TREND - Magazin für Soziale Marktwirtschaft - Ausgabe 2/2019

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41. JAHRGANG 2 / 2019

Standort Deutschland:

Industriepolitik mit Augenmaß TOP-INTERVIEW

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ENERGIE

Mehr Marktwirtschaft bei der Energiewende GESUNDHEIT

Bedeutung der ­Gesundheitsbranche wächst


» DAS ALLERWICHTIGSTE IST, DASS DU SAUBER SPIELST, EGAL WO UND WAS DU SPIELST. « Bastian Schweinsteiger, Weltmeister mit der Fußballnationalmannschaft

WIR KÄMPFEN FÜR EIN LEGALES SPIEL MIT FÜNF REGELN FÜR SPIELHALLEN: Zutritt nur ab 18 • Kein Alkohol • Geschultes Personal Spielerschutz • Geprüfte Qualität automatenwirtschaft.de Die Deutsche Automatenwirtschaft ist sich ihrer Verantwortung für Spieler und Gesellschaft bewusst. Darum halten wir uns an strenge Grundsätze. Spielteilnahme erst ab 18 Jahren. Übermäßiges Spielen ist keine Lösung bei persönlichen Problemen. Beratung/Info-Tel. BZgA unter 01801-37 27 00 (3,9 Cent/Min. aus dem dt. Festnetz, max. 42 Cent/Min. aus deutschen Mobilfunknetzen).


Foto: Franz Bischof

EDITORIAL

Werner M. Bahlsen Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

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ach vier Jahren als Präsident des Wirtschaftsrates ist dies mein letztes Editorial. Ich schaue auf eine sehr spannende und ereignisreiche Zeit zurück, gleichzeitig freue ich mich auf ein bisschen mehr Zeit für meine Familie und Freunde. Mir war es als Präsident besonders wichtig, mich für eine stärkere Berücksichtigung der Belange eigentümergeführter Familienunternehmen einzusetzen. Sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft, nicht zuletzt gerade der deutschen Industrie. Andere Länder beneiden uns um den mit 23 Prozent hohen Industrieanteil am Bruttosozialprodukt. Doch Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit hat durch steigende Standortkosten, die höchsten Strompreise Europas und ausufernde Bürokratie stark gelitten.

Titelbild: Fotolia.com ©MasterSergeant

„Die Idee der Sozialen Marktwirtschaft ist so aktuell wie nie zuvor. Und die Stimme des ­Wirtschaftsrates heute so wichtig wie lange nicht.“ Gute Unternehmer, die in Deutschland für Arbeitsplätze sorgen und ihre Steuern zahlen, tragen zum Gemeinwohl bei. Deshalb muss die Industrie jetzt durch eine umfassende Strategie gezielt gestärkt werden. Dies gelingt nur, wenn die Soziale Marktwirtschaft wieder zur Richtschnur politischen Handelns wird und wir so die Grundlagen für das Wachstum von morgen schaffen. Dabei gilt vor allem: Steuerpolitik ist Standortpolitik. Andere Industrieländer haben ihre Unternehmenssteuern auf rund 25 Prozent gesenkt. Im Gegensatz dazu steigt in Deutschland durch die stetige Erhöhung der Gewerbesteuer-, der Grund- und Grunderwerbsteuerhebesätze die absolute steuerliche Belastung

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auf Sätze jenseits der 30 Prozent. Auch die staatliche Überbürokratisierung senkt die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts und hemmt Innovationen. Jetzt soll nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs auch noch allen Betrieben eine Arbeitszeiterfassung vorgeschrieben werden. Wenn es nur endlich gelänge bei Regulierungen „one in, two out“ zu erreichen, wäre sehr viel gewonnen. Für unseren Wirtschaftsrat bleibt in Deutschland und Europa viel zu tun. Wir müssen noch erhebliche Anstrengungen unternehmen, die Digitale Agenda zum Erfolg zu führen und die Chancen für unser Land und unseren Kontinent zu nutzen. Die Idee der Sozialen Marktwirtschaft ist dabei so aktuell wie nie zuvor. Und die Stimme des Wirtschaftsrates gerade heute in unserem Land so wichtig wie lange nicht. Von Ihnen verabschiede ich mich mit dem guten Gefühl, dass wir als das Präsidium des Wirtschaftsrates mit Astrid Hamker eine Nachfolgerin haben gewinnen können, die unsere Verbandsspitze verjüngt und weiter voranbringen kann. Astrid Hamker bereichert seit Jahren unser Präsidium durch ihre klaren Positionen. Ich wünsche ihr und dem neugewählten Präsidium wie dem Bundesvorstand eine glückliche Hand und viel Erfolg. Bei Ihnen, liebe Mitglieder und Freunde des Wirtschaftsrates, bedanke ich mich herzlich für Ihre Unterstützung. Dem Wirtschaftsrat bleibe ich eng verbunden und freue mich noch auf viele Kontakte und gute Gespräche. Mit freundlichen Grüßen

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INHALT

Inhalt

TITEL

Auf dezentrale Lösungen setzen  Hubert Aiwanger

STANDORT DEUTSCHLAND 12 Industriepolitik mit Augenmaß  Peter Hahne

Europa ist der Schlüssel  Prof. Dr. Martin Neumann

AKTUELL 8 TOP-INTERVIEW „Ich verstehe mich als Mittelstandsminister“ TREND sprach exklusiv mit Bundeswirt­ schaftsminister Peter Altmaier über die Belastungen des Mittelstandes, s­eine Industriestrategie, das Gelingen der ­ Energiewende und den geplanten Kohle­ ausstieg.

INTERVIEW 8 „Ich verstehe mich als ­Mittelstandsminister“  Peter Altmaier INDUSTRIE 10 Deutschland braucht ein klares industriepolitisches Leitbild  Michael Vassiliadis WIRTSCHAFTSPOLITIK 22 Das Märchen vom reichen Land endet bitter  Dr. Daniel Stelter STEUERPOLITIK 24 Steuerrecht zukunftsfest ­gestalten  Dr. Martin Dombrowski DIGITALISIERUNG 26 Soziale Marktwirtschaft im digitalen Zeitalter  Dr. Joachim von Schorlemer

12 TITEL Standort Deutschland: Industriepolitik mit Augenmaß Der Industriestandort Deutschland braucht dringender denn je die Debatte über seine internationale Wettbewerbs­ fähigkeit. Die Große Koalition hat die Wirtschaftspolitik weitgehend ausgeblen­ det. Industrie und Mittelstand gehören wieder in den Fokus, wenn unser Land auch in Zukunft in Wohlstand leben will.

START EDITORIAL 3  Werner M. Bahlsen AUSSENANSICHT 6 Zeit für eine andere Agenda  Dr. Dorothea Siems

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BANKEN 28 Fusionen sind keine Lösung  Karl Matthäus Schmidt TREND-Grafik 30 Immer neue Rekordwerte ENERGIE UND UMWELT 32 Weichen für digitale ­Energiewirtschaft stellen  Dr. Bernd Weber

37 Paradigmenwechsel in der ­Energiebranche  Dr. Oliver Weinmann Nationale Alleingänge verhindern  Dr. Joachim Pfeiffer

Innovationen fördern  Dr. Georg Nüßlein

38 Wachstumsmarkt Energiewende  Stephan Frense GESUNDHEITSWIRTSCHAFT 20 Gesundheit auch als Markt b ­ egreifen  Jens Spahn 39 Staatsmedizin verhindern  Christian Molt Wettbewerb um Qualität stärken  Reinhard Brücker Verlässlicher Gesundheitsmarkt  Michael Dieckmann 40 Deutschland ist innovationsfreundlich  Martin Fensch Politik öffnet die Türen  Istok Kespret Daten verbessern Diagnostik  Dr. Frank Wartenberg 41 Deutschland kann aufholen  Christian Klose Kliniken werden finanziell ausgetrocknet  Kai Hankeln Versorgungsmangel absehbar  Dr. Markus Hamm

34 Strom muss bezahlbar werden  Peter Altmaier Holland folgt realistischem Weg  Eric Wiebes 35 Zentrale Stellhebel fokussieren  Dr. Karsten Wildberger Investitionen fördern  Andreas Feicht 36 Nationale Maximalziele sind falsch  Wolfgang Steiger

32 ENERGIE UND UMWELT Energiewende schneller besser machen Die Energiewende kommt Wirtschaft und Bürger teuer zu stehen. Deutsch­ land stößt heute trotzdem ähnlich hohe Treibhausgase aus wie vor zehn Jahren. Wie lassen sich die Energiewende opti­ mieren, die Strompreise senken und der Klimaschutz verbessern, ohne dass die Wirtschaft in eine Rezession fällt?


INHALT

WIRTSCHAFTSRAT STANDPUNKT STEIGER 42 Zahlmeister Junge Generation JUNGER WIRTSCHAFTSRAT 43 Revolution statt Evolution INNENANSICHT 44 Neues aus den Kommissionen F ACHKRÄFTESYMPOSION 46 Wachstumsbremse ­Fachkräftemangel

ENERGIEKLAUSUR 48 Aufbruch für einen ­ starken Standort GESUNDHEITSSYMPOSION 49 Leistungsfähiges ­Gesundheitssystem notwendig ENGAGEMENT 50 Gestalten heißt, Standards zu setzen Burkhard Ober

BUCH Digitalisierung als vierte ­Revolution 47

SCHLUSS AUS DEN LÄNDERN 52 Rückblick | Einblick | Ausblick 56 Impressum

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FORUM 57 Im Spiegel der Presse 58 Zahlen des Quartals 58 Spindoktor

20, 39 GESUNDHEITSWIRTSCHAFT Gesundheit auch als Markt begreifen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn spricht über Markt, Innovationen, Digitali­ sierung, wo notwendig Regulierung und eine solide Finanzierung als die zentralen Pfeiler des guten, fortschrittlichen Gesundheitswe­ sens. Für Gesundheitswirtschaft und Wirt­ schaftsrat gehört eine gute medizinische Versorgung für alle Bürger und solidarische Hilfe für jeden, der Hilfe braucht, zum Markenkern der Sozialen Marktwirtschaft. ­Derzeit jedoch mehren sich die Anzeichen für staatliche Gängelung und Bürokratie.

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AUSSENANSICHT

Zeit für eine ­andere Agenda Sind die Deutschen selbstzufrieden und nehmen die Herausforderungen gar nicht wahr? Einiges scheint dafür zu sprechen.

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as amerikanische Wirtschaftsmagazin „Businessweek“ hat Deutschland vor einigen Wochen die große Titelstory „Germany‘ s fragile future“ gewidmet. Es war ein Abgesang auf die größte Volkswirtschaft Europas. Die erfolgsverwöhnten Deutschen seien selbstzufrieden geworden, so die Analyse, und sie nähmen die riesigen Herausforderungen der Zukunft gar nicht wahr. Tatsächlich fragt man sich im Ausland schon seit geraumer Zeit, was los ist mit den Deutschen. Sie können keinen Hauptstadtflughafen bauen. Die Bundeswehr hat kaum noch funktionstüchtiges Gerät. Und die Flugbereitschaft der Bundesregierung schafft es ein ums andere Mal nicht, die Bundeskanzlerin oder ihre Minister planmäßig zu internationalen Konferenzen zu bringen. Solche An-

Autorin Dr. Dorothea Siems Foto: Frank Lehmann

Chefkorrespondentin für Wirtschaftspolitik WELT

„Die Deutschland AG hat sich mit der Energiewende in eine Sackgasse manövriert.“

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ekdoten sorgen für Gespött – und sie ramponieren den Ruf des einstigen Gütesiegels „made in Germany“. Viel mehr noch als diese Serie von Pleiten, Pech und Pannen sind es jedoch die großen Linien in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Anlass zur Sorge bieten. Denn die Große Koalition setzt die Prioritäten falsch. Die Eintrübung der Konjunkturaussichten sollte Anlass sein, dies zu korrigieren. Wie ein Blick auf die Entwicklung der Staatsfinanzen zeigt, sind die Koalitionäre bisher vor allem damit beschäftigt, immer neue Sozialleistungen auszuteilen. Schon in der vergangenen Legislaturperiode haben SPD und Union die Ausgaben der Rentenkasse und der Pflegeversicherung kräftig ausgeweitet. Und weil ständig neue „Gerechtigkeitslücken“ entdeckt und bei den Wählern immer neue Ansprüche geweckt werden, geht man diesen kostenträchtigen Weg immer weiter. Arbeitsminister Hubertus Heil propagiert eine Grundrente für Geringverdiener, die wider die Koalitionsabsprache ohne eine Bedürftigkeitsprüfung auskommt. Die Pflegeversicherung wird immer stärker in Richtung Vollkaskoversicherung ausgebaut. Und auch im Gesundheitswesen ist von Eigenverantwortung und Selbstbeteiligung an den rasant steigenden Kosten keine Rede. Angesichts der demografischen Entwicklung ist diese ausgabentreibende Sozialpolitik zugunsten der Älteren fahrlässig.

Denn man bürdet den Jungen damit dauerhaft noch größere Finanzlasten auf. Sparsam ist der Staat dagegen ausgerechnet bei Zukunftsinvestitionen. Ob Bildung, Verteidigung, Digitalisierung oder Infrastruktur – überall wird der Mangel verwaltet. Für den Wirtschaftsstandort sind die Folgen schon heute gravierend. So ist es derzeit nur noch der Staatskonsum, der ein Abgleiten der Konjunktur in die Rezession verhindert. Die Regierenden begründen die momentane Schwächephase mit dem weltwirtschaftlichen Gegenwind: Brexit, Handelskonflikte und unsichere Perspektiven in China lasten auf der deutschen Exportwirtschaft. Doch umso wichtiger wäre es, die Standortfaktoren, die das Land selbst beeinflussen kann, zu optimieren. In vielen Bereichen passiert jedoch das Gegenteil. So hat sich die Deutschland AG mit der Energiewende in eine Sackgasse manövriert. Trotz gigantischer Subventionen liegen sämtliche Ziele der Energiewende in weiter Ferne. Deutschland hat den höchsten Strompreis Europas. Gleichzeitig hat sich die CO2-Bilanz der Stromerzeugung verschlechtert und ebenso die Versorgungssicherheit. Doch statt diese

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Foto: Jens Schicke

AUSSENANSICHT

Probleme rational und vor allem europaweit anzugehen, setzt man mit dem Kohleausstieg noch einen drauf. Dabei ist Strom der Lebenssaft der Unternehmen. Und vor allem die Industrie ist auf verlässliche und bezahlbare Energie angewiesen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Solange die Energiewende nicht besser gemanagt wird, kann Deutschland nicht immer schärferen Umweltvorgaben oder neuen Umweltsteuern in Brüssel zustimmen. In diesen Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung werden die Karten in der Weltwirtschaft neu gemischt. Asien steigt mit China an der Spitze rasant auf. Die USA bilden mit dem ultrainnovativen Silicon Valley weiterhin ein Kraftfeld. Die Frage ist, ob sich Deutschland im Verbund mit der EU behaupten kann oder aber zerrieben wird. Wirtschaftsminister Peter

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Altmaier hat mit seiner „Nationalen Industriestrategie“ eine notwendige Debatte angestoßen. Allerdings sollte sich Deutschland hüten, Unternehmensgröße mit Wettbewerbsstärke zu verwechseln. Schließlich sind es nicht nur die Konzerne, die den Wohlstand erwirtschaften. Gerade die Legionen kleiner und mittlerer Unternehmen haben Deutschland zu dem gemacht, was es heute ist. Den „Mighty Mittelstand“ hat auch „Businessweek“ als größte Kraft der Deutschen ausgemacht. Und gerade der Mittelstand müsste den Preis zahlen, wenn die Regierung einseitig auf staatliche ­ Förderung von nationalen oder ­europäischen Champions setzte. Deutschland hat eine reelle Chance, im Wettstreit mit China und den USA mithalten zu können. Dafür aber müssen die Rahmenbedingungen für

alle Unternehmen verbessert werden. Kurzfristig ist eine Senkung der Unternehmenssteuern unabdingbar. Weil die USA, Großbritannien und selbst Frankreich massive Entlastungen umgesetzt oder zumindest beschlossen haben, rückt Deutschland beim Steuersatz unter allen großen Industrieländern auf einen unrühmlichen Spitzenplatz. Außerdem ist der Solidaritätszuschlag komplett abzuschaffen. Die Regierung muss zudem alles dransetzen, eine vitale Start-upKultur zu schaffen. Steueranreize für Venture-Capital-Geber sind ebenso erforderlich wie drastischer Bürokratieabbau für Gründer. Mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen haben die Deutschen schon einmal aller Welt gezeigt, dass sie reformfähig sind. Es ist höchste l Zeit nachzulegen.

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AKTUELL Interview

sprach exklusiv mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier über die Belastungen des Mittelstandes, seine Industriestrategie, das Gelingen der Energiewende und den geplanten Kohleausstieg. Das Interview führten Katja Sandscheper und Philipp Schwartz.

– Herr Minister, die Sozialausgaben werden in dieser Wir verdanken unseren Wohlstand der ordnungspolitischen Legislatur erstmals eine Milliarde Euro überschreiten. Grundentscheidung Ludwig Erhards für die Soziale MarktWas hätte Ludwig Erhard dazu gesagt? wirtschaft. Wir haben aber verlernt, über die VoraussetzunMir macht Sorgen, dass eine Verteilmentalität Platz greift, gen unseres Wohlstands zu diskutieren und genau darum die glaubt, dass der Staat alle Probleme lösen kann und geht es mir bei der Industriestrategie. Wir müssen unsere muss, unabhängig von den Kosten. Das hätte auch Ludwig Technologieführerschaft sichern und in einigen Bereichen Erhard nicht gut geheißen. Kaum ein Tag, wo nicht neue zurückgewinnen, damit Arbeitsplätze auch in Zukunft in Forderungen nach mehr und höheren Sozialleistungen erDeutschland und Europa entstehen. hoben werden. Damit sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen. Deshalb habe ich vorgeschlagen, im Grundgesetz  – Kritiker Ihrer Strategie glauben, dass Deutschland und festzuschreiben, dass die Sozialabgaben dauerhaft unter Frankreich in Europa Industrieriesen schaffen wollen … vierzig Prozent bleiben müssen. Deutschland steht wegen seiner leistungsfähigen mittelständischen Wirtschaft so gut da. Auf den globalen Märkten  – Welche Weichenstellungen brauchen wir gibt es jedoch Bereiche, die gewisse Unternehmensgrößen angesichts der sich abkühlenden Konjunktur? voraussetzen, etwa in der Flugzeug- und der Weltraum­ Im zehnten Jahr erfolgreichen Wirtschaftswachstums lässt industrie. Es gäbe heute kein europäisches Langstreckendie Dynamik deutlich nach. Das hängt damit zusammen, flugzeug, wenn nicht Franz Josef Strauß die Weichen dafür dass sich in wichtigen Exportländern Deutschlands auch gestellt hätte. Deshalb ist es für Europa und den Mittelstand die Konjunktur abkühlt. Zum anderen sind die Ursachen ­lebensnotwendig, auf diesem Markt mit großen Playern hausgemacht. Deshalb brauchen wir Entlastungsmaßnahvertreten zu sein. Ein Beispiel: Wenn die großen Auto­

„Ich verstehe mich als men, die die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen unterstützen – etwa degressive Abschreibungsregeln für digitale Wirtschaftsgüter, Bürokratieentlastung, aber auch eine Unternehmenssteuer, die mit anderen Ländern in Europa Schritt hält.

mobilbauer an Boden verlieren würden, wäre der Mittelstand der Leidtragende. An jedem Arbeitsplatz in der Auto­mobilindustrie hängen ein bis zwei Arbeitsplätze in mittelständischen Betrieben. Es ist nicht die Frage, Mittelstand oder wenige Große – wir brauchen beides! Mir liegt sehr daran zu unterstreichen, dass ich mich als Mittelstandsminister verstehe.

– Unternehmer wie Arbeitnehmer würde auch eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags entlasten … Es ist es vor allem wichtig, dass die Abschaffung des Soli  – Ihr Ziel ist es, in Deutschland eine Industriequote allen zugutekommt. Bisher sieht der Koalitionsvertrag nur von 25 Prozent am Bruttoinlandsprodukt zu erreichen. vor, einen Teil der Soli-Zahler vollständig zu entlasten. Dies Dazu müssten wir um zwei Prozentpunkte zulegen. ist problematisch: rechtlich, politisch – aber auch mit Blick Zuletzt ist der industrielle Anteil gestiegen. Durch den auf die Leistungsträger im Mittelstand. Ich setze mich daÜbergang zu Industrie 4.0 haben wir die Chance, weiher für eine Komplett-Abschaffung des Soli ein und werde ter Boden zu gewinnen. Der Einsatz von 3D-Druckern ­hierzu Vorschläge vorlegen. etwa macht es möglich, auch in Hochlohnländern wieder ­Industrieproduktion anzusiedeln. Das ist eine große Chan – Herr Altmaier, Sie haben Eckpunkte für eine nationale ce, besonders für den Mittelstand. Industriestrategie vorgelegt. Ist das eine Abkehr Die Politik muss die Wirtschaft dabei unterstütvon ordnungspolitischen Prinzipien? zen, sich auf die Digitalisierung vorzubereiten. Deshalb Im Gegenteil: Sie hebt die Bedeutung der Marktwirtschaft mein V ­orschlag einer Sonderabschreibung auf digitale hervor als das erfolgreichste Wirtschaftsmodell aller Zeiten. Wirtschafts­güter. Zudem haben wir in ganz Deutschland

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AKTUELL Interview

Foto: Jens Schicke

auf den Strompreis durch. Die Haupt­ belastungen des EEG gehen auf frühere ­Förderzusagen zurück, sie werden erst ab 2025 schrittweise sinken. Umso wichtiger ist es, keine neuen Belastungen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass Strom für Unternehmen bezahlbar wird. Für energieinten­ sive Betriebe ist das erreicht. Für Mittelständler mit hohen Energiekosten noch nicht. Hier hat die Kohlekom­ mission empfohlen, durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt die Netzentgelte für Unternehmen und Bürger um bis zu zwei Milliarden jährlich zu ­senken. Das wäre ein wichtiges Signal. Als Wirtschaftsminister werde ich ­darauf achten, dass neue Belastungen kompensiert werden, um Planungssicherheit zu gewähren.

‚Kompetenzzentren Mittelstand‘ gegründet, die Betriebe bei der digitalen Modernisierung beraten und wir haben das ­Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand.  – Gerade der Mittelstand dringt auf Entlastungen. Was unternehmen Sie? Meinen Ministerkollegen habe ich bereits im März ein 27-Punkte-Papier zum Bürokratieabbau mit Milliarden-Entlastungen vorgelegt. Die bisherigen Beiträge der Ressorts sind in der Substanz leider keinesfalls ausreichend. Ich habe meine Prioritäten noch einmal deutlich ge-

– Welche Wirkung zeigt Ihr Aktionsplan zum Netzausbau? Wir liegen bei den Stromnetzen teils fünf Jahre hinter dem Zeitplan. Das macht die Energiewende teurer, weil billiger Strom aus dem Norden nicht in den Süden trans­ portiert werden kann, wo er benötigt wird. Deshalb habe ich ­einen Aktionsplan mit den Bundesländern vereinbart. Das Netzausbaubeschleunigungsgesetz haben wir erfolgreich ­ verabschiedet. Es ist am 17. Mai 2019 in Kraft getreten.

