorrang hat. Wie sieht es für Sie aus? Gibt es für den Regisseur eine Rangliste? Ich würde es so formulieren: Die Musik durchleuchtet das Wort. Durch die Musik wird ein Text gefühlhaft definiert. Sie können dieselbe Textpassage auf unzählige Arten vortragen, interpretieren, sobald aber Musik dazukommt, wird die Aussage des Textes durch die Vertonung des Komponisten fixiert. MARELLI

Die Inszenierung changiert zwischen verschiedenen Zeiten. Der Gegenwart, der Entstehungszeit, dem Rokoko. Da im Laufe der Handlung immer wieder von Spiegeln und Spiegelungen gesprochen wird, habe ich diesen Aspekt für die szenische Interpretation des Stückes herangezogen. Wie ich finde, werden wesentliche Elemente des Stückes in verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen widergespiegelt – und das wurde in dieser Produktion für das Publikum aufgelöst. Die räumliche Umsetzung ermöglichen mehrere drehbare Dreiecks­­türme mit unterschiedlich gestalteten Seitenflächen. Die drei Seiten symbolisieren die einzelnen Ebenen: erstens die ideelle, also die Diskussion um die Vorrangstellung von Wort oder Ton, dann mittels stilisierten roten Opernvorhängen die Tatsache, dass es sich um eine Oper über die MARELLI

19

M A RCO A RT U RO M A R ELLI IM GE SPR ÄCH


Oper handelt. In der dritten mit Spiegeln verkleideten Seite spiegeln sich die einzelnen Figuren der Oper im Salon in ihrer Eitelkeit wider. Die Spiegelung funktioniert auch zeitlich. Wir sehen die Zeit um 1940, in der die Oper entstanden ist, und können dem Komponisten und dem Dichter beim Schreiben der Oper zusehen. Das finde ich an Capriccio ja so amüsant, dass Olivier und Flamand am Ende des Werkes drangehen, genau jene Oper fertigzustellen, die gerade zu sehen war. In einigen Momenten – etwa in der Fuge – treten die Figuren dann aus dem Stück heraus in das Heute und stehen für jeden typischen Sänger, Dichter, Operndirektor der Gegenwart. Und schließlich haben wir noch die Zeit um 1780, die Zeit, in der die eigentliche Handlung stattfindet, wo zum Beispiel davon berichtet wird, was der alte Goldoni am Vortag im Café gesagt hat. Capriccio zählt nicht zu den häufig aufgeführten Strauss-Opern. Also, ich liebe das Stück schon sehr, sehr lange und habe es über eine alte Schallplatte, die ich immer wieder anhörte, kennengelernt. Wenn man als Regisseur bereit ist, etwas zurückzutreten und dadurch zu einem Medium zu werden, das die Gedanken von Strauss – und nicht nur die eigenen – so überträgt, dass es für das heutige Publikum richtig ist, kann Capriccio durchaus einen dauerhaften Platz im Repertoire einnehmen. Was wichtig ist: »Diese Oper schwitzt überhaupt nicht«, sie wird ganz selten laut. Das Werk hat die Gattung Oper ästhetisch zwar nicht weitergebracht, aber es symbolisiert etwas anderes Besonderes: Richard Strauss trinkt in und durch Capriccio mit der Madame Oper noch einen letzten, ganz tollen Champagner. MARELLI

Das Gespräch führte Andreas Láng im Jahr 2008.

M A RCO A RT U RO M A R ELLI IM GE SPR ÄCH

20


Johann Wolfgang von Goethe → Wilhelm Meisters Lehrjahre

ES IST EINE FALSCHE NACHGIEBIGKEIT GEGEN DIE MENGE, WENN MAN IHNEN DIE EMPFINDUNGEN ERREGT, DIE SIE HABEN WOLLEN, UND NICHT DIE SIE HABEN SOLLEN.

21


Thomas Leibnitz

PRIMA LA MUSICA?

Zum alten Streit um den Vorrang von Text oder Musik in der Oper


Die Oper – so lehrt man es und so wird es auch immer wieder erfahrbar – ist ein Gesamtkunstwerk: Text, Musik, Bühnenbild und Schauspiel greifen ineinander und sind unlösbar miteinander verbunden. Eine unmögliche Kunstform sei sie, wurde mit guten Gründen behauptet – und wer dies feststellt, muss dennoch zur Kenntnis nehmen, dass »Oper«, dieses hochkomplexe Mischgebilde verschiedenster Künste, mit ihren inneren Widersprüchen sehr gut lebt und nach wie vor die Besucherströme anzieht. So gesehen, könnte man getrost alle Erörterungen um die innere Struktur dieses Konglomerats, um »Vorrang« oder »Unterordnung« der beteiligten Künste, ins Reich des Überflüssigen verweisen; doch wer dies tut, ignoriert die Tatsache, dass den Schöpfern dieser Kunstgebilde die genannten Fragen brennend wichtig waren, und dass sich die Diskussion um den Stellenwert der Einzelkünste wie ein roter Faden durch die gesamte Operngeschichte zieht. Einer, der sich ein ganzes Komponistenleben lang mit dem diffizilen Austarieren von Wort und Musik befasst hatte, machte diese Frage in seiner letzten Oper schließlich zum Zentrum der Handlung: Richard Strauss. Zusammen mit Clemens Krauss, der aus seiner langjährigen Erfahrung als Operndirigent ebenfalls viel zum Thema beizutragen hatte, konzipierte er einen Text, der das alte Streitthema auf die Bühne brachte: Prima la musica? Prima le parole? Nun, einer jahrhundertelang diskutierten kunsttheoretischen Frage eine griffige »Opernhandlung« abzugewinnen, war nicht ganz einfach, und es ist hier nicht der Ort, darüber zu richten, ob es den beiden Autoren von Capriccio vollgültig gelang; unübersehbar jedoch ist die Faszination, die diese Frage für sie beide hatte, auch das Bemühen, sie in »menschliche Wirklichkeit« zu übersetzen. Zwei junge Künstler wetteifern um die Gunst einer schönen Gräfin, der Dichter Olivier (»Poesie ist die Mutter aller Kunst«) und der Komponist Flamand (»Musik ist die Wurzel, der alles entquillt«). Wer wird Sieger, wem schenkt die umworbene Gräfin zugleich mit ihrer Zustimmung auch ihre Liebe? Wie kaum anders zu erwarten, fällt in Capriccio keine Entscheidung. Die Gräfin, die den bevorzugten Verehrer nennen soll, sinniert in ihrem Monolog: »Und ich? Den Schluss der Oper soll ich bestimmen, soll wählen – entscheiden? Sind es die Worte, die mein Herz bewegen, oder sind es die Töne, die stärker sprechen – .« Im Grunde haben sowohl Dicht- wie Tonkunst etwas von sich aufgegeben und sind in einer neuen Einheit aufgegangen: »Vergebliches Müh’n, die beiden zu trennen. In eins verschmolzen sind Worte und Töne – zu einem Neuen verbunden.« Kein Vorrang also für Text oder Musik, die Frage bleibt offen, doch gewonnen wurde in dieser ergebnislosen Auseinandersetzung das liebevolle Ausloten und Bewusstmachen einer zentralen Frage allen Opernschaffens. Es sei, so wird gelegentlich behauptet, diese Frage bereits mehr als hundert Jahre früher auf der Opernbühne thematisiert worden: in Antonio Salieris Operneinakter Prima la musica, poi le parole, der – zusammen mit Mozarts Schauspieldirektor – am 7. Februar 1786 in der Orangerie von Schloss Schön 23

T HOM AS LEIBN ITZ


brunn uraufgeführt wurde. Dies stimmt nicht, obwohl der Titel des Librettos von Giovanni Battista Casti diese Vermutung nahelegt, die dem harmlosen Texterzeugnis allerdings zu viel Ehre antut. Denn hier geht es nicht um den Vorrang von Text oder Musik, sondern schlicht um die zeitliche Reihenfolge der beiden, im konkreten Fall um einen Routinekomponisten, der sich von einem geübten Vielschreiber neue Texte auf bereits vorhandene Musik (prima la musica) schreiben lässt. Was aber nicht heißen soll, dass Salieri zu dieser Gretchenfrage der Opernästhetik keine Meinung gehabt hätte. Er war in diesem Punkt ein überzeugter Parteigänger seines Freundes und Mentors Christoph Willibald Gluck, der in seinen Bemühungen um eine Opernreform eindeutig Stellung bezogen hatte: Für den Primat des Wortes und des Dramas, für die dienende Rolle der Musik. Sein Textdichter Ranieri de Calzabigi formulierte für ihn in der berühmt gewordenen Vorrede zur Oper Alceste (1767) den gemeinsamen Standpunkt: »Mein Sinn war darauf gerichtet, die Musik wieder auf ihr wahres Amt zurückzuführen: dem Drama in seinem Ausdruck und in seinen wechselnden Bildern zu dienen, ohne die Handlung zu unterbrechen oder sie durch unnützen und überflüssigen Schmuck zu erkälten.« Unnützer und überflüssiger Schmuck – was soll man sich darunter vorstellen? Was Gluck im Visier hatte und was tatsächlich dem Prinzip einer handlungs- und inhaltsorientierten Opernkonzeption massiv zuwiderlief, war die zeitübliche Praxis der Neapolitanischen Oper mit ihren ausgedehnten Koloratur- und Dacapo-Arien. Fraglos begnügten sich zahllose Libretti mit der Funktion eines textlichen Vehikels, das als Forum zur Demonstration virtuoser Sangeskunst diente und Faktoren wie »Stringenz der Handlung« weit in den Hintergrund rückten. Dies alles hat mit der Popularisierung und auch Veräußerlichung der Gattung zu tun, die keineswegs ein Spezifikum des 18. Jahrhunderts war und ist; auch heute mag es so manchen Opernfreund geben, dem die Länge der »Wälse«-Rufe in der Walküre wichtiger ist als Wagners Konzept einer musikalischen Welttragödie. Aber greifen wir noch weiter in die Vergangenheit zurück, in die Anfangsphase der Oper im Florenz des späten 16. Jahrhunderts. Die Camerata, ein gebildeter Kreis von Humanisten, Dichtern, Musikern und Adeligen, hatte sich zusammengefunden und diskutierte über die Möglichkeiten, das Drama der Griechen in seiner ursprünglichen Gestalt zu erneuern. Man war sich einig, dass die Dramenrollen nicht nur gesprochen, sondern auch gesungen und von Instrumenten begleitet wurden – doch was beim Versuch der Rekonstruktion entstand, war nicht die Wiederbelebung einer antiken Tradition, sondern eine neue Kunstgattung: die Oper. Selbstverständlich besaß, der leitenden Intention gemäß, das Wort zunächst den absoluten Vorrang vor der Musik; man sprach vom »dramma per musica«, und zweifellos hatten die ersten (nicht erhaltenen) Opernversuche in ihrer fast durchwegs rezitativischen Gestaltung eine gewisse Strenge. Aber bereits der erste erfolgreiche Opernkomponist, Claudio Monteverdi, bereicherte das musikalische Geschehen mit T HOM AS LEIBN ITZ

24


Ritornellen und Duetten und ließ die Musik mit eigenständigen Formen zu ihrem Recht kommen, wenn auch für ihn der Leitsatz galt: »L’orazione sia padrona del armonia e non serva« (»die Sprache sei Herrin der Harmonie, nicht Dienerin«). Die Oper erlebte in den nun folgenden hundert Jahren einen Siegeszug, vor allem in ihren Zentren Venedig und Neapel, doch mit der Strenge der Gründungsväter war es bald vorbei. Die Arie, und mit ihr virtuose Sangeskunst, hielt ihren Einzug, und sicherlich trug auch ein gesellschaftlicher Wandel zu dieser Entwicklung bei, denn längst war die Oper nicht mehr bloß eine Angelegenheit der klassisch gebildeten Aristokratie, sondern des »Volkes«, das sängerische Spitzenleistungen mehr zu schätzen wusste als sublime dramatische Gestaltung – was wiederum Reformatoren auf den Plan rief, unter denen Gluck keineswegs der einzige blieb. Das dialektische Widerspiel von »Kulinarik« und »Strenge« sollte nun für Jahrhunderte den Entwicklungsgang der Oper bestimmen. Als eine der prägendsten Persönlichkeiten erwies sich hier zweifellos Richard Wagner. Auch für ihn – die Bilder gleichen sich – war das griechische Drama der Bezugspunkt, an dem sich das Opernschaffen der Gegenwart zu orientieren habe. Der dramatischen Idee, der Dichtung, sollte sich alles unterordnen, und bei Wagner fügte es sich, dass der »Dichter« und der »Musiker« in keinen prinzipiellen Konflikt treten konnten: Er war der Dichter seiner eigenen Werke, und wenn Wagners Texte auch auf der rein sprachlichen Ebene (vor allem in der umstrittenen und manchmal unfreiwillig komischen Anwendung des Stabreims im Ring des Nibelungen) nicht unwidersprochen blieben, so müssen doch die dramatischen Konzeptionen seiner Werke zu den komplexesten und geglücktesten der gesamten Operngeschichte gezählt werden; selbst ein Thomas Mann zollte ihm hier Bewunderung. Der Musik hatte Wagner in seinem Typus des musikalischen Dramas eine zugleich überhöhte und untergeordnete Rolle zugeteilt; eine »Zurücknahme« gegenüber traditionellen Formen der Opernmusik bedeutete der Verzicht auf selbstständige und abgeschlossene musikalische Formbildungen wie Duette, Ensembles und Arien – als gesteigert hingegen erscheint die Rolle des Orchesters, das keineswegs mehr bloß die »Begleitung« der Sänger übernimmt, sondern – analog zur Rolle des Chores im antiken Drama – das Geschehen kommentiert und unterstreicht, manchmal sogar mehr »weiß« als die Gestalten auf der Bühne. So fällt es trotz der prononcierten theoretischen Position Wagners, in der er dem »Drama« und damit dem Wort den Vorzug gab, schwer, seine Musik als bloß »dienend« aufzufassen, und auch er selbst änderte in späteren Jahren, unverkennbar unter dem Einfluss der Philosophie Arthur Schopenhauers, seine Meinung. Einige Rätsel gibt sein Ausspruch auf, seine Musikdramen seien »ersichtlich gewordene Taten der Musik« – doch damit hat Wagner der Musik in seinem Werk abschließend jenen Stellenwert gegeben, den auch die Nachwelt ihm bewundernd zubilligt. Richard Strauss erkannte für sich, dass er es als »Dichterkomponist« nicht 25

PR IM A LA MUSICA?


mit Wagner aufnehmen konnte, und suchte die Zusammenarbeit mit einem kongenialen literarischen Partner – in Hugo von Hofmannsthal fand er ihn, verlor ihn aber bereits 1929 durch den frühen Tod des Dichters. Wenn also in Capriccio, dem letzten Wort des Opernkomponisten Strauss, das Streitgespräch über den Vorrang von »Wort« oder »Musik« geführt wird, so schwingt hier ein großes Stück Musikgeschichte mit: eine jahrhundertelange Diskussion, die eigene wechselvolle Erfahrung mit dichtenden Partnern und fraglos die hohe Latte, die Wagner mit seinem »Gesamtkunstwerk« gelegt hatte.

