TREND - Magazin für Soziale Marktwirtschaft - Ausgabe 4/2016

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38. JAHRGANG 4 / 2016

WELT im Umbruch

Größere Herausforderungen für Deutschland

MEHR NETTO VOM BRUTTO

Mittelstand entlasten US-WAHL UND FOLGEN

Interview mit Friedrich Merz CDU

Markenkern besser pflegen


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EDITORIAL

Foto: Franz Bischof

I

Werner M. Bahlsen Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

m Frühjahr haben wir im Präsidium unter dem Eindruck aktueller Ent­ wicklungen über ein grundlegendes Positionspapier diskutiert und dar­ in „massive tektonische Verschiebun­ gen“ beschrieben. Tatsächlich hat das Jahr 2016 unsere Welt entscheidend verändert: der Brexit, die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten, das Erstarken populisti­ scher Strömungen in vielen Ländern Europas und die Wahlerfolge der AfD in Deutschland.

Titelbild: Fotolia.com ©jozefklopacka

„Eine wichtige Aufgabe der zukünftigen Bundesregierung wird es sein, klare wirtschafts- und gesellschaftspolitische Weichenstellungen anzugehen, die unser Land erfolgreich in die Zukunft bringen. Dazu gehören Steuerentlastungen und Investitionen in Infrastruktur sowie in mehr innere und äußere Sicherheit.“ Es kommt in Europa und der west­ lichen Welt mehr denn je auf unser Land an. Deutschland muss diese grö­ ßeren Herausforderungen annehmen. Die New York Times rief die Bundes­ kanzlerin gar zur „letzten Verteidige­ rin des liberalen Westens“ aus. Umso wichtiger und erfreulicher ist es, dass Angela Merkel die Union als Kanzler­ kandidatin in den Bundestagswahl­ kampf im kommenden Jahr führen wird. Nur durch ökonomischen Erfolg können wir unsere politische Stärke ausspielen. Und: Eine starke Wirt­ schaft sorgt auch für soziale Sicherheit und innere Stabilität. Die nach wie vor gute Entwicklung der Konjunktur in Deutschland, steigende Steuereinnah­

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men und volle Kassen der Sozialver­ sicherungen sind kein dauerhaftes Polster. Die globale Unsicherheit nimmt zu. Die Folgen einer neuen Po­ litik in den USA und des Brexit für die Weltwirtschaft sind nur schwer einzu­ schätzen. Eine wichtige Aufgabe der zukünftigen Bundesregierung wird es sein, klare wirtschafts- und gesell­ schaftspolitische Weichenstellungen anzugehen, die unser Land erfolgreich in die Zukunft bringen. Dazu gehören Steuerentlastungen, und Investitionen in Infrastruktur sowie in mehr innere und äußere Sicherheit. Dafür werden wir uns stark ma­ chen. Hier können sich auch unsere wichtigsten Partner in der Politik, die beiden Unionsparteien, programma­ tisch abheben von der Opposition aus Grünen und Linken sowie weiten Tei­ len der SPD, die auf einen Steuererhö­ hungs-Wahlkampf zusteuern. In vielen westlichen Ländern erle­ ben wir gerade eine starke Polarisie­ rung innerhalb der Bevölkerung. Poli­ tik und Wirtschaft sollten gemeinsam daran arbeiten, das in Deutschland zu verhindern. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang, dass wir 60 Jahre nach Erscheinen von Ludwig Erhards Buch „Wohlstand für alle“ das Erfolgsmodell Soziale Marktwirtschaft für Deutschland wieder verstärkt in den Mittelpunkt unseres Handelns l ­rücken.

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INHALT

Inhalt 12 TITEL Welt im Umbruch Deutschland steht vor größeren Herausforderungen: Die US-Präsidentschaftswahl wird das Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten verändern. Auswirkungen auf den Freihandel, die Beziehungen zu Europa sind wahrscheinlich. Neue Bedrohungsszenarien haben zudem zu einer sicherheitspolitischen Neuausrichtung der Bundesregierung geführt. Die Folge ist ein höherer Verteidigungsetat, von dem auch die Sicherheitsindustrie profitiert. Sie wird als unverzichtbarer Innovationsmotor für die Gesamtwirtschaft gestärkt.

START EDITORIAL 3  Werner M. Bahlsen

Politische Analyse 24 Warum die Sozialdemokraten schwächeln  Harald Bergsdorf

AUSSENANSICHT 6 Die Wirtschaft schafft das!  Thomas Sigmund

MEHR NETTO VOM BRUTTO 26 TREND-Grafik: Der Mittelstand zieht den Karren

TITEL

28 Schreit endlich, Gänse!  Philip Plickert

WELT IM UMBRUCH 12 „Es gibt wieder diese ­Schweigespirale in Umfragen“ Interview mit Friedrich Merz

30 Mittelschicht spürbar entlasten  Katja Sandscheper

14 Deutschlands strategische Rolle stärken  Peter Hahne 16 Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Forderungen an die Politik

26 MEHR NETTO VOM BRUTTO Mittelstand entlasten Viele Parteien umwerben den hart arbeitenden Mittelstand. Die Große Koalition hat trotz Rekordsteuereinnahmen bisher statt Entlastungen eher soziale Geschenke verteilt. Den Mittelstand jetzt steuerlich zu entlasten, muss auf die Tagesordnung. Ebenso wie es angesichts des demografischen Wandels in Deutschland höchste Zeit wird, die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren, damit mehr Netto vom Brutto bleibt.

12 US-WAHL UND FOLGEN: INTERVIEW MIT FRIEDRICH MERZ TREND sprach exklusiv mit Friedrich Merz über das neue transatlantische Verhältnis, den Freihandel, die Außen- und Sicherheits­ politik sowie die Schatten, die die USPrä­ sidentschaftswahl für die Bundestagswahl 2017 vorauswirft.

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17 Trendwende braucht Flankierung durch verlässliche Exportpolitik Interview mit Frank Haun 18 Neue Sicherheitspolitik braucht starke Bundeswehr  Henning Otte MdB 19 Rüstungsindustrie im Umbruch  Jürgen Kerner 20 TTIP: Unheilige Allianzen  Dr. Matthias Bauer

AKTUELL Soziale Marktwirtschaft 8 Wieder in den Fokus rücken  Werner M. Bahlsen CDU 10 Klare Positionen  Prof. Hans Helmut Schetter Bund-Länder-Finanzausgleich 22 Neuordnung der bundes­­­ staatlichen Finanzbeziehungen  Dr. Michael Meister MdB

32 L ebensarbeitszeit an Lebenserwartung anpassen  Prof. Axel Börsch-Supan, Ph.D. 34 Transparenzoffensive in der Altersversorgung  Petra Raspels 36 Rente zukunftsfest machen  Hans Joachim Reinke 37 Betriebliche Altersversorgung als zentraler Baustein der Personalpolitik  Dr. Udo Niermann Energiepolitik 38 Versorgungssicherheit im Stromsektor  Dr. George Milojcic Europäische Energiepolitik 39 Europa braucht die „fünfte Freiheit“  Dr. Maroš Šefˇcoviˇc 40 European Energy Lab: Designing Europe’s future marketplace  Dr. Bernd Weber/Birgit Heinrich Digitalisierung 42 Der Weg zur digitalen Revolution führt nur über Glasfasernetze  Michael Fränkle 43 Kleine und mittlere Firmen ­werden profitieren  Peter Altmaier MdB


INHALT

WIRTSCHAFTSRAT 44 STANDPUNKT STEIGER Auf die Infrastruktur kommt es an!

46 JUNGER WIRTSCHAFTSTAG INNENANSICHT 48 Neues aus den Kommissionen

45 INTERNATIONALE WIRTSCHAFTSPOLITIK Wirtschaftsrat im Land der Mitte: Innovationsland statt Werkbank

ENGAGEMENT 50 Schleswig-Holstein: Die richtigen Weichen stellen Portrait Dr. Christian von Boetticher

SCHLUSS

INNOVATIONSFORUM 52 Nicht über Industrie 4.0 sprechen, sondern machen!

10 CDU Klare Positionen

AUS DEN LÄNDERN 53 Rückblick | Einblick | Ausblick

Die CDU-Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“ ist ein Fehler. Außerdem kann die Union, wenn sie sich im vorauseilenden Kompromissmodus – bevorzugt mit Rot oder Grün – befindet, weder mobilisieren noch in Koalitionen zum bestimmenden Faktor werden.

FORUM 57 Im Spiegel der Presse 58 Zahlen des Quartals Spindoktor

Wirtschaftstag der Innovationen in Berlin am 14 / 15. Februar 2017 Norddeutscher Wirtschaftstag in Hamburg am 11. Mai 2017 Wirtschaftstag in Berlin am 27. Juni 2017

Foto: Fotolia.com ©K.C.

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AUSSENANSICHT

Die Wirtschaft schafft das! I

n vier Wochen wundert sich die ganze Welt noch einmal: Wie konn­ te das passieren? Vor der Kulisse von Millionen Menschen wird am 20. Januar in Washington Donald Trump als 45. Präsident in der Ge­ schichte der Vereinigten Staaten verei­ digt. Für Trump gilt: Amerika zuerst – auch in der Wirtschaftspolitik. Die deutschen Unternehmen ha­ ben mit Ausnahme der Kanzlerin nicht wie so viele andere Spitzenpoli­ tiker kurz nach der Wahl lamentiert. Die Wirtschaft hat auch Trump nicht wie der künftige Bundespräsident als „Hassprediger“ bezeichnet. Die Un­

Thomas Sigmund Foto: Handelsblatt

Ressortleiter Politik und Leiter Hauptstadtbüro Handelsblatt

ternehmen blickten nach vorne und haben sich auf ihre Stärken besonnen. Die Firmen sind international stabil und breit aufgestellt. Mit der US-Wirt­ schaft besteht ein jahrzehntelang auf­ gebautes vertrautes Netzwerk. Das trägt, während das Kanzleramt noch Kontakte ins unbekannte Terrain des Trump-Camps mühsam aufbaut. Die deutsche Wirtschaft braucht also an Trump nicht zu verzweifeln. Sie schafft das, weil sich die US-Ad­ ministration eines besseren besinnen wird. Es gilt der Satz von Mario Cuo­ mo, dem ehemaligen Gouverneur von New York: „Campaigning is poetry, government is prose“. Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel. Die USA sind mit Importen von 114 Milliarden Euro jährlich der wichtigste Auslands-Abnehmer für deutsche Waren. Deutsche Unterneh­ men beschäftigen 600.000 Menschen in den USA. Geht Trump wirklich den

„Die etablierten Parteien müssen auf die Entfremdung des Volkes zu den Eliten Antworten finden. Sonst tun es die Bürger an der Wahlurne.“

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Foto: Fotolia.com ©Andrea Izzotti

Was bedeutet die Wahl des neuen US-Präsidenten Donalt Trump für Deutschland und Europa? Was heißt das für die Wirtschaft und die Geopolitik? Die Unternehmen blicken bereits nach vorn. Die Politik sollte schnell folgen.

Weg, die Einwanderung zu begrenzen, die Handelspolitik abzuschotten und die Ausgabenpolitik zu erhöhen, dann dürfte nach allen Naturgesetzen der Ökonomie die US-Wirtschaft lang­ fristig schrumpfen und der deutschen Konjunktur einen Dämpfer versetzen. Die gewaltigen Investitionen in die Infrastruktur mögen kurzfristig die US-Wirtschaft ankurbeln, doch das Defizit schießt weiter in die Höhe. Ob es so kommt, weiß Stand heu­ te niemand so genau. Es kursieren bislang lediglich wirtschaftspolitische Planspiele im Trump-Camp. Sicher ist, dass das europäisch-amerikani­ sche Freihandelsabkommen TTIP nicht bis zur Vereidigung Trumps unterschrieben sein wird. Das Pro­ jekt wird sicherlich auf Eis gelegt. Es dürfte auch niemanden verwundern, wenn Trump sein eigenes G2- oder G3-Treffen mit Russland und China anschiebt. Die Sonderrolle Trumps auf dem G20-Treffen im kommenden Jahr in Hamburg zu erleben, wird für die Kanzlerin eine besondere Heraus­ forderung. Doch wer sich immer noch grämt, dass Hillary Clinton nicht ins Weiße Haus eingezogen ist, dem sei gesagt: Trotz aller Machtbefugnisse gewährleistet das amerikanische poli­ tische System immer noch eine gegen­

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AUSSENANSICHT

konkret: Deutschland hat einen Ver­ teidigungshaushalt von 33 Milliarden Euro bei einer Wirtschaftsleistung von 3.000 Milliarden Euro. Das sind 1,2 Prozent. Wenn wir uns also vertrags­ treu verhalten, müssen wir die Zah­ lungen an die NATO auf rund 60 Mil­ liarden Euro erhöhen. Das ist schon Geld. Hier kann man auch die Forde­ rungen von Trump in Zahlen messen.

Foto: Fotolia.com ©bonilla1879

US-Präsidentschaftswahl 2016

seitige Kontrolle der Verfassungsorga­ ne, und auch ein Donald Trump kann nicht machen was er will. Der US-Wahlkampf dient sicher­ lich vielen Populisten bei uns als Blau­ pause für den Bundestagswahlkampf 2017. Der tägliche Tabubruch, die Verrohung der Sprache wie sie Trump salonfähig gemacht hat, dürfte sich in vielen Wahlkampfreden wieder­ finden. Es wird viele Debatten über die „forgotten ones“ geben, also um die Abgehängten, die von der Glo­ balisierung und der Digitalisierung nichts abbekommen. Die etablierten Parteien müssen auf die Entfremdung des Volkes zu den Eliten Antworten finden. Sonst tun es die Bürger an der Wahlurne. Wie sich das bereits jetzt auswirkt, zeigen die Umfragen. Im nächsten Bundestag werden vo­ raussichtlich sieben Parteien sitzen. Die Volksparteien Union und SPD verlieren stetig an Bindekraft, ihre Schnittmengen sind zu groß, um etwa mit einem scharfen wirtschaftspoli­ tischen und konservativen Profil bei der Stammwählerschaft zu punkten. Die Folge ist also eine Fortsetzung der lähmenden großen Koalition oder ein Dreierbündnis. Im ungünstigsten Fall Rot-Rot-Grün, was Deutschland nicht gut tun würde.

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Anzahl der Wahlmänner

232 Hillary Clinton

Doch in der Wahl von Trump lie­ gen auch Chancen. Europa muss en­ ger zusammenrücken, wenn es geopo­ litisch nicht hinten runter fallen will. Das kann in Zeiten der Flüchtlings­ krise und des Brexit nur gut sein. Der Schutzschirm der USA über Europa ist mit einem Präsidenten Trump nicht mehr so aufgespannt wie bisher. Europa muss also seine Versprechen einhalten, vor allem in der Verteidi­ gungspolitik. Die wenigsten wissen, dass Europa mehr Soldaten hat als die Amerikaner. Für die Soldaten gibt Europa im Vergleich zu den USA aber gerade mal die Hälfte aus. Die euro­ päischen Länder haben versprochen, zwei Prozent ihrer wirtschaftlichen Leistung an die NATO zu überweisen. Davon wiederum gehen 20 Prozent in Forschung und Rüstung. Das heißt für den deutschen Verteidigungshaushalt

Donald Trump 306

Doch auch strategisch sollte sich Europa schnellstens einigen. Unter Trump dürfte die Geopolitik eine Renaissance erfahren. Wenn man sich jedoch die Selbstlähmung in Brüssel allein im letzten Jahr ansieht, dann muss man sich nicht wundern, wenn Russland dieses Machtvakuum aus­ nutzen wird. Europa sollte also nicht endlos zuwarten, wieder geschlossen aufzutreten. Deutschland hat trotz des Aufstiegs der AfD ein stabiles demokratisches System, das so erratische Entschei­ dungen wie den Brexit oder eine mögliche Wahl von Marine le Pen zur französischen Präsidentin verhindert. Umso wichtiger ist die deutsche Rolle mit der Kanzlerin an der Spitze. Aus Sicht der „New York Times“ ist sie die „letzte Verteidigerin des freien Wes­ l tens“.

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AKTUELL Soziale Marktwirtschaft

Soziale Marktwirtschaft

wieder in den Fokus politischen Handelns rücken Warum es sich heute mehr denn je lohnt, für die Werte der Sozialen Marktwirtschaft zu streiten.

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AKTUELL Soziale Marktwirtschaft

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rer Gesellschaft und Arbeitnehmer­ schaft messen lassen. Wirtschaftliche Freiheit und das Prinzip der Haftung sind zwei Seiten derselben Medaille. Nur Marktakteure, die für ihr Handeln auch selbst haften, handeln verant­ wortlich. Sowohl in der Finanzkrise als auch bei etlichen Skandalen der jünge­ ren Wirtschaftsgeschichte haben wir leider das Gegenteil erlebt. Das hat viel Vertrauen zerstört und denen in die Hände gespielt, die eine andere Gesell­ schaftsordnung wollen. Deshalb müs­ sen wir dem marktwirtschaftlichen Haftungsprinzip wieder mehr Geltung verschaffen. Für uns Unternehmer bedeutet das, unsere Vorbildfunktion und Verantwortung auch zu leben. Das Prinzip der Sozialpartnerschaft mit ihrem Willen zu einvernehmli­ chen Lösungen ist die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg und den sozialen Frieden hierzulande. Arbeit­ nehmer und Arbeitgeber sollten des­ halb gemeinsam Herausforderungen begegnen, wenn irgend möglich sollte der Staat sich nicht in die Belange der Betriebe einmischen. Bei den Themen Mindestlohn, der Frauenquote und dem Gesetz für mehr Lohngerechtig­ keit hat der Staat aber seine Rolle als Schiedsrichter überschritten. Ludwig Erhard war überzeugt: „Eine freiheitliche Wirtschaftsord­ nung kann auf Dauer nur dann beste­ hen, wenn und solange auch im sozi­ alen Leben der Nation ein Höchstmaß an Freiheit, an privater Initiative und Selbstvorsorge gewährleistet ist.“ Leider steht es heute mit keiner der geforderten Eigenschaften zum Bes­ ten. Selbstvorsorge ist in Zeiten der Niedrigzinsen schwerer denn je. Die Soziale Marktwirtschaft fußt auf der Überzeugung, dass private Akteure ef­ fizienter sind als der Staat. Privatwirt­ schaftliche Lösungen müssen deshalb immer Vorrang vor einer Ausweitung der Staatswirtschaft haben. Dies gilt ganz besonders bei der dringend not­ wendigen Sanierung der Infrastruktur in Deutschland. Freiheit schließlich heißt auch die Freiheit, selbst über seine wirtschaft­ lichen Geschicke bestimmen zu kön­ nen. Der Umverteilungsstaat setzt dem immer engere Grenzen. Das trifft

die leistungsfähige Mitte der Gesell­ schaft. Sie muss finanziell entlastet werden. Deshalb brauchen wir eine Steuerreform, die einen Gutteil der zusätzlich eingenommenen Steuern wieder an die zurückgibt, die sie er­ wirtschaftet haben. Mehr Freiheit brauchen wir auch in vielen Bereichen unseres Sozialstaates. Dazu gehört, dass Menschen selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten wollen und dass ihnen flexible Über­ gänge zwischen Arbeit und Rente er­ möglicht werden. Darum hat sich der Wirtschaftsrat auch so vehement für die Flexi-Rente eingesetzt, die jüngst verabschiedet wurde. Gerade in un­ serer Gesellschaft des langen Lebens müssen die sozialen Sicherungssyste­ me demografiefest gemacht werden. Das wird nur durch die Anpassung

Werner M. Bahlsen Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Foto: Jens Schicke

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m nächsten Jahr ist es 60 Jahre her, dass Ludwig Erhards zentrales Werk „Wohlstand für alle“ erschie­ nen ist. Seitdem hat die darin be­ schriebene Soziale Marktwirtschaft eine Karriere sondergleichen gemacht. SPD-Chef Sigmar Gabriel beruft sich oft und gern darauf. Und selbst die Fraktionsvorsitzende der „Linken“ im Bundestag, Sahra Wagenknecht, tönt auf ihrer Webseite vollmundig: „Ich will Ludwig Erhard zu Ende denken“. Mit historischen Persönlichkeiten ist das so eine Sache. Jeder kann sich unwidersprochen auf sie berufen, sie können sich nicht gegen Verein­ nahmungen wehren. Ob die aktu­ elle ­ Politik Gabriels Ludwig Erhard gefallen würde? Ich habe da meine Zweifel. Ein Kommentar zu Sahra Wa­ genknecht erübrigt sich wohl. Aber auch die CDU, zu deren Markenkern immer die Weiterentwicklung der So­ zialen Marktwirtschaft gehörte, hat spätestens seit der Finanz- und Wirt­ schaftskrise in Europa den „Pfad der Tugend“ verlassen. Dabei ist es dringend notwendig, dass wir uns der Bedeutung und der Stärke unserer wirtschaftlichen Ord­ nung wieder bewusst werden. Neben der Etablierung der Demokratie war das Modell einer Sozialen Markt­ wirtschaft die größte Leistung der Nachkriegszeit: Sie hat es geschafft, wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Ausgleich in Balance zu bringen. Die hohe Akzeptanz des politischen, ge­ sellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems der Bundesrepublik in der Bevölkerung hat auch damit zu tun, dass es gelungen ist, Wohlstand für alle zu schaffen. Der Wahlerfolg von Donald Trump, der Brexit, die AfD in Deutschland, der Aufstieg populistischer Parteien in ganz Europa, machen eine tiefe Ver­ trauenskrise von Teilen der Bevölke­ rung in der westlichen Welt deutlich, nicht nur in die Demokratie, sondern auch in unser Wirtschaftssystem. Die Sozialpartnerschaft ist ein Fun­ dament unseres deutschen Erfolgsmo­ dells. Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern hat den Menschen zu dienen. Unternehmerisches Handeln muss sich auch an den Wertvorstellungen unse­

der Lebensarbeitszeit an die Gesamt­ lebenszeit und die gleichzeitige Stär­ kung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge funktionieren. Wenn wir darüber nachdenken, wie wir im 21. Jahrhundert in Deutsch­ land „Wohlstand für alle“ ermögli­ chen können, muss schließlich die Bildungspolitik genannt werden: Sie ist die wirksamste Armutsvorsorge und die beste Arbeitsmarktpolitik der Zukunft. Kein Jugendlicher darf die Schule ohne Abschluss verlassen. Ge­ ring- und Niedrigqualifizierte müssen eine zweite, manchmal vielleicht sogar dritte Chance bekommen. Lebenslan­ ges Lernen hilft uns dabei, die immer schnelleren Veränderungen einer glo­ balisierten Arbeitswelt zu meistern. Ich halte nicht zuletzt deshalb Lud­ wig Erhards Erbe hoch, weil wir alle unsere Talente am besten in einer So­ zialen Marktwirtschaft verwirklichen können. Sie ist allen anderen Wirt­ schaftsordnungen überlegen. Es lohnt l sich, für sie zu kämpfen.

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AKTUELL Markenkern der CDU

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n Berlin haben diesen Herbst zwei bemerkenswerte, gravierende Er­ eignisse stattgefunden: Die linken Parteien trafen sich – gewollt öffentlichkeitswirksam – in beachtlicher Stärke, um die Gemein­ samkeiten für künftiges Regieren aus­ zuloten. Der „vorbeischauende“ Vize­ kanzler und SPD-Vorsitzende machte die Zusammenkunft dieses Links­ bündnisses hoffähig. CDU/CSU tragen den im Allein­ gang für das Bundespräsidentenamt nominierten SPD-Kandidaten Stein­ meier mit. Das erste Ereignis ist eine Steilvor­ lage für konservative Wahlkämpfer, das zweite für die eigenen Anhänger kaum nachvollziehbar.

Interesse breiter Bürgerschichten und wäre im kommenden Februar für die Union keinesfalls aussichtslos. Warum also hat man keinen eigenen Kandida­ ten aufgeboten? Wie will man in Wahlen an der Ba­ sis mobilisieren, wenn man bei wichti­ gen Ämtern nicht mehr mit eiegenen Kandidaten antritt: wie bei Oberbür­ germeisterwahlen in Stuttgart, Köln und Darmstadt und jetzt beim Bun­ despräsidenten. Wenn wir wiederholt im Zusam­ menhang von eingegangenen Koaliti­ onen darauf hinweisen, wie schlecht es erst ohne uns laufen würde, ist das die Botschaft „des weniger Schlechten“. Um Wahlen zu gewinnen bedarf es der Botschaft „des Besseren“!

f­ orcierten Verzicht auf Kohle und Erd­ gas. Eine mit völkischem Gedankengut unterlegte Partei wie die AfD, ist nicht nur kein Partner, sondern muss mit allen zur Verfügung stehenden demo­ kratischen Mitteln bekämpft werden. Aber ist es nicht töricht oder sogar anmaßend 10, 15 oder mehr Prozent AfD-Wähler zu ignorieren oder gar auszugrenzen? Glauben wir im Ernst, dass sie alle politisch verblendet oder gar latent rechtsradikal sind? Wäre es nicht viel klüger, sie anstatt abzuwerten, abzuholen? Viele von ih­ nen kommen direkt, oder über den zwischenzeitlichen Nichtwählerstatus aus dem bürgerlichen Lager und zähl­

Klare Positionen statt vorauseilender An der Eignung Frank Walter Steinmeiers für das höchste Amt im Staate bestehen keine Zweifel. Aber es ist noch unzweifelhafter, dass die Uni­ on über mehrere zumindest gleich­ wertige Kandidaten verfügt. Allen voran Norbert Lammert, der seine

Prof. Hans Helmut Schetter Foto: Jens Schicke

Vizepräsident und hessischer Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates; CDU-Mitglied

überparteiliche kluge und souveräne Art über Jahre unter Beweis gestellt hat. Ein Wahlangebot für die Bun­ desversammlung ist guter demokrati­ scher Brauch, weckt und bedient das

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Durch die Politik der Großen Koa­ lition trägt die Union maßgeblich Ver­ antwortung für Entscheidungen mit signifikanter Langzeitwirkung und für ordnungspolitische Sündenfälle: Ren­ tenalter 63, Mütterrente, Frauenquote, Mietpreisbremse, Entgeltgleichheits­ gesetz, Zeitarbeitsgesetz, Elektromo­ bilitäts-Prämie und anderes mehr. Große Koalitionen rechtfertigen sich über große Lösungen. Eine ­solche Großbaustelle war die ohne Plan von oben verfügte Energiewende, die den Industriestandort Deutschland un­ ter einen extremen Druck gesetzt und in der Energiewirtschaft solide Geschäftsmodelle über Nacht zer­ stört hat. Anstatt das Angefangene auf zukunftsfähige marktwirtschaft­ liche Beine zu stellen, wurde Stück­ werk geliefert. Zusätzlich droht eine weitere Problemverschärfung durch den ­ideologisch anstatt technologisch

ten vor noch nicht allzu langer Zeit zu geschätzten Stammwählern. Der Parteitag der Grünen hat mit der Niederlage von Kretschmann und Özdemir gezeigt, wohin ihre Mehr­ heit zieht. Die „Superreichen-Vermö­ genssteuer“ klingt populistisch gut. Der durch die EZB-Geldpolitik schon stattfindende Vermögensschwund wird dann durch den Staat zusätzlich verschärft. Um die Betroffenen fest­ stellen zu können, bedarf es der Er­ fassung bei allen. Das bedeutet einen riesigen bürokratischen Aufwand und einen Einstieg, der einer späteren Aus­ weitung Tür und Tor öffnet. Und ist es realistisch, anzunehmen, dass die SPD sich von ihrer Ambition, den Kanzler zu stellen, verabschiedet hat? Die zentrale CDU-Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“ ist ein Fehler. Außerdem kann die Union, wenn sie sich im vorauseilen­

TREND 4/2016


AKTUELL Markenkern der CDU

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Die CDU-Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“ ist ein Fehler. Außerdem kann die Union, wenn sie sich im vorauseilenden ­Kompromissmodus – bevorzugt mit Rot oder Grün – befindet, weder mobilisieren noch in Koalitionen zum bestimmenden Faktor werden.

