Wien Museum Ausstellungskatalog „Burg Stars - 200 Jahre Theaterkult“

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WIEN MUSEUM

BURG STARS 200 JAHRE THEATERKULT

Christian Brandst채tter Verlag 2


Eine Kooperation mit dem Burgtheater

Christian Brandst채tter Verlag


Eine Kooperation mit dem Burgtheater

Christian Brandst채tter Verlag


Inhalt

Burg Stars 200 Jahre Theaterkult 380. Sonderausstellung des Wien Museums Wien Museum Hermesvilla 30.3. bis 4.11.2012

6 Vorworte Wolfgang Kos, Ma hias Hartmann

Ausstellung

Katalog

Konzept / Kuratorin Alexandra Hönigmann-Tempelmayr

Herausgeberin Alexandra Hönigmann-Tempelmayr im Auftrag des Wien Museums

Kuratorische Mitarbeit Ralph Gleis Ausstellungsgestaltung und Ausstellungsgrafik Olaf Osten / Dzengel + Osten Grafik-Design Ausstellungsproduktion Alexandra Hönigmann-Tempelmayr Registrar Laura Tomicek Restaurierung Marguerite Ifsits Regula Künzli Karin Maierhofer Violetta Miller Alexandra Moser Sabine Reinisch Viktoria Wagesreiter Lektorat Fanny Esterházy Übersetzung Nick Somers Aufbau hs art service austria Werkstätten Wien Museum Mitarbeit Burgtheater Anja Reisch Claudia Kaufmann-Freßner Karl Heindl Eine Kooperation mit dem Burgtheater Mit freundlicher Unterstützung der Bundestheater-Holding

Bildredaktion Alexandra Hönigmann-Tempelmayr, Bärbl Schrems Grafische Gestaltung Olaf Osten / Dzengel + Osten Grafik-Design Lektorat Fanny Esterházy Verlag Christian Brandstätter Verlag, Wien Herstellung Druck Copyright 2012 by Wien Museum und Christian Brandstätter Verlag, Wien ISBN- 978-3-902312-26-6 Alle Rechte, auch die des Abdrucks von Auszügen oder der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verlages ist unzulässig. Die gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

8 Zur Ausstellung Alexandra Hönigmann-Tempelmayr 14 Das Burgtheater auf dem Weg zur Starbühne Das „erste“ Ensemble (1776–1789) 24 Die Burg im Biedermeier Die Ära Schreyvogel (1814–1832) 32 Golden Stars Die Glanzzeit des alten Burgtheaters in der 2. Häl e des 19. Jahrhunderts 44 Au ruch in eine neue Zeit Der Umzug in das neue Haus am Ring 50 Starkult versus Ensemblespiel Von der Jahrhundertwende bis in die 1930er-Jahre 58 Im Scha en der Politik Das Burgtheater in den 1930/40er-Jahren 68 Publikumslieblinge Das Burgtheater 1945–1980 76 Die „Neue Porträtgalerie“ des Burgtheaters Burgstars der Gegenwart 86 Anhang


Inhalt

Burg Stars 200 Jahre Theaterkult 380. Sonderausstellung des Wien Museums Wien Museum Hermesvilla 30.3. bis 4.11.2012

6 Vorworte Wolfgang Kos, Ma hias Hartmann

Ausstellung

Katalog

Konzept / Kuratorin Alexandra Hönigmann-Tempelmayr

Herausgeberin Alexandra Hönigmann-Tempelmayr im Auftrag des Wien Museums

Kuratorische Mitarbeit Ralph Gleis Ausstellungsgestaltung und Ausstellungsgrafik Olaf Osten / Dzengel + Osten Grafik-Design Ausstellungsproduktion Alexandra Hönigmann-Tempelmayr Registrar Laura Tomicek Restaurierung Marguerite Ifsits Regula Künzli Karin Maierhofer Violetta Miller Alexandra Moser Sabine Reinisch Viktoria Wagesreiter Lektorat Fanny Esterházy Übersetzung Nick Somers Aufbau hs art service austria Werkstätten Wien Museum Mitarbeit Burgtheater Anja Reisch Claudia Kaufmann-Freßner Karl Heindl Eine Kooperation mit dem Burgtheater Mit freundlicher Unterstützung der Bundestheater-Holding

Bildredaktion Alexandra Hönigmann-Tempelmayr, Bärbl Schrems Grafische Gestaltung Olaf Osten / Dzengel + Osten Grafik-Design Lektorat Fanny Esterházy Verlag Christian Brandstätter Verlag, Wien Herstellung Druck Copyright 2012 by Wien Museum und Christian Brandstätter Verlag, Wien ISBN- 978-3-902312-26-6 Alle Rechte, auch die des Abdrucks von Auszügen oder der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verlages ist unzulässig. Die gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

8 Zur Ausstellung Alexandra Hönigmann-Tempelmayr 14 Das Burgtheater auf dem Weg zur Starbühne Das „erste“ Ensemble (1776–1789) 24 Die Burg im Biedermeier Die Ära Schreyvogel (1814–1832) 32 Golden Stars Die Glanzzeit des alten Burgtheaters in der 2. Häl e des 19. Jahrhunderts 44 Au ruch in eine neue Zeit Der Umzug in das neue Haus am Ring 50 Starkult versus Ensemblespiel Von der Jahrhundertwende bis in die 1930er-Jahre 58 Im Scha en der Politik Das Burgtheater in den 1930/40er-Jahren 68 Publikumslieblinge Das Burgtheater 1945–1980 76 Die „Neue Porträtgalerie“ des Burgtheaters Burgstars der Gegenwart 86 Anhang


Vorworte Wolfgang Kos Direktor Wien Museum Das Burgtheater am Spielplan des Wien Museums – mit Au ri en von Berühmtheiten wie Charlo e Wolter, Josef Kainz oder A ila Hörbiger: eine hochkarätige Kooperation zweier wichtiger Institutionen des Wiener Kulturlebens. Die Gemälde stammen großteils aus der riesigen und in Europa einzigartigen Porträtsammlung des Burgtheaters, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Etliche der Erinnerungsbilder sind üblicherweise in den Pausengängen der Burg zu sehen. Das Theaterpublikum kennt sie so gut, dass sie zumeist routiniert, also nebenbei, wahrgenommen werden. Nun haben die Porträts, in denen sich die Wiener „Theatromanie“ (Stefan Zweig) spiegelt, erstmals das Theater temporär verlassen – das bietet ihnen die Chance, mit voller Aufmerksamkeit betrachtet zu werden. Die Porträts all der legendären, zum Teil auch vergessenen Burgstars sind in einen größeren Kontext eingebe et: Sie stehen für die spezielle Wiener Schauspieler-Verehrung und den Kult, der seit über 250 Jahren speziell das Burgtheater begleitet. Immer schon wurde beklagt, dass die Mimen o wichtiger waren als die Stücke. Der Mythos hängt eng damit zusammen, dass „die Burg“ (die auch in der Republik so heißt) ein kaiserliches Ho heater war, das den Anspruch ha e, die führende deutschsprachige Bühne zu sein – auch in jenen Phasen, in denen andere Theater innovativer waren. Wir haben historische Begriffe zum Teil durch moderne Synonyme ersetzt: „Stars“ sta „Lieblinge“ oder „Hall of Fame“ sta „Ehrengalerie“. Und es werden neue Fragen an das Bildmaterial gestellt, etwa mediengeschichtliche. Während in der Frühzeit die Porträts fast durch-

