wien museum
klimt.
die sammlung des wien museums
wien museum
klimt.
die sammlung des wien museums
wien museum
klimt.
die sammlung des wien museums
Inhaltsverzeichnis
Vorwort So nahe, so fern Wolfgang Kos
Bestandskatalog der Werke Gustav Klimts im Wien Museum 6
Essays Die Klimt-Sammlung des Wien Museums Fakten und Schlüsse Ursula Storch Höhepunkte und Raritäten Die Klimt-Zeichnungen des W ien Museums Marian Bisanz-Prakken Sodom und Gomorrha up to date Gustav Klimts Frauenbild und das Fremde Brigitte Borchhardt-Birbaumer Der Zeit ihren Klimt Gustav Klimt im Spannungsfeld zwischen Politik und Gesellschaft Sophie Lillie
12
22
30
38
Gustav Klimts Praxis der Intervisualität Das „Klimtisieren“ in der Wiener Secession iener Werkstätte und in der W William M. Johnston
46
Klimt für alle Betrachtungen aus einem Jubiläumsjahr Kerstin Krenn
54
1 Kunstgewerbeschule 1877–1881
65
2 Allegorien 1882–1897
71
3 Auftragsarbeiten 1883–1898
91
4 Zuschauerraum im alten Burgtheater 1888/89
109
112
Die Gründer-Zeit im Bild Gustav Klimts Zuschauerraum im alten Burgtheater Georg Gaugusch, Sophie Lillie
5 Secession 1897–1903
133
6 Fakultätsbilder 1894/95–1903
155
7 Figurenstudien 1898–1917/18
179
8 Porträts 1883–1917/18
199
9 Akte 1897–1917
229
10 Der Kuss / Stoclet-Fries 1904–1908
267
Weitere Objekte aus der Klimt-Sammlung des Wien Museums Fotografien / Devotionalien / Souvenirs
277
Anhang Im Bestandskatalog berücksichtigte Literatur Im Bestandskatalog berücksichtigte Ausstellungen Autorinnen und Autoren Dank / Bildnachweis
296 298 300 301
Inhaltsverzeichnis
Vorwort So nahe, so fern Wolfgang Kos
Bestandskatalog der Werke Gustav Klimts im Wien Museum 6
Essays Die Klimt-Sammlung des Wien Museums Fakten und Schlüsse Ursula Storch Höhepunkte und Raritäten Die Klimt-Zeichnungen des W ien Museums Marian Bisanz-Prakken Sodom und Gomorrha up to date Gustav Klimts Frauenbild und das Fremde Brigitte Borchhardt-Birbaumer Der Zeit ihren Klimt Gustav Klimt im Spannungsfeld zwischen Politik und Gesellschaft Sophie Lillie
12
22
30
38
Gustav Klimts Praxis der Intervisualität Das „Klimtisieren“ in der Wiener Secession iener Werkstätte und in der W William M. Johnston
46
Klimt für alle Betrachtungen aus einem Jubiläumsjahr Kerstin Krenn
54
1 Kunstgewerbeschule 1877–1881
65
2 Allegorien 1882–1897
71
3 Auftragsarbeiten 1883–1898
91
4 Zuschauerraum im alten Burgtheater 1888/89
109
112
Die Gründer-Zeit im Bild Gustav Klimts Zuschauerraum im alten Burgtheater Georg Gaugusch, Sophie Lillie
5 Secession 1897–1903
133
6 Fakultätsbilder 1894/95–1903
155
7 Figurenstudien 1898–1917/18
179
8 Porträts 1883–1917/18
199
9 Akte 1897–1917
229
10 Der Kuss / Stoclet-Fries 1904–1908
267
Weitere Objekte aus der Klimt-Sammlung des Wien Museums Fotografien / Devotionalien / Souvenirs
277
Anhang Im Bestandskatalog berücksichtigte Literatur Im Bestandskatalog berücksichtigte Ausstellungen Autorinnen und Autoren Dank / Bildnachweis
296 298 300 301
So nahe, so fern
Detail aus der goldenen Kuppel der Secession als Werbesujet von WienTourismus anlässlich des Klimt-Jahres 2012
Vorwort Gustav Klimt sei ein „minor master from Vienna“.
seither entstandene österreichische Kunst über-
Habsburger-Mythos und den Topos Gemütlich-
Ein englischer Kunstkritiker schrieb das, als vor
strahlt und zum Synonym der Kulturstadt Wien
keit ideal ergänzt. Mit der Neuentdeckung der
einigen Jahren in der Tate Liverpool die erste
geworden ist? In der Ausstellung Alt Wien – Die
Edelmarke „Wien um 1900“ wurde Wiens Erinne-
„Jede Generation findet einen neuen Klimt“,
große britische Klimt-Ausstellung stattfand – nach
Stadt, die niemals war hat sich das Wien Museum
rungsfirmament vor nunmehr fast einem halben
so Klimt-Spezialist Tobias G. Natter. Das trifft
Jahrzehnten von begeistert rezipierten Klimt-
2004 mit der Wiener Rückbezüglichkeit und
Jahrhundert mit einem Hauch von Modernität an-
sicher für Spezialisten stärker zu als für das
Hochämtern in bedeutenden Museen der west-
antimodernen Vergangenheitssehnsucht befasst.
gereichert. Doch dieses „goldene Zeitalter“ des
breite Publikum. Denn dieses ist längst mit einem
lichen und fernöstlichen Welt. Erste Reaktion:
Ein kleines Kapitel galt auch „Wien um 1900“, als
Aufbruchs, mit dem Wien seine kulturelle Welt-
Maler konfrontiert, der im Ranking der teuersten
Darf man so etwas überhaupt schreiben? Hat der
neueres Beispiel der „Alt Wien“-Nostalgie, die
bedeutung so erfolgreich behauptet, liegt weit
Bilder Österreich prächtig vertritt und dessen
österreichische Kulturattachée sein Befremden
das biedermeierliche Wien als Leitnarrativ längst
in der Vergangenheit und ist längst bedroht von
Werk sich in der populären Wahrnehmung auf
über so viel Ignoranz gegenüber ‚unserem‘
abgelöst hat. Im Wandtext hieß es: „Man ist
Entleerung durch formelhafte Nostalgisierung.
maximal 20 berühmte Gemälde reduziert – die
Weltrekordler an geeigneter Stelle deponiert?
heute stolz darauf, einst modern gewesen zu sein.“
Klimt hat heute den Status eines säkularisierten
noch dazu doppelt existieren, real in den Museen
Der provokante und fast majestätsbeleidigende
Der suggestive, betörende und werbewirksame
Stadtheiligen, sein ästhetisches Repertoire
und in permanenter Reproduktion. Man könnte
Widerspruch zum Weltgeltungsanspruch eines
Glanz des Schönen, der von Klimts Bildern
dient als Goldmine für immer neue Nutzungen.
vom Mona Lisa-Effekt sprechen: Das Bild ist so
aus Wiener Perspektive längst im Außerirdischen
ausgeht, macht Wiens großen Meister längst
Auch das Wien Museum profitiert davon.
bekannt, dass man es als Tourist im Louvre nur
positionierten Malers war mit einem interessan-
resistent gegen differenzierte Betrachtung. Wien
Klimt ist eine wichtige Währung, um in der
mehr pflichtschuldig abhakt. Speziell für Men-
ten Vergleich mit anderen Epochenkünstlern
und Klimt: eine Endlosschleife der Selbstbezüg-
Wiener Museumslandschaft Bedeutung zu
schen mit avanciertem Kunstinteresse ist Klimt
wie Picasso und Kandinsky gekoppelt: Während
lichkeit und der Affirmation. Der Prozess der
messen. Das ist auch an der Zahl von Leihanfra-
ein Phänomen, das man eher ignoriert: „Für mich
diese zur gleichen Zeit radikale Wege gingen
Heroisierung hat eine Stufe der Erstarrung
gen abzulesen. Ganz oben steht das Belvedere,
war Klimt immer eine besetzte Figur“, meint
und die Tür zur Moderne weit öffneten, sei Klimt
erreicht, der Masterworks-Kult und das millionen-
weil dort Ikonen wie Der Kuss hängen. Dahinter
etwa die Künstlerin Ulrike Lienbacher.
ein Künstler gewesen, der die Ästhetik des
fache Reproduzieren führten zu einer Automati-
kämpft das Leopold Museum um Rang zwei. Den
19. Jahrhunderts im Spezialbiotop Wien zwar zu
sierung der Wahrnehmung.
dritten Stockerlplatz teilen sich, um es salopp
einem grandiosen Finale steigerte, zugleich aber
zu sagen, die Albertina mit Spitzenzeichnungen
einen Endpunkt darstellte, fast ohne Impulse für künftige Neufindungen. Schon der Kunsthisto-
Sekundär
und das Wien Museum, wo sich nicht nur eines Werbeagentur Klimt
riker Werner Hofmann hatte konstatiert, dass
6
Der doppelte Klimt
der Top-Gemälde, nämlich das Porträt Emilie Flöge
Diese Verweigerungshaltung mag mit der Klimt-
befindet, sondern (im Depot) auch eine riesige
Vermarktung zu tun haben, die seit vielen Jahren
Klimt mit den radikalen Umwälzungen der Kunst
Klimt betreibt posthum eine der erfolgreichsten
Sammlung von Arbeiten auf Papier. Auf diese
für klingelnde Kassen sorgt. Denn es gibt auch
des frühen 20. Jahrhunderts nur peripher zu tun
Wiener Werbeagenturen. Das visuelle Vokabular
Sammlung, die nun präsentiert wird, werde ich
einen Sekundär-Klimt, den des Merchandising,
hatte. Im Gegensatz dazu wird in der ‚offiziellen‘
von Klimt und Jugendstil hat sich in den ver
weiter unten genauer eingehen.
wobei Klimt-Bilder nur Rohstoff für gestalterische
österreichischen Klimt-Doktrin, die mit dem Kom-
gangenen Jahrzehnten für Wien zum effektvollen
Variationen sind. Auf Facebook führte das Wien
plex „Wien um 1900“ verzahnt ist, das Innovative
Dekor einer vielversprechenden Image-
Museum Anfang 2012 eine Umfrage unter dem
und Progressive betont.
Neukonstruktion stabilisiert. Für den Kultur
Titel „Worst of Klimt“ durch. Die Beteiligung war
Was bedeutet es, wenn ein Epochenkünstler im
tourismus stellt Klimt einen viele Zielgruppen
groß, die Funde führten weit über die üblichen
Lauf eines Jahrhunderts als zeitlose Leitfigur die
einigenden Exklusivitätsfaktor dar, der den
Souvenirs hinaus: Ins Netz gestellt wurden unter 7
So nahe, so fern
Detail aus der goldenen Kuppel der Secession als Werbesujet von WienTourismus anlässlich des Klimt-Jahres 2012
Vorwort Gustav Klimt sei ein „minor master from Vienna“.
seither entstandene österreichische Kunst über-
Habsburger-Mythos und den Topos Gemütlich-
Ein englischer Kunstkritiker schrieb das, als vor
strahlt und zum Synonym der Kulturstadt Wien
keit ideal ergänzt. Mit der Neuentdeckung der
einigen Jahren in der Tate Liverpool die erste
geworden ist? In der Ausstellung Alt Wien – Die
Edelmarke „Wien um 1900“ wurde Wiens Erinne-
„Jede Generation findet einen neuen Klimt“,
große britische Klimt-Ausstellung stattfand – nach
Stadt, die niemals war hat sich das Wien Museum
rungsfirmament vor nunmehr fast einem halben
so Klimt-Spezialist Tobias G. Natter. Das trifft
Jahrzehnten von begeistert rezipierten Klimt-
2004 mit der Wiener Rückbezüglichkeit und
Jahrhundert mit einem Hauch von Modernität an-
sicher für Spezialisten stärker zu als für das
Hochämtern in bedeutenden Museen der west-
antimodernen Vergangenheitssehnsucht befasst.
gereichert. Doch dieses „goldene Zeitalter“ des
breite Publikum. Denn dieses ist längst mit einem
lichen und fernöstlichen Welt. Erste Reaktion:
Ein kleines Kapitel galt auch „Wien um 1900“, als
Aufbruchs, mit dem Wien seine kulturelle Welt-
Maler konfrontiert, der im Ranking der teuersten
Darf man so etwas überhaupt schreiben? Hat der
neueres Beispiel der „Alt Wien“-Nostalgie, die
bedeutung so erfolgreich behauptet, liegt weit
Bilder Österreich prächtig vertritt und dessen
österreichische Kulturattachée sein Befremden
das biedermeierliche Wien als Leitnarrativ längst
in der Vergangenheit und ist längst bedroht von
Werk sich in der populären Wahrnehmung auf
über so viel Ignoranz gegenüber ‚unserem‘
abgelöst hat. Im Wandtext hieß es: „Man ist
Entleerung durch formelhafte Nostalgisierung.
maximal 20 berühmte Gemälde reduziert – die
Weltrekordler an geeigneter Stelle deponiert?
heute stolz darauf, einst modern gewesen zu sein.“
Klimt hat heute den Status eines säkularisierten
noch dazu doppelt existieren, real in den Museen
Der provokante und fast majestätsbeleidigende
Der suggestive, betörende und werbewirksame
Stadtheiligen, sein ästhetisches Repertoire
und in permanenter Reproduktion. Man könnte
Widerspruch zum Weltgeltungsanspruch eines
Glanz des Schönen, der von Klimts Bildern
dient als Goldmine für immer neue Nutzungen.
vom Mona Lisa-Effekt sprechen: Das Bild ist so
aus Wiener Perspektive längst im Außerirdischen
ausgeht, macht Wiens großen Meister längst
Auch das Wien Museum profitiert davon.
bekannt, dass man es als Tourist im Louvre nur
positionierten Malers war mit einem interessan-
resistent gegen differenzierte Betrachtung. Wien
Klimt ist eine wichtige Währung, um in der
mehr pflichtschuldig abhakt. Speziell für Men-
ten Vergleich mit anderen Epochenkünstlern
und Klimt: eine Endlosschleife der Selbstbezüg-
Wiener Museumslandschaft Bedeutung zu
schen mit avanciertem Kunstinteresse ist Klimt
wie Picasso und Kandinsky gekoppelt: Während
lichkeit und der Affirmation. Der Prozess der
messen. Das ist auch an der Zahl von Leihanfra-
ein Phänomen, das man eher ignoriert: „Für mich
diese zur gleichen Zeit radikale Wege gingen
Heroisierung hat eine Stufe der Erstarrung
gen abzulesen. Ganz oben steht das Belvedere,
war Klimt immer eine besetzte Figur“, meint
und die Tür zur Moderne weit öffneten, sei Klimt
erreicht, der Masterworks-Kult und das millionen-
weil dort Ikonen wie Der Kuss hängen. Dahinter
etwa die Künstlerin Ulrike Lienbacher.
ein Künstler gewesen, der die Ästhetik des
fache Reproduzieren führten zu einer Automati-
kämpft das Leopold Museum um Rang zwei. Den
19. Jahrhunderts im Spezialbiotop Wien zwar zu
sierung der Wahrnehmung.
dritten Stockerlplatz teilen sich, um es salopp
einem grandiosen Finale steigerte, zugleich aber
zu sagen, die Albertina mit Spitzenzeichnungen
einen Endpunkt darstellte, fast ohne Impulse für künftige Neufindungen. Schon der Kunsthisto-
Sekundär
und das Wien Museum, wo sich nicht nur eines Werbeagentur Klimt
riker Werner Hofmann hatte konstatiert, dass
6
Der doppelte Klimt
der Top-Gemälde, nämlich das Porträt Emilie Flöge
Diese Verweigerungshaltung mag mit der Klimt-
befindet, sondern (im Depot) auch eine riesige
Vermarktung zu tun haben, die seit vielen Jahren
Klimt mit den radikalen Umwälzungen der Kunst
Klimt betreibt posthum eine der erfolgreichsten
Sammlung von Arbeiten auf Papier. Auf diese
für klingelnde Kassen sorgt. Denn es gibt auch
des frühen 20. Jahrhunderts nur peripher zu tun
Wiener Werbeagenturen. Das visuelle Vokabular
Sammlung, die nun präsentiert wird, werde ich
einen Sekundär-Klimt, den des Merchandising,
hatte. Im Gegensatz dazu wird in der ‚offiziellen‘
von Klimt und Jugendstil hat sich in den ver
weiter unten genauer eingehen.
wobei Klimt-Bilder nur Rohstoff für gestalterische
österreichischen Klimt-Doktrin, die mit dem Kom-
gangenen Jahrzehnten für Wien zum effektvollen
Variationen sind. Auf Facebook führte das Wien
plex „Wien um 1900“ verzahnt ist, das Innovative
Dekor einer vielversprechenden Image-
Museum Anfang 2012 eine Umfrage unter dem
und Progressive betont.
Neukonstruktion stabilisiert. Für den Kultur
Titel „Worst of Klimt“ durch. Die Beteiligung war
Was bedeutet es, wenn ein Epochenkünstler im
tourismus stellt Klimt einen viele Zielgruppen
groß, die Funde führten weit über die üblichen
Lauf eines Jahrhunderts als zeitlose Leitfigur die
einigenden Exklusivitätsfaktor dar, der den
Souvenirs hinaus: Ins Netz gestellt wurden unter 7
anderem ein Smart mit Klimt-Bemalung, ein
Klimt-Sammlung der Stadt Wien (zahlenmäßig
Klimt-Sammlung des Wien Museums mit großer
Klimt-Klodeckel (kein Witz!), ein Klimt-Bade
handelt es sich um die umfangsreichste der Welt)
Empathie auseinandersetzt. Die Ausstellungs
anzug, ja sogar eine Klimt-Tätowierung. Kultur
in ihrer Gesamtheit gezeigt. Neben weltberühm-
gestaltung lag bei Johann Moser (Mitarbeit:
historisch ist dieser Repro- und Retro-Klimt
ten Gemälden und Klimts zensuriertem Seces
Sanja Utech) von BWM Architekten, die Grafik
mindestens so bedeutend für die Wirkungs
sionsplakat, neben Totenmaske, Fotografien und
beim Büro Perndl+Co (Ausstellungsgrafik:
geschichte eines kitschtauglichen Malers wie die
Malerkittel, umfasst diese rund 400 Zeichnungen
Gerhard Bauer, Mitarbeit: Katharina Hetzeneder;
wissenschaftliche Rezeption. In einem Paper zur
– ein gigantisches Universum. Es handelt sich
Kataloggestaltung: Josef Perndl, Mitarbeit:
Sammlungsstrategie des Wien Museums heißt
um Blätter aus allen Schaffensperioden, von
Aleksandra Gustin). Ihnen allen habe ich für ihr
es: „Die Transformation von Kunst und Elitekultur
der Studienzeit bis knapp vor Klimts Tod, die in
Engagement und ihr Bemühen um funktionelle
in massenhaft reproduzierte Klischees ist ein
großen zyklischen Zusammenhängen stehen. Die
und formale Präzision zu danken.
wichtiges Element der Rezeptionsgeschichte:
enorme Fülle von Skizzen, Detailstudien nach der
Mit dem Katalog liegt nun auch ein Bestands-
Wer z. B. wie das Wien Museum bedeutende
Natur, Variationen und „fertigen“ Zeichnungen
verzeichnis unserer Klimt-Sammlung vor, viele
Werke von Klimt in der Sammlung hat, ist auch
wird – in thematischen Ensembles – in dichter,
Zeichnungen werden zum ersten Mal publiziert.
für Souvenirs im Retro-Jugendstil zuständig.“
serieller Hängung präsentiert: ein flirrender
Sowohl bei der Bearbeitung des Œuvre als
Darin unterscheidet sich ein kulturgeschicht-
Strom von Momentaufnahmen, die den Arbeits
auch bei der Umsetzung von Ausstellung
liches Stadtmuseum von Nur-Kunstmuseen.
prozess eines Künstlers spüren lassen, der
und Publikation war die Mitarbeit von Kerstin
Deshalb haben wir vor kurzem begonnen, auch
beharrlich um die ultimative Gestaltung ringt.
Krenn sehr wertvoll. Allen Katalogautorinnen
klimtisierte Produkte als Zeitdokumente zu
Bewertungen relativieren sich, das Außerordent-
und -autoren danke ich für ihre Textbeiträge,
sammeln. Einiges davon wird in der Ausstellung
liche erscheint als Destillat des Kontinuierlichen.
die wesentliche Neuinterpretationen zum Werk
zu sehen sein, ebenso wie Beispiele der „Worst
Die von der Kuratorin Ursula Storch mit dem
Gustav Klimts und seiner Rezeption enthalten.
of Klimt“-Umfrage.
Architekturbüro BWM entwickelte, konsequent
Wichtige Unterstützung bei den Medienstationen
Vielleicht ist der neue Blick auf Klimt einer, der
unhierarchische Installation (mit subtiler Hervor-
kam von Ralph Gleis. Mein Dank gilt auch
von der Popularität des Künstlers ausgeht, waren
hebung von exzeptionellen Einzelblättern) ist, das
Isabelle Exinger-Lang (Produktionsleitung)
doch Gefälligkeit und Nähe zum Kitsch schon zu
ist uns bewusst, auch ein riskantes Spiel mit der
sowie Andreas Gruber und Alexandra Moser
dessen Lebenszeit ein Faktor des Erfolgs. Damit
Aura eines Künstlers, von dem selbst flüchtigste
(Papierrestaurierung).
erscheint Klimt zunehmend als Pop-Künstler,
Skizzen als Meisterblätter auktioniert werden.
Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Plakat
durchaus vergleichbar mit Andy Warhol oder
Dazu kommen Video-Zuspielungen, die nicht nur
präsentation der Wienbibliothek im Rathaus
Keith Haring. Aber es gibt auch eine ernsthafte
die Geschichte der Sammlung darstellen, son-
im Atrium des Wien Museums (Konzept:
Brücke zwischen Gegenwartskunst und dem
dern auch als „diskursive Kommentare“ gedacht
Julia König, Sylvia Mattl-Wurm): nachgezeichnet
goldenen Klimt, nämlich ein neues Interesse für
sind – mit Statements zum Klimt-Overkill und zur
wird einerseits die Geschichte der Klimt-
das Ornamental-Dekorative.
Bedeutung von Klimt für den Wien-Tourismus
Ausstellungen, andererseits der Image-Transfer
beziehungsweise zum ambivalenten Frauenbild
zwischen Klimt-Motivik und Produkt- und
des Künstlers, von dem ja eine große Zahl von
Tourismuswerbung.
Die Sammlung des Wien Museums
zum Teil explizit erotischen Zeichnungen in der Sammlung vertreten sind.
Fast alle Wiener Museen nutzen das Jahr 2012, in
Damit korrespondieren „Klimt-Streitgespräche“
Wolfgang Kos
dem sich Klimts Geburtstag zum 150. Mal jährt,
im Rahmenprogramm, eines mit dem Titel
Direktor Wien Museum
dazu, ihre Klimt-Bestände in die Auslage zu
„Frauenbild von vorgestern?“, eines zum Thema
stellen. Das bietet die Chance, neben den kano
„Überdosis Klimt – Eine Gefahr für Wien“.
nisierten Glanzstücken auch weniger Bekanntes
Dazu passt eine Überschrift, die sich kürzlich in
zu sehen. Aus den unterschiedlichen Ansätzen
der Presse fand: „Ist Klimt noch zu retten?“
und Modi der Präsentation sollten sich überraschende Perspektiven und erhellende Differenzierungen im Umgang mit einem Starkünstler
Dank Klimt
ergeben, der darunter leidet, dass man ihn zu
8
gut zu kennen glaubt.