Kompromissmodus den Kompromissmodus – bevorzugt mit Rot oder Grün – befindet, weder mobilisieren noch in Koalitionen zum bestimmenden Faktor werden. Die FDP ist bei der vergangenen Bundestagswahl an eigener Unzuläng­ lichkeit gescheitert, aber sie hat gelernt und erfährt wachsenden Zuspruch. Ihre Rückkehr auf die Berliner Bühne ist prognostizierbar. Warum grenzt sich die CDU nicht klar von einem nicht mehr auszu­ schließenden Linksbündnis ab? Dazu bedarf es dann mehr als Parteitagsre­ den mit langanhaltendem Beifall. Die Union braucht eine Renaissance von Positionen. Sie muss sie nicht erfin­ den, sondern beziehen. Ein Linksbündnis steht für mehr Staat, Regulierung, Bürokratie und höhere Steuern. Wir wollen Freiheit statt Gleichheit, Eigenverantwortung und Subsidiarität. Wir stehen für Po­

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sitionen, die sich klar von planwirt­ schaftlichem Streben absetzen und im Geiste von Ludwig Erhard stehen. Einige Beispiele mögen gerade die Relevanz für breite Bürgerund Wählerschichten aufzeigen: E Eine im Kontext an die steigende Lebenserwartung gekoppelte flexi­ ble Altersgrenze gepaart mit Anrei­ zen zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge sowie zur Schaffung von schuldenfreiem Wohneigen­ tum. E Ausschöpfung bestehender Steuer­ senkungsspielräume zur Rückfüh­ rung Soli, Abschaffung kalte Pro­ gression und Mittelstandsbauch, Deckelung Sozialabgaben. E Schaffung eines zeitgemäßen und anforderungsgerechten Einwan­

derungsgesetzes, funktionierende Grenzkontrollen und konsequen­ te Unterbindung von ungeneh­ migtem und ungeordnetem Dauer­ aufenthalt. E Keine Vollverschleierung im öffent­ lichen Raum. Unionswähler wollen mehrheitlich keine Bürgerbefragungen, Volksab­ stimmungen und basisdemokrati­ schen Umtriebe sondern Vertreter in Legislative und Exekutive, die sie mit Klugheit und Klarheit vertreten. Wir besitzen den Kanzler­ bonus und müssen kämpferisch Posi­ tion ­ beziehen. Wenn es gelingt aus dem Reservoir der Nicht- und AfD-­Wähler mehr als sechs Prozent zurück­zuholen, dann ist selbst eine Neuauflage von Schwarz-Gelb keine l Utopie.

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TITEL Interview

„Es gibt wieder diese sprach nach der US-Präsidentschaftswahl exklusiv mit Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der Atlantik-Brücke e.V. und Präsidiumsmitglied des ­Wirtschaftsrates, über den neuen ­Präsidenten der Vereinigten Staaten, den US-Wahlkampf, ihre Einordnung für das transatlantische Verhältnis, den Freihandel, die Außen- und Sicherheitspolitik sowie mögliche ­Auswirkungen auf Europa und den Bundeswahlkampf 2017.

Herr Merz, der neue US-Präsident Donald Trump will den „amerikanischen Traum erneuern“ und die USA zu alter Stärke zurückführen. Viele Deutsche hatten bis zuletzt nicht mit seinem Wahlsieg gerechnet und reagierten schockiert. Teilen Sie diese Ängste? Jedenfalls gibt es Grund zur Besorgnis. Donald Trump hat im Wahlkampf Versprechen gemacht, die nur um den Preis von hohen Wohlstandsverlusten der mit Amerika verbun­ denen Industrieländer und um den Preis großer Verunsi­ cherung in der Außen- und Sicherheitspolitik einzulösen sind. Er ist zudem ganz offenkundig organisatorisch und personell auf die Übernahme des Amtes am 20. Januar nur suboptimal vorbereitet, um es höflich auszudrücken. Wird auch Herr Trump lernen müssen, dass die Wirtschaft und internationale Partner verlässliche Rahmen­ bedingungen brauchen? Ich vermute, dass er das weiß, aber er zieht mit „America first“ Schlussfolgerungen daraus, die für alle Beteiligten sehr nachteilig werden könnten, auch für die Amerikaner selbst. Ich erinnere nur daran, dass er versprochen hat, die alten Kohle- und Stahlindustrien wiederzubeleben. Das wäre ungefähr so, als wenn bei uns Heinz Kühn durch die Tür kommt und verspricht, das Ruhrgebiet wieder zu altem Glanz auferstehen zu lassen. Das ist alles ein bisschen bizarr. Was bedeutet Donald Trump für die ohnehin seit den bekannten NSA-Abhörmaßnahmen und den vor allem in Deutschland stark kritisierten TTIP-Verhandlungen weniger innige Freundschaft zwischen Deutschland und den USA? Wie sollte die Bundesregierung reagieren? Um das transatlantische Verhältnis war es schon vor den Wahlen nicht zum Besten bestellt, jetzt wird die Heraus­ forderung noch größer. Die Europäer sollten jetzt zunächst einmal darum bemüht sein, das Abkommen CETA mit Kanada durch die Parlamente zu bringen. Dann wird man auch im Laufe des nächsten Jahres sehen, ob die Amerika­ ner nicht doch teilhaben wollen an einem dynamisch wach­ senden transatlantischen Handel. Und ansonsten ist Beson­

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nenheit und Konzentration auf das Wesentliche gefragt, in der Handelspolitik, in der Finanzpolitik und in der Außenund Sicherheitspolitik. Auch mit Hillary Clinton wäre nicht alles beim Alten geblieben. Das Stichwort „burden-sharing“ spielte auch in ihren Reden eine Rolle. Wie und inwieweit muss sich Deutschland in der Außen- und Sicherheitspolitik stärker engagieren? Sie sprechen das völlig zu Recht an. Auch eine Präsidentin Hillary Clinton hätte von den Europäern einen höheren Beitrag zur Gewährleistung der internationalen Stabilität und des Friedens in der Welt erwartet. Die Antwort darauf können die Europäer nur gemeinsam geben, und die Ant­ wort geht weit über die Höhe des NATO-Budgets hinaus. Wir könnten eine Menge Geld auf dieser Seite des Atlantiks sparen, wenn endlich die Beschaffung von militärischem Gerät in Europa besser koordiniert wird. Erste Ansätze dazu gibt es, aber wir blicken immer noch mehr auf lokale In­ dustrieinteressen als auf eine kohärente und vereinheitlichte Beschaffung in Europa. Spätestens jetzt wird der Druck da­ rauf sehr groß. Was sollten Europäer und Deutsche „innenpolitisch“ aus dem Wahlergebnis in den USA lernen, dass sich ähnlich der Brexit-Entscheidung so nicht in den U ­ mfragen widergespiegelt hat? Wir leben in unruhigen und sehr unübersichtlichen Zei­ ten. Die Politik muss sehr viel mehr erklären als in frühe­ ren Jahren, die Wähler wollen ernst genommen und mit­ genommen werden. Und es gibt eben gerade jetzt wieder diese „Schweigespirale“, dass Wähler nämlich in den Um­ fragen nicht die richtigen Antworten geben, weil sie sich politisch korrekt verhalten wollen. Aber in der Wahlkabine sind sie ganz allein, und dort bricht ihre Enttäuschung und ihr Frust über das politische Establishment frei heraus. Das hätte man in Großbritannien außerhalb von London und in den USA außerhalb von Washington kommen sehen können. Gerade die Parteien, die sich „bürgerlich“ nennen,

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TITEL Interview

Foto: Fotolia.com @ Carsten Reisinger

Schweigespirale in den Umfragen“

Foto: Jochen Rolfes

müssen sich mit diesem Phänomen mehr beschäftigen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen, und die können nur heißen: mehr Offenheit, mehr Diskussionskul­ tur, bessere Abwägung und Darstellung von Alternativen und nicht zuletzt: harter Widerspruch gegen die Populisten von links und rechts.

„Um das transatlantische Verhältnis war es schon vor den Wahlen nicht zum Besten bestellt, jetzt wird die Herausforderung noch größer.“

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Einfache Antworten in einer sehr komplexen und immer dichter vernetzten Welt – ist es das, was die Bevölkerung will? Und könnte das – zugespitzt gefragt – Marine Le Pen zur französischen Präsidentin machen oder Dr. Frauke Petry zur Bundeskanzlerin? Die Reduktion von Komplexität ist sicher ein zulässiges Mittel guter politischer Kommunikation, aber man darf die Bürger auch nicht für dumm verkaufen. Und in einer De­ mokratie müssen gerade die Regierungen immer wieder ver­ deutlichen, dass ihre Entscheidungen nach sorgfältiger und nachvollziehbarer Abwägung zustande gekommen sind, und dass vor allem Kompromisse selten „faul“ sind, sondern not­ wendige Ergebnisse eben dieser Abwägungsprozesse, um ei­ ner möglichst großen Zahl von unterschiedlichen Interessen in unserem Gemeinwesen auch wirklich gerecht zu werden. Wie sollte sich insbesondere die Union angesichts der Verschiebungen in der Parteienlandschaft für die Bundestagswahl 2017 aufstellen? Ich habe da keine öffentlichen Ratschläge zu geben, aber die Herausforderungen der nächsten Jahre sind ja ziemlich deutlich erkennbar. In den Antworten muss aus meiner Sicht wieder eine von Grundsätzen und Überzeugungen in der Sache geprägte Sicht der Dinge erkennbar werden, die sich von allen anderen Parteien deutlich unterscheidet. Pragmatische Kompromisse sind dann Sache des späteren l Regierungshandelns.

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AKTUELL Welt im Umbruch

Deutschlands strategi Neue Bedrohungsszenarien haben zu einer sicherheitspolitischen Neuausrichtung der Bundes­ regierung geführt. Die Folge ist ein höherer Verteidigungsetat, von dem auch die Sicherheitsindustrie profitiert. Sie wird als unverzichtbarer Innovationsmotor für die Gesamtwirtschaft gestärkt. Dafür ist auch eine stärkere Europäisierung in der Beschaffung und bei den Exportregeln zu erreichen.

Text: P eter Hahne

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ie Welt ist in Unruhe. Kon­ flikte und Krisen beherrschen die Agenda der internationa­ len Politik. Auch Deutschland und Europa sind betroffen. „Wir erle­ ben, dass selbst in Europa Frieden und Stabilität keine Selbstverständlichkeit mehr sind“, mahnt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Kriege in Syrien, im Irak, in Afghanistan und der wach­ sende wirtschaftliche wie politische Druck in Afrika treiben Millionen Menschen in die Flucht. Der Krisen­ bogen in Europas direkter Nachbar­ schaft erstreckt sich von Marokko bis zum Mittleren Osten. Die Terrormiliz IS, hybride Kriegsführung an der öst­ lichen Peripherie Europas, Cyber-At­ tacken auf kritische Infrastrukturen – das sind nur die größten Herausfor­ derungen, die die sicherheitspolitische Debatte heute prägen und ein Umden­ ken eingeläutet haben. Im Mittelpunkt der neuen sicher­ heitspolitischen Kursbestimmung stehen für die Bundesregierung die Stärkung der transatlantischen Part­ nerschaft in der NATO und die ge­ meinsame Außen- und Sicherheitspo­ litik der EU. Damit einher geht auch ein wirtschaftspolitischer Aspekt, nämlich eine vertiefte „Europäisierung der Verteidigungsindustrie“, wie es im Strategiepapier der Regierung zur „Stärkung der Verteidigungsindust­ rie in Deutschland“ heißt. Die deut­ sche Sicherheitsindustrie unterstützt

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den Ansatz: Europäische Champions als Teil einer leistungsfähigen Ver­ teidigungs- und Sicherheitsindustrie können dazu beitragen, dem interna­ tionalen Konkurrenzdruck standzu­ halten, Überkapazitäten abzubauen, Knowhow in Europa zu halten und die strategische Unabhängigkeit der EU zu sichern. Im globalen Wettbewerb öko­ nomisch dringend benötigte Skalenef­ fekte für die Unternehmen lassen sich nur mit mehr gemeinsamen Beschaf­ fungsprogrammen und einer echten Vollendung des EU-Binnenmarktes im Verteidigungssektor heben. Der Erhalt verteidigungstechni­ scher Schlüsselindustrien und Ar­ beitsplätze in Deutschland ist der Bun­ desregierung nach eigenem Bekunden ebenfalls wichtig. Die Sparten Krypto­ logie, Sensorik, gepanzerte Fahrzeuge und U-Boote werden in dem Papier als besonders „wichtige und erhaltens­ werte“ Technologien identifiziert. Ei­ nerseits für die Versorgungssicherheit der Bundeswehr. Und aus strategi­ schen Gründen. Schließlich will man mit den Bündnispartnern aus NATO und EU auf Augenhöhe sprechen, also Einfluss für gemeinsame Entschei­ dungen sichern. Aber auch hier gilt, wirtschaftliche Gründe spielen eine zentrale Rolle. Der Technologietrans­ fer aus der Sicherheitsindustrie in den zivilen Sektor ist für eine hochentwi­ ckelte Volkswirtschaft unverzichtbar. Die Verteidigungsindustrie ist eine

der innovativsten Branchen des Lan­ des, wie das Wirtschaftsforschungs­ institut WifoR in einer Studie heraus­ stellt. Neun von zehn Unternehmen der Sicherheitsindustrie schaffen in­ novative Produkte. Mit einer Quote für Forschung und Entwicklung von 10,7 Prozent erreicht die Branche ei­ nen Spitzenwert. Zwei Drittel der Un­ ternehmen entwickeln Innovationen in Zusammenarbeit mit Betrieben aus anderen Branchen. Rund 135.000 Beschäftigte und eine direkte Brut­ towertschöpfung von mehr als zwölf Milliarden Euro im Jahr zeigen ihren Stellenwert. Der Wirtschaftsrat unterstützt des­ halb ausdrücklich, dass die Bundesre­ gierung verstärkt in die Bundeswehr und die Polizei investieren will und die Sicherheitsindustrie wieder auf die politische Agenda hebt. „Wenn es in dieser Industrie um unternehmeri­ sche Investitionen geht, wird Deutsch­ land zunehmend kritisch hinterfragt“, sagt Frank Haun, Chief Executive Of­ ficer von Krauss-Maffei Wegmann. Ein wichtiger Grund hierfür ist die zuletzt intransparente und völlig will­ kürlich erscheinende Exportkontrolle durch das Bundeswirtschaftsministe­ rium (BMWi). An sich gibt es einen klaren rechtlichen Rahmen: Den Ge­ meinsamen Standpunkt der EU von 2008 („Code of Conduct“) und die „Politischen Grundsätze der Bundes­ regierung für den Export von Kriegs­

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sche Rolle stärken Ukraine Moldawien Kosovo

Karte: designed by Freepik

Georgien Türkei

Zypern

Afghanistan

Israel Pakistan Demokratische Arabische Republik Sahara

Indien

Mali

Sudan

Missionen der Vereinten Nationen Elfenbeinküste Liberia

Zentralafrikanische Republik

Südsudan

Bundeswehreinsätze Somalia

Polizeieinsätze

Demokratische Republik Kongo

waffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000. Das Problem aber ist, dass jede Bundesregierung die Leitlinien nach jeweiliger politischer Opportunität auslegt, unter der Ägi­ de Sigmar Gabriels im BMWi nahm die Lizenzerteilung für Ausfuhren in Drittstaaten außerhalb von NATO und EU bis zu 900 Tage in Anspruch. Gegenüber liberaler agierenden eu­ ropäischen Partnern geraten deut­ sche Unternehmen ins Hintertreffen. Sogar das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, maßgeblich zuständig für die Exportkontrolle, ge­ steht ein, dass Exportanträge, die von Eschborn ans Wirtschaftsministerium in Berlin weitergeleitet werden müs­ sen, zu „Langläufern“ oder gar „Ewig­ keitsläufern“ werden. Sprich: Anträge werden oft nicht einmal in einem vertretbaren Zeitrahmen abgelehnt. Kleinere mittelständische Unterneh­ men kann das schnell die Existenz

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kosten. Das Volumen der Anträge, die über den Schreibtisch des Minis­ ters gehen, hat sich verfünffacht. Viele Unternehmen stellen deshalb keine Exportanträge mehr. Zudem seien die getroffenen Entscheidungen für Unternehmen vollkommen intranspa­ rent, weil sie nicht mitgeteilt würden. Frank Haun kritisiert, dass selbst Ge­ nehmigungen für Ersatzteillieferun­ gen für den Panzer Leopard 2 in den Mühlen der Ministerialbürokratie ­stecken blieben. „Verlässlichkeit ist die Basis jeder guten Kundenbeziehung“, betont der CEO von Krauss-Maffei Wegmann. Es fehlen klare Rahmenbedingungen. Kunden sind verärgert und ordern

vermehrt „german free“, weil sie nicht sicher sein können, ob und wann deutsche Produkte oder Güter mit deutschen Komponenten eine Aus­ fuhrgenehmigung bekommen. Die Verteidigungsindustrie bekennt sich zur deutschen Rüstungsexportkont­ rolle. Aber diffus ausgelegte Leitlini­ en und nationale Alleingänge helfen niemandem – sie zerstören europäi­ sche Produktionsketten, Arbeitsplätze und Technologiekompetenz. Für die Zukunft sind deshalb klare, effizien­ te und EU-kompatible Exportregeln unverzichtbar. So könnte man das Schmidt-Debré-Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich aus dem Jahr 1972 zu einem multilateralen europäischen Abkommen ausbauen. Keine Regierung könnte dann mehr bei gemeinsamen Rüstungsprojekten mit einem Partnerland den Export in

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Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Deutschland – Forderungen des Wirtschaftsrates an die Politik Internationale Krisen und Terrorgefahr konstituieren eine neue Bedrohungslage in Europa und in der Welt. Deutschland als führende Industrienation Europas muss verlässlicher NATO- und EU-Partner bleiben. Der Wirtschaftsrat hat deshalb diese Forderungen an die Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Deutschland formuliert.

E Verteidigungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufstocken Deutschland sollte angesichts der veränderten Situation das Ziel anstreben, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Verteidigungsetat bereitzustellen. Das ist die Zielvorgabe der NATO. Die Bundesrepublik muss ihre Bündnisverpflich­ tungen gegenüber ihren Alliierten und NATO-Partnern einhalten. Deshalb muss die Bundeswehr über die notwendige, modernste Ausrüstung verfügen. Interopera­ bilität und Kompatibilität mit dem NATO-Standard sind essentiell.

E Bundeswirtschaftsministerium muss Exportregeln einhalten und sie auf euro­päischer Ebene fortentwickeln Es gibt klare gesetzliche Grundlagen für die Entscheidung zum Export: Den ­Europäischen Code of Conduct von 2008 und die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter aus dem Jahr 2000. Ungeachtet dessen gibt es weiterhin unterschiedliche Exportregeln in den einzelnen europäischen Ländern. Sie führen dazu, dass die Genehmigungsprozesse extrem komplex werden und zu lange dauern. Das erweist sich als unsicher, ineffizient und intransparent – sowohl für die Industrie als auch für die Kunden. Die Export-Entscheidungen müssen schnell und prinzipienkohärent getroffen werden. Ferner müssen die Regularien berücksichtigen, dass rein national produzierte Produkte heute die Ausnahme sind. Die Regel sind Gemeinschaftsprojekte: Aufträge enthalten Teile oder ganze Produkte aus verschiedenen Ländern. Deshalb gilt es, einheitliche Exportregeln zwischen Staaten zu schaffen, die an einem militärischen Programm beteiligt sind.

E Pooling & Sharing in der europäischen Verteidigungsindustrie und mehr Interopera­bilität zwischen den europäischen Armeen Die europäische Verteidigungsindustrie ist stark fragmentiert. Hohe Kosten, ­Probleme beim Export und eine Überforderung der nationalen Verteidigungsbudgets in Europa sind die Folge. Hinzu kommt, dass die Interoperabilität zwischen den Armeen in Europa nicht sichergestellt ist. Wichtiger Teil einer leistungs­ fähigen Sicherheitsindustrie sind darum europäische Champions. Sie können dazu beitragen, dem internationalen Konkurrenzdruck standzuhalten, Überkapazitäten abzubauen und Knowhow in Europa zu halten. Sie sichern auch die strategische Unabhängigkeit der EU. Dazu gilt es die Rolle der European Defense Agency zu stärken und gemeinsame europäische Beschaffungsprogramme auf die Tages­ordnung zu setzen.

E Stärkere multinationale Rüstungskooperationen Gemeinsame, abgestimmte Beschaffungsprojekte sind wichtig. Sie sichern die jeweiligen nationalen Bedarfe auf höchstem technologischen Niveau. Größere Stückzahlen ermöglichen eine höhere Kosteneffizienz und tragen zur Konsoli­ dierung der europäischen Verteidigungsindustrie bei.

E Bundeswehr im Inneren zur Terrorabwehr nutzen Die Bundeswehr sollte die Sicherheitskräfte bei möglichen Terroranschlägen im Inland künftig unterstützen.

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Drittstaaten einseitig verbieten. Der regulatorische Eiertanz und der un­ faire Wettbewerb zulasten der deut­ schen Industrie wären passé. Nur mit einem klaren rechtlichen Rahmen ist die europäische Industrie in der Lage, gemeinsame Projekte im Rahmen der EU und der NATO zu verwirklichen. „Mehr Europa im Exportrecht, in der Beschaffungspolitik, in der Harmoni­ sierung von Standards und Normen schwächen nicht etwa die deutsche Verteidigungsindustrie, sondern stär­ ken sie“, unterstreicht Frank Haun. Die Sicherheitspolitik gewinnt wieder an Stellenwert: Auf dem Wirtschaftstag Ende Juni mahnte die Kanzlerin, Deutschland werde sei­ ne Verteidigungsausgaben deutlich steigern müssen, um seine Bündnis­ verpflichtungen einhalten zu kön­ nen. Als NATO-Mitglied hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Zuletzt waren es magere 1,2 Prozent. Mit der Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten wird der Druck auf die Bündnispartner tendenziell weiter steigen, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. „Die Bundesregierung hat die Verpflichtung, die Bundes­ wehr mit den erforderlichen Ressour­ cen auszustatten“, stellt Merkel klar. Der kürzlich vorgelegte „Bericht des Bundesverteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten“ beziffert den Finanzbedarf für die Bundeswehr bis zum Ende der nächsten Dekade auf 130 Milliarden Euro. Das Ministerium weist darauf hin, dass die Bundeswehr erstmals seit Ende des Kalten Krie­ ges wächst und der Verteidigungsetat 2017 um 2,3 Milliarden Euro gegen­ über dem Vorjahr auf insgesamt 36,6 Milliarden Euro steigt. Die Bundes­ wehr muss über eine passende Aus­ stattung verfügen. Der Wirtschaftsrat macht sich dafür stark, dass ein Groß­ teil dieser Investitionen in europäische Gemeinschaftsprojekte und die deut­ sche Wirtschaft fließen. „Das wäre zu­ gleich ein Beitrag zum Erhalt und zur Weiterentwicklung eines industriellen Kerns spezifischer technologischer Kompetenzen in Deutschland und Europa“, ist Frank Haun überzeugt. l

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Foto: Krauss-Maffei Wegmann

AKTUELL Welt Sicherheitspolitik im Umbruch

Trendwende braucht Flankierung durch verlässliche Exportpolitik ist Marktführer für hochgeschützte Rad- und Kettenfahrzeuge in Europa. Nach dem Zusam­menschluss mit der französischen Nexter Systems verfügt die gemeinsame Holding über rund 6.000 Mit­ arbeiter, die einen Jahresumsatz von fast zwei Milliarden Euro erwirtschaften. Herr Haun, wie bewerten Sie die Politik der Bundesregie­ rung mit Blick auf die deutsche Verteidigungs- und Sicher­ heits­industrie. Haben Sie den Eindruck, dass der Branche durch eine neue s­ icherheitspolitische Kursbestimmung der ­Bundesregierung ­erfreulichere Zeiten bevorstehen? Ich glaube nicht, dass es angemessen ist, im Zusammenhang mit Kriegswaffen von erfreulichen Zeiten zu sprechen. Wir erleben jedoch eine wachsende Einsicht in das Notwendige. Gerade erst hat der Wehrbeauftragte in einem Interview die Vollausstattung unserer Streitkräfte gefordert. Die aktuellen Beschaffungsprogramme und -vorhaben der Bundeswehr lassen zumindest auf eine Veränderung des Kurses schließen. Diese Trendwende müsste flankiert werden durch eine berechenbare, für unsere Kunden und uns verlässliche Exportpolitik im Verteidigungssektor. Der Export ist und bleibt entscheidend für unsere Fähigkeit, Spitzentechnologien zu liefern. Krauss-Maffei  Wegmann gilt mit seinem französischen Partner Nexter als Vorreiter der Konsolidierung der ­europäischen Verteidigungsindustrie. Was sind die g­ rößten Vorteile? Ganz einfach: Mehr Leistung für weniger Geld. Unsere Branche muss sich europäisch neu sortieren. Sie krankt an Überkapazitäten, die größtenteils staatlich protegiert werden und sich dadurch einem fairen Wettbewerb entziehen. Daraus folgen vor allem parallele Entwicklungen von Ausrüstung mit praktisch gleichem Fähigkeitsspektrum, ausbleibende Skaleneffekte, mit denen die Hersteller auf vernünftige Preise kämen, mangelnde Interoperabilität in Einsätzen, die ohnehin nur multinational durchgeführt werden. Ganz bewusst haben wir für den ersten Schritt zur Konsolidierung der europäischen Landsystem-Industrie einen Partner außerhalb Deutschlands gewählt, der ungefähr über unsere Größe und Leistungsfähigkeit verfügt.

