LV Hessen: Positionspapier Umwelt & Energie

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Umsetzungspfade für die Energiewende in Deutschland Positionspapier „Effektive und effiziente Umsetzung der Energiewende in Deutschland im Zusammenwirken mit der Europäischen Union“ Wirtschaftsrat Deutschland, Landesverband Hessen, Landesfachkommission „Umwelt & Energie“


Inhalt

1. Vorwort 2. Management Summary – Kernforderungen des Wirtschaftsrats 3. Energiewende – Intention, Status und Handlungsbedarf 4. Vier Thesen – Ordnungspolitische Adjustierung nötig 4.1 Optionen schaffen – Gezielte Entwicklung von Technologie und Technik 4.2 Leitplanken vereinbaren – Ausgestaltung des Transformationsprozesses 4.3 Akzeptanz schaffen – Beachtung soziologischer Aspekte 4.4 Geeignete Regeln definieren – Weiterentwicklung des gesetzlichen Ordnungsrahmens im Sinne der Energiewende 5. Dialog mit der Politik 6. Anhang

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1. Vorwort Nachhaltige Energieversorgung für Deutschland und Europa Der Wirtschaftsrat Deutschland versteht sich als die Stimme der sozialen Marktwirtschaft. In diesem Kontext sind die nachhaltige Sicherung und die nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland von herausragender Bedeutung. Nachhaltigkeit umfasst ökologische, ökonomische und soziologische Aspekte. Eine sichere, bezahlbare und international wettbewerbsfähige Energieversorgung in Deutschland, die aber auch im nationalen und globalen Maße den Kriterien der Umweltverträglichkeit genügen muss, stellt eine Komponente dieses Ziels dar. Weiterhin ist die Einhaltung der Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Energieversorgung zu beachten. Die Landesfachkommission „Umwelt und Energie“ des Wirtschaftsrats Deutschland in Hessen sieht den in Deutschland im Zuge der Energiewende angestoßenen Prozess der Dekarbonisierung von Industrie und Gesellschaft im Grundsatz als einen Weg in Richtung einer nachhaltigen und klimaschützenden Energieversorgung für Deutschland und Europa. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass dieser grundlegende Transformationsprozess weitestgehend nach marktwirtschaftlichen Regeln gestaltet und umgesetzt wird. Im Ergebnis muss eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland erfolgen. Unter Energieversorgung ist die Bereitstellung der Nutzenergiearten Bewegung, Licht, Wärme und Kälte zu verstehen. Im Rahmen des Transformationsprozesses sind daher alle Energieformen, die in Zusammenhang mit diesen Nutzenergiearten stehen, zu betrachten. Energiewende betrifft also elektrische, thermische und chemische Energie. Zu zuletzt genannter Energieform zählen z.B. Erdgas und Wasserstoff. Energiewende bedeutet daher physikalisch die Kopplung der verschiedenen Energieformen. Der Energieform Elektrizität kommt eine zentrale Rolle zu, da elektrische Energie aus vielen anderen – und insbesondere aus regenerativen – Energiequellen gewonnen wird und genauso in andere Energieformen umgewandelt werden kann. Diese zentrale Rolle der elektrischen Energie führt in der öffentlichen Wahrnehmung häufig dazu die Energiewende auf eine Stromwende zu verkürzen. Dies ist aber keinesfalls ausreichend. Energiewende ist umfassend zu verstehen und sie betrifft nicht nur den eigentlichen Energiesektor mit seinen verschiedenen Energieformen, sondern die gesamte Volkswirtschaft. Dazu gehören auch andere Industriezweige, wie beispielsweise Mobilität, Wärmesektor, Wohnungsbau und Finanzwirtschaft. Energiewende koppelt also auch die Wirtschaftssektoren. Diese Sektoren können erhebliche Beiträge zur Dekarbonisierung leisten. Nicht zuletzt ist die Gesellschaft als solche involviert. Das beschriebene Energieversorgungssystem ist notwendigerweise durch einen effizienten Energieeinsatz auf der Anwendungsseite zu ergänzen. Schließlich ist Energiewende als Prozess zu verstehen, der einen längeren Zeitraum für seine Implementierung in Anspruch nimmt. Energiewende bedeutet im Kern die Reduktion von Brennstoffkosten (z.B. Erdgas) und den Aufbau von zusätzlicher Infrastruktur (z.B. regenerativen Energiequellen sowie Netzen) und damit Kapitalkosten und Abschreibungen. Bei einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung ist für die aktuelle Phase der Energiewende daher festzuhalten, dass die Gewinn- und Verlustrechnung des Transformationsprozesses trotz niedriger Zinsen auf den Kapitalmärkten negativ ausfällt. Dies stellt eine zentrale Erkenntnis dar. Die internationalen Brennstoffpreise sind durch technisch neue