Für Idee und Kuratierung dieser Ausstellung, die
Das Wien Museum entschloss sich zu einer
auch für das Museum selbst einen Kernbestand
Radikalmaßnahme: Erstmals wird die von vielen
endlich sichtbar macht, habe ich Ursula Storch
Gastauftritten in Museen in aller Welt bekannte
zu danken, die sich seit vielen Jahren mit der 9
anderem ein Smart mit Klimt-Bemalung, ein
Klimt-Sammlung der Stadt Wien (zahlenmäßig
Klimt-Sammlung des Wien Museums mit großer
Klimt-Klodeckel (kein Witz!), ein Klimt-Bade
handelt es sich um die umfangsreichste der Welt)
Empathie auseinandersetzt. Die Ausstellungs
anzug, ja sogar eine Klimt-Tätowierung. Kultur
in ihrer Gesamtheit gezeigt. Neben weltberühm-
gestaltung lag bei Johann Moser (Mitarbeit:
historisch ist dieser Repro- und Retro-Klimt
ten Gemälden und Klimts zensuriertem Seces
Sanja Utech) von BWM Architekten, die Grafik
mindestens so bedeutend für die Wirkungs
sionsplakat, neben Totenmaske, Fotografien und
beim Büro Perndl+Co (Ausstellungsgrafik:
geschichte eines kitschtauglichen Malers wie die
Malerkittel, umfasst diese rund 400 Zeichnungen
Gerhard Bauer, Mitarbeit: Katharina Hetzeneder;
wissenschaftliche Rezeption. In einem Paper zur
– ein gigantisches Universum. Es handelt sich
Kataloggestaltung: Josef Perndl, Mitarbeit:
Sammlungsstrategie des Wien Museums heißt
um Blätter aus allen Schaffensperioden, von
Aleksandra Gustin). Ihnen allen habe ich für ihr
es: „Die Transformation von Kunst und Elitekultur
der Studienzeit bis knapp vor Klimts Tod, die in
Engagement und ihr Bemühen um funktionelle
in massenhaft reproduzierte Klischees ist ein
großen zyklischen Zusammenhängen stehen. Die
und formale Präzision zu danken.
wichtiges Element der Rezeptionsgeschichte:
enorme Fülle von Skizzen, Detailstudien nach der
Mit dem Katalog liegt nun auch ein Bestands-
Wer z. B. wie das Wien Museum bedeutende
Natur, Variationen und „fertigen“ Zeichnungen
verzeichnis unserer Klimt-Sammlung vor, viele
Werke von Klimt in der Sammlung hat, ist auch
wird – in thematischen Ensembles – in dichter,
Zeichnungen werden zum ersten Mal publiziert.
für Souvenirs im Retro-Jugendstil zuständig.“
serieller Hängung präsentiert: ein flirrender
Sowohl bei der Bearbeitung des Œuvre als
Darin unterscheidet sich ein kulturgeschicht-
Strom von Momentaufnahmen, die den Arbeits
auch bei der Umsetzung von Ausstellung
liches Stadtmuseum von Nur-Kunstmuseen.
prozess eines Künstlers spüren lassen, der
und Publikation war die Mitarbeit von Kerstin
Deshalb haben wir vor kurzem begonnen, auch
beharrlich um die ultimative Gestaltung ringt.
Krenn sehr wertvoll. Allen Katalogautorinnen
klimtisierte Produkte als Zeitdokumente zu
Bewertungen relativieren sich, das Außerordent-
und -autoren danke ich für ihre Textbeiträge,
sammeln. Einiges davon wird in der Ausstellung
liche erscheint als Destillat des Kontinuierlichen.
die wesentliche Neuinterpretationen zum Werk
zu sehen sein, ebenso wie Beispiele der „Worst
Die von der Kuratorin Ursula Storch mit dem
Gustav Klimts und seiner Rezeption enthalten.
of Klimt“-Umfrage.
Architekturbüro BWM entwickelte, konsequent
Wichtige Unterstützung bei den Medienstationen
Vielleicht ist der neue Blick auf Klimt einer, der
unhierarchische Installation (mit subtiler Hervor-
kam von Ralph Gleis. Mein Dank gilt auch
von der Popularität des Künstlers ausgeht, waren
hebung von exzeptionellen Einzelblättern) ist, das
Isabelle Exinger-Lang (Produktionsleitung)
doch Gefälligkeit und Nähe zum Kitsch schon zu
ist uns bewusst, auch ein riskantes Spiel mit der
sowie Andreas Gruber und Alexandra Moser
dessen Lebenszeit ein Faktor des Erfolgs. Damit
Aura eines Künstlers, von dem selbst flüchtigste
(Papierrestaurierung).
erscheint Klimt zunehmend als Pop-Künstler,
Skizzen als Meisterblätter auktioniert werden.
Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Plakat
durchaus vergleichbar mit Andy Warhol oder
Dazu kommen Video-Zuspielungen, die nicht nur
präsentation der Wienbibliothek im Rathaus
Keith Haring. Aber es gibt auch eine ernsthafte
die Geschichte der Sammlung darstellen, son-
im Atrium des Wien Museums (Konzept:
Brücke zwischen Gegenwartskunst und dem
dern auch als „diskursive Kommentare“ gedacht
Julia König, Sylvia Mattl-Wurm): nachgezeichnet
goldenen Klimt, nämlich ein neues Interesse für
sind – mit Statements zum Klimt-Overkill und zur
wird einerseits die Geschichte der Klimt-
das Ornamental-Dekorative.
Bedeutung von Klimt für den Wien-Tourismus
Ausstellungen, andererseits der Image-Transfer
beziehungsweise zum ambivalenten Frauenbild
zwischen Klimt-Motivik und Produkt- und
des Künstlers, von dem ja eine große Zahl von
Tourismuswerbung.
Die Sammlung des Wien Museums
zum Teil explizit erotischen Zeichnungen in der Sammlung vertreten sind.
Fast alle Wiener Museen nutzen das Jahr 2012, in
Damit korrespondieren „Klimt-Streitgespräche“
Wolfgang Kos
dem sich Klimts Geburtstag zum 150. Mal jährt,
im Rahmenprogramm, eines mit dem Titel
Direktor Wien Museum
dazu, ihre Klimt-Bestände in die Auslage zu
„Frauenbild von vorgestern?“, eines zum Thema
stellen. Das bietet die Chance, neben den kano
„Überdosis Klimt – Eine Gefahr für Wien“.
nisierten Glanzstücken auch weniger Bekanntes
Dazu passt eine Überschrift, die sich kürzlich in
zu sehen. Aus den unterschiedlichen Ansätzen
der Presse fand: „Ist Klimt noch zu retten?“
und Modi der Präsentation sollten sich überraschende Perspektiven und erhellende Differenzierungen im Umgang mit einem Starkünstler
Dank Klimt
ergeben, der darunter leidet, dass man ihn zu
8
gut zu kennen glaubt.
Für Idee und Kuratierung dieser Ausstellung, die
Das Wien Museum entschloss sich zu einer
auch für das Museum selbst einen Kernbestand
Radikalmaßnahme: Erstmals wird die von vielen
endlich sichtbar macht, habe ich Ursula Storch
Gastauftritten in Museen in aller Welt bekannte
zu danken, die sich seit vielen Jahren mit der 9
Essays
10
11
Essays
10
11
Die Klimt-Sammlung des Wien Museums Fakten und Schlüsse
Vorlagenwerk für Künstler publiziert, das in dem
land wurde. Per Landeszuweisungsgesetz wur-
Werk Allegorien. Neue Folge 1895–1900 seine Fort-
den den Städtischen Sammlungen die Wien be-
setzung fand. Für die erste Publikation steuerte
treffenden Bilder, Pläne, Ansichten und Bücher
Gustav Klimt zwei Ölbilder und fünf Zeichnungen
des Niederösterreichischen Landesmuseums
als Vorlagen bei, für die zweite Edition ein Ölbild
übergeben. Auf der Liste der Werke bildender
und drei heute weltberühmte Zeichnungen. Nach
Kunst findet sich unter Nummer 36 ein „Damen-
einer Ausstellung aller Originalvorlagen in den
porträt, Gustav Klimt“, hinter dem sich das Porträt
5 Ohne Aktzahl, Inv.Nr. 31.813.
Festräumen des Wiener Rathauses wurde die
Emilie Flöge verbirgt, heute eines der berühmtes-
komplette Sammlung, darunter die erwähnten
ten und zweifellos das kostbarste Gemälde des
6 Zit. n. Alice Strobl: Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878–1918. Nachtrag, Bd. IV, Salzburg 1989, S. 48.
elf Werke Gustav Klimts, für die Städtischen
Wien Museums.9
Sammlungen angekauft.
Mit dem Ankauf der Sammlung Albert Berger
3
4
1 Ich verwende den Begriff Wien Museum, wenn von der Zeit von 2003 bis heute die Rede ist oder wenn ich aus heutiger Perspektive über die Gesamt geschichte der Institution spreche. Davor galt von 1939 bis 2003 die Bezeichnung Historisches Museum der Stadt Wien. Seit der Gründung 1888 bis dahin war das Museum Teil der Städtischen Sammlungen. Alle drei Bezeichnungen meinen dieselbe Institution, wie auch die gelegentlich von mir verkürzt verwendete Bezeichnung „Museum“. US 2 Widmung ohne Aktzahl, Inv.Nr. 1.693.
8 Aktzahl 453/1918, Inv.Nr. 96.032.
ins Inventar aufgenommen, und zwar sein
1. und für die 18. Ausstellung der Secession, ein-
9 Aktzahl 730/1921, Inv.Nr. 45.677.
Zuschauerraum im alten Burgtheater. In einem
schließlich der Reinzeichnung für ersteres,
Curriculum vitae von 1893 gibt Gustav Klimt über
in den Besitz des Museums.10
10 Aktzahl 1308/1928, Reinzeichnung: Inv.Nr. 116.210.
die Entstehung dieses Bildes Auskunft: „Im Jahre
1937 kam ein weiteres Damenporträt Klimts in die
würde, bietet aber zugleich Gelegenheit, im
1888 bis 89 malte ich im Auftrage des Gemeinde
Sammlung. Es handelt sich dabei um das Bildnis
bankeinträgen zu Gustav Klimt aus, so besitzt das
Rahmen der zehn in Wien für 2012 angekündigten
rathes für das historische Museum der Stadt
einer unbekannten Dame,11 das mit dem Ankauf
Wien Museum die größte Klimt-Sammlung der
Klimt-Ausstellungen eine sehr spezielle Nische
Wien, eine Ansicht des Zuschauerraumes des
der Sammlung Dr. August Heymann – einer
Welt. Mit rund 400 Zeichnungen der „Wien um
zu besetzen, in der letztlich auch die Frage „Wie
alten Burgtheaters mit ungefähr 150 Porträts
kulturhistorischen Sammlung diverser Viennen-
1900“-Künstlerikone lässt die Kunstsammlung des
viel Klimt verträgt Wien?“ gestellt werden darf.
in Aquarell und erhielt für dieses Bild auf der
sia im Umfang von mehr als 10.000 Objekten –
Wien Museums jede andere einschlägige Institu-
Zudem ergibt sich ein gewinnbringender Neben
Jahresausstellung im Künstlerhause 1890 den da-
von der Tochter des Sammlers erworben wurde.12
tion hinter sich. Dazu kommen noch acht weitere
effekt für das Wien Museum und die Klimt-
mals gestifteten Kaiserpreis per 400 Ducaten.“ 6
Bei einer Auktion im Dorotheum am 21. März 1939
Originalwerke, Ölbilder, von denen zumindest zwei
Forschung: Erstmals wird eine Faktenanalyse zur
Zwei minutiös aquarellierte Totenbildnisse ge-
wurde die Nummer 558 „Klimt: Sappho, Ölskizze“
zu den absoluten Spitzenbildern zählen. Klimts
bestehenden Sammlung durchgeführt, die über
langten 1909 als Schenkung aus Wiener Privat-
angekauft.13 Obwohl ein Eintrag im Inventarbuch
Plakate für die Secession lassen sich aufgrund
die Ausstellung hinaus Klarheit über diverse
besitz in die Sammlung.7 Es handelt sich bei den
darauf hinweist, dass das Gemälde ursprünglich
ihrer Seltenheit ebenfalls zum Werk rechnen.
Fragestellungen bringen wird.
Dargestellten um zwei bekannte Wiener Persön-
der Bedienerin Gustav Klimts gehörte, wird diese
Als kulturhistorisches Museum besitzt das Wien
lichkeiten, den Vorstand der Direktion der Staats-
Zuschreibung mittlerweile von mehreren Fach-
Museum darüber hinaus auch eine ganze Reihe
eisenbahnbauten Julius von Lott (1836–1883)
leuten bestritten.14 Eventuell könnte es sich dabei
und den Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger
um eine frühe Arbeit Ernst Klimts handeln.
(1817–1885), der Gründungsdirektor des Österrei-
Die früheste Zeichnung der Sammlung, ein
Zur Geschichte der Sammlung
menhang stehen. Etwa einen seiner berühmten
12
7 Zuweisungsprotokoll 138 und 139/1909, Inv.Nrn. 33.907 und 33.908.
gelangten 1928 Klimts berühmte Plakate für die
Geht man von der effektiven Anzahl an Daten-
weiterer Objekte, die mit Gustav Klimt in Zusam-
4 Aktzahl 313/1901. Die Klimt-Werke wurden unter den Inventarnummern 25.001, 25.005, 25.007, 25.014, 25.016, 25.021, 25.022, 25.025, 25.215, 25.256 und 26.373 inventarisiert.
1907 wurde das nächste Werk von Gustav Klimt 5
Ursula Storch
3 Kunstausstellung Gerlach & Schenk, Festräume des Rathauses (Ausstellungskatalog), Wien 1901.
11 Bisher wurde angenommen, dass es sich bei der Darstellung eventuell um die Gattin des Sammlers handeln könnte. In letzter Zeit gibt es aber auch Überlegungen, die August Heymanns Schwester als Porträtierte in Betracht ziehen (vgl. Monika Sommer und Alexandra Steiner-Strauss: Gustav Klimt und Wien. Spaziergänge zu den Orten seines Wirkens, Wien 2012, S. 153-159). Da allerdings die Provenienz der einzige ikonographische Hinweis ist, bleibt die Identität der Dargestellten fürs Erste weiterhin fraglich. US 12 Aktzahl 1200/1937, Inv.Nr. 61.061. 13 Aktzahl 586/1939, Inv.Nr. 60.466. 14 In diesem Zusammenhang danke ich Marian Bisanz-Prakken, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Tobias G. Natter und Othmar Rychlik sehr herzlich für die diesbezüglich geführten Gespräche. US 15 Die Signatur gleicht eher den von Klimt erst ab Mitte der 1890er-Jahre verwendeten; die in der Kunstgewerbeschule entstandenen akademischen Akte Ende der 1870er-Jahre hingegen sind sehr viel konventioneller signiert. US
blauen Malerkittel, Porträtfotos, aufgenommen
Wie, so fragt man sich, kommt eine solche
chischen Museums für Kunst und Industrie sowie
(sicherlich erst später)15 signiertes Damenporträt,
von den berühmtesten Fotografinnen und Foto-
Sammlung zustande?
der ursprünglich angeschlossenen Kunstgewer-
das Gustav Klimt 1877 im Alter von erst
grafen seiner Zeit, zwei Büsten, die ihn darstel-
Die Erwerbungen gehen auf die verschiedensten
beschule war.
15 Jahren, vermutlich nach einer Fotografie anfer-
len, seine Totenmaske, eine Zeichnung Egon
Quellen zurück und fanden im Laufe der vergan-
Knapp vor seinem Tod 1918 war Otto Wagner mit
tigte, wurde 1940 aus Privatbesitz angekauft.16
Schieles, die den verehrten Malerkollegen in der
genen 120 Jahre statt. Im Folgenden soll erst-
dem Wunsch an das Museum herangetreten, die
Zwei weitere Blätter, beide in Zusammenhang
Totenkammer des Allgemeinen Krankenhauses
mals ein chronologischer Abriss Einblick in das
komplette Einrichtung des neben seinem Atelier
mit den Fakultätsbildern entstanden, wurden bei
zeigt, sowie eine Reihe von Klimt-Souvenirs, die
Zustandekommen der aktuellen Klimt-Sammlung
gelegenen Sprechzimmers durch einen Ankauf
einer Auktion des Dorotheums Anfang November
mittlerweile und speziell 2012 aus der Produkt
des Wien Museums ermöglichen.
für die Nachwelt zu erhalten. In der beigelegten
1942 ersteigert.17
18 Zuweisungsprotokoll 363/1944, Inv.Nrn. 74.930/1-273.
palette des Wien-Tourismus-Marketing nicht
Das Objekt mit der niedrigsten Inventarnummer,
maschinschriftlichen Inventarliste samt Preisen
„Zeichnungen von Gustav KLIMT vermache ich
19 Aktzahl 78/1947, Inv.Nr. 75.403.
mehr wegzudenken sind.
das zum Klimt-Bestand zählt, ist die Original-
führte er 93 Positionen an, unter denen die
der Gemeinde Wien.“ Mit diesem Satz aus dem
Das sogenannte Klimt-Jahr anlässlich seines
zeichnung zu einer Damenspende für den Ball
Nummer 17 mit „Klimt. Weibliche Köpfe, Hand-
Testament Franziska Klimts, der Witwe von
150. Geburtstages bietet die Möglichkeit, zum
der Stadt Wien 1892, die 1893 als Spende des
zeichnung K 250.-“ angegeben war. In Hinblick
Gustavs Bruder Georg, gelangten 1944 mit einem
ersten Mal in der Geschichte des Wien Museums 1
Gemeinderatspräsidiums in die Städtischen
auf ein geplantes Baukünstlerarchiv, das in
Schlag 273 Zeichnungen in die Sammlung des
die komplette Sammlung zum wohl international
Sammlungen gelangte. Die nächsten Klimt-Objekte wurden 1901 in die
einem Neubau des Städtischen Museums unter
Wien Museums, das damit weltweit zur Institu
bekanntesten österreichischen Maler zu präsen
gebracht werden sollte, kam es nach dem Tod
tion mit den meisten Klimt-Zeichnungen wurde.18
tieren. Dieses einmalige Unternehmen eines
Sammlung aufgenommen. Der Wiener Verlag
Otto Wagners tatsächlich zu diesem Ankauf.8
Eine Studie zum Ölporträt Mäda Primavesi (um
Universalmuseums führt uns in Grenzbereiche,
Gerlach & Schenk hatte in den Jahren 1882–1884
Der nächste Zuwachs der Klimt-Sammlung
1912) wurde 1947 von der Dargestellten an das
die ein reines Kunstmuseum kaum beschreiten
unter dem Titel Allegorien & Embleme ein
erfolgte 1921, als Wien selbstständiges Bundes
Museum verkauft.19
2
16 Aktzahl 226/1940, Inv.Nr. 66.054. 17 Aktzahl 1241/1942, Inv.Nrn. 71.506 und 71.507. Letztere wurde 2006 restituiert. Näheres dazu an späterer Stelle im Text. US
13
Die Klimt-Sammlung des Wien Museums Fakten und Schlüsse
Vorlagenwerk für Künstler publiziert, das in dem
land wurde. Per Landeszuweisungsgesetz wur-
Werk Allegorien. Neue Folge 1895–1900 seine Fort-
den den Städtischen Sammlungen die Wien be-
setzung fand. Für die erste Publikation steuerte
treffenden Bilder, Pläne, Ansichten und Bücher
Gustav Klimt zwei Ölbilder und fünf Zeichnungen
des Niederösterreichischen Landesmuseums
als Vorlagen bei, für die zweite Edition ein Ölbild
übergeben. Auf der Liste der Werke bildender
und drei heute weltberühmte Zeichnungen. Nach
Kunst findet sich unter Nummer 36 ein „Damen-
einer Ausstellung aller Originalvorlagen in den
porträt, Gustav Klimt“, hinter dem sich das Porträt
5 Ohne Aktzahl, Inv.Nr. 31.813.
Festräumen des Wiener Rathauses wurde die
Emilie Flöge verbirgt, heute eines der berühmtes-
komplette Sammlung, darunter die erwähnten
ten und zweifellos das kostbarste Gemälde des
6 Zit. n. Alice Strobl: Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878–1918. Nachtrag, Bd. IV, Salzburg 1989, S. 48.
elf Werke Gustav Klimts, für die Städtischen
Wien Museums.9
Sammlungen angekauft.
Mit dem Ankauf der Sammlung Albert Berger
3
4
1 Ich verwende den Begriff Wien Museum, wenn von der Zeit von 2003 bis heute die Rede ist oder wenn ich aus heutiger Perspektive über die Gesamt geschichte der Institution spreche. Davor galt von 1939 bis 2003 die Bezeichnung Historisches Museum der Stadt Wien. Seit der Gründung 1888 bis dahin war das Museum Teil der Städtischen Sammlungen. Alle drei Bezeichnungen meinen dieselbe Institution, wie auch die gelegentlich von mir verkürzt verwendete Bezeichnung „Museum“. US 2 Widmung ohne Aktzahl, Inv.Nr. 1.693.
8 Aktzahl 453/1918, Inv.Nr. 96.032.
ins Inventar aufgenommen, und zwar sein
1. und für die 18. Ausstellung der Secession, ein-
9 Aktzahl 730/1921, Inv.Nr. 45.677.
Zuschauerraum im alten Burgtheater. In einem
schließlich der Reinzeichnung für ersteres,
Curriculum vitae von 1893 gibt Gustav Klimt über
in den Besitz des Museums.10
10 Aktzahl 1308/1928, Reinzeichnung: Inv.Nr. 116.210.
die Entstehung dieses Bildes Auskunft: „Im Jahre
1937 kam ein weiteres Damenporträt Klimts in die
würde, bietet aber zugleich Gelegenheit, im
1888 bis 89 malte ich im Auftrage des Gemeinde
Sammlung. Es handelt sich dabei um das Bildnis
bankeinträgen zu Gustav Klimt aus, so besitzt das
Rahmen der zehn in Wien für 2012 angekündigten
rathes für das historische Museum der Stadt
einer unbekannten Dame,11 das mit dem Ankauf
Wien Museum die größte Klimt-Sammlung der
Klimt-Ausstellungen eine sehr spezielle Nische
Wien, eine Ansicht des Zuschauerraumes des
der Sammlung Dr. August Heymann – einer
Welt. Mit rund 400 Zeichnungen der „Wien um
zu besetzen, in der letztlich auch die Frage „Wie
alten Burgtheaters mit ungefähr 150 Porträts
kulturhistorischen Sammlung diverser Viennen-
1900“-Künstlerikone lässt die Kunstsammlung des
viel Klimt verträgt Wien?“ gestellt werden darf.
in Aquarell und erhielt für dieses Bild auf der
sia im Umfang von mehr als 10.000 Objekten –
Wien Museums jede andere einschlägige Institu-
Zudem ergibt sich ein gewinnbringender Neben
Jahresausstellung im Künstlerhause 1890 den da-
von der Tochter des Sammlers erworben wurde.12
tion hinter sich. Dazu kommen noch acht weitere
effekt für das Wien Museum und die Klimt-
mals gestifteten Kaiserpreis per 400 Ducaten.“ 6
Bei einer Auktion im Dorotheum am 21. März 1939
Originalwerke, Ölbilder, von denen zumindest zwei
Forschung: Erstmals wird eine Faktenanalyse zur
Zwei minutiös aquarellierte Totenbildnisse ge-
wurde die Nummer 558 „Klimt: Sappho, Ölskizze“
zu den absoluten Spitzenbildern zählen. Klimts
bestehenden Sammlung durchgeführt, die über
langten 1909 als Schenkung aus Wiener Privat-
angekauft.13 Obwohl ein Eintrag im Inventarbuch
Plakate für die Secession lassen sich aufgrund
die Ausstellung hinaus Klarheit über diverse
besitz in die Sammlung.7 Es handelt sich bei den
darauf hinweist, dass das Gemälde ursprünglich
ihrer Seltenheit ebenfalls zum Werk rechnen.