„Der Export ist und bleibt entscheidend für unsere Fähigkeit, Spitzentechnologien zu liefern.“ 4/2016 TREND

Das macht es weiteren europäischen Herstellern leichter, sich anzuschließen, ohne deutsche Dominanz fürchten zu müssen. Welche Technologien der Verteidigungsindustrie müssen aus Ihrer Sicht aus volkswirtschaftlichen und strategischen Gründen zwingend in Deutschland bleiben? Ich liebe Wettbewerb und sehe jeden Staatsdirigismus mit Argwohn. Wenn die Staaten Europas für marktwirtschaftliche Bedingungen in unserer Branche sorgen, regelt sich die Thematik der Schlüsseltechnologien von selbst, und da wird Deutschland bestimmt nicht schlecht weg­ kommen. Aber andererseits: Wenn ein Staat schon glaubt, nationale Schlüsseltechnologien definieren zu müssen, dann v­ erpflichtet er sich damit auch, die Innovationskraft der betreffenden Branche langfristig zu sichern. Man kann keine Schlüsseltechnologien proklamieren und gleichzeitig der Industrie, die solche Technologien bereitstellen soll, durch beispiellose Exportbeschränkungen die wirtschaft­liche Basis entziehen. Viele Unternehmen beklagen sich über allzu willkürliche und intransparente Ausfuhrgenehmigungen aus dem ­Bundeswirtschaftsministerium. Ist hier Besserung in Sicht? Würden Sie eine europäische Angleichung der Exportregeln begrüßen? Und wenn ja: Wie könnte sie aussehen? Diese Unternehmen beklagen das zu Recht, und es ist in den letzten Jahren eher noch willkürlicher geworden. Die wehrtechnische Industrie existiert nicht für sich ­allein. Sie ist Teil eines interdependenten Systems. Dessen Grund­lage bildet eine – europäische oder deutsche – Strategie der Außen- und Sicherheitspolitik. Die braucht ­militärische Fähigkeiten in ihrem Werkzeugkasten. ­Ar­meen, Beschaffungsbehörden und Industrie stellen die entsprechenden Produkte dazu bereit. Wenn wir in all diesen Elementen mehr Europa wollen, dann kommen wir um eine europäische Harmonisierung des Rüstungsexports gar nicht herum. Die wird, wie alles in Europa, einen Kompromiss darstellen, und Frank Haun da ­Europa das Elternhaus der westVorsitzender der lichen Zivilisation ist, wird sich für Geschäftsführung, einen solchen Kompromiss niemand Krauss-Maffei   Wegmann l schämen müssen.

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Foto: Krauss-Maffei Wegmann

Krauss-Maffei  Wegmann


AKTUELL Welt im Umbruch

Neue Sicherheitspolitik braucht starke ­Bundeswehr

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ie sicherheitspolitische Lage in vielen Regionen der Welt hat sich in den letzten Jah­ ren grundlegend verändert. Im Krisenbogen des Nahen Ostens und in Afrika werden durch Terror­ organisationen wie den sogenannten „Islamischen Staat“ ganze Regionen gewaltsam neu geordnet. An der Ost­ grenze der NATO müssen wir uns wieder stärker für die Bündnisvertei­ digung engagieren. Wir haben erkannt, dass Deutsch­ land aus der Mitte seiner Partner he­ raus mehr Verantwortung in der Welt übernehmen muss, um den Krisen dort entgegenzutreten, wo sie entstehen.

Henning Otte MdB Foto: Henning Otte/ Laurence Chaperon

Verteidigungspolitischer Sprecher, CDU/CSU-­ Bundestagsfraktion

„Der Erhalt einer eigenen Industriebasis ist Teil der deutschen Souveränität.“ Eine auf diese Weise breit aufge­ stellte deutsche Sicherheitspolitik braucht eine breit aufgestellte Bun­ deswehr. Eine breit aufgestellte Bun­ deswehr braucht auch eine breit auf­ gestellte wehrtechnische Industrie, auf

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die sie sich jederzeit abstützen kann. Um sicherheitspo­ litisch besonders rele­ vante Bereiche dieser Industrie zu unterstüt­ zen, hat das Bundes­ ministerium der Ver­ teidigung bestimmte wehrtechnische Schlüsseltechnolo­ gien identifiziert, die eine besondere staatliche Beachtung erfahren sollen. Der Erhalt einer eigenen Indust­ riebasis sowie von Know-How und Beurteilungsfähigkeit im Hinblick auf Rüstungsgüter sind ein Teil der deut­ schen Souveränität. Hierzu können auch Rüstungsexporte beitragen, die sich stets sicherheitspolitisch ablei­ ten und ein wichtiger Pfeiler unserer Außenpolitik sind. Mit Exporten von Ausrüstung stärken wir Akteure, die in ihrer Region Garanten von Stabili­ tät sind oder sich Gewalttätern entge­ genstellen. Viele Produkte der deutschen wehrtechnischen Industrie werden weltweit stark nachgefragt. Hierdurch erhält die deutsche Sicherheitspolitik eine Souveränität, um die uns viele Staaten beneiden. Diese Basis wollen wir ausbauen. Fähigkeiten der Rüs­ tungsindustrie, die wir heute verlie­ ren, würden wir in einigen Jahren schmerzlich vermissen. Die Globalisierung macht auch vor der deutschen Rüstungsindustrie nicht halt. Seit längerem finden auf

Foto: Bundesregierung, Henning Schacht

Deutschland muss aus der Mitte seiner Partner heraus mehr ­Verantwortung in der Welt übernehmen. Für diese Sicherheitspolitik braucht das Land eine breit aufgestellte wehrtechnische Industrie.

dem europäischen Rüstungsmarkt Konsolidierungen statt. Sie waren zuletzt oft nicht zugunsten der deut­ schen Sicherheitspolitik. Anderen Staaten wie Frankreich gelingt es, bei Konsolidierungen für ihre Zulieferun­ ternehmen einen „Golden Share“ zu reklamieren. Auf diese Weise sichern sich Staaten Einfluss und Kontrolle in strategischen Industrien. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, wie auch der deutsche Staat sich mehr Mitge­ staltung sichern kann. Ein Möglichkeit könnten gering­ schwellige staatliche Beteiligungen bei ausgewählten Unternehmen sein. So kann es uns gelingen, eine euro­päische Konsolidierung bei der Rüstung zu fördern und gleichzeitig die Ge­ staltungshoheit zu behalten. ­Darüber hinaus sollten wir prüfen, ob freihän­ dige Vergaben künftig juristisch zu stärken sind. Die strategischen Industrien in Deutschland sind ein wichtiger Bau­ stein unserer Souveränität. Bei i­hrer Stärkung geht es nicht um weniger, als um Sicherheit und Freiheit unseres l Landes.

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AKTUELL Welt im Umbruch

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„Die IG Metall thematisiert seit Jahren Verlässlichkeit und ­Planungssicherheit als Basis für Regierung und Industrie.“ Jürgen Kerner Foto: IG Metall

Geschäftsführendes ­Vorstandsmitglied und Hauptkassierer der IG Metall

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Rüstungsindustrie im Umbruch Hausaufgaben der Politik

Foto: Thomas Trutschelphotothek.net

ie wehrtechnische Industrie in Deutschland und Europa befindet sich seit den 1990er Jahren im Wandel. Derzeit er­ höht sich das Tempo, was der Zusam­ menschluss von Krauss-Maffei Weg­ mann und Nexter oder der Verkauf der Verteidigungselektronik durch Airbus unterstreichen. Trotz aktuel­ ler Debatten um die Erhöhung des deutschen Verteidigungsetats ist von einer weiteren Konsolidierung der Rüstungsindustrie auszugehen. Die IG Metall setzt sich aktiv ein, damit der Wandel nicht zulasten der Beschäf­ tigten geht. Klar ist: Die restriktive Regelung von Waffenexporten bleibt notwendig. Die Rüstungsindustrie ist kein Wirtschaftssektor wie andere, sie steht in enger Verbindung zur Sicher­ heitspolitik. Daher nimmt die Poli­ tik eine zentrale Rolle ein: Bundes­ regierung und Bundestag entscheiden über Forschung und Entwicklung sowie künftige Technologien, über ­ die ­Ausrüstung der Bundeswehr und ihre ­Zusammenarbeit mit der Indust­ rie bei Dienstleistungen und Wartung, über bündnispolitische Koopera­ tions­projekte, grenzüberschreitende Unternehmensplanungen sowie Ex­ ­ porte. Daraus folgt zum Ersten, dass die Politik Verantwortung für die Beschäftigten der wehrtechnischen Industrie trägt. Strukturwandel und ­ politisch induzierte Veränderungen dürfen nicht auf ihren Rücken aus­ getragen werden. Die IG Metall the­ matisiert seit Jahren Verlässlichkeit

und Planungssicherheit als Basis für Regierung und Industrie. Notwendig ist zum Beispiel Klarheit, welche Tech­ nologien und welche Ausrüstungen (wo) beschafft und gewartet werden sollen. Zum Zweiten folgt aus der ent­ scheidenden Rolle der Politik, dass Bundesregierung und Bundestag – aus sicherheitspolitischen Erwägungen – endlich ein klares Bild entwickeln müssen, was die Rüstungsindustrie in Deutschland und Europa künftig leis­ ten soll und was nicht. Hier geht es um eine langfristige sicherheitspolitische Linie, nicht um Reaktionen aufgereg­ ter Tagespolitik. Kurzum: Aus der Sicherheitspo­ litik ergeben sich Konsequenzen für die Industriepolitik. Die Bundesregie­

rung hat mit ihrem „Strategiepapier zur Stärkung der Verteidigungsin­ dustrie in Deutschland“ einen ersten Schritt unternommen und auch die euro­ päische Dimension aufgezeigt, sowie deutsche Schlüsseltechnologien ­definiert. Zudem bietet das Weißbuch 2016 Anknüpfungspunkte. Nun kommt es darauf an, dass ers­ tens die beteiligten Ministerien diese „Papierlage“ schnell und koordiniert konkretisieren, um reale Maßnahmen einzuleiten. Dazu gehört die Unter­ stützung bei der Erschließung ziviler Märkte. Zweitens muss die Bundes­ regierung endlich einen brauchbaren Ansatz finden, wie in der EU subs­ tanzielle Fortschritte erzielt und faire Wettbewerbsbedingungen erreicht l werden können.

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TITEL Welt im Umbruch

Das Thema Freihandel wird Deutschland als Exportnation erhalten bleiben. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie es bei TTIP zu dieser beispiellos vergifteten Debatte kommen konnte. Die schweigende Mehrheit ist aufgerufen sich klar zu positionieren, sonst ­werden Randgruppen sie dominieren, die sich die Deutungshoheit sichern.

TTIP: Unheilige Allianzen und gefährliche Geheimnisse

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uch wenn mit dem Wahl­ sieg von Donald Trump zum US-Präsidenten die Chan­ cen für das Freihandelsab­ kommen zwischen der EU und den USA noch weiter geschrumpft sind: Die TTIP-Gegner kämpfen unter der Gürtellinie – und keiner merkt es. Die meisten ihrer Argumente lassen sich nicht halten. Ernstzunehmende Kritik hat die Politik längst zur Grundlage der Verhandlungen gemacht. Ebenso ist ein angemessenes Maß an Trans­ parenz sichergestellt. Dennoch wer­ fen die supervernetzten Kampagnen­ manager der Anti-TIPP-Bewegung den Befürwortern des Abkommens

Dr. Matthias Bauer

Foto: ECIPE

Senior Economist European Centre for International Political Economy

immer neue Horrorszenarien vor die Füße. Gegen TTIP wird häufig nur entwertet. Ziel ist es, verunsicherte, an Wirtschaftspolitik wenig interessier­ te Bürger einzufangen. Valide Fakten spielen keine Rolle. Emotionen wer­ den mit Kalkül aufgekocht. In den So­ zialen Medien wird bewusst Viralität erzeugt. Parallelen zu den Kampagnen um Brexit, Pegida, Donald Trump und Hillary Clinton sind unverkennbar. Die Befürworter offener Märk­ te – einer der wichtigsten sozialen und ökonomischen Grundlagen der deutschen Gesellschaft – geraten ins Hintertreffen. Und nicht nur das: In Deutschland ist die Debatte gegen­ wärtig so vergiftet, dass selbst die kühnsten Freihandels-Verfechter zu TTIP die Klappe halten. Das Thema ist zur rigorosen Profilbildung poli­ tischer Parteien und NGO wie attac, Campact, Greenpeace und food­ watch professionell ausgeschlachtet worden. Das zeigt eine Studie des

„Für Liberale und Konservative ist es höchste Zeit, TTIP mit der notwendigen politischen Energie aktiv zu bewirtschaften und glaubwürdig darüber aufzuklären.“ 20

European Centre for International Political Economy (ECIPE), die 1.508 TTIP-Informa­t ionsveranstaltungen 2015/16 untersucht hat (s. Kasten). Die Kampagnenmanager können sich für das Erreichte auf die Schulter klopfen. Alle anderen beschleicht an­ gesichts der Fakten das unangenehme Gefühl, den Funktionären der NGO auf den Leim gegangen zu sein und dass deutsche Interessen in Brüssel ausverkauft werden. Fakt ist aber auch: TTIP hat in Deutschland keine politische Lobby. Noch genießen die TTIP-Verhand­ lungen die offizielle Unterstützung der Bundesregierung. Viele Politiker haben das Abkommen aber längst abgehakt. Wer jedoch politisch für be­ lastbare Transatlantische Beziehungen eintritt und an einer guten, gestalten­ den Wirtschaftspolitik interessiert ist, kommt an dem Thema nicht vorbei. Für Liberale und Konservative ist es höchste Zeit, TTIP mit der notwen­ digen politischen Energie aktiv zu bewirtschaften und glaubwürdig dar­ über aufzuklären. Angesichts der po­ litischen Entwicklungen in Deutsch­ land, Europa und den USA erscheint diese Aufgabe drängender denn je. l

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Diskrepanz zwischen Unterzeichnern der Petition in D ­ eutschland bis zum Stichtag der Petition im Vergleich zum Informationsabruf auf der offiziellen EU-Internetseite über den Verhandlungsstand

Foto: Fotolia.com ©goa novi

1.577.042 Unterschriften für die Bürgerinitiative gegen TTIP (ECI) 13.117 Registrierte Besuche der deutschsprachigen TTIP-Webseite der EU-Kommission 0

500.000

1.000.000

1.500.000

Die Anti-TTIP-Bewegung ist keine Graswurzelbewegung Das European Centre for International Political Economy hat 1.508 TTIP-Informationsveranstaltungen in den Jahren 2015 und 2016 untersucht. Das Ergebnis ist erschreckend: Die Deutungshoheit über TTIP hat frühzeitig eine kleine Zahl gut vernetzter zivilgesellschaftlicher Gruppen und ihnen nahestehende Parteien besetzt und orchestriert. 1. Die Anti-TTIP-Bewegung in Deutschland ist keine Graswurzelbewegung. Sie wird von einer kleinen Zahl gut vernetzter zivilgesellschaftlicher Gruppen und ihnen nahestehender politischen Parteien – DIE GRÜNEN, DIE LINKE – initiiert und orchestriert. 2. Im Netz dominieren die Botschaften der Anti-TTIPBündnis­organisationen über 90 Prozent der Berichterstattung – im Kern Fundamentalopposition wie etwa „Angriff auf unsere Demokratie“, „Attacke gegen ­unseren Rechtsstaat“ oder ein „Trojanisches Pferd multinationaler Konzerne“. Bürger sollen ein nach­ haltig negatives moralisches Bild von TTIP erhalten – unterstützt auch durch Bezahlanzeigen wie „TTIP jetzt stoppen“ auf der Suchmaschine Google. 3. 60 Prozent der TTIP-Informationsveranstaltungen organisierten Anti-TTIP-Bündnisorganisationen. 48 Prozent der selbsterklärten TTIP-Experten stammen aus diesen Gruppen. 4. Die moralische Autorität der TTIP-Gegner darf angezweifelt werden. Neben der Aussicht auf politische Mandate spielen strategische Organisationsinteressen eine große Rolle. Zwei Drittel der Top-50 TTIP-­ Redner in Deutschland sind TTIP-Gegner, die beruflich in p ­ olitischen Parteien, staatlichen Einrichtungen, Gewerkschaften oder kirchlichen Organisationen ­ sozia­lisiert wurden. 5. Unter den Top-50 Rednern zu TTIP in Deutschland sind elf Politiker der GRÜNEN, zehn Vertreter von den GRÜNEN nahestehenden Umweltorganisationen, acht SPD-Politiker, sechs Politiker der LINKEN, sieben Gewerkschaftsvertreter, sechs Vertreter kirchlicher ­ ­Institutionen, zwei CDU- und ein FDP-Politiker. 6. In der öffentlichen Wahrnehmung der Diskussion über CETA und TTIP spielen CDU, CSU und FDP so gut wie keine Rolle. Sowohl bei der Anzahl der TTIPInforma­ tionsveranstaltungen als auch bei der Zahl 4/2016 TREND

der e­ntsandten Redner übertrafen SPD, GRÜNE und LINKE die Union wählerbereinigt jeweils um das ­Dreifache. Die politische Deutungshoheit über CETA und TTIP ist entsprechend ungleich verteilt 7. Russland mischt in der Debatte kräftig mit. Deutschland ist der wichtigste Marktplatz für TTIP-relevante Nachrichten von Russia Today. Sentiment-Analysen ergeben, dass diese im Durchschnitt systematisch negativer sind als die anderer Medien. 8. Deutsche NGO haben das europäische Anti-TTIP-Bündnis initiiert. 48 Prozent der Unterzeichner der von ihnen organisierten Anti-TTIP-Petition sind Deutsche, fast 1,6 Millionen Deutsche haben die Petition gezeichnet. Bis zum Stichtag der Petition besuchten nur etwa 13.000 Menschen die Webseite der EU-­ Kommission, auf der die offiziellen Verhandlungs­ unterlagen auf Deutsch veröffentlicht sind. 9. Die von attac-Mitgliedern gegründete Kampagnenorganisation Campact finanzierte mit Kalkül Kampagnen von Anti-TTIP-Protestgruppen in anderen EU-Ländern. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die politische Stiftung der Partei DIE LINKE, organisierte mit deutschen Steuermitteln Schulungen für Anti-TTIP-Ak­ tivisten in vielen EU-Ländern. 10. Teile der EU-Kommission unterminierten TTIP von Anfang an: Die Generaldirektion Entwicklungs­ politik finanzierte 2013 mit etwa 700.000 Euro aus öffentlichen Mitteln ein breites Bündnis erklärter ­ Anti-­ T TIP-Organisationen. Explizit vereinbart wurde, drei Millionen EU-Bürger, 100 EU-Parlamentarier, 200 Kandidaten für das EU-Parlament, 600 NGO und 2.000 Studenten formell für das Thema „EU-­ Investitionspolitik“ zu sensibilisieren. 200 NGO sollten sich an „e-actions“ beteiligen. Die finanziell geförderten Organisationen bilden heute das Zentrum der Anti-TTIP-NGO in Europa. 21

Quelle: Webseite der Kampagne „Stop TTIP“ und Europäische Kommission

TITEL Welt im Umbruch


AKTUELL Bund-Länder-Finanzausgleich

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urch die Verständigung auf die Neuordnung der bundes­ staatlichen Finanzbeziehun­ gen gewinnen Bund und Län­ der für die Zeit nach 2019 Rechts- und Planungssicherheit bei der Aufstellung ihrer jeweiligen Haushalte. Der Kom­ promiss trägt den unterschiedlichen Lebenssituationen in den Ländern Rechnung. Damit der Durchbruch in den Verhandlungen gelingen konnte, hat sich der Bund zu einer deutlichen finanziellen Besserstellung der Länder bereit erklärt. Im Gegenzug haben die Länder einer Reihe von Maßnah­ men zugestimmt, die den Bundesstaat handlungsfähiger und effizienter ma­ chen. Die Verständigung zwischen den Regierungschefs von Bund und Län­ dern sieht vor, dass der Bund die Länder ab 2020 über den bundes­ staatlichen Finanzausgleich um rund

9,5 Milliarden Euro jährlich besser­ stellt. Dafür wird unter anderem der Umsatzsteueranteil der Länder um zunächst 4,02 Milliarden Euro zu Las­ ten des Bundes erhöht, 2,6 Milliarden Euro davon als Festbetrag. Die Fest­ betragslösung dämpft die Dynamik für den Bund. Hinzu kommen rund 4,3 Milliarden Euro höhere Bundeser­ gänzungszuweisungen und weitere Bundesleistungen an die Länder in Höhe von etwa 1,2 Milliarden Euro. Die bis 2019 befristeten Entflech­ tungsmittel des Bundes an die Länder von rund 2,6 Milliarden Euro laufen wie im Grundgesetz vorgesehen aus. Der Umsatzsteuervorausgleich und der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne werden zu einer Aus­ gleichsstufe zusammengelegt. Künftig soll jedem Land ein Anteil an der Um­ satzsteuer in Abhängigkeit von seiner Einwohnerzahl als auch seiner relati­

ven Finanzkraft zustehen. Der bereits bei der Zuordnung der Umsatzsteuer herzustellende Finanzkraftausgleich erfolgt weiterhin nach den in Artikel 107 Absatz 2 GG normierten Grund­ sätzen. Darüber hinaus sollen die Be­ rechnungsvorschriften, das heißt die Ausgleichstarife, die Anteile der ein­ zubeziehenden kommunalen Finanz­ kraft sowie die Ausgleichsquote für die allgemeinen Bundesergänzungs­ zuweisungen modifiziert werden. Schließlich ist beabsichtigt, neue Bundesergänzungszuweisungen zum Ausgleich von Finanzkraftunter­ schieden auf Gemeindeebene und für forschungsschwache Länder einzu­ führen. Daneben soll die Sonderbe­ darfs-Bundesergänzungszuweisung zum Ausgleich überproportionaler Kosten der politischen Führung Bran­ denburgs um elf Millionen Euro er­ höht werden.

Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen 2020 auf der Zielgeraden Nach über zweijährigem harten Ringen haben sich Bund und Länder auf Eckpunkte für eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 verständigt. Der Länderfinanzausgleich wird grundlegend neu geregelt.

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AKTUELL Bund-Länder-Finanzausgleich

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Schuldenbremse ist ein ganz wichtiges generationenpolitisches Signal für die Menschen in Deutschland. Darüber hinaus ist eine Neuorga­ nisation der Bundesfernstraßenver­ waltung geplant. Die gegenwärtige Bundesauftragsverwaltung soll refor­ miert werden, indem die Autobahnen in unmittelbare Bundesverwaltung übernommen werden und eine privat­ rechtlich organisierte Infrastrukturge­ sellschaft gegründet wird. Ziel ist es, Mängel in der Fernstraßenverwaltung zu beseitigen, die vor allem infolge der

Darüber hinaus ist vorgesehen, die Rechte des Bundes in der Steuer­ verwaltung zu stärken. Dies betrifft zum einen die Weisungsrechte des Bundes in der Steuerverwaltung, ins­

Dr. Michael Meister MdB Parlamentarischer ­Staats­sekretär beim Bundes­minister der Finanzen und Mitglied des Präsidiums Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Foto: Jörg Rüger

Mit Blick auf die im Vergleich zu den übrigen Ländern schwierige Haus­ haltssituation sind Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen von je­ weils 400 Millionen Euro jährlich ver­ einbart, die allein der Bund finanziert. Die Finanzhilfen des Bundes für In­ vestitionen im Bereich Seehäfen sowie zur Verbesserung der Verkehrsverhält­ nisse der Gemeinden nach dem Ge­ meindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Bundesprogramm nach § 6 Abs. 1 Ge­ meindeverkehrsfinanzierungsgesetz in Höhe von 333 Millionen Euro jährlich) sollen dauerhaft fortgeführt werden. Die Neuordnung des bundesstaatli­ chen Finanzausgleichs soll unbefristet gelten, es sei denn, drei Länder oder der Bund fordern nach 2030 eine Neu­ regelung. Im Gegenzug zu den Finanzverein­ barungen sollen die Rechte des Bun­ des bei der Aufgabenerledigung im Bundesstaat gestärkt werden. So soll der Stabilitätsrat ab 2020 auch die Ein­ haltung der Schuldenbremse durch Bund und Länder überwachen. Die Analyse soll anhand einer vergleich­ baren Datenbasis erfolgen, die sich an den europäischen Vorgaben und Ver­ fahren orientiert. Das Bekenntnis zur

„Im Gegenzug zu den Finanzverein­barungen sollen die Rechte des ­Bundes bei der Aufgabenerledigung im Bundesstaat gestärkt werden.“ Aufsplitterung der Verantwortlichkei­ ten für Durchführung und Finanzie­ rung zu Ineffizienzen bei der Aufga­ benwahrnehmung führen. Zudem soll die Mitfinanzierungs­ kompetenz des Bundes auf die kom­ munale Bildungs-Infrastruktur für finanzschwache Kommunen ausge­ weitet werden. Hier ist beabsichtigt, dem Bund weitergehende Einfluss­ rechte im Sinne einer effizienten Mit­ telsteuerung zu verschaffen.

besondere beim Einsatz der Informa­ tionstechnologie. Zum anderen soll die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zur Bekämpfung des Steuerbetrugs und der Geldwäsche verbessert werden. Bund und Länder haben sich zu­ dem darüber verständigt, die Rah­ menbedingungen für einen Ausbau der Online-Anwendungen der öffent­ lichen Verwaltung zu verbessern und damit den Digitalisierungsprozess ­voranzutreiben. Um zu mehr Effizienz zu gelangen sowie im Interesse einer dienstleistungsorientierten und bür­ gernahen Verwaltung, muss die Zahl der onlinefähigen Dienstleistungen hier erhöht werden. Gute Online-­ Angebote – unter anderem ein zentra­ les Bürgerportal – sollen Abhilfe leis­ ten und die Behörden entlasten. Ich bin optimistisch, dass wir die Einzelheiten zwischen Bund und Ländern mit Blick auf das Gesetz­ ­ gebungsverfahren erfolgreich kon­ kretisieren werden. Der Beschluss vom 14. Oktober 2016 ist wie bei al­ len wichtigen politischen Themen ein Kompromiss. Dass eine Einigung schließlich gelungen ist, dokumentiert Handlungsfähigkeit und Verantwor­ tungsbewusstsein der politischen Ak­ teure. Bund und Länder werden auf dem Ergebnis aufbauen und den föde­ ralen Staat im Interesse der Bürger auf die Herausforderungen der Zukunft l ausrichten.