→ KS Kurt Rydl als La Roche, 2013

PR IM A LA MUSICA?

26



Oliver Láng

DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE VON »CAPRICCIO«

»Am besten liegen mir süddeutschem Bourgeois ›Gemütskisten‹; aber solche Treffer wie das Arabelladuett und das Rosencavalierterzett gelingen nicht immer. Muss man 70 Jahre alt werden, um zu erkennen, dass man eigentlich zum Kitsch die meiste Begabung hat? Aber Spaß bei Seite, haben Sie kein neues gemütsvolles Stöffchen für mich?«, fragt Richard Strauss, im Jänner 1934, noch an der gemeinsamen Arbeit an der Schweigsamen Frau, seinen – nach dem verstorbenen Hugo von Hofmannsthal – liebsten Librettisten Stefan Zweig. Erste Ideen werden aufgebracht: unter anderem die Komödie Calandria von Bernardo Dovizi da Bibiena, Amphytrion, Mirandolina von Goldoni, bis Zweig auf Giovanni Battista Casti und dessen Prima la musica, poi le parole stößt: »Bezaubernd ist daran der Titel … den man für diese leichte Komödie jedenfalls übernehmen sollte, und manche Einzelheit«, schreibt er an Strauss. Doch die mörderische NS-Ideologie steht einer weiteren Zusammenarbeit der beiden im Weg: Als Jude war Zweig eine weitere, öffentliche Zusammenarbeit mit Strauss unmöglich. Er schreibt 1935: »Nun begreife ich vollständig die Schwierigkeiten, die sich heute einem neuen Werk entgegenstellen müssen, wenn ich den Text verfasse; es würde als eine Art Herausforderung empfunden werden.« Und Strauss’ Vorschlag einer geheimen Zusammenarbeit steht er kritisch gegenüber: »Und heimlich zusammenarbeiten, scheint mir, wie gesagt, Ihrem Range nicht gemäß.« Zweig schlägt als Librettisten den OLI V ER LÁ NG

28


Theaterwissenschaftler Joseph Gregor vor, erklärt sich aber bereit, diesen zu unterstützen. Doch die Zusammenarbeit zwischen Strauss und Gregor gestaltet sich schwierig, für den Komponisten hat dieser Librettist zu wenig Theaterblut, liegt der Theaterpraxis zu fern – auch wenn drei gemeinsame Werke, Friedenstag, Daphne und Die Liebe der Danae – entstehen. Da kommt Clemens Krauss ins Spiel. Schon 1931 hatte die Zusammenarbeit zwischen ihm und Richard Strauss begonnen, als der Dirigent an der Wiener Staatsoper eine Neuproduktion von Die Frau ohne Schatten herausgebracht hatte. Krauss erarbeitete sich eine beratende Funktion, 1933 dirigierte er in Dresden die Uraufführung von Arabella, 1937 jene von Friedenstag, eine immer engere Zusammenarbeit entwickelte sich zwischen den beiden. Bei Capriccio zieht ihn Strauss schließlich auch als Librettisten heran. Für Krauss ein »Seitensprung«, wie er gerne augenzwinkernd feststellte, da er doch eigentlich Dirigent und nicht Dichter sei. »Ich hielt mir vor Augen, dass das wesentlichste Merkmal eines guten Librettisten sein müsse, dass er versucht, in die Gedankengänge des Komponisten so einzudringen und sie sich so eigen machen, als würde er selbst komponieren. Wenn es in diesem Falle gelungen ist, so ist dabei zu bedenken, dass ich die Arbeitsweise von Strauss ein Menschenalter lang kannte und die Geheimnisse seiner Werkstatt mir vertraut waren«, meinte Krauss später. Wichtiges Element der Oper wird ein zentrales Sonett: »Dass der Musiker das Sonett des Dichters komponiert, schafft das Dilemma, dass die angebetete Person die Werbenden nun nicht mehr völlig voneinander trennen kann. Die zwei Kunstgattungen erscheinen ineinander verschlungen zu einem Neuen, so als ob man die Frage stellen würde: ist das Veilchen nun von Goethe oder von Mozart?«, so Krauss. Aus Zeitnot wird die Aufgabe, ein passendes französisches Sonett zu finden, an Hans Swarowsky übertragen. Dieser schlägt ein (zeitlich nicht in die Handlung, die um 1775 spielt) passendes Gedicht Ronsards (1525-1585) vor – siehe Seite 67. Die Arbeit schreitet voran. Im November 1939 hat Strauss bereits mehr als die Hälfte der Oper entworfen, der intensive, präzise Briefverkehr mit Krauss wird aufrechterhalten. Figuren wie die Clairon – einer historischen Persönlichkeit, der berühmten französischen Schauspielerin Hippolite Clairon (1723-1803) nachempfunden – oder der Souffleur Monsieur Taupe werden eingefügt. Auch die »Mondscheinmusik« findet ihren Platz: Ursprünglich eine Melodie, die aus seinem 1918 komponierten Krämerspiegel stammt und dort ein unauffälliges Dasein lebte. Krauss: »Ich hatte bemerkt, dass Strauss unruhig war und Sorge hatte, dass das lyrische Moment zu kurz käme. Er befürchtete, dass die ewigen Diskussionen und Rezitative zu einer Monotonie führen könnten. Er zeigte mir die Melodie, die im Krämerspiegel geschlummert hatte, und fragte, ob er wohl bei sich eine Anleihe machen könnte. Ich war begeistert – und so wählte er sie dann als Motiv für den Begriff ›Oper‹. Sie tritt zum ersten Mal in der Fuge auf, wo der Graf ironisch über die Oper 29

DIE EN TST EH U NGSGE SCHICH T E VON CA PR ICCIO


sagt: ›Eine Oper ist ein absurdes Ding …‹. Darunter liegt diese herrliche AsDur Melodie, die später orchestral als Zwischenspiel vor der Schlussszene auftritt. Damit hat symbolisch wieder ›die Oper‹ das Wort. So sind nicht nur Personen, sondern auch das Musikstück Symbole.« Doch noch herrscht nicht durchwegs reine Einigkeit, Strauss möchte etwa ein Vaudeville einfügen, wovon Krauss ihm wiederholt abrät. »Ich sitze soeben mit [Oberspielleiter Rudolf] Hartmann zusammen und habe ihm von Ihrer Absicht, dem Schauspieldirektor ein Vaudeville mit artistischen Einlagen vorführen zu lassen, erzählt. Wir haben lange debattiert und er ist, getrennt von mir, derselben Ansicht, dass, selbst wenn man sich über die historische Tatsache, dass so etwas in der Zeit kaum möglich ist, hinwegsetzen würde, das Stück in einem ganz falschen Licht erscheinen würde, wenn Sie bei Ihrem Gedanken beharren.« Am 5. Februar 1940 schließlich schlägt Krauss vor, dass Capriccio nicht ein Intermezzo zwischen zwei Opern oder ein Vorspiel (wie ursprünglich angedacht) zu einem musikdramatischen Werk sein sollte, sondern ein eigenständiges Werk. »Unser Stück ist, sowie es sich bisher entwickelt hat, nicht mehr ein Vorspiel zu einer Oper, sondern ein selbständiges Theaterstück, dessen Inhalt lebensfähig genug ist, um alleine zu bestehen.« Und fügt theaterpraktisch denkend hinzu: »Es soll ja auch nicht unbedingt nur vor Ihrer Oper Daphne gespielt werden können! (Ich höre schon die Ausreden der verschiedenen Theater-Intendanten: ›Ja, ich habe keine Besetzung für die Daphne, infolgedessen kann ich Ihren Einakter auch nicht aufführen. Er soll doch als Vorspiel zur Daphne gegeben werden!‹ Dies führt letztendlich auch dazu, dass die Oper, an der in Capriccio gearbeitet wird, nicht Daphne ist, sondern Capriccio selbst. Strauss am 18. Juni 1940: »Wenn schon – so muss doch ein Hinweis gefunden erfolgen, welche Oper [geschrieben werden soll]. Und den Einfall muss der Außenstehende haben, nämlich der Graf, der nach verschiedenen Debatten, welcher Stoff gewählt werden soll, lachend ausruft: ›Was ratet Ihr herum? Soeben habt Ihr doch den Stoff selbst gefunden. Was wir alle soeben erlebt haben, ist doch schon die Oper: Nun bringt sie zu Papier und komponiert sie. Wir alle spielen mit!‹« Im Juli 1940 entwirft Strauss erste musikalische Skizzen zu der Oper, wobei die Arbeiten am Libretto noch weiter fortgeführt wurden. Der Abschluss der Kompositionsskizze erfolgt im Februar 1941, am 3. August 1941 ist die Partitur fertiggestellt. Die Suche nach dem Uraufführungsort beginnt: Salzburg oder München, lautet die Frage: »Darf ich ganz offen reden?«, fragt Strauss, »Capriccio ist kein Stück fürs Publikum, wenigstens nicht für ein Publikum von 1800 Personen pro Abend. Vielleicht ein Leckerbissen für kulturelle Feinschmecker (…) Darum muss dieses ausgefallene Kindchen in einer besonderen Wiege präsentiert werden und das sind die Salzburger Festspiele! Das Publikum, das eigens dahin kommt, stellt man einen anderen Maßstab an, als das brave normale Münchner Publikum.« OLI V ER LÁ NG

30


Doch die Entscheidung fällt schließlich zugunsten von München, kriegsbedingt sind die Vorbereitungen beschwerlich. Im Sommer 1942 beginnen schließlich die Proben, am 1. Juli schreibt Krauss: »Gestern hatte ich die erste Ensemble-Probe. Die Sänger lasen die ersten Szenen schon recht gut aus dem Klavier-Auszug. Alles ist mit Begeisterung schon recht gut an der Arbeit.« Endlich, am 28. Oktober 1942 findet die bejubelte Uraufführung – natürlich unter Clemens Krauss – in München statt. Es wird noch rund eineinhalb Jahre dauern, ehe das Werk auch in Wien zu erleben ist.

31

DIE EN TST EH U NGSGE SCHICH T E VON CA PR ICCIO


Johann Wolfgang von Goethe → Wilhelm Meisters Lehrjahre

Geschäftig im Müßiggange schienen die Schauspieler an ihren Beruf und Zweck am wenigstens zu denken; über den poetischen Wert eines Stückes hörte er sie niemals reden. Es war immer nur die Frage: Was wird das Stück machen? Ist es ein Zugstück? Wie lange wird es spielen?


Wie oft kann es wohl gegeben werden. Dann ging es gewöhnlich auf den Direktor los, dass er mit der Gage zu karg, und besonders gegen den einen und den andern ungerecht sei, dann auf das Publikum, dass es mit seinem Beifall selten den rechten Mann belohne.


AUS DEM BRIEFVERKEHR ZWISCHEN RICHARD STRAUSS UND CLEMENS KRAUSS Clemens Krauss an Richard Strauss MÜNCHEN, 17. OKTOBER 1939

Lieber verehrter Herr Doktor! Auch mich lässt der Gedanke an Ihr neues Stück in der Form, die wir unlängst besprochen haben, nicht los. Ihre mir eingesandte Formulierung ist ausgezeichnet und zeigt, dass das was wir besprochen haben, wirklich verwertbar ist. Ich will nun versuchen, ein kurzes Szenarium aufzustellen. Insbesondere schwebt mir der Anfang so klar vor, dass es mich drängt, Ihnen meine Einfälle über den Ablauf des Stückes zu sagen: Vorausschickend noch einmal: die von Ihnen fixierte Zeit 1770-89 und Ort der Handlung »Schloss in der Nähe von Paris« ist, je mehr man darüber nachdenkt, großartig gewählt. In diese Zeit fallen die großen Auseinandersetzungen um das Reformwerk Glucks. Die Pariser Aufführungen 1774 Iphigenie in Aulis und Orpheus, 1776 Alcestis, 1779 Iphigenie auf Tauris. Mit diesem letzten Werk setzten sich seine Ideen endgültig durch. Diese Auseinandersetzungen beschäftigten die größten Geister der Zeit, u.a. Rousseau als Vorkämpfer Glucks und Marmontel und D’Alembert gegen Gluck. Ton und Wort und Handlung als ein Kunstwerk gegen die Ansicht: Musik als dominierende Kunst oder Musik als dem Wort dienende Kunst. Es sind unzählige Broschüren und Zeitungs-Artikel aus dieser Zeit vorhanden über dieses Thema und es wird über erregte Debatten in verschiedenen Memoiren-Werken berichtet. BR IEFE

34


Clemens Krauss an Richard Strauss MÜNCHEN, 26. OKTOBER 1939

Lieber verehrter Herr Doktor! Der Entwurf, den Ihnen Dr. Gregor geschickt hat, zeigt wiederum – ich muss es leider sagen, dass er sich keine bestimmte Vorstellung von einem Theaterstück machen kann. Er beginnt das Pferd beim Schwanz aufzuzäumen. Ohne Szenarium kann man kein Stück schreiben. Der dramaturgische Ablauf, den er vor sich hat, ist nicht zu erkennen. Sein Entwurf besteht aus einer Reihe loser, nicht immer logisch aneinander gefügter Szenen, die keinerlei Spannung erzeugen für das, was nun kommen wird. Zweifellos sind einige gute Dialog-Stellen vorhanden. Die ausgedrückten Gedanken werden aber an der dramatisch falschen Stelle gesagt und verpuffen in der Wirkung. Gewiss sollen Sie nicht aus Ordnungssinn das Weiterarbeiten von Gregor abstoppen. Ich halte es für das Beste, wenn Sie ihm mitteilen, dass Sie die Absicht haben, das Stück selbst zu schreiben nach einem bestimmten Szenarium, das Sie mit mir nach eingehenden Beratungen gemacht haben. Teilen Sie ihm mit, dass Sie den Dialog der ersten Szenen bereits entworfen haben und nicht abgeneigt wären, für weitere Szenen gewisse Wendungen seines Dialoges zu verarbeiten, falls er Lust hätte, getrennt von Ihnen solche Dialog-Szenen im Rahmen des vorgenommenen Szenariums (das Sie ihm schicken müssten) auszuführen. Sie könnten aber jetzt noch nicht mit Bestimmtheit sagen, in welchem Ausmaß und in welcher Form Sie seine Skizzen verwerten würden, da Ihnen ein ganz bestimmter knapper Stil des Dialogs vorschwebe, auf den Sie sich schon in den ersten Szenen festgelegt haben. Vielleicht lassen Sie ihm durchblicken, dass Sie gar nicht wüssten, ob die dichterische Muse Ihnen treu bleibt und es daher gut wäre, wenn er sich weiter mit dem Stück befassen würde, für den Fall, dass Sie doch Ihre augenblickliche Absicht, das Stück selbst zu schreiben, fallen lassen würden. Ob Sie meine Mitarbeit an dem Szenarium erwähnen sollen, lasse ich dahingestellt. Keinesfalls sollten Sie ihm aber Ihre bisherigen Dialog-Entwürfe zusenden, damit er ganz unbeeinflusst in seiner Weise arbeiten kann. Ich glaube ja nicht, dass sehr viel dabei herauskommt. Der vorliegende verwaschene Entwurf lässt darauf schließen, dass er Ihnen wohl einige gute Gedanken liefern wird, die Sie aber erst in Ihrer Art werden formulieren müssen. Ich bin nach wie vor fest der Meinung, dass Sie persönlich dieses Stück schreiben müssen. Wie weit meine oder seine Mitarbeit wertvoll, oder welche von beiden die wichtigere war, werden Sie erst beurteilen können, wenn Sie das Stück fertig haben. Die Idee, der Komtesse eine Vorgeschichte zu geben mit einem tragischen Erlebnis, halte ich nicht für gut. Dadurch wird die Figur völlig verändert und bekommt einen tragischen Hintergrund, der den gänzlichen Schluss des Stückes stört und ihrem Schwanken jede Pikanterie 35

BR IEFE


nimmt. Der »Weltschmerz« passt eigentlich auch gar nicht in die Zeit, in der das Stück spielt. Die Komtesse muss eine durchaus überlegene, unbelastete junge Frau sein. Ihr einziges Sentiment sind die schönen Künste.