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Abbaumethoden und die Erschließung von neuen Lagerstätten gegenwärtig extrem niedrig. Zudem werden Kohlendioxidemissionen international kaum pönalisiert. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die betriebswirtschaftliche Betrachtung nicht alle volks- und weltwirtschaftlichen Kostenbestandteile umfasst und zudem von Steuern beeinflusst wird. Eine weitere Schieflage entsteht durch Besteuerung, Abgaben und Umlagen, vor allem von elektrischer Energie. Trotz stark gesunkener Preise an der Strombörse sind die Energiekosten für Industrie-, Gewerbe- und Privatkunden durch permanente, politische gewollte Belastungen deutlich gestiegen. Die aktuelle negative betriebswirtschaftliche Bewertung des Transformationsprozesses stellt ein Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland dar. Zudem blieben die Dekarbonisierungseffekte bisher weitgehend aus. Effektivität, Effizienz sowie Ausgestaltung des Transformationsprozesses sind daher dringend nachzubessern. Die positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahren darf nicht als selbstverständlich betrachtet und fortgeschrieben werden. Die festzustellende Abwanderung von Produktionskapazitäten aus Deutschland und das steigende Risiko einer globalen Rezession sind Warnsignale für die Exportnation Deutschland. Um künftig eine chancenreiche wirtschaftliche Entwicklung auf nationaler Ebene zu sichern, sind wettbewerbsfähige Energiepreise eine unbedingte Voraussetzung. Daher ist die Belastung von Energie, insbesondere von Strom, auf ein Minimum zu reduzieren. Mittelfristig sind Subventionen für bestimmte Energieformen und Energieanwendungen abzuschaffen. Die Komplexität der einzelnen Gesetze des gesamten Energiesektors ist zu reduzieren und konsistent auszuprägen. Aus diesem Grunde ist der CO2-Zertifikate-Handel weltweit, zumindest jedoch in der EU, zum alleinigen Steuerungsinstrument des Transformationsprozesses auszubauen. Alle Branchen einschließlich Landwirtschaft sind einzubeziehen. Von dirigistischen und wettbewerbsverzerrenden Detailregulierungen in der Energiewirtschaft ist abzusehen. Daher hat die Landesfachkommission das vorliegende Positionspapier erstellt, das Hinweise für einen erfolgreichen Transformationsprozess und eine geeignete Formulierung der Zielsetzung der Energiewende gibt. Diese Ausarbeitung soll die Grundlage für eine aktive Diskussion mit der hessischen Landespolitik sowie den Gremien des Wirtschaftsrats Deutschland bilden. Über den Wirtschaftsrat sollen die Ergebnisse auch in die Bundespolitik eingespeist werden.

Frankfurt, Januar 2016

Prof. Dr. Peter Birkner

Marius Schwabe

Vorsitzender Landesfachkommission

Landesgeschäftsführer Wirtschaftsrat Hessen

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2. Management Summary - Kernforderungen Eine nachhaltige Energieversorgung für Deutschland und Europa erfordert 

Die Rückkehr zu Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft durch stabile gesetzliche und steuerliche Rahmenbedingungen, die in allen Branchen wirksamen Wettbewerb ohne spezifische Einstiegsbarrieren ermöglichen.

Eine sofortige Senkung des Strombezugspreises für Industrie und Gewerbe zur Sicherung und zum Ausbau von Arbeitsplätzen aber auch zur Vermeidung von sozialen Härten.