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AKTUELL Politische Analyse

E

iner der Gründe, warum die SPD schwächelt, ist die ge­ wachsene Zahl an Mitbewer­ bern. Inzwischen konkurriert die Partei auch mit der AfD. Die Rechtspopulisten punkten auch bei Arbeitern. Gerade in den sozialen Souterrains der Gesellschaft findet die SPD immer weniger statt. Das wü­ tende Prekariat entfernt sich verstärkt von der Partei. Zunehmend mutiert die SPD zur Partei des öffentlichen Dienstes und von Akademikern. Aus Sicht vieler Normalbürger handelt es sich bei SPD-Funktionären um eine abgehobene Oberschicht.

Die Probleme der SPD häufen sich – höher als bei anderen Parteien. Un­ ter anderem sinkt ihre Präsenz und Aktivität in freiwilligen Feuerwehren und Sportvereinen. Inzwischen sucht sie Landrats-Kandidaten per Zei­ tungs-Annonce. In manchen Bundes­ ländern ist sie kaum noch vertreten. In Thüringen etwa fungiert sie als Junior­ partner der Linkspartei. Von politischer Deutungshoheit und Meinungsführung hat sich die SPD weitgehend verabschiedet. Das gilt be­

Deutschland als Zielland für Asyl­ bewerber unattraktiver zu machen. Andererseits gelte es, rechtskräftig ab­ gelehnte Asylbewerber leichter abzu­ schieben – und das Asylrecht für wirk­ lich Verfolgte zu sichern. Doch immer noch ist die Zahl der Abschiebungen in vielen SPD-regierten Ländern be­ sonders gering. Mehr denn je scheint die SPD heute tief gespalten zwischen „Multi-Kulti-Anhängern“ und eigenen Traditionswählern, die auch für Paro­ len der AfD empfänglich scheinen.

Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2017 könnte die SPD weiter ­zurückfallen. Entsprechend ist die Stimmung in der Partei. Viele Mandatsträger fürchten um ihre politische Zukunft. Hauptgrund für das Dilemma ist die wachsende ­Entfremdung zwischen SPD und Prekariat.

Warum die Sozialdemokraten schwächeln Seit der Schröder-Zeit schrumpft in Umfragen zugleich die SPD-Wirt­ schaftskompetenz. Mit Umvertei­ lungsplänen verschreckt die Partei gerade auch gut verdienende Fachar­ beiter, deren Zahl steigt – während die Zahl der klassischen Industriearbeiter sinkt. Im Jahr 1950 machten sie rund 50 Prozent aller Erwerbstätigen aus.

„Von politischer Deutungshoheit und Meinungsführung hat sich die SPD weitgehend verabschiedet.“ Harald Bergsdorf

Foto: Privat

Politikwissenschaftler/ Parteienforscher Bonn

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sonders für das Asylthema. Stärker als andere Segmente der Gesellschaft kon­ kurriert das SPD-Wählerpotential mit Migranten etwa um Wohnraum und Arbeitsplätze. Sorgen und Ängste we­ gen des Massenzuzugs grassieren zum Beispiel bei vielen Verkäuferinnen, Paketzustellern, ­Reinigungskräften, Busfahrern und Hilfsarbeitern. Vor allem auch kleine Leute und integ­ rierte Migranten fordern daher, den Massenzuzug deutlich zu senken und reale Probleme differenziert anzupa­ cken, etwa hohe Anteile an Intensivtä­ tern und Langzeitarbeitslosen unter schlecht integrierten Migranten. Bereits heute sind Integrationspro­ bleme gerade in langjährig SPD-regier­ ten Ländern oft besonders ausgeprägt. Vor allem auch Kommunalpolitiker plädieren daher dafür, einerseits Sog­ faktoren und Anreize zu mindern und

Ebenfalls vernachlässigt die SPD seit Jahren den Kampf gegen Krimina­ lität. Bürger wirksam vor Verbrechen zu schützen, gehört zu den Hauptauf­ gaben einer Demokratie, gerade in einer zunehmend heterogenen Gesell­ schaft. Hier gilt es, haushaltspolitische Prioritäten zu setzen. Denn vor allem im schwachen Staat erklingen Rufe nach einem „starken Mann“. Gerade Schwache – Kinder, Frauen und Älte­ re – leiden, wenn der Staat im Kampf gegen Kriminelle Schwäche zeigt. Unsozial wirkt auch die Schulden­ politik vieler langjährig SPD-regierter Länder. Denn von hohen Schulden profitieren vor allem Banken und Rei­ che, bei denen sich der Staat Geld leiht. Je höher die Schulden, desto weniger Geld bleibt, um Bedürftige zu unter­ stützen und in Bildung zu investie­ ren. Dennoch überweist zum Beispiel Nordrhein-Westfalen pro Jahr – trotz aktueller Niedrigzinsen – mehrere Milliarden Euro für den Schulden­ dienst an Banken. Wie viele Laptops für bedürftige Schüler und Stipendien

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Foto: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung / Logo: SPD

AKTUELL Politische Analyse

für begabte Arbeiterkinder ließen sich damit finanzieren? Seit geraumer Zeit verzeichnen SPD-regierte Länder eine besonders hohe Pro-Kopf-Verschul­ dung – und verschlechtern damit das Investitions- und Beschäftigungskli­ ma zulasten gerade kleiner Leute. Von der Rente mit 63 profitieren hingegen weit überwiegend Männer mit langen Beitragszeiten. Kleinrenten hingegen nun pauschal aufzustocken über eine „Lebensleistungsrente“, hie­ ße letztlich, auch solche Rentner bes­ ser zu stellen, die durch ihren Partner bereits gut abgesichert sind oder über sonstige Einkommen verfügen, etwa aus Vermietung. Grundsätzlich scheint

4/2016 TREND

es daher sozialer, nur denen zu helfen, die Hilfe wirklich brauchen. Von Reali­ tätsferne zeugt schließlich die desolate Bildungspolitik von langjährig SPD-re­ gierten Ländern, was die „PISA“-Stu­ die“ regelmäßig attestiert, obwohl ge­ rade Bildung sozialen Aufstieg fördert. Für einen Wahlerfolg auf Bundese­ bene mangelt es der SPD derzeit auch an kampagnefähigem Personal. Letzt­ lich wird Gabriel 2017 wohl antreten müssen. Um die SPD-Wahlchancen zu verbessern, arbeitet er unter ande­ rem daran, die Wirtschaftskompetenz seiner Partei zu stärken. So kämpfte er etwa für das Freihandels-Abkommen mit den USA – gegen heftige Wider­

stände in der SPD, denen er sich nun offenbar beugt. Nicht nur in dieser Frage führt eher die SPD Gabriel statt umgekehrt. Weil die SPD ihrem Wählerpoten­ tial – anders als 2013 – auch eine re­ alistische Koalitions- und Kanzlerper­ spektive anbieten will, hat sie sich per Parteibeschluss für die rot-rot-grüne Option geöffnet. Sie will vermeiden, wieder nur einen Vize-Kanzlerkandi­ daten aufstellen zu können. Mit ihrer rot-rot-grünen Option verschreckt die SPD freilich viele ihrer „Mitte-Wäh­ ler“. Die Öffnung für Rot-Rot-Grün ähnelt daher strategisch einem Sprung l ins Dunkle.

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AKTUELL Mehr Netto vom Brutto

Der Mittelstand zieht den Karren Viele Parteien umwerben den hart arbeitenden Mittelstand und versprechen, ihn auf die ein oder ­andere Weise zu entlasten. Die Große K ­ oalition hat trotz sich hervor­ragend ­entwickelnder Steuerein­nahmen eher das Gegenteil getan und großzügig neue soziale Geschenke verteilt. Angesichts der demo­ grafischen ­Herausforderungen in Deutschland, wird es höchste Zeit ernsthafte Reformen der Sozialhaushalte einleiten, die Aus­gabenseite der Haushalte zu durchleuchten und die ­historisch günstige Chance zu nutzen, in den Schuldenabbau einzusteigen. Sonst wird die Junge Gene­ration sich ab 2030 mit Sozial­abgaben von mehr als 40 Prozent und ­mindestens gleichbleibenden Steuersätzen konfrontiert sehen. Mit der Folge, dass ihr deutlich weniger Netto vom Brutto bleibt.

Prognose Einkommen- und Umsatzsteuer unter Berücksichtigung des ­demografischen Wandels in Deutschland So entwickeln sich die beiden wichtigsten Steuereinnahmequellen des deutschen Fiskus. Unterstellt wurden verschiedene Szenarien wie stark der demografische ­ ­Wandel ausfällt. Referenz: Größe und Altersstruktur der Bevölkerung konstant auf dem Niveau des Jahres 2013

Einkommensteueraufkommen 2030 2045

Basis Geburtenrate: 1,4 Zuwanderung p.a.: + 200.000 Lebenserwartung bis 2060: Mann 84,8 / Frau 88,8 Jahre

-1

-2

-10

-8 -12

-12 -16 -21

Geburtenrate: 1,4 Zuwanderung p.a.: + 100.000 Lebenserwartung bis 2060: Mann 86,7 / Frau 90,4 Jahre

Umsatzsteueraufkommen 2030 2045 -5

Geburtenrate: 1,6 Zuwanderung p.a.: + 200.000 Lebenserwartung bis 2060: Mann 84,8 / Frau 88,8 Jahre

2060

0

Pessimistisch

Optimistisch

(in Prozent)

-3 -11

(in Prozent)

2060

-7 -11 -16

-13 -18 -25

Quelle: FIT/Prognos

Steuer und Abgabenlast 2015

Demografischer Wandel bremst Rentenniveau und steigert -sätze – Prognose

(in Prozent)

Familie mit 2 Kindern Steuer- und Abgabenlast für eine Familie mit einem Verdiener und zwei Kindern mit 100 Prozent Durchschnittsbrutto im Privatsektor.

Schweiz USA OECD Dänemark Spanien

Single Steuer- und Abgaben­ last für einen ­Alleinstehenden mit 100 Prozent Durchschnittsbrutto im ­Privatsektor, keine Kinder.

Schweden Italien Frankreich Deutschland

% 44 43 42

Bruttorentenniveau in Prozent

41 40 39 38 24 22 23

Rentenbeitragssatz in Prozent

21

Österreich

20

Belgien

19 18 0

10

20

30

40

50

60 %

2015 2017 2019 2021 2023 2025 2027 2029 2031 2033 2035 2037 2039 Jahr Quelle: OECD

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Quelle: FIT/Prognos

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AKTUELL Mehr Netto vom Brutto

Wer trägt wieviel zum Aufkommen der Einkommensteuer bei

Von den oberen 50 % Steuerpflichtigen mit Einkünften ab 29.309 Euro:

Von den oberen 5 % Steuerpflichtigen mit Einkünften ab 107.341 Euro:

Foto: Fotolia.com @scusi

94,5 %*

Von den unteren 50 % Steuerpflichtigen mit Einkünften bis 29.309 Euro:

41,4 %*

5,5 %*

Die oberen 5 % sind in der Gruppe der oberen 50 %

* der vom Staat eingenommenen Einkommensteuer Quelle: Bundesministerium der Finanzen

(in Prozent)

Grunderwerbsteuer

€ € €

Versicherungsteuer Grundsteuer

Der Solidaritätszuschlag macht 2,4 Prozent des Gesamtsteueraufkommen aus. Die Steuerschätzungen geben dem Bundesfinanzminister genug Luft um mit seiner Abschaffung zur Entlastung des Mittelstands beizutragen.

Tabaksteuer Solidaritätszuschlag Körperschaftsteuer Energiesteuer

53.665 E 24 %

14  % Zu versteuerndes Einkommen in Euro

5 10 15 20 25 30 35 40 % Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Quelle: Bundesministerium der Finanzen / Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Gewerbesteuer Lohnsteuer / Einkommensteuer

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42 %

Der Einkommensteuertarif beginnt zunächst mit einer Nullzone, dem Grund­­frei­ betrag. Das bedeutet: Vom Einkommen bleiben die ersten 8.354 Euro steuerfrei. Ab einem Einkommen von 8.354 Euro steigt der Grenzsteuersatz stetig von 14 Prozent bis auf 42 Prozent. Vereinfacht an einem Beispiel heißt das: Während der 8.354ste Euro noch mit einem Steuersatz von 0 Prozent besteuert wird, wird der 8.355ste Euro mit einem Steuersatz von 14 Prozent belastet. Zwar beträgt der Grenzsteuersatz für den 8.355sten Euro 14 Prozent, für die ­gesamten 8.355 Euro ergibt sich aber ein Durchschnittssteuersatz von nahezu 0 Prozent.

Steuern vom Umsatz

0

Kalte Progression: Progressiver Einkommensteuertarif

Grenzsteuersatz in Prozent

Anteil einzelner Steuerarten am Steueraufkommen 2015

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AKTUELL Mehr Netto vom Brutto

Obwohl die Deutschen vom Fiskus scharf gerupft werden, hört man sie kaum schreien, bloß murren – aber das wird lauter. Die Steuereinnahmen steigen seit Jahren schneller als die Löhne und Einkommen. Was die Regierung bislang als Entlastung anbietet, ist viel zu wenig.

Schreit endlich, Gänse! S

teuern sind eine Kunst. Die Kunst der Besteuerung bestehe darin, den Gänsen möglichst viele Federn auszurupfen – ohne dass sie viel schreien, so der le­ gendäre Ausspruch des französischen Finanzministers Colbert. Die Deut­ schen scheinen eine spezielle Gänseart zu sein. Obwohl sie vom Fiskus scharf gerupft werden, hört man sie kaum schreien, bloß hier und dort murren. Allerdings wird ihr Murren lauter. Der Fiskus schwimmt derzeit im Geld. Fast 700 Milliarden Euro werden Bund, Länder und Kommunen dieses Jahr wohl einnehmen, der Staat hat 18 Milliarden Euro Überschuss. Die Kur­

Philip Plickert

Foto: Archiv

Verantwortlicher Redakteur für „Der Volkswirt“ bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung

ve der Steuereinnahmen ist in den ver­ gangenen Jahren extrem steil gestiegen und wird weiter steigen. Bis 2020 soll sie auf über 800 Milliarden Euro steigen, so der Arbeitskreis Steuerschätzung. Die prozentuale Belastung wächst. Seit 2010 sind die Lohn- und Einkommen­ steuer um fast die Hälfte gestiegen, wogegen die Wirtschaftsleistung, also das Volkseinkommen, nur um gut ein Fünftel zugelegt hat. Nach Ansicht der Fachleute der OECD ist die Steuerbe­ lastung in Deutschland zu hoch. Ein alleinstehender Normalverdiener muss hierzulande 49,4 Prozent vom Brutto­ lohn an Steuern und Abgaben zahlen. Damit steht Deutschland fast ganz an der Spitze der OECD-Rang­liste. Nur in Belgien und Österreich ist die Belas­ tung noch etwas höher. Was Colbert mit seinem Gän­ se-Spruch andeutete: Eine übermä­ ßige Besteuerung führt dazu, dass der Schmerz und der Widerstand der Betroffenen zunimmt. Das bremst die

„Ein alleinstehender Normalverdiener kann sich von dem Netto-Plus 2017 zwei bis drei Cappuccino im Monat mehr leisten, eine Familie zwei Pizzen mehr bestellen.“ 28

Wirtschaft. Wird zu viel weggenom­ men, lohnt sich Leistung nicht. Die Bürger strengen sich weniger an, redu­ zieren die Arbeitszeit, genießen mehr Freizeit oder tauchen ab in die Schat­ tenwirtschaft. Werden Vermögenser­ träge zu hoch besteuert, wird weniger gespart. Es wird weniger investiert und weniger Vermögen gebildet. Oder das Kapital flieht ins Ausland. Von einem bestimmten Punkt an führen höhe­ re Steuersätze nicht mehr zu höheren Steuererträgen, sondern die Wirtschaft schrumpft. Im schlimmsten Fall ist die Gans sogar totgerupft. Diese simple Logik hat der ameri­ kanische Wirtschaftsprofessor Arthur Laffer vor vier Jahrzehnten in einer Grafik dargestellt: Steigende Steuersät­ ze führen nur bis zu einem gewissen Punkt zu steigenden Steuereinnah­ men. Ab einem gewissen Punkt sin­ ken die Einnahmen des Fiskus sogar wieder. Laffer glaubte daran, dass sich Amerika im rechten, abfallenden Teil der Kurve befinde. Steuersenkungen könnten die Wirtschaft anregen und sich damit selbst finanzieren. Als der Professor das schrieb, in den späten siebziger Jahren, waren die Grenzsteu­ ersätze in Amerika mit bis zu 70 Pro­

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AKTUELL Mehr Netto vom Brutto

indem Grund- und Kinderfreibeträge angepasst werden. „Das ist zu wenig“, findet Steuerzahlerpräsident Rainer Holznagel. Tatsächlich sind diese Mini-Ent­ lastungen nur ein Tropfen auf den

Steueraufkommen

Möglich wäre aber eine Mischung aus Schuldenabbau und Steuersenkungen, findet Uhlig. Angesichts der rot-grü­ nen Mehrheit im Bundesrat, die eine allgemeine Senkung des Einkommen­ steuertarifs und auch eine Abflachung

Foto: Fotolia.com ©countrypixel

zent tatsächlich sehr hoch. Präsident Reagan setzte eine radikale Steuerre­ form durch. Zunächst gab es kräftige Einnahmeausfälle und stark steigende Staatsdefizite. Nach einigen Jahren jedoch wuchs die Wirtschaft kräftig

Maximales Steueraufkommen

und die Steuereinnahmen waren trotz niedriger Sätze höher als zuvor. Wie viel Selbstfinanzierung einer Steuersenkung wäre heute in Deutsch­ land möglich? Kurzfristig wenig, sagt der renommierte Makroökonom Ha­ rald Uhlig, der an der Universität Chi­ cago lehrt. Doch mittelfristig wären 30 bis 50 Prozent Selbstfinanzierung denkbar, schätzt er. Unternehmer und Selbständige würden mehr arbeiten und investieren; junge Leute würden eher den Sprung in die Selbständig­ keit wagen, wenn ihnen mehr vom (riskanten) Unternehmerverdienst bliebe. Die Schwarzarbeit – besonders im Handwerks- und Haushaltsbereich verbreitet – würde sinken, wenn der Keil zwischen Brutto und Netto klei­ ner wird, betont der Schattenwirt­ schaftsforscher Friedrich Schneider. Was Bundesfinanzminister Schäub­ le den Bürgern bisher in Aussicht stellt, ist wenig. Die schon beschlos­ sene „Steuerentlastung“ erscheint mickrig. Die stufenweise Erhöhung von Grundfreibetrag, Kinderfreibe­ trag und Kindergeld summiert sich auf 6,3 Milliarden Euro – gestreckt über zwei Jahre. Diese Entlastung ist verfassungsrechtlich geboten, weil das Existenzminimum freizustellen ist,

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Quelle: Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Laffer-Kurve: Wo liegt der optimale Punkt?

Steuersatz 0 %

heißen Stein. Ein alleinstehender Normalverdiener kann sich von die­ sem Netto-Plus 2017 nur zwei bis drei Cappuccino im Monat mehr leisten, eine Familie kann zwei Pizzen mehr bestellen. An anderer Stelle wurden dagegen Steuern erhöht: etwa die Grunderwerbssteuer. Und durch stei­ gende Sozialbeiträge und Stromkosten – wegen der Energiewende – wird die Mini-Entlastung gleich wieder neutra­ lisiert. Es ist richtig, dass Schäuble darauf beharrt, dass der Haushaltsausgleich Priorität hat. Die „schwarze Null“ ist ein wichtiges Signal. Durch mode­ rate Umschichtungen im Haushalt weg von rein konsumtiven Ausgaben könnte man auch die Investitionen er­ höhen. Es ist auch richtig, angesichts der guten Konjunktur endlich ein­ mal mit Schuldenabbau zu beginnen.

100 %

des Mittelstandsbauchs blockieren kann, gibt es nur einen Ausweg: Der sogenannte Soli muss zügig weg. Dies könnte die Koalition im Bundestag ohne den Bundesrat beschließen, er­ innert der Hannoveraner Finanzwis­ senschaftler Stefan Homburg. Einst hatte Helmut Kohl verspro­ chen, der „Soli“-Zuschlag gelte nur ein Jahr. Dann hieß es nach der Wieder­ einführung, er werde spätestens 1999 verschwinden. Doch der Aufschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer ist noch immer da – und wird noch lange bleiben, auch wenn der Solidar­ pakt für den Osten 2019 ausläuft. Es ist völlig unverständlich, dass Schäub­ le dafür plädiert, den Soli lediglich in Trippelschritten bis 2030 auslaufen zu lassen. Die gerupften Gänse sollten l schon viel früher laut schreien.

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AKTUELL Mehr Netto vom Brutto

Text: K atja Sandscheper

S

tattdessen wollen die Grünen mit einer Vermögensteuer für „Superreiche“ die sozia­ le Spaltung der Gesellschaft bremsen. Das hat die Partei in ihr Wahlprogramm 2017 aufgenommen. Wer „superreich“ ist und wie hoch die Steuer ausfallen wird, lassen die Grünen in Erinnerung an die letzte Bundestagswahl wohl lieber offen. Wieder einmal zeichnen sie ein trau­ riges Bild von Deutschland. Die Kluft zwischen Reich und Arm wächst, die Mittelschicht verschwindet, der Sozi­ alstaat ist ausgehöhlt – in diesen Chor stimmen andere gern ein. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache: Angesichts der guten Konjunktur ver­ zeichnet Deutschland ein historisches Beschäftigungshoch sowie einen Re­ kord an Steuermehreinnahmen, die von Schätzung zu Schätzung höher ausfallen. Allein in den nächsten fünf Jahren werden die Steuern voraus­ sichtlich um mehr als 140 Milliarden Euro steigen – ein Plus von 20 Prozent. Die Staatskasse ist also gut gefüllt. Und die OECD stellt für 2016/2017 die Zei­ chen weiter auf Wachstum. Dreiviertel der Deutschen zwi­ schen 30 und 59 Jahre schätzen ihre materielle Situation als gut oder sehr gut ein. Das ergab eine Umfrage des

Meinungsforschungsinstituts Allens­ bach. Wenngleich sie die Zukunft nicht mehr ganz so optimistisch be­ trachten. Das ist der Grund, weshalb sich der Wirtschaftsrat dafür einsetzt, trotz des Vorrangs für die Haushalts­ sanierung und Zukunftsinvestitionen die Leistungsträger der Mittelschicht zu entlasten. Sie sind es, die bei Steuern und Sozialabgaben die größten Lasten tragen. Der jüngste OECD-Vergleich zur Steuer- und Abgabenbelastung offenbart, dass Deutschland hier im Vergleich weit vorn rangiert (s. Grafik S. 26/27). Kein anderes Steuersystem einer Industrienation verteilt die Marktein­ kommen so stark um wie Deutsch­ land. Den Großteil der Einkommen­ steuer von 94,5 Prozent tragen die oberen 50 Prozent der Haushalte bei, während die unteren 50 Prozent nur 5,5 Prozent zu den staatlichen Ein­ nahmen beitragen (s. Grafik S. 26/27). So sorgt schon das Kindergeld dafür, dass sich der Anteil durch Armut ge­ fährdeter Kinder und Jugendlicher halbiert. Der Umverteilungsmecha­ nismus hilft besonders Familien in der Mitte zu bleiben, auch wenn sie es mit ihrem Markteinkommen nicht könn­ ten. Der Sachverständigenrat attestiert Deutschland in seinem Jahresgutach­

ten 2016/2017 eine „unspektakuläre Entwicklung der Mittelschicht“ und, dass sich die „vergleichsweise gro­ ßen Abstiegsrisiken um die Mitte des letzten Jahrzehnts zugunsten besserer Aufstiegschancen verringert haben“. Mehr als drei von vier Deutschen zäh­ len hierzulande zur Mittelschicht. Das Einkommen spiegelt jedoch nur einen Teil der Einkünfte wider. Oft beklagt wird die ungleiche Ver­ teilung von Vermögen in Deutsch­ land. Das belegen etwa Statistiken der Europäischen Zentralbank. Danach ­ sind die Deutschen diejenigen in Europa, die trotz ihrer wirtschaftli­ chen Stärke am wenigsten Vermögen haben. Die Statistik bezieht jedoch die Eigenarten einzelner EU-Staaten nicht mit ein. So besitzen die meisten Europäer Immobilien. Das aber ist in Deutschland anders: Die Wohn­ eigentumsquote liegt bei 52 Prozent – EU-weit bei über 70 Prozent –, dafür haben aber fast alle Deutschen eine gesetzliche Rentenversicherung. Gro­

Die hart arbeitende Mittelschicht finanziert den Staat und immer teurere Sozialsysteme. Ihr jetzt – angesichts unerwartet hoher Steuermehreinnahmen – nach Jahren, in denen vor allem die Sanierung des Haushalts im Vordergrund stand, etwas z­ urückzugeben, ist überfällig.

Mittelschicht ­spürbar entlasten 30

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AKTUELL Mehr Netto vom Brutto

liche steuerliche Entlastung der Mit­ telschicht. Diese wird sich mittelfris­ tig zu gut einem Drittel selbst tragen (s. S. 28). Insgesamt sollte ein Drittel der Steuermehreinnahmen zurückge­ geben werden – dann stünden immer noch zwei Drittel für Haushaltssanie­ rung und Zukunftsinvestitionen be­ reit. Die Entlastung würde deutlich spürbarer ausfallen, wenn die Politik gleich die Chance nutzte, den Solida­ ritätszuschlag zurückzuführen. Das Konzept des Bundesfinanzministeri­ ums, den Soli erst ab 2020 über zehn Jahre abzuschmelzen, erscheint aller­ dings wenig ambitioniert. Um die Leistungsträger der Mit­ telschicht hingegen dauerhaft zu entlasten, bedarf es dringend einer Abflachung des Mittelstandsbauches bei der Einkommensteuer. Zugleich muss sich die Politik fragen, ob die heute gültige Einkommensgrenze von 53.665 Euro Jahresbruttogehalt, ab der bereits der Spitzensteuersatz greift, nicht nach oben verschoben wer­ den muss. Ein solches Gehalt ist für hochqualifizierte Facharbeiter nicht

unrealistisch. Zudem werden gerade geringere Einkommen vom starken Anstieg des Grenzsteuersatzes in den beiden linear-progressiven Zonen des Einkommensteuertarifs überdurch­ schnittlich hart getroffen. In der ers­ ten linear-progressiven Zone steigt der Grenzsteuersatz zwischen einem zu versteuernden Einkommen von 8.653 Euro und 13.669 Euro von 14 auf 24 Prozent an (s. Grafik S. 26/27). Diese könnte bei einem Grenzsteuersatz von 20 Prozent enden und die Einkom­ mensgrenze, ab der der Spitzensteu­ ersatz greift, auf zumindest 60.000 Euro angehoben werden. Dies würde mit knapp 23,8 Milliarden Euro zu Buche schlagen, wie das Forschungs­ zentrum Generationenverträge an der Universität Freiburg vorrechnete. Der Reformbedarf ist dringlich: Griff der Spitzensteuersatz 1960 erst ab dem 18-fachen eines Durchschnittsein­ kommens, so ist es heute das 1,6-fa­ che. Davon könnte auch die Partei profitieren, deren Mitglieder über die höchsten Durchschnittseinkommen l verfügen: die Grünen.