Richard Strauss an Clemens Krauss GARMISCH, 27. OKTOBER 1939

Mein lieber Theatercäsar! Sie haben Recht: ich werde Gregor ganz abschreiben! Sollten wir beide schließlich doch nicht ganz zurecht kommen, so kann ich ja am Schluss auf der bereits (erwähnten) Basis immer noch seine Hilfe in Anspruch nehmen. Auch mit Ihrer Ablehnung meiner tragischen Belastung der Comtesse und einer eventuellen Wandlung des Grafen bin ich einverstanden! Mein Vorschlag entsprang der Angst, dass ich für die zweite Aussprache zwischen Graf und Schwester nicht genug »geistreichen« Stoff haben würde. Wollen Sie bitte nicht versuchen, mir gerade diese Scene etwas »vorzudichten«?

Richard Strauss an Clemens Krauss GARMISCH, 23. NOVEMBER 1939

Wir wollen von jetzt ab Anrede und Schlussgrüße weglassen! Habe mich heute wieder besonders intensiv mit Ihren Vorschlägen beschäftigt. Ich glaube (?), in Goethes Italienischer Reise gelesen zu haben, dass noch vor 150 Jahren alle Tragödien (wohl nicht bloß in Italien) mit Unterbrechungen durch Intermezzi, etc. gespielt wurden! Letztes Überbleibsel davon noch die Zwischenaktsmusik im Wiener Burgtheater, gegen die ich selbst noch vor 20 Jahren Sturm gelaufen bin. Ihre vortreffliche Idee, dass der Theaterdirektor den Tanz als derartiges Intermezzo oder Zwischenakt in des Dichters Poem einschieben will, kann auf dieser Tradition fußen! Der Musiker stellt die absolute Musik am höchsten, in der eben doch das incommensurable zum Ausdruck kommt, das weit über die Verstandeskunst des Wortes hinausgeht! Er lässt sich schließlich als Verliebter dazu bewegen, mit seiner Musik auf das Niveau der Oper »herabzusteigen«. Dieser Compromiß ist wiederum des Musikers Irrtum! Denn die Musik hat (Mozart und Vieles bei Beethoven ausgenommen) keine tieferen Wirkungen erzielt als im Tristan, Ring und Parsifal.

BR IEFE

36


Clemens Krauss an Richard Strauss MÜNCHEN, 24. NOVEMBER 1939

Lieber Herr Doktor! Aus Ihrem Eilbrief ersehe ich, dass Sie auf Grund meiner musikgeschichtlichen Darlegungen sich einiges überlegt haben. Es kann nur von Vorteil sein, wenn der Zeit-Hintergrund, wenn Sie ihn eine Rolle spielen lassen, im Ablauf der Begebenheiten wirklich stimmt. Ich würde vorschlagen; Winter 1776 bis 77. Da ist auch die Alceste schon vorbei (23.4.1776). Und diese war die wahre Revolution. Erst nach der Alceste haben die Literaten zur Feder gegriffen, Suard, La Harpe, Marmontel etc. Dieser Zeitpunkt hätte noch außerdem den Vorzug, dass die Vorbereitungen zur Uraufführung der Armida schon im Gange sind. Diese wurde 1777 uraufgeführt und nennt sich »Drame Heroique«. Was die Gegensätze der Meinungen und Standpunkte betrifft, so gebe ich Ihnen vollständig recht, nur glaube ich, dass der Theaterdirektor als die einzige wirkliche Komödien-Figur im Stück nicht zu ernst werden darf. Sie haben schon in Ihrer Überlegung intuitiv auf den schwachen Punkt gezeigt. Wenn Sie ein heiteres Finale wollen, muss auch die eine oder andere Figur heiter sein. Und es ist ein Vorteil, wenn als Gegensatz zu den ernsten Diskussionen eine heitere Theaterwirkung steht. Ich glaube, dass der Knall-Effekt, der das Ensemble auslösen soll, so wie ich ihn vorgeschlagen habe, allen Gesichtspunkten gerecht wird. Er hat auch in keiner Weise etwas konstruiertes, denn es ist durchaus logisch, dass ein Künstler (der Theaterdirektor), dem Regie oberstes Gesetz ist und daher in seinem Element, wenn er Massen in Bewegung setzen kann, auf die Idee verfällt, im Park eines Schlosses eine große dramatische Pantomime vorzuführen. Es ist das in keinem Widerspruch mit seiner Stellungnahme für die Opera buffa und das Vaudeville.

Richard Strauss an Clemens Krauss GARMISCH, 29. JULI 1940

Lieber Freund! Melde gehorsamst, dass ich soeben die Einleitungsmusik zu unserm Meisterwerk incl. 1. Scene bis zum Erwachen des Direktors skizziert habe. Aber nun brauche ich dringend die Erweiterung ab: »der griechische Helden singen lässt«. Hier muss die ganze rein sachliche (ohne direkte Beziehung auf Dichter und Musiker) Abhandlung über Gluck, Piccinni und Alles was Goldoni über die französische Oper sagt, seinen Platz kriegen, damit in der späteren 37

BR IEFE


Direktorrede sofort auf die Beiden (die sich inzwischen im Sonett zusammen gefunden haben, welches der Direktor ebenso wenig kennt, wie er Flamands Musik verschlafen hat) exemplifiziert werden. Also: Flamand und Olivier sind unbedingte Bewunderer Glucks, dem der Direktor noch verständnislos gegenübersteht: er findet einen Arien singenden Agamemnon lächerlich, das Orchester zu laut, keine eigentliche Melodie etc. und konstatiert auf den Einwand, dass die Iphigenie ausverkaufte Häuser erziele, dass das einfach »Mode« sei und dass die »Gesellschaft« in den Logen sich ebenso langweile, schwätze und nur aufpasse, wenn der Tenor eine Arie singe, wie bei Rameau.

Clemens Krauss an Richard Strauss MÜNCHEN, 6. DEZEMBER 1940.

Hochverehrter Herr Doktor! Nach unserem heutigen Telefongespräch ist mir, wie ich glaube, ein hübscher Titel für unser Stück eingefallen. Was würden Sie sagen zu: Capriccio Theatralische Diskussion in 1 Akt. Der Untertitel könnte natürlich auch noch beliebig anders formuliert werden. Den Haupt-Titel finde ich aber recht schlagkräftig und auch ganz treffend. Das ganze ist ja eine Caprice, schließlich ist es ja auch von Ihnen eine Caprice, sich in den Kopf zu setzen, gerade über dieses Thema eine Oper zu schreiben. Ich habe mir eine ganze Reihe Titel aufgeschrieben. Finde aber, dass alles, was den wirklichen Inhalt aussagt, etwas trocken klingt und keinen rechten Anreiz für das Publikum hat. Hier eine kleine Auswahl: Wort oder Ton? Begegnung der Künste Verliebte Gegner Entflammte Geister Dialog der Herzen.

Richard Strauss an Clemens Krauss GARMISCH, 7. DEZEMBER 1940

Lieber Freund! Besten Dank für heutigen Brief! Capriccio ist schon als Pendant zu Intermezzo gut. Discussion gefällt mir weniger, doch müsste natürlich in irgend einer Form darin ausgedrückt sein, dass es sich um Fragen des Theaters und ums BR IEFE

38


Verhältnis von Wort und Tonkunst handelt – etwa: »Musikalisch dramatische Herzensfragen« – »theatralische Fuge über das Thema: Wort oder Ton – « Nun, das hat ja immer noch Zeit! Wie gefallen Ihnen die beiden Ensembles und die Direktorarie?

Richard Strauss an Clemens Krauss GARMISCH, 4. AUGUST 1941

Capriccio will mir gar nicht in den Sinn. Es ist zu banal und nichts sagend…

Clemens Krauss an Richard Strauss MÜNCHEN, 24. MÄRZ 1942

Capriccio Ein Konversationsstück für Musik. Halten Sie das nicht für das Richtigste? Ein Konversationsstück ist das Capriccio wirklich, ein Stück also, in dem geistreiche Dialog-Führung und Diskussion die Hauptsache sind. Dass Sie die Caprice hatten, so ein Stück zu komponieren, ist ja eben das Aparte an dem ganzen Werk. Ein Konversationsstück für Musik hat es meines Wissens bisher noch nicht gegeben. Dieser Untertitel würde auch alle etwaigen Einwendungen, dass das Stück wenig äußere Handlung hat, sondern eigentlich nur aus, wie wir glauben, amüsanten und interessanten Gesprächen besteht, entkräften, denn er besagt, dass ja die Absicht bestand, gerade ein solches Stück zu schreiben. Bitte überlegen Sie diesen meinen Vorschlag und geben Sie mir Nachricht, wie Sie darüber denken.

Richard Strauss an Clemens Krauss GARMISCH 25. JUNI 1942

Lieber Freund! Ich erhalte soeben beiliegenden Brief von Örtel und erbitte Ihren Rat, welche Besetzung ich Tietjen vorschlagen soll. Cebotari ist doch wohl zu sehr Soubrette für die Gräfin? Domgraf kenne ich nicht. Ist Anders nicht zu unbedeutend für Flamand? Ahlersmeyer mit seiner rheinischen Schnarrstimme ist doch wohl kaum passend? Da Tietjen bereit scheint, auch Gäste zu engagieren, wäre wohl Hotter zu empfehlen, oder wissen Sie einen Berliner? Für das Fortkommen des Werkes wäre es schon am besten, wenn nur in Berlin 39

BR IEFE


engagierte singen. Aber wer? Greindl und Tegetthof kenne ich überhaupt nicht. Clairon dürfte überhaupt schwer zu besetzen sein. Wen haben Sie denn für München gedacht und wen für den Haushofmeister? Wollen Sie nicht Jerger nehmen? Bedenken Sie, dass der heikle Schluss einen erstklassigen Schauspieler braucht. Bitte, raten Sie mir!

Clemens Krauss an Richard Strauss MÜNCHEN, 5. NOVEMBER 1942

Heute ist die dritte Aufführung von Capriccio. Die zweite war ebenso erfolgreich wie die erste. Großer Applaus am Schluss, auch nach der Direktorsrede und unzählige Hervorrufe. Auf der Bühne und im Orchester ging alles ausgezeichnet. Ich hatte den Eindruck, dass das Publikum sehr mitging. Die heutige Vorstellung ist natürlich ausverkauft.

→ KS Michael Schade als Flamand, 2013

BR IEFE

40



… MIT UNGEHEURER SPANNUNG… Gerhart Hauptmann an Richard Strauss WIESENSTEIN AGNETENDORF I. R. AM 19. APRIL 1942

Lieber und verehrter Freund! Nachdem ich schon vor Wochen mich in Ihren Text vertieft und seine Reize genossen habe, hatten wir gestern eine kleine Vorlesung des Capriccio unter Klausur. Wir stimmten über den charmanten und graziösen Charakter des Contextes vollkommen überein. Er bietet durchaus bestechende musikalische Möglichkeiten. Die Neugier auf Ihre Musik wird aufs Höchste gesteigert. Wenn Sie, lieber Freund, einen nebensächlichen Einwand gestatten: der Untertitel einer theoretischen Komödie könnte auf das Publikum nicht günstig wirken. Man würde auf trockene Dialektik schließen, die Gottseidank weder im Text, noch sicherlich in der musikalischen Entwicklung vorhanden ist und vorhanden sein kann. Alles Theoretische entwickelt sich aus einem lustigen Übermut. Sicherlich ist Ihr diesmaliges künstlerisches Unternehmen ganz neuartig, wodurch es seinen Reiz empfängt und, bei den musikalischen Entfaltungsmöglichkeiten Ihres Genies, seine große Zukunft. Es schwebt über dem Werk im edelsten Sinne Heiterkeit: ein Zustand, dessen Begriff auch Goethe mit Recht hoch stellt. Ich danke Ihnen für das Vertrauen, mir so früh in das Seiende und Kommende Einblick gewährt zu haben und stelle Ihnen mit aufrichtigem Dank das Typoskript wieder zu. Wir, meine Frau und ich, und die beiden Teilnehmer der abendlichen Feierstunde sehen mit ungeheurer Spannung dem vollendeten Werk entgegen. Ihr Gerhart Hauptmann

42


Johann Wolfgang von Goethe → Wilhelm Meisters Lehrjahre

Ein großes Publikum verdient, dass man es achte, dass man es nicht wie Kinder, denen man das Geld abnehmen will, behandle. Man bringt ihm nach und nach, durch das Gute, Gefühl und Geschmack für das Gute bei. 43


Viorica Ursuleac

DAS WERDEN VON »CAPRICCIO« Die erste Gräfin Madeleine erinnert sich

Ein weiteres bedeutendes Ereignis meiner Sängerlaufbahn war dann die Uraufführung von Capriccio am 28. Oktober 1942 in München; nach Arabella und Friedenstag meine dritte Strauss-Uraufführung. Clemens Krauss war vom Berater unversehens zum Mitautor aufgerückt. Es ist eindrucksvoll aus dem Briefwechsel zwischen Strauss und Krauss in dieser Zeit zu ersehen, wie in gegenseitigem Anregen, Ergänzen und Korrigieren dieses höchst originelle und unkonventionelle Textbuch entstanden ist und in welcher Weise die beiden Künstler miteinander gearbeitet haben; gar nicht zu reden von den faszinierenden persönlichen Wechselgesprächen zwischen beiden, die ich öfters verfolgen durfte. Besonders glücklich ist mir in diesem Zusammenhang ein Besuch bei Strauss V IOR ICA U RSU LEAC