Mittelstandsminister“ macht: Wir wollen die Wirtschaft und insbesondere kleine Es wird auch darauf ankommen, unsere Stromnachbarn und mittelständische Unternehmen um mindestens eine in die Planung mit einzubeziehen, wenn wir ab 2025 ver­Mil­liarde entlasten. Hierzu brauchen wir den Abbau von pflichtet sind, unseren Strommarkt zu öffnen. Dann besteht ­Steuerbürokratie, aber auch Augenmaß bei den Dokumendie Chance, dass sehr günstiger erneuerbarer Strom nach tationspflichten beim Mindestlohn. Deutschland kommt. Davon wird unsere Wirtschaft jedoch Außerdem brauchen wir dringend die Digitalisierung nur profitieren, wenn die Leitungen gebaut sind. aller Verwaltungsdienstleistungen für Unternehmen. Es ließe sich zusätzliches Wirtschaftswachstum generieren,  – Deutschland will bis 2038 aus der Kohle raus. wenn wir die rechtsverbindliche digitale Unterschrift hätten Ist das wirklich machbar? und alle Daten der öffentlichen Verwaltung digital verfügDie Herausforderung wird darin bestehen, erneuerbabar ­wären, die für Unternehmen relevant sind. Gleich­zeitig ren Strom, wenn er reichlich vorhanden ist, ins Stromnetz müssen ­ Genehmigungsverfahren und Steuererkläruneinzuspeisen. Das macht die Energiewende bezahlbarer. gen elektronisch abzuwickeln sein. Wir müssen jetzt das Allerdings brauchen wir fossilen Strom noch für Jahre im­beschlossene Bürgerportal realisieren. mer dann, wenn der Wind nicht weht. Deshalb findet der Kohleausstieg über zwanzig Jahre statt. Zugleich wird bei  – Die Energiewende kommt Betriebe und Bürger teuer zu jeder Kraftwerksabschaltung geprüft, ob dies mit der Verstehen – auch im EU-Vergleich. Was tun Sie dagegen? sorgungssicherheit vereinbar ist. Die Rolle der NetzstabiliDas Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat lange hohe sierung übernehmen in wind- oder sonnenschwachen ZeiSubventionen gewährt. Als Umweltminister habe ich es 2012 ten Gaskraftwerke. Derzeit sind viele Gaskraftwerke nicht im Geld, weil wir unseren Stromüberschuss exportieren. Mit reformiert. Seit zwei Jahren schreiben wir neue ­Anlagen auf dem Abschalten der Kernkraftwerke wird sich das ändern. l dem freien Markt aus. Die Kosten schlagen kaum mehr

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as industrielle Netzwerk Deutschlands ist ein wesentlicher Teil für die Lösung unserer Klimaprobleme – und entscheidende Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende. Uns muss es gelingen, dies wieder zu einem klimaund gesellschaftspolitischen Narrativ zu machen. Denn das ist gegenwärtig nicht der Fall. Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung („Kohlekommission”), an

lität gehört dazu. Klimapolitik ist zugleich Umverteilungspolitik, steigende Strompreise und eine hohe EEG-Umlage treffen die weniger wohlhabenden Bürger am stärksten. Zu einem ausbalancierten Gesamtbild gehören neben dem Klimaschutz auch die soziale Realität und die industrielle Basis. Diese Balance ist im Abschlussbericht der Kommission wieder durchdekliniert. Ich sage bewusst „wieder“, denn das hat die Politik jahrelang vermieden –

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AKTUELL Industrie

für Unternehmen so setzen, dass ihre Lenker nicht zu 90 Prozent ihrer Zeit darüber nachdenken müssen, wie sie mit Regulierungen umzugehen haben. Sondern stattdessen ihre kreativen Kräfte freisetzen und klare Ziele verfolgen. Darum mache ich mir Sorgen. Noch einmal: Wir haben in der Kohlekommission versucht, Fragen der Wertschöpfung, soziale und klimapolitische Fragen miteinander zu verbinden. Dazu gehört auch, ob man es der energieintensiv produzierenden Industrie zumuten kann, ihre aus dem Kohleausstieg resultierenden Preissteigerungen ohne Kompensation zu tragen. Die Frage liegt auf dem Tisch, geregelt ist sie noch nicht.

Deutschland braucht ein klares industriepolitisches Leitbild Deutschland braucht die richtige Balance, um den Klimaschutz engagiert anzugehen, ohne dabei seine wirtschaftliche und industrielle Basis zu gefährden.

der ich auch beteiligt war, hat hier ein wichtiges Ziel erreicht. Sie hat dafür gesorgt, dass die Realität wieder Einzug in die Politik gehalten hat. Aus meiner Sicht zwar nicht ausreichend, aber der Ansatz ist richtig. Deutschland braucht die richtige Balance, um den Klimaschutz engagiert anzugehen, ohne dabei seine wirtschaftliche und industrielle Basis zu gefährden. Auch die soziale Rea-

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sprachlich und inhaltlich. Über das Thema wurde zu wenig gestritten. Wir müssen hinsichtlich der Klimapolitik aber immer kritisch – und technologieoffen – bleiben. Deutschland muss mehr auf seine Stärken setzen. Das ist unsere Technologie, das ist unser industrielles Netz. Und nicht zuletzt unser Verantwortungsbewusstsein. Deshalb sollten wir die Rahmenbedingungen

Geklärt ist auch noch nicht, wo wir landen, wenn wir die Kernenergie vom Netz nehmen. Wir werden wahrscheinlich gerade die Grenze erreichen, an der die Versorgungssicherheit ins Schwanken gerät. Es wird nicht sofort einen Blackout geben, aber die Lampen werden flackern. Wenn wir zugleich aus der Kohleverstromung aussteigen, um eine lineare Reduktion des CO2-Ausstoßes zu erreichen,

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AKTUELL Industrie

sollte, unsere Klimaziele zu erreichen. Die Jahre 2023 bis 2030 werden eine tückische Phase. In dieser Zeit müssen wir die Erneuerbaren marktfähig bekommen, ihren Anteil auf 65 Prozent steigern und die Netze ausbauen. Gelingt dies nicht, kommen wir an den Punkt, wo wir unsere Energieversorgung nicht mehr sicherstellen können. Es gibt zwar den Vorschlag, weitere Gaskraftwerke zu bauen, um das zu kompensieren. Das kann man machen. Aber das ist auch die teuerste Variante, um die Grundlast zu sichern. Genehmigungsverfahren und Ausbau sind zudem zeitaufwändig. Ich sehe nicht, dass wir bis 2030 zig Gaswerke in Betrieb haben. Wenn wir Nordstream 2 verhindern, fehlt uns auch das notwendige Gas. Es gibt also gewisse Widersprüche, die noch nicht ausgeräumt sind. Wir müssen bereit sein, sie offen zu benennen. Ich bin kein Gegner der Energiewende, ganz im Gegenteil. Meine Sorge aber ist, dass wir die kritischen

Michael Vassiliadis

Foto: Rank Rumpenhorst

kommen wir an die Grenze dessen, was man verantworten kann. Im Abschlussbericht der Kommission haben wir daher darauf gedrungen, dass alle politisch Verantwortlichen darauf achten müssen, dass diese nicht überschritten wird. Das ist der Balanceakt, der uns in der Realität gelingen muss. Die Kommission hat darum so genannte Checkpoints entlang der Wegstrecke eingeführt. Sie gelten für alle Dimensionen: den Klimaschutz, die Versorgungssicherheit, die Energiepreise und auch die regionale Wirtschaftsentwicklung. An diesen Checkpoints sollen unabhängige Experten in den Jahren 2023, 2026, 2029 und 2032 für Deutschland prüfen, ob die Voraussetzungen für die nächsten Schritte erfüllt sind. Das kann man auch als Einladung an die Politik verstehen, die Debatte künftig weniger eindimensional – also nur mit Blick auf Klimaschutz – zu führen. Denn nichts wird besser, wenn wir unsere Innovationskraft verlieren, selbst wenn es gelingen

Vorsitzender Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie

„Deutschland muss mehr auf seine Stärken setzen. Das ist unsere ­Technologie, das ist unser indus­­­ trielles Netz. Und nicht zuletzt unser Verantwortungsbewusstsein.“ Punkte und Widersprüche nicht ausreichend und mit klarem Ziel vor Augen diskutieren. Denn das würde sehr teuer. Die Herausforderung ist deshalb nicht der Kohleausstieg, sondern dass wir ein modernes industriepolitisches Leitbild brauchen. Wir müssen uns klar zur Industrie bekennen – und die Industrie muss sich klar dazu bekenl nen, wo sie hin will. (Auszug aus Rede Energieklausur des Wirtschaftsrates 2019)

Gemeinsam machen wir das deutsche Gesundheitssystem zu einem TRENDder Welt. Erfahren Sie mehr unter www.pkv.de/linda der 2/2019 besten

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TITEL Standort Deutschland

Industriepolitik mit Augenmaß Der Industriestandort Deutschland braucht die Debatte über seine internationale ­Wettbewerbsfähigkeit dringender denn je. Die Große Koalition hat die Wirtschaftspolitik bisher weitgehend ausgeblendet. Industrie und Mittelstand gehören wieder in den Fokus, wenn unser Land auch in Zukunft in Wohlstand leben will.

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er Bundeswirtschaftsminister hat sich die Stärkung der industriellen Basis auf die Fahnen geschrieben. Das ist dringend nötig. Bei aller Kritik an Peter Altmaiers „Nationalen Industriestrategie 2030“ bleibt festzuhalten: Der Minister hat eine wichtige Debatte angestoßen und die Große Koalition aus ihrem wirtschaftspolitischen Tiefschlaf geweckt. Jetzt muss die Bundesregierung aufs Tempo drücken, um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts zu sichern. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat in den letzten Monaten viel Kritik einstecken müssen. Wirtschaftsverbände und Ökonomen zeigen sich unzufrieden mit seinem Entwurf für eine „Nationale Industriestrategie 2030“, die in einer

11 Prozent des Umsatzes der Luft- und Raumfahrt­ industrie fließen in Forschung und E ­ ntwicklung, etwa doppelt so viel wie bei anderen Branchen. Quelle: BDLI

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Phase der Konjunkturabkühlung eine wirtschaftspolitische Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft geben soll. Insbesondere seine Forderung nach europäischen Champions und staatlichen Beteiligungsfonds zur Abwehr internationaler Investoren stießen auf Ablehnung. Dennoch muss man festhalten: Altmaier hat die richtige Debatte angestoßen, eine längst überfällige Debatte. Heute wird wieder intensiv über die Industrie geredet, vor allem scheint auch in der Öffentlichkeit zunehmend das Bewusstsein zu wachsen, dass die traditionell starke industrielle Basis seit Jahrzehnten das Rückgrat für Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland bildet – und dies auch künftig so sein sollte. Im Interview mit TREND erläutert der Bundeswirtschaftsminister, wieso er fest davon überzeugt ist, dass von seiner Industriestrategie auch der Mittelstand profitieren wird. (s. S. 8). Industrie revitalisieren Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Deutschland und Europa ihre Zukunft als Industriestandort erhalten beziehungsweise weiter ausbauen können. Diese Debatte wurde, wie der Wirtschaftsminister zu Recht bemerkt, von der Politik viel zu lange ignoriert. Von der Großen Koalition kann man nicht gerade behaupten, dass sie die Interessen der Industrie, schon gar nicht

jene des industriellen Mittelstandes, in den letzten Jahren in den Fokus der Wirtschaftspolitik gerückt hätte. Im Gegenteil: Symptomatisch ist die steuerpolitische Tatenlosigkeit, die sich die Bundesregierung leistet. Während die wichtigsten Wettbewerber in der OECD ihre Unternehmenssteuersätze längst auf 25 Prozent und darunter gesenkt haben, bleibt Deutschland ein „Höchststeuerland“, wie Forscher des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) festhalten. Der „Soli“ ist nicht totzukriegen, obgleich dessen vollständige Abschaffung 30 Jahre nach Mauerfall endlich Leistungsträger und Personengesellschaften entlasten könnte. Überregulierung und Bürokratie hindern vor allem Gründer daran, neue innovative Ideen an den Markt zu bringen. Kurz: Deutschland hat eine starke Volkswirtschaft, bleibt aber notorisch unter seinen Möglichkeiten, weil es seine Wachstumschancen nicht nutzt. Die Wirtschaftspolitik muss durch das Setzen geeigneter Rahmenbedingungen mehr Dynamik entfachen. „Steuersenkungen und Entbürokratisierung sind die entscheidenden Standortfaktoren, wenn der Industriestandort Deutschland in Zukunft attraktiv bleiben soll“, stellt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, klar. Der Wirtschaftsrat steht damit nicht allein. Führende Ökonomen wie

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Foto: Audi AG

Text: P eter Hahne


TITEL Standort Deutschland

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TITEL Standort Deutschland

1.893 Milliarden Euro setzten Unter­nehmen des Verarbeitenden ­Gewerbes 2017 um. An der Spitze lag der ­Automobilbau mit 425 Milliarden Euro.

Foto: BASF SE

Quelle: www.deutschland.de

Ifo-Präsident Clemens Fuest dringen auf „attraktive steuerliche Rahmenbedingungen“, um in schwierigen Zeiten neue wirtschaftspolitische Akzente zu setzen. Die Risiken des Brexit, anhaltende handelspolitische Auseinandersetzungen und drastisch gedämpfte Konjunkturerwartungen geben Anlass genug, um über eine industriepoliti-

sche Gesamtstrategie nachzudenken, die ordnungspolitische Prinzipien und die Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt rückt. „Industriepolitik ist wichtig“, sagt Ifo-Präsident Fuest, „aber sie sollte die ökonomischen Zusammenhänge und bisherigen Erfahrungen mit industriepolitischen Instrumenten berücksichtigen.“

Ehrgeiziges Ziel: 25 Prozent Industrieanteil in Deutschland Anteil der industriellen Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt in % China

29,3 25,5

Südkorea

21,6 21,0

Japan

2005 2017

20,3 20,7

Deutschland 15,5 14,7

Italien

12,9 11,6

USA Quelle: Weltbank

27,6

23,0 24,3

Tschechien

14

32,1

Frankreich

10,1

12,2

10,0 9,2

Vereinigtes Königreich 0

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Binnenmarkt stärken Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel sieht das ähnlich und empfiehlt der Politik, sich auf die Stärkung des europäischen Binnenmarkts und des Wettbewerbsrechts zu konzentrieren. „Ein großer und starker europäischer Binnenmarkt erlaubt es den Unternehmen, schnell zu wachsen und Standards zu setzen“, erklärt IfW-­ Präsident Gabriel Felbermayr. „Er ist der wichtigste Trumpf bei der internationalen Durchsetzung europäischer Vorstellungen“. Von politisch gepäppelten nationalen Champions oder Zielmarken für einen künftigen Industrieanteil an der Wirtschaftsleistung halten Ökonomen hingegen weniger. Sie wittern, nicht ganz zu Unrecht, planwirtschaftliche Ziele, die sich mit einer Marktwirtschaft nicht vertragen. Dennoch muss es nicht falsch sein, eine Zielmarke für einen Industrieanteil zu setzen, wie es Altmaier in seiner Nationalen Industriestrategie tut. 25 Prozent Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung bis 2030 schweben dem Minister vor, und wenn er das Ziel tatsächlich nicht als staatliche Planungsgröße, sondern als Orientierungsmarke begreift, die „marktwirtschaftlich, privatwirtschaftlich und eigenverantwortlich“ erreicht wird, wie es in dem Papier der Ministerialen heißt, ist nichts dagegen zu einzuwenden. Das sieht auch Wolfgang Steiger, der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, so. Er ergänzt jedoch: „Im Sinne Ludwig Erhards sollte auch sein Nachfolger der Bundeswirtschaftsminister Maß halten bei staat­lichen Eingriffen. Klare ordnungspolitische Grundsätze

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TITEL Standort Deutschland

6,2 Millionen Beschäftigte arbeiteten 2017 in Deutschland in 45.308 Industriebetrieben mit 20 und mehr Beschäftigten. Das sind mehr Menschen als Dänemark Einwohner zählt. Quelle: www.deutschland.de

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Innovative Industrie „Die deutsche Industrie bildet mit ihrer Innovationskraft, ihrer Wert-

Foto: Jens Schicke

32,4

bewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft entscheidend sind“, ist der Wirtschaftsrat überzeugt. Ifo-Präsident Fuest erläutert, dass empirischen Studien zufolge staatliche Förderungen besonders unter intensiven Wettbewerbsbedingungen positive Wirkungen für die Volkswirtschaft entfalteten. Auch wissensintensive Wirtschaftsbereiche mit hohem Forschungsgrad neigten zu Marktversagen, könnten also von Impulsen wie steuerlicher Forschungsförderung profitieren. Beispiel Raumfahrt: Die Industrie steht an der Spitze der Technologie- und Forschungspyramide. Sie investiert massiv in Forschung und Entwicklung, davon profitiert die ganze Volkswirtschaft. Die Raumfahrt kann zu allen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen sich Europa derzeit konfrontiert sieht, einen Beitrag leisten; Klimawandel, Sicherheitspolitik, Migration, Digitalisierung. Die Luft- und Raumfahrt sichert nicht zuletzt auch strategische Fähigkeiten, die für die geopolitische Position Europas entscheidend sind. Deshalb kann es durchaus auch in einer Marktwirtschaft legitim sein, wenn europäische Regierungen der Industrie zur Seite stehen, um dem wachsenden Druck aus China und den USA zu begegnen. Staatliche Raumfahrtanwendungen sind Innovationstreiber, institutionelle Absatzmärkte sichern die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Raumfahrtindustrie.

haben unsere Soziale Marktwirtschaft erfolgreich gemacht. Dirigistische Staatsfonds können keine Lösung sein.“ Wirtschaftspolitik braucht jedoch Orientierungsgrößen, sie prägen die öffentliche Debatte, sie prägen die Richtung der Politik, und sie geben den Unternehmen eine Vorstellung davon, wohin die Reise der Wirtschaftspolitik führen soll. Anders formuliert: Eine richtig verstandene Zielmarke kann ein Stück weit mehr Planungssicherheit für Unternehmen

schaffen. Deshalb unterstützt der Wirtschaftsrat die Zielsetzung des Bundeswirtschaftsministers, setzt sich zugleich aber für mehr Tempo und Ehrgeiz ein. Bis 2025 sollte es nach dem Positionspapier des Wirtschaftsrates möglich sein, den Industrieanteil auf 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern. Schlüsselindustrien fördern „Hierfür kommt es darauf an, Schlüsselindustrien zu stärken, die für die künftige Innovationskraft und Wett-

Der Anteil an Steuern und Sozialabgaben ist in der OECD sehr unterschiedlich in % von Bruttolohneinnahmen 2017 Belgien

40,5

Australien

24,4

Italien

31,2

Deutschland

39,9

Quelle: OECD Taxing Wages 2018

USA

16

26,1

Schweden

Einkommensteuer Sozialabgaben

25

OECD Durchschnitt

25,5

Frankreich

29,2

Österreich Mexiko

11,2

Chile

7

0

5

10

15

20

25

30

40

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Foto: Fotolia.com ©kiri

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schöpfung und ihrer Beschäftigung ein wesentliches Element der deutschen Wirtschaft“, hält das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fest. Und weiter: „Eine gute Wirtschaftspolitik schafft gute Investitionsbedingungen, sie sorgt für wettbewerbsfähige Steuern und Energiepreise, gute Finanzierungsbedingungen, freien Handel, und sie reduziert Bürokratie“, sagt der wissenschaftliche Leiter des Kölner Instituts, Hubertus Bardt. Stichwort Bürokratie: Wenn Bundeswirtschaftsminister Altmaier plant, die Wirtschaft mit einem weiteren Bürokratieentlastungsgesetz zu fördern, ist das in einer konjunkturellen Schwächephase der richtige Ansatz. Aus Sicht des Wirtschaftsrates und des IW muss auch das Energiesystem von

4 Branchen dominieren die Industrie in Deutschland: Automobil, Maschinenbau, Chemische und Elektro-­ Industrie. Quelle: www.deutschland.de

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morgen in eine industriepolitische Gesamtstrategie eingebettet werden. Weltweiter Klimaschutz und der Umbau des Energiesystems gelingen nur in Verbindung mit der industriellen Basis, mit ihren Produkten und ihren Innovationen. Der Wirtschaftsrat empfiehlt deshalb unter anderem einen offenen Binnenmarkt in Europa, ein CO2-Marktsignal in allen Sektoren und eine technologieoffene Sektorkopplung. Die Automobilindustrie prägt ebenfalls einen wesentlichen Bestandteil der deutschen Industrie, gehört also zwingend in eine industriepolitische Gesamtstrategie. Allein in der PKW-Oberklasse werden rund 80 Prozent der weltweit verkauften Autos von deutschen Unternehmen produziert. „Die Innovationskraft der Automobilindustrie ist für den Erhalt etablierter Wertschöpfungsketten von entscheidender Bedeutung“, betont der Wirtschaftsrat. Die Empfehlung: Keine einseitige Fixierung auf Elektroantriebe, stattdessen technologieoffene Ansätze für künftige Antriebstechniken und die Infrastruktur von morgen. Künstliche Intelligenz prägt die Industrie Wer die Industrie stärker in den Blick nehmen will, kann die Digital-

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TITEL Standort Deutschland

53,4 Milliarden Euro investierte das Verarbeitende Gewerbe 2016 in Forschung und ­Ent­wicklung. Die übrige ­Wirtschaft kam auf 9,5 Milliarden Euro.

Foto: BP Europa SE

Quelle: www.deutschland.de

wirtschaft und schließlich auch die Rüstungsindustrie nicht außen vor lassen. Das Bundeswirtschaftsministerium hält in seinem Papier zur Industriestrategie fest, dass die Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) in Deutschland bereits in einer

guten Position sei. „Bei der Kommerzialisierung praktischer Anwendungen besteht jedoch erheblicher Nachholbedarf “, stellen Altmaiers Beamte klar. Erleichterungen im Datenrecht, Datenkooperationen, KI-Kompetenzzentren und steuerliche Anreize zur

Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung in ausgewählten EU-Staaten

(in Prozent) 27 25,9

Tschechien 17,3

Finnland Deutschland Ungarn 15,4

Schweden Österreich Polen

14,1

Belgien EU 28

2007 2017

16,9 16,3 16,5

12

Niederlande Quelle: Eurostat

20,5 18,5 20,3 21 18,9

16,4 17,8

Italien

18

25,3 22,9 23,4 23,5 22,1

13,7 11,4 12,7 10,3 10,1

Frankreich Vereinigtes Königreich 0

5

10

15

20

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Mobilisierung von Wagniskapital sind nach Einschätzung des Wirtschaftsrates die Mittel der Wahl, um mehr Bewegung in das Thema zu bringen. Ferner braucht auch die Rüstungsindustrie verlässliche politische Rahmenbedingungen, damit sie ihre Rolle als Innovationstreiber auch in Zukunft gut ausfüllen kann. „Nur mit einer nachhaltigen Finanzplanung über Legislaturperioden hinaus lässt sich die industrielle Basis vor allem im Bereich der Schlüsseltechnologien für die dauerhafte Einsatzfähigkeit der Bundeswehr auf hohem Niveau sichern“, betont Generalsekretär Steiger. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten: Ohne seinen hohen Anteil industrieller Wertschöpfung könnte Deutschland weder sein hohes Wohlstandsniveau noch sein hohes Bildungsniveau, weder seine Ziele im Umweltschutz, bei der der Gesundheitsversorgung noch für die soziale Sicherheit erreichen. Die Stärkung der Industriebasis liegt deshalb im Interesse aller. Weniger Steuern, weniger ­Bürokratie, der Ausbau der Infrastruktur und die Stärkung des europäischen Binnenmarktes sind deshalb das Gebot der Stunde. „Industriestrategie“ muss kein Reizwort sein, solange sich die Politik nicht in planwirtschaft­ lichen Ansätzen verheddert. Klare ordnungspolitische Grundsätze im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft, Technologieoffenheit und Augenmaß bei staatlichen Eingriffen bilden das Fundament für eine industrie­politische Wettbewerbs­ l offensive.