Sicherung von dauerhaft wettbewerbsfähigen Energie- und Strombezugspreisen durch eine Abschaffung von nicht sachgerechten Steuer-, Umlage- und Abgabekomponenten einschließlich der Rückführung aller Subventionen.

Etablierung einer effizienten, marktbasierten Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft durch den Ausbau und die Stärkung des CO2-Zertifikate-Handels in einem globalen, jedoch zumindest europäischen Rahmen. Die Dekarbonisierung ist zum alleinigen Steuerungsinstrument des Transformationsprozesses auszubauen. Alle Branchen einschließlich Landwirtschaft sind mit einzubeziehen. Dieses Vorgehen unterstützt die Umsetzung der Beschlüsse des Weltklimagipfels in Paris.

Klimaschutzabkommen Paris: 

Die Sicherung und den Ausbau des Wirtschaftsstandorts Deutschland durch effiziente und effektive Förderung von Forschung und Entwicklung mit einer möglichen Anschubförderung von neuen Technologien zur Markteinführung in einem begrenzten Zeitraum.

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3. Energiewende – Intention, Status, Handlungsbedarf Effiziente und effektive Umsetzung der Energiewende in Deutschland und Europa Ein globales, nachhaltiges Energieversorgungsystem muss nach heutigem Erkenntnisstand nahezu frei von Kohlendioxidemissionen sein. Daher ist die globale Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft das prioritäre international zu erreichende Ziel. Insbesondere die Energieversorgung, d.h. die Bereitstellung der Nutzenergiearten Bewegung, Licht, Wärme und Kälte, ist hierbei zu betrachten. Die langfristige Verfügbarkeit fossiler Energieträger ist aufgrund neuer Fördertechnologien nicht – wie noch vor wenigen Jahren postuliert – das limitierende Element des aktuellen, von fossilen Rohstoffen geprägten Energiesystems. Die Grenze der Kohlendioxidaufnahmefähigkeit der Atmosphäre wird zeitlich deutlich früher erreicht. Nach gegenwärtig akzeptierter wissenschaftlicher Meinung darf der Anstieg der Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche maximal 2 Kelvin betragen, um unkalkulierbare Risiken für die Zukunft der gesamten Menschheit durch die globale Klimaerwärmung zu vermeiden. Dazu ist es erforderlich bis spätestens 2050 die menschenverursachte Emission an Treibhausgasen – vor allem an Kohlendioxid – um 80 % bis 95 % gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. Es handelt sich hierbei um einen grundlegenden Transformationsprozess von Wirtschaft und Gesellschaft, der enorme internationale Anstrengungen erfordert. Es ist daher von entscheidender Bedeutung die notwendige Dekarbonisierung so effizient und effektiv wie möglich zu gestalten. Die Kohlendioxidemissionen Deutschlands sind in globalem Maßstab von untergeordneter Bedeutung. Mit etwa 2,4 % Anteil an den weltweiten Emissionen steht Deutschland zwar an der 6. Stelle der größten Emittenten, allerdings sind die Emissionen von China mit 26,4 % und den USA mit 17,7 % deutlich höher. Dennoch wurde in Deutschland die sogenannte Energiewende eingeleitet. Deren politisches Ziel besteht im mittelfristigen Aufbau eines nachhaltigen, d.h. ökologischen, ökonomischen und akzeptierten Energiesystems, das in hohem Maße dekarbonisiert ist. Bisher fokussiert die Energiewende allerdings hauptsächlich auf die Energieform Strom. Die Basis des künftigen Energiesystems in Deutschland bilden erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz, wodurch die Kohlendioxidemissionen deutlich sinken sollen. Kernkraftwerke werden vom Energiezielsystem ausgeschlossen. Kohlkraftwerke werden aus heutiger Sicht sukzessive zurückgefahren und sollen vor allem als Reservekraftwerke eingesetzt werden. Die Energiewende erfordert einen grundlegenden Umbau des fossil-nuklearen Ausgangssystems. Die dazu erforderliche Technik ist im Grundsatz vorhanden. Allerdings sind weitere Kostensenkungen sowie Effizienz- und Leistungssteigerungen in allen Stufen der energietechnischen Wertschöpfungskette sowie auf der Anwenderseite erforderlich. Es ist zudem zu erwarten, dass sich in den kommenden Jahren die Anzahl der technischen Optionen erhöht. Durch die Energiewende wird eine nahezu brennstoffkostenfreie Infrastruktur aufgebaut. Im wirtschaftlichen Endergebnis bedeutet dies die Substitution von (ins Ausland abfließenden) Aufwendungen für Brennstoffe mit variablen und in der Zukunft unbekannten Kosten durch kalkulierbare Kapitalkosten und Abschreibungen.