Fragestellungen bringen wird.
Dargestellten um zwei bekannte Wiener Persön-
der Bedienerin Gustav Klimts gehörte, wird diese
Als kulturhistorisches Museum besitzt das Wien
lichkeiten, den Vorstand der Direktion der Staats-
Zuschreibung mittlerweile von mehreren Fach-
Museum darüber hinaus auch eine ganze Reihe
eisenbahnbauten Julius von Lott (1836–1883)
leuten bestritten.14 Eventuell könnte es sich dabei
und den Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger
um eine frühe Arbeit Ernst Klimts handeln.
(1817–1885), der Gründungsdirektor des Österrei-
Die früheste Zeichnung der Sammlung, ein
Zur Geschichte der Sammlung
menhang stehen. Etwa einen seiner berühmten
12
7 Zuweisungsprotokoll 138 und 139/1909, Inv.Nrn. 33.907 und 33.908.
gelangten 1928 Klimts berühmte Plakate für die
Geht man von der effektiven Anzahl an Daten-
weiterer Objekte, die mit Gustav Klimt in Zusam-
4 Aktzahl 313/1901. Die Klimt-Werke wurden unter den Inventarnummern 25.001, 25.005, 25.007, 25.014, 25.016, 25.021, 25.022, 25.025, 25.215, 25.256 und 26.373 inventarisiert.
1907 wurde das nächste Werk von Gustav Klimt 5
Ursula Storch
3 Kunstausstellung Gerlach & Schenk, Festräume des Rathauses (Ausstellungskatalog), Wien 1901.
11 Bisher wurde angenommen, dass es sich bei der Darstellung eventuell um die Gattin des Sammlers handeln könnte. In letzter Zeit gibt es aber auch Überlegungen, die August Heymanns Schwester als Porträtierte in Betracht ziehen (vgl. Monika Sommer und Alexandra Steiner-Strauss: Gustav Klimt und Wien. Spaziergänge zu den Orten seines Wirkens, Wien 2012, S. 153-159). Da allerdings die Provenienz der einzige ikonographische Hinweis ist, bleibt die Identität der Dargestellten fürs Erste weiterhin fraglich. US 12 Aktzahl 1200/1937, Inv.Nr. 61.061. 13 Aktzahl 586/1939, Inv.Nr. 60.466. 14 In diesem Zusammenhang danke ich Marian Bisanz-Prakken, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Tobias G. Natter und Othmar Rychlik sehr herzlich für die diesbezüglich geführten Gespräche. US 15 Die Signatur gleicht eher den von Klimt erst ab Mitte der 1890er-Jahre verwendeten; die in der Kunstgewerbeschule entstandenen akademischen Akte Ende der 1870er-Jahre hingegen sind sehr viel konventioneller signiert. US
blauen Malerkittel, Porträtfotos, aufgenommen
Wie, so fragt man sich, kommt eine solche
chischen Museums für Kunst und Industrie sowie
(sicherlich erst später)15 signiertes Damenporträt,
von den berühmtesten Fotografinnen und Foto-
Sammlung zustande?
der ursprünglich angeschlossenen Kunstgewer-
das Gustav Klimt 1877 im Alter von erst
grafen seiner Zeit, zwei Büsten, die ihn darstel-
Die Erwerbungen gehen auf die verschiedensten
beschule war.
15 Jahren, vermutlich nach einer Fotografie anfer-
len, seine Totenmaske, eine Zeichnung Egon
Quellen zurück und fanden im Laufe der vergan-
Knapp vor seinem Tod 1918 war Otto Wagner mit
tigte, wurde 1940 aus Privatbesitz angekauft.16
Schieles, die den verehrten Malerkollegen in der
genen 120 Jahre statt. Im Folgenden soll erst-
dem Wunsch an das Museum herangetreten, die
Zwei weitere Blätter, beide in Zusammenhang
Totenkammer des Allgemeinen Krankenhauses
mals ein chronologischer Abriss Einblick in das
komplette Einrichtung des neben seinem Atelier
mit den Fakultätsbildern entstanden, wurden bei
zeigt, sowie eine Reihe von Klimt-Souvenirs, die
Zustandekommen der aktuellen Klimt-Sammlung
gelegenen Sprechzimmers durch einen Ankauf
einer Auktion des Dorotheums Anfang November
mittlerweile und speziell 2012 aus der Produkt
des Wien Museums ermöglichen.
für die Nachwelt zu erhalten. In der beigelegten
1942 ersteigert.17
18 Zuweisungsprotokoll 363/1944, Inv.Nrn. 74.930/1-273.
palette des Wien-Tourismus-Marketing nicht
Das Objekt mit der niedrigsten Inventarnummer,
maschinschriftlichen Inventarliste samt Preisen
„Zeichnungen von Gustav KLIMT vermache ich
19 Aktzahl 78/1947, Inv.Nr. 75.403.
mehr wegzudenken sind.
das zum Klimt-Bestand zählt, ist die Original-
führte er 93 Positionen an, unter denen die
der Gemeinde Wien.“ Mit diesem Satz aus dem
Das sogenannte Klimt-Jahr anlässlich seines
zeichnung zu einer Damenspende für den Ball
Nummer 17 mit „Klimt. Weibliche Köpfe, Hand-
Testament Franziska Klimts, der Witwe von
150. Geburtstages bietet die Möglichkeit, zum
der Stadt Wien 1892, die 1893 als Spende des
zeichnung K 250.-“ angegeben war. In Hinblick
Gustavs Bruder Georg, gelangten 1944 mit einem
ersten Mal in der Geschichte des Wien Museums 1
Gemeinderatspräsidiums in die Städtischen
auf ein geplantes Baukünstlerarchiv, das in
Schlag 273 Zeichnungen in die Sammlung des
die komplette Sammlung zum wohl international
Sammlungen gelangte. Die nächsten Klimt-Objekte wurden 1901 in die
einem Neubau des Städtischen Museums unter
Wien Museums, das damit weltweit zur Institu
bekanntesten österreichischen Maler zu präsen
gebracht werden sollte, kam es nach dem Tod
tion mit den meisten Klimt-Zeichnungen wurde.18
tieren. Dieses einmalige Unternehmen eines
Sammlung aufgenommen. Der Wiener Verlag
Otto Wagners tatsächlich zu diesem Ankauf.8
Eine Studie zum Ölporträt Mäda Primavesi (um
Universalmuseums führt uns in Grenzbereiche,
Gerlach & Schenk hatte in den Jahren 1882–1884
Der nächste Zuwachs der Klimt-Sammlung
1912) wurde 1947 von der Dargestellten an das
die ein reines Kunstmuseum kaum beschreiten
unter dem Titel Allegorien & Embleme ein
erfolgte 1921, als Wien selbstständiges Bundes
Museum verkauft.19
2
16 Aktzahl 226/1940, Inv.Nr. 66.054. 17 Aktzahl 1241/1942, Inv.Nrn. 71.506 und 71.507. Letztere wurde 2006 restituiert. Näheres dazu an späterer Stelle im Text. US
13
20 Aktzahl 857/1951, Inv.Nrn. 96.482/1-33.
Unter der Direktion Franz Glücks verdichteten
handlung Nebehay angekauft.33 Ein weiteres Blatt
21 Aktzahl 1/1952, Inv.Nrn. 90.501, 90.502 und 96.730.
sich in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren die
wurde bei einer Auktion in München ersteigert.34
22 Aktzahl 455/1952, Inv.Nrn. 96.936/1-14.
Klimt-Erwerbungen: So wurden 1951 aus Wiener
Im folgenden Jahr kamen gleich drei Mal Klimt-
Privatbesitz 33 Zeichnungen angekauft,20 im
Ankäufe über die Kunsthandlung Nebehay
23 Aktzahl 692/1954, Inv.Nr. 100.686.
folgenden Jahr erwarb man drei Zeichnungen
zustande: zwei Zeichnungen,35 ein Notizbuch mit
24 Aktzahl 797/1954, Inv.Nr. 115.143.
von der Neuen Galerie, unter denen sich eine
Eintragungen und Vorarbeiten für den Zuschauer
25 Aktzahl 484/1955, Inv.Nr. 105.306/1-3. Möglicherweise stammen diese Zeich nungen von Franz Matsch als Studien zu seinem Burgtheaterbild, das als Pendant zu Gustav Klimts Zuschauerraum im alten Burgtheater den Blick vom Publikum zur Bühne darstellt. Alice Strobl nahm sie nicht in ihr Werkverzeichnis der KlimtZeichnungen auf, Marian Bisanz-Prakken bekräftigt die bestehenden Zweifel einer Autorenschaft Gustav Klimts. US
der überaus seltenen Tierstudien Gustav Klimts
raum im alten Burgtheater,36 und schließlich eine
befindet, die zwei Hunde zeigt. Ebenfalls 1952
Ölskizze zum rechten Teil des Plakats für die In-
gelangten über das Auktionshaus Kende 14
ternationale Ausstellung für Musik- und Theater-
Studien zum Zuschauerraum im alten Burgtheater
wesen 1892,37 dessen linker Teil von Ernst Klimt
in die Sammlung.22
stammt. Da das gedruckte Plakat lediglich mit
Gustav Klimts Ölgemälde Pallas Athene von 1898,
„Ernst Klimt“ signiert ist und bislang keine
das programmatische Bild zur Gründung der
gesicherten Hinweise auf eine Autorenschaft
26 Aktzahl 836/1955, Inv.Nrn. 101.046/1-10 und 101.059/1-10.
Wiener Secession, konnte 1954 von der Galerie
Gustav Klimts vorliegen, bestehen vereinzelte
27 Aktzahl 784/1956, Inv.Nrn. 101.447101.456.
Neumann für 20.000 Schilling erworben werden
Zweifel an dieser Zuschreibung.38
und ist seither eines der am häufigsten angefrag-
1965 kam mit dem Porträt Marie Molls eine sig-
ten Objekte für Ausstellungen zum Thema „Wien
nierte Kreidezeichnung Gustav Klimts als Ankauf
stellung des Frühlings, für die Gustav Klimt eine
Selbstverständlich sucht das Wien Museum wei-
um 1900.“
aus kanadischem Privatbesitz in die Sammlung.
Diana über einer von Putti getragenen Blumen-
terhin nach den rechtmäßigen Eigentümern und
43 Hermesvilla. Wien 1986 (2., überarbeitete Auflage der Ausgabe von 1981), S.16-21.
28 Aktzahl 810/1957, Inv.Nrn. 101.692101.694.
21
23
Das einzige bekannte Foto von Gustav Klimts Gemälde Das Schweigen (rechts oben im hellen Rahmen)
39
29 Widmung ohne Aktzahl, Inv.Nr. 101.718 und 101.719.
Mit dem Nachlass des Kunstkritikers Arthur
Erst mehr als zwanzig Jahre später erfolgte der
girlande beisteuerte. Durch die schwerwiegen-
ist für weiterführende Hinweise dankbar.
44 Aktzahl 101/1941, Inv.Nr. 69.204.
30 Aktzahl 141/1958, Inv.Nr. 101.784.
Roessler, den das Museum im Gegenzug für eine
nächste Ankauf eines originalen Klimt-Werks für
den Beschädigungen des Hauses nach dem
Mit Gemeinderatsbeschluss vom 3. Februar 1983
45 Aktzahl 1349/1942, Inv.Nr. 71.500.
Leibrente für ihn und seine Frau Ida erhielt, kam
die Sammlung des Wien Museums. Dabei han-
Zweiten Weltkrieg ist leider nicht mehr viel von
trat das Historische Museum sieben Klimt-Zeich-
1955 eine weitere Zeichnung in den Besitz des
delte es sich um eine Zeichnung zum Fakultäts-
der Originalsubstanz erhalten.43
nungen sowie eine Reihe von Secessionsplakaten
32 Aktzahl 652/1960, Inv.Nr. 114.949.
Museums.24
bild Jurisprudenz, die aus Privatbesitz erworben
Im Laufe der Jahrzehnte hat es in der Klimt-
(Doubletten) an den New Yorker Kunsthändler Serge
33 Aktzahl 769/1962, Inv.Nrn. 115.855, 115.856/1-7, 115.857 und 115.858.
46 Alfred Weidinger u. a.: Kommentiertes Gesamtverzeichnis des malerischen Werks, in: Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München u. a. 2007, S. 281.
Im selben Jahr wurden im Dorotheum drei wei-
werden konnte.40 Schließlich wurde 1988 zum
Sammlung des Wien Museums nicht nur Zu-
Sabarsky ab, der dem Museum dafür im Gegen
47 Aktzahl 31/2006.
tere Bleistiftskizzen zum Zuschauerraum im alten
letzten Mal eine Klimt-Zeichnung angekauft,
wächse, sondern auch Abgänge unterschied-
zug eine wertvolle Schiele-Zeichnung überließ.48
35 Aktzahl 350/1963, Inv.Nrn. 115.982 und 115.983.
Burgtheater 25 und aus Wiener Privatbesitz
und zwar eine Studie zum Fakultätsbild Medizin,
licher Art gegeben. Vorübergehend besaß das
Der Vollständigkeit halber sei hier abschließend
20 Zeichnungen in zwei Tranchen erworben.26
auf die das Museum vom Bundesdenkmalamt
Historische Museum der Stadt Wien zwei weitere
noch ein weiteres Klimt-Gemälde erwähnt, das,
36 Aktzahl 891/1963, Inv.Nr. 116.386.
Helene Donner, die Nichte Gustav Klimts, bot
aufmerksam gemacht worden war, da diesem
Ölgemälde, nämlich Porträt Mäda Primavesi (um
obwohl theoretisch Eigentum des Wien Muse-
37 Aktzahl 169/1963, Inv.Nr. 115.911.
1956 dem Museum 35 Zeichnungen an, von denen
ein Ausfuhransuchen seitens des Kunsthandels
1912) und Birkenwald (1903). Ersteres wurde 1941
ums, bedauerlicherweise nie in seinen Besitz
38 Auch in diesem Zusammenhang danke ich Marian Bisanz-Prakken, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Tobias G. Natter und Othmar Rychlik sehr herzlich für ihre Expertisen. US
schließlich zehn angekauft wurden.27
vorlag.41
in einer Kunstauktion des Dorotheums erwor-
gelangt ist. Es handelt sich dabei um das sym-
Ebenfalls aus einem größeren Angebot aus
An dieser Stelle sei zusammenfassend nur kurz
ben und 1950 an die Erben nach Jenny Steiner
bolistische Gemälde Das Schweigen, das schon
Pariser Privatbesitz wählte das Museum 1957 drei
darauf hingewiesen, dass die Preise, die seitens
restituiert.44 Es hängt heute im Metropolitan
1898 in der zweiten Ausstellung der Secession
39 Aktzahl 729/1965, Inv.Nr. 133.369.
Zeichnungen aus. Zwei weitere Reinzeichnun-
des Museums für den Erwerb von Klimt-Zeich-
Museum in New York. Birkenwald, ein Gemälde
ausgestellt war.49 Otto Wagner kaufte dieses Bild
gen Klimts für das Ver Sacrum-Heft 3/1898 erhielt
nungen gezahlt wurden, durchweg den jeweils
aus der Sammlung Bloch-Bauer, wurde 1942 über
und hinterließ es seinen Erben. Die Wohnung
31 Aktzahl 302/1958, Inv.Nr. 101. 903.
34 Aktzahl 797/1962, Inv.Nr. 115.888.
40 Aktzahl 1734/1986, Inv.Nr. 186.207.
28
das Museum als Widmung aus einer bedauer
gängigen Marktpreisen entsprachen, bezie-
eine Rechtsanwaltskanzlei angekauft und 1948 an
seiner Tochter Christine wurde in ihrer Abwesen-
41 Aktzahl 1051/1988, Inv.Nr. 186.269.
licherweise nicht mehr eruierbaren Quelle.29
hungsweise zum Teil sogar deutlich unterschrit-
die Österreichische Galerie ausgefolgt,45 die das
heit 1945 samt Möbeln und sonstigem Inventar
42 Diese Beurteilung bezieht sich auf die von Alice Strobl zusammengetragenen Preise in: Strobl, Klimt, Bd. IV, S. 226-228.
1958 erfolgten der Ankauf eines Klimt-Aquarells
ten wurden.
Bild 2006 ihrerseits an die rechtmäßigen Erben
beschlagnahmt und weitervermietet. Da sich in
aus Privatbesitz, das eine Studie zum Theatervor-
Einen Sonderfall im Rahmen des Klimt-Bestands
zurückstellte.46
dieser Wohnung auch noch etliche nach Entwür-
hang in Karlsbad darstellt , sowie einer weiteren
stellen Deckengemälde in der Hermesvilla dar,
In der Folge des Kunstrückgabegesetzes der
fen Otto Wagners ausgeführte Möbel befanden,
Zeichnung31.
die seit 1976 vom Wien Museum als Ausstellungs-
Stadt Wien von 1999 wurde 2006 eine im
die von kulturhistorischem Wert für Wien waren,
Infolge eines Tausches – eine heute nicht mehr
haus genutzt wird. Die Künstler-Compagnie,
Dorotheum im November 1942 ersteigerte Zeich-
bemühte sich Wagners Tochter seit 1947, diese
gebräuchliche Praxis im Museum – gelangte
also Gustav Klimt, sein Bruder Ernst und Franz
nung Klimts zum Fakultätsbild Medizin an die
sowie das restliche Inventar mit Unterstützung
1960 eine Klimt-Zeichnung in die Sammlung.
Matsch, übernahm dort in der Nachfolge Hans
Erben nach Heinrich Rieger restituiert, in dessen
des Historischen Museums zurückzuerlangen.50
Der private Anbieter erhielt dafür im Gegenzug
Makarts 1885 den Auftrag, die Hohlkehlen im
Sammlung sich das Blatt ursprünglich befunden
Im Zuge der Nachforschungen wurde am
ein Aquarell von Wilhelm Kobell.
14
30
42
Schlafzimmer der Kaiserin Elisabeth nach
hatte. Ein sehr prominentes zweites Blatt, die
16. Dezember 1948 eine gemeinsame Niederschrift
1962 wurden zehn Blätter, darunter sieben weitere
Entwürfen von Julius Victor Berger auszumalen.
Übertragungsskizze für das Fakultätsbild
erstellt, in der Otto Wagners Tochter Folgendes
Studien zum Zuschauerraum im alten Burgtheater
Das Deckengemälde im angrenzenden Salon der
Philosophie, die in derselben Auktion angekauft
zu Protokoll gab: „Ferner widme ich den Städt.
und ein Entwurf Gustav Klimts für das Grabkreuz
Kaiserin konnten sie nach eigenen Vorstellungen
wurde, konnte bisher nicht restituiert werden, da
Sammlungen, falls ich in den Besitz meines mir
seines verstorbenen Bruders Ernst, in der Kunst-
realisieren. Sie entschieden sich für eine Dar-
der Einbringer nicht zu eruieren war.
gehörigen und in der Wohnung befindlichen
32
47
48 Aktzahl 1242/1982. Bei den ausgeschiedenen Blättern handelt es sich um die Inv.Nrn. 74.930/181, 194, 200, 240, 242, 262 und 267. 49 Vgl. Katalog zur 2. Ausstellung der Secession, Wien 1898, Nr. 73. 50 Aktzahlen 917/1947, 1997/1948, 1143/1951.
15
20 Aktzahl 857/1951, Inv.Nrn. 96.482/1-33.
Unter der Direktion Franz Glücks verdichteten
handlung Nebehay angekauft.33 Ein weiteres Blatt
21 Aktzahl 1/1952, Inv.Nrn. 90.501, 90.502 und 96.730.
sich in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren die
wurde bei einer Auktion in München ersteigert.34
22 Aktzahl 455/1952, Inv.Nrn. 96.936/1-14.
Klimt-Erwerbungen: So wurden 1951 aus Wiener
Im folgenden Jahr kamen gleich drei Mal Klimt-
Privatbesitz 33 Zeichnungen angekauft,20 im
Ankäufe über die Kunsthandlung Nebehay
23 Aktzahl 692/1954, Inv.Nr. 100.686.
folgenden Jahr erwarb man drei Zeichnungen
zustande: zwei Zeichnungen,35 ein Notizbuch mit
24 Aktzahl 797/1954, Inv.Nr. 115.143.
von der Neuen Galerie, unter denen sich eine
Eintragungen und Vorarbeiten für den Zuschauer
25 Aktzahl 484/1955, Inv.Nr. 105.306/1-3. Möglicherweise stammen diese Zeich nungen von Franz Matsch als Studien zu seinem Burgtheaterbild, das als Pendant zu Gustav Klimts Zuschauerraum im alten Burgtheater den Blick vom Publikum zur Bühne darstellt. Alice Strobl nahm sie nicht in ihr Werkverzeichnis der KlimtZeichnungen auf, Marian Bisanz-Prakken bekräftigt die bestehenden Zweifel einer Autorenschaft Gustav Klimts. US
der überaus seltenen Tierstudien Gustav Klimts
raum im alten Burgtheater,36 und schließlich eine
befindet, die zwei Hunde zeigt. Ebenfalls 1952
Ölskizze zum rechten Teil des Plakats für die In-
gelangten über das Auktionshaus Kende 14
ternationale Ausstellung für Musik- und Theater-
Studien zum Zuschauerraum im alten Burgtheater
wesen 1892,37 dessen linker Teil von Ernst Klimt
in die Sammlung.22
stammt. Da das gedruckte Plakat lediglich mit
Gustav Klimts Ölgemälde Pallas Athene von 1898,
„Ernst Klimt“ signiert ist und bislang keine
das programmatische Bild zur Gründung der
gesicherten Hinweise auf eine Autorenschaft
26 Aktzahl 836/1955, Inv.Nrn. 101.046/1-10 und 101.059/1-10.
Wiener Secession, konnte 1954 von der Galerie
Gustav Klimts vorliegen, bestehen vereinzelte
27 Aktzahl 784/1956, Inv.Nrn. 101.447101.456.
Neumann für 20.000 Schilling erworben werden
Zweifel an dieser Zuschreibung.38
und ist seither eines der am häufigsten angefrag-
1965 kam mit dem Porträt Marie Molls eine sig-
ten Objekte für Ausstellungen zum Thema „Wien
nierte Kreidezeichnung Gustav Klimts als Ankauf
stellung des Frühlings, für die Gustav Klimt eine
Selbstverständlich sucht das Wien Museum wei-
um 1900.“
aus kanadischem Privatbesitz in die Sammlung.