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TITEL Industriestandort Deutschland

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© 2019 PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. „PwC“ bezieht sich auf die PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.

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AKTUELL Gesundheitswirtschaft

Markt, Innovationen, Digitalisierung, wo notwendig Regulierung und eine solide Finanzierung – das sind die zentralen Pfeiler unseres guten, fortschrittlichen ­G­esundheitswesens.

V

or zehn bis 15 Jahren haben wir in Deutschland noch viel häufiger über die Gesundheitspolitik gestritten als heute. Zuletzt war die relative Ruhe sicherlich der guten Konjunktur geschuldet. Seit ein paar Monaten ­führen wir jedoch wieder mehr gesundheitspolitische Debatten, um zu guten Lösungen zu kommen. Beispiel Pflegeversicherung: Hier haben sich über viele Jahre Probleme aufgebaut, durch ­einen falsch verstandenen Wettbewerb und eine Unterfinanzierung, die sich auch auf die Investitionen auswirkte. Der Zustand war dann politisch nicht mehr akzeptabel. Aus Sicht der Pflegekräfte nicht, und auch nicht aus Sicht der Patienten.

Ein weiteres wichtiges Thema, das die Öffentlichkeit umtreibt – vor allem gesetzlich Versicherte – ist die Frage, warum der privat versicherte Nachbar binnen weniger Tage einen Termin beim Facharzt bekommt, gesetzlich Versicherte aber erst in vier Monaten. Das ist nicht vermittelbar. Wer die private Krankenversicherung erhalten will, muss dieses große Legitimationsproblem lösen. Die Leute interessiert nicht, ob jemand ein Einbettzimmer hat oder nicht, aber diese Frage beschäftigt viele. Deshalb wollen wir nicht die sozialistische Lösung – alle warten vier Monate – sondern einen Ansatz entwickeln, wie gesetzlich Versicherte schneller einen Termin bekommen können. Es ist ja

Gesundheit auch als Markt begreifen Deshalb entwickeln wir das Fallpauschalensystem weiter, um ein klares Signal zu senden, dass zusätzliche Pflegekräfte finanziert werden. Dabei spielt dann auch das Thema Pflegepersonaluntergrenzen eine Rolle – ein Spagat zugegeben, denn wir wissen in Berlin nicht besser als ein Geschäftsführer, wie ein Krankenhaus zu führen ist, und wir wollen auch nicht den Eindruck erwecken. Diesen Spagat jeden Tag hinzubekommen, gelingt mal besser und mal schlechter, aber es ist der Ansatz, mit dem wir die Probleme in den Griff bekommen wollen.

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auch nicht das erste Mal, dass ein Vertragsarzt, der sich entschieden hat, in die vertragsärztliche Versorgung der Gesetzlichen zu gehen, gewisse Vorgaben erfüllen muss. Die neue Regelung zieht im Übrigen für 95 Prozent der Ärzte überhaupt keine Änderungen nach sich. Ich bin unbedingt ein Freund marktwirtschaftlicher Prinzipien im Gesundheitswesen. Aber der Gesundheitsmarkt ist natürlich ein besonderer. Zugang für 82 Millionen Menschen zum Gesundheitsmarkt schafft man nur mit Regulierung. Wir

versprechen ja nicht jedem ein Auto oder einen Kühlschrank, aber wir versprechen jedem Bürger Zugang zu Gesundheitsleistungen. Flächendeckend. Kassenärztliche Vereinigungen und Zulassungsverfahren sind ein Stück Planwirtschaft, natürlich. Aber nur mit Marktinstrumenten könnten wir keine flächendeckende Versorgung mit Ärzten auch in ländlichen Gebieten garantieren. Wenn wir indes Pflichtbeiträge erheben, hat man die Verantwortung, auf die Effizienz zu schauen. Damit die Leistungen nicht teurer sind als nötig. Dann wird ein

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AKTUELL Gesundheitswirtschaft

solcher Bereich aber zwangsläufig stärker reguliert sein als andere. Trotzdem halte ich unbedingt an Marktinstrumenten fest, zum Beispiel am Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Nicht aus Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck. Ich möchte kein Einheitssystem. Mit Blick auf Arzneien und Hilfsmittel hat sich gezeigt, dass Ausschreibungen das Mittel der Wahl sind, wenn es einen Wettbewerb gibt. Die Generika-Preise konnten wir um mehr als 90 Prozent senken. Durch Wettbewerbsinstrumente sparen wir mehr als vier Milliarden Euro im Jahr, die wir für Versorgungszwecke an anderer Stelle einsetzen können. Die Hilfsmittel haben aber eben auch gezeigt: Wenn man nur auf den Preis schaut, kann das zu Fehlentwicklungen führen. Es gibt nicht besonders viele Länder, in denen der Patient den Arzt oder das Krankenhaus frei wählen kann. In Deutschland geht das. Dazu gehört aber auch Qualitäts­transparenz im Wettbewerb, damit Patienten in-

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formierte Entscheidungen treffen können. Also: Wir brauchen Marktinstrumente als Mittel zum Zweck für mehr Effizienz, für bessere Angebote, und das innovationsoffen. Es gibt nur wenige Systeme auf der Welt, die im Hinblick auf neue Arzneimittel neue Medizinprodukte und anderes mehr, so innovationsoffen sind wie das deutsche. Innovationsoffenheit heißt auch, das digitale Gesundheitswesen zu gestalten. Hier müssen wir mehr Geschwindigkeit reinbringen. Das ist wichtig für die Zukunft des ­Gesundheitswesens. Deshalb gründen wir im Bundesgesundheitsministerium eine neue Abteilung, den Cyber Innovation Hub. Das ist eine kleine Einheit, die jenseits der Abläufe im Ministerium unterwegs ist in der Szene, um mitzubekommen, was los ist. Wir müssen schneller neue digitale Lösungen finden und ich möchte, dass hierzu aus unserem Land heraus etwas entwickelt und gestaltet wird. Letzter Punkt: Für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen müssen wir

Jens Spahn MdB Bundesminister für Gesundheit

„Es gibt nicht besonders viele Länder, in denen der Patient Arzt oder Krankenhaus frei wählen kann – in Deutschland geht das.“ gerade bei der Gesundheit sollte man auch sehen, dass das ein großer Wirtschaftsbereich ist, bei dem es nicht nur um Kosten geht – und man mit rich­ tigen Ausgaben auch v­ ernünftige wirtl schaftliche Impulse setzen kann. (Auszug aus Rede Gesundheitssymposion des ­Wirtschaftsrates 2019)

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Foto: Bundesministerium für Gesundheit

Foto: Fotolia.com ©rogerphoto

uns natürlich auch Gedanken darüber machen, wie wir es auf Dauer finanzieren. Es braucht deshalb nicht nur eine Debatte über die langfristige Finanzierbarkeit der Rente, sondern auch über die Gesundheit und die Pflege. Die Sozialausgaben für die Gesundheit sind etwas anderes als die Sozial­ ausgaben für die Rente. Zwölf bis 13 Prozent des Bruttoinlands­produktes werden im Gesundheitswesen erwirtschaftet. Es geht also nicht nur um Kosten, sondern auch um 5,5 Millionen Arbeitsplätze. Jeder achte Job in Deutschland ist einer im Gesundheitswesen. Der Gesundheitsbereich wächst überproportional zur Gesamtwirtschaft. Deshalb: Wenn wir über Kosten­ begrenzungen im Gesundheitswesen reden, reden wir immer auch über die Umsätze der Gesundheitsbranche. Natürlich: Ich bin immer dafür, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu halten, das ist wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik. Aber


AKTUELL Wirtschaftspolitik

Weil es Deutschland ­vermeintlich so gut geht, hat die Politik die Sozialaus­ gaben massiv aufgestockt. Dabei geht es vielen ­Nachbarländern besser. Zugleich ist die Chance vertan, mit entscheidenden Investitionen auch in ­Zukunft wirtschaftlich an der ­Weltspitze mitzuspielen und den Wohlstand ­künf­t iger Generationen zu sichern.

Das Märchen reichen Land

S

pare in der Zeit – so hast Du in der Not“. Die Politik sprach immer von „Sparen“ gab aber in den letzten zehn Jahren mehr als 280 Milliarden Euro zusätzlich aus. Das Steueraufkommen des Bundes wuchs von 2008 bis 2017 um 29 Prozent – also deutlich schneller als die Wirtschaft. Wir zahlten nicht nur absolut mehr an den Staat, sondern auch relativ. Kein Wunder, dass die Neue Zürcher Zeitung Deutschland kürzlich als „Steuerhölle“ bezeichnete, haben wir doch die zweithöchste Abgabenlast aller Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nach Belgien. Der Spitzensteuersatz greift heute ab dem 1,3-fachen des Durchschnittseinkommens. In den 1960er Jahren musste man

Autor Dr. Daniel Stelter Foto: Stefan G. König

Ökonom, Autor und Blogger www.think-beyondtheobvious.com

„Unsere Politiker tun so, als würden die guten Zeiten niemals enden.“ 22

noch das Fünfzehnfache verdienen, um als Spitzenverdiener zu gelten. Die Sozialabgaben stiegen trotz Rekordbeschäftigung und einer Arbeitslosenquote, die so tief liegt, wie seit der Wiedervereinigung nicht. Gleichzeitig sanken die Zinsausgaben dank Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) um mindestens 136 Milliarden Euro, die gute Konjunktur reduzierte die Aufwendungen für den Arbeitsmarkt um 46 Milliarden. Von 2008 bis Ende 2018 standen der Politik so 460 Milliarden Euro für Ausgaben aller Art zur Verfügung. Wer auf diese Zahlen blickt, erwartet zu Recht, in einem funktionierenden Gemeinwesen zu leben: einem Land, das in die Zukunft investiert, über eine hervorragende Infrastruktur verfügt, bei der Digitalisierung vorn

mitspielt und jüngere Generationen sehr gut ausbildet. Genau dies ist nicht der Fall. ­Mindestens 120 Milliarden Euro sind nötig, um die Infrastruktur instand zu setzen. Nur um das Niveau zu halten, sind rund 30 Milliarden Euro pro Jahr an zusätzlichen Ausgaben nötig. Bei der Digitalisierung belegt Deutschland Platz 28 von 32 in Europa. Nur zwei Prozent aller deutschen Haus­ halte haben einen Glasfaseranschluss. Im vermeintlich so armen Spanien sind es 50 Prozent. Die Ausrüstungsprobleme der Bundeswehr sind unübersehbar – fliegt, schwimmt und fährt bei der Truppe doch

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AKTUELL Wirtschaftspolitik

in ­ Lebensversicherungen anlegen, die weniger Verzinsung bringen als ­Aktien oder Immobilien. Wer 1.000 Euro zu einem Prozent anlegt, hat nach 30 Jahren rund 1.340 Euro auf dem Konto. Wer sein Geld zu sechs Prozent anlegt – dem langfristigen ­Ertrag von Aktien und Immobilien – gut 5.400 Euro. Der Staat setzt falsche Prioritäten: Wir geben zu viel Geld für Umverteilung und unnötige, teure Projekte aus, statt in die Zukunft unseres Landes zu investieren. Jüngstes Beispiel ist der Kohlekompromiss. Der eingeschlagene Weg zeigt bestenfalls aus ökologischen Gründen in die richtige Richtung und soll 40 bis 80 Milliarden Euro kosten. Dabei brauchte man nur 20 Milliarden aufzuwenden, wenn wir jedem der 20.000 betroffenen Arbeitnehmer einmalig eine Million Euro auszahlen würden.

Foto: Jens Schicke

vom endet bitter

fast nichts mehr. Schulden werden erst seit 2014 getilgt: auf Bundesebene rund 83 Milliarden – weit weniger als die Zinsersparnis dieser vier Jahre. Ausgegeben wurde das zusätzliche Geld für Rentenprojekte, Krankenversicherung, Energiewende und Migration. Also zumeist für Konsum, nicht für die Sicherung des künftigen Wohlstands. Es ist nichts gegen einen prosperierenden Sozialstaat einzuwenden – man muss aber investieren, um diese Leistungen auch in Zukunft noch bezahlen zu können. Genau das hat Deutschland nicht getan, sondern von der Substanz gelebt. Ein reiches Land wie Deutschland … Begründet werden diese Ausgaben von Politikern mit unserem „reichen Land“. Nun, mit Blick auf die meisten Länder der Welt mag dies stimmen.

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Mit Blick auf unsere Nachbarn stimmt es nicht mehr. So zeigen Daten der EZB, dass die deutschen Privathaushalte im Mittel rund 60.000 Euro besitzen, während die privaten Haushalte in Frankreich, Spanien und Italien über mehr als das Doppelte verfügen. Auch das Argument, wir hätten dafür mehr Rentenansprüche, stimmt nicht. Daten der Allianz-Versicherung zeigen, dass die Deutschen bei den Rentenansprüchen im Vergleich zu den Nachbarländern unterdurchschnittlich abschneiden. Arme Privathaushalte, armer Staat. Mit Blick auf die Privaten liegen die Ursachen auf der Hand. Historisch: durch die beiden Weltkriege. Aktuell: durch die hohe Abgabenbelastung und, weil wir anders als unsere Nachbarn den Großteil unserer Ersparnisse auf dem Bankkonto oder

Als würden wir ewig im Lotto gewinnen Unsere Politiker handeln wie jemand, der daran glaubt, regelmäßig im Lotto zu gewinnen. Die letzten Jahre waren jedoch die Ausnahme. Billiges Geld, ein schwacher Euro und eine Welt, die immer mehr Schulden macht – auch, um bei uns einzukaufen – haben die Wirtschaft belebt. Nichts davon wird ewig weitergehen und so stehen unsere Industrien vor einem grundlegenden, vielleicht existenzbedrohenden Wandel. Beispiel ist gerade die Automobilindustrie. Unsere Politiker tun so, als würden die guten Zeiten niemals enden. Deshalb haben sie Ausgaben nicht nur einmalig erhöht, sondern als dauerhafte Leistungsversprechen in Gesetze gegossen. Versprechen, von denen sie eigentlich wissen müssen, dass sie nicht zu halten sind. Das wenig erfreuliche Fazit: Wir haben die fetten Jahre nicht dazu genutzt, die Grundlagen unseres Wohlstands zu sichern. Im Gegenteil, wir haben das Geld verprasst. Auf unsere Zukunft haben Politiker in treuem Glauben an das Märchen vom reichen Land erhebliche Lasten gelegt. Es ist höchste Zeit zu handeln, denn dieses l Märchen hat kein Happy End!

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AKTUELL Steuerpolitik

I

n diesen Zeiten müsste man Finanzminister sein. Für 2018 meldete sein Ministerium allein für den Bund einen Überschuss von zehn Milliarden Euro. Rechnet man Länder und Kommunen hinzu, belief er sich auf mehr als 60 Milliarden Euro. Auch wenn die Steuereinnahmen nach der Mai-Schätzung nicht mehr so stark steigen wie angenommen, ist in den nächsten fünf Jahren mit steigenden Steuereinnahmen von etwa 180 Milliarden Euro zu rechnen. Zu diesem Steuerschatz kommen die aufgrund der guten Arbeitsmarktlage in den Sozialversicherungen angehäuften, milliardenschweren Rücklagen. Diese hohen fiskalischen Überschüsse sind jedoch teuer erkauft. So stieg die Steuerquote 2018 um 0,3 Prozentpunkete auf heute 23,7 Prozent.

Als Bundeskanzlerin Dr. Angela ­Merkel MdB ihr Amt antrat, lag sie bei 19,6 Prozent. Ohnehin wachsen die Steuereinnahmen rund dreimal so stark wie die Wirtschaft – 2018 etwa um 4,5 Prozent, während die Wirtschaft lediglich um 1,4 Prozent wuchs. Die Haushaltskassen sind gut gefüllt und das wird sich durch den nachlaufenden Charakter der Besteuerung kurz- und mittelfristig nicht ändern. Jedoch streitet die Große Koalition darüber, wie sie die Zukunft steuerpolitisch gestalten will. Die Haushaltspläne geben nur eine unbefriedigende Antwort: Während die Sozialausgaben in den nächsten Jahren viermal stärker als der Gesamtetat steigen sollen, fristen Investitionen ein Nischendasein. Da­ runter leidet die Flexibilität auf ökonomische Schocks reagieren zu

können, vor allem aber die Zukunftsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Dass Steuerpolitik im internationalen Wettbewerb um den attraktivsten Wirtschaftsstandort eine immer wichtigere Rolle spielt, dürfte gemeinhin bekannt sein. Dass viele Industrienationen wie etwa die USA, Großbritannien, Schweden oder Indien deshalb bereits reagiert haben, ist kein Geheimnis. Steuerliche Forschungsförderung, wettbewerbsgerechte Steuersätze, bürokratische Entlastungen und eine moderne, digitalisierte Steuerverwaltung schaffen attraktive Ökosysteme, die hochqualifizierte Fachkräfte, Investoren und innovative Unternehmen anziehen. Es ist daher höchste Zeit, dass Deutschland sich steuerpolitisch zukunftsfest macht. Das bedeutet, Themen anzugehen wie die

Steuerrecht zukunftsfest gestalten

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Trotz Steuereinnahmen auf Rekordniveau bestehen derzeit nur geringe Aussichten auf Steuersenkungen und -vereinfachungen. Grund dafür sind immer neue soziale Wohltaten.

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AKTUELL Steuerpolitik

gehen, wirkt dies demotivierend. Das beeinflusst die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft negativ und hemmt Innovationen. Auch fast 30 Jahre nach dem Mauerfall und trotz Wegfalls der Grundlage für den Solidaritätszuschlag, will die SPD ihn nur in Höhe des halben Aufkommens abschaffen. Steuerzahler, die über Jahrzehnte ihren nicht unerheblichen Beitrag für den Aufbau Ost geleistet haben – etwa die Fami­lienunternehmen – sollen nicht entlastet werden, weil sie angeblich „überproportional profitieren“. Ungeachtet der verfassungsrechtlich fragwürdigen Umsetzung sollte die SPD sich dazu bekennen, dass sie den ­ Spitzensteuersatz in Höhe des Soli zu erhöhen plant. Dies wäre in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen ein katas­ trophales Signal – für die Verlässlichkeit der Politik, die Akzeptanz temporärer Zuschläge durch die Steuerzahler und für alle Fleißigen im Land, die erst die üppigen Sozial- und Rentengeschenke möglich machen. Die Entscheidung der Union, den Solidaritätszuschlag zeitnah und für alle abzuschaffen, ist ein wichtiger Schritt. Auch bei der Grundsteuer gilt es, sich von ideologisch motivierten Modellen zu verabschieden. Zum einen ist die Grundsteuer eine Objektsteuer, die dem Äquivalenzprinzip zu entsprechen hat, und keine Ersatz-Vermögenssteuer. Zum anderen ist es wenig erfolgversprechend, eine

Bewertungssystematik, an der die Administration fünfzig Jahre lang gescheitert ist, durch eine noch komplexere zu ersetzen. Oftmals ist die pragmatischste Lösung auch die beste und hinsichtlich der Verwaltungskosten auch effizienteste. Im Fall der Grundsteuer ist dies ein einfaches, wertunabhängiges Flächenmodell. Autor Dr. Martin Dombrowski Fachgebietsleiter Steuern, Staatsfinanzen und ­Bürokratieabbau Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Foto: Jens Schicke

rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung, den Unternehmenssteuersatz, überbordende Offenlegungs- und Mitwirkungspflichten, die Entfernung der Substanzbesteuerung aus der Gewerbesteuer, die Anpassung der im Steuerrecht genutzten Zinssätze an den Markt, die Reform der Hinzurechnungsbesteuerung sowie die Beibehaltung der Abgeltungssteuer aus Gründen der Steuervereinfachung auch für Zinseinkünfte. Mit steigenden Gehältern fallen mehr deutsche Steuerzahler unter den Spitzensteuersatz. Die Politik verkauft dies gern damit, dass „starke Schultern mehr Last tragen müssen“. Problematisch ist jedoch, dass durch die n ­ iedrige Spitzensteuersatzschwelle von 55.961 Euro mehr und mehr Durchschnittsverdiener ihm unterfallen, insgesamt drei Millionen Menschen. In den 1960er Jahren lag die Schwelle noch bei mehr als dem 18-­fachen, heute liegt sie beim 1,3-­fachen des Durchschnittseinkommens. Dies stellt eine faktische Bestrafung für durch persönlichen Einsatz erhaltene ­Gehaltserhöhungen dar. Doch nicht nur hohe Steuern belasten die Einkommen. Die Grenzabgabenbelastung im Bereich des Spitzensteuersatzes bis zur Bemessungsgrenze der Rentenversicherung – das heißt von 55.961 bis 80.400 Euro – beträgt für Arbeitnehmer bis zu 65 Prozent. Wenn von einem mehr verdienten Euro 65 Cent an den Staat

„Während die Sozialausgaben ­viermal stärker als der Gesamtetat steigen sollen, fristen Investitionen ein Nischendasein.“ Diagnose: Deutschland hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Durch teure, insbesondere sozialdemokratische Kampagnen fehlt das Geld für Steuersenkungen und –vereinfachungen, aber vor allem für wichtige Zukunftsinvestitionen. Der Staat ist aufgerufen, sich eine Grundregel der Sozialen Marktwirtschaft wieder zu Herzen zu nehmen: Geld, das ausgegeben und umverteilt werden soll, muss erst einmal verdient l werden.