44


in Garmisch im Gedächtnis: Eines Sonntags im Dezember 1939 sollten die Besprechungen draußen in Garmisch fortgeführt werden. Frau Pauline war gerade zur Kur in Bad Kissingen und Strauss hatte uns zu einem bayerischen Eintopf eingeladen, den sie nicht so gern mochte; und die liebe Frau Alice bereitete einen besonders guten und kräftigen Eintopf. Strauss aber freute sich diebisch, dass uns diese einfache, bäuerliche Kost auch so gut schmeckte. Daneben aber gingen die Gespräche über Capriccio weiter, und in einer kurzen Ruhepause spielte er uns auch Mozarts Klarinettenquintett am Klavier vor und erklärte verschiedene Stellen der Komposition mit begeisterten Worten: »Spüren Sie diese Einfachheit und Größe?« Mich berührte das so besonders, weil ich gerade an diesem Nachmittag auch bei Strauss die menschliche Einfachheit und die geniale Größe so unmittelbar nebeneinander spürte. Auf dem Heimweg im Auto durch die regnerische Nacht kam auf einmal ein Aufschrei von Clemens Krauss: »Jetzt hab ich’s!« »Was denn?« »Monsieur Taupe muss kommen!« Strauss und Krauss hatten immer nach einem Übergang zur »Mondscheinmusik« gesucht; jetzt war dies Verbindungsglied mit der Szene des Souffleurs Monsieur Taupe gefunden. Strauss komponierte so schnell – Krauss kam oft gar nicht mehr nach. Der Meister telefonierte: »Mein lieber Da Ponte! Ich bin arbeitslos, bitte schnell den weiteren Text!« Dann schrieb Strauss: »Capriccio ist durchkorrigiert, fehlt jetzt nur die Schluss-Szene noch; werde mich bemühen, für Viorica eine bessere Arie zu schmieden« und später: »Eurer hohen Obrigkeit kann ich zugleich gehorsamst melden, dass Capriccio fertig und die Schlussszene, glaube ich, zur Zufriedenheit der ›Gräfin‹ ausgefallen ist!« Und wie sie das war! Das ganze Theater nahm Anteil an der Entstehung von Capriccio und so manches Mal hieß es, »nicht stören, der Chef dichtet!« Wir Sänger waren glücklich, die Einmaligkeit und Besonderheit des Werkes durch den unmittelbaren Kontakt mit seinen Schöpfern bei den Proben erfassen zu können und freuten uns, durch unsere Interpretation auch etwas dazu beizutragen. Die Besetzung war wirklich eine Elitebesetzung; solche Sternstunden sind selten. Die Clairon war Hildegard Ranczak, meine direkten Partner waren Höfermayer als Graf, Taubmann und Hotter als Flamand und Olivier, der famose Hann war der Theaterdirektor und Irmgard Beilke und Klarwein waren das italienische Sängerpaar. Der Erfolg war überwältigend. Nie haben die beiden Künstler, Strauss und Krauss, bei einem so diffizilen und anspruchsvollen Werk wie Capriccio an einen so überaus großen Erfolg geglaubt: »Ein Schönes war«... und ist und bleibt! Als bleibende Erinnerung schenkte uns Strauss ein vierseitiges Particell des Lachensembles mit der Widmung: »Viorica und Clemens zu Weihnachten 1940 mit herzlichen Wünschen / Dr. Richard Strauss.« → Nächste Seiten: Szenenbild, 2013

45

DAS W ER DEN VON CA PR ICCIO




Oliver Láng

DIE MUSE Von Mnemósyne dann, der schöngelockten, entbrannt’ Zeus, Der die Musen entstammen, geziert mit goldenem Haarband, Neun, der festlichen Schmause vergnügt, und des frohen Gesanges. HESIOD

Man findet sie häufig als Statuen und Abbildungen in Museen und Theatern, in Säulenhallen und auf Fresken – jene neun weiblichen Gestalten, die seit der Antike der Urgrund alles (künstlerisch-)schöpferischen Schaffens sind. Laut Hesiod, der sie als Erster erwähnte, ist ihr gemeinsamer Vater Zeus, der sie gemeinsam mit Mnemósyne, der Göttin der Erinnerung zeugte: in neun gemeinsamen Nächten. Später wurden ihnen einzelne Aufgabenbereiche zugeschrieben, die Geschichtsschreibung der Klio, die Tragödie der Melpomene, die Komödie der Thalia, die Philosophie der Kalliope, der Tanz der Terpsichore, die Lyrik der Euterpe, die Liebesdichtung der Erato, die Astronomie der Urania und der Gesang der Polyhymnia. Vor allem aber findet man sie in gewissermaßen »ideeller« Form in den genannten Museen und Theatern, in den Kultur- und Denkstätten: unsichtbar zwar, aber in jedem einzelnen Meisterwerk präsent, weniger vielleicht als abstrakte antike Göttinnen denn als tatsächliche Menschen, die lebten und – zumeist heute unbekannt – wirkten. Wobei »wirken« eine aktive Tätigkeit voraussetzt, was gerade bei einer Muse nicht der Fall sein muss. Ihre Besonderheit ist es ja gerade, dass sie oftmals ohne weiteres Zutun, nur durch ihr Vorhandensein, zur Inspiration führt. Der berühmte Musenkuss kann auch unkörperlich gegeben werden, mit einem Blick, durch ein einfaches OLI V ER LÁ NG

48


»Da-Sein«, das einen anderen Menschen wandelt. Doch ab hier beginnt die Grenze unscharf zu werden, die Bereiche fangen an zu verschwimmen. Was genau ist noch Muse, was ist Inspirationsquelle? Inspirationsquelle scheint uns niedriger, mehr alltäglich, Muse hingegen etwas Expliziteres, Außergewöhnliches: seltener vor allem und mit einem großen Gedanken, einem großen Werk verbunden. Ein Schreibtisch, an dem man besonders gerne arbeitet, ein Ausblick durch ein Fenster in eine Landschaft, ein Spaziergang durch einen Wald, der nach Wald riecht: Das sind wohl noch keine Musenküsse, es sind eher Inspirationsquellen, die das Schaffen und den Ideenfluss fördern. Der echte Kuss – in welcher Form auch immer – ist hingegen mehr, hilft nicht nur der Tätigkeit, sondern initiiert sie, zumindest: katalysiert sie. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Musen oftmals auch eine erotische Komponente in sich bergen, dass den Geküssten und die Küssenden etwas verbindet, was einer Partnerschaft sehr ähnlich ist, sich also auch im Zwischenmenschlichen »etwas tut«. Daher ist es eben nicht von Belang, dass die Muse aktiv einwirkt: Alma Mahler-Werfel-Gropius war sicherlich eine Muse, wobei der »Musenfaktor« nicht nur im Austauschen über Kunstwerke bestand, sondern auch in ihrer Persönlichkeit, in einem unerklärbaren, wieder: zwischenmenschlichen Bereich. Was war Mathilde Wesendonck für Wagner? Eine Muse! Indem in ihrer verhinderten Beziehung eine Sehnsucht, eine unerfüllbare Sehnsucht nach dem jeweils anderen entstand, konnte seine Oper Tristan und Isolde in dieser Form geschrieben werden. Keine biografische Niederschrift, aber eine Projektionsfläche und ein Überführen des Gefühlten in ein Kunstwerk. Eine Muse ist also jemand, die oder der »entzündet«, aus einem banalen Gedanken einen außergewöhnlichen macht, der zu Außergewöhnlichem, Unerklärbarem führt: Daher sind in der Antike die Musen ja auch göttlich, weil sie im Menschen etwas bewirken können, was oftmals nicht nachvollziehbar ist, nicht wiederholt werden kann. Eben unerklärlich. Ein Musenkuss ist ein göttlicher Funke, durch den ein Mensch etwas schafft, was ihn und sein Werk in einer gewissen Weise transzendiert, ins Übermenschliche erhebt. Gleichzeitig sind die Musen durch ihre Göttlichkeit auch unerreichbar. Liegt ein Aspekt des Musenhaften auch in einer Unnahbarkeit? Ist das Schmachten nach einer fernen Geliebten bzw. ist die schmerzlich-elegische Lyrik, die diesem Zustand entspringt, museninspiriert? Wären Flamand und Olivier durch die Gräfin Madeleine entzündet, wenn sie sich einem hingeben würde? Wenn der Alltag hereingebrochen wäre? Darauf kommt es nicht an. Natürlich schwärmt es sich gut für ein Gegenüber, und natürlich sind Kunstwerke gerade aus einer solchen entweder euphorischen oder tragischen Verliebtheit entstanden, aber eine ernstzunehmende Muse reicht doch darüber hinaus. Sie ist mehr als eine Gefühlswallung und eine Flucht aus dem Alltag, sie ist eben – eine Muse.

49

DIE MUSE


Richard Strauss

VOM MELODISCHEN EINFALL Die Melodie, wie sie sich in den höchsten Kunsterzeugnissen unserer Klassiker und bis hinauf zu Richard Wagner uns offenbart, gehört zu den erhabensten Geschenken, die eine unsichtbare Gottheit der Menschheit gemacht hat. Mozarts Gesangsmelodien, das g-Moll-Quintett für Streicher, Beethovens Sinfonien, Sonaten, Quartette (As-Dur-Adagio des Es-Dur-Quartetts op. 127), Schuberts Lieder, der II. und III. Akt des Tristan (um nur wenige Höhepunkte zu nennen) sind Symbole, die die edelsten Wahrheiten der Seele künden, die nicht »erfunden«, sondern den damit Begnadeten »im Traum verliehen« sind. Woher sie stammen, weiß niemand, auch ihr Schöpfer, das unbewusste Sprachrohr des Weltengeistes, nicht. Der melodische Einfall, der mich plötzlich, direkt aus dem Äther kommend, überfällt, der auftaucht, ohne dass eine sinnliche Anregung von außen vorliegt oder eine seelische Emotion – letztere ist auch am ehesten ein direkter Anlass, wie ich es bei Aufregungen ganz anderer, nicht künstlerischer Art oft an mir selbst erfahren habe –, erscheint in der Phantasie unmittelbar, unbewusst, ohne Einfluss des Verstandes. Es ist das höchste Geschenk der Gottheit, und mit nichts anderem zu vergleichen. Der dichterische Einfall kann noch einen Zusammenhang mit dem Verstande haben, schon weil er sich durch Worte äußern muss, – der melodische ist absolute Offenbarung letzter Geheimnisse. Darum trifft auch das berühmte Wort Goethes zu Eckermann am 6. Mai 1827: »Ich empfing in meinem Innern Eindrücke und zwar Eindrücke sinnlicher, lebensvoller, lieblicher, bunter, hundertfältiger Art, wie eine rege Einbildungskraft es mir darbot; und ich hatte als Poet nichts zu tun, als solche Anschauungen und Eindrücke in mir künstlerisch zu runden und durch eine lebendige Darstellung so zum Vorschein zu bringen, dass andere dieselben Eindrücke erhielten, wenn sie mein Dargestelltes hörten oder lasen«, nur einen (eigentlich handwerklichen) Teil R ICH A R D ST R AUS S

50


der dichterischen Tätigkeit. Der Einfall selbst (und besonders der musikalische, die Melodie) wird davon gar nicht berührt. Goethes Worte sind eine sehr bescheidene Formulierung der dichterischen Arbeit und wahrscheinlich nur zufällig für Eckermanns Fassungsvermögen berechnet, nicht erschöpfend, sie treffen nicht den Wesenskern künstlerischen Phantasiewirkens. Auch Goethes Wort: »Ich habe all mein Wirken und Leisten immer nur symbolisch angesehen« ist nur eine Umschreibung jener unbewussten Schöpferkraft, die sich am reinsten und unmittelbarsten im melodischen Einfall kundgibt, soweit er wirklich »Einfall« ohne jede fördernde Verstandesarbeit ist. Was ist »Seele«? Wo ist der Sitz der Phantasie? Ist diese eine Steigerung des Verstandes? Die höchste Blüte der menschlichen Seele? Sitzt die Phantasie im Gehirn und arbeitet sie nur bei einer besonderen Befruchtung durch das Blut? Nach meiner eigenen Erfahrung, dass bei großen Erregungen, Ärger, eine besonders lebhafte Tätigkeit der künstlerischen Phantasie einsetzt – bei mir nicht, wie oft geglaubt wird, nach sinnlichen Eindrücken, Anschauung von großen Naturschönheiten, feierlichen Stimmungen in poetischer Landschaft (die Übersetzung derartiger Wirkungen in Tonbilder geht eher durch Verstandesarbeit, also übertragen, nicht direkt) –, möchte ich fast glauben, dass im menschlichen Blut chemische Elemente liegen, die, wenn sie gewisse Nerven durchströmen oder mit gewissen Teilen des Gehirns zusammenströmen, diese Höchststeigerung seelischer Geistestätigkeit hervorbringen, der die größten Kunstleistungen entspringen. Deren höchsten Gipfel stellt das Entstehen der Melodie dar. Dass solche Einfälle sehr oft des Morgens beim Erwachen kommen, also in dem Moment, wo das in der Nacht vom Blut entleerte Gehirn wieder mit frischem Blut gefüllt wird, möchte dafür sprechen, dass dem Blut bei der Tätigkeit der Phantasie eine größere Einwirkung zuzugestehen ist, als einer einseitigen Gehirnarbeit. Gehirn, Nerven, Blut – welches ist der stärkste Faktor? Was ist ein Einfall? Im Allgemeinen nennt man einen musikalischen Einfall ein Motiv, eine Melodie, die mir plötzlich »einfällt«, ungerufen vom Verstand, besonders des Morgens unmittelbar nach dem Erwachen oder im Traume, – Sachs in den Meistersingern: »Glaubt mir, des Menschen wahrster Wahn wird ihm im Traume aufgetan«. Hat die Phantasie des Nachts selbständig, ohne mein Bewusstsein gearbeitet, ohne an eine »Erinnerung« (Plato) anzuknüpfen? Meine eigene Erfahrung: Wenn ich des Abends beim Komponieren an einer Stelle stecke und trotz eifrigen Nachdenkens keine ersprießliche Weiterarbeit mir möglich scheint, klappe ich das Klavier oder das Skizzenbuch zu, lege mich schlafen, und des Morgens beim Erwachen ist die Fortsetzung da. Durch welchen geistigen oder physischen Prozess? Oder soll man nach landläufigem Sprachgebrauch einen Einfall nennen, was so neu und packend, so zwingend und eindringend »bis in die Tiefe des Herzens« (Leonore) ist, dass es mit nichts Vorangegangenem verglichen werden 51