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ße Vermögen sind zudem oft fest in Familienunternehmen gebunden und nicht frei verfügbar. Überhaupt spielt Deutschlands einzigartige Struktur der Wirtschaft eine wichtige Rolle: Den Mittelstand prägen überwiegend Familienunter­ nehmen und nicht wie in anderen Staaten Kapitalgesellschaften. Und ge­ nau das ist der Punkt: Wer über eine Vermögensteuer eine stärkere Umver­ teilung erreichen will, zielt auf die Fa­ milienunternehmen ab und schwächt die Investitions- wie Innovationskraft der Wirtschaft erheblich. Der Sach­ verständigenrat warnt vor der von den Grünen geforderten Vermögensteuer: „Aufgrund ihrer verzerrenden Wir­ kung auf die Investitionstätigkeit ist es nicht ratsam, die Vermögensteuer wiederzubeleben. Als Substanzsteu­ er würde sie gerade kleine und mit­ telständische Unternehmen belasten sowie Anreize für eine Standortver­ lagerung ins Ausland setzen. Nicht zuletzt hat die Vermögensteuer hohe Erhebungs- und Entrichtungskosten.“ Der Wirtschaftsrat fordert eine deut­

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AKTUELL Mehr Netto vom Brutto

Lebensarbeitszeit an Lebenserwartung anpassen

Die Rente macht wieder einmal Negativschlagzeilen, die irreführend sind. Hauptgrund für die lang­fristige Belastungssteigerung ist der erfreuliche Umstand, dass die Lebenerwartung wächst und wächst. Kein Rentensystem kann immer mehr Renten­bezugszeit finanzieren, wenn die Lebens­arbeitszeit gleich ­ bleiben soll. Deshalb ist die ­vernünftige Alternative die Lebensarbeitszeit der Lebenserwartung ­anzupassen und zielgerichtet Armut zu vermeiden.

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wischen 1992 und 2007 fanden eine Reihe von Rentenrefor­ men statt, die das System der Alterssicherung in Deutsch­ land deutlich gestärkt haben, so dass es seine wesentlichen Funktionen wei­ terhin erfüllen kann, gleichzeitig aber langfristig finanzierbar bleibt. Zentra­ le Elemente waren die Einführung der Nettorentenanpassung und der Zuund Abschläge durch Norbert Blüm im Jahr 1992, die Verlangsamung des Anstiegs der Altersrenten durch den Nachhaltigkeitsfaktor unter Ulla

Prof. Axel Börsch-Supan, Ph.D. Foto: MEA

Direktor Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik Munich Center for the Economics of Aging (MEA)

Schmidt 2004, sowie die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 bis auf 67 Jahre für die Geburts­ jahrgänge 1947 bis 1964 durch Franz Müntefering 2007. In der laufenden Legislaturperi­ ode wurde mit der Einführung der „Rente mit 63“ für besonders lang­ jährige Versicherte eines dieser Refor­ melemente teilweise zurückgenom­ men. Auch wurden der gesetzlichen Renten­ versicherung mit der „Müt­ terrente“ für die nächsten Jahrzehnte zusätzliche Ausgaben in insgesamt dreistelliger Milliardenhöhe aufge­ bürdet. Dennoch sind die großen „Haltelinien“ der gesetzlichen Ren­ tenversicherung bis zum Jahr 2030 gesichert: Das Rentenniveau wird bis dahin nicht unter 43 Prozent fallen und der Beitragssatz nicht über 22 Prozent steigen. Die Kaufkraft der Renten wird zudem weiter steigen,

denn ein Sinken des Rentenniveaus bedeutet nur, dass die Renten lang­ samer als die Löhne s­ teigen – steigen werden sie weiterhin. Dennoch überschlagen sich derzeit die Negativschlagzeilen. Der Renten­ versicherungsbericht prognostiziert nun bis 2045 anstatt bis 2030, was an und für sich löblich ist, denn Alters­ vorsorge braucht langfristige Pla­ nung. Er zeigt jedoch, dass die soziale ­Sicherung in Deutschland über 2030 hinaus nicht nachhaltig finanziert ist. Nach 2030 dürften bei bestehender Gesetzeslage und – das ist sehr wichtig zu betonen – bei gegenwärtigem Ren­ teneintrittsverhalten diese Haltelinie in Gefahr kommen. Das liegt zunächst am immer noch wachsenden Alten­ quotienten im Zeitraum zwischen 2030 und 2040 bis die stark besetzten Babyboom-Jahrgänge verstorben sein werden. Danach liegt es ausschließlich

„Altersarmut droht nicht Millionen von Menschen wie fälschlicherweise behauptet wird, denn selbst wenn das Rentenniveau sinkt, wir die Kaufkraft der Renten dennoch steigen.“ 32

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den Erwerbstätigen als auch den Rentner zugu­ te kommen. Am besten sollte dies im Rahmen einer einfachen Regel geschehen: Die zukünf­ tige gewonnene Lebens­ erwartung sollte in re­ gelmäßigen Abständen – etwa alle fünf Jahre im voraus – im Verhältnis 2:1 auf zusätzliche Arbeitsund zusätzliche Ren­ tenjahre aufgeteilt wird. Dies entspricht den rund 40 Jahren, die Durch­ schnittserwerbstätige in die Rentenversicherung einzahlen und den 20 Jahren, während derer sie anschließend Rente erhalten. Diese transpa­ rente Automatik stärkt langfristig die Balance zwischen Einzahlungen und Auszahlungen in der Rentenkasse, so dass das Rentenniveau nie in die Nähe der Haltelinie sin­ ken kann und langfristig sogar wieder ansteigt. Ohne eine Dynamisierung des Rentenalters sollte das Rentenni­ veau keinesfalls auf einem festen Wert festgeschrieben werden, weil dadurch der Nachhaltigkeitsfaktor ausgehebelt würde, so dass die junge Generation überproportional belastet wird. Wenn kurzfristig Handlungsbedarf besteht, dann an den Stellen, wo kon­ kret Not herrscht. Altersarmut droht nicht Millionen von Menschen, wie fälschlich behauptet wird, denn selbst wenn das Rentenniveau sinkt, wird die Kaufkraft der Renten dennoch steigen. Altersarmut muss stattdessen zielge­ richtet bekämpft werden durch Maß­ nahmen wie den Wiedereinbezug von Langzeitarbeitslosen in die Renten­ versicherung, großzü­gigere Erwerbs­ minderungsrenten für Langzeit-Er­ werbsgeminderte oder den Einbezug der Solo-Selbständigen in die Renten­ versicherung, nicht jedoch durch die wenig zielscharfe Lebensleistungsren­ te oder gar mit der ­Gießkanne, näm­ lich einer Festschreibung eines höhe­ l ren Rentenniveaus für alle.

an der als weiter stetig wachsend ange­ nommenen Lebenserwartung. Bezieht man auch die Krankenund Pflegeversicherung ein, droht weiteres Ungemach. Ohne adäquate Maßnahmen droht der Gesamtbei­ tragssatz in der Sozialversicherung von heute knapp 40 Prozent auf weit über 50 Prozent zu steigen, was nicht nur den Anstieg der Nettolöhne dämpfen, sondern auch die Wachs­ tumsdynamik der deutschen Wirt­ schaft schwächen würde. Wir würden wieder dahin gelangen, wo wir in den 1990er Jahren schon einmal waren: Deutschland bekäme wieder die rote Laterne beim Wirtschaftswachstum, weil die Arbeitsanreize sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber durch die hohen Lohnnebenkosten stark verringert würden. Warum sind diese Negativschlag­ zeilen dennoch irreführend? Haupt­ grund für die langfristige Belastungs­ steigerung ist der an und für sich höchst erfreuliche Umstand, dass die Lebenerwartung wächst und wächst: bis 2045 um weitere rund sieben Jah­

4/2016 TREND

re. In den Progosen wird aber ange­ nommen, dass die Standardrente wie in den 50er Jahren auch 2045 noch auf der Basis von 45 Erwerbsjahren gerechnet wird. Kein Rentensystem dieser Welt kann jedoch immer mehr Rentenbezugszeit finanzieren, wenn die Lebensarbeitszeit gleich bleiben soll. Die Rente muss aus dem Einkom­ men finanziert werden, das während der Lebensarbeitszeit erwirtschaftet wird, sie fällt nicht wie Manna vom Himmel. Was ist also zu tun? Erst einmal drängt für das Gesamtsystem gar nichts. Bis 2030 sind wir ja sicher. Man kann also gelassen nach der Bundestagswahl vernünftige Ent­ scheidungen fällen als jetzt in Panik zu geraten. Die Lebensarbeitszeit an die Gesamtlebenszeit anzupassen, hat danach höchste Priorität. Nur da­ durch entschärft man das nach 2030 entstehende Dilemma zwischen zu hohen Beiträgen und zu niedrigen Rentenzahlungen. Das Rentenalter muss atmen können, und die zusätzli­ chen gewonnen Jahre müssen sowohl

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Transparenzoffensive Das Thema Altersabsicherung gewinnt angesichts des sinkenden Rentenniveaus und vor dem Hintergrund aktueller Debatten um drohende Altersarmut zunehmend an Bedeutung.

D

ie Herausforderung. Nach An­ gaben der Bundesregierung wird das Rentenniveau – also das Sicherungsniveau vor Steuern – bis 2027 spürbar von 49,6 im Jahr 2012 auf 44,4 Prozent sinken. Mit dem Alterseinkünftegesetz führte die damalige Bundesregierung 2001 umfangreiche Fördermaßnahmen durch die private Riester-Rente und den Rechtsanspruch auf Entgeltum­ wandlung im Rahmen der betrieb­ lichen Altersversorgung ein. Heute liegen Niveau und Verbrei­ tung dieser Fördermaßnahmen trotz substanzieller steuerlicher Anreize und, beziehungsweise oder, finanziel­ ler Zuschüsse jedoch klar hinter den gesetzten Erwartungen. So entfallen beispielsweise 64 Prozent der gesamten Altersbezüge auf die gesetzliche Rente, neun Prozent stammen aus privater Ei­ genvorsorge und nur acht Prozent auf betriebliche Versorgungsleistungen, von denen aber erfahrungsgemäß der

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überwiegende Anteil aus rein arbeit­ geberfinanzierten Systemen resultiert. Der PwC-Studie „Missverständnis Betriebliche Altersvorsorge“ von Fe­ bruar 2016 gemäß nutzen nur rund 31 Prozent der befragten Berechtigten den Rechtsanspruch auf Entgeltum­ wandlung, von denen mindestens 95 Prozent den vollen Anspruch nicht ausschöpfen. Identische Entwicklun­ gen lassen sich im Bereich der priva­ ten Altersabsicherung identifizieren. Die rückläufige Anzahl von Neuab­ schlüssen, ruhend gestellte Sparver­ träge und im Durchschnitt zu geringe Sparbeiträge beweist dies deutlich. Unweigerlich stellt sich die Frage nach den Ursachen für die mangelnde Bereitschaft der Bürger in Deutsch­ land zur Eigenvorsorge. Denn gerade die frühzeitige Auseinandersetzung mit der eigenen Versorgungssituation stellt eine grundlegende Vorausset­ zung für ein rechtzeitiges Handeln dar. Erforderlich sind dafür jedoch

aussagekräftige, verfügbare Informa­ tionen hinsichtlich der notwendigen späteren Alterseinkünfte und der tat­ sächlich zu erwartenden Leistungen aus den unterschiedlichen Säulen der Alterssicherung. Insofern sieht sich die Altersver­ sorgung in Deutschland nicht nur mit einem Finanzierungs-, sondern auch einem Informations- und Kommuni­ kationsproblem konfrontiert. Die Ver­ sorgungsträger und Produktanbieter kommunizieren bei den Werten der Altersversorgung unterschiedliche Informationen über verschiedene Me­ dien zu differierenden Zeitpunkten. Bürger sehen sich bei dieser Thematik mit einer Komplexität konfrontiert, die es ihnen fast unmöglich macht, sich einen Überblick über die eigene Versorgungssituation zu verschaffen. Die Initiative. Angesichts dieser Proble­

matik sind Maßnahmen erforderlich, die Bürgern eine säulen­übergreifende,

TREND 4/2016


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Foto: Fotolia.com @Gerhard Seybert

in der Altersversorgung

-verarbeitung sowie -bereitstellung in­ klusive der Pilotierung in ausgewähl­ ten Unternehmen. Das Ziel. Die Transparenzoffensive unterstützt damit maßgeblich die po­ litische Zielsetzung, die private und betriebliche Altersversorgung zu stär­ ken. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene soll der Ausbau der ergänzenden Vorsorge durch die Einrichtung entsprechender Informa­ tionssysteme vorangetrieben werden. Jeder Bürger soll selbstbestimmt seine Gesamtversorgung im Alter ermitteln und Handlungsbedarf ableiten kön­ nen. Möglich werden soll dies über

„Bürger sehen sich bei dieser ­Thematik mit einer Komplexität konfrontiert, die es ihnen fast u ­ nmöglich macht, sich einen Überblick über die eigene ­Versorgungssituation zu verschaffen.“

4/2016 TREND

eine „Vorsorge-App“, über die jeder Nutzer kostenfrei Zugriff auf seine gesamte Versorgungssituation erhält. Mithilfe einer anwenderfreundlichen

Petra Raspels Mitglied des Vorstands Human Capital PricewaterhouseCoopers Foto: PwC

produktneutrale Informationsbe­ schaffung hinsichtlich der eigenen Altersversorgungssituation ermögli­ chen. Im März 2016 veröffentlichte PwC ein Positionspapier zur Transpa­ renzoffensive, das mögliche Ursachen für die sinkende Bereitschaft zur Ei­ genvorsorge analysiert und die Zweck­ mäßigkeit einer umfassenden Infor­ mationsaggregation der individuellen Ansprüche auf Altersversorgungs­ leistungen betont. Die Ergebnisse der Analysen wurden der Politik vorgelegt und fanden breiten Zuspruch. Nun soll die Initiative umgesetzt werden. Aktuell erarbeitet eine Projektgruppe ein Modell für die Datenerhebung,

Applikation beschäftigen sich die Bürger deutlich mehr mit dem The­ ma Altersvorsorge, wie eine aktuelle Mit­arbeiterbefragung von PwC zum ­Thema jüngst bestätigte. Ziel ist es, mehr Transparenz in der Altersversorgung zu schaffen – für jeden zugänglich, kostenfrei, sicher, ­ unabhängig und leicht verständlich. l

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Rente zukunftsfest machen

E

in Jahr vor der Bundestagswahl ist die Altersvorsorge in den Fokus der öffentlichen Diskus­ sion gerückt. Das Gespenst der „Altersarmut“ geht um. Die Debatte hat die Menschen nachhaltig verun­ sichert. Besonders die Gewerkschaf­ ten werfen der Politik Versagen vor und drängen darauf, die Reformen des letzten Jahrzehnts rückgängig zu machen. Vor allem soll das Renten­ niveau der gesetzlichen Rentenver­ sicherung erhöht werden. Vor einem solchen Vorhaben kann nur gewarnt werden. Denn es würde die Leistungs­ fähigkeit der deutschen Wirtschaft belasten und ginge zu Lasten aller aktiven Beitragszahler und kommen­ der Rentengenerationen. Der Renten­ experte Franz Ruland stellte jüngst

Foto: Union Investment

Hans Joachim Reinke Vorstandsvorsitzender Union Investment

„Wir müssen die Bereitschaft zur privaten Vorsorge stärken.“

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Foto: Fotolia.com @rcfotostock

Die neu entflammte Debatte um Altersarmut und niedrige Renten hat die Menschen verunsichert. Davor, alle Reformen zurück­ zudrehen, die die Rente zukunftsfest machen, kann nur gewarnt werden. Vielmehr sollte die Politik für das Drei-Säulen-Modell werben und stärkere Anreize für die private und betriebliche Altersvorsorge setzen.

dazu folgende Rechnung auf: Bliebe es bei den geltenden Regelungen, würde das Rentenniveau bis 2060 auf 42 bis 41 Prozent sinken. Der Rentenbeitrag würde wegen des starken Anstiegs der Rentnerzahlen von 18,7 auf 25 bis 27 Prozent steigen müssen. Die Belastun­ gen für Arbeitnehmer würden somit dramatisch zunehmen. Um dies zu vermeiden, ist es not­ wendig, das bestehende System aus umlagefinanzierter gesetzlicher Rente und den kapitalgedeckten Säulen der betrieblichen und der privaten Alters­ vorsorge zu erhalten und auszubauen. Nur so kann den Herausforderungen der demografischen Entwicklung be­ gegnet und mehr Stabilität geschaffen werden. Gleichwohl bedeutet die Fort­ führung des Drei-Säulen-Modells nicht, alles beim Alten zu lassen. Es kommt darauf an, an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Neben der demografischen Entwicklung stellt auch das Niedrigzinsumfeld die klas­ sische Altersvorsorge von Millionen Deutschen vor eine massive Heraus­ forderung. Wir müssen das gesamte System zukunftsfähiger machen. Die Politik muss den Menschen einen verlässlichen Rahmen für die Rente anbieten. Der zielführendste Weg ist, eine behutsame Reform der gesetzli­

chen Rente bei gleichzeitiger Weiter­ entwicklung der betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Nur so kann das Vertrauen der Bürger in die Rente erhalten und der Angst vor drohender Altersarmut wirksam entgegengetre­ ten werden. Um etwa die Attraktivität der Ries­ ter-Rente weiter zu erhöhen, sollten u.a. die ausgezahlten Leistungen künf­ tig nicht mehr auf die Grundsiche­ rung angerechnet werden. Außerdem wäre es sinnvoll, die Fördergrenzen und Zulagenhöhen zu dynamisieren und den Berechtigtenkreis auszubau­ en. Man könnte auch dem Beispiel anderer Länder folgen und die unge­ förderte private Vorsorge steuerlich attraktiver machen. All dies würde dazu beitragen, dass mehr Menschen privat sparen und ihre Altersvorsorge verbreitern. Grundsätzlich gilt: Wir müssen die Bereitschaft zur privaten Vorsor­ ge stärken. Jedes politische Signal in dieser Richtung ist wichtig. Alle Vor­ schläge, die auf eine Abschaffung des bewährten Drei-Säulen-Systems zie­ len, führen zu massiver Verunsiche­ rung. Politik und Wirtschaft haben hier eine Verantwortung: Wir dürfen das Vertrauen in die Rente nicht zer­ stören. Wir müssen sie zukunftsfest l machen.

TREND 4/2016


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groß sind etwa die Leistungsunter­ schiede, wenn das Risiko intern oder extern getragen wird? (siehe Grafik) Die interne Finanzierung führt selbst bei einem moderaten internen Zins von 3,5 Prozent zu einer deutlich höheren Rente als eine klassische Ren­ tenversicherung. Dies gilt wegen der unterschiedlichen zugrundeliegenden Sterbetafeln, des geringeren Zinses zu Rentenbeginn und der Kosten des Versicherungstarifes sogar bei höherer Rendite des Versicherers. Wenn der Arbeitgeber mit 100 Euro Beitrag den maximalen personalpo­ litischen Effekt erreichen will, muss er sich fragen: Ist er bereit Chancen und Risiken einer intern finanzierten Versorgungszusage zu tragen? Falls ja, kann er eine exakt auf die Bedürfnisse seiner Arbeitnehmer zugeschnittene bAV gestalten, die nachgelagert be­ steuert wird. In Branchen mit hohen Risiken am Arbeitsplatz wie etwa der Schwerindustrie ist eine hohe Inva­ liditäts- oder Hinterbliebenenabsi­

Betriebliche Altersversorgung als zentraler Baustein der ­Personalpolitik

Dr. Udo Niermann Partner Mercer Foto: Mercer

D

ie Diskussion um die betrieb­ liche Altersversorgung (bAV) bestimmt das Vorhaben des Gesetzgebers, den Tarifver­ tragsparteien stärkere Freiheiten bei der Zusagegestaltung einzuräumen, die steuerliche Förderung zu erhöhen und eine direkte Förderung für Bezie­ her niedriger Einkommen einzufüh­ ren. Diese Änderungen sind notwen­ dig und richtig. Trotzdem bleibt die Kernfrage für jeden Arbeitgeber: Soll er, und wenn wie, die bAV attraktiv gestalten? Man kann es sich einfach machen und die bAV mit den höchsten Leis­ tungen für die attraktivste halten. Schwierig wird die Einschätzung, wenn die Höhe der Leistungen vom Erfolg der Kapitalanlage oder Fakto­ ren wie etwa den Verwaltungskosten abhängt. Hier ist man schnell an dem entscheidenden Punkt: Welche Ver­ sorgung wird von Mitarbeitern als at­ traktiv empfunden und welche Krite­ rien werden dafür herangezogen. Wie

cherung ohne Gesundheitsprüfung möglich. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, die Pensionszusage zu passivieren und selbst zu verwalten. Ausschlaggebend für die Attrakti­ vität der bAV ist, dass der Mitarbeiter die Pensionszusage des Unterneh­ mens mit Absicherung als mindestens so sicher, aber werthaltiger ansieht, als einen Versicherungsbeitrag gleicher Höhe. Wollen Unternehmen keine Ri­ siken eingehen, so bleiben nur versi­ cherungsgestützte Lösungen. Sie sind weniger flexibel als Pensionszusagen, Mitarbeitern jedoch bekannt und wer­ den meist als sicher empfunden. Versorgungszusagen sollten außer­ dem möglichst einfach gestaltet wer­ den. Von Wartezeiten, Mindest- oder Höchsteintrittsalter, unabhängig von der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit, ist abzuraten. Bei Rentenzusagen sollten Unternehmer auch bei nicht versiche­ rungsgestützten Lösungen stets eine Kapitalabfindung anbieten. Die er­ wartete Gegenselektion ist häufig ge­ ringer, als man denkt. Der Versicherer sollte erst nach Ausschreibung festge­ legt und die Ergebnisse dem Betriebs­ rat transparent vermittelt werden. l

Trägt der Unternehmer oder eine Versicherung das Risiko – das sind die Leistungsunterschiede Umrechnung eines Beitrags von 100 Euro pro Monat bis zum Alter 67 Interne Umrechnung, fester Zins 3,5 % Heubeck-Richttafeln, 1% Rentenanpassung

Euro 700

Private Rentenversicherung, fester Zins 1,25 % Wertentwicklung vor Kosten 4,2 % DAV-Tafeln 2004R, Rentenanpassung aus Überschüssen davon garantiert

604

500

Gut ausgebildete Fachkräfte sind knapp. Bewerber haben oft die Qual der Wahl. Eine attraktive b­ ­etriebliche ­Altersvorsorge anzubieten, kann ein zentrales ­per­­sonal­politisches ­Instrument sein. Wie Unter­­nehmer die b­ etriebliche ­Altersversorgung organisieren.

