Positionspapier "Deutschland braucht einen Digitaler Aufbruch"

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Forderungspapier

Deutschland braucht einen Digitalen Aufbruch

Wirtschaftsrat der CDU e.V. Klaus-Hubert Fugger Pressesprecher

Die Goldgräber-Stimmung im Silicon Valley hält schon über ein Jahrzehnt an. In Deutschland werkeln 16 Bundesländer und der Bund seit Jahren an ihren eigenen IT- und Internet-Strategien, der große Wurf fehlt bis heute. Wir brauchen endlich einen Digitalen Aufbruch. Denn die riesigen Potentiale der Internet- und IT-Branche, die global bis zu 20 Billionen US-Dollar – bei einem Welt-Bruttosozialprodukt von 70 Billionen US-Dollar – generieren werden, kann eine Industrienation wie Deutschland nicht anderen überlassen. Vor allem schon weil sich die 20 Billionen US-Dollar nicht einfach addieren lassen. Denn mit den neuen Lösungen und Angeboten werden viele alte Geschäftsmodelle verdrängt und verkleinert werden. Das ist bisher im Nachrichtengeschäft oder Handel am augenscheinlichsten, wird aber selbst die klassischen Industriebranchen durch die webbasierte Vernetzung von Produktionsprozessen massiv verändern.

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Sechs der größten Player in dieser IT- und Internetwirtschaft – Google, Microsoft, Amazon, Facebook, Apple und Salesforce.com – stammen aus den USA. Zwei von ihnen waren vor zehn Jahren noch kleine Startups ausgestattet mit Venture Capital und hohem Engagement der Gründer und Mitarbeiter. An Motivation und Unternehmergeist fehlt es hierzulande – zumindest in der IT- und Internet-Branche – nicht, vor allem aber an den Rahmenbedingungen. Um auch deutschen Unternehmensgründungen die Entwicklung von international wettbewerbsfähigen, neuen Geschäftsmodellen weiter zu erleichtern, hat der Wirtschaftsrat der CDU e. V. gemeinsam mit der IT- und Internet-Branche die folgenden Forderungen erarbeitet.

Finanzierung und Förderung 1. Standarisierte Stock Option Modelle ermöglichen

Startups sind gezwungen, mit den großen IT-Unternehmen um Mitarbeiter zu konkurrieren und ziehen oft den Kürzeren. Ein Argument für Startups ist jedoch die Ausgabe von Unternehmensanteilen als Teil der Entlohnung. Während dies im Rahmen der Gründung kein Problem ist, müssen später eingestellte Mitarbeiter Einkommenssteuer auf ihre Anteile zahlen, auch wenn kein Geld geflossen und auch die Zukunft des Unternehmens nicht sicher ist. Aber auch langfristig haben Stock-Options Modelle Vorteile – die bei einem Exit erzielten Erlöse werden verstärkt in neue Startups investiert. Dies ist einer der Faktoren, die zum Aufbau des Silicon-Valley beigetragen haben. 2. Startups brauchen bessere Investitionsfinanzierung

In Deutschland sichern Startups ihre erste Finanzierung nach der Gründung vorwiegend aus privaten Quellen. Erste Probleme treten beim Bedarf nach Anschubfinanzierung auf, üblicherweise ein Bedarf von 100 bis 300 Tausend Euro. Sofern diese gesichert ist, folgt nach 6-9 Monaten die zweite Finanzierungsrunde. Hier liegt der Bedarf bei etwa 1-1,5 Millionen Euro. Sobald es dann um Wachstumsfinanzierung ab 5 Millionen Euro 1


geht, findet man in Deutschland kaum noch Investoren. Deshalb braucht der Wagniskapitalmarkt in Deutschland international attraktive Rahmenbedingungen. Es müssen Anreize geschaffen werden, um auch Einlagen institutioneller Investoren in Wagniskapitalfonds zu fördern. Besonders für Anleger im Private-Equity-Bereich bieten Investitionen in Startups neue Möglichkeiten. Dafür muss nicht zuletzt ein verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen werden, der Wagniskapitalgesellschaften als vermögensverwaltend und nicht als gewerbetreibend definiert. 3. Standortnachteile bei Verlustvorträgen beseitigen

Die Verlustvorträge beim Anteilseigner-Wechsel müssen erhalten bleiben. Derzeit gehen die aufgelaufenen Verlustvorträge komplett oder teilweise verloren, wenn Anteile an einem Unternehmen übertragen werden. Dieser Standortnachteil gegenüber anderen EU-Ländern ist zu beseitigen. 4. Crowdfunding fördern

Auch innovative Investitionsmodelle wie Crowdfunding müssen gefördert werden. In diesem Sinne ist zu prüfen, ob Investitionen in Startups als steuerlich abzugsfähig eingestuft werden können. Eine steuerliche Absetzbarkeit würde die Investitionsbereitschaft aus der Bevölkerung deutlich steigern. Angesichts der derzeit niedrigen Zinsen ein interessantes Investment. 5. Eigenes Börsensegment für IT- und Internetbranche