Ma hias Hartmnann Direktor Burgtheater wegs auf der Höhe der künstlerischen Produktion waren, wurden im Lauf des 19. und vor allem im frühen 20. Jahrhundert zunehmend Modemaler beau ragt, die zwar damals repräsentativ, aber letztlich wenig relevant für die Entwicklung der Malerei waren. Top-Künstler wie Ferdinand Georg Waldmüller, Hans Makart oder Carry Hauser stellen eher Ausnahmen dar. Im 20. Jahrhundert verlor das gemalte Porträt von Schauspielern endgültig seine Exklusivität. Nun waren es Massen-Bildmedien wie Film, Illustrierte oder Fernsehen, die eine Popularität brachten, die weit über die Theaterwelt hinausging. Bühnenstars wie Paula Wessely oder Josef Meinrad wirkten in Erfolgsfilmen mit oder waren auf Covers von Fan-Magazinen zu sehen. Diese Veränderung der Öffentlichkeit war der Hauptgrund, warum auch im Burgtheater die „Ehrengalerie“ an Bedeutung verlor, bis diese Tradition in den 50er- und 60er-Jahren langsam auslief. Prominente Mimen aus dieser Ära fehlen daher in diesem Katalogbuch. Erst vor wenigen Jahren beau ragte Direktor Klaus Bachler wieder bildende Künstler, wichtige Schauspieler zu porträtieren – allerdings mit einem wesentlichen Neuansatz: Es sollten Künstler auf der Höhe der Kunstentwicklung sein, wie Franz Graf, Erwin Wurm oder Elke Krystufek. Auch das Medium Fotografie wurde nun eingesetzt. Dadurch ist in der Ausstellung ein Finale möglich, das die Gefahr einer Nostalgie-Schau kontrastiert. Nach welchen Kriterien wurde die Auswahl getroffen? Angesichts der Qualitätsunterschiede der Bilder lautete die Strategie: nach Möglichkeit berühmte Schauspieler, die von Spitzenkünstlern gemalt wurden. Und in zweiter Linie:

6

legendäre Stars auf mi elprächtigen Bildern oder Spitzenkunst, auch wenn nicht ganz so berühmte Mimen porträtiert sind. Neben den Porträts aus der Sammlung des Burgtheaters zeigt die Ausstellung auch wichtige Objekte aus der Sammlung des Wien Museums, darunter epochale Gemälde wie Hans Makarts Porträt von Superstar Charlo e Wolter sowie Totenmasken, Erinnerungsgegenstände und Fotos. Zu danken habe ich der langjährigen Burgschauspielerin Lo e Tobisch: Von ihr kam die Idee, diese Ausstellung zu machen, auch aufgrund ihrer Sorge, die Ehrengalerie könnte in Vergessenheit geraten. Seitens des Burgtheaters engagierte sich im Dialog mit meinem Co-Direktor Christian Kircher speziell die kaufmännische Leiterin Silvia Stantejsky für das Projekt. Mein Dank gilt vor allem Alexandra HönigmannTempelmayr, Kuratorin des Wien Museums, die – unterstützt vom Kunstspezialisten Ralph Gleis – die Ausstellung entwickelt und souverän umgesetzt hat. Es war klar, dass eine konventionelle Hängung anno 2012 wenig bringt. Deshalb war die Rolle des Gestalters und Grafikers Olaf Osten so wichtig: Er scha e es, Raumeindrücke zu inszenieren, die einerseits Theaterpracht zitieren, gleichzeitig aber der Gefahr des „Miefigen“ gegensteuern und zu einer analytischen Wahrnehmung einladen. Raumansichten der Ausstellung finden sich in diesem Buch. Immer wieder wurden die Einzelporträts zu Ensembles zusammengefasst, auch als Referenz an das Burgtheater. Der Konflikt zwischen dem legendären Ensemble-Gedanken und der Sonderrolle von Einzelstars zieht sich ja durch die Geschichte des Hauses am Ring.

7

Das Burgtheater begrüßt die Initiative des Wien Museums, die einzigartige Porträtsammlung des Theaters an einem historisch interessanten Ort – der Hermesvilla – zu zeigen und durch eigene Museumsstücke zu ergänzen. Es gibt ja keine andere Stadt im deutschsprachigen Raum, in der Schauspieler so geliebt werden wie hier in Wien. Ein Beispiel dafür: Ein junger Schauspieler auf Wohnungssuche in Hamburg. Er findet eine passende Wohnung, ist schon fast mit der Vermieterin einig, dann die Frage: „Was machen Sie denn beruflich?“– „Ich bin Schauspieler.“ Das Gesicht der Vermieterin verändert sich merklich. „Nun ja, ich bin noch einem anderen Interessenten mehr oder minder im Wort …“ – Der Schauspieler bekommt die Wohnung nicht. Dieselbe Situation in Wien. Auf die Frage der Vermieterin die Antwort: „Ich bin am Burgtheater engagiert.“ Strahlendes Gesicht der Dame, glücklicher Ausruf: „Sie bekommen die Wohnung!“ Deshalb sind Schauspieler so gerne in dieser Stadt.