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400

389

300 200

296 195

100 0

Alter 25

188 122 Alter 40 Leistungshöhe

102

65 53

Quelle: Mercer

600

Alter 55

37


140,0

gleichzeitige Einspeisung Wind und PV 2015 Minimalwert 0,35 GW 1) Maximalwert 42,50 GW

155,9wird knapp Sicher verfügbare Erzeugungsleistung

verfügbare Erzeugungsleistung wird −Sicher Genehmigung Szenariorahmen für die Netzentwicklungspläne Sicher verfügbare Erzeugungsleistung wird knapp knapp −− Strom Genehmigung Szenariorahmen für 2017-2030 * Genehmigung Szenariorahmen fürdie dieNetzentwicklungspläne Netzentwicklungspläne 160,0 160,0

140,0

100,0

140,0 140,0

97,8

Auch der weitere Ausbau von 10,8 80,0 Windkraft- und Photovoltaik­ 30,3 anlagen lässt keinen 60,0 Beitrag zur Versorgungssicherheit erwarten. 40,0 Deshalb sind wir noch viele 28,6 Jahre auf jederzeit verfügbare 20,0 21,1 Kraftwerke angewiesen. 7,0

127,2

Strom Strom2017-2030 2017-2030**

160,0

120,0

155,9

gleichzeitige Einspeisung Wind und PV 2015 gleichzeitige Einspeisung 1) gleichzeitige Einspeisung Minimalwert Wind und PV0,35 2015GW Wind und PV 2015GW Maximalwert 42,50 Minimalwert 0,35 GW 1)

155,9 75,3 155,9

127,2

Minimalwert 0,35 GW 1) Maximalwert 42,50 GW Maximalwert 42,50 GW

83,9

100,0 100,0

80,0

80,0 80,0

60,0 60,0

60,0

3,4

41,2

0,0

75,3

120,0 120,0

100,0

39,3

127,2 127,2

58,7

120,0

40,0 40,0 40,0

75,3 75,3

97,8

97,8 97,8 7,0 7,0 7,0 10,8 10,8 10,8

Last 30,3 30,3 30,3

28,6 28,6 28,6

83,9

83,9 83,9

39,3 39,3 39,3

76,2/72,5

steigende Last

58,7

74,4/73,1

58,7 58,7

5,5 30,5 Last Last Last

14,3

76,2/72,5 76,2/72,5 5,5 76,2/72,5 5,5

6,0

steigende Last

steigende Last steigende Last

74,4/73,1 74,4/73,1 74,4/73,1 6,0 19,0 6,0 19,0

5,5 14,3 14,3 30,5 30,514,3 30,5 41,5

3,43,4 3,4

19,0

6,0

19,0

Photovoltaik

41,5 41,5

41,5

Photovoltaik Photovoltaik Photovoltaik Wind Offshore Wind Offshore Wind Offshore Wind Offshore Wind Onshore Wind Onshore Wind Onshore Wind Onshore Biomasse Biomasse Biomasse Biomasse Kernenergie Kernenergie Kernenergie Erdgas KernenergieErdgas Erdgas Steinkohle Steinkohle Steinkohle Erdgas Braunkohle DEBRIV Braunkohle DEBRIV Braunkohle DEBRIV

61,6 61,661,6 61,6 10,8 10,8 10,8 10,8 15,8/ 21,1 18,5/ 21,1 21,1 18,5/ 18,5/ 15,8/ 15,8/ 14,8 14,8 14,8 14,8 14,8 0,0 14,8 Steinkohle 0,0 0,0 18,5/ Referenz Referenz Szenario Szenario 15,8/ Szenario Szenario Referenz 2015** Referenz Referenz Referenz Szenario 2015** ASzenario 2030 ASzenario 2030Szenario BSzenario 2035 Szenario BSzenario 2035 Szenario Braunkohle DEBRIV 14,8 14,8 2015** für2015** A 2030 Aohne 2030 B 2035 B2035 2035 * Genehmigung Szenariorahmen die Netzentwicklungspläne Strom 2017-2030, Braunkohle DEBRIV; Sicherheitsbereitschaft (2,7 B GW) oberer Wert, 2015** 2015** A2030 2030 A 2030 B 2035

20,0 20,0 20,0

41,2 41,2 41,2

21,7

54,2

21,7 21,7 54,2 54,2 21,7 54,2

* Genehmigung Szenariorahmen für die Netzentwicklungspläne Strom 2017-2030, Braunkohle DEBRIV; 2030 ohne Sicherheitsbereitschaft (2,7 GW) oberer Wert,

Referenz Referenz 2015** 2015**

Weisweiler Szenariorahmen (1,8 GW) und Jänschwalde (1,9 GW) unterer Wert; 2035 ggf. Neubau Jänschwalde ggf. zusätzlich 1 GW - CCS *ohne Genehmigung für die Netzentwicklungspläne Strom 2017-2030, Braunkohle DEBRIV; 2030 ohne Sicherheitsbereitschaft (2,7 GW) oberer Wert, ohne Weisweiler (1,8 GW) und Jänschwalde (1,9 GW) unterer Wert; 2035 ggf. Neubau Jänschwalde ggf. zusätzlich 1 GW - CCS ohne Weisweiler (1,8 GW) und Jänschwalde (1,9 GW) unterer Wert; 2035 ggf. Neubau Jänschwalde ggf. zusätzlich 1 GW - CCS

Szenario Szenario A 2030 A 2030

Szenario Szenario B 2035 B 2035

* Genehmigung Szenariorahmen für die Netzentwicklungspläne Strom 2017-2030, Braunkohle DEBRIV; 2030 ohne Sicherheitsbereitschaft (2,7 GW) oberer Wert, ohne Weisweiler (1,8 GW) und Jänschwalde (1,9 GW) unterer Wert; 2035 ggf. Neubau Jänschwalde ggf. zusätzlich 1 GW - CCS

Zwei Systeme für eine Aufgabe:

Versorgungssicherheit im Stromsektor

D

er Schwerpunkt beim Umbau der Stromversorgung liegt im Ausbau von Wind und Pho­ tovoltaik. Das ist gleicherma­ ßen der entscheidende Schwachpunkt, weil die Einspeisung stark schwankt und zeitweise nahe Null liegt. So lag etwa am 29. Oktober 2015 um 17.00 Uhr die Einspeisung von Wind und Photovoltaik zusammen bei 0,35 Gigawatt, die Netzlast jedoch bei 73,2 Gigawatt. Der Strombedarf war höher als die durch die Erneuerbaren produzierte Strommenge. Demzufolge ist auch mit dem Ausbau der Windund Photovoltaik-Kapazitäten kein Beitrag zur Versorgungssicherheit zu erwarten.

Dr. George Milojcic Foto: DEBRIV

Hauptgeschäftsführer DEBRIV Bundesverband Braunkohle

„Moralisierende Kohlenaus­stiegs­ phantasien lenken nur ab.“ 38

Die deutsche Energiewende führt zwingend zu einem Konzept „Zwei Systeme für eine Aufgabe“. Einerseits regelbare und jederzeit verfügbare Kraftwerke, die Versorgungssicher­ heit und Systemstabilität gewähr­ leisten. Andererseits sind wachsende Kapazitäten von Wind und Photovol­ taik politisch vorgegeben und in das Stromsystem zu integrieren. Die Prog­ nose der Bundesnetzagentur zu sicher verfügbarer und unsicherer Kapazität für die Jahre 2030 und 2035 zeigt, dass die Sorge um die Versorgungssi­ cherheit begründet ist (Grafik). Drei Kernbotschaften sind mit Blick auf die Strompolitik entscheidend:

1. Versorgungssicherheit kann in den kommenden Dekaden nur durch zwei

Systeme in einem Erzeugungsmix – Gas, Stein- und Braunkohle – gewähr­ leistet werden. Das ist der vernünftige, kostengünstige Weg.

2. Braunkohle ist der einzige heimische Energieträger, der langfristig sicher

verfügbar und wirtschaftlich bereit­ gestellt werden kann. Das nutzt dem Industriestandort und ist von hoher ­ regionalwirtschaftlicher Bedeutung. 3. Die Kohlenverstromung in Deutschland wird zurückgehen und erfolgt

Quelle: DEBRIV, Bundesverband Braunkohle, 29.8.2016

160,0

AKTUELL Energiepolitik

nach unserer Abschätzung bis 2035 in einem Trendkanal, der kompatibel ist mit den ambitionierten CO2-Zielen. Die Regulierung der Treibhausgase erfolgt durch den europäischen Emis­ sionshandel; nationale Eingriffe sind unwirksam und enorm nachteilig für den Industriestandort. Ob und wie dann Mitte des Jahr­ hunderts unter dem Primat von Null-CO2-Emissionen Kohle und Gas im Stromsektor genutzt werden, wird man in den späten 2020er Jahren auf­ grund der dann relevanten Fakten entscheiden. Dabei sind neue Tech­ nologien, wie etwa die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid versus große Speicher, technisch und wirtschaftlich zu bewerten. Dem sollte nicht durch voreilige Kohlenausstiegs­ pläne vorgegriffen werden. Hinter „Zwei Systeme für eine Auf­ gabe“ verbirgt sich auch ein Ansatz, um die Stromdebatte zu entgiften, denn die Koexistenz von Technologi­ en ist sachlich geboten. Die politische wie fachliche Diskussion sollte sich auf die Lösung anstehender Aufgaben ausrichten: den erforderlichen Netz­ ausbau, die Eingrenzung der über­ bordenden Kosten sowie ein techno­ logieneutrales und zukunftsfähiges Strommarktdesign. Das wird alle Kräf­ te binden. Moralisierende Kohlenaus­ stiegsphantasien lenken nur ab. l

TREND 4/2016


Foto: European Union , 2015 - Johanna Leguerre

AKTUELL Europäische Energiepolitik

EU-Emissionshandelssystem keine validen Preissignale mehr aussendet. Deshalb brauchen wir ein neues Sys­ tem. Eines, das am besten mit anderen Emissionshandelssystemen in Nord­ amerika und China verbunden wird, um einer endgültigen Lösung, einem globalen und fairen Preis für Kohlen­ dioxid, näherzukommen. Das würde sehr viele Probleme lösen.

Europa braucht die „fünfte Freiheit“

D

ie Europäische Union muss sicherstellen, dass wir zu ei­ nem vollständig integrierten Energiemarkt kommen, der die europäische Wettbewerbsfähigkeit unterstützt. Energie sollte frei über die europäischen Grenzen fließen kön­ nen, ohne technische oder regulatori­ sche Hindernisse. Nur dann sind frei­ er Wettbewerb und Preiskonkurrenz möglich, und nur dann kann Europa das Potential seiner erneuerbaren Energieträger voll ausschöpfen. Das ist sozusagen die „fünfte Freiheit“, die wir in Europa brauchen. Um dieses Ziel zu erreichen, müs­ sen wir noch einige Hürden in Bezug auf den Binnenmarkt überwinden. Die Energiepolitik unterliegt in Euro­ pa in der Regel noch einer nationalen Zuständigkeit und insofern auch einer nationalen Rationalität. Das ist einer der Gründe, warum die grenzüber­ schreitende Energieübertragung noch immer stark begrenzt ist. Das gilt für Gas, das gilt für den Strom, und das gilt auch für die Netzwerke. Wenn wir einen echten Binnenmarkt schaffen wollen, müssen wir sehr viel mehr in die Infrastruktur investieren. Damit

4/2016 TREND

Energie über Grenzen hinweg besser fließen kann, sind Investitionen in länderübergreifende Infrastrukturen notwendig. Dadurch verbessern wir auch unsere Versorgungssicherheit, verringern unsere Abhängigkeit von Einfuhren und bereiten Netze für er­ neuerbare Energien vor. Deshalb hat die EU-Kommission in den letzten Jahren einiges angescho­ ben, um wichtige Projekte zu fördern, die zu mehr Wettbewerbsfähigkeit in den Regionen und zur europäischen Marktintegration beitragen. Wir ha­ ben zum Beispiel in den baltischen und skandinavischen Staaten große Fortschritte erzielt. Es ist uns gelungen, eine tiefgrei­ fende Debatte mit vielen professionel­ len Akteuren aus den Mitgliedstaaten anzustoßen. Wir haben prioritäre Pro­ jekte identifiziert, die eine politische und finanzielle Unterstützung benöti­ gen. Die EU-Mitgliedstaaten haben im Sommer 263 Millionen Euro Förder­ gelder für den Netzausbau in Europa bewilligt. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Klimapolitik. Es geht nach der Unterzeichnung des Pariser Klima­ abkommens vor allem auch um ein globales „level playing field“. Europa war in den letzten Jahren sehr ehr­ geizig. Wir wissen aber alle, dass das

Ich hoffe, dass wir bis Ende De­ zember unsere Mission erfüllt haben und einen Gesetzesvorschlag für die Energieunion vorlegen können. Dies wird nur der Anfang sein für eine wei­ tere, noch wichtigere Phase. Alle diese Vorschläge müssen dann noch zu eu­

Dr. Maroš Šefcoviˇ ˇ c Vizepräsident der Europäischen Kommission

„Ich hoffe, dass wir bis Ende Dezember unsere Mission erfüllt haben, und einen Gesetzesvorschlag für die Energieunion vorlegen ­können.“ ropäischen Richtlinien werden. Wir müssen also mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten gemeinsam zusehen, dass wir in die­ ser dringenden Angelegenheit schnell voranschreiten. Ebenso wichtig ist es, die Vorstellungen in den Mitgliedstaa­ ten selbst zu konkretisieren, um die nationalen Ziele innerhalb eines euro­ päischen Rahmens abzustimmen. l (Auszug aus der Rede auf dem Symposion zur EU-­ Energiepolitik des Wirtschaftsrates am 07.09.2016)

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Foto: European Union 2016; Georges Boulougouris

Für einen echten europäischen Binnenmarkt muss Europa sehr viel mehr in die Infrastruktur investieren. Dazu hat die EU-Kommission prioritäre Projekte identifiziert.


AKTUELL Europäische Energiepolitik

üssel

Berlin

Wien

European Energy Lab 2030 –

Designing Europe’s future marketplace

Fotos: Hans-Christian Plambeck

Der Wirtschaftsrat setzt sich mit Nachdruck für einen wettbewerbsfähigen, verlässlichen und innovativen Energiemarkt in Europa ein. Wie dieser konkret umgesetzt werden kann, diskutieren derzeit 45 interdisziplinäre ­Experten aus sieben europäischen Ländern im European Energy Lab 2030, einer vom Wirtschaftsrat ins Leben gerufenen Ideenfabrik. TREND war bei den ersten beiden Workshops in ­Brüssel und Berlin dabei.

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TREND 4/2016


AKTUELL Europäische Energiepolitik

Brüssel

Berlin

Wien

Text: D r. Bernd Weber und Birgit Heinrich

E

s ist ein ungewohntes Bild, wenn ausgewähl­ te Energieexperten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft gemeinsam Lego-Modelle bauen. Die Modelle sind Teil des innovativen Workshop-Konzepts, auf dem das European Ener­ gy Lab 2030 basiert. Der Design ­Thinking-Prozess des Labs zielt darauf ab, aus gewohnten Denkmus­ tern auszubrechen und „Out of the box“ zu den­ ken, um gemeinsam neue wegweisende Lösungen zu entwickeln. Die Herausforderungen sind komplex: Wie ge­ staltet sich ein zukunftsfähiger europäischer Ener­ giebinnenmarkt? Welche Möglichkeiten bieten Sektorkopplung und Digitalisierung? Wie kann die Verantwortung für eine verlässliche Energieversor­ gung mit einem maximal kosteneffizienten Erneu­ erbaren-Ausbau verbunden werden? Mit welchen Instrumenten können auf europäischer Ebene Energieeffizienz und Klimaschutz gestärkt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gesichert werden? Welche Wechselwirkungen erge­ ben sich aus den grenzüberschreitenden M ­ odellen?

Brüssel 4/2016 TREND

Bereits beim Kick-Off im Rahmen des hochkarä­ tigen Symposiums „Europäische Energiepolitik“ in Brüssel gab es Dank und große Erwartungen von höchster Stelle: ­Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Europäischen Kom­mission und zuständig für die Energieunion, betonte in seiner ­ Eröffnungsrede: „Ich bin sicher, dass das vom Wirtschaftsrat initi­ ierte ,European Energy Lab 2030‘ aufgrund seiner innovativen Methodik und dem breit aufgestellten Teilnehmerkreis viele umsetzungsfähige und zu­ kunftsweisende Ideen erarbeiten wird. Wir brau­ chen dringend europäisch ausgerichtete Konzepte, die zu b ­ ezahlbaren und sicheren Lösungen führen.“ Erste Zwischenergebnisse wurden beim Berliner Workshop gemeinsam mit aus­gewählten Spitzen­ vertretern aus Politik und Wirtschaft erörtert. Zu den „Hearings“ geladen waren u.a. der Präsident der Bundesnetzagentur Jochen Homann und der Chef der Europäischen Energie Börse (EEX AG) Peter Reitz. Ihre Resonanz fließt in die weitere Ar­ beit des Labs ein und wird beim dritten Workshop in Wien zu konkreten Konzepten ­weiter­entwickelt. Endergebnisse und politische Handlungsempfeh­ lungen werden im Rahmen der 15. Klausurtagung Energie- und Umweltpolitik des Wirtschaftsrates vorgestellt, diskutiert und an den Vizepräsidenten l der Europäischen Kommission übergeben.

Berlin

Wien 41


AKTUELL Digitalisierung

Der Weg zur digitalen ­Revolution führt nur über ­Glasfasernetze

D

eutschland ist eine der welt­ weit führenden Wirtschafts­ nationen. Ob im Automobil­ bereich, der Chemieindustrie oder dem Maschinenbau – die inno­ vativen Produkte ‚Made in Germany‘ stehen ganz oben auf den internatio­ nalen Einkaufslisten. Man muss aber auch kein Pessimist sein, der Platz an der Sonne könnte schon bald Ge­ schichte sein. Warum? Wir befinden uns in­ mitten einer industriellen Revoluti­ on. Was mit der stetigen Compute­ risierung begann und sich mit der Kommerzialisierung des Internets fortsetzte, mündet in der Digitalen Revolution. Mir ist klar, dass heu­ te gern und schnell mit Superlativen hantiert wird. Aber: Die Digitalisie­ rung stellt eine Epochenwende dar. Sie

Foto: Christoph Volhler

Michael Fränkle Technischer Geschäftsführer M-net

„Die digitale Revolution birgt viele Chancen. Diese müssen wir für die Zukunftsfähigkeit des Landes unbedingt ergreifen – und zwar frühzeitig.“ 42

ist mit der Erfindung der Dampfmaschi­ ne gleichzusetzen. Ähnlich wie letzt­ genannte Erfindung der Startschuss für die industrielle ­Revolution war, so be­ finden wir uns jetzt in den Anfängen einer weiteren Revolution – der Digi­ talen Revolution. Ihre Einflüsse sind weitreichend: in Wissenschaft, Gesell­ schaft, Wirtschaft – ja sogar in Fragen der Erziehung, da sie die Jugendkultur mit beeinflusst. Die digitale Revolution birgt viele Chancen. Diese müssen wir für die Zu­ kunftsfähigkeit des Landes unbedingt ergreifen – und zwar frühzeitig. Denn nur so können wir diese aktiv definie­ ren, fördern und steuern und auch mit unserem so­zial-ökonomischem Wer­ tesystem verknüpfen. Das Rückgrat für die digitale Revo­ lution ist die Infrastruktur. Sie basiert im optimalen Fall auf Glasfasernetzen. Sie sind unumstritten am leistungsund zukunftsfähigsten. Einzig Politik­ vertreter und der ehemalige Monopo­ list vom Rhein setzen auf eine andere Strategie. Sie propagieren den soge­ nannten Vectoring-Ausbau. Bandbrei­ ten von 50 bestenfalls 100 Mbit/s sind mit dieser Technologie möglich. Da­ bei wissen wir alle, dass diese Werte nur mindere Durchgangsstationen auf dem Weg in die Zukunft sind. Sie lautet Gigabit-Gesellschaft! Die Poli­ tik muss diesen unaufhaltbaren Weg

Foto: Fotolia.com @pgottschalk

Die Infrastruktur wird darüber entscheiden, wie Deutschland in die Gigabit-Gesellschaft startet und welche Chancen unsere Wirtschaft hat.

endlich annehmen und die Rahmen­ bedingungen darauf ausrichten. Der Weg führt nur über echte Glasfaser­ netze bis zum Gebäude (FTTB). Ferner hat sich mit der Liberalisie­ rung des Telekommunikationsmark­ tes in Deutschland gezeigt, dass gera­ de die Wettbewerber der Deutschen Telekom hohe Milliardenbeträge in den Infrastrukturaufbau investieren. Politisch motivierte Entscheidungen und diverse Pläne zeugen hingegen von klaren Bestrebungen der Re-Mo­ nopolisierung. Dies ist völlig inakzep­ tabel, da nicht zuletzt diverse Leucht­ turmprojekte wie beispielsweise der gemeinsame Glasfaserausbau von M-net und den Stadtwerken Mün­ chen unter Beweis stellen, wie man eine Stadt zukunftsfähig macht. Bis zum Jahr 2021 werden rund 570.000 Münchner Haushalte, das sind rund 70 Prozent, und über 80.000 Ge­ werbebetriebe über einen direkten Glasfaser­ anschluss verfügen. Wir ebnen damit Münchens Weg für die Digitale Revolution. Unzählige sol­ cher Projekte müssen deutschlandweit angestoßen werden – besser heute als morgen –, damit auch in Zukunft das Label ‚Made in Germany‘ als wesent­ l liches Kaufkriterium gilt.

TREND 4/2016


AKTUELL Digitalisierung

Der Mittelstand sollte die großen­ ­Chancen der Digitalisierung nutzen.

Foto: Christian Doppelgatz_ KUXMA

Peter Altmaier MdB Chef des Bundeskanzler­ amtes und Bundesminister für besondere Aufgaben

„Die Politik muss Rahmenbedin­ gungen schaffen, damit es sich lohnt ein Startup zu gründen und in IT-Technologien zu investieren.“ Deutschland braucht deshalb junge Menschen, die das verstehen und die die Digitalisierung vorantreiben. Ber­ lin hat einen international führenden Rang erreicht für Start ups. Zugleich muss die Politik Rahmenbedingun­ gen schaffen, damit es sich lohnt, in

4/2016 TREND

Foto: Fotolia.com @science photo

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iele Mittelständler gehen zur Digitalisierung am liebsten auf Abstand. Aber die Verän­ derungen werden kommen, ob wir sie mitgestalten oder nicht. Die Plattformökonomie prosperiert. Vor wenigen Jahren kannten wir diese Plattformen nicht. Ging man früher ins Reisebüro, bucht man heute über booking.com. Die Provision bekommt das Unternehmen in den USA. Alle großen Plattform-Unternehmen wie Amazon oder Ebay sitzen dort, genau­ so wie die Social-Media-Unternehmen Facebook oder Youtube. Die Branche ist eine große Wachstumsbranche. Sie führt dazu, dass die Karten weltweit neu gemischt werden. Es wird nicht weniger Arbeitsplätze geben, aber es werden zehntausende Stellen wegfal­ len in Branchen, die Produktivitäts­ gewinne durch die Digitalisierung realisieren. Gleichzeitig entstehen ge­ nauso viele neue Arbeitsplätze. Aber was nutzt uns das, wenn sie in Europa wegfallen und in den USA oder China neu entstehen?

Kleine und mittlere Firmen werden profitieren Deutschland ein Start up zu gründen und in IT-Technologien zu investie­ ren. Dazu haben wir eine neue Rege­ lung zu Verlusten beim Wagniskapital beschlossen. Zudem halten wir über die KfW Risikokapital für Start ups bereit. Und die Politik muss rechtli­ che Rahmenbedingungen klären. Das automatisierte Fahren wird kommen. In China etwa steht man im Schnitt 30 Tage im Jahr im Stau. Was hieße das für das Wirtschaftswachstum, wenn man in dieser Zeit arbeiten oder schla­ fen könnte? Das Elektroauto hat keine Zukunft, hat die Autoindustrie noch vor weni­ gen Jahren gesagt. Jetzt baut Tesla eine Gigafactory, in der Autos und Batte­ rien hergestellt werden. Die deutschen Automobilhersteller sind wach gewor­ den. Deshalb haben wir eine Kaufprä­ mie beschlossen. Aber wenn es so wei­ tergeht, werden wir unsere Ziele zum

Ende des Jahrhunderts erreicht ha­ ben. Das ist nicht das, was wir leisten müssen. Wenn das Auto der Zukunft elektrisch und automatisch fährt, ist das wertvollste im Auto der Compu­ ter und die Batterie. Motoren werden nicht mehr gebraucht. Ebenso verändert der 3D-Dru­ cker die Produktion. Sein Vorteil: Es braucht keine langen Entwicklungs­ zeiten mehr. Ich bin überzeugt, es werden nicht die großen Firmen sein, die von der Digitalisierung profitieren, sondern die kleinen und mittleren. Das Beispiel Estland zeigt, welche Chancen in der Digitalisierung lie­ gen. Allein die Einführung der elek­ tronischen Signatur hat zwei Prozent Wachstum generiert, weil die Men­ schen nicht mehr persönlich unter­ l schreiben müssen. (Auszug aus der Rede auf dem Hauptstadtfrühstück des Wirtschaftsrates am 13. 09.2016)

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Foto: Jens Schicke

STANDPUNKT STEIGER 44

„Wenn unser Staat die großen Räder dreht, werden Zeit- und Kostenpläne nach kurzer Zeit zu unverbindlichen Orientierungshilfen.“

Wolfgang Steiger Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Auf die Infrastruktur kommt es an!

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ür viele Nationen ist Deutschland der Inbegriff effizienter Organisation. Doch spätestens seit dem Berliner Flughafen oder der Elbphilhar­ monie ist klar: Wenn unser Staat die großen Räder dreht, werden Zeit- und Kostenpläne nach kur­ zer Zeit zu unverbindlichen Orientierungshilfen. Viel schwerwiegender ist aber, wenn staatliche Projekte vor sich hin dümpeln, die einen wirklich gravieren­ den Einfluss auf unsere Volkswirtschaft haben. So hinken wir im Bereich Digitalisierung gegen­ über Vorreitern wie Südkorea und Estland gefühlt um Lichtjahre hinterher – allen Regierungsprogrammen zum Trotz. Ja, wir belegen in Europa Spitzenposi­ tionen, wenn es um Wachstum und Beschäftigung geht, aber die digitale Vernetzung ist einer führenden Industrienation ziemlich unwürdig. Die hohe Anzahl Asylsuchender hat offen­gelegt, wie sehr die Verwal­ tung unter ihrer mangelhaften Digitalisierung leidet. Die verknüpften Netze von Polizei, Ausländerbehör­ den und Sozialämtern hätten massive Informations­ verluste und kostspielige Doppelregistrierungen ver­ hindern können. Aber nicht nur der Ausbau der digitalen Infra­ struktur geht schleppend voran: Unsere Wirtschaft hat immer von einer guten Verkehrsinfrastruktur profitiert. Ob Autobahnen, Schienennetz, Wasserwe­ ge oder Flughäfen – die Wege zu unseren Unterneh­ men und von unseren Unternehmen auf die inter­ nationalen Absatzmärkte waren effizient ausgebaut. Diese Struktur haben wir in den letzten Jahren erheb­ lich vernachlässigt. Zu viel Geld ist in soziale Wohlta­ ten geflossen, anstatt es in die Zukunft zu investieren.

Dabei sind es genau diese Investitionen, die unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft auch in Zukunft auf den internationalen Märkten konkurrenzfähig machen. Ein Problem liegt in unserem föderalen System begründet: Unterschiedliche Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern haben wichtige Inves­ titionen zumindest gebremst und manchmal sogar verhindert. Dennoch habe ich die Hoffnung, dass die jüngste Einigung zu den Bund-Länder-Finanzbezie­ hungen und die dabei verabredete Einführung einer Bundesfernstraßengesellschaft den notwendigen Schub bringen. Gleiches gilt für unsere Energieinfrastruktur: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) führt nicht nur zu enormen Kosten für den Verbraucher, auch für die Unternehmen sind die gestiegenen Preise zum Wett­ bewerbsnachteil geworden. Hinzu kommt, dass die volkswirtschaftlich übertrieben hohe Förderkulisse des EEG zu einem Ausbau der erneuerbaren Ener­gien geführt hat, ohne dass die entsprechenden Strom­ netze verfügbar sind. Der Strom kann nicht dorthin gebracht werden, wo er benötigt wird – Windräder stehen still. Deshalb muss die dringend notwendi­ ge Synchronisierung des Zubaus neuer Anlagen mit dem Netzausbau hier das Motto sein. Nur dort, wo die ­Abnahme des Stroms gesichert ist, dürfen neu Wind­ räder oder Photovoltaik-Anlagen gebaut werden. Falls wir wirklich aus den Beispielen Berliner Flughafen und Elbphilharmonie lernen, sind sogar die dort verbuddelten Milliarden noch eine gute In­ vestition in unsere Zukunft gewesen. Die Hoffnung l stirbt ja bekanntlich zuletzt.

TREND 4/2016


WIRTSCHAFTSRAT Internationale Wirtschaftspolitik

Foto: Wirtschaftsrat

Der Wirtschaftsrat reiste mit einer Delegation und in Begleitung von Nadine Schön MdB nach China. Ziel: Chinas Wandel zur ­Inno­vationsgesellschaft einzu­ordnen und die Chancen deutscher ­Unternehmer auszuloten.