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In der Einführungsphase führt die Energiewende aufgrund der enormen erforderlichen Infrastrukturinvestitionen zu betriebswirtwirtschaftlichen Mehrkosten gegenüber dem bestehenden Energiesystem. Die wegfallenden Aufwendungen für fossile Energieträger sind (auch aufgrund der niedrigen internationale Preise für Kohle, Öl und Gas) niedriger, als die hinzukommenden Kapitalkosten und Abschreibungen, obwohl sich auch die Kapitalmärkte in einer Phase niedriger Zinsen befinden. Es ist aber auch festzuhalten, dass bei der betriebswirtschaftlichen Kostenermittlung für das bestehende nuklear-fossile Energiesystem nicht alle national und international auftretenden Externalitäten – d.h. die unkompensierten kostenverursachenden Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf unbeteiligte Marktteilnehmer – berücksichtigt werden. Weiterhin werden Subventionen, die in der Vergangenheit erfolgt sind, nicht vollumfänglich in die Kalkulation miteinbezogen. Insoweit beinhaltet die international angewandte betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise eine Asymmetrie zu Ungunsten der Energiewende. Trotz dieser existierenden Asymmetrie darf der angestoßene Transformationsprozess dennoch den exportorientierten Wirtschaftsstandort Deutschland nicht gefährden und die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist zu erhalten und auszubauen. Die Situation für Unternehmen und Bürger wird durch die Tatsache, dass die Energiepreise (vor allem die Strompreise) in Deutschland in erheblichem Maße zusätzlich durch Steuern belastet werden, deren Verwendung teilweise mit dem Energiesystem nichts zu tun hat, weiter verschärft. Beispielsweise überschreitet die Quote der Steuern, Abgaben, Umlagen im Strombezugspreis des Privatkunden bereits die 50 % Marke. Die Förderung erneuerbarer Energien alleine beträgt 20 % des Strompreises. Die aktuell hohen Endenergiepreise für Strom und Gas in Deutschland haben bereits einen Abwanderungsprozess in bestimmten Industriebereichen in Gang gesetzt. Diesem ist unbedingt zu begegnen, zumal auch das Risiko einer globalen Rezession in letzter Zeit tendenziell gestiegen ist. Energie muss für Unternehmen und Bürger bezahlbar bleiben, wobei gleichzeitig eine hohe Versorgungssicherheit und Systemzuverlässigkeit zu gewährleisten sind. Der Dekarbonisierungsprozess hat daher zu minimalen und betriebswirtschaftlich verträglichen Transformationskosten zu erfolgen. Ökologie und Ökonomie müssen gleichberechtigt betrachtet werden. Es ist ein volkswirtschaftlich, betriebswirtschaftlich, soziologisch aber auch technisch optimiertes und koordiniertes Vorgehen erforderlich, bei dem der Einsatz investiver Mittel sorgfältig abgewogen wird. Dies ist gegenwärtig in der Realität so jedoch nicht der Fall. Es werden enorme einseitige Investitionen in erneuerbare Energiequellen getätigt und die Kosten für eine Transformation des Energiesystems steigen ohne dass eine nennenswerte Reduktion der Kohlendioxidemissionen erreicht wird. Zudem werden in zunehmendem Maße erneuerbare Energiequellen abgeregelt, da entweder die Netze überlastet sind oder zum Zeitpunkt der Erzeugung keine ausreichend hohe Nachfrage besteht. Das Energiesystem der Zukunft schließt in Deutschland die Nutzung der Kernenergie aus. Obwohl diese Form der Stromerzeugung die Dekarbonisierung unterstützt, werden die Betriebsrisiken als zu hoch eingestuft, die öffentliche Akzeptanz ist nicht gegeben und die Frage der Endlagerung ist nicht gelöst. Das Konzept einer nuklearen Kreislaufwirtschaft wurde 7