Vorworte Wolfgang Kos Direktor Wien Museum Das Burgtheater am Spielplan des Wien Museums – mit Au ri en von Berühmtheiten wie Charlo e Wolter, Josef Kainz oder A ila Hörbiger: eine hochkarätige Kooperation zweier wichtiger Institutionen des Wiener Kulturlebens. Die Gemälde stammen großteils aus der riesigen und in Europa einzigartigen Porträtsammlung des Burgtheaters, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Etliche der Erinnerungsbilder sind üblicherweise in den Pausengängen der Burg zu sehen. Das Theaterpublikum kennt sie so gut, dass sie zumeist routiniert, also nebenbei, wahrgenommen werden. Nun haben die Porträts, in denen sich die Wiener „Theatromanie“ (Stefan Zweig) spiegelt, erstmals das Theater temporär verlassen – das bietet ihnen die Chance, mit voller Aufmerksamkeit betrachtet zu werden. Die Porträts all der legendären, zum Teil auch vergessenen Burgstars sind in einen größeren Kontext eingebe et: Sie stehen für die spezielle Wiener Schauspieler-Verehrung und den Kult, der seit über 250 Jahren speziell das Burgtheater begleitet. Immer schon wurde beklagt, dass die Mimen o wichtiger waren als die Stücke. Der Mythos hängt eng damit zusammen, dass „die Burg“ (die auch in der Republik so heißt) ein kaiserliches Ho heater war, das den Anspruch ha e, die führende deutschsprachige Bühne zu sein – auch in jenen Phasen, in denen andere Theater innovativer waren. Wir haben historische Begriffe zum Teil durch moderne Synonyme ersetzt: „Stars“ sta „Lieblinge“ oder „Hall of Fame“ sta „Ehrengalerie“. Und es werden neue Fragen an das Bildmaterial gestellt, etwa mediengeschichtliche. Während in der Frühzeit die Porträts fast durch-

Ma hias Hartmnann Direktor Burgtheater wegs auf der Höhe der künstlerischen Produktion waren, wurden im Lauf des 19. und vor allem im frühen 20. Jahrhundert zunehmend Modemaler beau ragt, die zwar damals repräsentativ, aber letztlich wenig relevant für die Entwicklung der Malerei waren. Top-Künstler wie Ferdinand Georg Waldmüller, Hans Makart oder Carry Hauser stellen eher Ausnahmen dar. Im 20. Jahrhundert verlor das gemalte Porträt von Schauspielern endgültig seine Exklusivität. Nun waren es Massen-Bildmedien wie Film, Illustrierte oder Fernsehen, die eine Popularität brachten, die weit über die Theaterwelt hinausging. Bühnenstars wie Paula Wessely oder Josef Meinrad wirkten in Erfolgsfilmen mit oder waren auf Covers von Fan-Magazinen zu sehen. Diese Veränderung der Öffentlichkeit war der Hauptgrund, warum auch im Burgtheater die „Ehrengalerie“ an Bedeutung verlor, bis diese Tradition in den 50er- und 60er-Jahren langsam auslief. Prominente Mimen aus dieser Ära fehlen daher in diesem Katalogbuch. Erst vor wenigen Jahren beau ragte Direktor Klaus Bachler wieder bildende Künstler, wichtige Schauspieler zu porträtieren – allerdings mit einem wesentlichen Neuansatz: Es sollten Künstler auf der Höhe der Kunstentwicklung sein, wie Franz Graf, Erwin Wurm oder Elke Krystufek. Auch das Medium Fotografie wurde nun eingesetzt. Dadurch ist in der Ausstellung ein Finale möglich, das die Gefahr einer Nostalgie-Schau kontrastiert. Nach welchen Kriterien wurde die Auswahl getroffen? Angesichts der Qualitätsunterschiede der Bilder lautete die Strategie: nach Möglichkeit berühmte Schauspieler, die von Spitzenkünstlern gemalt wurden. Und in zweiter Linie:

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legendäre Stars auf mi elprächtigen Bildern oder Spitzenkunst, auch wenn nicht ganz so berühmte Mimen porträtiert sind. Neben den Porträts aus der Sammlung des Burgtheaters zeigt die Ausstellung auch wichtige Objekte aus der Sammlung des Wien Museums, darunter epochale Gemälde wie Hans Makarts Porträt von Superstar Charlo e Wolter sowie Totenmasken, Erinnerungsgegenstände und Fotos. Zu danken habe ich der langjährigen Burgschauspielerin Lo e Tobisch: Von ihr kam die Idee, diese Ausstellung zu machen, auch aufgrund ihrer Sorge, die Ehrengalerie könnte in Vergessenheit geraten. Seitens des Burgtheaters engagierte sich im Dialog mit meinem Co-Direktor Christian Kircher speziell die kaufmännische Leiterin Silvia Stantejsky für das Projekt. Mein Dank gilt vor allem Alexandra HönigmannTempelmayr, Kuratorin des Wien Museums, die – unterstützt vom Kunstspezialisten Ralph Gleis – die Ausstellung entwickelt und souverän umgesetzt hat. Es war klar, dass eine konventionelle Hängung anno 2012 wenig bringt. Deshalb war die Rolle des Gestalters und Grafikers Olaf Osten so wichtig: Er scha e es, Raumeindrücke zu inszenieren, die einerseits Theaterpracht zitieren, gleichzeitig aber der Gefahr des „Miefigen“ gegensteuern und zu einer analytischen Wahrnehmung einladen. Raumansichten der Ausstellung finden sich in diesem Buch. Immer wieder wurden die Einzelporträts zu Ensembles zusammengefasst, auch als Referenz an das Burgtheater. Der Konflikt zwischen dem legendären Ensemble-Gedanken und der Sonderrolle von Einzelstars zieht sich ja durch die Geschichte des Hauses am Ring.

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Das Burgtheater begrüßt die Initiative des Wien Museums, die einzigartige Porträtsammlung des Theaters an einem historisch interessanten Ort – der Hermesvilla – zu zeigen und durch eigene Museumsstücke zu ergänzen. Es gibt ja keine andere Stadt im deutschsprachigen Raum, in der Schauspieler so geliebt werden wie hier in Wien. Ein Beispiel dafür: Ein junger Schauspieler auf Wohnungssuche in Hamburg. Er findet eine passende Wohnung, ist schon fast mit der Vermieterin einig, dann die Frage: „Was machen Sie denn beruflich?“– „Ich bin Schauspieler.“ Das Gesicht der Vermieterin verändert sich merklich. „Nun ja, ich bin noch einem anderen Interessenten mehr oder minder im Wort …“ – Der Schauspieler bekommt die Wohnung nicht. Dieselbe Situation in Wien. Auf die Frage der Vermieterin die Antwort: „Ich bin am Burgtheater engagiert.“ Strahlendes Gesicht der Dame, glücklicher Ausruf: „Sie bekommen die Wohnung!“ Deshalb sind Schauspieler so gerne in dieser Stadt.


Burg Stars Zur Ausstellung

Alexandra Hönigmann-Tempelmayr Kuratorin Wien Museum Die Ausstellung „Burg Stars“ zeigt Porträts aus der Ehrengalerie des Burgtheaters, die, gegründet 1786 durch Kaiser Joseph II., mi lerweile Darstellungen von Burgschauspielern aus vier Jahrhunderten umfasst. Die Schauspielerporträts, ergänzt um Gemälde, Plastiken und Erinnerungsgegenstände aus der Sammlung des Wien Museums, spiegeln den Mythos um die Bühnenstars. Die Burg ist seit jeher als „SchauspielerTheater“ bekannt, um die Darsteller gab es stets einen starken Personenkult. Als Hofschauspieler standen die Mimen im Blickfeld des Kaisers und genossen vor allem im 19. Jahrhundert bei Adel und Bürgertum hohes Ansehen.