Innovationsland statt Werkbank Wirtschaftsrat im Land der Mitte Text: B ritta Vasters

4/2016 TREND

mit den chinesischen und deutschen Gastgebern wurden unter anderem Fragen nach Finanzierungsplänen von Großprojekten, dem Ausverkauf deutscher Technologie, Erfahrungen ­ mit Joint Venture-Kooperationen oder auch der Einsatz qualifizierter Mitar­ beiter intensiv diskutiert. Die Besuche – etwa beim Staatsse­ kretär für Innovation und Technolo­ gie, Dr. David Chung – ermöglichten einen erkenntnisreichen Austausch zum Thema Innovation sowie zu ak­ tuellen Herausforderungen. Der Wirt­ schaftsrat nutzte den Austausch auch, um das Thema Reziprozität zu bespre­ chen. Ihren krönenden Abschluss fand die einwöchige Delegationsreise mit der Teilnahme an der Asien-Pazi­ fik-Konferenz, die auch Bundeswirt­ schaftsminister Sigmar Gabriel be­ suchte. l

Nadine Schön MdB schildert chinesischen Presse­vertretern ihre Eindrücke vom Besuch des Technologieparks der Metal Eco City

Fotos: Wirtschaftsrat

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hina plant langfristig und gründlich. Das Land stellt heute die Weichen für den Wettbewerb der Zukunft, automatisiert und digitalisiert seine Wirtschaft mit Hochdruck. Die deut­ sche Industrie wie Politik werden sich auf ein innovatives China einstellen müssen, das nicht länger die verlän­ gerte Werkbank sein will. Die Chan­ cen, die dieser Prozess für deutsche Unternehmen bietet, waren Grund genug für den Wirtschaftsrat mit ei­ ner Delegation von 15 Unternehmern nach China aufzubrechen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Begleitet wur­ den die Firmenlenker von der Bun­ destagsabgeordneten Nadine Schön. Ziel der Reise war die südliche Provinz Guangdong, schon immer Ausgangspunkt und Vorreiter für Re­ formen und die Öffnung des Landes. Die Delegation des Wirtschaftsrates besuchte lokale Unternehmen, tausch­ te sich mit politischen Entscheidungs­ trägern aus und verständigte sich über die gegenseitigen Erwartungen bei­ der Länder aneinander. Gemeinsam

Wirtschaftsrats-Delegation informiert sich bei Foshan LXD zu Erfahrungen und Einsatz von Robotic in chinesischen Unternehmen

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Junger Wirtschaftstag

Neuer Bundesvorstand

Der Junge Wirtschaftsrat hat gewählt: Marcus Ewald, Jan Brorhilker und Sarah Hagenkötter bilden das neue Team. Zugleich konnten sie auf dem Jungen Wirtschaftstag hochkarätige Gäste empfangen.

Neuer Bundesvorstand: v.l.n.r. Marcus Ewald, Sarah Hagenkötter, Jan Brorhilker

Text: C aroline Bernhardt

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nter dem Motto „Politik für Morgen statt Ge­ schenke für Gestern“ diskutierten auf dem Jun­ gen Wirtschaftstag Alexander Graf Lambsdorff, stellvertretender Präsident des EU-Parlaments, Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung CDU/CSU, und Jens Spahn, Staats­ sekretär im Finanzministerium, mit 120 Führungskräften über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmertum und die wirtschaftlichen Herausforderungen der jungen Genera­ tion. Bundesvorsitzender Dr. Alexander Bode eröffnete zum letzten Mal nach zwei Jahren Amtszeit die Veranstaltung: „Unser Programm für das Bundestagswahljahr 2017 soll deutlich machen, dass wir wieder mehr positive Gestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen brauchen. Es muss Schluss sein mit Belastungen für die junge Gene­

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ration. Auf eine Legislatur in der viele Geschenke wie die Rente mit 63 verteilt wurden, muss eine Legislatur folgen, in der wieder die Gestaltung der Zukunft zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im Fokus steht“. Marcus Ewald, 33, wurde zum neuen Bundesvorsitzen­ den des Jungen Wirtschaftsrats gewählt. Er ist Geschäfts­ führender Gesellschafter bei Ewald & Rössing in Mainz und berät Unternehmen im Bereich Krisenmanagement. „Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein, muss Deutsch­ land bei Innovationen wieder führend werden. Stattdessen diskutieren wir Rentengeschenke, die auf Kosten der jungen Generation gehen“, kritisiert Ewald. Generalsekretär Wolf­ gang Steiger forderte zum Ende die Mitglieder des Jungen Wirtschaftsrats auf, sich selbstbewusst zu engagieren und sich in den Themen Digitale Agenda, Flüchtlingskrise, Ren­ tenpolitik und Griechenlandkrise Gehör zu verschaffen. l

TREND 4/2016


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© 2016 PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. „PwC Legal“ bezeichnet in diesem Dokument die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft, die zum Netzwerk der PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) gehört. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.

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WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

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NEUES AUS DEN KOMMISSIONEN 

FAMILIENUNTERNEHMEN UND MITTELSTAND

DEUTSCH-FRANZÖSISCHE WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN

Gemeinsame Impulse für Europa

Foto: Jens Schicke

Auf dem Deutsch-Französischen Wirtschafts­forum ging es um Europas Zukunft: Schwerpunkte lagen auf der besonderen Ver­ antwortung, die Deutschland und Frankreich gerade nach dem Brexit-Votum zukommt sowie konkreten Vorschlägen zur Digita­ lisierung der Wirtschaft in Europa. Herbert Reul MdEP, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, betonte, dass „der Brexit nur eines der zahlreichen Probleme Europas ist“. Trotz ­dieser Tatsache „müssen Europäer zusammen stehen“. Das unterstützte auch Andreas Jung MdB, Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentarier­ gruppe im Deutschen Bundestag: „Deutschland und Frankreich haben viele Be­währungsproben überwunden." Die Arbeitsgrup­ pe sprach sich dafür aus, nach der Methode der „kleinen Schrit­ te“ der Gründerväter Europas zentrale Projekte im europäischen l Kontext voranzubringen.

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Wirtschaftsrat und besonders der Bundesfachkommission für die konstruktive und verlässliche Unterstützung in den letzten l 18 Monaten.

INDUSTRIEBEIRAT

Industriepolitische Gesamtstrategie für Deutschland Foto: Hans-Christian Plambeck

Kommissionsvorsitzender Prof. Rolf Schnellecke kommentierte die Ergebnisse des Erbschaft­ steuerkompromisses, auf den sich die Große Koalition verständigt hat: „Das monatelange Ringen um eine mittelstandfreundliche Ausge­ staltung der vom Bundesverfas­ sungsgericht geforderten Neure­ gelung der Erbschaftsteuer hat sich gelohnt. Eine Reihe der Forderungen der Bundesfachkommission konnten im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durchgesetzt werden. Für die Familienunternehmen bedeutet die Einigung nun Rechtssicherheit.“ Der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Bundes­ tagsfraktion, Christian Freiherr von Stetten MdB, dankte dem

Foto: Jens Schicke

Zähes Ringen um die ­Erbschaftsteuer hat sich gelohnt

Der Standort Deutschland verliert massiv an Wettbewerbsfähig­ keit. Dies belegen internationale Studien renommierter Institute. Der Wirtschaftsrat nahm diese Entwicklung zum Anlass, Vertre­ ter führender deutscher und europäischer Unternehmen an einen Tisch zu holen und den Industriebeirat Deutschland zu gründen. Das Gremium hat sich zum Ziel gesetzt, einen entscheidenden Beitrag für eine industriepolitische Gesamtstrategie für Deutsch­ land zu leisten. Vorsitzender der Kommission ist Dr. Wolfgang Bernhard, ­Mitglied des Vorstands der Daimler AG. Stellvertre­ tende Vorsitzende sind Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln und Roland Koch, Ministerpräsident a. D. und Aufsichts­ l ratsmitglied der Vodafone GmbH.

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WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

EUROPASYMPOSIUM ZUR ENERGIEPOLITIK

ren weiterentwickeln, um V ­ er­sorgungssicherheit und Handel zu stärken und zu maximal kosteneffizienten Lösungen zu kommen“, forderte der Vorsitzende der Bundesfachkommission Energie­ ­ l politik, Dr. ­Johannes Lambertz.

ARBEITSMARKT UND ALTERSSICHERUNG

INTERNATIONALER KREIS

Nachbesserungen bei der Reform der Zeitarbeit

2. Deutsch-Chinesischer ­Wirtschaftsdialog

Der unscharfe Begriff „Equal Pay“ gab Anlass zur intensiven Dis­ kussion mit Wilfried Oellers MdB, der als Gast aus dem Parlament geladen war. Oellers erörterte den im Ausschuss verhandelten Kompromiss zur Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Dieser sieht nach neun Monaten eine „Equal Pay“-Regelung vor und eine Höchstleihdauer von 18 Monaten. Der Kommissionsvorsitzende Rainer Tögel warnte vor Rechts­ unsicherheiten durch den Begriff „Equal Pay“: „Angesichts der angedrohten hohen Sanktionen müssen hier klare Vorgaben

Der Wirtschaftsrat hat in Kooperation mit der Chinesischen Handelskammer in Deutschland e.V. einen hoch­ karätig besetzten Deutsch-Chine­ sischen Dialog im Zeichen der Innovations­ partnerschaft in der chinesi­ schen Botschaft in Berlin organisiert. Die Beziehungen zwischen Deutschland und China sind so intensiv wie nie zuvor, beson­ ders in der wirtschaftliche Kooperation. Zugleich entwickelt sich die chinesische Wirtschaft von der „Werkbank der Welt“ hin zu „Made in China 2025“. Die neue Strategie steht für die Automa­ tisierung und Digitalisierung der Industrie. Das deutsche Indust­ rie-4.0-Konzept war hier Ideengeber. Kommissionsvorsitzender Dr. Jürgen Geißinger forderte ­gegenüber den Regierungen beider Länder Nachbesserungen: Da­ mit Deutschland seinen Vorsprung bei Industrie 4.0 nutzen kann, muss die digitale Infrastruktur schneller und ehrgeiziger ausge­ baut werden. Deutsche Unternehmen haben ihre Innovationskraft im freien Wettbewerb erarbeitet, der Voraussetzung für Innova­ tionen und Wachstum ist. Der Wirtschaftsrat setzt auch in der Zusammenarbeit mit China auf dieses Prinzip. Dies gilt für den chinesischen wie den deutschen Markt sowie auf Drittmärkten. l

Foto: Jens Schicke

Das Europasymposion in Brüssel stand ganz im ­Zeichen einer starken Energieunion. Da­ zu benannte der ­Vizepräsident der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, die Prioritäten (s. S. 39). Herbert Reul MdEP diskutierte auf dem Podium mit Dr. Leonhard Birnbaum, E.ON, Pavel Cyrani, CEZ, Lex Hartman, TenneT, Dr. Klaus Schäfer, Covestro und Xabier Viteri Solaun, Iberdrola Renovables, darüber, welche Weichen jetzt für einen starken Energiebinnen­ markt gestellt werden müssen. Besonderes Augenmerk legten die Diskutanten auf die Harmonisierung des Lastflusses mit den Nachbarländern, ­ eine europäische Markt­integration der Erneuerbaren und den Einsatz digitaler Lösungen für mehr Effizienz und Flexibilität. „Mindestens Deutschland und seine ‚elektrisch verbundenen Nachbarn‘ sollten gemein­same, grenzüberschreitende Struktu­

nachverhandelt werden, welche Lohnbestandteile am Ende zu be­ rücksichtigen sind.“ Die Zeitarbeit ist für viele Unternehmen eine entscheidende Flexibilitätsreserve, die sie mit der Auftragslage l „atmen“ lässt.

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Foto: Jens Schicke

Foto: www.fkph.net

Europa braucht einen starken Energiebinnenmarkt


WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Die richtigen ­politischen Weichen stellen Text: C aroline Bernhardt

Investitionen, z.  B. in verkehrliche und digitale Infrastruktur sowie in Bildung. Diesen Grundsatz einer se­ riösen Haushaltspolitik hat die neue Landesregierung leider aufgegeben", bedauert der neue Landesvorsitzen­ de. Das derzeit niedrige Zinsniveau täusche nur über diese Notwendigkeit hinweg. Die Mehreinnahmen würden schon wieder konsumtiv und ziellos ausgegeben und der Personalapparat weiter aufgebläht. Auch die ausgaben­ orientierten Konzepte der Union seien hier zu überarbeiten.

„In einem hochverschuldeten Land wie Schleswig-Holstein erdrücken die Schulden zukünftige Generationen.“

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Foto: Fotolia.com ©Artalis-Kartographie

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ie mittelständische Wirtschaft muss sich im industrieschwa­ chen Schleswig-Holstein wieder mehr auf die Politik verlassen können, ist Dr. Christian von Boetticher überzeugt. Der Ge­ schäftsführer des Haferflocken-Tra­ ditionsunternehmens Peter Kölln, früher Europaabgeordneter und Landwirtschaftsminister in Schles­ wig-Holstein sowie Parteivorsitzender der CDU, steht seit wenigen Wochen an der Spitze des Wirtschaftsrates im nördlichsten Bundesland. „Zu oft wird die unternehmerische Freiheit durch bürokratische Gesetzesvorha­ ben eingeschränkt und es entsteht eine Mehrbelastung für die Betriebe, die uns im Wettbewerb schwächt und Arbeitsplätze kostet“, kritisiert Dr. von Boetticher. Ganz oben auf seiner politischen Agenda steht nach der Einführung der Schuldenbremse auf Landesebene vor allem die Sanierung des Haushalts. „In einem hochverschuldeten Land wie Schleswig-Holstein erdrücken die Schulden zukünftige Generationen. Daher benötigen wir auch in guten Wirtschaftsjahren einen soliden Spar­ kurs gepaart mit zukunftsrelevanten

Für den 45-Jährigen ist seine neue Aufgabe eine echte Herzensangele­ genheit. „Der Wirtschaftsrat hat die Möglichkeit, ein konstruktiver Spar­ ringspartner für die Politik zu sein und ihr konkrete Empfehlungen für einen attraktiven Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein an die Hand zu geben. Nur mit weitreichenden und mutigen Maßnahmen können wir die Zukunft deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb sichern.“ Christian von Boetticher weiß, wovon er spricht – der promovier­ te Jurist kennt sowohl die politische

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Foto: Joachim Welding

WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Dr. Christian von Boetticher ist neuer Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates in Schleswig-Holstein. Der Geschäftsführer des Haferflocken-Taditionsunternehmens Peter Kölln in Elmshorn hat sich fest vorgenommen, der Politik konkrete Empfeh­ lungen für einen attraktiven Wirtschaftsstandort an die Hand zu geben. Dabei setzt er auf eine konsequente Ordnungspolitik, die auf individueller Freiheit, Leistungsgerechtigkeit und Zukunftsinvestitionen basiert.

als auch die unternehmerische Pers­ pektive. Bevor er vor gut einem Jahr zum Geschäftsführer des Elmshorner Familienunternehmens Peter Kölln berufen wurde, war er von 1999 bis 2004 Abgeordneter des Europäischen Parlaments, von 2005 bis 2009 Land­ wirtschaftsminister in Schleswig-Hol­ stein, von 2009 bis 2011 Fraktionsvor­ sitzender der CDU-Landtagsfraktion und von 2010 bis 2011 auch Partei­ vorsitzender der CDU Schleswig-Hol­ stein. Zuletzt arbeitete er einige Jahre in einer Norddeutschen Sozietät von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern in der Hamburger Innenstadt, zuletzt als Partner. Auf die Landtagswahl in Schles­ wig-Holstein im Februar 2017 blickt

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Christian von Boetticher nicht besorgt, sondern mit Tatendrang: „Der Wirt­ schaftsrat war und ist ein einflussrei­ ches Sprachrohr der mittelständischen Wirtschaft gegenüber allen Parteien. Wenn die CDU ihr Wahlprogramm verabschiedet, werden wir uns inten­ siv an der Debatte beteiligen. Wer, wenn nicht wir Unternehmer können der Politik vor Augen führen, welche Weichen sie stellen muss, damit der Wohlstand für alle erhalten bleibt?“, fragt der neue Landesvorsitzende. Im norddeutschen Landesverband brennen einige Themen unter den Nä­ geln – dessen ist sich von Boetticher bewusst. „Schleswig-Holstein hat eine marode Infrastruktur – zusätzlich feh­ len immer noch eine leistungsfähige

Ost-West-Verbindung und die west­ liche Elbquerung. Und obwohl wir beim Ausbau der digitalen Infrastruk­ tur im Ländervergleich recht gut da­ stehen, gibt es auch hier noch viel zu tun“, so der Geschäftsführer. „In der Bildungspolitik steht ideologisch der Weg zur Einheitsschule auf dem Pro­ gramm der Regierung, während das Fehlstunden-Portal des Wirtschafts­ rates gleichzeitig eine historisch hohe Anzahl von nicht gegebenem Fach­ unterricht aufweist. Das Bildungsni­ veau sinkt und Ausbildungsplätze wer­ den immer häufiger von Abiturienten belegt, für die sich früher Haupt- und Realschüler qualifiziert haben.“ Eine große politische Herausforde­ rung im Norden bleibe auch der Aus­ bau der Windenergie. „Die Trassenan­ bindung an den Süden ist für ganz Deutschland von größter Bedeutung, wird aber voraussichtlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Schles­ wig-Holstein benötigt daher dringend eine Strategie zur Nutzung des Über­ schussstromes, der bisher produziert und entgolten, aber nicht abgenommen werden kann. Dies kann durch eine stärkere Sektorenkoppelung gesche­ hen, also zur Wärme- oder Kältege­ winnung oder durch innovative Kon­ zepte für Mobilität oder Speicherung. Hier ist eine Strategieentwicklung ge­ meinsam mit innovativen Start-Ups, mittelständischen Energieproduzenten und der Landespolitik von Nöten“, for­ dert der Landesvorsitzende. Dr. Christian von Boetticher ist Optimist. Er sieht im Spannungsfeld schwieriger politischer Rahmenbe­ dingungen immer eher die Chancen als die Gefahren: Um Zukunftsin­ vestitionen zu mobilisieren, benötige Deutschland eine Politik, die auf In­ vestitionen, Leistung und Eigenver­ antwortung setzt statt auf Umver­ teilung und steigende konsumtive Sozialleistungen. „Wir benötigen ei­ nen flexiblen Arbeitsmarkt 4.0 anstatt starrer Lösungen. Nur wenn es uns gelingt, in diesen Bereichen heute die politischen Weichen richtig zu stellen, wird das deutsche Wirtschaftsmodell mit einem starken Mittelstand auch künftig noch für Pioniergeist, Wachs­ l tum und Wohlstand stehen!“

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WIRTSCHAFTSRAT Innovationsforum

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ie Generation R wächst her­ an, und sie wird mit Robotern so arbeiten, wie wir mit dem Smartphone“, prophezeite Dr. Till Reuter, Vorstandsvorsitzender der KUKA AG, auf dem dritten Innova­ tionsforum des Wirtschaftsrates, zu dem mehr als 60 Unternehmensvor­ stände von Hidden Champions sowie zahlreiche Abgeordnete des Deut­ schen Bundestages gekommen waren. Gemeinsam mit Roland Zelles, Vice President EMEA Territory von Auto­ desk, wurde über die Frage diskutiert, wie Forschung und Innovationen un­

Foto: Wirtschaftsrat

Text: C aroline Bernhardt und Johann Caspar Fuhrmann

Forschung und Entwicklung sind der Dreh- und Angel­punkt – v.l.n.r.: Prof. Dr. Norbert Winkel­ johann, Roland Zelles, Dr. Till Reuter diskutieren mit den Unter­nehmern über die Digitalisierung der Wirtschaft

und Entwicklung zu stecken. Matthias Graf von Kielmansegg, Ministerialdi­ rektor im Bundesministerium für Bil­ dung und Forschung, hatte zuvor aus­ geführt, dass Unternehmen und die öffentliche Hand in Deutschland der­ zeit 2,9 Prozent des Bruttoinlandspro­ duktes in Forschung und Entwicklung investieren. „Vielleicht sollten wir in größeren Dimensionen denken“, for­ derte Zelles daraufhin.

Unternehmen vor sogenannten uner­ wünschten Übernahmen gesetzlich zu schützen, der deutschen Exportwirt­ schaft. Denn daraus folgten fast immer protektionistische Gegenmaßnahmen. Mit Tempo zur Gigabit-Gesellschaft In den nächsten Jahren müsse ein flächendeckendes Gigabit-Netz in Deutschland ausgerollt werden, da­ mit innovative IT-Anwendungen überhaupt möglich seien, mahnte

Foto: Fotolia.com ©monsitj

Nicht über Industrie 4.0 sprechen, sondern machen! ser Leben verändern. „Die digitale Transformation kann nur mit mehr unternehmerischem Mut gelingen“, erklärte der Vorsitzende des Innovati­ onsforums, Prof. Dr. Norbert Winkel­ johann, Sprecher des Vorstands von PWC, zum Auftakt der Veranstaltung. „Nur dann entsteht aus einer Idee auch eine anwendbare Innovation. Die Kultur der vorsichtigen Schritte ist ein Hemmschuh für unseren Mittelstand und die Industrie.“ Mehr Geld für Forschung und Entwicklung Reuter und Zelles betonten, dass Bund, Länder und Unternehmen ge­ fordert seien, mehr Geld in Forschung

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Mehr Mut zur digitalen Trans­formation lautete das Credo auf dem dritten Innovationsforum des ­Wirt­schaftsrates. Nur so entsteht der Stoff für I­ nnovationen. Schneller von der Idee zum Produkt KUKA-Chef Reuter hob noch einmal die Konkurrenzfähigkeit seines Unter­ nehmens als besonders wichtig her­ vor: „Wir sehen, dass der Wettbewerb in unserem Segment stark ist und wir kontinuierlich daran arbeiten müssen, unsere gewonnene Stärke zu verteidi­ gen.“ Im Hinblick auf die Übernahme von KUKA durch einen chinesischen Wettbewerber schade der Vorstoß von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel,

Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, in seinem Fazit. Zu­ gleich kritisierte er, dass Deutschland im internationalen Vergleich zurück­ falle. Die Geschwindigkeit der Digi­ talisierung in Südkorea sei doppelt so hoch wie bei uns. „Wir brauchen das schnelle Internet – und zwar jetzt.“ Auch künftig werde der Wirtschaftsrat seinen Anspruch untermauern, der Fortschrittsbeschleuniger der deut­ l schen Politik zu sein.

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Rückblick Einblick Ausblick

Rede, so Papier. Die vermeintliche Politikverdrossenheit resultiere aus einem zunehmenden „Exekutivföderalismus“, der medialen „Herrschaft der Bilder“ und dem „Ansehensverlust von Politikern und Parteien“. Das Vertrauen der Bürger, so Papier, sei nicht durch Volksabstimmungen sondern nur mit praktizierter Sachpolitik zurückzugewinnen. Komplexe politische Entscheidungen könnten nicht auf ein einfaches Ja oder Nein reduziert werden.

Foto: Jens Schicke

Kanzleramts-Chef Altmaier: „Deutschland kann sich nicht wegducken Der Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, Peter Altmaier MdB, ging neben der Bedeutung der Digitalisierung auf dem Hauptstadtfrühstück des Wirtschaftsrates auch auf die Flüchtlingsdebatte ein. Er fand deutliche Worte für die geostrategische Verantwortung Deutschlands gegenüber seinen Nachbarn in Europa im mittleren und Nahen Osten. Natürlich zähle insbesondere die Verantwortung, dem deutschen Volk gegenüber „Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten, die es ermöglichen, Güter und Dienstleistungen zu exportieren, Geschäftsbeziehungen zu erweitern und die Position, die sich Deutschland wirtschaftlich erworben hat, zu sichern“. Es werde uns aber nur so lange gut gehen, wie um uns herum Stabilität herrscht, und uns die Waren und Dienstleistungen auch abgenommen werden. Wenn Deutschland es nicht schaffe, diese Stabilität aufrechtzuerhalten, werde unser Land die Folgen zu spüren bekomv.l.n.r.: Dr. Rainer Gerding, Peter Altmaier MdB, und Dr. Nikolaus Breuel men, betonte Peter Altmaier.

Hamburg

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Erfolgsmodell Parlamentarische Demokratie Viele Bürger scheinen sich von der Politik zu entfremden. Doch sind Volksabstimmungen wirklich die Lösung? Nein, befand der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier, vor Mitgliedern. „Die Demokratie des Grundgesetzes ist eine parlamentarisch-repräsentative und kennt Formen der unmittelbaren oder plebiszitären Demokratie nur in Ausnahmefällen“, erklärte er. Der Grund dafür liege in der Zeit der Weimarer Republik, in der die Beteiligungselemente den Staat entscheidend schwächten. Das Grundgesetz habe diese Schwächen mit Erfolg vermieden. „Das Ergebnis ist eine der stabilsten Demokratien im internationalen Vergleich.“ Dennoch sei „nicht ganz ohne Staatsrechtler Hans-Jürgen Papier Grund von Krisenerscheinungen der spricht zu Unternehmern im Wirtschaftsrat parlamentarischen Demokratie“ die

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Seit dem Brexit-Referendum herrscht Unsicherheit. Der Wirtschaftsrat lud zur Diskussion ein, um mehr Klarheit über den Verhandlungsprozess und seine Folgen zu erhalten. Botschafter Sir Sebastian Wood KCMG ließ keinen Zweifel: Brexit heißt Brexit. Der Wille der Wähler müsse respektiert werden. Dazu gehöre, dass Großbritannien Kontrolle über seine Zuwanderung und Rechtsprechung erhalte. Dennoch müssten die Interessen aller Partner berücksichtigt werden, um eine faire Lösung zu finden. Ziel sei es, möglichst enge wirtschaftliche Beziehungen zu bewahren. „Wir verlassen die EU, aber nicht Europa“, betonte Wood. Der Europa-Abgeordnete David McAllister betonte, dass das EU-Prinzip der vier Freiheiten einen zentralen Streitpunkt in den Verhandlungen darstellen werde. Dessen Ausgang und Folgen seien schwer abzuschätzen, ergänzte Hans-Hartwig Blomeier, Leiter des Londoner Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Daher verhielten Unternehmen sich derzeit sehr vorsichtig. Gunnar Uldall erklärte, dass Hamburg sich für eine faire Lösung einsetzen werde. Nicht umsonst sei die Hansestadt „the most v.l.n.r.: David McAllister, Sir Sebastian Wood KCMG, Gunnar Uldall, Hans-Hartwig Blomeier British town of Europe.“

Bremen Rekommunalisierung der Bremer Abfallwirtschaft Über die Vor- und Nachteile der Rekommunalisierung diskutierten auf dem Podium Staatsrat Ronny Meyer, zuständig für Umwelt und Zentrales beim Senator für Bau, Umwelt und Verkehr, und Ernst Mönnich, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre und Co-Autor des Buches „Zurück zur Kommune?!“, waren dies Prof. Dr. Rüdiger Siechau, Geschäftsführer Stadtreinigung ­Hamburg sowie Dr. Frank Thoss, Syndicus Handelskammer Bremen und Hans-Dieter Wilcken, Geschäftsführer Nehlsen GmbH & Co. KG mit gut 50 Unternehmern aus dem Wirtschaftsrat. Hauptkritikpunkt des Wirtschaftsrates an der Rekommunalisie run g : Der Steuerzahler haftet für das unternehmerische v.l.n.r.: Ronny Meyer, Prof. Ernst Mönnich, Hans-Dieter WilRisiko der öffentcken, Gerrit Reichert, Dr. Frank Thoss, Prof. Dr. Rüdiger Siechau, Andreas Setzer, Dirk Briese lichen Hand.