VOM MELODISCHEN EIN FA LL


kann? Qualität? Woher stammen die unbeschreiblichen Melodien unserer Klassiker (Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert), für die keine Vorbilder vorhanden sind? Auch in Johann Sebastian Bachs Adagios und in den Werken seines Sohnes Philipp Emanuel finden sich kaum Ansätze, die mit den weitgeschwungenen unendlichen Melodien Mozarts – nicht nur in den Arien seiner dramatischen Werke, sondern auch in seinen Instrumentalwerken (ich erinnere nur an sein g-Moll-Streichquintett) – verglichen werden können. Was ist nun an diesen göttlichen Gestalten unmittelbarer Einfall, primäre Erfindung, was Verstandesarbeit? Wo ist die Grenze zwischen der Tätigkeit des Verstandes und der Phantasie? Bei unsern Klassikern ist die Frage besonders schwer zu entscheiden, der Reichtum ihrer Melodien ist so ungeheuer, die Melodie selbst so neu, so originell und dabei so individuell verschieden, dass es schwer fällt, die Grenze zwischen dem ersten unmittelbaren Einfall und seiner Fortführung, seiner Erweiterung bis zur fertigen ausgedehnten Gesangsphrase festzustellen. Besonders bei Mozart und Schubert, die in jungen Jahren von dieser Erde geschieden sind und dabei ein Lebenswerk von einem so gewaltigen Umfang geschaffen haben! (Mein Vater sagte immer: Was Mozart bis zu seinem 36. Jahr gearbeitet, d.h. komponiert hat, kann der beste Kopist in dieser Zeit nicht schreiben.) Es muss – nach dem hübschen Schlussbild von Pfitzners 1. Palestrina-Akt – einer fliegenden Feder von Engeln eingeblasen worden sein. Denn eine Arbeit, wie sie selbst an den Skizzenbüchern Beethovens zu ersehen ist, kann da kaum vorliegen. Alles erscheint da als unmittelbare Eingebung! Nach meiner eigenen Erfahrung bei schöpferischer Tätigkeit zu urteilen, fällt mir ein Motiv oder eine zwei- bis viertaktige melodische Phrase unmittelbar ein. Ich bringe sie zu Papier und erweitere sie gleich zur 8-, 16- oder 32-taktigen Phrase, die selbstverständlich nicht unverändert bleibt, sondern nach kürzerem oder längerem »Abliegen« allmählich zu der endgültigen Gestalt ausgearbeitet wird, die auch der strengsten, blasiertesten Selbstkritik standhält. Diese Arbeit geht nun in der Weise vor sich, dass es in erster Linie darauf ankommt, den Zeitpunkt abzuwarten, in welchem die Phantasie fähig und bereit ist, mir weiter zu dienen. Aber die Bereitschaft wird doch meistens bei größerer Muße, nach längerem Nachdenken, auch – wie ich schon bemerkte – durch seelische Erregungen (auch Zorn und Ärger) hervorgerufen und gefördert. Diese geistigen Prozesse gehören nicht allein in das Gebiet angeborener Begabung, sondern der Selbstkritik und Selbsterziehung. »Genie ist Fleiß« soll Goethe gesagt haben. Aber auch Fleiß und die Lust zur Arbeit sind angeboren, nicht nur anerzogen. – Nur wo der Inhalt und die Form in höchster Vollendung sich decken, wie bei unsern ganz Großen, ist vollkommene Kunst erreicht. Unsere Musikgelehrten – ich nenne die beiden Hauptnamen: Friedrich von Hausegger (»Musik als Ausdruck«) und Eduard Hanslick (»Musik als tönend bewegte Form«) – haben Formulierungen gegeben, die seither als R ICH A R D ST R AUS S

52


feindliche Gegensätze gelten. Dies ist falsch. Es sind die beiden Formen musikalischen Gestaltens, die sich gegenseitig ergänzen. Die Ausgangspunkte unserer heutigen Musik sind verschiedener Art. Die tönend bewegte Form hat wohl ihren Ursprung im Tanz – Musik als Ausdruck im Schmerzensschrei und im Bedürfnis, religiöser Anbetung eine künstlerische Form zu geben (im gregorianischen Gesang, in Palestrinas Messen und J. S. Bachs Chorälen). Zugleich entwickelte sich von Monteverdi ausgehend der rezitierende Gesang, der dann in die Arie und mit derselben in die heutige Oper mündete. Tönend bewegte Form können wir die meisten Allegrosätze der Bach’schen und Händel’schen Instrumentalwerke nennen, in deren langsamen Sätzen bereits tiefere Empfindung nach Ausdruck ringt, – eine Empfindung, die dann in allen Gefühlsskalen mit formvollendeter Logik in den Werken Haydns, Mozarts, Beethovens, Schuberts unmittelbar zu unseren Herzen spricht. Die sogenannte Sonatenform, die sich von Haydn bis zum letzten Beethoven so in Eins mit dem Gefühlsinhalt der Werke verschmolzen hat, ist von keinem der Epigonen dieser Heroen, z.B. Brahms, Bruckner wieder erreicht worden, in deren an sich tüchtigen Kompositionen die Sonatenform zu einer konventionellen Formel geworden ist, innerhalb derselben man willkürliches Musikmachen oft peinlich empfindet, während man bei einem Haydn’schen Quartett Mund und Ohren vor Entzücken aufsperrt. Tönend bewegte Formen kann man auch wohl diese Instrumentalwerke der Klassiker nennen, aber sie sind eben nicht mehr rhythmisch bewegtes Tonspiel wie bei Bach und Händel, sondern schon heiter oder leidenschaftlich belebter Ausdruck edelsten Seelenlebens. In der bis heute noch beliebten, zuletzt oft recht öde gewordenen (in meinem Don Quixote ad absurdum geführten und tragikomisch persiflierten) Variationenform findet man das gesamte von den Klassikern erfundene und immer mehr bereicherte Figurenmaterial vereint. Richard Wagner schließlich hat alle Arten von reichem Figurenmaterial zugleich mit der gefühlvollsten Gesangsmelodie in den Dienst des dramatischen Ausdrucks gestellt. Tristan, Der Ring des Nibelungen, Die Meistersinger, Parsifal bilden den Gipfel, dem alle Erscheinungsformen der »tönend bewegten Form« und des »musikalischen Ausdrucks« zustreben. In Wagner hat die Musik ihre höchste Ausdrucksfähigkeit erreicht.

→ Nächste Seiten: Szenenbild, 2013

53

VOM MELODISCHEN EIN FA LL




AUS EINEM GESPRÄCH MIT OLIVER-HECTOR KRAUSS aufgezeichnet von Heiko Cullmann Oliver-Hector Krauss (1926–2001), der Sohn des bekannten Dirigenten, schilderte in einem Gespräch 1997 seine persönlichen Erinnerungen an die Uraufführung im Jahre 1942, die ursprünglichen Ziele, die Entstehungsgeschichte und die Aufnahme des Werkes bei Kritik und Publikum: In den musikgeschichtlichen Büchern steht manch Negatives über Capriccio, seine Entstehung und seine Absichten. Einmal, weil es in dieser kaum zu bewältigenden Zeit entstanden ist, weil es – wie man heute sagt – keinen Zeitbezug nahm. Es war auch kein stilles Werk des Widerstandes oder des politischen Widerspruchs – kein Schlüsselstück in dieser Richtung etwa. Capriccio ist einfach der Versuch einer psychologischen Oper. Und diese passte natürlich nicht in das Konzept der politischen Propaganda im Krieg hinein. Man erwartete eine Volksoper mit Schwung und Elan oder eine Kriegsoper mit Soldaten, die wieder an die Front müssen und dort den »Heldentod« sterben. Nun, das ist es ja überhaupt nicht. Sollte es auch gar nicht sein. Das Thema »Prima la musica e poi le parole« ist ein alter barocker Opernstoff des Abbate Casti, der Strauss jahrelang beschäftigte und den er erst in diesen wirren Zeiten aufgriff. Für einen Komponisten von seinem Range war das ja ein ideales Thema: Wer hat denn nun eigentlich das Sagen? Die Musik oder das Wort? Nachdem Stefan Zweig als Librettist aufgrund seiner jüdischen Abstammung nicht mehr in Frage kam, bat Strauss meinen Vater, ihm bei der Abfassung des Textes behilflich zu sein. Die beiden haben sich ungeachtet des Tagesgeschehens zu dieser Arbeit zurückgezogen. Sie waren auch gar nicht auf irgendwelche politischen Richtungen eingestellt. Es wird ihnen ja beiden vorgeworfen, dass sie in Deutschland geblieben sind. 1935 wollte man meinem Vater in Wien den Vertrag als Staatsoperndirektor nur um ein Jahr verlängern – ein Unding. Da hat er das Angebot, Operndirektor der Berliner Staatsoper zu werden, angenommen. Dort sah die Welt AUS EIN EM GE SPR ÄCH MIT OLI V ER-HECTOR K R AUS S

56


ganz anders aus. Bis er das dann begriffen hatte, da war es einfach zu spät. Von Anfang an wollte der Vater einen Einakter haben. Es besteht aber die Möglichkeit, einen Zweiakter daraus zu machen, was meiner Meinung nach sogar ganz förderlich ist. Sie haben es bei der Uraufführung auch mehr oder minder in einem Akt machen müssen. Es kam ja regelmäßig nachts der Bombenalarm, und da wäre die Oper abgeschnitten gewesen. So entschied man sich doch für eine durchgehende Aufführung. Recht früher Anfang, recht frühes Ende, damit die Zuschauer und Künstler auf dem Heimweg gleich in den Luftschutzkeller gehen konnten. Das war damals die traurige Tagespraxis! Mein Vater hat Strauss angeregt, die Altpartie der Clairon für die Sopranistin Hildegarde Ranczak einzurichten, weil die in München engagierte kroatische Altistin Georgine von MilinkoviČ die deutsche Sprache zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ausreichend beherrschte. Das war halt Theaterpraxis. Strauss hat sich als ehemaliger Direktor der Wiener Staatsoper darauf eingestellt. So hat er auch die Partie der Gräfin meiner Stiefmutter Viorica Ursuleac »auf den Leib« geschrieben. Dabei berücksichtigte er ihre damaligen stimmlichen Möglichkeiten. Sie war in den Jahren 1938/39 an Krebs erkrankt, und wir rechneten mit dem Allerschlimmsten. Nach Bestrahlungen erholte sie sich zwar wieder gesundheitlich, verlor aber ihre ganz mühelose, lichte Höhe. Dazu klang sie nun etwas angestrengt und war nicht mehr ganz so frei, wie sie es noch 1935 gewesen war. Jedoch war Viorica eine sehr verbissene Arbeiterin und machte täglich mehrere Stunden lang stimmtechnische Übungen, um wieder in Form zu kommen. Um sie herum hatte mein Vater ein hochrangiges Ensemble versammelt, um Capriccio aufzuführen. Er hatte sich ja überhaupt dem Prinzip des »Ensembletheaters« verschrieben. In München hatte er sich eine Mannschaft geschaffen, heute würde man sagen, ein Team. Alle spielten »das gleiche Theater«. Da gab es nicht irgendwelche Eskapaden der Routine. Man spielte miteinander, man war aneinander gewöhnt. Der eigene Stil, der sich da entwickelt, war aber auch nur in diesem Ensemble wirksam. Mein Vater achtete zudem sehr auf die Aussprache. Und das in jeder Oper! In einer der letzten Proben unterbrach mein Vater und forderte die Sänger auf, deutlicher zu artikulieren: »Wenn man nicht jedes Wort versteht, ist die Oper ja überhaupt sinnlos.« Strauss, der hinter ihm in der ersten Reihe im Parkett saß, sagte daraufhin nur: »Also wissens’, Herr Kapellmeister, wenn man ab und zu auch was von meiner Musik versteht, hätt’ ich nichts dagegen!« Das Libretto des Capriccio wurde natürlich von der damaligen Presse nicht positiv aufgenommen. Die Oper spielt in Paris zur Zeit von Gluck. Probleme werden besprochen, Internitäten, Fachsimpeleien. Das zündete bei den Leuten einfach nicht. Die Worte können noch so nett und geistreich sein. Es ist kein Volkstheater, wie man es »oben« damals gerne gehabt hätte. Die Kritiken – ich habe sie alle gesammelt – sind sehr zurückhaltend. Gegen die Musik konnte man nichts sagen. Es sind ja sehr viele schöne, schmelzende Stellen wie die 57

AUS EIN EM GE SPR ÄCH MIT OLI V ER-HECTOR K R AUS S


»Mondscheinmusik« darin. Man hat stattdessen die Inszenierung sehr intensiv besprochen. Dem Regisseur Rudolf Hartmann ist es meiner Meinung nach glänzend gelungen, eine gute Balance zwischen überdrehter Komödie und ironischen Heiterkeitseffekten zu erarbeiten. In besonderer Erinnerung sind mir ganz wirksame Einfälle geblieben, so z.B. die Schlagschatten in der Szene des Mr. Taupe. Mein Vater hatte zweimal Gelegenheit, Capriccio komplett einzuspielen. Nachdem das Nationaltheater in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1943 bei einem Luftangriff zerstört worden war, hat er sehr schnell im Kongress-Saal des Deutschen Museums Opern aufgeführt. Das gesamte Repertoire wurde konzertant – bei eingedunkeltem Zuschauerraum – musiziert. Da konnte man Aida, Capriccio oder den Rosenkavalier hören. Und die Schallplatten vom Rosenkavalier, von Capriccio oder vom Fliegenden Holländer, die nach dem Tod meines Vaters veröffentlicht wurden, das alles sind Aufzeichnungen aus diesem Notquartier. 1953 hat er dann noch einmal für den Bayerischen Rundfunk Capriccio aufgenommen. Die technischen Möglichkeiten waren nun ganz anders als im Krieg. Wieder sang Viorica die Gräfin. Das »Wunder« Hans Hotter wechselte von der Rolle des Dichters Olivier zum Theaterdirektor La Roche und die Clairon war nun nicht mehr ein Sopran, sondern die junge Altistin Hertha Töpper. Capriccio hat einen großen Siegeszug angetreten. Es ist keine Oper mit einem Walzereffekt. Es ist eine besinnliche Oper, die man durch den Kopf hören und verstehen muss. Ich freue mich deshalb immer, wenn die »Laune« Capriccio zu sehen ist. Sie wird stets ihre Freunde finden.