Quelle: BMF/Arbeitskreis Steuerschätzung 7.bis 9. Mai 2019

Die Steuereinnahmen steigen weiter Jährlich im Frühjahr und im Herbst veröffentlicht der Arbeitskreis Steuerschätzung seine Prognosen für die Steuereinnahmen. Die Veröffent­ lichung von Mai 2019 rechnet mit 9,3 Milliarden Euro weniger Steuern für 2019. Trotzdem: insgesamt steigen die ­Steuereinnahmen weiter. (in Milliarden Euro)

ist alt neu alt neu alt neu alt neu alt neu 2018 2019 2019 2020 2020 2021 2021 2022 2022 2023 2023

Bund 322,4 334 324,3 341 328,8 355,2 340 367,3 351,5 377,2 360,3 Länder 314,1 319 321,8 338 333,3 352,4 345 366 357,5 380,1 370,7 Gemeinden 111,3 114 113,6 123 118,3 128,3 122,8 132,8 127 137,5 131,4 EU 28,6 36 34 38 39,2 39,3 39,2 41,3 41,3 45,9 46 Summe 776,3 803 793,7 840 819,6 875,2 847 907,4 877,3 940,7 908,4 Veränderung zu Schätzung Nov 2018 pro Jahr -9,3 -20,4 -28,2 -30,1 -32,3 Veränderung Summe kumuliert zu Basis 2018 0 26,7 17,4 63,7 43,3 98,9 70,7 131,1 101 164,4 132,1 Veränderung Summe kumuliert zu Schätzung Nov 2018 -9,3 -29,7 -57,9 -88 -120,3

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AKTUELL Digitalisierung

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ie Digitalisierung mit ihren vielfältigen Dimensionen ist geeignet, dem von Ludwig Erhard geprägten Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft neuen Schwung zu verleihen. Denn er dachte Wirtschaft stets vom Menschen aus. Dieser solle die Freiheit besitzen, Entscheidungen als eigenständig handelndes Wesen zu treffen und auch mit allen Konsequenzen dafür einzustehen. Die Forderung nach Freiheit ging deshalb einher mit der Erwartung, diese auch verantwortungsbewusst zu nutzen. Ausgehend von diesem zu-

heute würde man von „Disruptionen“ sprechen – zuzumuten. Er hielt sie für stark genug, mit diesen Veränderungen umzugehen und sie positiv zu gestalten. Hier liegen viele Parallelen zur Gegenwart: Im digitalen Zeitalter bestimmt der Kunde Inhalt und Richtung unternehmerischen Handelns, denn per Mausklick kann er innerhalb von Sekunden den Anbieter wechseln. So nah an den Menschen und ihren Wünschen mussten Unternehmen wohl nie sein. Dies gelingt nur, wenn klassische Hierarchien überwunden werden und die Mitarbeiter in in-

von Glück, Zufriedenheit und Würde entspricht.“ Die Wünsche der Kunden wachsen mit den digitalen Möglichkeiten. Die Anbieter sind permanent gefordert, eine gelungene Mischung aus qualitativ hochwertigen Services auf dem aktuellsten Stand und einer exzellenten und komfortablen Erlebniswelt zu bieten. Banken, welche diese Herausforderungen im Erhard‘schen Sinne als Chance begreifen, verschaffen sich wichtige Wettbewerbsvorteile. Durch den Einsatz digitaler Instrumente reduzieren sie Kosten und steigern die

Soziale Marktwirtschaft im digitalen Zeitalter Warum die Digitalisierung geeignet ist, unserem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell – der Sozialen Marktwirtschaft – zu neuem Glanz zu verhelfen.

tiefst liberalen und zugleich sozialen Menschenbild scheute sich der erste Bundeswirtschaftsminister nicht, den Menschen tiefgreifende Umbrüche – Autor Dr. Joachim von Schorlemer Foto: Stefan G. König

Mitglied des Vorstands ING Deutschland

„Ludwig Erhard scheute sich nicht, den Menschen tiefgreifende Umbrüche – heute würde man von ‚Disruptionen‘ sprechen – ­zuzumuten.“

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terdisziplinären Teams eigenverantwortlich und zügig Lösungen für ihre Kunden entwickeln. An diesem Kulturwandel hätte Ludwig Erhard vermutlich seine Freude gehabt. Die Finanzbranche muss sich den Herausforderungen der digitalen Transformation in besonderer Weise stellen. Neue Anbieter mit rein digitalen Geschäftsmodellen – sogenannte FinTechs – sind entstanden, und auch die großen Technologie-Player wie Google und Amazon ringen längst um Marktanteile. Diese Entwicklung bringt für Kunden viele neue Möglichkeiten mit sich und entspricht dem Credo des Vaters des Wirtschaftswunders: „Auf Seiten des Verbrauchers bedeutet Freiheit, dass jeder Einzelne in freier Konsumauswahl … sein Leben so gestalten kann, wie es seinem eigenen Willen und seinen Vorstellungen

Attraktivität als Anbieter. Denn im digitalen Zeitalter goutieren es Kunden, wenn ihre Bank ihnen bequeme Möglichkeiten bietet und zugleich unnötige Kosten erspart. Außerdem helfen digitale Lösungen den Kunden, sämtliche relevanten Informationen schnell und transparent zur Verfügung zu haben und als aufgeklärte Verbraucher Entscheidungen treffen zu können. Digitaler Wandel ist aber weitaus mehr als der optimale Einsatz intelligenter Softwarelösungen. Die Struktur eines Unternehmens muss diesen Wandel ebenfalls reflektieren. Um sich dynamisch verändernde Kundenwünsche schnell zu identifizieren, in unternehmerisches Handeln umzusetzen und dann innerhalb kürzester Zeit in Form von passgenauen Produkten und Dienstleistungen an ihre Kunden

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Foto: ING

AKTUELL Digitalisierung

zurückzugeben, müssen Banken Barrieren zwischen den Geschäftsfeldern aufbrechen und ihre Arbeitsweise schneller, flexibler, dynamischer, vernetzter, anpassungsfähiger und ganzheitlicher gestalten. Die entsprechende Kultur- und Organisationsform heißt „Agilität“. Beim agilen Arbeiten verteilt sich die Verantwortung breiter als in traditionellen Unternehmensstrukturen. Sie wird von zahlreichen Mitarbeiterteams wahrgenommen, die interdisziplinär arbeiten und sich engmaschig untereinander abstimmen. Das Management gibt lediglich die großen Linien vor und moderiert die Prozesse. Die Mitarbeiter können sich deutlich intensiver einbringen. Auf diese Weise werden Kreativitätspotentiale im Unternehmen gehoben, Kundenwünsche schnell erkannt und umgesetzt.

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Kreditinstitute und ihre Mitarbeiter stellt eine solche Veränderung ihrer gesamten Arbeitsorganisation vor eine erhebliche Herausforderung. Aber die Anstrengungen lohnen sich. Denn eine richtig verstandene agile Transformation bedeutet vor allem, Digitalisierung vom Menschen aus zu denken und zu gestalten. Ganz im Sinne Ludwig Erhards, für den der Mensch die treibende Kraft hinter allem wirtschaftlichen Handeln war: „Ich vertraue der privaten Initiative und glaube, dass sie die stärkste Kraft ist, um aus den jeweiligen Gegebenheiten den höchsten Effekt herauszuholen.“ Genau das leisten agile Arbeitsprozesse. Sie verlagern die Initiative auf die Mitarbeiterebene, stärken die Eigenverantwortung und heben die Potentiale aller Beschäftigten in einem vorher nicht möglichen Ausmaß.

Die digitale Transformation bewirkt auch auf gesellschaftlicher Ebene einen Kulturwandel mit tiefgreifenden Auswirkungen. Wir Menschen können zwar nicht entscheiden, ob wir diesen Wandel wollen. Wir können aber wählen, wie wir ihn gestalten. Als Intermediär, als Brückenbauer zwischen „alter“ und „neuer“ Welt können Banken dabei unterstützen, indem sie ihren Kunden helfen, den digitalen Wandel zu verstehen und mitzutragen. Natürlich geht es auch darum, neue Angebote und Services zu entwickeln. Im Fokus steht aber die Aufgabe, den durch die Digitalisierung ausgelösten gesellschaftlichen Wandel nicht den Algorithmen zu überlassen, sondern aktiv und umfassend zu gestalten. Ludwig Erhard und die Philosophie der Sozialen Marktwirtschaft sind dafür der passende Kompass. l

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AKTUELL Banken

P

reisfrage: Ist die Beratung bei einer Bank oder Sparkasse in Deutschland für Kunden kostenfrei? Könnte man meinen. Denn wer bekommt nach einem Beratungsgespräch schon eine Rechnung? Das glaubte auch ein Firmengründer, der neben der Unternehmensfinanzierung bei der Sparkasse jetzt auch etwas für seine private Zukunftssicherung tun wollte. Der Berater nahm sich etwa zwei Stunden Zeit für ihn. Der junge Mann kaufte Anteile an einem Aktienfonds und schloss einen Sparplan für einen Immobilienfonds ab. Eine Rechnung für die Beratungsleistung bekam er nicht. Also alles kostenfrei? Mitnichten. Unterm Strich, so rech­net die Verbraucherzentrale Bundesverband im Internet unter www. vzbv.de/meldung/provisionsrechner vor, zahlen Anleger etwa beim Kauf von Aktien­ fonds durchschnittlich fünf Prozent Ausgabeaufschlag als einmalige Provision plus eine laufende Vergütung von jährlich 0,6 Prozent – Zahlen, die meiner Erfahrung nach oft sogar noch deutlich höher aus­ fallen können. Und Geld, das sich die Anbieter von Finanzprodukten und der Vertrieb – sprich der freundliche Bankberater – teilen. Bei einer ­Anlage von 50.000 Euro über zehn Jahre kommen so oft Kosten von 5.000 Euro und mehr zusammen. Viel Geld, das bei einem insgesamt gesunkenen Ren­ diteniveau erst einmal zurückverdient werden muss. Kein Wunder also,

Autor Karl Matthäus Schmidt Foto: Sven Serkis

Vorsitzender des Vorstands Quirin Privatbank AG und quirion AG

„Es kann nur überleben, wer den Kunden und dessen Bedürfnisse ins Zentrum seines unternehmerischen Tuns stellt – ohne Wenn und Aber.“ 28

Deutschlands Banken stehen unter Druck: digitaler Wettbewerb, Niedrigzinsen, sinkende Margen. Doch Fusionen sind keine Lösung. Was Kunden wollen, ist ein neues Verhältnis zu ihrer Bank. Mit passenden Angeboten, ehrlicher Beratung und maßvollen Kosten.

Fusionen sind dass ­Privatanleger selten die Rendite des DAX oder der weltweiten Kapitalmärkte im eigenen Depot wieder­ finden. „Provisionsfinanzierte Beratung“ nennt sich das Modell. Banken erhalten Provisionen von Produkt­ anbietern, belastet wird aber der Kunde. Im Zweifel bekommt er das Produkt verkauft, woran die Bank am meisten verdient – und nicht das, was ihm am meisten nützt. Damit rückt der Kunde aus Sicht der Bank immer mehr in den Hintergrund, er wird zur Randnotiz. Daran ändern Fusionen, wie sie aktuell diskutiert werden, rein gar nichts. Aus Verbrauchersicht leisten sie eher einen Bärendienst – denn die fehlende Fokussierung auf den Kunden und dessen Bedürfnisse wird dadurch

aufgeschoben und sogar noch weiter ­zementiert. Und auch der Gesetzgeber sorgt bislang nicht für eine Verbesserung aus Anlegersicht. So hat zwar die Europäische Union Richtlinien für mehr Transparenz und einen höheren V ­ erbraucherschutz geschaffen, wie die Markets in Financial Instruments ­Directive, kurz MiFID II. Doch das Ergebnis ist kein besserer Verbraucher-, sondern ein erhöhter Bankenschutz. Nämlich vor ­ Regressforderungen falsch beratener Kunden. Deshalb fordern Verbraucherschützer seit Jahren ein generelles Verbot für Banken, Provisionen anzunehmen – und damit den bundesweiten Umstieg auf unabhängige Beratung, so wie wir ­ sie als Quirin Privatbank bereits seit mehr als zwölf Jahren leben.

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Foto: Fotolia.com ©Manuel Schönfeld

AKTUELL Banken

keine Lösung Und was sagen die Provisionsbanken dazu? Der Vorstand einer Großbank meinte mal zu mir: „Herr Schmidt, ich finde Ihr Geschäfts­ modell ohne Provisionen wirklich super, aber ich verdiene mit Provisionen einfach zu viel, als dass ich wie Sie auf unabhängige Beratung gegen Honorar umstellen könnte.“ Transparenz über Kosten führt eben zu sinkenden ­Margen für Banken. Den Kunden in den Mittelpunkt stellen – das funktioniert jedoch nur, wenn die Bankberatung un­ abhängig von Provisionen erfolgt und nur der Kunde die Bank bezahlt, nicht die ­Produktanbieter. In ­anderen ­Bereichen ist das doch auch der ­Normalfall: Wer würde schon einem Architekten vertrauen, der eine kostenfreie Beratung anbietet, weil er von Provi­sionen der

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Baufirmen lebt? Oder e­inem Steuerberater, der vom Finanzamt bezahlt wird? Ich nicht. Dass es auch ohne Provisionen funktioniert, machen uns andere EU-Länder längst vor. Und auch Anleger erkennen die Vorzüge einer unabhängigen Beratung gegen Honorar mehr und mehr. Auch wenn herkömmliche Banken gern suggerieren, ihre Beratung sei kostenlos, sie ist es de facto nicht – siehe Eingangsbeispiel. Summiert man alle Kosten in der Provisionsberatung auf, dann zeigt sich schnell, dass die Beratung gegen Honorar unter dem Strich sogar günstiger ist. Und das gilt für alle Einkommensklassen. Was heißt all das für Bankkunden? Sie sollten nicht auf ein Provisions­ verbot des Gesetzgebers warten. An-

leger sollten sich stattdessen stets eine ­zweite Meinung einholen, im Idealfall von einem unabhängigen Berater. In den vergangenen 20 Jahren sind gut 200.000 Jobs in der Bankbranche weggefallen. Weil die Beratung an den Bedürfnissen der Menschen immer mehr vorbeiging. Wir befinden uns bereits mitten in einem fundamentalen Umbruch – doch viele Banken verschließen die Augen davor. Ich glaube, dass nur überleben kann, wer den Kunden und dessen Bedürfnisse ins Zentrum seines unternehmerischen Tuns stellt – ohne Wenn und Aber. Banken müssen sich auf die veränderte Marktsituation und das Erstarken digitaler Finanzangebote einstellen. Meine Prognose: In den nächsten Jahren werden viele bekannte Marken, darunter auch Banken, verschwinden. An ihre Stelle rücken Technologieplattformen wie Apple und Google. Zudem werden hybride Beratungsmodelle sich immer stärker durchsetzen, also die Verschmelzung von digitalen Produkten und stationärer Beratung durch Menschen aus Fleisch und Blut. Voraussetzung dafür ist eine zeitgemäße IT-Infrastruktur, denn die IT wird mehr und mehr zum Game-Changer. Und: Menschen wünschen sich heute vor allem eines – weniger Komplexität. Wer das schafft, der gewinnt. Spezialisten in Sachen „Komplexität reduzieren“ sind Robo-Advisor. Sie ermöglichen Anlegern digital in wenigen Minuten den Zugang zu einer professionellen Vermögensanlage mit niedrigsten Kosten und in der Regel ohne versteckte Provisionen. So setzen wir das zumindest mit quirion seit mehr als fünf Jahren für unsere Kunden um. quirion war der erste Robo und ist aktueller Testsieger bei Stiftung Warentest. Durch ihre Transparenz bieten „Robos“ das Potential, das Vertrauen in die Finanzbranche wiederherzustellen, das unter anderem durch Provisionsorientierung und die Finanzkrise 2008 verloren gegangen ist. Auch dieses Potential verkennen viele Banken und behandeln das Thema digitale Geldanlage im besten Falle stiefmütterlich. Stattdessen werden Fusionen diskutiert. Ein Irrweg, wie l ich glaube.

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AKTUELL TREND-Grafik

Immer neue Rekordwerte

Text und Grafiken: Philipp Schwartz

Seit mehr als einem Jahrzehnt kennt der Arbeitsmarkt nur eine Richtung: nach oben. Noch nie zuvor arbeiteten ­­44,9 ­Millionen Menschen in Deutschland, davon 33,4 Millionen in sozialversicherungspflichtigen Jobs. Auch im ersten Quartal dieses Jahres hat sich die Quote nochmals um gut ein Prozent verbessert, obwohl sich die Konjunkturaussichten mit einer unsicheren weltpolitischen Lage und Handelsstreitigkeiten eintrüben. Damit führt Deutschland die Riege der EU-Staaten mit der geringsten Arbeitslosenquote von 3,2 Prozent an, gleiches gilt für die Jugendarbeitslosigkeit mit 5,6 Prozent. Regional sind die Unterschiede in Deutschland allerdings groß: Während im Süden nahezu Vollbeschäftigung herrscht, verzeichnen Bundesländer im Norden und der Osten mehr als doppelt so hohe Arbeitslosenquoten.

Die Arbeitslosenzahl nimmt seit mehr als einem Jahrzehnt konstant ab 8 7

(in Prozent)

7,1 Quelle: www-genesis.destatis.de

6 5 4

3,2

3 2 1 0 2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

Auch die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist niedrig (15 bis 24 Jahre)

2018

(in Prozent)

(Stand März 2019) 39,7

Griechenland

30,2

Italien 20,2

Frankreich

21,3

Kroatien 12,3

Lettland

20

Zypern Finnland

16,5

Portugal

16,5 17,7

Schweden 5,6

Deutschland 0

30

Quelle: Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat)

33,7

Spanien

5

10

15

20

25

30

35

40

TREND 2/2019


AKTUELL TREND-Grafik

Flächendeckender Rückgang der Arbeitslosigkeit

(in Prozent)

Bundesland

2005 2018

Schleswig Holstein

11,6

5,5

Hamburg

11,3

6,3

Mecklenburg-Vorpommern

20,3

7,9

Niedersachsen

11,6

5,3

Bremen

16,8

9,8

Brandenburg

18,2

6,3

Berlin

19,0

8,1

Sachsen-Anhalt

20,2

7,7

Nordrhein-Westfalen

12,0

6,8

9,7

4,6

10,7

6,1

Rheinland-Pfalz

8,8

4,4

Baden-Würtemberg

7,0

3,2

Hessen Saarland

7,8

2,9

Thüringen

17,1

5,5

Sachsen

18,3

6

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Bayern

Die wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland

(Bruttowertschöpfung in Milliarden Euro)

(Stand 2018) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

23,188

Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe

786,946

Verarbeitendes Gewerbe

705,779

Baugewerbe

160,449

Handel, Verkehr, Gastgewerbe

495,985 143,934

Erbringung von Finanz- und Versicherungsleistungen

112,602

Grundstücks- und Wohnungswesen

324,715

Unternehmensdienstleister

330,315

Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit

555,252

Sonstige Dienstleister

119,802 0

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Fotolia.com ©davooda

Quelle: Statistisches Bundesamt

Information und Kommunikation

200

400

600

800

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AKTUELL Energie und Umwelt

Foto: Fotolia.com ©Bildagentur-o

Das Energiesystem befindet sich im Wandel. Statt mit mehr staatlichen Eingriffen darauf zu reagieren, schlägt das European Energy Lab 2030 des Wirtschaftsrates und seiner Kernpartner ein marktwirtschaftliches Zielmodell für eine digitale Energiewirtschaft in Echtzeit vor. Dafür ist die Politik aufgerufen, einen neuen, zukunftsfähigen Marktrahmen zu etablieren.

Weichen für digitale Energie­wirtschaft stellen Text: D r. Bernd Weber, Bereichsleiter Industrie, Energie, Umwelt

D

as Energiesystem wird dezentraler, interaktiver und sektorenübergreifender. Dieser Wandel übt starken Druck auf das bestehende System aus. Politisch stellt sich die Frage, wie ein marktwirtschaftlicher Ordnungsrahmen für die Energiewirtschaft der Zukunft aussehen muss. Als Alternative zu einer Energiewirtschaft, die vor allem durch staatliche Eingriffe geprägt ist, ­schlagen wir mit der Leitstudie des European Energy Lab 2030 die konsequente Integration von dezentralen Erzeugungsanlagen, Wärmepumpen, Stromspeichern, Elektrofahr­ zeugen

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und Elektrolyseuren als aktive Marktakteure vor. Ziel ist es, eine Echtzeit-Energiewirtschaft zu erreichen, in der ­Millionen von Geräten miteinander interagieren und so die Liquidität und die Effizienz der Märkte verbessern sowie die Versorgungssicherheit erhöhen. Zentrale Stellschrauben sind dabei die digitale Infrastruktur, die neue IT-­basierte Gestaltungsoptionen schafft, sowie die Anpassung des ­Regelrahmens. Unser Vorschlag für ein marktwirtschaftliches Ziel­ modell besteht aus drei Bausteinen:

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AKTUELL Energie und Umwelt

Baustein 1: Offener Marktzugang und hohe Marktintegration Damit Haushalte und Unternehmen ihre Konsum- und Einspeiseentscheidungen für Geräte gemäß ihren Präferenzen frei treffen können, müssen sämtliche Preis- und Systemrisiken transparent gemacht und internalisiert werden. Die digitale Infrastruktur muss die automatisierte, digitale Authentifizierung von einzelnen stromerzeugenden und stromverbrauchenden Anlagen sowie Speichern ermög­ lichen. Anstelle einer herkömmlichen Datenbank kann die Blockchain als hochflexible, vertrauensbildende Technologie genutzt werden. So können Anlagen technisch nachweisbar und in hoher Frequenz zwischen Märkten und Systemdienstleistungen wechseln. Im Regelrahmen müssen heutige Marktordnungen konsequent weiterentwickelt werden. Wesentlich ist die Klärung, welche Einspeiser, Speicher und Lasten welcher Größe wann welchen Marktzugang erhalten. Zugleich sollten die Möglichkeiten der Direkt­ vermarktung ausgeweitet werden. Das Energy Lab 2030 schlägt vor: E Bilanzkreisverantwortung stärken. Um das Potential einer Echtzeit-Energiewirtschaft zu nutzen, muss die (Mikro-) Bilanzkreisverantwortung gestärkt werden. E Staatlichen Anteil am Strompreis senken. Damit die Preissignale die Verbraucher erreichen und flexibles Verhalten anreizen, müssen die hohen Abgaben, Umlagen und Steuern auf den Strompreis konsequent abgebaut werden. E Europäische Standards definieren und Daten-Hub schaffen. Damit alle Unternehmen im europäischen digitalen Binnenmarkt in einem fairen Wettbewerb konkurrieren, brauchen sie vergleichbare Rahmenbedingungen und einfachere Datenschutzregeln. Es sollten daher EU-weite Mindeststandards für Sicherheit, Datenschnittstellen und einen handhabbaren, innovationsfreundlichen Datenschutz definiert und die Einrichtung eines EU-Daten-Hubs geprüft werden. Baustein 2: Vielfalt von Märkten und Marktsegmenten sowie hohe Auslastung von Kapazitäten Die Öffnung und Vergrößerung der Märkte mit Blick auf Akteure und Transaktionen gilt es mit Priorität voranzutreiben. Die digitale Infrastruktur erlaubt eine höhere Transparenz auf der Verteilnetzebene und macht ungenutzte Kapazitäten und Flexibilität sichtbar. Im heutigen Regelwerk sollten die Anreize zum Eigenverbrauch angepasst werden, um die Akteure über Knappheitssignale zu einer Marktteilnahme zu bewegen. Das Energy Lab 2030 schlägt vor: E Preissignal stärken, flexibles Verhalten anreizen. Digitalisierung erhöht den Informationsfluss und damit die Preiselastizität. Wir brauchen einen Marktrahmen, der den Wert von Flexibilität transparenter macht und erhöht.