Als weitere Finanzierungsmöglichkeit und geeigneter Exit-Kanal muss ein eigenes Börsensegment geschaffen werden, welches speziell auf die Bedürfnisse von jungen Unternehmen aus der IKT-Branche zugeschnitten ist. Dieses kann den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern und Startups für Investoren interessant machen. 6. „Investitionszuschuss Wagniskapital“ nachjustieren

Der Wirtschaftsrat begrüßt die Einführung des „Investitionszuschusses Wagniskapital“, der bereits erfolgreich gestartet ist. Nach einer ersten Probephase ist zeitnah zu überprüfen, ob die gewählten Parameter die gewünschte Wirkung zeigen. So ist zu prüfen, ob eine Koppelung des Zuschusses an einen erfolgreichen Exit sinnvoll ist. Auch ist der „Investitionszuschuss Wagniskapital“ so anzupassen, dass auch eine Bündelung natürlicher Personen als Investor zugelassen wird, z. B. sich aus Familienangehörigen oder Business Angels zusammensetzende Gesellschaften.

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7. „Investitionszuschuss Wagniskapital“ erweitern auf Wachstumsfinanzierung

Positiv ist, dass es immer einfacher ist, in Deutschland eine Anschubfinanzierung zu erhalten. Was jedoch zunehmend fehlt, sind Investoren für die Wachstumsfinanzierung. Der „Investitionszuschuss Wagniskapital“ ist im Sinne eines Gewächshausmodells um entsprechende Tools zu erweitern, die in jeder Phase der Finanzierung (Angel, Seed, Series A, Growth, Exit) greifen. 8.

Staatlich finanzierte Hightech-Gründerfonds für mehr privates Kapital öffnen

Der überwiegend staatlich finanzierte Hightech-Gründerfonds ist derzeit das wichtigste Instrument der Seed-Finanzierung in Deutschland und muss auf hohem Niveau fortgeführt werden. Dazu ist auch eine größere Beteiligung der Wirtschaft notwendig. 9. Bürgschaftsbankmodell für junge Technologieunternehmen auflegen

Die KfW sollte ein Bürgschaftsbankmodell, ähnlich wie beim Hausbau oder Energieinvestitionen, für junge Technologiefirmen auflegen, die sich um einen Kredit bei ihrer Hausbank bemühen. Derzeit ist es für Gründer fast unmöglich, einen klassischen Bankkredit zu bekommen, wenn man nicht die entsprechenden Sicherheiten hinterlegen kann. Für ein gerade gegründetes Startup-Unternehmen eine unüberwindbare Hürde. 10. EU-Programme in neuer Förderperiode fortführen

Auch auf EU-Ebene steht die neue Förderperiode vor der Tür. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass den Ländern auch weiterhin Mittel des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) für öffentliche Wagniskapitalfonds zur Verfügung gestellt werden.

Zuwanderung, Arbeits- und Sozialrecht 11. Fachkräftemangel durch vermehrte Zuwanderung von HighPotentials bekämpfen

Der allgemeine Fachkräftemangel ist in der IT-Branche besonders deutlich spürbar. Neben allgemeinen Erleichterungen wie bei der „Blauen Karte EU“ müssen ausländische Studierende motiviert werden, in Deutschland zu bleiben. Zudem müssen Rückhol-Programme für IT-Spezialisten gestartet werden, die das Land verlassen haben. Wegen der hohen Zahl an Autodidakten muss bei der Prüfung von Einwanderern stärker das Stellenprofil als klassische Ausbildungsabschlüsse berücksichtigt werden.

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12. Arbeitsrecht der Gründerszene anpassen

Das deutsche Arbeitsrecht ist durch seine starren Regeln für Unternehmensgründungen kontraproduktiv und auch ein Grund, ein Startup gleich im Ausland zu gründen. Der arbeitsrechtliche Schwellenwert von zehn Mitarbeitern beim Kündigungsschutz muss für Unternehmensgründungen prinzipiell überdacht werden. 13. Gründer bei Sozialversicherungsbeiträgen entlasten

Es sollte ein Modell entwickelt werden, das in den ersten Jahren einen Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen beinhaltet, um den Startups einen Einstieg in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. Die Wahl zwischen einem Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen bei unbefristetem oder einem befristeten Arbeitsverhältnis bei vollen Beiträgen bietet den Startups einen Anreiz zum Abschluss unbefristeter Arbeitsverhältnisse.