schon vor mehr als 20 Jahren nicht weiterverfolgt. Andere Länder nehmen hier eine andere Position ein. Nach aktuellem politischem und gesellschaftlichem Diskussionsstand stehen Braun- und Steinkohle in der Kritik. Sie sollen künftig auf den Einsatz als Reservekraftwerke beschränkt werden. Die Technik der Kohlendioxidabscheidung und -speicherung wird in Deutschland großtechnisch aktuell nicht weiterverfolgt. Neue optionale Technologien, wie beispielsweise die Kernfusion, spielen in der energiepolitischen Diskussion keine Rolle. Aber auch im Hinblick auf regenerative Energieerzeugungstechniken, Energieeffizienzoptionen und Speicherverfahren beschränkt sich die Betrachtung auf den aktuellen Stand der Technik und berücksichtigt künftige Entwicklungen nur unzureichend. Das entsprechend dem Beschluss der Bundesregierung in Deutschland bis 2050 angestrebte Zielsystem für elektrische Energie basiert daher auf erneuerbaren Energieträgern, wie Sonne, Wind, Wasser, Geothermie, organischen und anorganischen Abfällen sowie auf Erdgas. Die Haltung zu nachwachsenden Rohstoffen (Biomasse) ist aufgrund der „Tank oder Teller Diskussion“ ambivalent. Vorgesehen ist die Nutzung heimischer regenerativer Energieträger aber auch der Import regenerativ erzeugten Stroms. Elektrische Energie nimmt in diesem Szenario eine zentrale Rolle ein. Sie wird aus regenerativen Energiequellen mit hoher Volatilität, geringer Verfügbarkeit, hoher Leistung und an neuen Kraftwerksstandorten erzeugt. Die Installation einer hohen regenerativen Erzeugungsleistung ist eine systemimmanente Notwendigkeit um bezogen auf ein Jahr genügend Energie zur Verfügung stellen zu können. Die technische Kernfrage konzentriert sich damit auf die effiziente und effektive Beherrschung von sich abwechselnden Perioden mit deutlichem Erzeugungsüberschuss und deutlichem Erzeugungsmangel im Stromsektor. Daher ist sowohl eine Anpassung als auch ein Ausbau der vorhandenen Energiesysteme erforderlich. Ein effizientes Management von volatiler und hoher Erzeugungsleistung erfordert die bidirektionale Kopplung der Energieformen elektrische Energie, Wärme- und Kälte sowie chemische Energie (wie z.B. Methan, Methanol oder Wasserstoff) durch geeignete Technologien (z.B. Demand-Side-Management, Power-to-Heat, Power-to-Gas). Nur so kann eine temporäre Überschussproduktion an elektrischer Energie sinnvoll verwendet werden. Die entsprechenden Infrastrukturen existieren nur im urbanen Raum sowie in Industriearealen in räumlicher Nähe zueinander. Städten kommt damit eine besondere Bedeutung im Rahmen des Transformationsprozesses zu. Darüber hinaus ist die Veränderung der urbanen Strukturen durch den demographischen Wandel und den Trend der Urbanisierung zu berücksichtigen. Der ländliche Raum wird künftig auf die Erzeugung von elektrischer Energie fokussieren. Neben der Kopplung der Energieformen ist in die Ausgestaltung der Energiewende die gesamte Volkswirtschaft, d.h. Energiewirtschaft, Wohnungsbau, Industrie- und Gewerbe, Privathaushalte, Informationstechnologie, Finanzwesen sowie Mobilität, mit einzubeziehen (Sektorkopplung). Dem effizienten und flexiblen Energieeinsatz auf der Anwenderseite kommt entscheidende Bedeutung zu. Die Gesellschaft wird durch diese Entwicklung grundlegend beeinflusst. Sie spielt daher eine zentrale Rolle, die im Transformationsprozess auch angemessen berücksichtigt werden muss. Energiewende ist also umfänglich und ganzheitlich zu verstehen. Der Dekarbonisierungsprozess erfordert die integrierte Betrachtung aller Energieformen und aller Nutzenergiearten. Er betrifft die gesamte Volkswirtschaft sowie die gesamte Gesellschaft. 8