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E Systemdienstleistungen marktwirtschaftlich vorantreiben. Entscheidend ist, die technologieoffene und marktbasierte Beschaffung sicherzustellen. E Netzengpässe datenbasiert durch Transparenz beheben. Effizienzgewinne lassen sich erzielen, wenn die vertikale und horizontale Koordinierung zwischen Übertragungsund Verteilnetzbetreibern sowie zwischen Netzbetreibern auf der gleichen Netzebene gestärkt werden. E Netze dynamisch nach Anschlussleistung und/oder Kilo­ wattstunden bepreisen.

Die Finanzierung sollte sich stärker an der Auslastung der Netze sowie der Anschlussleistung orientieren. Zugleich sollte systemdienliches Verhalten von Verbrauchern gestärkt und durch zeitlich differenzierte Netzentgelte noch verursachergerechter bepreist werden. Baustein 3: Hoher Grad marktgetriebener Innovationen von Geschäftsmodellen Eine effiziente digitale Echtzeit-Energiewirtschaft muss ­sicherstellen, dass die Akteure Geschäftsprozesse dynamisch weiterentwickeln und neue Geschäftsmodelle er­ proben können. Voraussetzung einer digitalen Infrastruktur dafür ist, dass die Kosten für die Nutzung des Marktes niedrig sind. Für die Interaktion von Ressourcen sollten offene Standards genutzt werden können. Schnittstellen müssen klar definiert sein, insgesamt Interoperabilität angestrebt werden. European Energy Lab 2030 Im Regelrahmen gilt es Hindernisse abzubauen, die eine Marktöffnung für neue Akteure erschweren. Zudem ist die Politik gefragt, abgestimmte, domänenübergreifende Regularien für die Sektor­kopplung zu schaffen.

Digitale Echtzeit-Energiewirtschaft– Bausteine für ein marktwirtschaftliches Zielmodell www.energylab2030.eu · #elab2030

Das Energy Lab 2030 schlägt vor: E Unbürokratische Datentransparenz und -kategorisierung ­er­mög­lichen.

Datenbestände sollten einfach, aber sicher erfasst werden, um für Transparenz bei Angebot und Nachfrage im digi­ talen Binnenmarkt zu sorgen. Zu prüfen ist, ob nicht ein ­Register mithilfe der Blockchain-Technologie zu realisieren ist. E Optimierung des Gesamtsystems durch Datenaustausch. Um die Sektorkopplung voranzubringen, müssen die benötigte Infrastruktur, insbesondere die Energienetze, ­ datenbasiert ausgebaut und betrieben werden. Damit lassen sich die Schnittstellen zwischen den Sektoren effizient ­nutzen. E Energiepolitische Positivliste etablieren. Mit Hilfe einer Positivliste kann das energiepolitische ­Regelwerk mit Blick auf die Digitalisierung und Wider­ sprüche fortlaufend überprüft und verschlankt werden. ­Dabei kann eine Ombudsstelle regulatorische Wider­sprüche l ­unbürokratisch auflösen.

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AKTUELL Bundestagswahl Energie und Umwelt

Energiewende schneller besser machen

Die Energiewende kommt Wirtschaft und Bürger teuer zu stehen. Deutschland produziert heute trotzdem ähnlich hohe Treibhausgase wie vor zehn Jahren. Wie lassen sich die ­Energiewende optimieren, die Strompreise senken und der Klimaschutz verbessern, ohne dass die Wirtschaft in eine Rezession fällt?

Foto: Fotolia.com ©Gina Sanders

Strom muss bezahlbar werden Peter Altmaier MdB

Bundesminister für Wirtschaft und Energie

W

Foto: Fotolia.com ©nt

ir müssen die volkswirtschaftliche Leistungs­ fähigkeit Deutschlands ausbauen und unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Und wir tun gut daran, uns die langfristige Auswirkung von wirtschafts­politischen Maßnahmen vor Augen zu führen. Das gilt besonders für die Energiewende. Bezahlbarkeit ist hier das entscheidende Thema. Versorgungssicherheit kann ich zusichern. Mein Ziel ist es, bei der Energiewende vorankommen. Wir müssen den Klimaschutz marktwirtschaftlich organisieren – d ­ amit er unsere Wettbewerbs­ fähigkeit nicht mindert.*

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Holland folgt ­realistischem Weg Eric Wiebes

Minister für Wirtschaft und Klima, Königreich Niederlande

H

olland hat die Windmühlen erfunden, aber Deutschland ist Vorreiter der Energiewende. Ja, die Preise sind deutlich gestiegen. Aber wir haben heute in ganz Europa eine Basis für eine Energieversorgung mit Erneuerbaren, von der alle profitieren. Sowohl Holland als auch Deutschland kämpfen, um die Klimaziele zu erreichen. Besonders die Kinder fordern, dass wir handeln. Aber es sorgen sich auch Menschen um ihre Arbeitsplätze. Was also tun? Wir haben einen nationalen Klimapakt aufgesetzt, der einem realistischen Weg folgt. Wir setzen alles daran, den technologisch effizientesten Weg einzuschlagen, damit die Kosten für die Gesellschaft möglichst gering bleiben. Bis 2030 sollen die CO2-Emis­ sionen um 50 Prozent sinken. Dafür setzen wir einen halben Prozentpunkt unserer Wirtschaftsleistung ein. Das ist nicht wenig.*

TREND 2/2019


AKTUELL Energie Bundestagswahl und Umwelt

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Zentrale Stellhebel fokussieren Dr. Karsten Wildberger

Chief Operating Officer, E.ON SE und Vorsitzender Bundes­fachkommission Energiepolitik im Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Foto: Fotolia.com ©blene11.photo

2/2019 TREND

setzung der Energiewende. Wir sind hierzulande in der Komplexitätsfalle gefangen. Immer mehr Verordnungen, Regeln. Das ist Gift. Nicht nur das System zur Strompreisbildung aus Steuern, Abgaben und Umlagen ist zu kompliziert und muss mutig angefasst werden. Auch ­Genehmigungsverfahren im Baurecht sind umständlich und langwierig. Sechstens müssen wir die digitale Technologie im Energiesektor forcieren. Wir brauchen flächendeckend digitale Lösungen, die das komplexe System in Real-Time steuern. Das erfordert Investitionen in Netze, in Produkte..*­

Foto: Fotolia.com ©phonlamaiphoto

D

ie Energiewende ist extrem komplex. Deshalb ist es wichtig, die zentralen Stellhebel zu fokussieren: Erstens müssen wir zum Stromsektor Wärme und Mobilität dazunehmen. Zudem brauchen wir die ganzheitliche Sicht auf die Sektorkopplung. Viel diskutiert ist, welche Rolle dabei der CO2-Preis übernehmen muss. In Deutschland ist der Strompreis deutlich zu hoch, im Schnitt für Privatkunden zehn Cent pro Kilowattstunde höher als im EU-Durchschnitt. Für Gas, Benzin, Diesel zahlen wir ähnlich viel wie andere Europäer. Heizöl ist billiger. Deutschland hat mit den höchsten Preisunterschied zwischen Strom und anderen fossilen Energieträgern. Bei der Umsetzung der Vorschläge der Kohlekommission müssen wir alles dafür tun, dass der Strompreis nicht weiter aus den Fugen gerät. Das ist kein Selbstläufer! Zweitens brauchen wir eine funktionierende Energiewirtschaft. Deutschlands vielfältige Energielandschaft kann dazu beitragen, Energiebedarfe zu managen – sektorübergreifend, intelligent, mit digitalen Methoden. Die Wirtschaft hat das Know-how und die Kompetenz, die richtigen Ideen und Technologien voranzutreiben. Wir müssen das Thema als Wachstumsfeld begreifen. Drittens: Der Ausbau der Erneuerbaren muss vorangehen und ganz besonders der Netzausbau. Das gilt auch gerade für die Verteilnetze. Viertens dürfen wir System und Industrie nicht überfordern. Sektorscharfe Grenzwerte wie derzeit diskutiert sind überzogen und brandgefährlich. Wir dürfen die Industrie nicht in ein zu enges Korsett packen. Technologie kann man nicht gesetzlich verordnen. Die Politik muss einen Rahmen setzen, in dem sich Technologie entfalten kann. Technologie kennt keine Ideologie. Fünftens brauchen wir mehr Tempo bei der Um-

Investitionen fördern Andreas Feicht

Staatssekretär, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

D

ie Energiewende hat zwei wesentliche Treiber: Zum einen die fluktuierende Einspeisung der Erneuerbaren. Zum anderen wachsen wir in eine fixkostenbasierte Wirtschaft hinein – die Rolle der variablen Brennstoffkosten nimmt ab, die Fixkosten werden zum Allokationsmodell der Energiewirtschaft. Deshalb muss die Energiepolitik dafür sorgen, dass wir kapitalschonende Investitionen sehen. An allen Ecken und Enden muss investiert werden, und wir stehen im Wettbewerb zwischen verschiedenen Investitionsmöglichkeiten. Systemkosten­ effizienz wird damit zum Leitkriterium. Dabei kann die Digitalisierung eine wesentliche Rolle spielen, weil bei der Kopplung von Netzen, Speichern und anderen Technologien die Transaktionskosten sinken.*

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AKTUELL Energie und Umwelt

Nationale Maximalziele sind falsch Wolfgang Steiger

Generalsekretär, Wirtschaftsrat der CDU e.V.

D Foto: Fotolia.com ©industrieblick

eutschland steht angesichts der Konjunkturabkühlung vor großen wirtschaftspolitischen Heraus­forderungen. Aufbruch und Dynamik sind angezeigt, um die Energiewende zu meistern. Die Bundesregierung muss die Weichen für das Energiesystem

von morgen stellen und die Energiewende in ein industriepolitisches Gesamtsystem einbetten, damit Wachstum und Inno­vationen weiter möglich sind. Trotz Rekordkosten für die Energiewende stagnieren die CO2-Emissionen seit 2009. Der Vorstoß der Umweltministerin für nationale CO2-­Maximalziele ist jedoch der falsche Weg. Um beim Klimaschutz voranzukommen, brauchen wir fairen Wettbewerb und die Zusammenarbeit auf EU-Ebene. Klimaschutz muss mit dem Schutz von Arbeitsplätzen einhergehen. Dazu brauchen wir einen marktwirtschaft­ lichen Rahmen für eine integrierte Energiewende, der Wett­ bewerb, Ver­ sorgungssicherheit, Klimaschutz und Inno­vationen befördert.*

Europa ist der Schlüssel Prof. Dr. Martin Neumann MdB

Auf dezentrale ­Lösungen setzen Hubert Aiwanger MdL

Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie

E

s ist bei der Energiewende entscheidend, Angebot und Nachfrage intelligenter abzugleichen, indem wir Systeme von unten neu aufbauen und vor Ort schauen, welche Energiequellen verfügbar sind. Es bringt nichts, große Atomkraftwerke durch große Windparks zu ersetzen und die Energie quer durch die Republik zu ­leiten. Das kostet Milliarden, bindet Rohstoffe und ist wieder eine zentrale Lösung. Wir müssen uns auf dezentrale ­Lösungen konzentrieren, etwa vor Ort mit Geothermie oder Photovoltaik arbeiten. Dafür müssen Marktanreize gesetzt werden.*

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Energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Deutscher Bundestag

A

us Sicht der FDP geht es darum, CO2 zu vermeiden und Energieträger in den Wettbewerb zu geben. Unser Ansatz setzt auf Technologieoffenheit, das unterscheidet uns von den Grünen. Mir fehlt die Zielorientierung, den CO2-Ausstoß tatsächlich zu senken. Eine europäische Lösung halte ich für den wichtigsten Schlüssel. Aus Sicht der Wirtschaft stellt sich die Frage der Belastung. Wenn man jetzt das Thema CO2 in den Vordergrund rückt, kommt es darauf an, die Belastungen insgesamt im Rahmen zu halten, vor allem für die energieintensiv ­produzierende Industrie. Wenn wir darüber nach­denken, den Emissionshandel auszuweiten, müssen wir auch berücksichtigen, ob dies jenseits der Industrie Akzeptanz findet.*

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AKTUELL Energie und Umwelt

Paradigmen­wechsel in der Energiebranche Dr. Oliver Weinmann

Geschäftsführer, Vattenfall Europe Innovation GmbH

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ie Energiewende ist ein großer Innovationstreiber. Es geht nicht nur um die Umstellung von fossiler und nuklearer Stromerzeugung auf Erneuerbare. Es geht um einen Paradigmenwechsel von einer bedarfs- zu einer angebotsorientierten Versorgung. Wenn wir früher mehr Strom brauchten, haben wir im Kohlekraftwerk eine Schippe mehr aufgelegt. Heute müssen wir den Strom

a­ bnehmen, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Wir bewegen uns hin zu einer Dezentralisierung der Stromversorgung. Vor 15 Jahren hatten wir ein paar Hundert Energieversorger in Deutschland, heute haben wir 1,6 Millionen. Natürlich brauchen wir noch einen Backbone. Das werden aber nicht mehr unbedingt thermische Kraftwerke sein, sondern auch Offshore-Anlagen.*

Foto: Fotolia.com ©Stefan Loss

Nationale Alleingänge verhindern Dr. Joachim Pfeiffer MdB

Wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Deutscher Bundestag

Innovationen ­fördern Dr. Georg Nüßlein MdB

Stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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eute reden wir erfreulicherweise über eine integrierte Energiewende. Ein Jahrzehnt dominierte das Thema Energie in Deutschland eine Stromdiskussion. Was indes die Bundesumweltministerin vorschlägt, führt in der Konsequenz in eine Rezession – das ist ­Irrsinn. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist ein gutes Beispiel, wie aus „gut gemeint“ „schlecht gemacht“ wird. Wenn der Wettbewerbsdruck fehlt, gibt es keine ­Innovationen. Dabei ist das der zentrale Punkt für die Energiewende, Innovationen und Wachstum voranzubringen. Unsere Umweltziele sind nur mit Technologiesprüngen zu erreichen. Deshalb rate ich zu einer Politik, die auf Innovationen setzt. Das geht nur mit Dereguliel rung und einem Steuersystem, das Anreize setzt.*

Foto: Fotolia.com ©Cozyta

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ie Energie- und Klimapolitik kommt einer Quadratur eines Kreises gleich. Der Globalisierung kann man nicht mit einer Subsistenzwirtschaft begegnen, wie es den Grünen offenbar vorschwebt. Wir werden nicht gänzlich unabhängig von Energieimporten sein. Die Vorschläge der Kohlekommission sehe ich als nächsten Alleingang Deutschlands in Europa. Wir dürfen nicht den gleichen Fehler machen wie bei der Kernenergie, denn auch wenn wir aus der Kohle ganz aussteigen, ist dies klimapolitisch wirkungslos. Klimaschutz ist eine internationale Herausforderung. Die vereinbarten Ziele sollen erreicht werden – ja. Aber die Menschen wollen auch gut leben. Deshalb darf Klimaschutz weder Ersatzreligion noch Happening für Teenager sein. Wir müssen das Thema faktenorientiert mit Maß und Ziel angehen. Die Welt ist mit dem Waldsterben und dem Ozonloch nicht untergegangen – und wird es auch diesmal nicht.*

(*Auszüge aus Reden Klausurtagung Energie- und Umweltpolitik des Wirtschaftsrates 2019)

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AKTUELL Energie und Umwelt

Wachstumsmarkt Energiewende Foto: Fotolia.com ©Gasdruckfeder

Nach dem Abschied von Kernenergie und Kohle wird die Energiewende zum Wachstumsmarkt mit dem Mittelstand als ­Innovationstreiber.

N

ach der Aufholjagd im Verkehrssektor, verlangt jetzt auch die Industrie zunehmend nach erneuerbarer, emissionsfreier Energie. Auf dem Weg zu 100 Prozent Erneuerbare stehen Power-to-X-Lösungen (PtX) – also Technologien zur Speicherung und Umwandlung von Strom in gasförmige oder flüssige Energieträger – jetzt zu Recht im Fokus. Erneuerbare Energien decken inzwischen rund 38 Prozent des Bruttostromverbrauchs ab. Bis zu einer echten Energiewende ist es aber noch ein weiter Weg. Der

Autor Stephan Frense Foto: ARGE Netz

Chief Executive Officer Erneuerbare – ­Unternehmensgruppe ARGE Netz

„Zum Erreichen der selbst ­gesteckten Ziele muss die ­Bundesregierung zügig einen breiten Marktrahmen für ­PtX-Lösungen schaffen.“ 38

Anteil der Erneuerbaren am gesamten Energieverbrauch beträgt erst rund 17 Prozent, im Verkehrssektor sogar nur rund sechs Prozent. Bis 2030 müssen die CO2-Emissionen im Mobilitätssektor um über 40 Prozent sinken, um die Klimaziele zu erreichen. Es bedarf also enormer Anstrengungen für eine sektorübergreifende Dekarbonisierung auf Basis Erneuerbarer. Mit anderen Worten: Hier schlummern gigantische Wachstums­ potentiale für die deutsche Wirtschaft, national, europaweit und global. Es gilt jetzt in der zweiten Phase von der Stromerzeugung in die Energieversorgung auf Basis Erneuerbarer einzusteigen. Synthetische Gase auf Basis Erneuerbarer können fossile Energieträger im Transportsektor und in der Industrie schrittweise ersetzen. Deutschland muss diese Klimaschutz-Innovationen als System vor Ort umsetzen und dann in die Welt exportieren. ARGE Netz plant daher im Industriepark Brunsbüttel mit seinen Partnern MAN Energy Solutions und Vattenfall Europe Innovation das erste industrielle Großprojekt

für Power-to-Gas weltweit. Die 50-­ Megawatt-Elektrolyse wird mit regionalem Strom aus Erneuerbaren grünen Wasserstoff und nachgelagert synthetisches Gas herstellen, um damit Busse, Lkw und Schiffe anzutreiben sowie beim Einsatz in Gaskraftwerken und in der Industrie klimaschädliche CO2-Emissionen zu verringern. Gemeinsames Ziel ist es, am größten Industriestandort Schleswig-Holsteins den Grundstein für einen norddeutschen Power-to-­ GasHub für eine sektorenübergreifende Dekarbonisierung zu legen. Damit die Energiewende weiter Wachstumsmarkt für Deutschland bleibt, muss die technologische Führungsposition bei PtX konsequent ausgebaut werden. Die Technik ist einsatzreif, und die Unternehmen wollen in die grüne Energiezukunft investieren. Nur die immer noch völlig veralteten gesetzgeberischen Rahmenbedingungen erlauben derzeit keinen wirtschaftlichen Betrieb der innovativen Klimatechnologien. Das Reallabor des Bundeswirtschaftsministeriums kann die Möglichkeit schaffen, grüne Gase wirtschaftlich vor Ort und deutschlandweit ohne Belastungen auf den Strompreis nutzen zu dürfen. Dabei bleibt es unerlässlich, dass die Bundesregierung zügig einen breiten Marktrahmen für PtX-Lösungen schafft. Eine CO2-­Bepreisung für die Sektoren Wärme und Verkehr als Steuerungsinstrument für Klimainnovationen und ein Absenken der staatlich induzierten Strompreisbestandteile sind die zentralen Grundlagen. l

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AKTUELL Gesundheitswirtschaft

Gesundheitswirtschaft für starken Standort Staatsmedizin verhindern Christian Molt

Mitglied des Vorstandes, ERGO Deutschland AG

„Es ist entscheidend, Staatsmedizin zu verhindern.“

W

ie wir die Gesundheitswirtschaft in Deutschland stärken können, liegt auf der Hand: Wir brauchen mehr Wettbewerb und weniger Bevormundung. Der Staat muss der Gesundheitswirtschaft im Markt Chancen lassen. Vertrauen und Verlässlichkeit sind hier

elementar. Wir haben ein fragiles Gleichgewicht der Akteure im Gesundheitswesen. Deshalb müssen wir darauf achten, dass es erhalten bleibt. Entscheidend ist es, Staatsmedizin zu verhindern. So ist etwa der Wettbewerb zwischen Privaten und Gesetzlichen Krankenversicherungen ganz wichtig. Deshalb müssen wir aufpassen, dass durch die wissenschaftliche Kommission für ein modernes Vergütungssystem nicht durch die Hintertür eine einheitliche Vergütung für beide Systeme eingeführt wird. Nur mit einem intensiven und fairen Wettbewerb gelingen uns Kosteneffizienz, Innovationen und Qualität in der Versorgung.*

Wettbewerb um Qualität stärken Reinhard Brücker

Vorstandsvorsitzender, VIACTIV Krankenkasse

„Müssen wir nicht mal anfangen, Chancen zu diskutieren statt Risiken?“

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urch das „Krankenkassenwahlgesetz“ ist zu viel Wettbewerb um Preise und zu wenig um Qualität ins System gekommen. Letzteren – also Qualitätswettbewerb über die Krankenkassen und die Leistungserbringer

– bräuchte das deutsche Gesundheitssystem jedoch dringend. Eine Studienreise nach Israel zum Thema Digitalisierung hat nach dem ersten Besuch eines Krankenhauses in Tel Aviv gezeigt, was geht und was nicht. Wir hatten schon vor 15 Jahren ein elektronisches Rezept, das bis heute nicht realisiert ist. Wie lange wollen wir das noch mitmachen? Können wir es uns leisten, uns völlig abhängen zu lassen? Müssen wir nicht irgendwann mal anfangen, die Chancen zu diskutieren, statt immer nur die Risiken in den Vordergrund zu schieben?*

Verlässlicher Gesundheitsmarkt Michael Dieckmann

COO und Mitglied des Vorstandes, AMEOS Gruppe

Fotos: privat

„Mehr Markt, mehr Wettbewerb – ­dafür sollten wir kämpfen.“

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ls Schweizer Gesundheitsunternehmen und euro­ päischer Gesundheitsplayer, der in deutschsprachigen Ländern unterwegs ist, haben wir den Blick da-

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rauf, wie es in Österreich im Unterschied zu Deutschland ist. Wir sind gern in Deutschland tätig, hier finden wir ­einen sehr großen und verlässlichen Gesundheitsmarkt vor. Über die Jahre hinweg sehen wir eine verlässliche G ­ esetzgebung, auch wenn wir in den letzten Jahren den Eindruck haben, das überholt uns manchmal. Das Papier des Wirtschaftsrats zum Gesundheitsmarkt ist wichtig: Mehr Markt, mehr Wettbewerb, dafür sollten wir kämpfen.*

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AKTUELL Gesundheitswirtschaft

Deutschland ist innovationsfreundlich Martin Fensch

Mitglied der Geschäftsführung, Pfizer Deutschland GmbH

„Deutschland ist ein sehr ­innovationsfreundlicher Standort.“

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it Blick auf mehr Wettbewerb spricht grundsätzlich nichts gegen Ausschreibungen. Aber ich kenne aus eigener Erfahrung im Bereich der Generika auch Ausschreibungen, bei denen man nur erfolgreich sein kann, wenn man in Deutschland produziert und unterhalb der Herstellungskosten anbietet. Das hat mit Wettbewerb nichts mehr zu tun. Als das größte forschende Pharmaunternehmen der Welt brauchen wir gute Rahmenbedingungen für Innovationen. Diese gibt es glücklicherweise in Deutschland. Aber wir sehen n ­ atürlich an manchen Stellen Nachholbedarf.*