Im Jahr 1776 schließlich erhob Joseph II. das „Theater nächst der Burg“ zum „Teutschen Nationaltheater“. Das Haus wurde direkt der Verwaltung des Hofes unterstellt und der Schauspieltruppe der deutschen Komödianten zugewiesen, die zu k. k. Hofschauspielern avancierten. Um die „Schauspieler des Kaisers“ setzte von Anfang an ein Starwesen ein, das im Au rag des Kaisers zu einer Porträtgalerie seinen größten Ausdruck fand.

Der gesellscha liche Aufstieg der Schauspieler war eine Folge der in Wien vor allem in den 1760er Jahren intensiv geführten TheaterDeba e, an deren Spitze der Au lärer Joseph von Sonnenfels stand. Im Zuge seiner Forderungen nach einem Nationaltheater verlangte er auch nach Nationalschauspielern.1 Das Theater übernahm bei ihm die Funktion einer „Si enschule“ der Nation. Dementsprechend galt ihm der Komödiantenstand als Beruf mit besonderer Verantwortung für die Öffentlichkeit, um dessen soziale Integration er sich bemühte.2 Die adelige Gesellscha sollte Schauspielern ihre Häuser öffnen – eine beachtliche Forderung, wenn man bedenkt, dass Maria Theresia 1762 der Aristokratie den privaten Umgang mit Komödianten aus moralischen Gründen untersagt ha e. Die als „Si enlehrer“ der Nation und somit zu hoher Verantwortung für die Öffentlichkeit aufgerufenen Schauspieler mahnte Sonnenfels zu „Anstand“ und Ethos.3

Im 18. Jahrhundert war es in Österreich üblich, Adelige und Feldherren zu porträtieren, nicht jedoch Schauspieler. Mit dem kaiserlichen Au rag von 1786, führende Mimen des Nationaltheaters vom Hofmaler Joseph Hickel porträtieren zu lassen, entstand eine in Europa einzigartige „Schauspieler-Galerie“,4 die in einem Verbindungsgang zwischen der Ho urg und dem Burgtheater am Michaelerplatz eingerichtet wurde.

Die Ehrengalerie Eine „Hall of Fame“ der Schauspielkunst

Die Sammlung wurde im 19. Jahrhundert laufend erweitert, nach Porträts führender Darsteller aus der ersten Blütezeit des Burgtheaters im Biedermeier wie Sophie Schröder und Heinrich Anschütz entstanden in der zweiten Häl e des 19. Jahrhunderts, als das Burgtheater zur führenden Bühne des deutschen Sprachraums wurde, Bildnisse von Stars wie Joseph Lewinsky oder Zerline Gabillon. Immer wieder überragten einzelne Schauspieler die 8

Das k. k. Hoftheater nächst der Burg, um 1826 (Ausschnitt) Kupferstich, koloriert Wien Museum Die Anfänge des Burgtheaters reichen in das Jahr 1741 zurück, als Maria Theresia die Umwandlung des Hofballhauses nächst der Burg am Michaelerplatz in ein Theater genehmigte. Dieses Theater wurde von verschiedenen Pächtern oder direkt vom Hof betrieben. Zur Aufführung kamen italienische Opern, französische Schauspiele, Ballette oder deutsche Komödien. 1776 erhob Joseph II. das „Theater nächst der Burg“ zum „Teutschen Nationaltheater“, an dem das deutsche Sprechstück gepflegt werden sollte. Das Nationaltheater kam unter die Verwaltung des Hofes, die Schauspieler wurden zu k. k. Hofschauspielern. Opern und Singspiele blieben weiterhin Teil des Repertoires; erst ab dem Jahr 1810 wurden ausschließlich Sprechstücke gespielt.

9

Aus: Johann Heinrich Friedrich Müllers Abschied von der K. K. Hof- und Nationalschaubühne Wien 1802 Wien Museum Johann H. F. Müller bestätigt, dass die Galerie 1786 in Auftrag gegeben wurde, und schreibt, dass die Auswahl der Schauspieler durch Kaiser Joseph II. erfolgte.


Burg Stars Zur Ausstellung

Alexandra Hönigmann-Tempelmayr Kuratorin Wien Museum Die Ausstellung „Burg Stars“ zeigt Porträts aus der Ehrengalerie des Burgtheaters, die, gegründet 1786 durch Kaiser Joseph II., mi lerweile Darstellungen von Burgschauspielern aus vier Jahrhunderten umfasst. Die Schauspielerporträts, ergänzt um Gemälde, Plastiken und Erinnerungsgegenstände aus der Sammlung des Wien Museums, spiegeln den Mythos um die Bühnenstars. Die Burg ist seit jeher als „SchauspielerTheater“ bekannt, um die Darsteller gab es stets einen starken Personenkult. Als Hofschauspieler standen die Mimen im Blickfeld des Kaisers und genossen vor allem im 19. Jahrhundert bei Adel und Bürgertum hohes Ansehen.

Im Jahr 1776 schließlich erhob Joseph II. das „Theater nächst der Burg“ zum „Teutschen Nationaltheater“. Das Haus wurde direkt der Verwaltung des Hofes unterstellt und der Schauspieltruppe der deutschen Komödianten zugewiesen, die zu k. k. Hofschauspielern avancierten. Um die „Schauspieler des Kaisers“ setzte von Anfang an ein Starwesen ein, das im Au rag des Kaisers zu einer Porträtgalerie seinen größten Ausdruck fand.

Der gesellscha liche Aufstieg der Schauspieler war eine Folge der in Wien vor allem in den 1760er Jahren intensiv geführten TheaterDeba e, an deren Spitze der Au lärer Joseph von Sonnenfels stand. Im Zuge seiner Forderungen nach einem Nationaltheater verlangte er auch nach Nationalschauspielern.1 Das Theater übernahm bei ihm die Funktion einer „Si enschule“ der Nation. Dementsprechend galt ihm der Komödiantenstand als Beruf mit besonderer Verantwortung für die Öffentlichkeit, um dessen soziale Integration er sich bemühte.2 Die adelige Gesellscha sollte Schauspielern ihre Häuser öffnen – eine beachtliche Forderung, wenn man bedenkt, dass Maria Theresia 1762 der Aristokratie den privaten Umgang mit Komödianten aus moralischen Gründen untersagt ha e. Die als „Si enlehrer“ der Nation und somit zu hoher Verantwortung für die Öffentlichkeit aufgerufenen Schauspieler mahnte Sonnenfels zu „Anstand“ und Ethos.3

Im 18. Jahrhundert war es in Österreich üblich, Adelige und Feldherren zu porträtieren, nicht jedoch Schauspieler. Mit dem kaiserlichen Au rag von 1786, führende Mimen des Nationaltheaters vom Hofmaler Joseph Hickel porträtieren zu lassen, entstand eine in Europa einzigartige „Schauspieler-Galerie“,4 die in einem Verbindungsgang zwischen der Ho urg und dem Burgtheater am Michaelerplatz eingerichtet wurde.