Diana über einer von Putti getragenen Blumen-
terhin nach den rechtmäßigen Eigentümern und
43 Hermesvilla. Wien 1986 (2., überarbeitete Auflage der Ausgabe von 1981), S.16-21.
28 Aktzahl 810/1957, Inv.Nrn. 101.692101.694.
21
23
Das einzige bekannte Foto von Gustav Klimts Gemälde Das Schweigen (rechts oben im hellen Rahmen)
39
29 Widmung ohne Aktzahl, Inv.Nr. 101.718 und 101.719.
Mit dem Nachlass des Kunstkritikers Arthur
Erst mehr als zwanzig Jahre später erfolgte der
girlande beisteuerte. Durch die schwerwiegen-
ist für weiterführende Hinweise dankbar.
44 Aktzahl 101/1941, Inv.Nr. 69.204.
30 Aktzahl 141/1958, Inv.Nr. 101.784.
Roessler, den das Museum im Gegenzug für eine
nächste Ankauf eines originalen Klimt-Werks für
den Beschädigungen des Hauses nach dem
Mit Gemeinderatsbeschluss vom 3. Februar 1983
45 Aktzahl 1349/1942, Inv.Nr. 71.500.
Leibrente für ihn und seine Frau Ida erhielt, kam
die Sammlung des Wien Museums. Dabei han-
Zweiten Weltkrieg ist leider nicht mehr viel von
trat das Historische Museum sieben Klimt-Zeich-
1955 eine weitere Zeichnung in den Besitz des
delte es sich um eine Zeichnung zum Fakultäts-
der Originalsubstanz erhalten.43
nungen sowie eine Reihe von Secessionsplakaten
32 Aktzahl 652/1960, Inv.Nr. 114.949.
Museums.24
bild Jurisprudenz, die aus Privatbesitz erworben
Im Laufe der Jahrzehnte hat es in der Klimt-
(Doubletten) an den New Yorker Kunsthändler Serge
33 Aktzahl 769/1962, Inv.Nrn. 115.855, 115.856/1-7, 115.857 und 115.858.
46 Alfred Weidinger u. a.: Kommentiertes Gesamtverzeichnis des malerischen Werks, in: Alfred Weidinger (Hg.): Gustav Klimt, München u. a. 2007, S. 281.
Im selben Jahr wurden im Dorotheum drei wei-
werden konnte.40 Schließlich wurde 1988 zum
Sammlung des Wien Museums nicht nur Zu-
Sabarsky ab, der dem Museum dafür im Gegen
47 Aktzahl 31/2006.
tere Bleistiftskizzen zum Zuschauerraum im alten
letzten Mal eine Klimt-Zeichnung angekauft,
wächse, sondern auch Abgänge unterschied-
zug eine wertvolle Schiele-Zeichnung überließ.48
35 Aktzahl 350/1963, Inv.Nrn. 115.982 und 115.983.
Burgtheater 25 und aus Wiener Privatbesitz
und zwar eine Studie zum Fakultätsbild Medizin,
licher Art gegeben. Vorübergehend besaß das
Der Vollständigkeit halber sei hier abschließend
20 Zeichnungen in zwei Tranchen erworben.26
auf die das Museum vom Bundesdenkmalamt
Historische Museum der Stadt Wien zwei weitere
noch ein weiteres Klimt-Gemälde erwähnt, das,
36 Aktzahl 891/1963, Inv.Nr. 116.386.
Helene Donner, die Nichte Gustav Klimts, bot
aufmerksam gemacht worden war, da diesem
Ölgemälde, nämlich Porträt Mäda Primavesi (um
obwohl theoretisch Eigentum des Wien Muse-
37 Aktzahl 169/1963, Inv.Nr. 115.911.
1956 dem Museum 35 Zeichnungen an, von denen
ein Ausfuhransuchen seitens des Kunsthandels
1912) und Birkenwald (1903). Ersteres wurde 1941
ums, bedauerlicherweise nie in seinen Besitz
38 Auch in diesem Zusammenhang danke ich Marian Bisanz-Prakken, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Tobias G. Natter und Othmar Rychlik sehr herzlich für ihre Expertisen. US
schließlich zehn angekauft wurden.27
vorlag.41
in einer Kunstauktion des Dorotheums erwor-
gelangt ist. Es handelt sich dabei um das sym-
Ebenfalls aus einem größeren Angebot aus
An dieser Stelle sei zusammenfassend nur kurz
ben und 1950 an die Erben nach Jenny Steiner
bolistische Gemälde Das Schweigen, das schon
Pariser Privatbesitz wählte das Museum 1957 drei
darauf hingewiesen, dass die Preise, die seitens
restituiert.44 Es hängt heute im Metropolitan
1898 in der zweiten Ausstellung der Secession
39 Aktzahl 729/1965, Inv.Nr. 133.369.
Zeichnungen aus. Zwei weitere Reinzeichnun-
des Museums für den Erwerb von Klimt-Zeich-
Museum in New York. Birkenwald, ein Gemälde
ausgestellt war.49 Otto Wagner kaufte dieses Bild
gen Klimts für das Ver Sacrum-Heft 3/1898 erhielt
nungen gezahlt wurden, durchweg den jeweils
aus der Sammlung Bloch-Bauer, wurde 1942 über
und hinterließ es seinen Erben. Die Wohnung
31 Aktzahl 302/1958, Inv.Nr. 101. 903.
34 Aktzahl 797/1962, Inv.Nr. 115.888.
40 Aktzahl 1734/1986, Inv.Nr. 186.207.
28
das Museum als Widmung aus einer bedauer
gängigen Marktpreisen entsprachen, bezie-
eine Rechtsanwaltskanzlei angekauft und 1948 an
seiner Tochter Christine wurde in ihrer Abwesen-
41 Aktzahl 1051/1988, Inv.Nr. 186.269.
licherweise nicht mehr eruierbaren Quelle.29
hungsweise zum Teil sogar deutlich unterschrit-
die Österreichische Galerie ausgefolgt,45 die das
heit 1945 samt Möbeln und sonstigem Inventar
42 Diese Beurteilung bezieht sich auf die von Alice Strobl zusammengetragenen Preise in: Strobl, Klimt, Bd. IV, S. 226-228.
1958 erfolgten der Ankauf eines Klimt-Aquarells
ten wurden.
Bild 2006 ihrerseits an die rechtmäßigen Erben
beschlagnahmt und weitervermietet. Da sich in
aus Privatbesitz, das eine Studie zum Theatervor-
Einen Sonderfall im Rahmen des Klimt-Bestands
zurückstellte.46
dieser Wohnung auch noch etliche nach Entwür-
hang in Karlsbad darstellt , sowie einer weiteren
stellen Deckengemälde in der Hermesvilla dar,
In der Folge des Kunstrückgabegesetzes der
fen Otto Wagners ausgeführte Möbel befanden,
Zeichnung31.
die seit 1976 vom Wien Museum als Ausstellungs-
Stadt Wien von 1999 wurde 2006 eine im
die von kulturhistorischem Wert für Wien waren,
Infolge eines Tausches – eine heute nicht mehr
haus genutzt wird. Die Künstler-Compagnie,
Dorotheum im November 1942 ersteigerte Zeich-
bemühte sich Wagners Tochter seit 1947, diese
gebräuchliche Praxis im Museum – gelangte
also Gustav Klimt, sein Bruder Ernst und Franz
nung Klimts zum Fakultätsbild Medizin an die
sowie das restliche Inventar mit Unterstützung
1960 eine Klimt-Zeichnung in die Sammlung.
Matsch, übernahm dort in der Nachfolge Hans
Erben nach Heinrich Rieger restituiert, in dessen
des Historischen Museums zurückzuerlangen.50
Der private Anbieter erhielt dafür im Gegenzug
Makarts 1885 den Auftrag, die Hohlkehlen im
Sammlung sich das Blatt ursprünglich befunden
Im Zuge der Nachforschungen wurde am
ein Aquarell von Wilhelm Kobell.
14
30
42
Schlafzimmer der Kaiserin Elisabeth nach
hatte. Ein sehr prominentes zweites Blatt, die
16. Dezember 1948 eine gemeinsame Niederschrift
1962 wurden zehn Blätter, darunter sieben weitere
Entwürfen von Julius Victor Berger auszumalen.
Übertragungsskizze für das Fakultätsbild
erstellt, in der Otto Wagners Tochter Folgendes
Studien zum Zuschauerraum im alten Burgtheater
Das Deckengemälde im angrenzenden Salon der
Philosophie, die in derselben Auktion angekauft
zu Protokoll gab: „Ferner widme ich den Städt.
und ein Entwurf Gustav Klimts für das Grabkreuz
Kaiserin konnten sie nach eigenen Vorstellungen
wurde, konnte bisher nicht restituiert werden, da
Sammlungen, falls ich in den Besitz meines mir
seines verstorbenen Bruders Ernst, in der Kunst-
realisieren. Sie entschieden sich für eine Dar-
der Einbringer nicht zu eruieren war.
gehörigen und in der Wohnung befindlichen
32
47
48 Aktzahl 1242/1982. Bei den ausgeschiedenen Blättern handelt es sich um die Inv.Nrn. 74.930/181, 194, 200, 240, 242, 262 und 267. 49 Vgl. Katalog zur 2. Ausstellung der Secession, Wien 1898, Nr. 73. 50 Aktzahlen 917/1947, 1997/1948, 1143/1951.
15
51 Aktzahl 1997/1948
Mobiliars komme, das oben angeführte Klimt-Bild
Im Sommer 1979 hatten Werke Gustav Klimts
52 Fritz Novotny und Johannes Dobai: Gustav Klimt, Salzburg 1967, S. 308 (ohne eigene Werknummer; hier fälschliche Zuordnung zur 18. Ausstellung der Secession); Weidinger, kommentiertes Gesamtverzeichnis, in: Weidinger (Hg.), Klimt, Nr. 129.
‚Das Schweigen‘, sowie andere im Einvernehmen
einen ersten größeren Auftritt in der Ausstel-
mit der Direktion der St. Sammlungen zu bestim-
lung Wiener Stilkunst um 1900. Zeichnungen und
mende Gegenstände.“ 51 Auf einem Foto, das dem
Aquarelle im Besitz des Historischen Museums der
Akt beiliegt, ist das Gemälde, leider sehr dunkel,
Stadt Wien, die in der Hermesvilla stattfand. Hier
an der Wand hängend dokumentiert. Die Korre-
wurden 28 Klimt-Zeichnungen präsentiert, vor
53 Vgl. Schausammlung Historisches Museum der Stadt Wien, Wien 1984, S. 294f.
spondenz mit der Tochter Otto Wagners bricht
allem die Höhepunkte der Sammlung.55
mit Jänner 1952 ab. Über den Verbleib des Bildes,
Obwohl William M. Johnstons Österreichische
54 Wien um 1900 (Ausstellungskatalog), Wien 1964, Nr. 309, Nr. 324, Nrn. 342-343.
das 1950 in einer maschinschriftlichen Aufzeich-
Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und
nung des Museums mit dem Titel Otto Wagner.
Ideen im Donauraum 1848 bis 1938 bereits 1974 auf
55 Wiener Stilkunst um 1900. Zeichnungen und Aquarelle im Besitz des Historischen Museums der Stadt Wien (Ausstellungskatalog zur 61. Sonder ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1979.
Liste der fehlenden Stücke angeführt wurde, ist
Deutsch erschienen und damit ein erster Schritt
bis heute nichts bekannt, in der Literatur gilt es
zur Wiederentdeckung der Kulturgeschichte
allerdings bereits seit 1898 beziehungsweise 1903
der Wiener Jahrhundertwende gesetzt worden
als verschollen.52
war, brachte erst die Übersetzung von Carl E.
56 Heidemarie Uhl: „Wien um 1900“ – das making of eines Gedächtnisortes, in: Monika Sommer u. a. (Hg.): Imaging Vienna. Innensichten, Außensichten, Stadterzählungen, Wien 2006, S. 49. 57 Gustav Klimt. Zeichnungen aus amerikanischem Privatbesitz ausgewählt von Serge Sabarsky und aus Beständen des Historischen Museums der Stadt Wien (Ausstellungskatalog zur 89. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1984. 58 Aktzahl 1092/1983.
16
Blick in die Ausstellung Vienna 1900 im Museum of Modern Art, New York 1986, mit den Gemälden Pallas Athene und Porträt Emilie Flöge aus dem Wien Museum
Schorskes Wien, Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle 1982 die große internationale Begeisterungswelle für „Wien um 1900“ ins Rollen.56
und das unzensurierte Exemplar des Plakats für
aber die Leihansuchen sowie die Leihverträge zu
1984 fand die erste und bislang einzige dezidierte
die 1. Secessionsausstellung bei. Aufgrund des
Gustav Klimt an, wird deutlich, dass die Klimt-
Was aber macht ein Museum mit einer solchen
Klimt-Ausstellung im Historischen Museum statt,
großen Erfolgs wurden in den nächsten Jahren
Sammlung des Wien Museums national wie
59 Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930 (Ausstellungskatalog zur 95. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1985.
Sammlung?
bei welcher in Zusammenarbeit mit dem New
ähnliche Ausstellungen gezeigt, etwa Vienne
international bekannt und gefragt ist.66
60 Uhl, „Wien um 1900“, S. 63.
Ölgemälde wie das Porträt Emilie Flöge, die Pallas
Yorker Kunsthändler Serge Sabarsky Zeichnun-
1880–1938. L’ Apocalypse Joyeuse im Centre
Das heutige Wien Museum stand Leihanfragen
Athene oder die Liebe waren in den vergangenen
gen aus amerikanischem Privatbesitz und aus der
Pompidou in Paris oder die Ausstellung Vienna
aus der Klimt-Sammlung bei entsprechenden
Jahrzehnten zumeist in der Dauerausstellung des
Museumssammlung gezeigt wurden. Diesmal
1900: Art, Architecture & Design im New Yorker
Bedingungen von jeher positiv gegenüber. So
Wien Museums zu sehen.53 Zum einen ist es der
waren es 50 Zeichnungen aus Museumsbestand,
MoMA. Mit der Ausstellung Emilie Flöge und
verlieh es etwa bereits Objekte zu den Klimt-
61 Emilie Flöge und Gustav Klimt. Doppelporträt in Ideallandschaft (Ausstellungskatalog zur 112. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1988.
akute Platzmangel im Haus, der es kaum erlaubt,
die zu sehen waren. Der Besuch von knapp
Gustav Klimt. Doppelporträt in Ideallandschaft
Gedächtnisausstellungen 1928 und 1943 in der
mehr als drei Gemälde eines Malers permanent
45.000 Personen war ausschlaggebend dafür, diese
zeigte das Historische Museum der Stadt Wien
Secession. Auch die Klimt-Ausstellungen in der
zu zeigen, zum anderen können die Zeichnungen
Ausstellung auf Reisen zu schicken. Sie wurde
1988/89 in der Hermesvilla noch einmal eine Aus-
Albertina 1962 und 1968 wurden durch Leihgaben
schon aus konservatorischen Gründen nicht für
im Anschluss von der Kestner-Gesellschaft
wahl seines Klimt-Bestands, nämlich zwei Ölbil-
aus dem Historischen Museum ergänzt.
längere Zeit präsentiert werden. Allerdings wur-
Hannover, über den Jahreswechsel von der
der – darunter natürlich wieder das Porträt Emilie
Nach den eigenen Klimt-Ausstellungen der 1980er-
den – wenn auch bisher nicht in ihrer Gesamtheit –
Münchner Villa Stuck und im Frühling 1985 von
Flöge – zwei Plakate und fünf Zeichnungen.61
Jahre begannen sich die Leihanfragen zu häufen:
immer wieder Teile der Sammlung für Ausstel-
der Neuen Galerie der Stadt Linz übernommen.
In den letzten 20 Jahren wurden nur einzelne
1990 reisten zehn Klimt-Objekte zu der Ausstel-
lungen herangezogen. In diesem Zusammenhang
Im selben Jahr fand im Künstlerhaus die legen-
Klimt-Objekte in Ausstellungen des Wien Muse-
lung Wien in der Morgenröte des 20. Jahrhunderts
sind sowohl eigene als auch von anderen Insti-
däre Ausstellung Traum und Wirklichkeit. Wien
ums gezeigt. So war unter den 100 ausgewählten
im Pushkin-Museum in Moskau,67 im folgenden
tutionen veranstaltete Ausstellungen zu nennen,
1870–1930 statt – eine Ausstellung, die vom
Blättern der Ausstellung Skizzen, Studien, Meister
Jahr waren 40 Objekte bei der Klimt-Ausstellung
für die Leihgaben der Sammlung zur Verfügung
Historischen Museum der Stadt Wien organisiert
blätter. Wiener Graphik aus fünf Jahrhunderten 1996
im Palazzo Strozzi in Florenz zu sehen,68 und 1992
gestellt wurden.
und konzipiert wurde. Diese Schau gilt bis heute
eine Zeichnung Gustav Klimts zu sehen, 2003
fand im Kunsthaus Zürich eine Klimt-Ausstellung
Beginnen wir mit einem Überblick über die
als das Wiener Ausstellungsereignis der Superla-
waren seine Plakate für die Secession Teil der
statt, die mit 52 Kunstwerken, Porträtfotografien
eigenen Ausstellungen, in denen Klimt-Objekte
tive, das mit mehr als 622.000 Besucherinnen und
Ausstellung Kraftflächen. Wiener Plakatkunst um
und dem Malerkittel Klimts beschickt wurde.69
zu sehen waren. 1964 initiierte das Kulturamt der
Besuchern seither nicht getoppt werden konnte.
1900, im folgenden Jahr war die Zeichnung aus
1994 fanden zwei Ausstellungen von Klimt-Zeich-
Stadt Wien eine Ausstellung zum Thema Wien
Hier war das Beste vom Besten zum Thema
dem Nachlass Arthur Roesslers, ein stehender
nungen des Historischen Museums der Stadt
um 1900, die gleichzeitig an vier verschiedenen
„Wien um 1900“ versammelt, die Wiener Museen
weiblicher Akt, in Schiele & Roessler. Der Künstler
Wien in Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie
Orten in Wien stattfand. Im damaligen Histori-
wie auch private Leihgeber aus dem In- und Aus-
und sein Förderer ausgestellt,64 und 2008/09 war
Bratislava statt, bei denen jeweils 50 Zeichnungen
schen Museum der Stadt Wien wurden die Be-
land unterstützten die Ausstellung mit hochkarä-
das Porträt Emilie Flöge Leitobjekt der Ausstellung
aus der Sammlung des heutigen Wien Museums
67 Aktzahl 2599/1988.
reiche Druckgrafik, Buch und Plakat präsentiert.
tigen Leihgaben. Das Historische Museum selbst
Glanzstücke.
gezeigt wurden. Bei der Ausstellung Sehnsucht
68 Aktzahl 219/1991.
Dementsprechend waren in dieser Ausstellung
steuerte aus der eigenen Sammlung neben vielen
Abgesehen von einer Häufung der ausgestellten
nach Glück. Wiens Aufbruch in die Moderne in der
69 Aktzahl 2454/1991.
aus dem eigenen Klimt-Bestand lediglich die
anderen Objekten sieben seiner acht Ölbilder
Klimt-Objekte in den selbstveranstalteten Aus-
Kunsthalle Schirn in Frankfurt waren 1995 drei
70 Aktzahl 413/1993.
Plakate zur 1. und zur 18. Secessionsausstellung,
von Gustav Klimt, darunter natürlich das Porträt
stellungen in den Jahren 1979 bis 1989 scheint im
Ölbilder und 20 Zeichnungen zu sehen,71 1998
71 Aktzahl 26/1995.
sowie Ver Sacrum-Hefte mit Klimt-Illustrationen
Emilie Flöge und Pallas Athene, den Zuschauerraum
eigenen Haus eher wenig Interesse an diesem
wurden anlässlich des hundertjährigen Bestehens
zu sehen.
im alten Burgtheater, zwei seiner Zeichnungen
Bestand geherrscht zu haben. Sieht man sich
der Secession 25 Klimt-Leihgaben für eine Aus-
Die Nutzung der Sammlung
54
57
58
59
60
62
63
65
70
62 Skizzen, Studien, Meisterblätter. Wiener Graphik aus fünf Jahrhunderten (Ausstellungskatalog zur 216. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1996, S. 65f. 63 Kraftflächen. Wiener Plakatkunst um 1900 (Ausstellungskatalog zur 303. Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 2003, S. 43-47. 64 Tobias G. Natter und Ursula Storch (Hg): Schiele & Roessler. Der Künstler und sein Förderer. Kunst und Networking im frühen 20. Jahrhundert (Ausstellungskatalog Wien Museum), Ostfildern-Ruit 2004, S. 151. 65 Glanzstücke. Emilie Flöge und der Schmuck der Wiener Werkstätte (Ausstellungskatalog Wien Museum), Stuttgart 2008. 66 Da in den vergangenen Jahrzehnten nicht alle Leihakten archiviert wurden, muss davon ausgegangen werden, dass die folgenden Angaben nur Tendenzen erfassen können, die realen Zahlen aber wohl noch um einiges höher anzusetzen sind. US
17
51 Aktzahl 1997/1948
Mobiliars komme, das oben angeführte Klimt-Bild
Im Sommer 1979 hatten Werke Gustav Klimts
52 Fritz Novotny und Johannes Dobai: Gustav Klimt, Salzburg 1967, S. 308 (ohne eigene Werknummer; hier fälschliche Zuordnung zur 18. Ausstellung der Secession); Weidinger, kommentiertes Gesamtverzeichnis, in: Weidinger (Hg.), Klimt, Nr. 129.
‚Das Schweigen‘, sowie andere im Einvernehmen
einen ersten größeren Auftritt in der Ausstel-
mit der Direktion der St. Sammlungen zu bestim-
lung Wiener Stilkunst um 1900. Zeichnungen und
mende Gegenstände.“ 51 Auf einem Foto, das dem
Aquarelle im Besitz des Historischen Museums der
Akt beiliegt, ist das Gemälde, leider sehr dunkel,
Stadt Wien, die in der Hermesvilla stattfand. Hier
an der Wand hängend dokumentiert. Die Korre-
wurden 28 Klimt-Zeichnungen präsentiert, vor
53 Vgl. Schausammlung Historisches Museum der Stadt Wien, Wien 1984, S. 294f.
spondenz mit der Tochter Otto Wagners bricht
allem die Höhepunkte der Sammlung.55
mit Jänner 1952 ab. Über den Verbleib des Bildes,
Obwohl William M. Johnstons Österreichische
54 Wien um 1900 (Ausstellungskatalog), Wien 1964, Nr. 309, Nr. 324, Nrn. 342-343.
das 1950 in einer maschinschriftlichen Aufzeich-
Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und
nung des Museums mit dem Titel Otto Wagner.
Ideen im Donauraum 1848 bis 1938 bereits 1974 auf
55 Wiener Stilkunst um 1900. Zeichnungen und Aquarelle im Besitz des Historischen Museums der Stadt Wien (Ausstellungskatalog zur 61. Sonder ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1979.