→ KS Adrian Eröd als Olivier und Renée Fleming als Gräfin, 2008

AUS EIN EM GE SPR ÄCH MIT OLI V ER-HECTOR K R AUS S

58



Jürgen Maehder

»CAPRICCIO« ALS OPERNÄSTHETISCHE ÉTUDE Die Partitur des Capriccio, von Strauss wiederholt als sein »musikalisches Testament« bezeichnet, zeichnet sich durch mannigfaltige Besonderheiten der Besetzung und Instrumentationstechnik aus, die es verwunderlich erscheinen lassen, dass die musikalische Struktur des Orchestersatzes bisher noch nicht zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht wurde. Damit teilt sie zwar das Schicksal von Richard Strauss’ Œuvre allgemein, da der Orchestersatz eines der größten Instrumentations-Virtuosen der Musik des 20. Jahrhunderts bisher nur in Ansätzen erforscht wurde, doch ist der Mangel an Spezialstudien für das Spätwerk des Komponisten besonders beklagenswert. Zweifellos stellte die Verwendung eines Kammerorchesters einen bewussten, gleichsam zitathaften Rückgriff auf die Partitur von Ariadne auf Naxos dar, mit welcher Strauss bereits 1912 die »Wende zum Kammerorchester« beschritten hatte. Zu den unterschwelligen Beziehungen, die Capriccio mit der Partitur von Ariadne auf Naxos verbinden, gehört auch die Verwendung des Cembalos, die im ersten Entwurf zur Orchesterbesetzung von Ariadne auf Naxos zwar vorgesehen war, letztlich jedoch dem um 1912 noch traditionelleren Klavier weichen musste. Der kammermusikalische Beginn im Streichsextett auf der Bühne, der prinzipiell bereits in den allerersten Libretto-Entwürfen geplant war, auch wenn auf dem böhmischen Schloss von 1820 ein Waldhornquartett hätte erklingen sollen, spiegelt die Notwendigkeit eines intimen musikalischen Rahmens für das »Konversationsstück«, erfüllt aber gleichzeitig die Funktion, in der Bühnen­realität den Komponisten Flamand mit einer eigenen Komposition einzuführen. Er leitet zugleich jedoch eine Dissoziation des Tuttisatzes ein, die im Œuvre von Strauss einzigartig ist; niemals zuvor in der Operngeschichte hatte ein Komponist an die Stelle einer Ouverture ein Werk der Kammermusik gestellt. Die von Strauss in Capriccio vorgeschriebene Orchesterbesetzung – ein nicht übermäßig groß besetztes Symphonieorchester mit dreifacher Holz- und Blechbläserbesetzung, jedoch mit nur zwei Trompeten und einer an Bayreuther Verhältnissen orientierten Streichergruppe (16-16-10-10-6) – verwenJ Ü RGEN M A EHDER

60


det an Sonderinstrumenten nur das für Strauss’ Spätwerk typische Bassetthorn, das auch in den Partituren von Friedenstag, Daphne und der Ägyptischen Helena begegnet. Es erscheint bezeichnend für die Intention einer »leichteren« Partitur, dass Capriccio in Strauss’ Spätwerk die Oper mit der kleinsten Orchesterbesetzung bildet. Die Intention des Komponisten, mit der Partitur von Capriccio Summe und Schlussstein seines Schaffens zu realisieren, bedingte einen besonderen Reichtum an Zitaten aus bzw. Anspielungen auf Dichtung und Musik der Vergangenheit; eine besondere Funktion kommt den wörtlichen Zitaten aus Strauss’ eigenen Werken zu. Unter den Zitaten aus der Musikgeschichte sticht besonders der Beginn der Ouverture zu Glucks Iphigénie en Aulide hervor, mit dem Strauss die Diskussion der opernästhetischen Meriten der Tragédie lyrique untermalte. Zahlreiche andere Zitate aus der Sphäre der italienischen Oper sind von Reinhold Schlötterer beschrieben worden, darunter die ironische, gut versteckte Anspielung auf den Triumphmarsch aus Verdis Aïda, die von der geringen Wertschätzung Zeugnis ablegt, die Strauss für Verdis Musik hegte: Gräfin (zur Clairon) Mein Bruder ist nicht sehr musikalisch. Er hat eine Vorliebe für Einzugsmärsche und betrachtet in der Oper die Komponisten als »Wortmörder«. Unter den zahlreichen Stilimitationen alter Musik, die der Notwendigkeit eines musikalischen Lokalkolorits für den Handlungszeitraum des Werkes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschuldet sind, bilden die archaisierenden Tanzsätze »Passepied«, »Gigue« und »Gavotte«, die von zwei Streichinstrumenten und Cembalo auf der Bühne ausgeführt werden, musikalische Stilübungen in französischer Barockmusik. Wenige Wochen nach der Komposition dieser Passage im Winter 1940/41 sollte Strauss auf diese historisierenden Tendenzen seines Werkes zurückgreifen, als er seine Bearbeitungen von Cembalokompositionen von FranÇois Couperin konzipierte, die an der Bayerischen Staatsoper als Ballett mit dem Titel Verklungene Feste – Tanzvisionen aus zwei Jahrhunderten uraufgeführt wurden; auch dieser Titel verdanke sich der schöpferischen Phantasie von Clemens Krauss, der in diesen Jahren die Bayerische Staatsoper als Generalmusikdirektor leitete. Besonders der selbst-referentielle Charakter des Werks, der in der jüngeren Sekundärliteratur verschiedentlich unter Kategorien wie »mise-enabyme« gefasst worden ist, dürfte die zahlreichen Selbstzitate verursacht haben. Wörtliche Zitate aus Ariadne auf Naxos und Daphne erklingen zu der Diskussion über die zu schreibende Oper, und mehrere Szenentypen – wie etwa der Schlussmonolog der Gräfin als Anspielung auf den Monolog der Marschallin aus dem I. Akt des Rosenkavalier – besitzen den Charakter eines 61

CA PR ICCIO A LS OPER NÄST HET ISCHE ÉT U DE


dramaturgischen Selbstzitats. Ein gewichtiges Zitat eigenen thematischen Materials, die weitgeschwungene Hornmelodie, die das instrumentale Interludium zur Begleitung der Mondnacht durchzieht, musste dem Publikum der Uraufführung noch verborgen bleiben; aus rechtlichen Gründen war der gegen Strauss’ Verleger gerichtete Liederzyklus Der Krämerspiegel auf Texte von Alfred Kerr (1921) nur einem kleinen Kreise von Freunden als Privatdruck zugänglich gemacht worden. Diese Melodie tritt zum ersten Male auf, wenn der Graf das Genre der Oper einer Kritik unterzieht; die entsprechenden Worte bilden das Motto des vorliegenden Aufsatzes. Die Bedeutung dieses Motivs erfährt eine allmähliche Erklärung erst im Laufe des Werkes, wenn die Assoziation mit der Person der Gräfin und mit der von ihr bevorzugten Gattung der Oper allmählich deutlicher wird. Ein Vergleich zwischen den beiden Gestaltungsformen dieser Melodie, einmal zu den abschätzigen Worten des Grafen, zum anderen, wenn die Gräfin nach der »Mondscheinmusik« in feierlicher Kleidung die Bühne betritt, vermag einen Begriff von Strauss’ außerordentlicher Fähigkeit geben, sein thematisches Material nach der Maßgabe dramaturgischer Notwendigkeit zu transformieren. Unter den zahlreichen auf der Bühne erklingenden Musikstücken – von der Wiederaufnahme des Streichsextetts über die Tanzsätze bis zur Vertonung des Sonetts durch Flamand – kommt dem Sonett und seiner Vertonung eine besondere, innerhalb der Operngeschichte nur mit Walther von Stolzings »Preislied« aus den Meistersingern und mit dem Ende des I. Aktes aus Pfitzners Palestrina vergleichbare Rolle zu. In all denjenigen Fällen, in denen ein musikalisches Werk das Zentrum der Handlungskonstruktion einer Künstleroper bildet, zieht es unweigerlich alle Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Wenn der Komponist überdies die Option wählt, den musikalischen Entstehungsprozess selbst auf der Bühne gegenwärtig werden zu lassen – sei es in der Ge­­stalt Giovanni Pierluigi da Palestrinas, Walther von Stolzings oder Flamands – , muss der Komponist sich dem Problem stellen, dass der Entstehungsprozess eines als Endprodukt perfekten Kunstobjekts vergegenwärtigt werden soll, dass er also gleichsam den Kristallisationsprozess der eigenen Musik rückwärts rekonstruieren muss, um den Prozess der Werkgenese auf dem Wege über Vorformen nachzuzeichnen. Die von Strauss realisierte Vergegenwärtigung des Vertonens als Akt der Komposition beruht unter anderem auf einer gänzlich neuartigen Verwendung der Sprechstimme im Musiktheater, die auch an anderen Stellen, etwa im Schauspieldialog zwischen Clairon und dem Grafen, offenbar wird. Um den Akt des musikalischen Schaffensprozesses auf der Bühne zu vergegenwärtigen, griff Strauss zu einer vollständig neuartigen Form der Überlagerung von deklamierender Sprechstimme und wenigen, gleichsam improvisatorisch wirkenden Akkorden in Cembalo und Orchester. Wenn dagegen die Vertonung des Sonetts in seiner definiten Gestalt vom Komponisten zum ersten Male vorgestellt wird, dann erklingt diese ebenfalls als Bühnenmusik, da das J Ü RGEN M A EHDER

62


Cembalo in der Fiktion der Bühnenrealität ja vom Komponisten gespielt wird, doch zugleich unterstreicht ihre Gegenwart den allgegenwärtigen kammermusikalischen Charakter der Partitur. Unter allen Opern von Richard Strauss besitzt einzig Capriccio einen ausgeprägt selbst-referentiellen Charakter, der nicht allein auf der Position des Werkes am Ende seines Œuvres, sondern vor allem auf der besonderen Konstruktion der Handlung beruht. Der maliziöse Vorschlag des Grafen, die Handlung der zu schreibenden Oper auf den Ereignissen des gerade zu Ende gehenden Tages aufzubauen, erlaubt notwendigerweise nur einen offenen Schluss: Graf (etwas boshaft) Ich wüsste ein äußerst fesselndes Thema! Schreibt eine Oper, wie er sie sich wünscht. Schildert Konflikte, die uns bewegen. Schildert euch selbst. Die Ereignisse des heutigen Tages – was wir alle erlebt – dichtet und komponiert es als Oper! Direktor (sprachlos) Ha! Olivier (sehr überrascht) Ein verblüffender Einfall – Flamand – das ist nicht zu leugnen. Weder Clemens Krauss noch Richard Strauss dürfte bewusst gewesen sein, dass eine ähnliche Handlungskonstruktion bereits in Carlo Goldonis letzter Opera buffa La bella verità realisiert worden war, deren Libretto der Dichter auf dem Wege von Venedig nach Paris während eines durch Krankheit erzwungenen Aufenthaltes in Bologna schuf. Das Libretto zu La bella verità entstand während Goldonis entscheidender Reise nach Paris, die den endgültigen Abschied von Venedig bringen sollte. Der Dichter war am 22. April 1762 von Venedig aufgebrochen und wurde am 25. durch einen Anfall rheumatischen Fiebers gezwungen, in Gesellschaft seines Freundes Graf Albergati bis Juni in Bologna auszuharren. Die neue Oper wurde am 14. Juni im Teatro MarsigliRossi in Bologna uraufgeführt; Nicola Piccinni, seit dem Erfolg der Buona figliola (1760) einer der gefeiertsten Komponisten Italiens, schrieb die Musik. In diesem Libretto unternahm Goldoni, der bereits in der vergangenen venezianischen Theatersaison kein Libretto mehr verfasst hatte, ein Libretto über die Problematik der Librettistik. In der Bühnenrealität erfährt der Dichter Loran Glodoci, wie der Impresario Tolomeo Nattagessi (= Bartolo Ganassetti) durch offenbare Anagramme als Personen der Bologneser Realität von 1762 ausgewiesen, die Schwierigkeit des »Schreibens« zum ersten Mal, als er für eine befreundete Theatertruppe in Bologna ein Libretto verfassen soll. Innere Widerstände gegen die Gattung des Buffa-Librettos überlagern sich mit äußeren Hindernissen; die gutgemeinten Höflichkeitsbesuche aller Solisten, 63

CA PR ICCIO A LS OPER NÄST HET ISCHE ÉT U DE


die Aufwartungen von deren Protektoren sowie die unvermeidlichen Rivalitäten innerhalb der Theatertruppe zehren die gering bemessene Zeit auf, in der das Libretto hätte entstehen sollen. Am Ende des III. Aktes löst die angekündigte Abreise der Sopranistin Petronilla (= Teresa Pasi) nach Palermo die Entscheidung Glodocis aus, die tatsächlichen Ereignisse bei der Vorbereitung dieser Oper zum Libretto zu verwandeln; der Dichter unterschlug seinem Publikum auch nicht seine – wahrscheinlich allgemein bekannte – Zuneigung für Teresa Pasi, auf die im Text mehrfach angespielt wird. Mit La bella verità (Bologna, Teatro Marsigli-Rossi, 14.6.1762) verfasste Goldoni ein autobiografisches Libretto über die Unmöglichkeit, Opernlibretti zu schreiben; es sollte sein letztes Werk für die Opernbühne bleiben. Als letzte von Richard Strauss vollendete Opernpartitur wurde Capriccio nicht nur vom Komponisten bewusst als Abschied von der Bühne konzipiert, sondern es stellt in seiner artifiziellen Werkgestalt auch den Versuch dar, die Geschichte der europäischen Oper wie in einem Spiegelbild zu reflektieren. Nicht zufällig sollte nach dem Willen des Komponisten am Ende der eigenen Werkgeschichte eine theoretische Reflexion über das Wesen der Oper stehen – als melancholischer Rückblick auf das eigene Œuvre wie auf die Geschichte der Oper als Gattung.

CA PR ICCIO A LS OPER NÄST HET ISCHE ÉT U DE

64


Johann Wolfgang von Goethe → Wilhelm Meisters Lehrjahre

Kein Genuss ist vorübergehend: denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend, und was man mit Fleiß und Anstrengung tut, teilt dem Zuschauer selbst eine verborgene Kraft mit, von der man nicht wissen kann, wie weit sie wirkt. 65

CA PR ICCIO A LS OPER NÄST HET ISCHE ÉT U DE


Clemens Krauss

ÜBER RICHARD STRAUSS Schon früh, während meiner Wanderjahre von Theater zu Theater, war ich Richard Strauss da und dort über den Weg gelaufen. Als Konservatorist hatte ich ihm 1910 mit den Wiener Philharmonikern probierend zuhören können, ohne ihn zu sehen, durch die Protektion eines Schuldieners auf der Orgelgalerie des Musikvereinssaales versteckt. Als Direktor der Wiener Staatsoper bestätigte Strauss nach einem Gastdirigieren im Februar 1922 mein Engagement ab Herbst als Kapellmeister an das ehrwürdige Institut, und nun durfte ich ihm künstlerisch und auch menschlich näherkommen. Ich hörte und sah ihn alle seine eigenen Werke dirigieren und belauschte den Tonfall, in dem er seine Musik zum Erklingen gebracht haben wollte. Er ließ mich eintreten in den Kreis seiner Betrachtungen, seiner kritischen Anschauung. Wie ein leiser Regen das wachsende Korn reifen lässt, so erschienen mir oft seine leicht hingeworfenen Worte, ja allein das Mitdenken seiner Gedankengänge, Unerkanntes in mir zu erschließen. Der dem Wiener angeborene Hang, einen Künstler oder auch ein Kunstwerk maßlos zu überschätzen oder zu unterschätzen, war auch mir eigen. Das schöpferische Genie zeigte mir nun die Maßstäbe auf, an denen das künstlerische Wirken überhaupt gemessen werden muss. Richard Strauss bestärkte mich in meinen künstlerischen Plänen und in dem immer lebendiger werdenden Wunsch, selbst ein Operntheater zu leiten. Seine ermunternde, oft begeisterte Zustimmung zu meinen Interpretationen, nicht nur seiner eigenen Werke, stärkte mein Selbstbewusstsein, und so fasste ich den Mut, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich sah plötzlich eine Lebensaufgabe vor mir: aus der damaligen »Hörbühne« der Oper eine »Musik-Schaubühne« zu machen; unter dem Primat der Musik, im Zusammenwirken von Bild, Architektur, Aktion und Persönlichkeit der Darsteller, vollendete Aufführungen dramatischer Werke zu schaffen. Dieser Vision des Musiktheaters folgte ich, und wie unter einem Zwange war mein ferneres Leben auf das eine Ziel gerichtet: der von Richard Strauss geschaffenen »psychologischen« Oper den Weg zu bahnen.