Die Ehrengalerie Eine „Hall of Fame“ der Schauspielkunst

Die Sammlung wurde im 19. Jahrhundert laufend erweitert, nach Porträts führender Darsteller aus der ersten Blütezeit des Burgtheaters im Biedermeier wie Sophie Schröder und Heinrich Anschütz entstanden in der zweiten Häl e des 19. Jahrhunderts, als das Burgtheater zur führenden Bühne des deutschen Sprachraums wurde, Bildnisse von Stars wie Joseph Lewinsky oder Zerline Gabillon. Immer wieder überragten einzelne Schauspieler die 8

Das k. k. Hoftheater nächst der Burg, um 1826 (Ausschnitt) Kupferstich, koloriert Wien Museum Die Anfänge des Burgtheaters reichen in das Jahr 1741 zurück, als Maria Theresia die Umwandlung des Hofballhauses nächst der Burg am Michaelerplatz in ein Theater genehmigte. Dieses Theater wurde von verschiedenen Pächtern oder direkt vom Hof betrieben. Zur Aufführung kamen italienische Opern, französische Schauspiele, Ballette oder deutsche Komödien. 1776 erhob Joseph II. das „Theater nächst der Burg“ zum „Teutschen Nationaltheater“, an dem das deutsche Sprechstück gepflegt werden sollte. Das Nationaltheater kam unter die Verwaltung des Hofes, die Schauspieler wurden zu k. k. Hofschauspielern. Opern und Singspiele blieben weiterhin Teil des Repertoires; erst ab dem Jahr 1810 wurden ausschließlich Sprechstücke gespielt.

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Aus: Johann Heinrich Friedrich Müllers Abschied von der K. K. Hof- und Nationalschaubühne Wien 1802 Wien Museum Johann H. F. Müller bestätigt, dass die Galerie 1786 in Auftrag gegeben wurde, und schreibt, dass die Auswahl der Schauspieler durch Kaiser Joseph II. erfolgte.


übrigen Ensemblemitglieder, wie zum Beispiel Johanna Sacco, die „Abgö in“ des Publikums aus dem ersten Ensemble des Burgtheaters, oder Charlo e Wolter, die zur Zeit des Historismus als Inbegriff des Burgtheaterstils galt. Mit dem Umzug vom alten Burgtheater am Michaelerplatz in den neuen Prunkbau am Ring 1888 begann eine neue Epoche in der Geschichte des Hauses. Schauspieler wie Friedrich Mi erwurzer oder Josef Kainz, beide Vertreter moderner Schauspielkunst, stellten den als Ideal beschworenen traditionellen Burgtheaterstil in Frage und das Ensemble regelrecht vor eine Zerreißprobe.5 Im 20. Jahrhundert wurde die „Hall of Fame“ der Burg nur noch fallweise ergänzt, etwa durch Porträts bedeutender Ensemblemitglieder wie Rosa Albach-Re y oder Raoul Aslan, die ihre Glanzzeit in den 1920/30er Jahren ha en – zu einer Zeit, als Berlin Wien den Ruf der führenden Theaterstadt bereits streitig gemacht ha e.6 Mit Werner Krauß kam zu Beginn der 1930er Jahre einer der größten deutschen Schauspieler an die Burg. Während der NS-Zeit erwies er sich als regimetreuer Künstler; 1943 gab er den Shylock als antisemitische Karikatur – zu einem Zeitpunkt, als jüdische Ensemblemitglieder wie zum Beispiel Else Wohlgemuth das Burgtheater aus „rassischen Gründen“ längst ha en verlassen müssen.7 Mit Gemälden von Josef Meinrad, Paula Wessely, A ila Hörbiger oder Gusti Wolf erinnert die Ehrengalerie an große Burgschauspieler, die das Ensemble nach 1945 über Jahrzehnte prägten und die ihre Popularität durch ihre Mitwirkung in Film und Fernsehen enorm steigern konnten. Die Tradition, Schauspieler durch gemalte Porträts in die Ehrengalerie aufzunehmen, ging gegen Ende des 20. Jahrhunderts deutlich zurück. 2006 wurde mit der „Neuen Porträtgalerie“, die unter anderem Porträts von Michael Heltau oder Birgit Minichmayr umfasst, ein neuer Impuls gesetzt, der zugleich den markanten Abschluss dieser Schau bildet.

Die Ehrengalerie im Pausenfoyer des Burgtheaters

1 Joseph von Sonnenfels: Briefe über die wienerische

Schaubühne (Wien 1768), hg. v. Hilde HaiderPregler, Graz 1988, S. 176. 2 Hilde Haider-Pregler: Die Schaubühne als

„Sittenschule“ der Nation. Joseph von Sonnenfels und das Theater, in: Helmut Reinalter (Hg.): Joseph von Sonnenfels, Wien 1988, S. 198. 3 Ebd., S. 218, 234, 217. 4 Alexandra Steiner: Die Genese eines Berufs-

Bildes. Studien zur Entwicklung des Schauspielerporträts unter besonderer Berücksichtigung der Ehrengalerie des Wiener Burgtheaters von Joseph und Anton Hickel, Diplomarbeit, Univ. Wien 1999, S. 71. 5 Judith Eisermann: Josef Kainz – Zwischen Traditi-

on und Moderne, Münchner Universitätsschriften Theaterwissenschaft Bd. 15, München 2010, S. 218. 6 Elke Calaitzis: Das Publikum von Wilbrandt bis

zum Dreierkollegium, in: Margret Dietrich (Hg.): Das Burgtheater und sein Publikum, 1. Bd., Wien 1976, S. 425; vgl. Klaus Dermutz: Das Burgtheater und die Wiener Identität, hg. v. Hubert Christian Ehalt für die Wiener Vorlesungen, Weitra 2010, S. 17. 7 Siehe Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegna-

det. Künstlereliten im Dritten Reich, Wien 1991, S. 253–258 (zu Krauß), S. 154 (zu Wohlgemuth). 10

Das k. k. Hofburgtheater am Franzensring (heute Dr.-Karl-Lueger-Ring), um 1900 (Ausschnitt) Foto: Bruno Reiffenstein, Wien Wien Museum Das neue Burgtheater am Ring wurde nach fast einem Vierteljahrhundert des Planens und Bauens am 14. Oktober 1888 eröffnet. Die Pläne stammen von Gottfried Semper und Carl Hasenauer. An der künstlerischen Ausschmückung des Prunkbaus waren namhafte Künstler wie Viktor Tilgner, Eduard Charlemont und die Künstler-Compagnie der Brüder Ernst und Gustav Klimt und Franz Matsch beteiligt. 11

Bei seiner Eröffnung fasste das Haus 1.653 Personen, um zirka 500 mehr als das alte Haus. Wegen schlechter Akustik- und Sichtverhältnisse musste der Zuschauerraum kurze Zeit nach der Eröffnung umgebaut werden. Der Architekt Carl Hasenauer lieferte auch die Pläne zur Errichtung der Hermesvilla, die 1882 bis 1886 im Auftrag von Kaiser Franz Joseph I. gebaut wurde.