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Berlin-Brandenburg

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Der Brexit und seine Folgen


WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

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Digitaltag der Sektionen: Deutschland braucht eine eigene digitale Identität Wie werden die Unternehmen der Zukunft aussehen? Wie verändern sich mit der Digitalisierung Zielgruppen und Märkte? Wie sehen neue Geschäftsmodelle aus und wie sicher sind sie? Ein Tag im Zeichen der Digitalisierung. „In Deutschland Visionen umzusetzen ist schwierig“, sagte Markus Mey, Fotograf und Start-Up Unternehmer und mit 56 Jahren ältester Bewohner einer Tech-WG im Valley. „Hier will man Business Pläne. Das Valley will Visionen.“ Diese digitale Identitätskrise thematisierte auch Jürgen Riedel, Vorstand bei Inventum: „Wenn es die Flüchtlingskrise nicht gäbe, wäre Digitalisierung das Unwort des Jahres.“ Riedel regte an, nicht immer auf das Valley zu schielen. Deutschland brauche eine eigene digitale Identität, um die Potentiale zu heben. Die Digital-Pioniere Markus Besch und Torsten Sandgathe gaben Einblick in die Bereiche Arbeit und Führung im digitalen Zeitalter, bevor Achim Gauss, Geschäftsführer Zimmer Group, aus der Ortenau Beispiele aus der unternehmerischen Praxis gab. Innovation, so Gauss, gelinge im Bereich Digitalisierung derzeit nur durch Einzellösungen und überdurchschnittliTorsten Sandgathe: „Digitalisieches Engagement. Zu groß seien die bürorung 4.0 ist da. Ich frage mich: Wo bleibt Führung 4.0?“ kratischen Hürden.

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Kultusministerin beim Jungen Wirtschaftsrat: Alte Strukturen neu denken Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann gab einen Überblick über die Aktivitäten des Landes und stellte den Haushaltsetat von rund 600 Millionen Euro für Sport, Kunst und Kultur vor. „Das ist berechtigt“, betonte Eisenmann. „Wir brauchen Sport und Kultur in unserer schnelllebigen Zeit.“ Interessant auch die Zahlen zu den Aktivitäten der Unternehmen: 75 Prozent der Sponsorengelder für Sport im Land kommen aus kleinen und mittleren Unternehmen. Auf diese Nische setzt auch Unternehmer Rainer Scharr. Für ihn gehe es darum, über diese Schiene Produkte zu vermarkten, die nicht so sexy seien, wie in seinem Fall Heizöl. Während Jürgen Schweikardt, Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten TVB 1898 für kleine und mittlere Vereine große Chancen sieht, betonte Manfred Langner, Intendant der Stuttgarter Schauspielbühnen, man könne mit dem Status Quo im Bereich Kultursponsoring nicht zufrieden sein: „Wir blicken neidvoll in Richtung Sport.“ Über die wichtige Bedeutung von Kultur und Sport herrschte indes Einigkeit auf dem PoJunger Wirtschaftsrat denkt alte Strukturen neu dium.

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Herbstempfang: Analoge Werte, digitale Märke „Es sich bequem zu machen funktioniert nicht, wenn man vorwärts kommen will“, betonte Julia Klöckner im Flughafen-Hangar in Böblingen. Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende rief zu mehr Offenheit und Mut für Neuerungen auf. Das gelte für die Politik wie auch für die Unternehmer. Klöckner sieht auch Handlungsbedarf im Bildungssystem: „In digitalen Zeiten zählen Kompetenz und Wissen mehr denn je. Wir müssen v.l.n.r.: Joachim Rudolf, Werner M. Bahlsen, Julia Klöckner, Wolfgang Steiger, Daniel Imhäuser kritisch hinterfragen, was Schulen heute vermitteln“. Es gäbe Gründe dafür, warum niemand mehr Unternehmer werden wolle. Gelebte Werte sind die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg. Spitze komme immer aus Breite. „Facebooks Werte sind nicht so weit von denen vieler Familienunternehmen entfernt“, sagte Wirtschaftsrats-Präsident ­Werner M. Bahlsen nach dem Besuch des Silicon Valley. Der Geist des Gründers präge das Unternehmen. Auch Bahlsen rüttelte wach: „Wir schauen auf die Konkurrenz statt auf die, die heute noch gar keine Konkurrenz sind, morgen aber unser Geschäftsmodell zerstören.“ Unternehmer müssten bereit sein, Wandel als Wert zu verinnerlichen. Es gehe darum, mutig und entschlossen nach vorn zu blicken und die Intelligenz des Landes zu nutzen. Wirtschaftsrats-Generalsekretär Wolfgang Steiger forderte: „Der Wirtschaftsstandort muss wieder im Zentrum deutscher Politik stehen.“ Nur so sei der Balance-Akt zwischen huma­ nitärer Pflicht und gesellschaftlich-unternehmerischer ­Leistungsfähigkeit zu meistern. „Wirtschaftlicher Erfolg ist die Basis für Innovation, aber auch für Soziale Sicherheit“, mahnte Steiger.

Niedersachsen Sektion und Junger Wirtschaftsrat Hand in Hand Starting Up – Gestalte Deine Zukunft selbst! war das Motto der Veranstaltung vom Jungen Wirtschaftsrat und der Sektion Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Gut 60 junge Unternehmer, Studenten und Mittelständler kamen in die Hochschule Osnabrück. Die Keynote „Startup und Digitalisierung im Fokus“ lieferte Christian Bredlow, Geschäftsführer der Digital Mindset GmbH. Reichlich Stoff für die Moderation von Prof. Dr. Christian Kröger und die folgenden drei „InspiringPitches – Finde Deine Geschäftsidee!“ von Tobias Zimmer, Geschäftsführer Coffee-­ Bike GmbH, Mobile Coffee Company, Philipp Müller, Geschäftsführer Motion Drive® Erlebnissportwagenverleih und Timo Seggelmann, Geschäftsführer SALT AND PEPPER Technology GmbH & Co. KG.

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Baden-Württemberg


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„Deutschland ist ein kleines Land, trotzdem sind wir die viertstärkste Industrienation der Welt. Daran hat die duale Ausbildung sicherlich großen Anteil“, unterstrich Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung. Der Erfolg schlage auch außerhalb Europas Wellen. „Doch leide das System derzeit Mangel an Lehrlingen. „In den neuen Bundesländern hat dies Ausmaße von bis zu 45 Prozent angenommen.“ Die Gründe lägen in der mangelnden Beratung der Jugendlichen. „Junge Leute müssen früh und präventiv beraten werden, in der Arbeitslosigkeit sind viele Maßnahmen schon wirkungslos. In der Schule muss eine intensivere Beratung erfolgen. Auch gescheiterte Studenten aufzufangen, ist wichtig. Hier muss die Handwerkskammer etwa bei der Anrechnung von absolvierten Semestern stärker eingebunden werden“, forderte Wanka. In der Podiumsdiskussion wurde schnell deutlich: Der Status Quo ist für den Mittelstand kaum mehr tragbar. „60 Prozent der Abiturienten schließen eine Ausbildung aus. Als Gründe geben sie körperliche Arbeit, Schmutz und Dreck sowie fehlende gesellschaftliche Anerkennung an“, eröffnete Moderatorin Petra Bobek von hr-iNFO die Debatte. Den gängigen Klischees widersprach der Präsident der Handwerkskammer Rhein/Main, Bernd Ehinger: „Auch vor dem Handwerk macht die Digitalisierung nicht Halt. Die Zeiten, in denen Dachdecker in luftige Höhen steigen mussten, sind vorbei.“ Der Vorsitzende der Landesfachkommission Familienunternehmen und Mittelstand, Erhard Seeger, sprach sich für mehr Praktika in der Schule aus. „Warum sollen Schüler nicht auch einen Teil ihrer Ferien nutzen, um sich beruflich zu orientieren?“ Die wichtigsten Berater blieben jedoch die Eltern, dort müsse der Hebel angev.l.n.r.: Erhard Seeger, Prof. Dr. Johanna Wanka, Petra Boberg setzt werden.

Ministerpräsident Volker Bouffier MdL: Hessen lebt von einer bunten wirtschaftlichen Vielfalt „Der Wirtschaftsrat ist gut aufgestellt und wichtiger denn je. Wir brauchen ihn als Stimme der Sozialen Markwirtschaft“, eröffnete der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier den Jahresempfang des Wirtschaftsrates. Die Soziale Marktwirtschaft dürfe keine Resterampe sein – ihre Inhalte seien aktueller denn je. „Wir stehen jedoch vor großen Herausforderungen: Meinungen stehen heute über Fakten und Fakten stimmen nicht mit den Meinungen überein“, konstatierte Bouffier. „Die postfaktische Gesellschaft prägen Meinungen und Emotionen. Ein Resultat der sozialen Netzwerke, der neuen Art der Kommunikation.“ Eine Meinung auf die Anzahl von Zeichen reduziert, führe dazu, dass die ­Bereitschaft zuzuhören erlösche. „Umso wichtiger ist es, dass die Politik ihre Positionen immer wieder darlegt und begründet.“ „Wir sind stolz darauf, in Hessen einige Dinge gemacht zu ha-

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Duale Ausbildung in Deutschland – Vorbild für Europa?

ben, die es sonst nirgends gibt.“ Als Beispiel nannte Bouffier den Hessischen Asylkonvent, einen Zusammenschluss von über 50 Institutionen, die gebraucht werden, wenn Integration gelingen soll. „Wir brauchen Macher – wir können nicht nur reden.“ Im Vordergrund stehen Best-Practice-Beispiele. Hessen hat über 26.000 Schüler aufgenommen. Herausragend sei die Leistung der Lehrer: Nur wenn man diese Leistung wahrnehme und anerkenne, motiviere man zum Weitermachen. „Hessen ist das stärkste Land, ob bei Lohn, Zuwachs oder Standortattraktivität.“, lobte Bouffier den Mittelstand. Die Arbeitslosenquote sei die niedrigste seit einem Vierteljahrhundert. Hessen lebe von einer bunten wirtschaftlichen Vielfalt. Doch die gute Lage solle nicht zum Entspannen einladen. Die Wirtschaft müsse ihren Beitrag leisten. „Für mich ist Forschung einer der wichtigsten Motoren für Wachstum und Wohlstand, unser Engagement für die Zukunft. ‚Nie zufrieden‘ muss unser Anliegen sein“, Ministerpräsident Bouffier: Rundumappellierte der Ministerpräsident an schlag von Sozialer Marktwirtschaft über Integration bis Mittelstand die Unternehmer.

Sachsen Was ist los in Deutschland? Warum findet keine Wirtschaftspolitik für den Mittelstand mehr statt? Unter dieser provokanten Frage analysierte und diskutierte Prof. Werner J. Patzelt, Lehrstuhl für politische Systeme und Systemvergleich am Institut für Politikwissenschaft der Technischen Universität Dresden, mit den Unternehmern die Ergebnisse einer vom Wirtschaftsrat begleiteten Masterarbeit. Der kleinteilige sächsische Mittelstand fühlt sich in der ­Politik nicht berücksichtigt, obwohl 99 Prozent der sächsischen Wirtschaft dem Mittelstand zuzurechnen sind. Klein- und Kleinstunternehmen machen über 90 Prozent des Mittelstands, des Handwerks und des Produzierenden Gewerbes im Freistaat aus. 74,4 Prozent der Arbeitnehmer und 74 Prozent der Auszubildenden waren 2014 in Sachsen in diesen Betrieben beschäftigt. Gut 67 Prozent des Gesamtumsatzes im Land erwirtschafteten diese Betriebe 2014. Verblüffend einfache Antworten lieferte Prof. Werner J. Patzelt. Er ermutigte die Unternehmer, ihre Interessen gegenüber der Politik noch aktiver und öffentlichkeitswirksamer wahrzunehmen. Der Mittelstand sei als tragender Teil der Mitte der Gesellschaft herauszustellen. Im Mittelstand werde soziale Verantwortung wahrgenommen. Er garantiere Wohlstand und soziale Sicherheit. Erst ein positiv besetztes Unternehmerbild gepaart mit öffentlichem Druck werde zu einer Wirtschaftspolitik für den Mittelstand führen, die mehr sei, als Prof. Werner J. Patzelt diskutiert mit Mitgliedern des Landesverbandes Lippenbekenntnisse.

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Hessen


Nordrhein-Westfalen

Thüringen

Chinesischer Botschafter bei Aachener Wirtschaftsrat

22. Weimarer Wirtschaftsgespräch: Thüringens Zukunft gestalten

Offen und unkompliziert, präsentierte sich der chinesische Botschafter in Deutschland, Shi Mingde. Sektionssprecher Dr. Hans-Dieter Jostarndt betonte die besonderen Beziehungen Aachens zu China und dankte dem Botschafter den Gedankenaustausch mit gut einhundert Wirtschaftsvertretern möglich gemacht zu haben. Unter den Gästen IHK-Präsident Bert Wirtz und Ulla Thönnissen MdL. Shi Mingde betonte, dass sich das Verhältnis beider Länder immer weiter verbessert habe. China habe eine rasante Wirtschaftsentwicklung hinter sich, sei nach den USA die größte Volkswirtschaft der Welt. Damit sei beträchtlicher Wohlstand in China entstanden, rund 600 Millionen Menschen aus der Armut befreit worden. „Wachstum in China kommt der Welt zugute“, sagte der Botschafter. „Chinas Wirtschaft befindet sich auf hohem Niveau und kann nicht mehr im zweistelligen Bereich wachsen. 6,7 Prozent ist aber sehr gut.“ In China erfolgt eine rasante VerSektionssprecher Dr. Hans-Dieter städterung, sagte Shi Mingde. Lebten Jostarndt begrüßt den Botschafter der Volksrepublik China, Shi Mingde vor 35 Jahren noch 80 Prozent der Bevölkerung auf dem Land, ist es heute die Hälfte. Ein Prozent mehr Stadtbevölkerung bedeuteten zehn Millionen Menschen, die mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und In­ frastruktur versorgt werden müssten. Daher sei es Ziel Chinas, zukünftig stärker Wachstum durch Innovation zu erzielen. Hier sei Deutschland Vorbild und China daher an einem wirtschaftlichen Austausch interessiert. Wie intensiv dieser sei, zeigte der Botschafter auf: Deutschland ist mit 40 Milliarden US-Dollar und 8.200 Firmen in China der größte ausländische Investor. Aber auch chinesische Investoren und Firmen hätten Deutschland als Markt entdeckt. 2.000 chinesische Unternehmen sind hier tätig, davon 900 in Nordrhein-Westfalen.

zum Vorsitzenden des Landesvorstandes folgte das 22. Weimarer Wirtschaftsgespräch. Moderator Michael Tallai, Mediengruppe Thüringen, führte vor und mit den etwa 140 Unternehmern sowie den Diskutanten Staatssekretär Georg Maier, Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring, Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident Freistaat Sachsen a.D. und Mihajlo Kolakovic die Diskussion um die Zukunft – und damit die eigene Gestaltungsfreiheit des Freistaates. Staatssekretär Maier – erstmals ließ sich ein Minister­prä­ sident vertreten – hörte aus erster Hand die Sorgen, Forde­rungen und Vorschläge der Wirtschaft: Die Etataufblähung müsse in eine Senkung auf unter acht Milliarden Euro gekehrt, die höhere Grunderwerbssteuer zurückgenommen und der Breitbandausbau ambitionierter als mit durchschnittlich 50 MBit/s vorangetrieben werden. Themen, die Landesverband und Vorstand künftig ­einfordern werden – auch auf Sektionsebene: Extra hierfür wurde der wiedergewählte Vorstand Dr. Michael Mertin, Vorstandschef JENOPTIK AG und ­Vizepräsident des Wirtschaftsrates, Hans-Jürgen Kern, Kern Technik GmbH & CO. KG sowie Hans-Ulrich Göhringer verstärkt durch Heinz Bley, Agrar GmbH Crawinkel sowie den ­ Sektionssprecher Erfurt Dr. Wolfgang Weißkopf, WEISSKOPF v.l.n.r.: Wirtschaftsrats-Generalsekretär Wolfgang Rechtsanwälte PartSteiger, Landesvorsitzender Mihajlo Kolakovic, Wirtschaftsrats-­Vizepräsident Dr. Michael Mertin nerschaft.

Impressum

Bankverbindung: Deutsche Bank AG/Bonn, 3105590 (BLZ 380 700 59) IBAN: DE84 3807 0059 0310 5590 00, BIC: DEUTDEDK380

Herausgeber: Werner Michael Bahlsen, Präsident, für den Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Verlag: Information für die Wirtschaft GmbH

Redaktion: Klaus-Hubert Fugger, Chefredakteur / Katja Sandscheper, Redakteurin Wissenschaftliche Beratung: Dr. Rainer Gerding, Bundesgeschäftsführer

Anzeigenkontakt: Katja Sandscheper, Telefon 0 30 / 2 40 87-301 Gesamtherstellung: STEINBACHER DRUCK GmbH Anton-Storch-Straße 15, 49080 Osnabrück Telefon 05 41 / 9 59 00-0, Telefax 05 41 / 9 59 00-33

Gemeinsame Postanschrift: Redaktion Trend Luisenstraße 44, 10117 Berlin Telefon 0 30 / 2 40 87-300/301, Telefax 0 30 / 2 40 87-305 Internet: www.trend-zeitschrift.de

Erscheinungsweise: quartalsweise

Projektleitung: Information für die Wirtschaft GmbH

Bezugsbedingungen: Einzelpreis 7,50 Euro (einschl. MwSt.) Jahresabonnement 25,– Euro ­(einschl. MwSt.), zzgl. Versandkosten. Abonnements (vier Ausgaben) ­werden für ein Jahr berechnet. Kündigungen müssen sechs Wochen vor Ablauf des Abonnements schriftlich vorliegen, andernfalls verlängert es sich für ein weiteres Jahr.

Geschäftsführerin: Iris Hund (v.i.S.d.P.) Luisenstraße 44, 10117 Berlin Telefon 0 30 / 2 40 87-401, Telefax 0 30 / 2 40 87-405

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Auf die Wiederwahl von Mihajlo Kolakovic, Kolakovic & Partner,

Anzeigenpreise: Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 17 Bestellungen: Beim Verlag

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern


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Im Spiegel der Presse ImSpiegel Phoenix vor Ort, 06.10.2016

Anlässlich des Treffens des Koalitionsausschusses mahnt Werner M. Bahlsen die Regierung, „nicht jetzt schon in den Wahlkampfmodus zu verfallen, sondern an den verbliebenen Vorhaben der Großen Koalition konsequent weiter zu arbeiten.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.09.2016 Wolfgang Steiger befürwortet die geplante Börsenfusion: „Ein effizienteres Kapital- und Risikomanagement könnte zudem den Banken die Kreditvergabe erleichtern.“ Welt am Sonntag, 11.09.2016

WIRTSCHAFTSRAT Forum

Handelsblatt, 19.09.2016 TTIP ist eigentlich eine große Chance für Europa und Deutschland, meint Werner M. Bahlsen, Präsident des Wirtschafts­ rates, im Gast-Kommentar. Die Intransparenz am Anfang der Verhandlungen hat den Gegnern unnötige Angriffsflächen geboten.

Augsburger Allgemeine, 24.08.2016 Wolfgang Steiger warf dem Regierungspartner SPD im Gespräch mit der Zeitung vor, verfehlte Gesetzesinitiativen auf Kosten der „Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes“ zu starten. Handelsblatt, 26.10.2016 Der Wirtschaftsrat fordert die Bundesregierung auf, einen jährlichen Demografiereport zu erstellen. „Deutschland befindet sich auf einer Fahrt durch den Nebel, die schnell beendet werden muss“, sagte Wolfgang Steiger.

Fuldaer Zeitung, 22.09.2016 Wolfgang Steiger fordert die Bundesregierung zu einer ­gerechten Steuerpolitik auf: „Die Leistungsträger in der Mitte werden zu stark belastet.“

„Die Sozialausgaben wurden im Verhältnis zu den ­Investitionen zu stark erhöht“, moniert der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger.

Süddeutsche Zeitung, 03.09.2016 Der Entwurf zum Klimaschutzplan 2050 von Bundesministerin Hendricks ist ein „Horrorkatalog für die Wirtschaft“, betont Wolfgang Steiger.

Weser Kurier, 22.10.2016 ©Klaus Stuttmann

Mehr Freiheit für Unternehmen wagen! In einem Namens­ beitrag holt Wolfgang Steiger zu einem Rundumschlag gegen zahl­reiche Gesetzesvorhaben der Großen Koalition aus SPD-­Ressorts aus und fordert eine rasche Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

DVZ Deutsche Verkehrszeitung, 18.10.2016 Wolfgang Steiger zur Ausgestaltung der jüngst beschlossenen Bundesfernstraßengesellschaft: „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. Das gewährleistet, dass die Einnahmen aus dem Verkehr auch wieder im Verkehr ankommen.“ Handelsblatt, 18.11.2016 Wer in Deutschland nicht oder nur kurz erwerbstätig war, dem „darf daraus in Zukunft kein Anspruch auf lebenslange Sozialleistungen erwachsen“, sagte Wolfgang Steiger.

Stuttgarter Zeitung, 08.10.2016 Der Wirtschaftsrat lässt kein gutes Haar an dem Kom­promiss zur Entgeltgleicheit. Es reihe sich ein „in die Kette massiver bürokratischer Zusatzlasten für die Wirtschaft“, kritisiert ­Wolfgang Steiger.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.09.2016 Der Wirtschaftsrat verlangt, die Hilfskredite für ­Griechenland zu stoppen. „Eine Griechenland-Rettung kann und wird in diesem Rahmen nicht funktionieren.“ The European, 05.11.2016 „In Vielfalt geeint – so lautet die Devise der Europäischen Union. Das ist der Kern der europäischen Konstruktion. Wir brauchen aber nicht um die Sache herum zu reden: Dieser Kern bröckelt.“ In einem Namensbeitrag positioniert Wolfgang Steiger zu Europa.

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801.000.000.000

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Die kalte Progression hat die Bürger zwischen 2011 und 2016 rund 70 Milliarden Euro gekostet.

Norwegens Staatsfonds ist mit einem Volumen von 801.000.000.000 Euro der größte der Welt. Jeder Norweger besitzt somit rein rechnerisch 160.000 Euro.

Quelle: Ifo-Institut

Quelle: Handelsblatt

25.000 Knapp 25.000 Eisenbahnbrücken in Deutschland haben ein ­Durchschnittsalter von 50 Jahren.

Zahlen des Quartals

Quelle: Die Zeit

21 5.500.000.000 Im Jahr 2015 wurden 5.500.000.000 Euro aus dem EU-Haushalt fehlerhaft ausgegeben. Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Durchschnittlich geben die OECD-Länder 21 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Soziales aus. Auf Platz eins liegt Frankreich mit 31,5 Prozent, D ­ eutschland liegt mit 25,3 Prozent über dem Mittelfeld. Quelle: OECD

6,3 Vor allem Familien sollen ab 2017 mit insgesamt 6,3 Milliarden Euro entlastet werden. Angesichts weiter steigender Steuereinnahmen wäre es möglich und fair, Bürgern mehr als diese Mini-­Entlastung zukommen zu lassen. Quelle: Bundesfinanzministerium

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73 73 Prozent der Schüler wünschen sich ein Schulfach Wirtschaft. Quelle: Die Welt

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WIRTSCHAFTSRAT Forum

Große Themen wie Zuwanderung, Euro-­ Krise oder Islamismus-Debatte sind im Netz die Aufreger schlechthin. Unter den Online-Artikeln der konventionellen Medien äußern sich dazu schnell Hunderte von Nutzern. Meist klicken binnen kurzer Zeit Tausende Leser auf die Beiträge. Von programmierten Algorithmen getragen verdrängen sie so andere Themen in der Rangfolge der Nachrichtenportale. Eigentlich ein Grund zur Freude für die Medienhäuser. Wenn nicht die Diskussionen schnell in Pauschalbeschimpfungen, genannt „rants“, und gegenseitige Beleidigungen abgleiten würden. Es sind beileibe nicht nur „Wutbürger“ minderer Bildung. Der Abstand zwischen Gedanke und Online-Kommentar, Twitter- oder Facebook-­ Eintrag ist für viele zu kurz. Das ist auch eine Erfahrung im Selbstexperiment ;-). Wie reagieren private Medienhäuser wie Öffentlich-Rechtliche regelmäßig: Sie schließen ausufernde Diskus­ sionsfäden oder öffnen die Kommentarfunktion zuerst gar nicht. Dass ihre Webadministratoren oft kaum nachkommen, ist verständlich. Vergossene Krokodilstränen über das Abwandern der „Wutbürger“ auf Social-Media-Portale, auf denen algorithmengetriebene Nutzer vor allem eine ihre Meinung bestätigende Auswahl konsumieren, sind allerdings wohlfeil. Denn jede Debatte lässt sich mit den Löschund Ausschluss-Funktionen der Redaktionen eindämmen. Es ist eine Frage des Willens und des Personaleinsatzes. Social Media tut weh, liebe Verleger und Intendanten! TREND 4/2016


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Bürger und Kommunen wünschen komfortable Verund Entsorgungsleistungen sowie stabile Gebühren. Der finanzielle Handlungsspielraum dafür ist jedoch begrenzt. Das Modell der Zukunft für alle kommunalen Aufgaben der Recycling- und Wasserwirtschaft sind ganzheitliche Öffentlich-Private Partnerschaften, wie wir sie bereits seit vielen Jahren in ganz Europa erfolgreich prak tizieren. In gemeinsamen Gesellschaften beschäftigt die REMONDIS-Gruppe mit ihren kommunalen Partnern mehr als 9.000 Mitarbeiter und erbringt Leistungen für mehr als 20 Millionen Bürger. Kommunen und Bürger profitieren dabei von unserer hohen Investitionsbereitschaft in moderne Logistik, fortschrittliche Anlagen und wegweisende Technologien. Sie wollen Ihren Haushalt entlasten und finanziellen Spielraum hinzugewinnen? Profitieren Sie dabei vom Know-how der REMONDIS-Gruppe! Wir informieren Sie gerne oder arbeiten gemeinsam mit Ihnen ein maßgeschneidertes Konzept aus.

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