CLEMENS K R AUS S

66


Übersetzung von Hans Swarowsky → Das Sonett

Kein Andres, das mir so im Herzen loht, Nein, Schöne, nichts auf dieser ganzen Erde, Kein Andres, das ich so wie dich begehrte, Und käm’ von Venus mir ein Angebot. Dein Auge beut mir himmlisch-süße Not, Und wenn ein Aufschlag alle Qual vermehrte, Ein andrer Wonne mir und Lust gewährte, – Zwei Schläge sind dann Leben oder Tod. Und trüg’ ich’s fünfmal hunderttausend Jahre, Erhielte außer dir, du Wunderbare, Kein andres Wesen über mich Gewalt. Durch neue Adern müsst’ mein Blut ich gießen. In meinen, voll von dir zum Überfließen. Fänd’ neue Liebe weder Raum noch Halt.

67

J Ü RGEN M A EHDER


Götz Klaus Kende

RICHARD STRAUSS UND CLEMENS KRAUSS

Eine Künstlerfreundschaft


Dass Strauss das Werk Clemens Krauss gewidmet hat und überdies, statt der sonst üblichen kennzeichnenden Trennung der Arbeitsleistung des textlichen und musikalischen Verfassers innerhalb des Titels, die Wendung gebrauchte, »ein Konversationsstück für Musik von Clemens Krauss und Richard Strauss«, weist auf die besondere Bedeutung der Mitarbeit von Krauss hin, die Strauss dieser hiermit zubilligt. Über den Inhalt hier nur einiges in Kürze und teilweise mit eigenen Worten Krauss’: »Die innere Handlung des Capriccio ist die Verwandlung, sozusagen die ›Metamorphose‹ der Künste. Diese Verbindung der Dichtung und der Musik ist symbolisiert durch das Sonett und erschafft eine neue, eine dritte Kunst. Das ist der dramatische Kern des Stückes, der Augenblick, wo die beiden Künstler, der Musiker und der Dichter, jeder in seiner Kunst zum Werbenden werden. Dass der Musiker das Sonett des Dichters komponiert, schafft das Dilemma, dass die angebetete Person die zwei Werbenden nun nicht mehr völlig voneinander trennen kann: die zwei Kunstgattungen erscheinen ineinander verschlungen zu einem Neuen. Die einzelnen Figuren des Stückes sind Symbole: zum Musiker und zum Dichter treten der Theaterdirektor für das Theater in seiner Gesamtheit, die Schauspielerin als Vertreterin der Bühne und als ihr Gegenspieler der Graf, der sozusagen den Unmusikalischen, Amusischen verkörpert, als Vertreter des rein kritischen Geistes. Und über allen die Gräfin als »Muse«: sie ist die treibende Kraft des Stückes, die Ursache der Entstehung der Oper, weil sie beide Künste an ihre Person heranzieht und dazu auffordert, eine Oper zu schreiben: die entscheidende Wendung des Stückes! Diese Oper ist dann das, was das Publikum eben hört; ein Einfall, der relativ spät kam. Ebenso hat die Figur des La Roche im Laufe der Zusammenarbeit besonders viel Änderungen erfahren. Krauss erzählte darüber: »Strauss wollte zuerst einen derben, burlesken Theaterdirektor als Gegenspieler zu den Künstlern, doch zeigte es sich, dass es nicht glücklich gewesen wäre, in den Diskussionen eine Figur zu haben, die von Haus aus unrecht haben müsste. Im Gegenteil – es müsste eine symbolische Figur sein, die das Theater vertritt. So wurde La Roche zum Sinnbild dessen, der mit seiner ganzen Kraft und seinem ganzen Können für eine wahre Kunst eintritt. Für eine Kunst, die dem Theater das gibt, was des Theaters ist und nicht alle möglichen Dinge auf das Theater überträgt, die ihm fremd sind. Er ist auch nicht gegen das Neue, er verlangt es, aber er verlangt ein Neues, das dem Alten ebenbürtig ist! Gewiss ein schwer zu erfüllender Anspruch. La Roche hält das Alte hoch und macht es dadurch der Jugend sehr schwer, es kann aber kein Neues durch Ablehnung der Tradition und der alten Komponisten geschaffen werden.« Wir gehen wohl nicht fehl, in diesen Worten Krauss’ über seinen La Roche auch seine persönliche Ansicht wiederzufinden, eine Art von Selbstbekenntnis in dem Augenblick, wo der Dirigent zur Feder gegriffen hat und zum Dichter geworden ist. – 69

GÖTZ K LAUS K EN DE


Heute wollen wir uns fragen: Was gab Richard Strauss Clemens Krauss? Der fruchtbare Gedankenaustausch über Musik und ihre Interpretation, alle Werke betreffend, hat Clemens Krauss geholfen, Maßstäbe zu erhalten und selbst aufstellen zu können wenn es galt, alte oder neue Musik zum Erklingen zu bringen. Ich habe in deutlicher Erinnerung, dass Krauss mir einmal erzählte, er habe sich als junger Kapellmeister gegenüber Richard Strauss nicht sehr positiv über die Musik Gustav Mahlers geäußert. Richard Strauss, dem die Musik seines Zeitgenossen Mahler an sich fremd war, wies trotzdem Krauss’ Urteil in seine Schranken zurück, indem er sagte: »Wenn Sie nur einige Takte Mahler hören, werden Sie sofort sagen können: das ist von Mahler! Und sehen Sie, Krauss, das ist doch schon sehr viel!« Und was gab Clemens Krauss dem Komponisten Richard Strauss? Hier kann man drei Phasen unterscheiden: Die schon vorbildlichen Interpretationen Strauss’scher Werke des jungen Kapellmeisters, für den sich Strauss deswegen sehr früh im berechtigten »sacro egoismo« des Genies einsetzte und dessen steilen Aufstieg bis zum Direktor der Wiener Staatsoper mit 36 Jahren er unterstützte; die dramaturgisch-szenischen Neufassungen jener bisher auf der Bühne nicht zur idealen Wirkung gekommener Werke und die beratende Hilfe beim Entstehen einer neuen gemeinsamen Oper, nach der Richard Strauss keine Oper mehr schreiben wollte und schrieb, obwohl er die Vollendung seines mit 77 Jahren beendeten Opus noch acht Jahre überleben durfte. Krauss hatte nach Durchsicht der fertigen Partitur noch einige Änderungen vorgeschlagen, denen Strauss zustimmte, indem er für »unermüdliche Anregung« dankte, und er schreibt weiter: »Was eine ›neue Oper‹ betrifft, so kann es immerhin erfreulich sein, wenn Sie darüber ›nachdenken‹ wollen. Aber glauben Sie wirklich, dass nach dem Capriccio noch was Besseres oder wenigstens gleich Gutes folgen kann? Ist nicht dieses Des-Dur der beste Abschluss meines theatralischen Lebenswerkes? Man kann doch nur ein Testament hinterlassen!«

→ KS Angelika Kirchschlager als Clairon und KS Bo Skovhus als Graf, 2013

R ICH A R D ST R AUS S U N D CLEMENS K R AUS S

70



Oliver Láng

»CAPRICCIO« AN DER WIENER STAATSOPER Als eine der letzten wichtigen Premieren der Wiener Staatsoper vor der Beendigung des Spielbetriebs im Zweiten Weltkrieg und der Zerstörung des Hauses kam Capriccio am 1. März 1944 erstmals zur Aufführung. Es war Karl Böhm, der sich ja der besonderen Strauss-Pflege verschrieben hatte, der die Premiere musikalisch leitete. Es sangen u.a. Maria Cebotari (Gräfin), Anton Dermota (Flamand), Erich Kunz (Olivier), Paul Schöffler (La Roche), Martha Rohs (Clairon), Alfred Jerger (Graf ). Regisseur war Rudolf Hartmann, der auch die Uraufführung inszeniert hatte. Bis zum 4. Juni dieses Jahres wurde Capriccio noch fünfmal wiederholt. Es dauerte nicht lange, bis die Wiener Staatsoper – wenn auch im Ausweichquartier Theater an der Wien, da das Haus am Ring zerstört war und erst 1955 wiedereröffnet wurde – Capriccio wieder auf den Spielplan brachte. Erneut dirigierte Karl Böhm, die Inszenierung lag wieder in den Händen Rudolf Hartmanns, die Ausstattung stammte diesmal von Gustav Vargo – die Produktion war im Sommer zuvor in ähnlicher Besetzung bei den Salzburger Festspielen gezeigt worden. »Die Aufführung (…) hat außerordentlich hohes Niveau; ja, betrachtet man sämtliche Teilleistungen, die sich zu dem zweistündigen Zauber vereinigen, im Einzelnen, darf man wohl zu dem Schluss kommen, dass noch nie in den letzten Jahren ein Werk auch im kleinsten Detail so vollkommen interpretiert worden war«, las man im Wiener Kurier. Und OLI V ER LÁ NG

72


im Neuen Österreich: »Die Aufführung war noch geschlossener, lebendiger als die Salzburger, Christel Goltz ist eine nachdenklichere, verantwortungsbewusstere Gräfin, weniger der Empfindung hingegeben und selbst in ihrer Herzensnot noch beherrscht. Ihr schönes, fülliges Organ webt mühelos die Goldfäden der Strauss’schen Kantilene in das Stimmgeflecht, es hat Leuchtkraft, Wärme und Glanz. Elisabeth Höngen als Clairon ist geistvoll, amüsant, scharf profiliert: ganz sie selbst. (…) Schöne Kontraste bilden der schwärmerische Flamand Anton Dermota und der in verhaltener Leidenschaft glühende Olivier Hans Braun, die ›freundlichen Gegner‹ und ›verliebten Feinde‹. Großartig Schöfflers La Roche, eine der lebensvollsten Charakterfiguren dieses großen Künstlers!« Noch dreimal dirigierte Karl Böhm diese Oper im Theater an der Wien (zuletzt am 1. Juni 1952 im Rahmen des Richard Strauss-Zyklus), zweimal übernahm Rudolf Kempe die musikalische Leitung. Böhm war es auch, der die nächste Premiere (15. Mai 1960) – nun wieder im Haus am Ring – leitete. Erneut in der Inszenierung von Rudolf Hartmann sowie im Bühnenbild Robert Kautskys. Wer sang? Elisabeth Schwarzkopf (Gräfin), Anton Dermota (Flamand), Walter Berry (Olivier), Paul Schöffler (La Roche), Christel Goltz (Clairon), Hermann Uhde (Graf ); als italienisches Sängerpaar standen Erika Köth und Giuseppe Zampieri auf der Bühne. 16 Mal gab man diese Produktion bis 1963. »Die szenische und musikalische Gestaltung in der Staatsoper wurde durch Karl Böhm, den unvergleichlichen Strauss-Dirigenten, und Rudolf Hartmann, den ruhigen, klugen Regisseur geformt. Sie wurde vom unendlich zart und kammermusikalisch spielenden Orchester getragen und durch einige Sänger zum großen Erlebnis. Elisabeth Schwarzkopf ist die schöne Gräfin, die noble Erscheinung, die geistreiche Frau, die sich weder für den Musiker Flamand noch für den impulsiveren Dichter Olivier entscheiden kann, weil sie durch die Entscheidung für einen den anderen verlieren müsste. Und Paul Schöffler ist der spöttische, weise, theatralische, liebenswerte Theaterdirektor La Roche, der allem Spiel gern zusieht, es gern unsichtbar lenkt…«, meinte Franz Endler in der Kronen Zeitung. Und im Neuen Österreich stand: »Karl Böhm, des Meisters Freund und Testamentsvollstrecker, ließ die Partitur blühen und klingen. Gelegentlich hätte man ihn freilich gern an La Roches Wort: ›Nicht zu laut das Orchester, auf die Sänger nimm Rücksicht‹ erinnert. Am Ende steht, Strauss selbst sagt es, neben dem Problem ›prima la musica e poi le parole‹ auch noch jenes: zuerst der Dirigent oder zuerst der Regisseur? – Aber wir danken ihm doch eine ganz hervorragende Aufführung.« Eine Reihe von Neueinstudierungen und zahlreiche Repertoireaufführungen dieser Produktion folgten: Unter anderem unter den Dirigenten Georges Prêtre, Hans Swarowsky, Horst Stein, Peter Schneider, es sangen die Gräfin zum Beispiel Lisa Della Casa, Gerda Scheyrer, Gundula Janowitz, Felicity Lott, Julia Faulkner, die Partie des Flamand wurde übernommen von Waldemar Kmentt, Thomas Moser, Peter Schreier, Herbert Lippert, Paul Groves, jene 73

CA PR ICCIO A N DER W IEN ER STA ATSOPER


von Olivier von Hermann Prey, Gottfried Hornik, Olaf Bär, Bo Skovhus, Alan Titus, Peter Weber. Den La Roche gaben u.a. Otto Wiener, Theo Adam, Oskar Czerwenka, den Grafen Hans Helm, Robert Kerns, die italienische Sängerin bzw. den italienischen Sänger gestalteten Rita Streich, Arleen Auger, Lucia Popp, Edita Gruberova, Natalie Dessay, Fritz Wunderlich, Adolf Dallapozza, Murray Dickie, Herwig Pecoraro, Ramón Vargas. Als 108. Capriccio-Vorstellung der Wiener Staatsoper feierte die aktuelle Produktion am 7. Juni 2008 Premiere. Philippe Jordan war der Dirigent, es sangen unter seiner Leitung Renée Fleming (Gräfin), Michael Schade (Flamand), Adrian Eröd (Olivier), Franz Hawlata (La Roche), Angelika Kirchschlager (Clairon) und Bo Skovhus (Graf ). Marco Arturo Marelli zeichnete für die Inszenierung und das Bühnenbild verantwortlich, Dagmar Niefind für die Kostüme. »Eine der schönsten Inszenierungen der letzten Jahre. Mit zwei Stars: Technik und Orchester der Wiener Staatsoper. Die aus Vorhängen, Prospekten, Spiegelflächen, markanten Requisiten auf der Drehbühne geschaffene Imagination erfordert präziseste Verwandlungen. Und die delikate, zitatenreiche, kostbare Partitur bedarf einer ebenso präzisen, nuancenreichen Realisierung. Beides war an diesem Premierenabend überzeugend« schrieb Karl Löbl in Österreich. »Marellis Figuren sind moderne Geister … Sie reden und streiten, schwärmen und lieben. Und dringen in klug inszenierte Szenen unter Oberflächen künstlerischer und menschlicher Probleme« (Karlheinz Roschitz, Kronen Zeitung). Und Gert Korentschnig im Kurier: »Exzellent die Inszenierung: Schon lange gab es keine so ästhetische und plausible Regie.« »Berauschend schöne, samtweiche Samttöne« diagnostizierte Wilhelm Sinkovicz (Die Presse) der Gräfin Renée Fleming, Georg Leyrer (APA) sprach von »Euphorischem Jubel für eine Premiere«. Am 20. Juni 2022 kam es zu einer Musikalischen Neueinstudierung unter dem Musikdirektor der Wiener Staatsoper, Philippe Jordan. Es sangen unter anderem Maria Bengtsson, Adrian Eröd, Daniel Behle, Andrè Schuen, Christof Fischesser und Michaela Schuster.