übrigen Ensemblemitglieder, wie zum Beispiel Johanna Sacco, die „Abgö in“ des Publikums aus dem ersten Ensemble des Burgtheaters, oder Charlo e Wolter, die zur Zeit des Historismus als Inbegriff des Burgtheaterstils galt. Mit dem Umzug vom alten Burgtheater am Michaelerplatz in den neuen Prunkbau am Ring 1888 begann eine neue Epoche in der Geschichte des Hauses. Schauspieler wie Friedrich Mi erwurzer oder Josef Kainz, beide Vertreter moderner Schauspielkunst, stellten den als Ideal beschworenen traditionellen Burgtheaterstil in Frage und das Ensemble regelrecht vor eine Zerreißprobe.5 Im 20. Jahrhundert wurde die „Hall of Fame“ der Burg nur noch fallweise ergänzt, etwa durch Porträts bedeutender Ensemblemitglieder wie Rosa Albach-Re y oder Raoul Aslan, die ihre Glanzzeit in den 1920/30er Jahren ha en – zu einer Zeit, als Berlin Wien den Ruf der führenden Theaterstadt bereits streitig gemacht ha e.6 Mit Werner Krauß kam zu Beginn der 1930er Jahre einer der größten deutschen Schauspieler an die Burg. Während der NS-Zeit erwies er sich als regimetreuer Künstler; 1943 gab er den Shylock als antisemitische Karikatur – zu einem Zeitpunkt, als jüdische Ensemblemitglieder wie zum Beispiel Else Wohlgemuth das Burgtheater aus „rassischen Gründen“ längst ha en verlassen müssen.7 Mit Gemälden von Josef Meinrad, Paula Wessely, A ila Hörbiger oder Gusti Wolf erinnert die Ehrengalerie an große Burgschauspieler, die das Ensemble nach 1945 über Jahrzehnte prägten und die ihre Popularität durch ihre Mitwirkung in Film und Fernsehen enorm steigern konnten. Die Tradition, Schauspieler durch gemalte Porträts in die Ehrengalerie aufzunehmen, ging gegen Ende des 20. Jahrhunderts deutlich zurück. 2006 wurde mit der „Neuen Porträtgalerie“, die unter anderem Porträts von Michael Heltau oder Birgit Minichmayr umfasst, ein neuer Impuls gesetzt, der zugleich den markanten Abschluss dieser Schau bildet.

Die Ehrengalerie im Pausenfoyer des Burgtheaters

1 Joseph von Sonnenfels: Briefe über die wienerische

Schaubühne (Wien 1768), hg. v. Hilde HaiderPregler, Graz 1988, S. 176. 2 Hilde Haider-Pregler: Die Schaubühne als

„Sittenschule“ der Nation. Joseph von Sonnenfels und das Theater, in: Helmut Reinalter (Hg.): Joseph von Sonnenfels, Wien 1988, S. 198. 3 Ebd., S. 218, 234, 217. 4 Alexandra Steiner: Die Genese eines Berufs-

Bildes. Studien zur Entwicklung des Schauspielerporträts unter besonderer Berücksichtigung der Ehrengalerie des Wiener Burgtheaters von Joseph und Anton Hickel, Diplomarbeit, Univ. Wien 1999, S. 71. 5 Judith Eisermann: Josef Kainz – Zwischen Traditi-

on und Moderne, Münchner Universitätsschriften Theaterwissenschaft Bd. 15, München 2010, S. 218. 6 Elke Calaitzis: Das Publikum von Wilbrandt bis

zum Dreierkollegium, in: Margret Dietrich (Hg.): Das Burgtheater und sein Publikum, 1. Bd., Wien 1976, S. 425; vgl. Klaus Dermutz: Das Burgtheater und die Wiener Identität, hg. v. Hubert Christian Ehalt für die Wiener Vorlesungen, Weitra 2010, S. 17. 7 Siehe Oliver Rathkolb: Führertreu und gottbegna-

det. Künstlereliten im Dritten Reich, Wien 1991, S. 253–258 (zu Krauß), S. 154 (zu Wohlgemuth). 10

Das k. k. Hofburgtheater am Franzensring (heute Dr.-Karl-Lueger-Ring), um 1900 (Ausschnitt) Foto: Bruno Reiffenstein, Wien Wien Museum Das neue Burgtheater am Ring wurde nach fast einem Vierteljahrhundert des Planens und Bauens am 14. Oktober 1888 eröffnet. Die Pläne stammen von Gottfried Semper und Carl Hasenauer. An der künstlerischen Ausschmückung des Prunkbaus waren namhafte Künstler wie Viktor Tilgner, Eduard Charlemont und die Künstler-Compagnie der Brüder Ernst und Gustav Klimt und Franz Matsch beteiligt. 11

Bei seiner Eröffnung fasste das Haus 1.653 Personen, um zirka 500 mehr als das alte Haus. Wegen schlechter Akustik- und Sichtverhältnisse musste der Zuschauerraum kurze Zeit nach der Eröffnung umgebaut werden. Der Architekt Carl Hasenauer lieferte auch die Pläne zur Errichtung der Hermesvilla, die 1882 bis 1886 im Auftrag von Kaiser Franz Joseph I. gebaut wurde.


„Ich lese keine Kritiken. Mir ist es ganz egal, ob ich gelobt werde ob getadelt, ich habe die Liebe des Publicums, diese geht mir über alles.“ Franz Karl Brockmann, um 1785


„Ich lese keine Kritiken. Mir ist es ganz egal, ob ich gelobt werde ob getadelt, ich habe die Liebe des Publicums, diese geht mir über alles.“ Franz Karl Brockmann, um 1785


Das Burgtheater auf dem Weg zur Starbühne Das „erste“ Ensemble (1776–1789) Um das „erste“ Ensemble des Ho heaters am Michaelerplatz zu erweitern, schickte Kaiser Joseph II. den Schauspieler J. H. F. Müller nach Deutschland, um Talente für Wien zu gewinnen. So wurde u. a. Franz Karl Brockmann verpflichtet, der zu jener Zeit als Hamlet auf deutschen Bühnen große Erfolge feierte.