Liste der fehlenden Stücke angeführt wurde, ist
Deutsch erschienen und damit ein erster Schritt
bis heute nichts bekannt, in der Literatur gilt es
zur Wiederentdeckung der Kulturgeschichte
allerdings bereits seit 1898 beziehungsweise 1903
der Wiener Jahrhundertwende gesetzt worden
als verschollen.52
war, brachte erst die Übersetzung von Carl E.
56 Heidemarie Uhl: „Wien um 1900“ – das making of eines Gedächtnisortes, in: Monika Sommer u. a. (Hg.): Imaging Vienna. Innensichten, Außensichten, Stadterzählungen, Wien 2006, S. 49. 57 Gustav Klimt. Zeichnungen aus amerikanischem Privatbesitz ausgewählt von Serge Sabarsky und aus Beständen des Historischen Museums der Stadt Wien (Ausstellungskatalog zur 89. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1984. 58 Aktzahl 1092/1983.
16
Blick in die Ausstellung Vienna 1900 im Museum of Modern Art, New York 1986, mit den Gemälden Pallas Athene und Porträt Emilie Flöge aus dem Wien Museum
Schorskes Wien, Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle 1982 die große internationale Begeisterungswelle für „Wien um 1900“ ins Rollen.56
und das unzensurierte Exemplar des Plakats für
aber die Leihansuchen sowie die Leihverträge zu
1984 fand die erste und bislang einzige dezidierte
die 1. Secessionsausstellung bei. Aufgrund des
Gustav Klimt an, wird deutlich, dass die Klimt-
Was aber macht ein Museum mit einer solchen
Klimt-Ausstellung im Historischen Museum statt,
großen Erfolgs wurden in den nächsten Jahren
Sammlung des Wien Museums national wie
59 Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930 (Ausstellungskatalog zur 95. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1985.
Sammlung?
bei welcher in Zusammenarbeit mit dem New
ähnliche Ausstellungen gezeigt, etwa Vienne
international bekannt und gefragt ist.66
60 Uhl, „Wien um 1900“, S. 63.
Ölgemälde wie das Porträt Emilie Flöge, die Pallas
Yorker Kunsthändler Serge Sabarsky Zeichnun-
1880–1938. L’ Apocalypse Joyeuse im Centre
Das heutige Wien Museum stand Leihanfragen
Athene oder die Liebe waren in den vergangenen
gen aus amerikanischem Privatbesitz und aus der
Pompidou in Paris oder die Ausstellung Vienna
aus der Klimt-Sammlung bei entsprechenden
Jahrzehnten zumeist in der Dauerausstellung des
Museumssammlung gezeigt wurden. Diesmal
1900: Art, Architecture & Design im New Yorker
Bedingungen von jeher positiv gegenüber. So
Wien Museums zu sehen.53 Zum einen ist es der
waren es 50 Zeichnungen aus Museumsbestand,
MoMA. Mit der Ausstellung Emilie Flöge und
verlieh es etwa bereits Objekte zu den Klimt-
61 Emilie Flöge und Gustav Klimt. Doppelporträt in Ideallandschaft (Ausstellungskatalog zur 112. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1988.
akute Platzmangel im Haus, der es kaum erlaubt,
die zu sehen waren. Der Besuch von knapp
Gustav Klimt. Doppelporträt in Ideallandschaft
Gedächtnisausstellungen 1928 und 1943 in der
mehr als drei Gemälde eines Malers permanent
45.000 Personen war ausschlaggebend dafür, diese
zeigte das Historische Museum der Stadt Wien
Secession. Auch die Klimt-Ausstellungen in der
zu zeigen, zum anderen können die Zeichnungen
Ausstellung auf Reisen zu schicken. Sie wurde
1988/89 in der Hermesvilla noch einmal eine Aus-
Albertina 1962 und 1968 wurden durch Leihgaben
schon aus konservatorischen Gründen nicht für
im Anschluss von der Kestner-Gesellschaft
wahl seines Klimt-Bestands, nämlich zwei Ölbil-
aus dem Historischen Museum ergänzt.
längere Zeit präsentiert werden. Allerdings wur-
Hannover, über den Jahreswechsel von der
der – darunter natürlich wieder das Porträt Emilie
Nach den eigenen Klimt-Ausstellungen der 1980er-
den – wenn auch bisher nicht in ihrer Gesamtheit –
Münchner Villa Stuck und im Frühling 1985 von
Flöge – zwei Plakate und fünf Zeichnungen.61
Jahre begannen sich die Leihanfragen zu häufen:
immer wieder Teile der Sammlung für Ausstel-
der Neuen Galerie der Stadt Linz übernommen.
In den letzten 20 Jahren wurden nur einzelne
1990 reisten zehn Klimt-Objekte zu der Ausstel-
lungen herangezogen. In diesem Zusammenhang
Im selben Jahr fand im Künstlerhaus die legen-
Klimt-Objekte in Ausstellungen des Wien Muse-
lung Wien in der Morgenröte des 20. Jahrhunderts
sind sowohl eigene als auch von anderen Insti-
däre Ausstellung Traum und Wirklichkeit. Wien
ums gezeigt. So war unter den 100 ausgewählten
im Pushkin-Museum in Moskau,67 im folgenden
tutionen veranstaltete Ausstellungen zu nennen,
1870–1930 statt – eine Ausstellung, die vom
Blättern der Ausstellung Skizzen, Studien, Meister
Jahr waren 40 Objekte bei der Klimt-Ausstellung
für die Leihgaben der Sammlung zur Verfügung
Historischen Museum der Stadt Wien organisiert
blätter. Wiener Graphik aus fünf Jahrhunderten 1996
im Palazzo Strozzi in Florenz zu sehen,68 und 1992
gestellt wurden.
und konzipiert wurde. Diese Schau gilt bis heute
eine Zeichnung Gustav Klimts zu sehen, 2003
fand im Kunsthaus Zürich eine Klimt-Ausstellung
Beginnen wir mit einem Überblick über die
als das Wiener Ausstellungsereignis der Superla-
waren seine Plakate für die Secession Teil der
statt, die mit 52 Kunstwerken, Porträtfotografien
eigenen Ausstellungen, in denen Klimt-Objekte
tive, das mit mehr als 622.000 Besucherinnen und
Ausstellung Kraftflächen. Wiener Plakatkunst um
und dem Malerkittel Klimts beschickt wurde.69
zu sehen waren. 1964 initiierte das Kulturamt der
Besuchern seither nicht getoppt werden konnte.
1900, im folgenden Jahr war die Zeichnung aus
1994 fanden zwei Ausstellungen von Klimt-Zeich-
Stadt Wien eine Ausstellung zum Thema Wien
Hier war das Beste vom Besten zum Thema
dem Nachlass Arthur Roesslers, ein stehender
nungen des Historischen Museums der Stadt
um 1900, die gleichzeitig an vier verschiedenen
„Wien um 1900“ versammelt, die Wiener Museen
weiblicher Akt, in Schiele & Roessler. Der Künstler
Wien in Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie
Orten in Wien stattfand. Im damaligen Histori-
wie auch private Leihgeber aus dem In- und Aus-
und sein Förderer ausgestellt,64 und 2008/09 war
Bratislava statt, bei denen jeweils 50 Zeichnungen
schen Museum der Stadt Wien wurden die Be-
land unterstützten die Ausstellung mit hochkarä-
das Porträt Emilie Flöge Leitobjekt der Ausstellung
aus der Sammlung des heutigen Wien Museums
67 Aktzahl 2599/1988.
reiche Druckgrafik, Buch und Plakat präsentiert.
tigen Leihgaben. Das Historische Museum selbst
Glanzstücke.
gezeigt wurden. Bei der Ausstellung Sehnsucht
68 Aktzahl 219/1991.
Dementsprechend waren in dieser Ausstellung
steuerte aus der eigenen Sammlung neben vielen
Abgesehen von einer Häufung der ausgestellten
nach Glück. Wiens Aufbruch in die Moderne in der
69 Aktzahl 2454/1991.
aus dem eigenen Klimt-Bestand lediglich die
anderen Objekten sieben seiner acht Ölbilder
Klimt-Objekte in den selbstveranstalteten Aus-
Kunsthalle Schirn in Frankfurt waren 1995 drei
70 Aktzahl 413/1993.
Plakate zur 1. und zur 18. Secessionsausstellung,
von Gustav Klimt, darunter natürlich das Porträt
stellungen in den Jahren 1979 bis 1989 scheint im
Ölbilder und 20 Zeichnungen zu sehen,71 1998
71 Aktzahl 26/1995.
sowie Ver Sacrum-Hefte mit Klimt-Illustrationen
Emilie Flöge und Pallas Athene, den Zuschauerraum
eigenen Haus eher wenig Interesse an diesem
wurden anlässlich des hundertjährigen Bestehens
zu sehen.
im alten Burgtheater, zwei seiner Zeichnungen
Bestand geherrscht zu haben. Sieht man sich
der Secession 25 Klimt-Leihgaben für eine Aus-
Die Nutzung der Sammlung
54
57
58
59
60
62
63
65
70
62 Skizzen, Studien, Meisterblätter. Wiener Graphik aus fünf Jahrhunderten (Ausstellungskatalog zur 216. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1996, S. 65f. 63 Kraftflächen. Wiener Plakatkunst um 1900 (Ausstellungskatalog zur 303. Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 2003, S. 43-47. 64 Tobias G. Natter und Ursula Storch (Hg): Schiele & Roessler. Der Künstler und sein Förderer. Kunst und Networking im frühen 20. Jahrhundert (Ausstellungskatalog Wien Museum), Ostfildern-Ruit 2004, S. 151. 65 Glanzstücke. Emilie Flöge und der Schmuck der Wiener Werkstätte (Ausstellungskatalog Wien Museum), Stuttgart 2008. 66 Da in den vergangenen Jahrzehnten nicht alle Leihakten archiviert wurden, muss davon ausgegangen werden, dass die folgenden Angaben nur Tendenzen erfassen können, die realen Zahlen aber wohl noch um einiges höher anzusetzen sind. US
17
103 99
Verliehene Klimt-Objekte des Wien Museums seit 1980
90
82
70 65 59 57 56 50 44 40 39 33 25 23 17 15 14
Plakat der National Gallery of Victoria in Melbourne mit Motiv Porträt Emilie Flöge, 2011
10 9 8 7 1
1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
72 Aktzahl 2562/1997.
stellung im Akademiehof leihweise zur Verfügung
Auf die Gefahr hin, dass eine solche Aufzählung
Wien Museum nur mehr in höchst seltenen Aus-
gemeinsam mit den Schenkungen und mithilfe
73 Aktzahl 2756/1998.
gestellt.72 24 Leihgaben reisten 1999 für Gustav
ermüdend wirkt, zeigt sie doch sehr eindrucks-
nahmefällen verlässt, da es, wie bereits erwähnt,
weiterer Steuergelder verwahrt, wissenschaftlich
74 Aktzahl 448/1999.
Klimt e le origini della Secessione Viennese nach
voll, welche Bedeutung die Klimt-Sammlung des
das kostbarste und eines der berühmtesten
bearbeitet, verwaltet und restauratorisch betreut,
75 Aktzahl 1303/1998.
Mailand,73 bei Klimt und die Frauen im Belvedere
Wien Museums in den letzten Jahrzehnten auf
Gemälde des Museums ist. An dritter Stelle im
sodass die Öffentlichkeit das Recht hat, diesen
76 Aktzahl 461/2001.
waren im selben Jahr 22 originale Werke aus
dem internationalen Ausstellungsparkett erlangt
Ranking liegt das Gemälde Liebe mit rund 25 Leih
Bestand – vermutlich das einzige Mal in seiner
77 Aktzahl 1724/2002.
dem Museum zu sehen.74
hat. Leihgebungen einzelner oder weniger Objekte
anfragen seit 1980. Unter den Grafiken führen
Geschichte – in seiner Gesamtheit zu sehen.
78 Aktzahl 2144/2003.
Die umfangreichsten Leihgebungen seit dem
blieben bei dieser Aufzählung unberücksichtigt,
erwartungsgemäß die vielerorts publizierten drei
Es versteht sich von selbst, bei dieser Gelegen-
79 Aktzahl 2060/2003.
Jahr 2000 waren folgende: 45 Werke bei einer
genauso wie die zahllosen Leihansuchen, die
Reinzeichnungen Klimts für das Vorlagenwerk
heit alle Ölgemälde Klimts auszustellen. Alle,
80 Aktzahl 1725/2005.
Klimt-Ausstellung in der National Gallery of
aus verschiedenen Gründen abgelehnt werden
Allegorien. Neue Folge, also Tragödie, Sculptur und
also rund 400 Zeichnungen zu zeigen, ohne eine
81 Aktzahl 1750/2005.
Canada in Ottawa 2001,75 18 Zeichnungen bei
mussten. Darunter fanden sich auch mehrmals
Junius mit je 25 bis 30 Leihansuchen. Die beiden
wertende Auswahl zu treffen, ist allerdings eher
82 Aktzahl 215/2007.
einer Klimt – Kokoschka – Schiele-Ausstellung in
Ansuchen für ganze Klimt-Ausstellungen aus
Reinzeichnungen für die Ver Sacrum-Illustrationen
ungewöhnlich, ermöglicht dem Publikum aber
83 Aktzahl 445/2008.
Rom 2001/02,76 drei Ölbilder und 12 Zeichnungen
den Beständen des Wien Museums, die meist
Neid und Nuda Veritas sowie die Gorgonen, eine
Schlüsse, die in anderen Wiener Klimt-Ausstel-
bei der Ausstellung Klimt und die Frauen in Kobe
aus konservatorischen Gründen abgelehnt
Studie zum Beethovenfries, wurden seit 1980
lungen dieses Jahres nicht gezogen werden
und Nagoya in Japan 2003,77 37 Zeichnungen bei
wurden, etwa eine Ausstellungstournee durch
jeweils rund 20 Mal für Ausstellungen angefragt.
können.
Gustav Klimt. Papiers Érotiques im Musée Maillol in
vier bedeutende Museen der USA mit rund 80
Der größere Teil der Zeichnungen sind schnell
Paris 2005,78 zwölf Werke bei Die nackte Wahrheit in
Klimt-Zeichnungen Ende der 1990er-Jahre,87 eine
hingeworfene Skizzen, gleichsam Stenogramme
84 Aktzahl 729 und 1054/2007. 85 Aktzahl 1246/2007. 86 Aktzahl 1104/2008. 87 Aktzahl 2377/1995. 88 Aktzahl 481/2002. 89 Aktzahl 486/2002. 90 Aktzahl 694/2001.
der Kunsthalle Schirn, Frankfurt 2005, 17 Zeich-
Ausstellung im Historischen Museum Warschau
nungen bei einer Ausstellung über Jan Toorop
2002,88 eine Ausstellung in der Athens Concert
und Gustav Klimt im Gemeentemuseum in Den
Hall ebenfalls 2002 oder eine Klimt-Schau im
Die Faktenanalyse macht deutlich, dass die
Ölgemälden, in denen er Details ausprobierte,
Haag 2006,80 31 Werke bei einer Klimt-Ausstel-
Museo de arte moderno de Bogota 2003.90
Klimt-Sammlung des Wien Museums im inter-
sie verwarf, nach anderen Lösungen suchte und
lung in der Fundación Juan March in Madrid
Im Rahmen der faktenorientierten Auflistungen
nationalen Ausstellungskarussell zum Thema
Varianten dazu fand. Es ist nachvollziehbar, dass
2006/07,81 13 Objekte bei Gustav Klimt: Painting,
seien hier auch kurz die seit 1980 am häufigsten
„Wien um 1900“ vor allem seit den 1980er-Jahren
bei einer so großen Zahl von Zeichnungen
Design and Modern Life in Vienna 1900 in der Tate
angefragten Klimt-Objekte des Wien Museums
eine wesentliche Rolle spielt. Rekapituliert man,
Qualitätsunterschiede zu bemerken sind. Aller-
Liverpool 2008,82 15 Leihgaben bei Gustav Klimt. In
vorgestellt, was allerdings nicht bedeutet, dass
dass die bisher einzige Gustav Klimt gewidmete
dings war auch nicht jedes dieser Blätter dafür
Search of the Total Art Work im Seoul Art Center
diese Objekte in allen Fällen tatsächlich verliehen
Ausstellung in diesem Haus 1984, also vor bald
vorgesehen, der Nachwelt erhalten zu werden.
2008/09,83 fünf Ölbilder und acht Zeichnungen
wurden. Im Gegenteil: Vor allem aus konservato-
30 Jahren stattfand, in dieser Zeit aber insgesamt
Klimt selbst maß den meisten unter ihnen keinen
bei einer Ausstellung der Meisterwerke des Wien
rischen Gründen mussten die meisten Leihansu-
mehr als 800 Klimt-Leihgaben das Wien Museum
großen Wert bei. Zeitgenossen berichteten mehr-
Museums in vier japanischen Museen 2009/10,84
chen abgelehnt werden. Das Ölgemälde Pallas
zu Ausstellungszwecken verlassen haben, so
fach über seinen Umgang mit den Zeichnungen,
zwölf Zeichnungen bei der Klimt-Ausstellung
Athene liegt mit rund 40 Anfragen in den vergan-
wird die Überlegung nachvollziehbar, die eigene
so auch der Kunstkritiker Arthur Roessler:
im Museum der bildenden Künste Budapest
genen 30 Jahren auf dem Spitzenrang. Klimts
Sammlung im Klimt-Gedenkjahr im eigenen
„Ich selbst sah in Klimts Werkstatt übermannshohe
2010/11 und zuletzt das Porträt Emilie Flöge und
Gemälde Porträt Emilie Flöge folgt mit rund 30
Haus zu präsentieren. Schließlich wurden die
Stapel von Studienblättern, darunter Dutzende,
fünf weitere Arbeiten bei Vienna: Art & Design in
Leihanfragen, wobei es sich schon herum
seit 1901 insgesamt 131 angekauften Klimt-Werke
die das selbe [sic] Motiv behandeln, eine Hand,
der National Gallery of Victoria in Melbourne 2011.
gesprochen haben dürfte, dass dieses Werk das
mit öffentlichen Geldern erworben und seither
eine Achsel, einen Rumpf, ein paar Beine, eine
79
89
85
86
18
Die Sammlung im Gedenkjahr 2012
von Ideen, die Klimt hatte, oder endlose Reihen von einander sehr ähnlichen Studienblättern zu
19
103 99
Verliehene Klimt-Objekte des Wien Museums seit 1980
90
82
70 65 59 57 56 50 44 40 39 33 25 23 17 15 14
Plakat der National Gallery of Victoria in Melbourne mit Motiv Porträt Emilie Flöge, 2011
10 9 8 7 1
1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
72 Aktzahl 2562/1997.
stellung im Akademiehof leihweise zur Verfügung
Auf die Gefahr hin, dass eine solche Aufzählung
Wien Museum nur mehr in höchst seltenen Aus-
gemeinsam mit den Schenkungen und mithilfe
73 Aktzahl 2756/1998.
gestellt.72 24 Leihgaben reisten 1999 für Gustav
ermüdend wirkt, zeigt sie doch sehr eindrucks-
nahmefällen verlässt, da es, wie bereits erwähnt,
weiterer Steuergelder verwahrt, wissenschaftlich
74 Aktzahl 448/1999.
Klimt e le origini della Secessione Viennese nach
voll, welche Bedeutung die Klimt-Sammlung des
das kostbarste und eines der berühmtesten
bearbeitet, verwaltet und restauratorisch betreut,
75 Aktzahl 1303/1998.
Mailand,73 bei Klimt und die Frauen im Belvedere
Wien Museums in den letzten Jahrzehnten auf
Gemälde des Museums ist. An dritter Stelle im
sodass die Öffentlichkeit das Recht hat, diesen
76 Aktzahl 461/2001.
waren im selben Jahr 22 originale Werke aus
dem internationalen Ausstellungsparkett erlangt
Ranking liegt das Gemälde Liebe mit rund 25 Leih
Bestand – vermutlich das einzige Mal in seiner
77 Aktzahl 1724/2002.
dem Museum zu sehen.74
hat. Leihgebungen einzelner oder weniger Objekte
anfragen seit 1980. Unter den Grafiken führen
Geschichte – in seiner Gesamtheit zu sehen.
78 Aktzahl 2144/2003.
Die umfangreichsten Leihgebungen seit dem
blieben bei dieser Aufzählung unberücksichtigt,
erwartungsgemäß die vielerorts publizierten drei
Es versteht sich von selbst, bei dieser Gelegen-
79 Aktzahl 2060/2003.
Jahr 2000 waren folgende: 45 Werke bei einer
genauso wie die zahllosen Leihansuchen, die
Reinzeichnungen Klimts für das Vorlagenwerk
heit alle Ölgemälde Klimts auszustellen. Alle,
80 Aktzahl 1725/2005.
Klimt-Ausstellung in der National Gallery of
aus verschiedenen Gründen abgelehnt werden
Allegorien. Neue Folge, also Tragödie, Sculptur und
also rund 400 Zeichnungen zu zeigen, ohne eine
81 Aktzahl 1750/2005.
Canada in Ottawa 2001,75 18 Zeichnungen bei
mussten. Darunter fanden sich auch mehrmals
Junius mit je 25 bis 30 Leihansuchen. Die beiden
wertende Auswahl zu treffen, ist allerdings eher
82 Aktzahl 215/2007.
einer Klimt – Kokoschka – Schiele-Ausstellung in
Ansuchen für ganze Klimt-Ausstellungen aus
Reinzeichnungen für die Ver Sacrum-Illustrationen
ungewöhnlich, ermöglicht dem Publikum aber
83 Aktzahl 445/2008.
Rom 2001/02,76 drei Ölbilder und 12 Zeichnungen
den Beständen des Wien Museums, die meist
Neid und Nuda Veritas sowie die Gorgonen, eine
Schlüsse, die in anderen Wiener Klimt-Ausstel-
bei der Ausstellung Klimt und die Frauen in Kobe
aus konservatorischen Gründen abgelehnt
Studie zum Beethovenfries, wurden seit 1980
lungen dieses Jahres nicht gezogen werden
und Nagoya in Japan 2003,77 37 Zeichnungen bei
wurden, etwa eine Ausstellungstournee durch
jeweils rund 20 Mal für Ausstellungen angefragt.
können.