→ Anna Gabler als Gräfin und KS Wolfgang Bankl als La Roche, 2018

CA PR ICCIO A N DER W IEN ER STA ATSOPER

74



Andreas Láng

LEISTET ETWAS FÜR DAS THEATER

Der niedrigste »Adelstitel«, den ein im Theater Tätiger für sich beanspruchen kann ist jener des »Theatermenschen«, wobei es vollkommen unerheblich ist, ob der Betreffende im Musiktheater oder im Schauspiel, als Künstler oder Kunstermöglicher hinter den Kulissen wirkt. Wichtig ist, dass der- beziehungsweise diejenige die Bühne liebt und einige ungeschriebene Gesetze des Theateralltags beherzigt, die da unter anderen wären: das Gebäude des Theaters oder Opernhauses als eigentliche Wohnstatt anzuerkennen; alles in den Kräften Stehende stets einzubringen und knapp vor Premieren und in anderen regelmäßig eintretenden Ausnahmesituationen dieses »alles« zu potenzieren; den persönlichen Gegner, Konkurrenten, Widersacher zu unterstützen, wenn dies dem Endergebnis, also einer Aufführung oder Produktion zugute A N DR EAS LÁ NG

76


kommt; sich an spielfreien Tagen gelegentlich in den leeren Zuschauerraum zu setzen und dessen unbeschreibbar mystische Atmosphäre auf sich wirken zu lassen; den eigentümlichen Geruch, der auf und hinter der Bühne herrscht, zu schätzen; das Gefühl zu haben, Teil respektive Teilinhaber des Theatergebäudes zu sein; stolz auf das eigene Institut zu sein; die Qualität hochzuhalten und – nicht zuletzt – dasjenige Unnennbare zu erfühlen, was im eigenen Bereich notwendig ist, um den Funken auf die Zuschauer überspringen zu lassen. Wer diese Aspekte für sich persönlich unterschreiben kann, ist somit ein echter Theatermensch, ein vom Theatervirus Befallener und unheilbar dem Theater Verfallener, der zugleich all jene, die diesen Gesetzen nicht gehorchen, abfällig mit den Worten aburteilt: »Das ist ja kein Theatermensch, was will der hier?« Das Prädikat Theatermensch ist somit nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch eine Zustandsbeschreibung, auf die der Träger stolz ist.

II Der, in jedem Wortsinn, absoluteste Vertreter der Gattung Theatermensch ist wohl immer der Direktor, da bei ihm alles Praktische und Künstlerische zusammenfließt und in Balance gehalten wird. Theaterleiter, die sich nicht Tag für Tag auf fast religiöse Art und Weise ihrem Haus opfern, haben keine lange Wirkungsdauer. Dem idealen Direktor haben Richard Strauss und Clemens Krauss in Capriccio in der Figur La Roches ein schönes Denkmal gesetzt und zugleich die entsprechenden Eigenschaften postuliert, die dieser mitbringen sollte: So sei er der Freund der heitren Muse, der Förderer der ernsten Kunst, der Bühne ein Vater, den Künstlern ein Schutzgeist, von Göttern geliebt, von Menschen bewundert. Freilich: Ob seiner Praxisnähe wird er zugleich von Theoretikern verachtet und von manchen Dramatikern sowie Komponisten missachtet. Für diese manifestiert sich im Direktor jener Begriff, der von ihnen als Hauptanklagepunkt gegen das Theater an sich vorgebracht wird: Kunstprostitution. Das Theater und mit ihm die dort Agierenden, so der Vorwurf, würden das ihnen anvertraute, reine Kunstwerk um die abendliche Publikumsgunst willen verraten, verunreinigen, entweihen. In Capriccio kommen diese erwähnten Kritiker im Musiker Flamand und im Dichter Olivier zu Wort.

III Sind Kunstschöpfer wie Dichter und Komponisten demnach ab ovo keine Theatermenschen? Ist es verworfen, die Regeln der Bühnenwirksamkeit im Auge zu behalten? Ist es Verrat, hier etwas zu kürzen, dort etwas umzustellen, um die Lebendigkeit des Kunstwerkes überhaupt erst zu ermöglichen? Ist Effekt mit Prostitution gleichzusetzen? »Zum Schluss auf den Trümmern 77

LEIST ET ET WAS F Ü R DAS T HEAT ER


Karthagos großes Ballett«, höhnt Olivier, nachdem La Roche voller Eifer die Szenerie des zweiten Teils seines Festspiels geschildert hat. Der Theatermensch La Roche gibt stellvertretend für alle so Geschmähten der Bühne die sinngemäße Antwort: Leistet einmal etwas für das Theater, dann werdet ihr schon sehen, wie schnell ihr eure Meinung ändert. Gerade im Kampf gegen die niveaulose Unterhaltungsmaschinerie, »an denen sich unsere Hauptstadt ergötzt«, muss eine wirkungsvolle Antwort gegeben werden.

IV Das Publikum ist Teil jener Kunstwerke, die für die Bühne geschaffen werden. Das wussten die genialen Theaterpraktiker wie Shakespeare oder Wagner oder Mozart oder wie sie sonst alle heißen und die allesamt zweifellos Theatermenschen waren. Man kann also kein Kunstwerk für die Bühne schaffen, ohne an die Wirkung zu denken. Demzufolge sind auch Eingriffe der Ausübenden am bestehenden Bühnenkunstwerk legitim, da Aspekte und Details dieser letztlich ephemeren Kunstform Theater zeit-, ort- und gesellschaftsgebunden sind. Mit anderen Worten: Wenn am Eigentlichen nichts geändert wird, darf der Regisseur oder Dirigent durchaus Chirurg spielen, ohne Verrat zu begehen.

V An dem oben erwähnten Unnennbaren, das jene auf und hinter der Bühne mit den Zuschauern im Auditorium verbindet, scheidet sich die Spreu vom Weizen. Wer es erfühlt, vielleicht bereits im Vorhinein erahnt, hat schon halb gewonnen. Wer dann das Richtige daraus machen kann, die Verbindung aufgreift und sie benutzt, hat schließlich ganz gewonnen. Diese beiden Punkte sind entscheidend: erfühlen und dann die Initiative ergreifen. Der große Unterschied zur »niederen Posse«, also der niveaulosen Unterhaltungsmaschinerie: Dort gibt es nichts zu erfühlen.

VI Sind Flamand und Olivier keine Theatermenschen? Sind La Roche und der das Weltenrad der Bühne in Bewegung haltende Souffleur Taupe die einzigen Theatermenschen in Capriccio? Am Beginn erfüllen die beiden Erstgenannten, der Verfasser von Versen und jener von »graziöser Kammermusik«, die Voraussetzungen mit Sicherheit nicht. Da sie aber schlussendlich – mit La Roches Ermahnungen aufgerüstet – aufgrund des fabelhaften StraussKrauss’schen dramaturgischen Einfalls der Spiegelung Capriccio selbst schaffen, indem sie die Ereignisse des eben erlebten Tages als Oper dichten und komponieren, werden sie zu solchen. A N DR EAS LÁ NG

78


VII Capriccio ist ein Stück auf dem Theater über das Theater, in dem vordergründig die alte Fragestellung über den Primat von Wort oder Ton ohne Beantwortung neu beleuchtet wird. Noch mehr aber ist Capriccio eine in Musik und Sprache verpackte Allegorie der Liebe zum Theater, in der der gesamte Kosmos der Bühne, mit all den Problemen, Streitereien, aber auch Beglückungen und Wahrheiten eingefangen ist. Die Apotheose dieser Liebe, die sinnigerweise wortlose, wunderschöne »Mondscheinmusik«, ist zugleich das klingende Musiktheatertestament desjenigen, der als wahrhafter Theatermensch die Kunst nie verriet: das Musiktheatertestament von Richard Strauss.

79

LEIST ET ET WAS F Ü R DAS T HEAT ER


Marco Arturo Marelli

OSZILLIERENDE SPIEGELUNGEN Von der Selbstbespiegelung des Lebens in der Kunst. Einige Gedanken zu Capriccio von Richard Strauss

In einem Salon des Ancien Régime diskutieren feinsinnige Kunstliebhaber, verliebte Künstler und kuriose Theaterschaffende äußerst weitschweifig über die Bedeutung von Wort und Ton und den Inhalt einer in der Entstehung begriffenen Oper. Zahlreiche Formen sind schon ausprobiert worden, viele alte Themen scheinen schon ausgereizt und der Weg zu einer neuen Dramaturgie für die kommende Oper ist noch nicht in Sicht. Da eröffnet der sonst wenig opernbegeisterte Graf allen Streitenden seine Idee: »Schreibt eine Oper, ... Schildert euch selbst! Die Ereignisse des heutigen Tages – was wir alle erlebt – dichtet und komponiert es als Oper!« Dieser Vorschlag des Grafen entpuppt sich als sehr doppel- und auch etwas hintersinnig: noch bevor der Vorhang fällt, beginnen Olivier der Dichter und der Musiker Flamand eben jenes Werk zu schreiben, dessen Handlung sie, und auch wir als Zuschauer, soeben miterlebt haben, also eine Oper, die sich im Vollzug der Aufführung befindet, andererseits aber während der Aufführung selbst geschaffen wird. Was hier wie ein Paradoxon erscheint, stellt für mich eine wichtige Ebene in diesem auffallend vielschichtigen Werk dar. Die Ereignisse im Werk werden so Fundament und zur eigentlichen Vorbedingung für die entstehende Oper, fast wie bei einer Spiegelung, und so wurden Spiegel für mich auch zu einem wichtigen Element in dieser Inszenierung. »Die Bühne enthüllt uns das Geheimnis der Wirklichkeit, wie in einem Zauberspiegel gewahren wir uns selbst«, sagt die Muse dieser Oper, jene Gräfin Madeleine, die versucht von ihrem Spiegelbild schlussendlich nicht nur eine Lösung für das Ende der entstehenden Oper, sondern auch eine Antwort für ihr Selbst und ihre eigene Verliebtheit zu finden. M A RCO A RT U RO M A R ELLI

80


Also: Eine Art Vexierspiel, gespiegelte Gegenwart der vergangenen Ereignisse im künftigen Werk. Ähnliche Vorgänge lassen sich auch in der Musik der Oper beobachten: Begonnen mit der instrumentalen Spiegelung des Streichsextetts vom Orchestergraben auf die Bühne bis hin zur Spiegelung von Zitaten aus eigenen und fremden Werken, aber die verschiedensten Formen aus der Musikgeschichte wie Gigue, Gavotte und Passepied. So verflechten sich auch die verschiedenen Zeitebenen, jene historische von 1780, in welcher das Stück angesiedelt ist, mit jener der Entstehung, wie auch der heutigen der Interpretation. Außerdem vermischen und verschieben sich die verschiedenen Ebenen des Bühnenbildes, zunächst, der blaue Raum für die theoretische Diskussion von der schwierigen und vielschichtigen Verbindung von Wort und Ton im musikalischen Theater, dann der rote Theatervorhang als Symbol für das Theater und die Welt der Oper; und weiter, der Spiegelsaal als Raum für jenes private »Salonstück«, das von den narzisstischen Herzensnöten der beiden jungen, verliebten Autoren und ihrer angebeteten Mäzenin sowie den erotischen Eskapaden des Hausherrn handelt. Eine Art Schwebezustand ist diesem theatralischen Testament von Richard Strauss eigen, ein subtiles Gemisch von Ironie, rückblickender und auch vorausblickender Resignation. Mit einer tiefen Wehmut und altersweisen Einsicht beschließt er sein Opernwerk zu einer Zeit, wo nicht nur seine eigene Lebenszeit zu Ende geht, sondern auch eine ganze Epoche zusammenbricht. Noch einmal möchte der greise Komponist jene Welt aufscheinen lassen, von der seine Protagonistin in diesem Schwanengesang so sehnsuchtsvoll singt: »Fühlt es mit mir, dass allen Künsten nur eine Heimat eigen ist: Unser nach Schönheit dürstendes Herz.« Am Ende seines langen Opernschaffens, nach all dem dramatischen Pathos und der konventionellen Dramaturgie der früheren Werke, erschafft Strauss mit Capriccio ein feinsinniges, zartes Vermächtnis, eine Oper über die Unmöglichkeit eine Oper zu schreiben, eine Aufhebung der Gattung der traditionellen Oper mit ihren eigenen Mitteln, ein Rückblick auf Vergangenes wie auch ein Ausblick auf Künftiges. Den Schlussgesang sehe ich dann auch von den vorangegangenen Szenen abgekoppelt. Eigentlich stellt er schon die Schlussszene der eben entstehenden Oper dar, die mit der sogenannten »Mondscheinmusik« als Ouvertüre eingeleitet wird. Darin sehen wir Madeleine, wie sie, nach all den Wirrnissen ihres Herzens, doch noch in ihrer Rolle der Muse aufgeht. Sie hatte sich etwas in die beiden jungen Männer verliebt, doch sie wird keinen der beiden, weder den Dichter noch den Komponisten, erhören, nein, das wäre, wie sie selbst bemerkt, doch etwas zu banal und wirklich viel zu trivial. Nur so kann sie sich in ihrer Rolle als Muse und Kunstmäzenin treu bleiben. Danach aber, vom Haushofmeister trocken eingeleitet, der scheinbar trivialste Schluss, der in einer Oper überhaupt möglich ist: »Frau Gräfin, das Souper ist serviert.«

81

OSZILLIER EN DE SPIEGELU NGEN


Johann Wolfgang von Goethe → Wilhelm Meisters Lehrjahre

Jeder ist wohl zufrieden, eine schöne, lobenswürdige Rolle zu übernehmen; selten aber tut einer mehr, als sich mit Selbstgefälligkeit an die Stelle des Helden zu setzen, ohne sich im mindesten zu bekümmern, ob ihn auch jemand dafürhalten werde.


SO GUT SCHMECKEN 160 JAHRE ERFAHRUNG.

juliusmeinl.at juliusmeinlaustria


Impressum Richard Strauss CAPRICCIO Spielzeit 2021/22 (Premiere der Produktion 7. Juni 2008) HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Musikdirektor: Philippe Jordan Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Redaktion: Sergio Morabito, Andreas Láng, Oliver Láng Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Julia Pötsch Bildkonzept Cover: Martin Conrads, Berlin Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau TEXTNACHWEISE Oliver Láng: Über dieses Programmbuch Alle anderen Texte wurden aus dem Capriccio-Programmheft der Wiener Staatsoper (Premiere am 7. Juni 2008) übernommen. Die Handlung wurde von Andrew Smith ins Englische übersetzt. Alle Texte – außer jene von Richard Strauss, Clemens Krauss, Viorica Ursuleac, Johann Wolfgang von Goethe, Heiko Cullmann, Götz Klaus Kende, Marco Arturo Marelli und Hans Swarowsky – waren Originalbeiträge für die Wiener Staatsoper BILDNACHWEISE Coverbild: Le Fawnhawk x Tasya Van Ree: Birth of Oxen Szenenbilder Seite 2/3, 13, 27, 41, 46/47, 54/55, 71, 75: Michael Pöhn / Wiener Staatsoper GmbH Szenenbilder Seite 8/9, 59: Axel Zeininger / Wiener Staatsoper GmbH Nachdruck nur mit Genehmigung der Wiener Staatsoper GmbH / Dramaturgie Kürzungen werden nicht extra gekennzeichnet. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechteabgeltung um Nachricht gebeten.

Die Produktion von Capriccio wird gefördert von


Generalsponsoren der Wiener Staatsoper


→ wiener-staatsoper.at


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.