Joseph Lange, 1786 in der Titelrolle von „Hamlet“ von William Shakespeare Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Schauspieler ha en im 18. Jahrhundert einen geringen sozialen Status, sie stammten o aus einfachen Verhältnissen. Für sie bedeutete das Engagement am kaiserlichen Theater einen enormen gesellscha lichen Aufstieg. Für das Publikum sollten sie Vorbild sein: Katharina Jaquet galt als „Dame der großen Welt“; Johanna Sacco, die „Abgö in des Publikums“, verkehrte in Adelskreisen und stand für die französische Variante der Salondame.

Joseph Lange (1751 Würzburg– 1831 Wien) war der gefeierte Heldendarsteller im ersten Burgtheaterensemble, der vor allem durch seine Shakespeare-Rollen berühmt wurde. Er galt zudem als universeller Kunstdilettant, denn er war auch als Porträtmaler und Komponist tätig. Er porträtierte u. a. Kaiser Franz II., seinen Schwager Wolfgang Amadeus Mozart sowie berühmte Schauspielerkollegen wie Franz Karl Brockmann.

Das Theater sollte zwar eine „Schule der guten Si en“ sein, doch bei den Aufführungen ging es wild zu: Das Publikum lärmte und vergnügte sich ohne Beachtung der Stücke. 1778 wurde den Darstellern untersagt, sich während oder nach einem Akt für einen Beifall zu bedanken, „um den Eindruck der Handlung nicht zu stören” („Vorhangverbot“). Das Burgtheater wurde anfangs im künstlerischen Bereich von den Schauspielern selbst verwaltet, die über Stückwahl und Besetzung entschieden. 1779 wurde die Leitung einem gewählten „Regiekollegium“ übertragen, 1789 wurde Franz Karl Brockmann zum alleinigen „Dirigenten“ bestellt.

„So wurde auch jede Rolle, welche er, meistens schlecht, memorierte, nicht der Ausdruck des Charakters, den er darstellen sollte, sondern er spielte sich immer selbst.“ Ignaz Franz Castelli, um 1809 14


Das Burgtheater auf dem Weg zur Starbühne Das „erste“ Ensemble (1776–1789) Um das „erste“ Ensemble des Ho heaters am Michaelerplatz zu erweitern, schickte Kaiser Joseph II. den Schauspieler J. H. F. Müller nach Deutschland, um Talente für Wien zu gewinnen. So wurde u. a. Franz Karl Brockmann verpflichtet, der zu jener Zeit als Hamlet auf deutschen Bühnen große Erfolge feierte.

Joseph Lange, 1786 in der Titelrolle von „Hamlet“ von William Shakespeare Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Schauspieler ha en im 18. Jahrhundert einen geringen sozialen Status, sie stammten o aus einfachen Verhältnissen. Für sie bedeutete das Engagement am kaiserlichen Theater einen enormen gesellscha lichen Aufstieg. Für das Publikum sollten sie Vorbild sein: Katharina Jaquet galt als „Dame der großen Welt“; Johanna Sacco, die „Abgö in des Publikums“, verkehrte in Adelskreisen und stand für die französische Variante der Salondame.

Joseph Lange (1751 Würzburg– 1831 Wien) war der gefeierte Heldendarsteller im ersten Burgtheaterensemble, der vor allem durch seine Shakespeare-Rollen berühmt wurde. Er galt zudem als universeller Kunstdilettant, denn er war auch als Porträtmaler und Komponist tätig. Er porträtierte u. a. Kaiser Franz II., seinen Schwager Wolfgang Amadeus Mozart sowie berühmte Schauspielerkollegen wie Franz Karl Brockmann.

Das Theater sollte zwar eine „Schule der guten Si en“ sein, doch bei den Aufführungen ging es wild zu: Das Publikum lärmte und vergnügte sich ohne Beachtung der Stücke. 1778 wurde den Darstellern untersagt, sich während oder nach einem Akt für einen Beifall zu bedanken, „um den Eindruck der Handlung nicht zu stören” („Vorhangverbot“). Das Burgtheater wurde anfangs im künstlerischen Bereich von den Schauspielern selbst verwaltet, die über Stückwahl und Besetzung entschieden. 1779 wurde die Leitung einem gewählten „Regiekollegium“ übertragen, 1789 wurde Franz Karl Brockmann zum alleinigen „Dirigenten“ bestellt.

„So wurde auch jede Rolle, welche er, meistens schlecht, memorierte, nicht der Ausdruck des Charakters, den er darstellen sollte, sondern er spielte sich immer selbst.“ Ignaz Franz Castelli, um 1809 14


Franz Karl Brockmann, um 1790

Johann Heinrich Friedrich Müller, 1786

Christiane Weidner, 1786

Joseph Lange Öl auf Leinwand Wien Museum

Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Franz Karl Johann Hieronymus Brockmann (1745 Graz–1812 Wien) war einer der besten Schauspieler seiner Zeit. Er war in Hamburg zum führenden Heldendarsteller aufgestiegen; seine größten Erfolge feierte er als Hamlet. 1778 wurde er an das Burgtheater engagiert. Er gehörte dem ersten Regiekollegium des Hauses an und wurde nach dessen Auflösung von 1789 bis 1792 der erste Direktor des Burgtheaters.

Johann Heinrich Friedrich Müller (1738 Halberstadt–1815 Wien) wirkte von 1763 bis 1801 am Burgtheater, wo er vorwiegend in komischen Rollen auftrat. Im Auftrag des Kaisers besuchte er namhafte deutsche Bühnen, um Talente für das Burgtheater zu gewinnen. Er zählte zu den Vorkämpfern der Idee eines deutschen Nationaltheaters; 1772 gab er den ersten Wiener Theateralmanach heraus.

als Königin Elisabeth von England in „Die Gunst der Fürsten“ von Christian Heinrich Schmidt nach J. Banks, H. Brooke, H. Jones und J. Ralph Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater Christiane Friederike Weidner (1730 Zittau–1799 Wien) war die Doyenne des ersten Burgtheaterensembles. Sie war bereits 1748 an die Wiener Hofbühne gekommen und galt als vollendete Darstellerin tragischer Heldinnen. Zu ihrem 40-jährigen Bühnenjubiläum erhielt sie als erstes Burgtheatermitglied vom Kaiser die Große Goldene Ehrenmedaille verliehen.

Joseph Lange, der zeitgleich mit Brockmann am Burgtheater spielte, porträtierte seinen Kollegen gekonnt in nachdenklicher Pose. Der nonchalante Kleidungsstil und die durch die Lichtregie hervorgehobene Denkerstirn wecken die Assoziation mit dem Geniekult des Sturm und Drang. Das Gemälde wurde 1907 aus dem Nachlass des Burgschauspielers Joseph Lewinsky für die Sammlung der Stadt Wien erworben.