Bildung und Forschung 14. Hochschulen verstärkt zu Gründer-Werkstätten ausbauen

Die Gründungsaktivitäten an den Hochschulen müssen über erfolgreiche Initiativen wie EXIST und Gründerlehrstühle hinaus verstärkt und universitätsweite Gründungsstrategien entwickelt werden. Elementar wichtig ist gleichzeitig eine fach- und bereichsübergreifende Verknüpfung von Lehre und Gründung. Vor allem Ingenieuren und anderen Naturwissenschaftlern muss Lust zum Gründen gemacht werden. Hochschulnahe Gründerzentren müssen weiter ausgebaut werden. Die Gründerzentren müssen finanziell in dem Maße ausgestattet sein, dass sie Arbeitsplätze, Infrastruktur, Beratungsleistungen und unbürokratische Hilfe bei der Gründung bieten können, genauso wie die Organisation von Auswahl-Pitches oder Kontakte zu externen Geldgebern. 15. Gründer-, Wirtschafts- und Technikthemen in Schulunterricht integrieren

Die Zahl der Unternehmensgründungen geht in Deutschland spürbar zurück. Das ist auf lange Sicht eine große Gefahr. Gerade Deutschland lebt vom starken mittelständischen Unternehmen, in dem der Gründer selbst noch das Steuer in der Hand hält. In der Schule findet das Thema Gründung und Unternehmertum nicht statt. Allerdings wird nur zum Gründer, wer bereits in frühen Jahren durch Projekte und Vorbilder ein positives Bild eines Unternehmers vermittelt bekommt. Es ist dringend notwendig, Lehrer im Bereich der Wirtschaftswissenschaften auszubilden. Engpässe gibt es auch an anderer Stelle. Im MINT-Bereich fehlen derzeit bereits 120.000 Fachkräfte, allein im IT-Bereich sind es rund 38.000. Hier gilt es, das Interesse 4


und die Begeisterung für Technik schon früh zu wecken. Die Stärkung der MINT-Fächer bereits in der Schule ist elementar.

Bürokratie und Vertragswesen 16. Bürokratie-Hürden für Startups durch „Beta-Standards“ senken

Startups müssen schnell und unbürokratisch auf den Markt treten können, um ihre Produkte direkt dem Praxistest zu unterziehen. Eine sinnvolle Möglichkeit bietet sich mit der Einführung eines „Beta-Standards“: Mit nicht sofort greifenden Vorschriften z. B. des Abmahnwesens bei mangelnder Funktionsfähigkeit oder des Verbraucherschutzes können Startups ihre Produkte in einem ersten Versuch auf den Markt bringen. Um Missbrauch vorzubeugen, bedarf es klarer Abgrenzungen hinsichtlich des Nutzerumfangs und der Dauer des Projekts. 17. Standardverträge in einem Baukastensystem anbieten

Standardisierte Verträge stellen eine sinnvolle Erleichterung für Unternehmensgründer dar. Verträge zur Geschäftstätigkeit oder zu Kooperationsprojekten wiederholen sich regelmäßig. Faire Standardverträge, die nach einem Open Source Baukastensystem zur Verfügung gestellt werden, sparen erhebliche Kosten und stellen Jungunternehmer rechtlich auf die sichere Seite.

Allgemeine und gründerspezifische Infrastruktur 18. Breitbandanschluss vordringlich

Startups sind mit ihrem Geschäftsmodell auf eine stabile und schnelle Internetverbindung angewiesen, sowohl auf der Seite ihrer Kunden, aber auch dort, wo ihre Inhalte eingestellt werden. In Berlin, aber auch Hamburg oder München finden sich Areale, wo besonders viele Startups angesiedelt sind. Eine Versorgung dieser Ballungszentren mit einem Gigabitanschluss muss deshalb auch in der Breitbandstrategie oberste Priorität haben. Grundsätzlich ist der flächendeckende Ausbau des schnellen Internets unabdingbar, will man auch zukünftig von der dynamischen Entwicklung der IKT-Branche profitieren. Die Breitbandstrategie des Bundes muss neu gedacht werden, die Anreizstruktur für investierende Unternehmen so angepasst werden, dass bis 2020 jedes Unternehmen und jeder Haushalt in Deutschland auf der Datenautobahn mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist.

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19. Anreizsysteme für private Infrastrukturinvestitionen starten

Es ist ferner notwendig, weitere Anreize für investierende Unternehmen zu schaffen, um einen Glasfaserausbau auch im ländlichen Raum zu ermöglichen. Wo ein Ausbau in der Fläche nicht wirtschaftlich realisierbar ist, muss der Staat eine funktionierende Infrastruktur schaffen. 20. One-Stop-Shops

Gerade für Gründer ist es eine große zeitliche Herausforderung, die notwendigen Formalitäten zur Unternehmensgründung zu meistern. Als Abhilfe müssen europaweite One-Stop-Shops etabliert werden, die alle Aktivitäten rund um die Gründung bündeln und koordinieren. Eine Zusammenarbeit mit den hochschulnahen Gründerzentren ist dabei anzustreben. Die Aufgaben der One-Stop-Shops reichen dabei von der Bereitstellung aller notwendigen Formulare, Beratungsgesprächen, Evaluation von Geschäftsmodellen, Vermarktung des Startups-Standortes bis hin zur Etablierung einer Netzwerkplattform. Damit einhergehend ist eine Zusammenarbeit mit den Datenschutzbehörden, der BaFin und den IHK-Kompetenzzentren nötig. Da eine Umsetzung der One-Stop-Shops auf Landes- und kommunaler Ebene vorzunehmen ist, muss der Bund entsprechende Anreize setzen. Stand: 18. August 2014

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