Die erfolgreiche Etablierung dieses nachhaltigen Energiesystems versetzt Deutschland in die Lage, mittelfristig eine von (außerhalb der EU) importierten Brennstoffen weitgehend unabhängige Energieversorgung aufzubauen, die damit auch weitgehend von den Preisschwankungen und dem mittelfristig wahrscheinlichen Anstieg der Brennstoffkosten auf dem Weltmarkt abgekoppelt ist. Zudem verringert sich die energiepolitische Abhängigkeit Deutschlands und Europas. Geld, das heute für den Import von Brennstoffen (Erdöl, Kohle, Gas) ins Ausland abfließt, verbleibt im Inland bzw. in Europa. Die Bemühungen, den weltweiten Kohlendioxidausstoß zu koordinieren und zu reduzieren, konnten bisher kaum Erfolge verzeichnen. Daher steigt die Notwendigkeit dem Klimawandel und seinen immer deutlicher sichtbar werdenden globalen Folgen gegenzusteuern. Durch die Entwicklung geeigneter Technologien und den Aufbau geeigneter heimischer Produktionsstätten kann ein Exportmarkt der Zukunft bedient werden. Neben modernsten Komponenten, wie technisch zuverlässigen, hocheffizienten regenerativen Stromerzeugern, Energiewandlern und Speichern, kommt der Systemintegration eine hohe Bedeutung zu. Das künftige volatile und dezentrale Multienergiesystem weist eine ausgeprägte Komplexität auf, die mit hohen Anforderung an Steuerung und Regelung verbunden ist. Dies wird zu einem Zusammenwachsen von Energie- und Informationstechnik führen. Die Beherrschung komplexer technischer Systeme stellt eine Stärke von Industrie und Gewerbe in Deutschland dar. Durch die Erschließung von Exportchancen und durch die nachhaltige Energieverfügbarkeit wird der Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig gesichert. Diese Fakten sowie die ethische Verantwortung eines wohlhabenden und technologisch hochentwickelten Landes rechtfertigen eine Vorreiterrolle Deutschlands hinsichtlich des Umbaus des Energiesystems sowie die damit verbundenen Infrastrukturinvestitionen. Dennoch hat die Ausgestaltung des Transformationsprozesses der Energiewende so zu erfolgen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland, die Unternehmen und die Bürger nicht überfordert werden. Nur so kann eine erfolgreiche Zukunft für unser Land sichergestellt werden. Dieses Vorgehen schließt auch den betriebswirtschaftlich rationalen Umgang mit – temporär – sehr niedrigen internationalen Rohstoffpreisen und Kapitalkosten mit ein. Die Anpassung der Transformationsgeschwindigkeit an die akzeptablen jährlichen volkswirtschaftlichen Mehrkosten bildet einen vielversprechenden Ansatz (Bild 1) zur Ausgestaltung des Transformationsprozesses. Die Geschwindigkeit der Transformation wird damit nicht an Vorgaben zu Energiemengen oder Technologien ausgerichtet, sondern an den von Gesellschaft und Wirtschaft zu tragenden jährlichen Mehrkosten gegenüber dem bestehenden System. Beispielsweise könnte die aktuelle jährliche Differenz aus den Vollkosten des sich in Umgestaltung befindlichen Energiesystems und den Vollkosten des konventionellen Energiesystems unter Berücksichtigung von nationalen Externalitäten auf einen bestimmten akzeptierten Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts (z.B. 1%, also rund 29 Milliarden € pro Jahr) begrenzt werden. Diese Mehrkosten wären konsensual durch den allgemeinen Steuerhaushalt, Umlagen auf den Endenergieverbrauch sowie Umlagen auf die Sektoren und Bürger zu tragen. Dazu ist eine politische Debatte zu führen.