Gustav Klimt. Papiers Érotiques im Musée Maillol in
vier bedeutende Museen der USA mit rund 80
Der größere Teil der Zeichnungen sind schnell
Paris 2005,78 zwölf Werke bei Die nackte Wahrheit in
Klimt-Zeichnungen Ende der 1990er-Jahre,87 eine
hingeworfene Skizzen, gleichsam Stenogramme
84 Aktzahl 729 und 1054/2007. 85 Aktzahl 1246/2007. 86 Aktzahl 1104/2008. 87 Aktzahl 2377/1995. 88 Aktzahl 481/2002. 89 Aktzahl 486/2002. 90 Aktzahl 694/2001.
der Kunsthalle Schirn, Frankfurt 2005, 17 Zeich-
Ausstellung im Historischen Museum Warschau
nungen bei einer Ausstellung über Jan Toorop
2002,88 eine Ausstellung in der Athens Concert
und Gustav Klimt im Gemeentemuseum in Den
Hall ebenfalls 2002 oder eine Klimt-Schau im
Die Faktenanalyse macht deutlich, dass die
Ölgemälden, in denen er Details ausprobierte,
Haag 2006,80 31 Werke bei einer Klimt-Ausstel-
Museo de arte moderno de Bogota 2003.90
Klimt-Sammlung des Wien Museums im inter-
sie verwarf, nach anderen Lösungen suchte und
lung in der Fundación Juan March in Madrid
Im Rahmen der faktenorientierten Auflistungen
nationalen Ausstellungskarussell zum Thema
Varianten dazu fand. Es ist nachvollziehbar, dass
2006/07,81 13 Objekte bei Gustav Klimt: Painting,
seien hier auch kurz die seit 1980 am häufigsten
„Wien um 1900“ vor allem seit den 1980er-Jahren
bei einer so großen Zahl von Zeichnungen
Design and Modern Life in Vienna 1900 in der Tate
angefragten Klimt-Objekte des Wien Museums
eine wesentliche Rolle spielt. Rekapituliert man,
Qualitätsunterschiede zu bemerken sind. Aller-
Liverpool 2008,82 15 Leihgaben bei Gustav Klimt. In
vorgestellt, was allerdings nicht bedeutet, dass
dass die bisher einzige Gustav Klimt gewidmete
dings war auch nicht jedes dieser Blätter dafür
Search of the Total Art Work im Seoul Art Center
diese Objekte in allen Fällen tatsächlich verliehen
Ausstellung in diesem Haus 1984, also vor bald
vorgesehen, der Nachwelt erhalten zu werden.
2008/09,83 fünf Ölbilder und acht Zeichnungen
wurden. Im Gegenteil: Vor allem aus konservato-
30 Jahren stattfand, in dieser Zeit aber insgesamt
Klimt selbst maß den meisten unter ihnen keinen
bei einer Ausstellung der Meisterwerke des Wien
rischen Gründen mussten die meisten Leihansu-
mehr als 800 Klimt-Leihgaben das Wien Museum
großen Wert bei. Zeitgenossen berichteten mehr-
Museums in vier japanischen Museen 2009/10,84
chen abgelehnt werden. Das Ölgemälde Pallas
zu Ausstellungszwecken verlassen haben, so
fach über seinen Umgang mit den Zeichnungen,
zwölf Zeichnungen bei der Klimt-Ausstellung
Athene liegt mit rund 40 Anfragen in den vergan-
wird die Überlegung nachvollziehbar, die eigene
so auch der Kunstkritiker Arthur Roessler:
im Museum der bildenden Künste Budapest
genen 30 Jahren auf dem Spitzenrang. Klimts
Sammlung im Klimt-Gedenkjahr im eigenen
„Ich selbst sah in Klimts Werkstatt übermannshohe
2010/11 und zuletzt das Porträt Emilie Flöge und
Gemälde Porträt Emilie Flöge folgt mit rund 30
Haus zu präsentieren. Schließlich wurden die
Stapel von Studienblättern, darunter Dutzende,
fünf weitere Arbeiten bei Vienna: Art & Design in
Leihanfragen, wobei es sich schon herum
seit 1901 insgesamt 131 angekauften Klimt-Werke
die das selbe [sic] Motiv behandeln, eine Hand,
der National Gallery of Victoria in Melbourne 2011.
gesprochen haben dürfte, dass dieses Werk das
mit öffentlichen Geldern erworben und seither
eine Achsel, einen Rumpf, ein paar Beine, eine
79
89
85
86
18
Die Sammlung im Gedenkjahr 2012
von Ideen, die Klimt hatte, oder endlose Reihen von einander sehr ähnlichen Studienblättern zu
19
91 Arthur Roessler: In memoriam Gustav Klimt, Wien 1926, o. S. 92 Inv.Nr. 74.930/176. 93 Inv.Nr. 74.930/230. 94 Ludwig Hevesi: Haus Wärndorfer, in: ders.: Altkunst – Neukunst. Wien 1894–1908, Wien 1909, S. 223.
stehende, oder liegende Gestalt, die kontrapunk-
kritischen Betrachtung unterzogen, der Markt-
tische Umschlingung und Verschlungenheit
wert seiner Werke näher unter die Lupe genom-
zweier Leiber oder auch nur eine Gebärde, eine
men und die Frage nach den Langzeitfolgen
ganz leise Geste; viele Male immer dasselbe, aber
Klimts für Wien, in ästhetischer und wirtschaft
stets neu erschaut und wiedergegeben. Klimt
licher Hinsicht gestellt.
wertete diese Fülle von Beweisstücken ebenso
In diesem Zusammenhang gilt es etwa auch,
emsiger wie durchdringender Arbeit nach der
das Urteil des Kunstkritikers Ludwig Hevesi zu
Natur, nur als Mittel zum Zweck und hat tausende
überprüfen, der 1905, anlässlich einer Einladung
davon vernichtet, wenn sie ihm gedient hatten
in die von Charles R. Macintosh und der Wiener
oder nicht das Äußerste an Ausdruck in spar-
Werkstätte eingerichtete Villa des Industriellen
samst angewandter Technik enthielten.“
Fritz Waerndorfer, über das Wien seiner Zeit ins
91
Im Wien Museum bietet sich in der Klimt-
Schwärmen geriet:
Ausstellung 2012 die einmalige Gelegenheit,
„Es gibt neue Poesie in der Welt, wie sie noch nie
dem Künstler gleichsam bei der Arbeit über die
erträumt wurde. Eine herbe Schönheit, nach all
Schulter zu schauen, seiner Produktivität auf die
den Süßigkeiten des neunzehnten Jahrhunderts,
Spur zu kommen und ihn bei seiner künstleri-
dessen eigentlicher Ruhm sein wird, die besten
schen Suche nach der passenden Form und dem
Bonbons erzeugt und sogar das Saccharin
geeigneten Ausdruck zu beobachten. Besonders
erfunden zu haben. Und merkwürdig, daß gerade
erhellend sind in diesem Zusammenhang auch
Wien nachgerade [sic] die Hauptstadt dieser so
die wenigen Zeichnungen, in denen er beispiels-
ernst angewandelten, aus männlichen Nerven
weise zu einer weiblichen Rückenpartie „länger“
strömenden, mit neuem Reiz reizenden Herbheit
dazuschreibt92 oder in einen Gemäldeentwurf
ist. Wien ist die Stadt Gustav Klimts, dessen
die später zu verwendenden Farbbezeichnungen
Bilder extra dry sind, wie ein Champagner für
„WEISS“, „SCHWARZ“, „GRAU“ einträgt. Nur
Männer.“
93
angesichts der großen Fülle von Detailstudien
Gustav Klimts Pallas Athene als Leihgabe bei internationalen Ausstellungen seit 1985
Ottawa 2001
Ringen um die ultimative Gestaltung nachvollziehen. Diesem Prozess folgt schließlich auch die Erkenntnis, dass selbst ein überdurchschnittlich begabter Künstler nicht mit jeder Zeichnung ein Kunstwerk mit Ewigkeitsanspruch abzuliefern vermag – das aber auch gar nicht beabsichtigt.
London 2000
Montréal 1995/96
Moskau 1990 Wien
Sapporo 2009/10 Koriyama 2001 Fuchu 2001
Paris 2005/06
Lienz 2002
Kobe 2003
94
New York 1986/1995/1996
und Skizzenserien, auf die Arthur Roessler Bezug nimmt, lässt sich Klimts Arbeitsweise, sein
Sendai 2001/02
Den Haag 2006
Washington D.C. 2000/01
Frankfurt 1995/2005 Fukuoka 2009/10
Zürich 1992 Florenz 1991/92
Tokyo 2001/02
2009/10
Matsue 2001/02 Osaka 2009/10 Nagoya 2003
Die wenigsten Zeichnungen wurden von Klimt signiert, was ein weiterer deutlicher Hinweis auf seine persönliche Bewertung dieser Arbeiten ist. Dass mittlerweile sogar Studienblätter, die er selbst wohl niemals aufbewahrt hätte, auf dem Kunstmarkt beachtliche Preise erzielen, ist zwar eine Tatsache, deren Irrationalität allerdings steht angesichts der großen Anzahl an bekannten Zeichnungen und deren qualitativen Unterschieden zur Diskussion. In einem Universalmuseum wie dem Wien Museum, das sich mit der gesamten Wiener Kultur geschichte beschäftigt, lassen sich darüber hinaus auch weiterführende Fragen zu Gustav Klimt und Wien stellen. So wird im Rahmen der Ausstellung auch Klimts Frauenbild einer 20
21
91 Arthur Roessler: In memoriam Gustav Klimt, Wien 1926, o. S. 92 Inv.Nr. 74.930/176. 93 Inv.Nr. 74.930/230. 94 Ludwig Hevesi: Haus Wärndorfer, in: ders.: Altkunst – Neukunst. Wien 1894–1908, Wien 1909, S. 223.
stehende, oder liegende Gestalt, die kontrapunk-
kritischen Betrachtung unterzogen, der Markt-
tische Umschlingung und Verschlungenheit
wert seiner Werke näher unter die Lupe genom-
zweier Leiber oder auch nur eine Gebärde, eine
men und die Frage nach den Langzeitfolgen
ganz leise Geste; viele Male immer dasselbe, aber
Klimts für Wien, in ästhetischer und wirtschaft
stets neu erschaut und wiedergegeben. Klimt
licher Hinsicht gestellt.
wertete diese Fülle von Beweisstücken ebenso
In diesem Zusammenhang gilt es etwa auch,
emsiger wie durchdringender Arbeit nach der
das Urteil des Kunstkritikers Ludwig Hevesi zu
Natur, nur als Mittel zum Zweck und hat tausende
überprüfen, der 1905, anlässlich einer Einladung
davon vernichtet, wenn sie ihm gedient hatten
in die von Charles R. Macintosh und der Wiener
oder nicht das Äußerste an Ausdruck in spar-
Werkstätte eingerichtete Villa des Industriellen
samst angewandter Technik enthielten.“
Fritz Waerndorfer, über das Wien seiner Zeit ins
91
Im Wien Museum bietet sich in der Klimt-
Schwärmen geriet:
Ausstellung 2012 die einmalige Gelegenheit,
„Es gibt neue Poesie in der Welt, wie sie noch nie
dem Künstler gleichsam bei der Arbeit über die
erträumt wurde. Eine herbe Schönheit, nach all
Schulter zu schauen, seiner Produktivität auf die
den Süßigkeiten des neunzehnten Jahrhunderts,
Spur zu kommen und ihn bei seiner künstleri-
dessen eigentlicher Ruhm sein wird, die besten
schen Suche nach der passenden Form und dem
Bonbons erzeugt und sogar das Saccharin
geeigneten Ausdruck zu beobachten. Besonders
erfunden zu haben. Und merkwürdig, daß gerade
erhellend sind in diesem Zusammenhang auch
Wien nachgerade [sic] die Hauptstadt dieser so
die wenigen Zeichnungen, in denen er beispiels-
ernst angewandelten, aus männlichen Nerven
weise zu einer weiblichen Rückenpartie „länger“
strömenden, mit neuem Reiz reizenden Herbheit
dazuschreibt92 oder in einen Gemäldeentwurf
ist. Wien ist die Stadt Gustav Klimts, dessen
die später zu verwendenden Farbbezeichnungen
Bilder extra dry sind, wie ein Champagner für
„WEISS“, „SCHWARZ“, „GRAU“ einträgt. Nur
Männer.“
93
angesichts der großen Fülle von Detailstudien
Gustav Klimts Pallas Athene als Leihgabe bei internationalen Ausstellungen seit 1985
Ottawa 2001
Ringen um die ultimative Gestaltung nachvollziehen. Diesem Prozess folgt schließlich auch die Erkenntnis, dass selbst ein überdurchschnittlich begabter Künstler nicht mit jeder Zeichnung ein Kunstwerk mit Ewigkeitsanspruch abzuliefern vermag – das aber auch gar nicht beabsichtigt.
London 2000
Montréal 1995/96
Moskau 1990 Wien
Sapporo 2009/10 Koriyama 2001 Fuchu 2001
Paris 2005/06
Lienz 2002
Kobe 2003
94
New York 1986/1995/1996
und Skizzenserien, auf die Arthur Roessler Bezug nimmt, lässt sich Klimts Arbeitsweise, sein
Sendai 2001/02
Den Haag 2006
Washington D.C. 2000/01
Frankfurt 1995/2005 Fukuoka 2009/10
Zürich 1992 Florenz 1991/92
Tokyo 2001/02
2009/10
Matsue 2001/02 Osaka 2009/10 Nagoya 2003
Die wenigsten Zeichnungen wurden von Klimt signiert, was ein weiterer deutlicher Hinweis auf seine persönliche Bewertung dieser Arbeiten ist. Dass mittlerweile sogar Studienblätter, die er selbst wohl niemals aufbewahrt hätte, auf dem Kunstmarkt beachtliche Preise erzielen, ist zwar eine Tatsache, deren Irrationalität allerdings steht angesichts der großen Anzahl an bekannten Zeichnungen und deren qualitativen Unterschieden zur Diskussion. In einem Universalmuseum wie dem Wien Museum, das sich mit der gesamten Wiener Kultur geschichte beschäftigt, lassen sich darüber hinaus auch weiterführende Fragen zu Gustav Klimt und Wien stellen. So wird im Rahmen der Ausstellung auch Klimts Frauenbild einer 20
21
Höhepunkte und Raritäten Die Klimt-Zeichnungen des Wien Museums Gustav Klimt Märchen, 1884 Kat.Nr. 2.18
Marian Bisanz-Prakken 1 Einer Notiz zufolge ist hier „Frau Taglang“ dargestellt. 2 Handschriftliche Aufzeichnungen Hermine Klimts über das Leben Gustav Klimts, zit. n.: Christian M. Nebehay: Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969, S. 60. Weitere Beispiele dieser frühesten, fotografisch genauen Porträtgattung: Alice Strobl: Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878–1903, Bd. I, Salzburg 1980, WV Nr. 26-30; dies.: Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878–1918. Nachtrag, Bd. IV, Salzburg 1989, WV Nr. 3184-3168. Bei Nr. 3184, dem nach einem Foto entstandenen Porträt der 15-jährigen Paula Taglang, laut einer Notiz von Georg Klimt „ungefähr 1876 entstanden“, handelt es sich vermutlich um die Tochter der Dargestellten. 3 Albert Ilg, in: Martin Gerlach (Hg.): Allegorien und Embleme, Wien 1882, Bd. I, S. 1.
Die Vielfalt der im Wien Museum verwahrten,
Details durch subtile Helldunkelwirkungen und
Tierreichs, dem die Vertreterinnen der Pflanzen-
geprägten Malweise, stimmt dieses bisher 1882
insgesamt rund 400 Zeichnungen Gustav Klimts
prägnante Umrisslinien hervor. Erst viel später
und Mineralienreiche ergeben zu Füßen sitzen,
datierte Werk jedoch eher mit den Dekorationen
knapp zu charakterisieren, ist kein leichtes Unter-
sollte Klimt sich primär dem weiblichen Akt
an Michelangelos ignudi der Sixtinischen
für das Theater in Karlsbad (1884/85) überein.
fangen. Bedeutender Schwerpunkt der Samm-
widmen.
Kapelle. Im Vordergrund jedoch steht hier das
Von einem scharfen Realismus wiederum sind
lung sind überragende Werke des Historismus,
Eine Schlüsselstellung in Klimts zeichnerischem
Spiel mit sensiblen Umrisslinien, raffinierten
die beiden Aquarelle geprägt, die den 1885 ver-
des Symbolismus und der frühen Secession, aber
Frühwerk nehmen die fünf bildhaft ausgeführten
Oberflächenwirkungen und sorgfältig aufeinan-
storbenen Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger,
Besonderheiten und Höhepunkte gibt es auch
Kompositionen ein, die – zusammen mit zwei
der abgestimmten Gesten. Im üppig dekorierten
beziehungsweise den 1883 verstorbenen Eisen-
unter den zahlreichen Blättern der Goldenen
gemalten Arbeiten – zwischen 1881 und 1884
Rahmen der Allegorie Oper (1883, Kat.Nr. 2.16)
bahnpionier Julius Lott auf ihrem Totenbett wie-
Periode und der späten Jahre zu verzeichnen.
als Reproduktionsvorlagen für die von Martin
wiederum, scheinen die musizierenden und eifrig
dergeben – die frühesten post-mortem-Bildnisse
Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit werden
Gerlach herausgegebene Serie Allegorien und
hochkletternden Amoretten sogar mehr zu
Klimts (Kat.Nr. 8.1 und 8.2). Die wie Pendants
im nun folgenden Überblick auch einige kaum
Embleme entstanden. Ganz im Sinne des Historis-
,leben‘ als die Figuren der Hauptdarstellung.
wirkenden Arbeiten könnten gleichzeitig ent-
bekannte Aspekte der Sammlung beleuchtet.
mus sollten sich die an diesem Projekt beteiligten
Durch spontane Linienskizzen von Kleinkindern
standen sein. Während Klimt das 1885 datierte
Die früheste, bisher unveröffentlichte Zeichnung
Künstler aus Deutschland und Österreich den
bereitete Klimt die zahlreichen Putten und
Totenbildnis Rudolf von Eitelbergers unmittelbar
der Klimt-Sammlung des Wien Museums ist das
„höchsten, einfachsten und darum ewig bedeu-
Amoretten vor, die seine historistischen Szenen
nach der Wirklichkeit angefertigt hat, mag er bei
wie ein Foto ausgeführte Ovalbildnis einer Frau
tenden Begriffen“ widmen, in denen sich „alle
vielfach bevölkern. Die modernste Allegorie der
der nicht datierten Darstellung des Julius Lott
mittleren Alters (Kat.Nr. 1.1).1 Die Signatur und
Epochen und Schulen seit Jahrhunderten geübt“
Serie ist die bühnenhafte Szene Märchen (1884,
von einem von den Auftraggebern zur Verfügung
die Jahreszahl 1877 wurden zweifelsfrei vom
hätten. Dem jungen Gustav bot sich die willkom-
Kat.Nr. 2.18). Als monumentales Kontrastpaar
Künstler selbst angebracht, allerdings zu einem
mene Chance, seine Fähigkeiten öffentlich unter
inszeniert Klimt den feurigen orientalischen
gestellten Totenbett-Foto ausgegangen sein.4 Noch kurz vor seinem Tod hatte Rudolf von Eitel-
späteren Zeitpunkt – sehr wahrscheinlich in den
Beweis zu stellen; in diesen autonomen Arbeiten
Märchenerzähler und das exotische, sich an ihn
berger in Bezug auf den größten Wiener Auftrag
1890er-Jahren. Diese, nach vorliegendem Stand
konnte er sich als Zeichner in vielen Techniken
schmiegende nackte Mädchen. Diese Gestalt mit
an die Künstler-Compagnie, die Deckendekora
am frühesten datierte Arbeit Gustav Klimts,
entfalten. Auch in der Behandlung seiner Themen
ihren üppigen, verführerisch dargebotenen
tionen der Kaiserstiege des Burgtheaters (1886–
gehört zu den Bildnissen, die der angehende
hatte er einen größeren Spielraum als im Rahmen
Körperformen ist der erste weibliche Akt in
1888), eine wichtige vermittelnde Rolle gespielt;
Künstler nach seiner Aufnahme in die Kunst
der Dekorationsmalereien, die er gemeinsam mit
seinem Werk, der eine unverkennbar erotische
es war der Höhepunkt der Karriere des erfolgrei-
gewerbeschule (1876) in seiner Freizeit „zur
Franz Matsch und seinem Bruder Ernst Klimt –
Wirkung ausübt. Die visionäre Kulisse mit den
chen Trios. Von Gustav Klimt besitzt das Museum
vollsten Zufriedenheit der Besteller“ nach Foto-
das Trio bildete seit 1880 die erfolgreiche Künstler-
schemenhaften Figurenszenen weist auf den
in diesem Zusammenhang mehrere Detailstudien,
grafien angefertigt hat; honoriert wurden diese
Compagnie – zur Ausführung brachte.
Symbolismus voraus: Auch in Philosophie
darunter den klassisch strengen Männerakt für
Blätter „mit 5 Gulden pro Stück“. Klimt sollte ur-
Trotz deutlicher Anlehnungen an die Kunst der
(1900–1907) schieben sich die ,wirklichen‘ und
Der Thespiskarren (Kat.Nr. 3.20). Unmittelbar
sprünglich Zeichenlehrer werden, aber nach zwei
Vergangenheit, vor allem an die italienische
imaginären Raumschichten übereinander.
nach der Beendigung der Burgtheater-Malereien
Jahren wechselte er zum Fach der Dekorations-
Hochrenaissance, weisen Klimts Beiträge für
Das seltene Aquarell des in der Art des Rokoko
schuf Klimt 1888/89 als Auftragsarbeit der Stadt
malerei. Als Zeichner ragt er schon früh heraus:
Allegorien und Embleme ein eigenständiges, fein
gestalteten Entwurfs eines Bühnenvorhangs,
Wien die Gouache, die den Zuschauerraum des
In seinen zwischen 1878 bis 1880 im Unterricht
differenziertes Form- und Linienvokabular auf. In
dessen Zweck unbekannt ist, zeichnet sich durch
alten Burgtheaters vor der Demolierung des
geschaffenen Studien von nackten männlichen
Die Reiche der Natur (1882, Kat.Nr. 2.2) etwa
einen fulminanten Kolorismus aus (Kat.Nr. 3.12).
Gebäudes wiedergibt (Kat.Nr. 4.1). Der auf den
Modellen und Knaben hebt er die anatomischen
erinnert der oben thronende Herrscher des
Angesichts der extrem freien, von Hans Makart
Moment fixierte Aspekt dieses Bravourstücks,
2
22
3
4 Zu dieser Thematik: Marian BisanzPrakken: Im Antlitz des Todes. Gustav Klimts „Alter Mann auf dem Totenbett“, ein Porträt Hermann Flöges?, in: Belvedere 2 (1996) 1, S. 20-39.
23
Höhepunkte und Raritäten Die Klimt-Zeichnungen des Wien Museums Gustav Klimt Märchen, 1884 Kat.Nr. 2.18
Marian Bisanz-Prakken 1 Einer Notiz zufolge ist hier „Frau Taglang“ dargestellt. 2 Handschriftliche Aufzeichnungen Hermine Klimts über das Leben Gustav Klimts, zit. n.: Christian M. Nebehay: Gustav Klimt. Dokumentation, Wien 1969, S. 60. Weitere Beispiele dieser frühesten, fotografisch genauen Porträtgattung: Alice Strobl: Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878–1903, Bd. I, Salzburg 1980, WV Nr. 26-30; dies.: Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878–1918. Nachtrag, Bd. IV, Salzburg 1989, WV Nr. 3184-3168. Bei Nr. 3184, dem nach einem Foto entstandenen Porträt der 15-jährigen Paula Taglang, laut einer Notiz von Georg Klimt „ungefähr 1876 entstanden“, handelt es sich vermutlich um die Tochter der Dargestellten. 3 Albert Ilg, in: Martin Gerlach (Hg.): Allegorien und Embleme, Wien 1882, Bd. I, S. 1.