Als k. k. Kammermaler erhielt Joseph Hickel 1786 von Joseph II. den Auftrag, die bedeutendsten Schauspieler des Burgtheaters in ihren berühmtesten Rollen zu porträtieren. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Anton Hickel schuf er 14 Gemälde für die SchauspielerGalerie des Burgtheaters, die in einem Verbindungsgang zwischen Hofburg und Burgtheater eingerichtet wurde. Diese Gemälde zählen zu den ersten gemalten Schauspielerbildnissen Österreichs. 16

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Franz Karl Brockmann, um 1790

Johann Heinrich Friedrich Müller, 1786

Christiane Weidner, 1786

Joseph Lange Öl auf Leinwand Wien Museum

Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Franz Karl Johann Hieronymus Brockmann (1745 Graz–1812 Wien) war einer der besten Schauspieler seiner Zeit. Er war in Hamburg zum führenden Heldendarsteller aufgestiegen; seine größten Erfolge feierte er als Hamlet. 1778 wurde er an das Burgtheater engagiert. Er gehörte dem ersten Regiekollegium des Hauses an und wurde nach dessen Auflösung von 1789 bis 1792 der erste Direktor des Burgtheaters.

Johann Heinrich Friedrich Müller (1738 Halberstadt–1815 Wien) wirkte von 1763 bis 1801 am Burgtheater, wo er vorwiegend in komischen Rollen auftrat. Im Auftrag des Kaisers besuchte er namhafte deutsche Bühnen, um Talente für das Burgtheater zu gewinnen. Er zählte zu den Vorkämpfern der Idee eines deutschen Nationaltheaters; 1772 gab er den ersten Wiener Theateralmanach heraus.

als Königin Elisabeth von England in „Die Gunst der Fürsten“ von Christian Heinrich Schmidt nach J. Banks, H. Brooke, H. Jones und J. Ralph Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater Christiane Friederike Weidner (1730 Zittau–1799 Wien) war die Doyenne des ersten Burgtheaterensembles. Sie war bereits 1748 an die Wiener Hofbühne gekommen und galt als vollendete Darstellerin tragischer Heldinnen. Zu ihrem 40-jährigen Bühnenjubiläum erhielt sie als erstes Burgtheatermitglied vom Kaiser die Große Goldene Ehrenmedaille verliehen.

Joseph Lange, der zeitgleich mit Brockmann am Burgtheater spielte, porträtierte seinen Kollegen gekonnt in nachdenklicher Pose. Der nonchalante Kleidungsstil und die durch die Lichtregie hervorgehobene Denkerstirn wecken die Assoziation mit dem Geniekult des Sturm und Drang. Das Gemälde wurde 1907 aus dem Nachlass des Burgschauspielers Joseph Lewinsky für die Sammlung der Stadt Wien erworben.

Als k. k. Kammermaler erhielt Joseph Hickel 1786 von Joseph II. den Auftrag, die bedeutendsten Schauspieler des Burgtheaters in ihren berühmtesten Rollen zu porträtieren. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Anton Hickel schuf er 14 Gemälde für die SchauspielerGalerie des Burgtheaters, die in einem Verbindungsgang zwischen Hofburg und Burgtheater eingerichtet wurde. Diese Gemälde zählen zu den ersten gemalten Schauspielerbildnissen Österreichs. 16

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Anna Maria JaquetAdamberger, um 1789

Johanna Sacco, 1786 in der Titelrolle von „Medea“ von Johann Jakob Engel und Friedrich Wilhelm Gotter

als Rosine in „Der Jurist und der Bauer“ von Johann Rautenstrauch

Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Anton Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Johanna Sacco (1754 Prag–1802 Wien) war der Star des ersten Burgtheaterensembles. Sie war 1776 auf persönlichen Wunsch des Kaisers an das Hoftheater engagiert worden. Sacco war eine große Tragödin und glänzte als Maria Stuart und Emilia Galotti. Sie vertrat einen natürlichen, lebenswahren Darstellungsstil. Ihre klare, reine deutsche Aussprache ohne Dialektfärbung wurde richtunggebend. Zu ihren Gönnern zählten Joseph II und Fürst Kaunitz, der ihr die Türen zu den führenden Salons Wiens öffnete.

Anna Maria Jaquet-Adamberger (1752/53 Wien–1807) war seit 1760 in Kinderrollen am Burgtheater tätig. Später wirkte sie als jugendliche Naive und in Mütterrollen. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Katharina, die ebenfalls am Burgtheater auftrat, wirkte sie tonangebend in Fragen der Wiener Mode. So beeinflussten die beiden etwa die Wandlung der Röcke zu natürlicheren Formen oder die Verbannung des „babylonischen Haarturmbaus der Damen“.

Dieses Gemälde wurde wie einige andere Porträts der Brüder Hickel bei der Übersiedlung in das 1888 eröffnete Burgtheater am Ring in eine architektonische Rahmung eingefügt und dafür zu einem ganzfigurigen Bild erweitert.

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Anna Maria JaquetAdamberger, um 1789

Johanna Sacco, 1786 in der Titelrolle von „Medea“ von Johann Jakob Engel und Friedrich Wilhelm Gotter

als Rosine in „Der Jurist und der Bauer“ von Johann Rautenstrauch

Joseph Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Anton Hickel Öl auf Leinwand Burgtheater

Johanna Sacco (1754 Prag–1802 Wien) war der Star des ersten Burgtheaterensembles. Sie war 1776 auf persönlichen Wunsch des Kaisers an das Hoftheater engagiert worden. Sacco war eine große Tragödin und glänzte als Maria Stuart und Emilia Galotti. Sie vertrat einen natürlichen, lebenswahren Darstellungsstil. Ihre klare, reine deutsche Aussprache ohne Dialektfärbung wurde richtunggebend. Zu ihren Gönnern zählten Joseph II und Fürst Kaunitz, der ihr die Türen zu den führenden Salons Wiens öffnete.

Anna Maria Jaquet-Adamberger (1752/53 Wien–1807) war seit 1760 in Kinderrollen am Burgtheater tätig. Später wirkte sie als jugendliche Naive und in Mütterrollen. Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Katharina, die ebenfalls am Burgtheater auftrat, wirkte sie tonangebend in Fragen der Wiener Mode. So beeinflussten die beiden etwa die Wandlung der Röcke zu natürlicheren Formen oder die Verbannung des „babylonischen Haarturmbaus der Damen“.

Dieses Gemälde wurde wie einige andere Porträts der Brüder Hickel bei der Übersiedlung in das 1888 eröffnete Burgtheater am Ring in eine architektonische Rahmung eingefügt und dafür zu einem ganzfigurigen Bild erweitert.

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