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Ähnlich wird auch mit anderen, wirtschaftlich schwer fassbaren Aufgaben, wie z.B. innerer oder äußerer Sicherheit verfahren. Diese nationalen Aufgaben werden durch den Steuerhaushalt gedeckt. Für die Verteidigung werden etwa 35 Mrd. € pro Jahr zur Verfügung gestellt. Dies entspricht in etwa 1,2 % des Bruttoinlandsprodukts. Bei Anwendung des vorgeschlagenen Prinzips beschleunigen niedrige Kapitalkosten und hohe Brennstoffpreise den Transformationsprozess, während hohe Kapitalkosten und niedrige Brennstoffpreise verzögernd wirken. Als politisches Ziel ist die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft zu definieren und es sind die maximal akzeptablen jährlichen volkswirtschaftlichen Mehrkosten festzulegen. In diesem Rahmen sind geeignete Marktmechanismen zu etablieren, die sicherstellen, dass jeweils aktuell wirtschaftlichsten Maßnahmen zur Zielerreichung prioritär eingesetzt werden (Bild 2). Die Etablierung einer wettbewerblich ausgestalteten Dekarbonisierung als ordnungspolitischer Leitgedanken ermöglicht die effiziente und effektive Ausgestaltung des Transformationsprozesses. Trotz des Prinzips, dass der Markt die einzelnen Schritte der Dekarbonisierung bestimmen soll, gibt es einige technisch zu begründende Prinzipien, die eine gewisse Road Map für den Transformationsprozess erkennen lassen. Die exakte technische Ausprägung des Zielsystems ist heute nicht klar beschreibbar, da die technischen und technologischen Optionen der Zukunft nur in Umrissen bekannt sind. Aufgrund des hohen Kapitalbedarfs ist mit Investitionen jedoch sorgfältig umzugehen. Damit haben „No Regret“ Maßnahmen, also Maßnahmen die für mehrere Entwicklungsszenarien Sinn machen, eine hohe Bedeutung. Das Denken in Szenarien ist daher wichtig. Der Transformationsprozess selbst ist in verschiedene Phasen zu gliedern. Aus heutiger Sicht kann in Deutschland ein Anteil von etwa 35 % an volatilen erneuerbaren Energien im isoliert betrachteten Stromsystem integriert werden. Hierzu sind vor allem die Übertragungs- und die Verteilungsnetze zu erweitern und zu verstärken. Durch Diversifizierung können volatile Stromquelle stabilisiert werden. Für höhere Anteile an volatilen erneuerbaren Energiequellen wird in einem zweiten Schritt Demand Side Management immer wichtiger. Die Last muss der Erzeugung folgen. Techniken wie Smart Grids und Smart Meter gewinnen an Bedeutung. Smart Grids helfen den Ausbau der Verteilungsnetze zu begrenzen. Power-to-Heat-Anlagen sind technisch ausgereift, preiswert und bieten in Verbindung mit Fernwärmenetzen eine effiziente und effektive Möglichkeit Demand Side Management zu etablieren. Strom- und Wärmesystem werden gekoppelt. Reversible Speicherung ist in großem Maße erst ab einem Anteil an volatilen, erneuerbaren Energien von über 50 % erforderlich. Mögliche Technologien sind Batterien (Kurzzeitspeicher) und Power-to-Gas-Anlagen (Langzeitspeicher). Diese erfordern jedoch aus heutiger Sicht deutlich höhere spezifische Investitionen als Power-to-Heat-Anlagen. Daher sollten die kommenden Jahre für eine intensive Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in diesem Bereich genutzt werden. Künftig sind damit Strom-, Wärme- und Gassysteme gekoppelt (Bild 3). Aufgrund der hohen dezentral zu installierenden volatilen Leistungen scheinen zelluläre Strukturen, die dem Subsidiaritätsprinzip genügen, von Vorteil zu sein. Schwankungen in der Erzeugungsleistung müssen möglichst dezentral ausgeglichen werden. Schließlich gilt es den 10