Die Vielfalt der im Wien Museum verwahrten,
Details durch subtile Helldunkelwirkungen und
Tierreichs, dem die Vertreterinnen der Pflanzen-
geprägten Malweise, stimmt dieses bisher 1882
insgesamt rund 400 Zeichnungen Gustav Klimts
prägnante Umrisslinien hervor. Erst viel später
und Mineralienreiche ergeben zu Füßen sitzen,
datierte Werk jedoch eher mit den Dekorationen
knapp zu charakterisieren, ist kein leichtes Unter-
sollte Klimt sich primär dem weiblichen Akt
an Michelangelos ignudi der Sixtinischen
für das Theater in Karlsbad (1884/85) überein.
fangen. Bedeutender Schwerpunkt der Samm-
widmen.
Kapelle. Im Vordergrund jedoch steht hier das
Von einem scharfen Realismus wiederum sind
lung sind überragende Werke des Historismus,
Eine Schlüsselstellung in Klimts zeichnerischem
Spiel mit sensiblen Umrisslinien, raffinierten
die beiden Aquarelle geprägt, die den 1885 ver-
des Symbolismus und der frühen Secession, aber
Frühwerk nehmen die fünf bildhaft ausgeführten
Oberflächenwirkungen und sorgfältig aufeinan-
storbenen Kunsthistoriker Rudolf von Eitelberger,
Besonderheiten und Höhepunkte gibt es auch
Kompositionen ein, die – zusammen mit zwei
der abgestimmten Gesten. Im üppig dekorierten
beziehungsweise den 1883 verstorbenen Eisen-
unter den zahlreichen Blättern der Goldenen
gemalten Arbeiten – zwischen 1881 und 1884
Rahmen der Allegorie Oper (1883, Kat.Nr. 2.16)
bahnpionier Julius Lott auf ihrem Totenbett wie-
Periode und der späten Jahre zu verzeichnen.
als Reproduktionsvorlagen für die von Martin
wiederum, scheinen die musizierenden und eifrig
dergeben – die frühesten post-mortem-Bildnisse
Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit werden
Gerlach herausgegebene Serie Allegorien und
hochkletternden Amoretten sogar mehr zu
Klimts (Kat.Nr. 8.1 und 8.2). Die wie Pendants
im nun folgenden Überblick auch einige kaum
Embleme entstanden. Ganz im Sinne des Historis-
,leben‘ als die Figuren der Hauptdarstellung.
wirkenden Arbeiten könnten gleichzeitig ent-
bekannte Aspekte der Sammlung beleuchtet.
mus sollten sich die an diesem Projekt beteiligten
Durch spontane Linienskizzen von Kleinkindern
standen sein. Während Klimt das 1885 datierte
Die früheste, bisher unveröffentlichte Zeichnung
Künstler aus Deutschland und Österreich den
bereitete Klimt die zahlreichen Putten und
Totenbildnis Rudolf von Eitelbergers unmittelbar
der Klimt-Sammlung des Wien Museums ist das
„höchsten, einfachsten und darum ewig bedeu-
Amoretten vor, die seine historistischen Szenen
nach der Wirklichkeit angefertigt hat, mag er bei
wie ein Foto ausgeführte Ovalbildnis einer Frau
tenden Begriffen“ widmen, in denen sich „alle
vielfach bevölkern. Die modernste Allegorie der
der nicht datierten Darstellung des Julius Lott
mittleren Alters (Kat.Nr. 1.1).1 Die Signatur und
Epochen und Schulen seit Jahrhunderten geübt“
Serie ist die bühnenhafte Szene Märchen (1884,
von einem von den Auftraggebern zur Verfügung
die Jahreszahl 1877 wurden zweifelsfrei vom
hätten. Dem jungen Gustav bot sich die willkom-
Kat.Nr. 2.18). Als monumentales Kontrastpaar
Künstler selbst angebracht, allerdings zu einem
mene Chance, seine Fähigkeiten öffentlich unter
inszeniert Klimt den feurigen orientalischen
gestellten Totenbett-Foto ausgegangen sein.4 Noch kurz vor seinem Tod hatte Rudolf von Eitel-
späteren Zeitpunkt – sehr wahrscheinlich in den
Beweis zu stellen; in diesen autonomen Arbeiten
Märchenerzähler und das exotische, sich an ihn
berger in Bezug auf den größten Wiener Auftrag
1890er-Jahren. Diese, nach vorliegendem Stand
konnte er sich als Zeichner in vielen Techniken
schmiegende nackte Mädchen. Diese Gestalt mit
an die Künstler-Compagnie, die Deckendekora
am frühesten datierte Arbeit Gustav Klimts,
entfalten. Auch in der Behandlung seiner Themen
ihren üppigen, verführerisch dargebotenen
tionen der Kaiserstiege des Burgtheaters (1886–
gehört zu den Bildnissen, die der angehende
hatte er einen größeren Spielraum als im Rahmen
Körperformen ist der erste weibliche Akt in
1888), eine wichtige vermittelnde Rolle gespielt;
Künstler nach seiner Aufnahme in die Kunst
der Dekorationsmalereien, die er gemeinsam mit
seinem Werk, der eine unverkennbar erotische
es war der Höhepunkt der Karriere des erfolgrei-
gewerbeschule (1876) in seiner Freizeit „zur
Franz Matsch und seinem Bruder Ernst Klimt –
Wirkung ausübt. Die visionäre Kulisse mit den
chen Trios. Von Gustav Klimt besitzt das Museum
vollsten Zufriedenheit der Besteller“ nach Foto-
das Trio bildete seit 1880 die erfolgreiche Künstler-
schemenhaften Figurenszenen weist auf den
in diesem Zusammenhang mehrere Detailstudien,
grafien angefertigt hat; honoriert wurden diese
Compagnie – zur Ausführung brachte.
Symbolismus voraus: Auch in Philosophie
darunter den klassisch strengen Männerakt für
Blätter „mit 5 Gulden pro Stück“. Klimt sollte ur-
Trotz deutlicher Anlehnungen an die Kunst der
(1900–1907) schieben sich die ,wirklichen‘ und
Der Thespiskarren (Kat.Nr. 3.20). Unmittelbar
sprünglich Zeichenlehrer werden, aber nach zwei
Vergangenheit, vor allem an die italienische
imaginären Raumschichten übereinander.
nach der Beendigung der Burgtheater-Malereien
Jahren wechselte er zum Fach der Dekorations-
Hochrenaissance, weisen Klimts Beiträge für
Das seltene Aquarell des in der Art des Rokoko
schuf Klimt 1888/89 als Auftragsarbeit der Stadt
malerei. Als Zeichner ragt er schon früh heraus:
Allegorien und Embleme ein eigenständiges, fein
gestalteten Entwurfs eines Bühnenvorhangs,
Wien die Gouache, die den Zuschauerraum des
In seinen zwischen 1878 bis 1880 im Unterricht
differenziertes Form- und Linienvokabular auf. In
dessen Zweck unbekannt ist, zeichnet sich durch
alten Burgtheaters vor der Demolierung des
geschaffenen Studien von nackten männlichen
Die Reiche der Natur (1882, Kat.Nr. 2.2) etwa
einen fulminanten Kolorismus aus (Kat.Nr. 3.12).
Gebäudes wiedergibt (Kat.Nr. 4.1). Der auf den
Modellen und Knaben hebt er die anatomischen
erinnert der oben thronende Herrscher des
Angesichts der extrem freien, von Hans Makart
Moment fixierte Aspekt dieses Bravourstücks,
2
22
3
4 Zu dieser Thematik: Marian BisanzPrakken: Im Antlitz des Todes. Gustav Klimts „Alter Mann auf dem Totenbett“, ein Porträt Hermann Flöges?, in: Belvedere 2 (1996) 1, S. 20-39.
23
Gustav Klimt Reinzeichnung zu einer Damenspende des Balls der Stadt Wien, 1892 Kat.Nr. 3.42
5 Zum prägenden Einfluss des Symbolismus von Fernand Khnopff und Jan Toorop auf dieses Werk: Marian Bisanz-Prakken: Gustav Klimt und die „Stilkunst“ Jan Toorops, in: Mitteilungen der Österreichischen Galerie (Klimt-Studien) 22/33 (1978/79) 66/67, S. 150-153.
24
Gustav Klimt Tragödie, 1897 Kat.Nr. 2.24
das die Bildnisse von etwa 150 quasi zwanglos
schwarzer Kreide mit subtilen Goldakzenten,
der Buch- und Plakatkunst, zusammen mit seinen
delinien gezeichnetes, vorgebeugtes Profilbild
arrangierten Personen des öffentlichen Lebens
nehmen in Klimts Werk und auch innerhalb der
gleichgesinnten Kollegen für die Vermittlung der
eines Mädchens(1898) mit geschlossenem Auge,
präsentiert, ist innerhalb Klimts œuvre ebenso
Wiener „Moderne“ eine Schlüsselstellung ein.
neuen Ideale ein. In seiner Vorlage für das Plakat
in dem der geheimnisvolle Schimmer der langen,
singulär wie die realistische Wiedergabe des voll
In Junius wird der Profilkopf eines römischen
der 1. Secessionsausstellung (März bis Mai 1898)
herunterfließenden Haare eine besondere Rolle
beleuchteten Innenraums. Maßangaben, Pläne
Mädchens mit goldenem Haarschmuck von zwei
versetzt der griechische Held Theseus dem
spielt (Kat.Nr. 7.2). Eine Sonderstellung in Klimts
und Skizzen erfasste er in einem – hier erstmals
zarten Assistenzfiguren flankiert. Diese von flo
Minotauros (Symbol des „Indifferentismus“ des
gezeigten – Registerbuch (Kat.Nr. 4.28). In lebhaf-
ralen Elementen und Jugendsymbolik geprägte
Wiener Publikums) den Todesstoß (Kat.Nr. 5.1).
ten Helldunkelrhythmen skizzierte er vor Ort die
Komposition weist bereits auf den „Heiligen
Überwacht wird die Szene von Pallas Athene,
ein (Kat.Nr. 5.5). Auf beiden Seiten der von nack-
in den Logen und Galerien sitzenden Menschen
Frühling“ der 1897 gegründeten Secession
Schutzgöttin der jungen Vereinigung. Das
ten Gestalten gerahmten Eingangspartie zeigen
reihen; Wandlampen und Architekturdetails hielt
voraus. In Sculptur entfaltet sich ein raffiniertes
Geschlecht des muskulösen nackten Männer
sich flüchtige Ansätze zu Wanddekorationen.
er mit energischen Parallelschraffen fest.
Verwirrspiel zwischen alter und neuer Kunst,
körpers wird knapp von einem Feigenblatt
Gekrönt wird die Fassade von den Worten
Anfang des Jahres 1892, in dessen Verlauf Gustav
zwischen kühler Materie und belebter Substanz.
verdeckt; trotzdem forderte die Zensur, dass
„Ver Sacrum“– dem späteren Titel der epochalen
Klimt seinen Vater Ernst senior und seinen
Wirkungsvoll eingesetzte leere Flächen und wohl-
diese Stelle in der endgültigen Plakatfassung
Zeitschrift der Vereinigung. Von Klimts Ideen hat
Bruder Ernst verlor, erschien als Ballspende für
kalkulierte Fragmentierungen prägen den moder-
durch einen Baumstamm verdeckt werden sollte.
sich der Architekt des Ausstellungsgebäudes,
den Ball der Stadt Wien ein Büchlein mit Illustra-
nen Charakter – etwa bei dem greifbar nahen,
Die Tuschzeichnungen Nuda Veritas und Neid,
Joseph Maria Olbrich, zum Teil zweifellos inspi-
tionen von verschiedenen Künstlern – darunter
vom Bildrand überschnittenen Frauenkopf im
ausgeführt im japanisch inspirierten, schmalen
rieren lassen.
Gustav und Ernst Klimt. In seiner kleinen, subtilen
Vordergrund, Verkünderin der modernen Kunst,
Hochformat, wurden 1898 in der Secessions-
Während der ersten, aufregenden Jahre der
Tuscharbeit gab Klimt das japanische Figuren-
die sich von der zeitlosen Nacktheit der frontalen
zeitschrift Ver Sacrum reproduziert (Kat.Nr. 5.11,
Secession stand für Klimt die Arbeit an den drei
paar aus der Oper Mikado von Sir Arthur Sullivan
Hauptgestalt emphatisch abhebt. Im Gründungs-
5.10). Vielsagend ist der Kontrast zwischen der
Fakultätsbildern im Mittelpunkt. 1894 waren er
mit flächig stilisierten, gemusterten Kimonos,
jahr der Wiener Secession (1897) setzte Klimt
leuchtenden nackten Frontalgestalt, deren
und Franz Matsch vom Unterrichtsministerium
maskenhaften Gesichtern und erstarrten Gesten
mit Tragödie die Maßstäbe für seinen neuen
Spiegel das Licht der Wahrheit reflektiert, und
beauftragt worden, die Decke der Universitäts-
wieder; früher Symbolismus und moderner
Monumentalstil. Die zwingende Frontalität der
dem schwarzen Gewand der ausgemergelten,
aula mit den Allegorien der Wissenschaften
Japonismus gehen hier eine neuartige Verbin-
hypnotisierenden Hauptgestalt und die Profil
schielenden Figur als Allegorie der die wahre
zu dekorieren; Gustav Klimt wurden dabei die
dung ein (Kat.Nr. 3.42).
stellung der schicksalsergebenen Assistenz
Kunst bedrohenden Mächte.
Philosophie, die Medizin und die Jurisprudenz
Werk wiederum nimmt der 1897 gezeichnete 6
7 Zu dieser Thematik: Marian BisanzPrakken: Heiliger Frühling. Gustav Klimt und die Anfänge der Wiener Secession, Wien und München 1999, S. 16-18.
Entwurf für die Fassade des Secessionsgebäudes
Nach einigen Jahren der Zurückgezogenheit
figuren sind streng aufeinander abgestimmt.
Ihr neues Programm vermittelten die Secessions
zugeteilt. Nach seiner inzwischen vollzogenen
und der inneren Neuorientierung bekannte
Dekorativ ausgewogene Kontraste zwischen
künstler aber nicht nur durch eine offensive
Wende zum Symbolismus war es dem Künstler
Klimt sich durch seine Beteiligung an der Serie
dunkel und hell, statisch und bewegt oder groß
allegorische Bildsprache, sondern auch durch
aber unmöglich geworden, sich diesen existen
Allegorien. Neue Folge erstmals demonstrativ zum
flächig und fein-linear bestimmen die Darstel-
ein vielfach artikuliertes Bekenntnis zur neuen
ziell geprägten Themenbereichen im Sinne eines
Symbolismus. Die berühmten Vorlagen für diese
lung. Eine neue Rolle spielt die Magie der Gesten,
„Seelenkunst“, zur tief verborgenen „Welt des
positivistischen Fortschrittsglaubens anzunä-
Publikation, das Ölbild Liebe (1895, Kat.Nr. 2.19)
die sich, wie von einer geheimen Macht diktiert,
Künstlers“.7 Mehrmals variiert hat Klimt den
hern. Seine als fatalistisch und anstoßerregend
und die höchst kultivierten Zeichnungen Junius
in die Tektonik ihrer Umgebung einfügen. Als erster Präsident der Secession setzte Klimt
symbolistischen Typus des idealisierten, in sich
verurteilten Bilder wurden letztendlich abgelehnt,
(1896, Kat.Nr. 2.20), Sculptur (1896, Kat.Nr. 2.22)
gekehrten weiblichen Profilgesichts. Herausra-
aber für ihn als Maler wie auch als Zeichner war
und Tragödie (1897, Kat.Nr. 2.24), ausgeführt in
sich durch seine grafischen Beiträge im Bereich
gend ist sein mit feinen blauen und roten Krei-
die intensive Auseinandersetzung mit den großen
5
6 Zum Ausdruck „Indifferentismus“ s. Carl Moll: Osterstimmung im Wiener Kunstleben, in: Osterbeilage der Wiener Allgemeinen Zeitung, 1898.
25
Gustav Klimt Reinzeichnung zu einer Damenspende des Balls der Stadt Wien, 1892 Kat.Nr. 3.42
5 Zum prägenden Einfluss des Symbolismus von Fernand Khnopff und Jan Toorop auf dieses Werk: Marian Bisanz-Prakken: Gustav Klimt und die „Stilkunst“ Jan Toorops, in: Mitteilungen der Österreichischen Galerie (Klimt-Studien) 22/33 (1978/79) 66/67, S. 150-153.
24
Gustav Klimt Tragödie, 1897 Kat.Nr. 2.24
das die Bildnisse von etwa 150 quasi zwanglos
schwarzer Kreide mit subtilen Goldakzenten,
der Buch- und Plakatkunst, zusammen mit seinen
delinien gezeichnetes, vorgebeugtes Profilbild
arrangierten Personen des öffentlichen Lebens
nehmen in Klimts Werk und auch innerhalb der
gleichgesinnten Kollegen für die Vermittlung der
eines Mädchens(1898) mit geschlossenem Auge,
präsentiert, ist innerhalb Klimts œuvre ebenso
Wiener „Moderne“ eine Schlüsselstellung ein.
neuen Ideale ein. In seiner Vorlage für das Plakat
in dem der geheimnisvolle Schimmer der langen,
singulär wie die realistische Wiedergabe des voll
In Junius wird der Profilkopf eines römischen
der 1. Secessionsausstellung (März bis Mai 1898)
herunterfließenden Haare eine besondere Rolle
beleuchteten Innenraums. Maßangaben, Pläne
Mädchens mit goldenem Haarschmuck von zwei
versetzt der griechische Held Theseus dem
spielt (Kat.Nr. 7.2). Eine Sonderstellung in Klimts
und Skizzen erfasste er in einem – hier erstmals
zarten Assistenzfiguren flankiert. Diese von flo
Minotauros (Symbol des „Indifferentismus“ des
gezeigten – Registerbuch (Kat.Nr. 4.28). In lebhaf-
ralen Elementen und Jugendsymbolik geprägte
Wiener Publikums) den Todesstoß (Kat.Nr. 5.1).
ten Helldunkelrhythmen skizzierte er vor Ort die
Komposition weist bereits auf den „Heiligen
Überwacht wird die Szene von Pallas Athene,
ein (Kat.Nr. 5.5). Auf beiden Seiten der von nack-
in den Logen und Galerien sitzenden Menschen
Frühling“ der 1897 gegründeten Secession
Schutzgöttin der jungen Vereinigung. Das
ten Gestalten gerahmten Eingangspartie zeigen
reihen; Wandlampen und Architekturdetails hielt
voraus. In Sculptur entfaltet sich ein raffiniertes
Geschlecht des muskulösen nackten Männer
sich flüchtige Ansätze zu Wanddekorationen.
er mit energischen Parallelschraffen fest.
Verwirrspiel zwischen alter und neuer Kunst,
körpers wird knapp von einem Feigenblatt
Gekrönt wird die Fassade von den Worten
Anfang des Jahres 1892, in dessen Verlauf Gustav
zwischen kühler Materie und belebter Substanz.
verdeckt; trotzdem forderte die Zensur, dass
„Ver Sacrum“– dem späteren Titel der epochalen
Klimt seinen Vater Ernst senior und seinen
Wirkungsvoll eingesetzte leere Flächen und wohl-
diese Stelle in der endgültigen Plakatfassung
Zeitschrift der Vereinigung. Von Klimts Ideen hat
Bruder Ernst verlor, erschien als Ballspende für
kalkulierte Fragmentierungen prägen den moder-
durch einen Baumstamm verdeckt werden sollte.
sich der Architekt des Ausstellungsgebäudes,
den Ball der Stadt Wien ein Büchlein mit Illustra-
nen Charakter – etwa bei dem greifbar nahen,
Die Tuschzeichnungen Nuda Veritas und Neid,
Joseph Maria Olbrich, zum Teil zweifellos inspi-
tionen von verschiedenen Künstlern – darunter
vom Bildrand überschnittenen Frauenkopf im
ausgeführt im japanisch inspirierten, schmalen
rieren lassen.
Gustav und Ernst Klimt. In seiner kleinen, subtilen
Vordergrund, Verkünderin der modernen Kunst,
Hochformat, wurden 1898 in der Secessions-
Während der ersten, aufregenden Jahre der
Tuscharbeit gab Klimt das japanische Figuren-
die sich von der zeitlosen Nacktheit der frontalen
zeitschrift Ver Sacrum reproduziert (Kat.Nr. 5.11,
Secession stand für Klimt die Arbeit an den drei
paar aus der Oper Mikado von Sir Arthur Sullivan
Hauptgestalt emphatisch abhebt. Im Gründungs-
5.10). Vielsagend ist der Kontrast zwischen der
Fakultätsbildern im Mittelpunkt. 1894 waren er
mit flächig stilisierten, gemusterten Kimonos,
jahr der Wiener Secession (1897) setzte Klimt
leuchtenden nackten Frontalgestalt, deren
und Franz Matsch vom Unterrichtsministerium
maskenhaften Gesichtern und erstarrten Gesten
mit Tragödie die Maßstäbe für seinen neuen
Spiegel das Licht der Wahrheit reflektiert, und
beauftragt worden, die Decke der Universitäts-
wieder; früher Symbolismus und moderner
Monumentalstil. Die zwingende Frontalität der
dem schwarzen Gewand der ausgemergelten,
aula mit den Allegorien der Wissenschaften
Japonismus gehen hier eine neuartige Verbin-
hypnotisierenden Hauptgestalt und die Profil
schielenden Figur als Allegorie der die wahre
zu dekorieren; Gustav Klimt wurden dabei die
dung ein (Kat.Nr. 3.42).
stellung der schicksalsergebenen Assistenz
Kunst bedrohenden Mächte.
Philosophie, die Medizin und die Jurisprudenz
Werk wiederum nimmt der 1897 gezeichnete 6
7 Zu dieser Thematik: Marian BisanzPrakken: Heiliger Frühling. Gustav Klimt und die Anfänge der Wiener Secession, Wien und München 1999, S. 16-18.
Entwurf für die Fassade des Secessionsgebäudes
Nach einigen Jahren der Zurückgezogenheit
figuren sind streng aufeinander abgestimmt.
Ihr neues Programm vermittelten die Secessions
zugeteilt. Nach seiner inzwischen vollzogenen
und der inneren Neuorientierung bekannte
Dekorativ ausgewogene Kontraste zwischen
künstler aber nicht nur durch eine offensive
Wende zum Symbolismus war es dem Künstler
Klimt sich durch seine Beteiligung an der Serie
dunkel und hell, statisch und bewegt oder groß
allegorische Bildsprache, sondern auch durch
aber unmöglich geworden, sich diesen existen
Allegorien. Neue Folge erstmals demonstrativ zum
flächig und fein-linear bestimmen die Darstel-
ein vielfach artikuliertes Bekenntnis zur neuen
ziell geprägten Themenbereichen im Sinne eines
Symbolismus. Die berühmten Vorlagen für diese
lung. Eine neue Rolle spielt die Magie der Gesten,
„Seelenkunst“, zur tief verborgenen „Welt des
positivistischen Fortschrittsglaubens anzunä-
Publikation, das Ölbild Liebe (1895, Kat.Nr. 2.19)
die sich, wie von einer geheimen Macht diktiert,
Künstlers“.7 Mehrmals variiert hat Klimt den
hern. Seine als fatalistisch und anstoßerregend
und die höchst kultivierten Zeichnungen Junius
in die Tektonik ihrer Umgebung einfügen. Als erster Präsident der Secession setzte Klimt
symbolistischen Typus des idealisierten, in sich
verurteilten Bilder wurden letztendlich abgelehnt,
(1896, Kat.Nr. 2.20), Sculptur (1896, Kat.Nr. 2.22)
gekehrten weiblichen Profilgesichts. Herausra-
aber für ihn als Maler wie auch als Zeichner war
und Tragödie (1897, Kat.Nr. 2.24), ausgeführt in
sich durch seine grafischen Beiträge im Bereich
gend ist sein mit feinen blauen und roten Krei-
die intensive Auseinandersetzung mit den großen
5
6 Zum Ausdruck „Indifferentismus“ s. Carl Moll: Osterstimmung im Wiener Kunstleben, in: Osterbeilage der Wiener Allgemeinen Zeitung, 1898.