Politik öffnet die Türen Istok Kespret

Geschäftsführer, HMM Deutschland GmbH

„Das deutsche Gesundheitswesen ist das allerbeste der Welt ist – auf Papier.“

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ie Bertelsmann Stiftung hat festgestellt, dass Deutschland ­Informationen noch immer auf Papier austauscht und erst an den Grundlagen der digitalen Vernetzung arbeitet. Andere Länder gehen den nächsten Schritt. Wir sind angetreten, das besser zu machen. Auch die Politik zeigt inzwischen eine starke Aktivität. Es geht endlich voran: Es ist bemerkenswert, dass der Bundesgesundheitsminister angekündigt hat, dass Patienten künftig mit ihrem Smartphone auf ihre medizinischen Daten zugreifen können sollen. Das ist eine unglaub­ liche Neuerung und gibt neuen Playern die Gelegenheit, die Landschaft zu bereichern. Alles, was jetzt von der Politik angestoßen wird, muss umgesetzt werden. Das sind Türöffner!*

Daten verbessern Diagnostik Dr. Frank Wartenberg

Vorsitzender der Geschäftsführung, IQVIA Commercial GmbH & Co. OHG

„Digital Health soll mehr Effizienz bringen und eine bessere Diagnostik.“

Fotos: privat

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Foto: Fotolia.com ©Kzenon

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ie Digitalisierung von Prozessen im Gesundheits­ wesen dient keinem Selbstzweck. Es geht um die ­Frage, was sie bringt. Wünschenswert wäre ein besseres Ergebnis, eine höhere Versorgungsqualität. ­Digital ­Health soll mehr Effizienz bringen und eine bessere Diagnos­tik. Wir wollen verstehen, welche Therapie wem hilft. Es geht darum, die Chancen zu nutzen, die in der Auswertung und Verknüpfung von Daten liegen. Dafür brauchen wir eine gewisse Masse an Daten. Die Leistungserbringer müssen dazu verpflichtet werden, diese sauber zu dokumentieren, bereitzustellen und zu anony­misieren.*

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AKTUELL Gesundheitswirtschaft

Deutschland kann aufholen Christian Klose

Ständiger Vertreter der Abteilung Digitalisierung und Innovation, Bundesministerium für Gesundheit

„Jens Spahn wird zur richtigen Zeit die richtigen Initiativen voranbringen.“

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ie Patientenakte muss nutzerzentriert sein – das ist entscheidend. Aber wir stehen hier erst am Anfang, haben aber die Chance aufzuholen. Jens Spahn wird zur richtigen Zeit die richtigen Initiativen voranbringen. Denn wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles auf einmal umsetzen. Wir müssen skalierbar agieren, agil sein und iterativ an das Thema rangehen. Das gilt auch für die Regulierung. Die elektronische Patientenakte allein wird die Probleme nicht lösen. Aber sie ist ein wichtiger Baustein.*

Kliniken werden finanziell ausgetrocknet Kai Hankeln

Konzerngeschäftsführer CEO, Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA

„Jedes Jahr fehlen Krankenhäusern rund drei Milliarden Euro.“

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nser Gesundheitswesen ist gut, sehr teuer, aber die Kliniken sind unterfinanziert. Laut OECD liegt Deutschland auf dem letzten Platz. Wir haben die doppelte Leistung zum halben Preis – und das ist volle Absicht der Politik. Das politische Kalkül ist einfach. So soll Druck aufgebaut werden, um Kliniken vom Netz zu nehmen und die Überversorgung zu beenden. Den Kliniken fehlen jedes Jahr rund drei Milliarden Euro für Investitionen, die ihnen die Länder nicht zur Verfügung stellen. Sie sind gezwungen, aus den ohnehin schon niedrigen Vollvergütungen in den Krankenhäusern auch noch die fehlenden Investitionsmittel der Länder zu ersetzen. Die Krankenkassen beklagen zu Recht, dass aus Beitragsgeldern die Investitionslücken geschlossen werden, für die die Länder verantwortlich sind. Parallel dazu schaffen die Politik, der Gemeinsame Bundesausschuss und die Länder weitere Strukturvorgaben, die der Medizinische Dienst exekutiert. Die Kassen haben inzwischen einen Überschuss von rund 21 Milliarden Euro angesammelt. Das kann man von den Krankenhäusern nicht sagen. Der Großteil steckt in den roten Zahlen.*

Versorgungsmangel absehbar Dr. Markus Hamm

CEO, Schön Klink SE

Fotos: privat

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„Nur die Struktur­kriterien zählen, eine Diskussion darüber, welche Häuser gute Qualität ­liefern, fehlt.“

etztlich lässt die Politik mit Pflegeuntergrenzen und anderen Gesetzen die Krankenhäuser unkontrolliert vor die Wand fahren. Nur die Struktur­ kriterien zählen, eine Diskussion darüber, welche Häuser gute Qualität ­liefern, fehlt. Der Pflegemangel wird so zu einem Versorgungsmangel führen, weil reihenweise Versorgungskapazitäten in Deutschland abgemeldet werden. l Ich hoffe, aber bezweifle, dass dies an den richtigen Stellen geschieht.*

(*Auszüge aus Reden Gesundheitssymposion des Wirtschaftsrates 2019)

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Foto: Jens Schicke

STANDPUNKT STEIGER 42

„Die Bundesregierung sollte beim ­säulenübergreifenden Renteninformationssystem auf ’s Tempo drücken.“

Wolfgang Steiger Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Zahlmeister junge Generation E s ist fast schon eine politische Bauernregel: Stürzt die SPD in Umfragen auf einen neuen Tiefstand, reagiert sie mit der Verteilung von Geld nach dem Gießkannenprinzip. Arbeitsminister Heil möchte jetzt etwa drei bis vier Millionen Geringverdienern als Rentner bis zu 447 Euro monatlich extra auszahlen. Falls diese „Grundrente“ ohne Bedürftigkeitsprüfung verteilt würde, wie es die SPD will, käme eine Zahnarztgattin, die 35 Jahre lang nur Teilzeit gearbeitet hat, auf dieselbe Rente wie ein Friseur, der 45 Jahre lang 40 Stunden wöchentlich hinter dem Frisierstuhl stand. Zudem gilt im deutschen Rentensystem eigentlich das sogenannte Äquivalenzprinzip, das heißt die Rentenhöhe bemisst sich nach den eingezahlten Beiträgen. Wird davon zugunsten einer Gruppe abgewichen, müssen hierfür alle anderen bezahlen. Denn für jede Zusatzrentenauszahlung kommen einerseits die übrigen Rentner auf, deren Beiträge dadurch entwertet werden, andererseits die aktiven Beitragszahler, die für insgesamt höhere Rentenleistungen aufkommen müssen. Das trifft insbesondere die junge Generation hart, der die Große Koalition mit ihrer Spendierpolitik bereits zuvor schwere Hypotheken aufgeladen hat, ohne dass sich dagegen nennenswerter Protest geregt hätte. Allein das 2014 verabschiedete Paket aus Rente mit 63 und Mütterrente kostet zehn Milliarden Euro – pro Jahr. Die jährlichen Rentenausgaben werden sich nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums bis 2045 fast verdreifachen: Von derzeit rund 283 auf dann 784 Milliarden Euro. Deshalb explodiert der

Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt und wird wohl schon 2020 die Schallmauer von 100 Milliarden Euro durchbrechen. Mehr Transparenz in der Altersvorsorge würde das Problembewusstsein der Bürger stärken – sowohl mit Blick auf die eigene Vorsorge als auch für die Tatsache, dass für weitere Rentengeschenke jeder Spielraum fehlt. Ein säulenübergreifendes Renteninformationssystem wurde im Koalitionsvertrag vereinbart. Der angedachte Zeitplan erster Umsetzungsschritte frühestens 2020 ist allerdings viel zu zaghaft. Die Bundesregierung sollte deutlich aufs Tempo drücken. Damit trüge jedes Wahlgeschenk ein individuelles Preisschild für die Beitragszahler. Älteren würde zudem die oft unbegründete Furcht vor Altersarmut genommen. Jüngere Menschen könnten Lücken frühzeitig erkennen und durch Vorsorge schließen. Aus Datenschutzgründen und damit ein solches System unabhängig von politischer Einflussnahme bleibt, muss die Renteninformation allerdings von einem neutralen Anbieter bereitgestellt werden. Für einen unkomplizierten Zugang sollte der Abruf zudem nutzerfreundlich, beispielsweise per App, möglich sein. Davon abgesehen sind tiefgreifende Reformen notwendig, damit unser Rentensystem nicht in naher Zukunft an seine Grenzen stößt. Bei immer weniger Beitragszahlern und steigender Rentenbezugsdauer führt kein Weg vorbei an einer Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. Sonst ­werden die jungen Erwerbstätigen noch stärker zum l Lastesel des demografischen Wandels.

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Junger Wirtschaftsrat

Text: D r. Sven Hildebrandt, Michael Mies und Florian Neitzert

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erade auf den FinanzmärkField“ notwendig. Im Zuge der Reguten, zeigt, dass die Zeichen der Zeit lierung sollte das ohnehin überalterte ten führt der digitale Forterkannt wurden. und in anderen europäischen Staaten schritt zu vielfältigen VeränDie im Eckpunktepapier vertrelängst abgeschaffte Schriftformerforderungen und Neuerungen. tene Auffassung, dass Utility-Token dernis für alle Wertpapiere fallen. Zudem ist dem Koalitionsvertrag der keine Wertpapiere, VermögensanlaDas Fazit des Jungen WirtschaftsBundesregierung die erklärte Zielsetgen oder andere Finanzinstrumente rates: Das Papier ist ein Schritt in die zung zu entnehmen, Deutschland zu im Sinne des Wertpapierhandelsgerichtige Richtung, jedoch sollte nicht einem der führenden Digitalisierungsetzes darstellen, begrüßt der Junge abermals ein fundamentaler Gesellund FinTech-Standorte zu entwickeln. ­Wirtschaftsrat. Aus diesem Grund hat sich der Junge Wirtschaftsrat auf die Fahnen geschrieben, diesen für Deutschlands Wertschöpfung wichtigen Prozess kritisch zu begleiten und diese ­Positionen dazu erarbeitet. Folgerichtig steht daher die Entwicklung einer Blockchain-Strategie oben auf der politischen Agenda. Mit dem Eckpunktepapier für die „Regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token“ stellten die zuständigen Ministerien – das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz und das Bundesministerium der Finanzen – im März 2019 die erste Einzelmaßnahme zur Diskussion. Grundsätzlich regt das Eckpunktepapier eine Öffnung des deutschen Rechts für elektronische Wertpapiere an, was der Junge Wirtschaftsrat ausdrücklich unterstützt. Allerdings erscheint die eindimensionale Fokussierung auf Wie Deutschland zu alter Stärke zurückfinden kann und Fremdkapitalinstru­mente, was die Regulierung von ­Digital-Assets damit zu tun hat. elektronische Schuldverschreibungen, und somit der Ausschluss von Um die Rolle des Standorts schaftswandel mit zu wenig Impetus ­Eigenkapitalinstrumentarien nicht Deutschland nachhaltig zu stärken, und negativen Folgen für Deutschland nachvollziehbar. Verständlicherweise sind jedoch weitere Reformen notwenverfolgt werden. Im Bereich Blocksetzt sich daher ­unter anderem der dig. Beispielsweise benachteiligt der chain bzw. Distributed Ledger TechBVI Bundesverband Investment und derzeitige „deutsche Sonderweg“, benologie ist nicht Evolution, sondern ­Asset Management e.V. für eine Aus­ stimmte Token als Rechnungseinheit ernstgemeinte Revolution das Gebot weitung des Gesetzesentwurfes auch zu betrachten, hiesige Unternehmen der Stunde, soll der Anschluss an Länfür Fondsanteile und -aktien ein. im Vergleich zu Wettbewerbern. Konder, die bereits Blockchain-Gesetze Auch die Forderung des BVI, dass sequenterweise ist die Schaffung eines verabschiedet haben, nicht verloren Fonds direkt in etwa die Kryptowähl weltweit einheitlichen „Level Playing gehen. rung Bitcoin investieren können soll-

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Foto: Fotolia.com ©dima_sidelnikov

Revolution statt Evolution

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WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

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AUS DEN KOMMISSIONEN   

BAU, IMMOBILIEN UND SMART CITIES

INTERNET UND DIGITALE WIRTSCHAFT

Debatte zerstört den Markt

Statt „bashing“ bessere Rahmenbedingungen

Die Mitglieder der Bundesfachkommission Bau, Immobilien und Smart Cities diskutierten unter dem Vorsitz von Michael Zahn, CEO der Deutsche Wohnen, mit Daniel Föst MdB, dem Sprecher für Bau- und Wohnpolitik der FDP-Bundestagsfraktion, über die anhaltende Debatte um die Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften. Vor dem Hintergrund, dass sie weiter an Fahrt gewinnt, bemängelten Unternehmer vor allem die fehlende, klare Positionierung der Bundesregierung und der Fraktionen im Bundestag. Dabei wäre ein Bekenntnis gegen Enteignungen als ein wichtiges Signal an die Investoren dringend notwendig: Der Mangel an Wohnungen kann nur mit ihrer Hilfe behoben werden. Doch wer investiert heute in den Mietwohnungsbau, wenn er nicht sicher sein kann, dass er in zehn oder 20 Jahren noch Eigentümer seiner Immobilien ist? Die Debatte ist vor allem ideologisch geprägt. Daniel Föst betonte, dass die FDP sich stets für den Eigentumsschutz aussprechen wird. Kritisiert wurde ebenso das vom Bundesfinanzminister vorgeschlagene Modell zur Grundsteuer. Dies würde dazu führen, dass es nach einer Neubewertung der Grundsteuer alle sieben Jahre zu einer automatischen ­Mieterhöhung kommen würde.

Welche Auswirkungen hat die Plattformökonomie auf die deutsche Wirtschaft, und wo besteht Anpassungsbedarf für Politik und Rechtsrahmen? Dies diskutierten die Mitglieder der Bundesfachkommission Internet und Digitale Wirtschaft unter ihrem neuen Vorsitzenden, Florian Roth, Chief Information Officer der SAP SE, zusammen mit Ministerialdirigent Stefan Schnorr, Abteilungsleiter Digital- und Innovationspolitik beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie. Insbesondere gegenüber den USA und zunehmend auch gegenüber China gibt es einen erheblichen Rückstand. Doch im Umgang mit Google, Amazon, Facebook, Apple besteht Handlungsbedarf, weil diese Plattformen erheblich zur Verschiebung der Wertschöpfung beitragen. Stefan Schnorr distanziert sich jedoch vom „bashing“ großer Plattformen. Stattdessen müssten die Rahmenbedingungen verändert werden, um sicherzustellen, dass Global Player auch in Europa und Deutschland entstehen können. Im B2C-Bereich sei es jedoch fraglich, ob hier noch Boden gut gemacht werden könne. Anders sähe es im Bereich B2B aus: Hier gebe es Chancen. Dafür müssen jedoch Maßnahmen ergriffen werden, damit die Rahmenbedingungen stimmen. Dies sei Aufgabe der Politik. Dazu gehörten mehr Risikokapital, faire Wettbewerbsbedingungen und Regu­ lierung. Die EU muss in den Augen von Schnorr mehr Verordnungen, statt Richtlinien erlassen. Der Fokus müsse auf einheit­ lichen, europäischen Regeln statt individueller Regulierung liegen.

VERKEHR, INFRASTRUKTUR, MOBILITÄT 4.0 Die Kommission und ihr Vorsitzender, Dr. Werner Kook, hatten den Stellvertretenden Vorsitzenden und Klimaexperten der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Georg Nüßlein MdB, eingeladen, um zu erörtern, ob die Union die von Bundesumweltministerin Svenja Schulze ins Feld geführte CO2-Steuer unterstützt. Die Unternehmen waren sich einig, dass ein solches CO2-Preissystem den Faktor Mobilität massiv verteuern und Logistikwirtschaft wie Verbraucher, vor allem Pendler, massiv treffen würde. Sie sprachen sich dafür aus, auf technische Innovationen statt auf Verteuerung zu setzen, zumal Innovationen zugleich Wertschöpfung erzeugen. Ist ein CO2-Preissystem politisch indes gewollt, müsse – wenn überhaupt – über Marktlösungen wie einen sektorübergreifenden Emissionshandel diskutiert werden.

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Weiter sprach die Kommission mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, über den Sonderbericht seines Hauses zur Bahn. Der Bericht konstatiert, dass der Bund als ­Eigentümer kaum Überblick über die Geschäfte der DB hat und die Kernziele der Bahnreform verfehlt wurden. So kam weder mehr Verkehr auf die Schiene noch wurde der Bundeshaushalt entlastet. Die Verkehrskommission forderte den Bund auf, seine ­Rolle als Eigentümer der DB stärker wahrzunehmen. Was für eine Bahn will der Bund? Es fehlt eine ganzheitliche Strategie, an der sowohl das Staatsunternehmen als auch dessen Wettbewerber ihre Geschäftsstrategien ausrichten können. Die Stärkung der Schiene würde dem Verkehrssektor helfen, die ihm aufgetragene Reduktion seiner Emissionen zu erreichen, zeigte sich die Kommission überzeugt.

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Fotos: Jens Schicke

Klimaziele mit technischer Innovation erreichen


WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

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AUS DEN KOMMISSIONEN   

INTERNATIONALER KREIS Über die wirtschaftspolitischen Potentiale und Herausforderungen in Afrika diskutierten die Mitglieder der Bundesfachkommission Internationaler Kreis unter dem Vorsitz von Dr. Jürgen Geißinger mit Norbert Barthle MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Angesichts des großen Arbeitskräftepotentials und des steigenden Wirtschaftswachstums verwies Barthle auf die globale Bedeutung Afrikas als Produktionsstandort und Absatzmarkt. Deutschland hat großes Interesse daran, den Nachbarkontinent stärker in die globalen Wertschöpfungsketten zu integrieren. Mit der „Compact with Africa“-Initiative und einem Investitionsfonds schafft die Bundesregierung mehr Anreize für deutsche Privatinvestitionen in Afrika. Die Investitionen hätten 2018 deutlich angezogen. Trotzdem blieben die Geschäfte deutscher Unternehmen in Afrika hinter ihren Möglichkeiten. „Um die Investitionen in Afrika ­weiter

steigern zu können, brauchen wir den deutschen Mittelstand“, betonte Dr. Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Einigkeit bestand unter den Unternehmern darin, dass die deutsche Wirtschaft in Bezug auf Projektausschreibungen in Afrika wettbewerbsfähiger werden müsse. Der Vorschlag: grenzüberschreitende, europäische Allianzen bilden, um etwa mit chinesischen Wettbewerbern und ihren umfassenden Finanzierungs- und Projektangeboten mithalten zu können.

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT

STAATSFINANZEN

Wissenschaftlicher Beirat gegründet

Steuerentlastung gefordert

Der Wirtschaftsrat hat neu einen Wissenschaftlichen Beirat gegründet, um Diskussionen um eine Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland mit neuen Impulsen aus der Wissenschaft voranzubringen. Vorsitzender des 23-köpfigen, hochrangigen und interdisziplinären Gremiums ist Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Direktor des Walter-Eucken-Instituts. Um die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland wieder zu stärken und Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern, müssen wesentliche Fragen wie die zukunftsfähige Ausgestaltung der Alterssicherung, Weichenstellungen für eine integrierte Energiewende und die Gestaltung der digitalen Transformation geklärt werden. Die Wissenschaftler waren sich in der konstituierenden Sitzung darüber einig, dass der Wissenschaftliche Beirat zur Bewältigung dieser Herausforderungen Leitplanken aufzeigen sollte.

„Alle im Koalitionsvertrag beschlossenen prioritären Maßnahmen sind in den präsentierten Eckwerten des Haushalts enthalten“, sagte Werner Gatzer, Staatsminister beim Bundesminister der Finanzen, in der Bundesarbeitsgruppe Staatsfinanzen unter Vorsitz von Eckhardt Rehberg MdB zum Bundeshaushalt 2020 bis 2023. Alle Ressorts seien verpflichtet, einen Konsolidierungsbeitrag von 625 Millionen Euro zu erbringen, ausgenommen die NATO- und die ODA-Quote sowie für Investitionen. Der Konsolidierungsbeitrag wird zudem flankiert von einer geplanten globalen Mindereinnahme von einem Prozent der Gesamtausgaben, was rund 3,6 Milliarden Euro ausmacht. Die Schuldenquote des Bundes liegt derzeit um die 60-Prozent, für 2022 werden 52 Prozent erwartet. Die Unternehmer adressierten, dass angesichts dieser Aussichten nicht eine kreditfinanzierte Steuerentlastung beziehungsweise Unternehmenssteuerreform angezeigt sei. Aus Sicht der Unternehmen sei dies eine Investitions- oder Standortentscheidung, die nicht von haushälterischer Ratio abhängt. Entscheidend sind die Standortfaktoren – das gilt insbesondere für die Unternehmensbesteuerung. Ein negativer Effekt auf die Steuereinnahmen und ein ausgeglichener Haushalt könnten nicht „Totschlagargument“ gegen jedwede Steuersenkung sein.

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Fotos: Jens Schicke

Deutscher Mittelstand in Afrika gefragt


WIRTSCHAFTSRAT Fachkräftemangel

Wachstumsbremse Fachkräftemangel Ludwig-Erhard-Stiftung und Wirtschaftsrat gehen der Frage gemeinsam auf einem Symposion nach.