25
Gustav Klimt Entwurf für das Gebäude der Wiener Secession, 1898 Kat.Nr. 5.5
8 Zu den Grundsituationen des menschlichen Lebens im zeichnerischen Werk von Klimt: Marian Bisanz-Prakken: Gustav Klimt’s Drawings, in: Colin B. Bailey (Hg.): Gustav Klimt. Modernism in the Making (Ausstellungskatalog National Gallery of Canada), Ottawa 2001, S. 150.
26
Gustav Klimt Zusammengekauert sitzende Frau, in dunklen Umhang gehüllt, 1908/09 Studie zu Familie (1909/10) Kat.Nr. 7.32
Lebensfragen, die ihn während seiner ganzen
Papierfläche ab, um den Eindruck des richtungs-
Von dieser Illusion von Plastizität und Räum
met er sich bis zum Schluss praktisch ausschließ-
Laufbahn beschäftigen sollten, von entscheiden-
losen Schwebens zu verinnerlichen; auf diese
lichkeit verabschiedete Klimt sich radikal in
lich der menschlichen, hauptsächlich weiblichen
der Bedeutung.
Weise gestaltet sich die Umrisslinie zur psycholo-
seinem 1901/02 gemalten Beethovenfries, der in
Einzelfigur, sei es im Rahmen der Lebensthematik –
Innerhalb der Vorbereitungen für das erste,
gischen Grenze zwischen dem Innenleben der
der Secession als Dekoration der epochalen
inklusive der Erotik – oder der in der Sammlung
1900 in der Secession gezeigte Monumentalbild
Menschen und der sie umgebenden Leere. So
Beethoven-Ausstellung zustande kam (April bis
vielfach vertretenen Studien für die Porträtge-
Philosophie markiert die 1899 gezeichnete Über-
scheint ein liegender alter Mann verzweifelt ins
Juli 1902). Schon in seinen Figurenstudien
mälde. In den nach Jurisprudenz entstandenen
tragungsskizze einen entscheidenden Moment
Nichts abzustürzen oder die Rückenfigur eines
richtet er sich nach der streng geometrischen
Allegorien des Goldenen Stils – und darüber hin-
(Kat.Nr. 6.3). Statt der diffus verstreuten Bildele-
seine Familie schützenden Vaters ganz in sich
Ausstellungsarchitektur, wobei er sich praktisch
aus – griff Klimt jeweils auf einzelne Lebensthe-
mente der zuvor entstandenen Ölskizze (1897/98)
versunken zu sein. In Medizin, dem Gegenstück
ausschließlich auf die prägnant stilisierenden
men der ersten beiden Fakultätsbilder zurück und
erscheint hier der Zyklus von „Werden, frucht
zu Philosophie, erweiterte Klimt diese neu
Umrisslinien konzentriert. In einem Blatt fügt er
setzte diese in einen monumentalen, dekorativen
barem Sein und Vergehen“ als zufälliger Aus-
entdeckten Möglichkeiten. In den einander dicht
drei frei variierte Frauenköpfe aus Feindliche
Kontext. Zu diesen Gemäldeprojekten besitzt das
schnitt aus einem vertikal ins Weltall projizierten
überlagernden, aber gleichzeitig voneinander
Gewalten zu einer autonomen Komposition
Wien Museum verschiedene Studiengruppen.
Menschenstrom. „Das Welträtsel“ ist hier eine
isolierten Gestalten sind alle Nuancen des
zusammen; im Fokus steht die dämonisch bli-
In den Zeichnungen von nackten schwangeren
überdimensionale Sphinx, unter deren Gewicht
körperlichen und seelischen Leidens vertreten.
ckende, zentrale Gestalt der Drei Gorgonen mit
Frauen, entstanden für Hoffnung I (1903) und
die allegorische Hauptfigur, eine griechisch antike
Die Dargestellten verkörpern allerdings keine
ihren wilden Haaren und verkrampften Fingern
Denkerin, fast zusammenzubrechen scheint.
persönlichen Schmerzzustände,sondern die
(Kat.Nr. 5.24).
Hoffnung II (1907/08), verinnerlicht Klimt das Mysterium des wachsenden Lebens.9 In den Stu-
Im ausgeführten Gemälde wird diese immer
Grundsituationen im Kreislauf des Lebens, von
Von der Monumentalität und dem Linearismus
dien zu Die drei Lebensalter (1905) widmet er sich
noch historistische Figur durch „Das Wissen“ –
der Zeugung bis zum Tod; die Bewegungen und
des Beethovenfries zeigt sich das dritte Fakultäts-
sowohl den physischen als auch psychischen
ein mysteriöser, frontaler Frauenkopf mit weit
Gesten der somnambulen Gestalten erscheinen
bild Jurisprudenz (1903) durch und durch geprägt.
Seiten der Lebensphasen, insbesondere des
offenen Augen und geschlossenen Lippen –
wie von unsichtbarer Hand gelenkt. Dementspre-
Eine spröde Linienführung kennzeichnet die
hohen Alters. Die vorgebeugten Figuren in den
ersetzt.
chend umfangreich und vielfältig gestalten sich
Studien für die Rechtsgelehrten, unter denen das
frühesten, 1908/09 entstandenen Studien zu Tod
Im Rahmen der Fakultätsbilder kam dem nackten
die zeichnerischen Vorbereitungen. Dabei
imposante Brustbild mit den herben, skulpturalen
und Leben (1910/11, überarbeitet 1916) und in dem
menschlichen Körper eine grundlegend neue
erscheinen die Studien des liegenden, sinnlich
Gesichtszügen hervorsticht (Kat.Nr. 6.57). Mit
seltenen, aquarellierten Blatt zu Familie (1909/10)
Funktion zu: Die nicht-perfekte oder sogar
vorgewölbten Modells für die laszive Hauptfigur
dünnen, eckig markierenden Kreidelinien erfasst
bringen Trauer und Melancholie zum Ausdruck
hässliche Nacktheit wurde zum Elementarzu-
der Schwebenden ebenso gewichtslos wie
Klimt den vorgebeugten, hageren Greis, das
(Kat.Nr. 7.32). Einen besonderen Schwerpunkt
stand der ihrem ungewissen Schicksal aus
die Zeichnungen der immer leicht von unten
Modell für den Sünder; die Konturen der Stu
der Sammlung bilden die für Wasserschlangen I
gelieferten Menschheit. Anhand des intensiven
dargestellten Modelle von athletischen Männern,
dien für die nackte Veritas wiederum zeigen den
und II (beide 1904–1907) entstandenen Studien,
Studiums der Stellungen und Gesten jeder
verträumten Frauen, Säuglingen, hageren
schwungvollen, sinnlichen Verlauf der Zeichnun-
in denen Klimt die lesbische Liebe und die Auto-
Einzelfigur ging Klimt der Essenz einer bestimm-
Halbwüchsigen oder kummergebeugten alten
gen für die Gorgonen im Beethovenfries.
erotik erstmals thematisiert und weitaus freizü-
ten Seelenstimmung oder Lebenssituation immer wieder auf den Grund.8 Die für ihn posierenden
Männern und Frauen. Modelliert werden die
Im Grunde sollte Klimt seiner innovativen, im
giger wiedergibt als in den Gemälden; in diesem
zumeist mild beleuchteten Gestalten durch
Rahmen von Philosophie und Medizin entwickelten
Kontext entstehen auch viele autonome Blätter.
Modelle – Männer und Frauen, Greise und Kinder –
inselhaft hervorgehobene Parallelschraffen,
Zeichenpraxis bei allen Änderungen seines Stils
In den ab 1906/07 entstandenen Studiengruppen
setzte er gleichsam schutzlos von der hellen
manchmal auch durch Weißhöhungen.
sein Leben lang treu bleiben. Als Zeichner wid-
von schreitenden und lesenden Modellen sowie
9 In einer nicht verwendeten, 1904/05 gezeichneten Studie eines alten Mannes für die Oranten in Hoffnung II (Strobl 1762) wurde Klimt offensichtlich durch die Plastik Johannes der Täufer (Blaustein, 71 cm, Museum voor Schone Kunsten Gent) von George Minne inspiriert; s. Bisanz-Prakken: Gustav Klimt’s Drawings, S. 158f.
27
Gustav Klimt Entwurf für das Gebäude der Wiener Secession, 1898 Kat.Nr. 5.5
8 Zu den Grundsituationen des menschlichen Lebens im zeichnerischen Werk von Klimt: Marian Bisanz-Prakken: Gustav Klimt’s Drawings, in: Colin B. Bailey (Hg.): Gustav Klimt. Modernism in the Making (Ausstellungskatalog National Gallery of Canada), Ottawa 2001, S. 150.
26
Gustav Klimt Zusammengekauert sitzende Frau, in dunklen Umhang gehüllt, 1908/09 Studie zu Familie (1909/10) Kat.Nr. 7.32
Lebensfragen, die ihn während seiner ganzen
Papierfläche ab, um den Eindruck des richtungs-
Von dieser Illusion von Plastizität und Räum
met er sich bis zum Schluss praktisch ausschließ-
Laufbahn beschäftigen sollten, von entscheiden-
losen Schwebens zu verinnerlichen; auf diese
lichkeit verabschiedete Klimt sich radikal in
lich der menschlichen, hauptsächlich weiblichen
der Bedeutung.
Weise gestaltet sich die Umrisslinie zur psycholo-
seinem 1901/02 gemalten Beethovenfries, der in
Einzelfigur, sei es im Rahmen der Lebensthematik –
Innerhalb der Vorbereitungen für das erste,
gischen Grenze zwischen dem Innenleben der
der Secession als Dekoration der epochalen
inklusive der Erotik – oder der in der Sammlung
1900 in der Secession gezeigte Monumentalbild
Menschen und der sie umgebenden Leere. So
Beethoven-Ausstellung zustande kam (April bis
vielfach vertretenen Studien für die Porträtge-
Philosophie markiert die 1899 gezeichnete Über-
scheint ein liegender alter Mann verzweifelt ins
Juli 1902). Schon in seinen Figurenstudien
mälde. In den nach Jurisprudenz entstandenen
tragungsskizze einen entscheidenden Moment
Nichts abzustürzen oder die Rückenfigur eines
richtet er sich nach der streng geometrischen
Allegorien des Goldenen Stils – und darüber hin-
(Kat.Nr. 6.3). Statt der diffus verstreuten Bildele-
seine Familie schützenden Vaters ganz in sich
Ausstellungsarchitektur, wobei er sich praktisch
aus – griff Klimt jeweils auf einzelne Lebensthe-
mente der zuvor entstandenen Ölskizze (1897/98)
versunken zu sein. In Medizin, dem Gegenstück
ausschließlich auf die prägnant stilisierenden
men der ersten beiden Fakultätsbilder zurück und
erscheint hier der Zyklus von „Werden, frucht
zu Philosophie, erweiterte Klimt diese neu
Umrisslinien konzentriert. In einem Blatt fügt er
setzte diese in einen monumentalen, dekorativen
barem Sein und Vergehen“ als zufälliger Aus-
entdeckten Möglichkeiten. In den einander dicht
drei frei variierte Frauenköpfe aus Feindliche
Kontext. Zu diesen Gemäldeprojekten besitzt das
schnitt aus einem vertikal ins Weltall projizierten
überlagernden, aber gleichzeitig voneinander
Gewalten zu einer autonomen Komposition
Wien Museum verschiedene Studiengruppen.
Menschenstrom. „Das Welträtsel“ ist hier eine
isolierten Gestalten sind alle Nuancen des
zusammen; im Fokus steht die dämonisch bli-
In den Zeichnungen von nackten schwangeren
überdimensionale Sphinx, unter deren Gewicht
körperlichen und seelischen Leidens vertreten.
ckende, zentrale Gestalt der Drei Gorgonen mit
Frauen, entstanden für Hoffnung I (1903) und
die allegorische Hauptfigur, eine griechisch antike
Die Dargestellten verkörpern allerdings keine
ihren wilden Haaren und verkrampften Fingern
Denkerin, fast zusammenzubrechen scheint.
persönlichen Schmerzzustände,sondern die
(Kat.Nr. 5.24).
Hoffnung II (1907/08), verinnerlicht Klimt das Mysterium des wachsenden Lebens.9 In den Stu-
Im ausgeführten Gemälde wird diese immer
Grundsituationen im Kreislauf des Lebens, von
Von der Monumentalität und dem Linearismus
dien zu Die drei Lebensalter (1905) widmet er sich
noch historistische Figur durch „Das Wissen“ –
der Zeugung bis zum Tod; die Bewegungen und
des Beethovenfries zeigt sich das dritte Fakultäts-
sowohl den physischen als auch psychischen
ein mysteriöser, frontaler Frauenkopf mit weit
Gesten der somnambulen Gestalten erscheinen
bild Jurisprudenz (1903) durch und durch geprägt.
Seiten der Lebensphasen, insbesondere des
offenen Augen und geschlossenen Lippen –
wie von unsichtbarer Hand gelenkt. Dementspre-
Eine spröde Linienführung kennzeichnet die
hohen Alters. Die vorgebeugten Figuren in den
ersetzt.
chend umfangreich und vielfältig gestalten sich
Studien für die Rechtsgelehrten, unter denen das
frühesten, 1908/09 entstandenen Studien zu Tod
Im Rahmen der Fakultätsbilder kam dem nackten
die zeichnerischen Vorbereitungen. Dabei
imposante Brustbild mit den herben, skulpturalen
und Leben (1910/11, überarbeitet 1916) und in dem
menschlichen Körper eine grundlegend neue
erscheinen die Studien des liegenden, sinnlich
Gesichtszügen hervorsticht (Kat.Nr. 6.57). Mit
seltenen, aquarellierten Blatt zu Familie (1909/10)
Funktion zu: Die nicht-perfekte oder sogar
vorgewölbten Modells für die laszive Hauptfigur
dünnen, eckig markierenden Kreidelinien erfasst
bringen Trauer und Melancholie zum Ausdruck
hässliche Nacktheit wurde zum Elementarzu-
der Schwebenden ebenso gewichtslos wie
Klimt den vorgebeugten, hageren Greis, das
(Kat.Nr. 7.32). Einen besonderen Schwerpunkt
stand der ihrem ungewissen Schicksal aus
die Zeichnungen der immer leicht von unten
Modell für den Sünder; die Konturen der Stu
der Sammlung bilden die für Wasserschlangen I
gelieferten Menschheit. Anhand des intensiven
dargestellten Modelle von athletischen Männern,
dien für die nackte Veritas wiederum zeigen den
und II (beide 1904–1907) entstandenen Studien,
Studiums der Stellungen und Gesten jeder
verträumten Frauen, Säuglingen, hageren
schwungvollen, sinnlichen Verlauf der Zeichnun-
in denen Klimt die lesbische Liebe und die Auto-
Einzelfigur ging Klimt der Essenz einer bestimm-
Halbwüchsigen oder kummergebeugten alten
gen für die Gorgonen im Beethovenfries.
erotik erstmals thematisiert und weitaus freizü-
ten Seelenstimmung oder Lebenssituation immer wieder auf den Grund.8 Die für ihn posierenden
Männern und Frauen. Modelliert werden die
Im Grunde sollte Klimt seiner innovativen, im
giger wiedergibt als in den Gemälden; in diesem
zumeist mild beleuchteten Gestalten durch
Rahmen von Philosophie und Medizin entwickelten
Kontext entstehen auch viele autonome Blätter.
Modelle – Männer und Frauen, Greise und Kinder –
inselhaft hervorgehobene Parallelschraffen,
Zeichenpraxis bei allen Änderungen seines Stils
In den ab 1906/07 entstandenen Studiengruppen
setzte er gleichsam schutzlos von der hellen
manchmal auch durch Weißhöhungen.
sein Leben lang treu bleiben. Als Zeichner wid-
von schreitenden und lesenden Modellen sowie
9 In einer nicht verwendeten, 1904/05 gezeichneten Studie eines alten Mannes für die Oranten in Hoffnung II (Strobl 1762) wurde Klimt offensichtlich durch die Plastik Johannes der Täufer (Blaustein, 71 cm, Museum voor Schone Kunsten Gent) von George Minne inspiriert; s. Bisanz-Prakken: Gustav Klimt’s Drawings, S. 158f.
27
von Tänzerinnen, aus denen sich letztendlich die
Nähe und Metaphysik gilt, bei aller linearen
Figur der Erwartung im Stoclet-Fries entwickelt
Freiheit, auch für die Zeichnungen der späten
(1910/11), schließt Klimt an Motive des Beethoven-
Jahre; in diesen spielt die weibliche Erotik eine
fries an.
dominierende Rolle. Zu den zwei zentralen
Das für ihn zentrale Thema der Liebe zwischen
Bildprojekten Die Jungfrau (1913) und Die Braut
Mann und Frau entfaltet sich in einer spannungs-
(1917/18, unvollendet) sind mehrere Studien
vollen Liniensprache in den Studien, mit denen er
vorhanden, in denen sich die typologisch sehr
etwa gleichzeitig das Gemälde Der Kuss (1908),
unterschiedlichen Modelle in verschiedenen
das berühmteste Werk des Goldenen Stils, und
Graden des Entrücktseins oder der erotischen
das Liebespaar der Erfüllung im Stoclet-Fries
Ekstase präsentieren; darüber hinaus entstehen
vorbereitet. Seit dem Beethovenfries verankert
zahlreiche autonome Blätter. Unter den vielen
Klimt seine Figuren noch mehr als zuvor in der
zu dieser Thematik vorhandenen Studien
Papierfläche; oft lässt er sie von den Rändern
befindet sich die Darstellung einer sitzenden
überschneiden, wodurch sie – ob liegend oder
Frau mit schleierartiger Kopfbedeckung, ge-
stehend – ohne Anfang und Ende im Luftleeren
schlossenen Augen und gefalteten Händen
zu verharren scheinen. Zeichenkunst wird zur
sowie mit nackten, gegrätschten Oberschenkeln.
„Raumkunst“, jedes Blatt ist eine Welt für sich
In dieser Arbeit gelangt der für Klimt charakteris-
und trägt den Charakter des Bekenntnishaften –
tische Dualismus von Erotik und Askese unmittel
besonders in der Goldenen Periode. In allen
bar zum Ausdruck (Kat.Nr. 9.14). Auch diese
Phasen seiner Tätigkeit ist die sich ständig wan-
Gestalt vermittelt das tranceartige Nicht-von-
delnde Linie sein Hauptinstrument. Um 1903/04
dieser-Welt-Sein, das sich unter dem Einfluss
wechselt Klimt von der weichen, schwarzen Krei-
des Symbolismus in den Studien zu den
de zum metallisch scharfen Bleistift, oft ergänzt
Fakultätsbildern erstmals manifestiert. Klimts
durch blaue und rote Farbstifte, die manchmal
zeichnerischer Zugang zur existenziellen Nackt-
auch allein zum Einsatz kommen. Gleichzeitig
heit, verbunden mit einer kompromisslosen
erfolgt der Übergang von den immer zu gleichen
Liniensprache, war von richtungweisender
Formaten geviertelten Packpapierbögen zu einer
Bedeutung für den Expressionismus.
leicht schimmernden, aus Japan importierten Papiersorte, die etwas größer zugeschnitten wird. Das für Klimts Studien charakteristische Spannungsfeld zwischen sinnlicher Unmittelbarkeit und formaler Disziplin, zwischen greifbarer 28
Gustav Klimt Oberkörper eines sich umarmenden Paares, 1904/05 Kat.Nr. 10.4
29
von Tänzerinnen, aus denen sich letztendlich die
Nähe und Metaphysik gilt, bei aller linearen
Figur der Erwartung im Stoclet-Fries entwickelt
Freiheit, auch für die Zeichnungen der späten
(1910/11), schließt Klimt an Motive des Beethoven-
Jahre; in diesen spielt die weibliche Erotik eine
fries an.
dominierende Rolle. Zu den zwei zentralen
Das für ihn zentrale Thema der Liebe zwischen
Bildprojekten Die Jungfrau (1913) und Die Braut
Mann und Frau entfaltet sich in einer spannungs-
(1917/18, unvollendet) sind mehrere Studien
vollen Liniensprache in den Studien, mit denen er
vorhanden, in denen sich die typologisch sehr
etwa gleichzeitig das Gemälde Der Kuss (1908),
unterschiedlichen Modelle in verschiedenen
das berühmteste Werk des Goldenen Stils, und
Graden des Entrücktseins oder der erotischen
das Liebespaar der Erfüllung im Stoclet-Fries
Ekstase präsentieren; darüber hinaus entstehen
vorbereitet. Seit dem Beethovenfries verankert
zahlreiche autonome Blätter. Unter den vielen
Klimt seine Figuren noch mehr als zuvor in der
zu dieser Thematik vorhandenen Studien
Papierfläche; oft lässt er sie von den Rändern
befindet sich die Darstellung einer sitzenden
überschneiden, wodurch sie – ob liegend oder
Frau mit schleierartiger Kopfbedeckung, ge-
stehend – ohne Anfang und Ende im Luftleeren
schlossenen Augen und gefalteten Händen
zu verharren scheinen. Zeichenkunst wird zur
sowie mit nackten, gegrätschten Oberschenkeln.
„Raumkunst“, jedes Blatt ist eine Welt für sich
In dieser Arbeit gelangt der für Klimt charakteris-
und trägt den Charakter des Bekenntnishaften –
tische Dualismus von Erotik und Askese unmittel
besonders in der Goldenen Periode. In allen
bar zum Ausdruck (Kat.Nr. 9.14). Auch diese
Phasen seiner Tätigkeit ist die sich ständig wan-
Gestalt vermittelt das tranceartige Nicht-von-
delnde Linie sein Hauptinstrument. Um 1903/04
dieser-Welt-Sein, das sich unter dem Einfluss
wechselt Klimt von der weichen, schwarzen Krei-
des Symbolismus in den Studien zu den
de zum metallisch scharfen Bleistift, oft ergänzt
Fakultätsbildern erstmals manifestiert. Klimts
durch blaue und rote Farbstifte, die manchmal
zeichnerischer Zugang zur existenziellen Nackt-
auch allein zum Einsatz kommen. Gleichzeitig
heit, verbunden mit einer kompromisslosen
erfolgt der Übergang von den immer zu gleichen
Liniensprache, war von richtungweisender
Formaten geviertelten Packpapierbögen zu einer
Bedeutung für den Expressionismus.
leicht schimmernden, aus Japan importierten Papiersorte, die etwas größer zugeschnitten wird. Das für Klimts Studien charakteristische Spannungsfeld zwischen sinnlicher Unmittelbarkeit und formaler Disziplin, zwischen greifbarer 28
Gustav Klimt Oberkörper eines sich umarmenden Paares, 1904/05 Kat.Nr. 10.4
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