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­ ersonal klage. Deutschland kann es sich ebenfalls nicht P länger leisten, sagte Helfrich, zwei Millionen junge Menschen ohne Schulabschluss zu tolerieren. „Wir wiederholen dieselben Fehler, wie sie in Südeuropa schon gemacht worden sind“, erklärte Prof. Dr. Hilmar Schneider, Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit. Politisch gewollt sei ein hoher Akademisierungsgrad, allerdings gehe das Studienangebot oft am Markt vorbei. Für ihn nutzen mit drei Prozent zu wenig junge Menschen in Europa die Chance der Freizügigkeit. Die Hürde sei noch viel zu oft die Sprachbarriere. Potential, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, sah Barbara Kauffmann, Direktorin der Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales, Europäische Kommission, vor allem bei Frauen und Migranten. Hier gelte es, die richtigen Anreize zu setzen. Zugleich mahnte sie geringere Abgaben, bessere Kinderbetreuung und die gezielte Ansprache von Menschen in Arbeitsagenturen an. Dafür stelle die EU auch Mittel zur Verfügung. Richard Jager, Vorsitzender und Sprecher der Geschäftsführung, Randstad Deutschland GmbH, plädierte dafür, die Zeitarbeit nicht länger als „Sklaventreiber“ abzustempeln. Die Branche vermittle täglich 700.000 Menschen, qualifiziere und bilde weiter. 80 Prozent der Mitarbeiter seien fest angestellt. Es sei schwer zu verstehen, warum die Zeitarbeit beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz ausgeschlossen werl de. „Die Politik darf flexibler denken.“

Foto: Jens Schicke

ehr Fachkräfte für Deutschland und Europa“ lautete die Überschrift für ein hochkarätig besetztes Podium, dass der Frage nachging, wie der zunehmende Fachkräftemangel behoben werden kann. „Fachkräftesicherung ist Wohlstandssicherung“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. Das Problem habe sich mit der „Rente mit 63“ verschärft. Es müssten noch mehr Frauen in Beschäftigung kommen und auch die Frage auf den Tisch, ob die Bedingungen in Deutschland für Fachkräfte attraktiv genug seien. Insbesondere die hohe Steuer- und Abgabenlast für Alleinstehende führte er ins Feld. Kerstin Schreyer MdL, Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, zeigte auf, dass die bayerische Staatsregierung zahlreiche Programme aufgelegt habe, um dem Fachkräftemangel beizukommen. Ein Angebot zur Ganztagsbetreuung von Kindern sei wichtig, aber korreliere nicht zwingend mit der Arbeitsaufnahme von Frauen. Kerstin Schreyer plädierte dafür, zunächst inländische Potentiale zu heben. Dazu zählen für sie eine bessere Integration von Menschen mit Behinderungen ebenso wie die Aktivierung von Langzeitarbeitslosen. „Der Fachkräftemangel entwickelt sich zur Achillesferse unseres Wachstums“, betonte Mark Helfrich MdB, CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. Er kritisierte, dass die Wirtschaft selbst eine neue Frühverrentungswelle in großen Unternehmen eingeleitet habe, gleichzeitig aber über fehlendes

v.l.n.r. Mark Helfrich MdB, Richard Jager, Kerstin Schreyer MdL, Wolfgang Steiger, Roland Tichy, Barbara Kauffmann, Prof. Dr. Hilmar Schneider

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Foto: Fotolia.com ©kras99

WIRTSCHAFTSRAT Digitalisierung

Wie kann die Soziale Marktwirtschaft den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen?

Digitalisierung als vierte Revolution D ie Soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig ­Erhards ist das Fundament unserer Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung, die Deutschland Wohlstand und Wachstum beschert hat. Sie fußt auf den Grundpfeilern Wettbewerb durch Freiheit, Kosteneffizienz durch Wirtschaftlichkeit und Chancengleichheit, unternehmerische Eigenverantwortung, Privateigentum und die Autonomie des Marktes. Der Wirtschaftsrat versucht in einem Buch die Frage zu beantworten, wie die Regeln und Werte der Sozialen Marktwirtschaft im digitalen Zeitalter neu interpretiert und angewendet werden müssen. Nach einem Vorwort von Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, und einer Einführung ­„Soziale Marktwirtschaft im digitalen Zeitalter“ von Dr. Paul Kowitz, Bereichsleiter Innovation, Digitales und Immobilienwirtschaft mit der Idee zum Buch in Kapitel eins, folgen namhafte Autoren, die der Wirtschaftsrat verpflichten konnte. Ihre Beiträge beleuchten verschiedene Anwendungsfelder der Digitalisierung, für die die wirtschaftspolitischen ­Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle spielen. Unter der Überschrift „Leistungsstreben, Transparenz & Wettbewerb“ finden sich diese Beiträge im Kapitel zwei: „Vom Datenschutz zur Datensouveränität: Anpassungen des digitalen Ordnungsrahmens“ von Axel Voss; „Unternehmerische Verantwortung im digitalen Zeitalter“ von Nicolai Andersen; „Engineered in Germany: Die Digitale Soziale Marktwirtschaft“ von Hannes Ametsreiter; „Das digitale Deutschland beschleunigt“ von Ralf Kleber; „Offenheit und Wettbewerbsfairness in der Plattform-Ökonomie“ von ­Michael Bültmann und „Digitale Herausforderungen für die Wettbewerbspolitik“ von Hal Varian, Maurits Dolmans, ­Gavin Baird, Max Senges. Markt, Risiko & Innovation ist Kapital drei überschrieben und bündelt die Artikel „Industrielle Anpassungen an disruptive Entwicklungen“ von Hans Georg Krabbe, „­ Digital

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Health: Chancen im Gesundheitswesen“ von Frank Wartenberg; „Exponentielle Technologieentwicklung als Treiber fundamentaler Transformationsprozesse“ von Christian Böhning; „Agile Geschäftsmodelle: Soziale Marktwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung“ von Dr. Joachim von Schorlemer; „Eine Wohlstandsgesellschaft braucht in Zukunft mehr als Soziale Marktwirtschaft“ von Dinko Eror; „Künstliche Intelligenz: Hype oder gesellschaftliche und wirtschaftliche Chance?“ von Nadine Schön und „Ein neues Zusammenspiel von Staat und Wirtschaft für mehr Cybersecurity!“ von Prof. Timo Kob. Kapital fünf mit dem Motto Demokratie, Chancengleichheit & Informationsfreiheit stellt diese Texte zusammen: „Create Change: Gemeinsam neue Wege gehen“ von Conrad Albert; „Digitalisierung: Der Schlüssel zu neuen Wohnformen“ von Jan Hase und „Digitale Bildung: Der Weg zu mehr Chancengleichheit im 21. Jahrhundert“ von l Arndt Kwiatkowski.

Der Sammelband ist im April 2019 erschienen und auch als E-Book erhältlich.

Der Wirtschaftsrat der CDU (Hg.)

Soziale Marktwirtschaft im digitalen Zeitalter 208 Seiten ISBN 978-3-451-39985-5

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WIRTSCHAFTSRAT Klausurtagung 2019

Aufbruch für einen starken Standort Impressionen: 17. Klausurtagung Energie- und Umweltpolitik in Berlin

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Fotos: Jens Schicke

er Wirtschaftsrat setzt sich mit Nachdruck für eine Stärkung des Energie- und Industriestandortes Deutschland ein. Die Energiewende darf dafür nicht allein an CO2-Minderungszielen ausgerichtet sein, sondern muss zum Treiber für Wachstum und klimafreundliche Innovationen werden. „Wir müssen den Klimaschutz marktwirtschaftlich organisieren“, forderte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf der traditionellen Energieklausurtagung des Wirtschaftsrates in Berlin (s. S. 8 und 34). Von der Tagung ging ein starkes Signal an die Bundesregierung aus, die Klimapolitik europäisch auszurichten und zugleich den Industriestandort zu stärken. Die 17.  Energieklausur mit hochrangigen Gästen aus Politik und Wirtschaft stand unter dem Motto: „Auf­ bruch für einen starken Energie- und Industriestandort: wettbewerbs­fähig, innovativ, europäisch“. Die Beiträge der Redner und Podiumsdiskutanten spiegelten klar wider, dass bezahlbare Energiepreise ein außerordentlich wichtiger Faktor für einen wettbewerbsfähigen Industriestandort sind.­Generalsekretär Wolfgang Steiger forderte für den Wirtschaftsrat, die Energiewende in ein industriepolitisches Gesamtsystem einzubetten, um Wachstum und Innova­ ­ tionen auch in Zukunft zu ermöglichen. Das heutige ­System aus Steuern, Abgaben und Umlagen sei zu komplex, die Marktintegration der ­Erneuerbaren müsse vorangetrieben l werden. Lesen Sie mehr auf S. 34.

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WIRTSCHAFTSRAT Gesundheitssymposion

Zukunftsfähige Gesundheitswirtschaft Impressionen: Gesundheitssymposion 2019

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Fotos: Jens Schicke

ehr als 200 Unternehmer folgten der Einladung des Wirtschaftsrates zu seinem Gesundheitssymposion „Für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem – wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung“, um Strategien für ein zukunftsfähiges deutsches Gesundheitssystem zu diskutieren. Eine gute medizinische Versorgung für alle Bürger und solidarische Hilfe für jeden, der Hilfe braucht, gehören zum Markenkern der Sozialen Marktwirtschaft. Derzeit mehren sich die Anzeichen für staatliche Gängelung und Bürokratie. Beispiele sind etwa die verpflichtende Erhöhung der ­Sprechstundenzahl im Terminservice- und Versorgungs­ge­ setz oder die Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus. Beides, davon ist der Wirtschaftsrat überzeugt, schadet bei der Erreichung dieser Ziele. Auch die Kosten im Gesundheitssystem und die Einhaltung der 40-Prozent-Schwelle bei den Lohnzusatzkosten müssen im Blick behalten werden. Gesundheitsminister Jens Spahn MdB unterstrich, dass er ein Freund von marktwirtschaftlichen Prinzipien im Gesundheitswesen sei, aber der Gesundheitsmarkt Besonderheiten aufweise. Auch verwies er darauf, dass die ­Kostensteigerungen vor allem durch medizinische Innovationen entstünden und somit die Debatte über die Kosten im ­Gesundheitssystem auch immer eine Debatte darüber sei, wie mit medizinischen Innovationen umgegangen werden l solle. Lesen Sie mehr auf S. 20 und S. 39.

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WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Text: A rmin Peter

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uropa steht vor einer richtungsweisenden Wahl. Verharren wir aus Angst vor Populisten von rechts und links in der Mutlosigkeit? Oder kann es gelingen, gemeinsame Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft zu finden? Im Landesverband Brüssel des Wirtschaftsrates herrscht jedenfalls Aufbruchsstimmung: Seit Anfang des Jahres hat Burkhard Ober das Ruder als Landesvorsitzender übernommen. Der 61-Jährige ist Head of Global ­Public Policy bei der Allianz SE. In seiner Berufslaufbahn hat er bereits in Paris, Dubai, Rio de Janeiro, São Paulo und Brüssel gelebt – und weiß deshalb genau, wie wichtig Kommunikation ist, wenn nicht alle dieselbe Sprache ­sprechen. „Unternehmen sollten viel häufiger das Gespräch mit den Spitzen der EU-Institutionen oder EU-Parlamentariern suchen“, sagt Burkhard Ober. „Denn 80 Prozent aller Gesetze, die

in Berlin verabschiedet werden, beruhen mittlerweile auf Initiativen aus Brüssel, deshalb ist eine starke Präsenz hier besonders wichtig.“ Seine Ziele für seine zweijährige Amtszeit sind entsprechend ehrgeizig: „Ich will den Wirtschaftsrat jünger und weiblicher machen, die Mitgliederbasis weiter ausbauen, bisher nicht engagierte Mitglieder für eine aktivere Rolle begeistern und den Kontakt zum politischen Geschehen intensivieren“, fasst er ­zusammen. Schon vor den Wahlen zum Europa­parlament im Mai 2019 hat der Wirtschaftsrat Brüssel in Gesprächen mit Abgeordneten des Parlamentes sowie Vertretern der Europäischen Kommission seine Empfehlungen zur Europapolitik artikuliert. Vor allem die europäische Wettbewerbsfähigkeit bei Zukunftstechnologien wie Internet of Things und Künstlicher Intelli­genz liegt dem neuen Vorsitzenden sehr am Herzen. „Gestalten heißt, Standards zu setzen“, bringt es Ober auf den Punkt.

Eigene Standards, da ist der Landesvorsitzende überzeugt, kann Europa auch im harten Wettbewerb der neuen, digitalen Märkte noch setzen und hier eine Führungsrolle übernehmen. „Im Bereich B2C sind wir vermutlich uneinholbar im Rückstand gegenüber Unternehmen wie Amazon, Google, Facebook oder Alibaba“, sagt der Landesvorsitzende. „Europas große Chance liegt in der Standardsetzung bei der Frage: Wie können Maschinen und Industrien künftig vernetzt werden und miteinander kommunizieren?“ Europas Strukturen mit vielen, oft sehr kleinen Einzelstaaten und s­ ogenannten „Clusterregionen“ könnten dabei sogar zum Wettbewerbsvorteil werden, wie Ober glaubt. „In den USA oder China forschen große Unternehmen oft auf ihrem eigenen, abgeschotteten Campus. Europa hingegen ist dezentraler organisiert. Es bilden sich Cluster, die untereinander reger kommunizieren. Dieser Austausch ist eine wichtige Komponente für wirtschaftlichen Erfolg. Viele Unternehmen müssen kooperieren, um ein Produkt herzustellen. Hier liegt die Chance für Europa, Standards zu setzen.“ Entscheidend ist deshalb, dass sich Unternehmer frühzeitig in Regulierungsprozesse einbringen. Oft genug meldet die Wirtschaft

Gestalten heißt, Standards zu setzen 50

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WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Foto: Jens Schicke

„Entscheidend ist, dass sich Unternehmer frühzeitig in Regulierungs­ prozesse einbringen.“

Burkhard Ober

Foto: European Union, 2018; Lukasz Kobus

ist neuer Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates Brüssel. Er möchte die Mitgliederbasis weiter ausbauen und weiblicher machen, bisher nicht engagierte Mitglieder für eine aktivere Rolle begeistern und den Kontakt zum politischen Geschehen insgesamt intensivieren.

erst grund­legende Bedenken an, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. „Gerade bei Themen wie etwa dem Datenschutz ist frühzeitiges Engagement sehr wichtig“, erklärt Ober. „Hohe Fachkenntnis, gute Expertise und ständige Präsenz sind in Brüssel unerlässlich. Davon haben in der Debatte um die Datenschutzgrundverordnung vor allem die Grünen profitiert und mit hoher Sachkenntnis die Debatte geprägt. Dies hätte sich Ober von den anderen Parteien auch in ähnlicher Qualität gewünscht. „Der Umgang mit Daten, der neutrale Zugang und ihr wirtschaftlicher Nutzen sollten auf EU-Ebene viel intensiver diskutiert werden“, sagt er. Mit Blick auf den Austritt Großbritanniens hofft Burkhard Ober auf einen positiven Impuls für den Zusammenhalt Europas – und setzt auf die deutsch-französische Achse. „Wir sehen angesichts des Brexit-Chaos zivilen Widerstand in Osteuropa gegen die Umformung des Rechtsstaates und eine deutlich besonnenere Debatte in Frankreich über die Reformpolitik jenseits der Gelbwesten“, sagt Ober. „Wir sollten Macron darin unterstüt-

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zen, Frankreich zu modernisieren, denn ein schwächelndes Frankreich wäre ein schwieriger Partner.“ Aber läuft die EU nicht Gefahr, sich nach dem Austritt der marktwirtschaftlich orientierten Briten zu einer Transfer­ union zu entwickeln? Nein, glaubt Ober. Er beobachtet in Europa sogar einen wachsenden Unmut über den Schwenk einzelner Staaten hin zu mehr Etatismus. Ein Indiz dafür: Die Gründung der „New Hanseatic League“ im Februar 2018 durch sechs baltische und skandinavische EU-Staaten sowie die Niederlande und Irland. Die Gruppe setzt sich für eine Aufrechterhaltung fiskalpolitischer Regeln und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ein. Burkhard Ober nimmt solche Initiativen auch als persönlichen Ansporn, um als Vorsitzender des Wirtschaftsrates Brüssel die Grundsätze einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung gegen etatistische Tendenzen zu verteidigen. „Die EU ist eine Supermacht im Handelsbereich, wir haben einen Binnenmarkt mit 450 Millionen Konsumenten, die eine höhere Kaufkraft haben als China oder die USA“, sagt er.

„Die Parteien sollten im Europawahlkampf betonen, welche Vorteile der gemeinsame Wirtschaftsraum allen Bürgern bietet.“ Dazu zählt nicht zuletzt auch die Möglichkeit, im gesamten EU-Raum zu leben und zu arbeiten. Globetrotter Ober, der fließend Portugiesisch spricht, reist oft und gerne nach P ­ortugal – sein Lieblingsland in ­Europa. „Ich liebe die Menschen dort, die Landschaft, die Küche und die Weine“, schwärmt er. Doch auch in Deutschland hat er feste Ankerpunkte: Sein Fußballherz schlägt schon immer für den Verein seiner Heimatstadt, Borussia Dortmund, obwohl er seit 40 Jahren nicht mehr dort lebt. Und seit 1982 besucht Burkhard Ober ­regelmäßig die Bayreuther Festspiele. Ein echter Europäer also – der dem Wirtschaftsrat gerne etwas mehr Internationalität verordnen würde. „Es ist wichtig, immer wieder mal über den Tellerrand hinauszublicken“, betont er. „Ich würde vorschlagen, dass das Präsidium des Wirtschaftsrates zumindest einmal im Jahr in Brüssel tagen sollte.“ Burkhard Ober wäre mit l Sicherheit ein guter Gastgeber.

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Baden-Württemberg Ralph Brinkhaus: „Von der Mitte aus denken“ In Stuttgart griff Ralph Brinkhaus vor rund 70 Unternehmern ei­ nige viel diskutierte Probleme auf. Dabei thematisierte der Vor­ sitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor allem B ­ elange aus der Mitte der Gesellschaft, wie die Wohnungsnot, Pfle­ gemissstände, Arbeitslosigkeit und eine bessere Bildung. Sie müssten weiterhin im Zentrum der Politik stehen. Doch gerade in Zeiten guter Konjunktur tue sich die Politik mit unbequemen, ökonomischen Themen schwer. Eine gute Zukunft könne jedoch nicht ohne wirtschafts­politische Neuerungen, Veränderungen in der Umweltpolitik und einem gemeinsamen Europa erreicht werden. Brinkhaus mahnte: „Wir sind auf Gedeih und Verder­ ben darauf angewiesen, dass Europa funktioniert“.

Klausurtagung mit Ministern und EU-Kommissar Der Landesvorstand griff die großen politischen Herausforde­ rungen in Baden-Württemberg auf – Bildung, Digitalisierungs­ strategie und Europa, die er mit Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann, Innenminister Thomas Strobl und EU-Kommissar Günther Oettinger erörtern konnte. Mit Kultusministerin Dr. Su­ sanne Eisenmann besprachen die Unternehmer Konzepte, die das Land bei der Bildung international zurück in die Spitzen­ gruppe führen sollen. Mit Innenminister Thomas Strobl stand das Thema Digitalisierung im Fokus, der Fortschritt beim Breit­ bandausbau und die Herangehensweise an Zukunftstechnologi­ en. EU-Kommissar Günther Oettinger stellte die Vorzüge von Eu­ ropa heraus und zeigte Handlungsfelder auf. Das Leitthema des Landesvorstands für 2020 wird „Innovation“ sein, um die Wett­ bewerbsfähigkeit und Wohlstand in Baden-Württemberg weiter zu fördern und das Land zukunftsgerichtet zu unterstützen.

Foto: Wirtschaftsrat

Rückblick Einblick Ausblick

Der Landesvorstand diskutiert mit Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann

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Niedersachsen Traditioneller Bahlsen-Abend mit Paul Ziemiak

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Polittalk mit Abgeordneten in Ulm Die Bundestagsabgeordneten Ronja Kemmer (CDU), Hilde Mattheis (SPD) und Alexander Kulitz (FDP) diskutierten mit Unternehmern aus der Region Ulm/Alb-Donau aktuelle Heraus­ forderungen. Fachkräftemangel, Digitalisierung und Bildung, aber auch die Außenpolitik, wie etwa die Entwicklung Chinas, standen auf der Agenda. Speziell zum Thema Bürokratie und Überregulierung brachten die Wirtschaftsratsmitglieder ihre Erfahrungen aus der Praxis ein und stießen insbesondere bei Alexander Kulitz auf ­ großes Verständnis: „Die Politik ist mit schuld daran, dass überreguliert wird.“ Einigkeit bestand bei allen Politikern darin, dass die großen, au­ ßenpolitischen Heraus­ forderungen nur mit einem starken Europa ­ v.l.n.r. Alexander Kulitz, Ronja Kemmer und Hilde ­Mattheis zu bewältigen seien.

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Stammhaus der Bahlsen GmbH & Co. KG statt. Rund 140 Gäste aus Politik und Wirtschaft folgten der Einladung von Gastgeber Werner Michael Bahlsen. Gastredner Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU Deutschlands, sagte zu Europa: „Die Gestaltung von Europa soll im Fo­ kus stehen. Europäische Zusammenarbeit kann nicht nur auf den deut­ schen Vorstellungen ba­ sieren, sondern muss auf Paul Ziemiak steht auf dem Bahlsen-Abend den Vorstellungen aller Rede und Antwort Mitgliedsstaaten fußen.“ Ziemiak betonte: „Wir brauchen eine fai­ re Besteuerung, denn Steuern beheben die Schere zwischen Arm und Reich nicht. Die Ursache muss bekämpft werden, indem man den Betroffenen hilft.“

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CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender beim Wirtschaftsrat in Stuttgart

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Bereits zum 54. Mal fand der traditionelle Bahlsen-Abend im


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Aufsteigerland NRW Nordrhein-Westfalen ist zurück an der Spitze, sagte Finanz­ minister Lutz Lienenkämper vor dem Wirtschaftsrat in Düs­ seldorf. Kern der Politik der Landesregierung sei es, Vertrauen und Chancen zu schaffen. „Wir waren zu oft auf den hinteren Rängen, weil die Rahmenbedingungen zu schlecht waren. Das haben wir geändert.“ Der Finanzminister führte stellvertretend für die Entfesselungsstrategie der Landesregierung die Digita­ lisierung ins Feld: „Da nehmen wir bis 2025 sieben Milliarden Euro in die Hand.“ Vor allem im ländlichen Raum sei der Bedarf für den Ausbau des schnellen Internets groß. Dort lägen die Zentren der Wertschöpfung, etwa in Südwestfalen oder Ostwest­ falen-Lippe. „Schnelles Internet Für Finanzminister Lutz Lienenkämper bedeutet mehr Produktivität, gehört es zu einer soliden Haushalts­ mehr Wertschöpfung und damit politik, auf neue Schulden zu verzich­ ten und Schuldenberge abzubauen letztlich auch mehr Steuern.“

Wirtschaftsrat verabschiedet Manfred Ringmaier Nach 29 Jahren verabschiedete der Landesverband Nord­ rhein-Westfalen seinen allseits anerkannten und beliebten Ge­ schäftsführer Manfred Ringmaier in den Ruhestand. Der Gene­ ralsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, reiste zum Abschiedsempfang im Unternehmen des Landesvorsitzenden Paul Bauwens-Adenauer nach Köln. Der Landesvorsitzende dankte Manfred Ringmaier für den jahrzehntelangen großen Einsatz und sein Engagement und bedauerte sein Ausschei­ den: „Seine hohe fachliche und menschliche Kompetenz sowie seine Professionalität werden wir vermissen.“ Generalsekretär Wolfgang Steiger betonte: „2019, auf der Zielgeraden seines Arbeitslebens, verabschieden wir mit Man­ fred Ringmaier einen der langjährigsten und nicht nur aufgrund seines Erfahrungsschatzes wertvollsten und hochgeschätzten Landesgeschäftsführer und Kollegen, der dem Wirtschaftsrat Nordrhein-Westfalen Gesicht und Stimme nach innen und ­außen verliehen hat.“

Foto: Wirtschaftsrat

Nordrhein-Westfalen

Die Sektion Märkischer Kreis hatte zur Regionaltagung „Wirt­ schaft trifft Politik“ geladen. Ehrengast war die Bundesvorsit­ zende der CDU Deutschlands, Annegret Kramp-Karrenbauer, die Generalsekretär Paul Ziemiak begleitete. „AKK“ spannte vor 350 Unternehmern einen weiten Bogen: Nur ein Europa, das mit einer Stimme spricht, kann Gehör finden in einer Welt, die sich rasant verändert. „Sind wir die, die die Entwicklung vorantreiben oder werden wir getrieben?“ Europa müsse Ant­ worten finden, etwa auf „die veränderte Sichtweise der US-Ad­ ministration“. Antworten braucht es auch im Bereich Digitalisierung. „Es ist gut, dass wir dort einen Zahn zulegen, etwa in der Künst­ lichen Intelligenz.“ Die CDU-Vorsitzende sprach sich dafür aus, beim 5G-Ausbau die ländlichen Räume nicht zu vernach­ lässigen. Im Klimaschutz sei es wichtig, gute Unternehmen­ sideen zu fördern. „Ich unterstütze die Empfehlungen der Kohlekommission“, so Kramp-Karren­ bauer. Der Netzaus­ bau müsse voran­ getrieben werden, zugleich dürfe man die grundlastfähige Energie nicht aus dem Auge verlie­ ren: „Wir brauchen Versorgungssicher­ v.l.n.r. WR-Sektionssprecher Kai Beutler, Annegret heit und bezahlbare Kramp-Karrenbauer, Paul Ziemiak Energie.“

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v.l.n.r. Wolfgang Steiger, Manfred Ringmaier, Paul Bauwens-Adenauer

Thüringen Parlamentarischer Abend 2019: Mittelstand im Fokus Rund 40 Unternehmer folgten der Einladung zum Parlamen­ tarischen Abend des Thüringer Wirtschaftsrates, um mit Mike Mohring, Vorsitzender der CDU Thüringens wie der CDU-Land­ tagsfraktion sowie weiteren Landtagsabgeordneten aus ihrem Alltag heraus die Sorgen und Nöte des Mittelstands zu disku­ tieren. In seinem Statement verwies Mike Mohring auf die die Wirtschaft interessierenden Schwerpunkte und Ziele der Thü­ ringer CDU wie den Bürokratieabbau, ein leistungsfähiges Bildungssystem und Vergabegesetz. Mit Blick auf die Große Koalition im Bund, forderte Mohring den Mut, zumindest ge­ fällte ­Beschlüsse, wie die bereits beschlossene 90-prozentige Aufhebung des Solidaritätszuschlages umzusetzen.

Foto: Karsten Seifert

Foto: Ulrich Gunka

Wirtschaftsrat im Dialog mit Annegret Kramp-Karrenbauer

Unternehmer diskutierten mit den Politikern Mittelstandsthemen

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Sachsen-Anhalt

Foto: marckosicki

v.l.n.r. Anne-Marie Keding, Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt und Katharina Neuber, ­Sprecherin Sektion Harz

Die Ministerin für Jus­ tiz und Gleichstellung des Landes Sach­ sen-Anhalt, Anne-Ma­ rie Keding, warb vor dem Wirtschaftsrat für „Quotenfrauen“. Es müsse Teil der Genetik von Gremi­ en und Unternehmen werden, dass Frauen ein fester, erstrebens­ werter Bestandteil von Politik, Wirtschaft und Verwaltung seien. Dazu entbrannte eine kontroverse ­Debatte.

Berlin-Brandenburg Prof. Dr. Norbert Lammert: Mit Europa gemeinsam erfolgreich

Ralph Brinkhaus MdB spricht über die Bekämpfung der Wohnungsnot

schen Metropolregionen zu begegnen: „Wenn die für den Wohnungsbau ausgewiesene Fläche steigt, steigt auch das Angebot an Wohnraum. Denn das einzige, was wirklich mehr Wohnungen schafft, ist der Neubau und nicht irgendwelche Enteignungsdebatten“.

Brüssel Wie sollte sich Europa aufstellen? „Bevölkerungswachstum und Produktivität sind die Faktoren für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Europa“, sagte Dr. Michael Menhart, Chefvolkswirt der Münchener Rück, vor dem Wirtschaftsrat. Daneben, dass 2035 in der EU rund 30 Millionen Menschen weniger als heute im arbeitsfähigen Alter sein werden, nannte Menhart als größte Herausforderung für Europa die Treibhausgase zu reduzieren, um bis 2050 das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. „Wirtschaftlich steht die EU heute wieder besser da “, be­ tonte Prof. Dr. Martin Selmayr, Generalsekretär der EU-Kom­ mission, „das Investitionsniveau ist wieder auf das Vorkrisenni­ veau gestiegen, die Beschäftigungsquote auf Rekordhoch.“ Die Juncker-Kommission habe 348 Legislativvorschläge vorgelegt, die EU-Parlament und Rat angenommen hätten. „348-mal ge­ lang es einen Kompromiss zu finden“, unterstrich Selmayr. Für ihre Zukunft sollte sich die EU auf fünf Aspekte konzentrieren: ein Europa, das schützt; ein wettbewerbsfähiges Europa, das in die Technologien von morgen investiert und seine Stärken untermauert; ein faires Europa, das Gleichheit, Rechtsstaat­ lichkeit und soziale Gerechtigkeit hochhält; ein nachhaltiges Europa, das etwa im Klimaschutz vorangeht; ein einflussrei­ ches Europa, das sich um die Modernisierung des regelbasier­ ten Systems bemüht.

Foto: ©Philippe Veldeman

Foto: Wirtschaftsrat

Auf dem traditionellen Spargelessen des Landesverbandes stand kurz vor den Wahlen Europa im Fokus. Der frühere Bun­ destagspräsident und heutige Vorsitzende der Konrad-Ade­ nauer-Stiftung, Prof. Dr. Norbert Lammert, hob hervor, dass die Antworten auf die globalen Fragen nur in Europa gefun­ den werden könnten. Für Herausforderungen wie die Migration oder den Klimawandel ließen sich nur gemeinsam erfolgreich ­Lösungen finden. Über den aktuellen Zustand der EU zeigte sich Prof. Dr. Norbert Lammert zwiegespalten: Auf der einen Seite sei die Lage so desolat wie noch nie. Andererseits sei der Fortschritt seit dem zweiten Weltkrieg phänomenal. Noch nie habe es so viele demokratische Staaten in Europa gegeben.

Foto: Wirtschaftsrat

Ministerin Keding spricht vor Unternehmern im Harz

Prof. Norbert Lammert beim traditionellen Spargelessen in Klaistow

Ralph Brinkhaus beim Jungen Wirtschaftsrat „Bildung, Digitalisierung, Wohnungen – Deutschland sollte investieren anstatt, wie die SPD fordere, die Sozialleistun­ ­ gen weiter zu erhöhen“, forderte der Vorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus. Er sprach sich für den Neubau von Wohnungen aus, um dem Mangel in deut­

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Prof. Dr. Martin Selmayr, Generalsekretär EU-Kommission (4.v.l.) und Dr. Michael Menhart, Chefvolkswirt Münchener Rück (5.v.l.) mit dem Landesvorstand des Wirtschaftsrates Brüssel

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Bremen

Sachsen

Polittalk mit Spitzenkandidaten

Staffelstabübergabe Landesvorsitz: Dr. Dirk Schröter löst Simone Hartmann ab

Foto: Wirtschaftsrat

Im Politischen Mittagsgespräch diskutierten die Spitzenkan­ didaten, Carsten Meyer-Heder, CDU, und Dr. Maike Schaefer, Bündnis 90/Die Grünen, für die Bürgerschaftswahl vor rund 50 Mitgliedern des Wirtschaftsrates über innovative Verkehrs­ konzepte. Im Fokus standen der öffentliche Nahverkehr und das schlechte Baustellenmanagement. Beide Kandidaten hatten großes Interesse daran, dass Ju­ gendliche und Auszubildende kostenfrei mit Bus und Bahn fah­ ren können. Die Grünen sehen das Wiener Modell als Vorbild, das ein 365-Euro-Ticket vorsieht. Ziel beider Kandidaten ist es, in der neuen Legislaturperiode den ÖPNV zu fördern und attraktiver zu gestalten. Einen kostenlosen ÖPNV konnte sich keiner der Kandidaten vorstellen, weil das nicht finanzierbar sei.

v.l.n.r. Carsten Meyer-Heder; Jörg Müller-Arnecke, Landesvorsitzender Wirt­ schaftsrat Bremen; Dr. Maike Schaefer MdBB; Theresa Gröninger, Landesvor­ sitzende Junger Wirtschaftsrat Bremen

Dr. Dirk Schröter, Geschäftsführer KSP GmbH, wurde als Nachfolger der langjährigen Landesvorsitzenden Simone Hart­ mann gewählt. Er betonte, dass sich „Politik wieder den The­ men zuwenden muss, die für Unternehmer und die Mitte der Gesellschaft wichtig sind – Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesund­ heit, Mobilität. Das setzt effizientes Bauen, qualifizierte Fach­ kräfte und eine mo­ derne Infrastruktur voraus. Wir müssen stärker die Erfolge der Vergangenheit und die Chancen ei­ ner selbstgestalteten Zukunft herausstel­ len.“ Dazu gehört für den neuen Landes­ vorsitzenden auch die Besinnung auf das industrielle Erbe Sachsens als Land der Ingenieure und Simone Hartmann mit Nachfolger Dr. Dirk Schröter Erfinder.

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Foto: Christian Scholz, Dresden

WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern


WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Foto: Christian Ströder

Dr. Henneke Lütgerath wieder zum Landesvorsitzenden gewählt Mit vollem Rückhalt in die zweite Amtszeit: Dr. Henneke Lütgerath, Vorsitzender des Vorstands der Joachim Herz ­ Stiftung, bleibt Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates ­ in Hamburg. Er nutzte die Chance für einen Appell an die ­Mitglieder, sich aktiv im Wirtschaftsrat und für die Soziale Marktwirtschaft zu engagieren. Dem neuen Landesvorstand gehören außerdem an: Dr. Hu­ bert Baltes, Consultant, Gerson Lehrman Group und Ridgetop Research; Christina Block, Mitglied des Aufsichtsrates, Eugen Block Holding GmbH (Block Gruppe); Gunther Bonz, Staats­ rat a.D.; Florian Eilken, Head of Quality FALs Improvement, Airbus Operations GmbH; Ulf Gehrckens, Se­nior Vice President Corporate Energy & Climate Affairs, ­Aurubis AG; Thies G.J. Goldberg, Geschäftsfüh­ render Gesellschafter, Goldberg Consulting GmbH Unternehmens­ beratung/Beteiligungen; Dr. Philipp Marx, Lei­ ter C ­orporate Banking, M.M.Warburg & CO (AG & Co.) KGaA und Pie­ ter W ­ asmuth, General­ bevollmächtigter, Vat­ Dr. Henneke Lütgerath für zwei weitere Jahre im Amt tenfall GmbH.

Innovativ zu sein, heißt anderen voraus zu sein Mit einem Positionspapier hat der Wirtschaftsrat den Senat aufgefordert, bis Ende 2020 eine „Technologie- und Wissen­ schaftsagenda 2030“ für Hamburg zu erarbeiten. Die Stadt müsse zu einer Wissenschaftsmetropole werden, um sich als innovationstreibender Wirtschaftsstandort behaupten zu können. Aktuell hinkten Hamburgs Hochschulen in puncto

Impressum Herausgeber: Werner Michael Bahlsen, Präsident, für den Wirtschaftsrat der CDU e.V. Redaktion: Klaus-Hubert Fugger, Chefredakteur / Katja Sandscheper, Redakteurin Wissenschaftliche Beratung: Dr. Rainer Gerding, Bundesgeschäftsführer

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Inves­ titionen in Forschung und Entwicklung, Technologietransfer und Entrepreneurship hin­ terher. Dr. Hubert Baltes, Vorsitzender der Lan­ desfachkommission „Wachstum & Innovation“, sieht Hamburg als treibende Kraft für Innova­ tionen: „Weder akademisch noch ökonomisch macht es Sinn, wenn unsere Hochschulen nahezu alle Wissenschaftsbereiche abdecken, sich aber im Mittelmaß verlieren. Innovativ zu Agenda des Wirtschaftsrates sein heißt, anderen voraus zu sein. Wollen wir Wissenschaftsmetropole werden, muss es sich auf wenige, klug definierte Wissenschaftsbereiche fokussieren, um dort Champion zu werden. Dafür braucht es eine Wissen­ schaftsagenda 2030.“

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Hessen Die Zukunft Europas Über den Dächern von Frankfurt erläuterte Manfred Weber MdEP, Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei, sein Verständnis von Europa: „Wenn die Menschen an Europa denken, müssen sie das Gefühl haben, dass es ihr Europa ist.“ Für ihn bedeute Europa Heimat und Zukunft zugleich. Weber sprach von zwei Europas: Das eine Europa setze auf Einstim­ migkeit – das ist das schleppende Europa, das quälend lange Debatten führt, führen müsse, das Europa, das wahrgenommen werde. Das andere Europa beschließe Richt­ linien und verabschiede Entscheidungen, die den Menschen zugutekommen. Unbemerkt, effizient und effektiv. „Hier werden Ent­ scheidungen getroffen. Trotz aller Vielfalt“, skizzierte Weber. „Wir agieren gemeinsam, denken nicht traditionell“, begegnet der Un­ ternehmer Weber dem Vorwurf der fraktionel­ len Dissonanz. Das bedeutet, Europa nicht in Manfred Weber MdEP Nationalitäten, sondern in Parteien zu sehen. Bankverbindung: Deutsche Bank AG/Bonn, 3105590 (BLZ 380 700 59) IBAN: DE84 3807 0059 0310 5590 00, BIC: DEUTDEDK380 Verlag: Information für die Wirtschaft GmbH Anzeigenkontakt: Katja Sandscheper, Telefon 0 30 / 2 40 87-301 Gesamtherstellung: STEINBACHER DRUCK GmbH Anton-Storch-Straße 15, 49080 Osnabrück Telefon 05 41 / 9 59 00-0, Telefax 05 41 / 9 59 00-33

Gemeinsame Postanschrift: Redaktion Trend Luisenstraße 44, 10117 Berlin Telefon 0 30 / 2 40 87-300/301, Telefax 0 30 / 2 40 87-305 Internet: www.trend-zeitschrift.de

Erscheinungsweise: quartalsweise

Projektleitung: Information für die Wirtschaft GmbH

Bestellungen: Beim Verlag

Geschäftsführer: Iris Hund Klaus-Hubert Fugger (v.i.S.d.P.) Daniel Imhäuser Luisenstraße 44, 10117 Berlin Telefon 0 30 / 2 40 87-401, Telefax 0 30 / 2 40 87-405

Bezugsbedingungen: Einzelpreis 7,50 Euro (einschl. MwSt.) Jahresabonnement 25,– Euro ­(einschl. MwSt.), zzgl. Versandkosten. Abonnements (vier Ausgaben) ­werden für ein Jahr berechnet. Kündigungen müssen sechs Wochen vor Ablauf des Abonnements schriftlich vorliegen, andernfalls verlängert es sich für ein weiteres Jahr.

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Foto: Jens Schicke

Hamburg


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Im Spiegel der Presse ImSpiegel Fuldaer Zeitung vom 15.03.2019

WIRTSCHAFTSRAT Forum

Thüringer Allgemeine vom 09.04.2019 Eines zeigen Habecks Fantasien sehr deutlich: Die Grünen sind und bleiben eine Melonenpartei – außen grün und innen rot», sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger. „Die Wähler sollten sich vom bürgerlichen Anstrich nicht täuschen lassen.“ Die Welt überregional vom 09.04.2019 Der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, mahnt eine Rückbesinnung auf die Sozialen Marktwirtschaft an. Die Große Koalition setze zu stark auf Umver­teilung und erdenke immer neue Gängelungen der Betriebe, statt Weichen für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik zu stellen.

Neue Osnabrücker Zeitung vom 11.04.2019

Wolfgang Steiger kritisiert die SPD-Pläne zur Erhöhung des Taschengeldes für Asylbewerber. Die Bundesregierung sollte stattdessen die Bedingungen für qualifizierte Einwanderer verbessern, die unsere Unternehmen und Betriebe dringend brauchen. Wenn wir nicht entschlossen gegensteuern, wird der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse Nummer eins.

Heute soll die 52-Jährige vom rund 70-köpfigen Bundesvor­ stand offiziell für die Wahl zur Präsidentin nominiert werden. Die erste Hürde im Präsidium des Wirtschaftsrates hat sie schon Ende Februar genommen, dort wurde sie einstimmig vorgeschlagen.

Die Welt überregional vom 23.03.2019

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.04.2019

Nach den Befürchtungen des von der Partei unabhängigen Wirtschaftsrates droht die wachsende Komplexität der Energiewende die staatlichen Steuerungsmöglichkeiten zu überfordern. Das Energiesystem werde „immer dezentraler, interaktiver und sektorenübergreifender“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekre­ tär des Rates auf dessen Energieklausur.

Für dieses Jahr rechnet Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nur noch mit einem Zuwachs von 0,5 Prozent. „Steuersenkungen und Entbürokratisierung sind die entschei­ denden Standortfaktoren, wenn der Industriestandort Deutsch­ land in Zukunft attraktiv bleiben soll“, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger dazu.

Der Wirtschaftsrat hat der SPD vorgeworfen, die Verlässlichkeit deutscher Außenpolitik zu gefährden. „Wie sollen zukünftige europäische Verteidigungssysteme der nächsten Generation unter deutscher Beteiligung entstehen, wenn sich SPD-geführ­ te Ressorts heute schon bei der Exportgenehmigung von Kleinteilen querlegen“, sagte Wolfgang Steiger in Berlin.

Handelsblatt vom 13.05.2019 Schon seit Monaten streiten Union und SPD über die ­Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Grundrente. ­Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats, wirft der SPD einen Bruch ihrer eigenen Grundsätze vor. Jetzt die Rücklagen der Sozialkassen mit Verpflichtungen für eine dauerhafte Leistung aufzulösen sei unverantwortlich.

Handelsblatt vom 02.04.2019

Aachener Zeitung vom14.05.2019

Spiegel Online vom 27.03.2019

Astrid Hamker wird als erste Frau in der Geschichte des Wirtschaftsrates dessen Präsidentin sein. Am 4. Juni soll sie auf der Bundesdelegiertenversammlung zur Nachfolgerin von Werner Bahlsen gewählt werden. Der Wirtschaftsrat mit 12.000 Mitgliedern wird mit ihr einen Führungs- und Genera­tionen­wechsel vollziehen.

©Klaus Stuttmann

Werner Bahlsen, geschäftsführender Gesellschafter von Bahlsen und Präsident des Wirtschaftsrates, unterstützt die Kampagne „Made by Vielfalt“ und wirbt für Akzeptanz von Zuwanderung mit klaren Regeln. Alles andere schade nicht nur der Wirtschaft. Bahlsen in einem Interview im Handelsblatt: „Wir brauchen Fachkräfte aus aller Welt.“

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25,7

1.000.000.000 Um mindestens eine Milliarde Euro will Bundes­ wirtschaftsminister Peter Altmaier kleine und mittlere Unternehmen von Bürokratiekosten befreien. Im Steuerrecht sollen die Aufbewahrungsfristen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Allein das brächte Entlastungen von rund 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Quelle: Deutsche Presseagentur

Rund 25,7 Milliarden Euro hat die deutsche Automobilindustrie 2017 in Forschung und Entwicklung investiert und damit entscheidend dazu beigetragen, dass Deutschland erstmals das seit sieben Jahren gesteckte Ziel erreicht, mehr als drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Forschung und Inno­vation aus­zugeben. Demnach investierten Staat und Unter­nehmen 2017 knapp 100 Milliarden Euro oder 3,03 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Entwicklung. Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Zahlen des Quartals Lebensleistung 110.00 Follower?

124.000.000.000 Die Mai-Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung hat seine Prognose 2019 jüngst für Bund, Länder und Gemeinden nach unten korrigiert. Grund genug für Bundesfinanzminister Olaf Scholz laut ein Haushaltsloch von 124 Milliarden Euro zu beklagen. Dabei bewegen sich die Steuerein­nahmen auf Rekordniveau und werden in den nächsten Jahren weiter steigen (s. S. 24). Quelle: Bundesministerium der Finanzen

66,4 Kunden deutscher Mobilfunk­ anbieter nutzten im letzten Jahr 66,4 Millionen Gigabyte im Ausland, fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Die Änderung der EU-Roaming-Verordnung war im Juni 2017 in Kraft getreten. Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung

515 Das Bundeskabinett hat den Mindestlohn von 515 Euro für Auszubildende beschlossen. Die Vergütung soll jedes Jahr steigen: 2021 auf 550 Euro, 2022 auf 585 Euro und 2013 auf 620 Euro. Im zweiten Ausbildungsjahr sollen Azubis dann 18 und im dritten 35 Prozent mehr bekom­ men. Allerdings können sich Wirtschaft und Gewerkschaften auch auf niedrigere Sätze einigen. Quelle: ntv

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181 Die höchsten Schuldentürme in der Eurozone hatten Ende 2018 Griechen­ land mit 181 Prozent Gesamtschulden, dicht gefolgt von Italien und Portugal mit 132 Prozent und 121 Prozent und Zypern mit 103 Prozent. In der zweiten Reihe stehen Belgien mit 102, Frank­ reich mit 98 und Spanien mit 97 Prozent Gesamtschulden. Quelle: Eurostat

Die Bedeutung Kevin Kühnerts ist ohne ­Social Media nicht zu verstehen. Von den sieben Juso-Vorsitzenden nach Andrea Nahles, die 1999 abtrat, ist kaum einer heute noch als sol­ che oder solcher bekannt. Gut, ein paar sind in Mandate gerutscht, aber mehr nicht. Nach der einmal jährlich zum SPD-Parteitag gehaltenen besonders radikalen Rede folgten ein paar Abdrucke und Talkshow-Einladungen. Danach strampelten sie sich unterhalb der Wahrneh­ mungsschwelle bis zum nächsten Parteitag ab. Nur das Parteiorgan Vorwärts verhalf ­ihnen zumindest in der Partei zu minimaler Reso­ nanz. Wesentlicher Schlüssel für die Bedeu­ tung Kevin Kühnerts sind seine rund 110.000 Follower auf Twitter, von vielen M ­ edien mit Ge­ folgschaft verwechselt. Überhaupt ist T ­ witter selbst vor allem ein Medienphänomen, das 95 Prozent der Bevölkerung nicht erreicht. Mit 110.000 Followern, darunter viele Journalis­ ten und SPD-Genossen, kann der Juso-Chef freilich seine Nebenöffentlichkeit ständig be­ dienen. So wie sich in Social Media Anhänger von AfD & Co. in ihrem Tunnel der gegensei­ tigen Selbstbestätigung ihrer Ansichten be­ wegen, gibt es dieses Rudelverhalten auch links. Manche Twitter-Promis wie die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli leben an der Schnittstelle gegenseitiger Aufwiegelung von links und rechts davon, angegriffen und belei­ digt zu werden – und sich natürlich ständig be­ leidigt zu fühlen – entsprechend ausdruckstar­ kes Profilfoto. Hohe Twitterzahlen, Follower, Re­tweets und Likes stehen für Bedeutungsgewinn. Beim Juso-Chef und abgebro­ chenen Publizistik-Studi Kevin Kühnert – Kann man da durchfallen? – er­ setzen sie Lebensleistung.

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