Kapitalbedarf zu begrenzen. Die Modifikation vorhandener Infrastruktur im Sinne der Energiewende (z.B. Fernwärmesysteme als Demand Side Management Instrumente oder die Flexibilisierung von Verteilnetzen durch Smart Grids Komponenten) sowie die Mehrfachnutzung der Infrastruktur (z.B. Einsatz von Batterien für kunden-, netz-, markt- und / oder systemdienliche Zwecke) unterstützen dieses Ziel. Es ist unstrittig, dass die Politik die Ziele sowie die Rahmenbedingungen für die Zielerreichung festlegt. Diese Vorgaben müssen jedoch hinreichend offen sein, so dass die durchgeführten Maßnahmen, die angewandten Methoden und Verfahren aber auch die eingesetzten Technologien durch Marktmechanismen bestimmt werden können. Hierfür ist es wichtig, im größtmöglichen Umfang wettbewerbliche Strukturen zu schaffen, die den Einsatz der jeweils wirtschaftlichsten Technik bzw. der jeweils wirtschaftlichsten Methodik fördern. Dirigistische ordnungspolitische Eingriffe sind zu vermeiden und soweit vorhanden abzuschaffen. Dies gilt in besonderem Maße für die in den Erneuerbare Energien Gesetz verankerte Form der Technikförderung, die sich mittlerweile überholt hat. Auch wenn in der letzten Novellierung wettbewerbliche Elemente (wie der Senkungspfad für die Vergütungen, die Direktvermarktung der Energie, Auktionsverfahren bezüglich der Förderhöhe) Eingang in das Gesetz gefunden haben, so ist dieses dennoch abzuschaffen. Durch generalisierende Regeln sind die Widersprüche der vorhandenen Einzelgesetze aufzulösen. Oberstes ordnungspolitisches Prinzip muss die technikneutrale Dekarbonisierung mit marktwirtschaftlich gesteuerten Methoden werden. Dazu ist der Handel mit Emissionszertifikaten europaweit so auszubauen, dass er Wirkung zeigt. Gegebenenfalls ist (temporär) eine steuernde Kohlendioxidabgabe einzuführen. Sollten sich die europäischen Prozesse als zu langwierig darstellen, ist darüber nachzudenken, wie die aktuellen Gesetze (vor allem das EEG) auf nationaler Ebene durch geeignete Regelungen, die den beschriebenen Prinzipien genügen, ersetzt werden können. Ferner gilt es vor allem den Strombezugspreis von nicht systemkonformen Umlagen, Steuern und Abgaben zu befreien und so die Belastung für Unternehmen und Bürger zu reduzieren. In diesem Sinne ist der Transformationsprozess der Energiewende ganzheitlich zu optimieren, der Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken und Exportchancen zu generieren. Geeignete Dienstleistungen, Technologien, Produkte und Produktionsstätten bilden die Voraussetzung hierfür. Operativ ist dies mit dem Abbau von Bürokratie zu verbinden. Die durch die bestehenden bürokratischen Anforderungen verursachten Kosten belasten den Wirtschaftsstandort Deutschland bereits heute in erheblichem Maße. Zertifizierungen sind auf das nötige Maß zu begrenzen. Der Umstieg von einem Energiesystem, das auf fossilen und nuklearen Brennstoffen basiert, auf ein Energiesystem, das fast ausschließlich von Kapitalkosten bestimmt wird, muss sich auch in der künftigen Energiepreisstruktur wiederspiegeln. Die Rollen von Arbeits- und Leistungspreis sind zu adjustieren. Die Landesfachkommission „Umwelt und Energie“, Hessen, Wirtschaftsrat Deutschland, setzt sich für ein Gleichgewicht zwischen Dekarbonisierungsprozess und Ausbau des Wirtschaftsstandorts Deutschland ein. Hierzu wurden vier Säulen identifiziert, auf denen ein Transformationsprozess aufbauen muss, um die genannten Ziele zu erreichen. Diese vier Säulen werden durch pragmatische Handlungsempfehlungen konkretisiert.

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Ziel ist es, diese Überlegungen in die Landes- und Bundespolitik einzuspeisen. Weiterhin wird sich die Landesfachkommission mit ausgewählten Handlungsempfehlungen vertieft auseinandersetzen. Konventionelles Energiesystem mit nationalen und globalen Externalitäten Energiesystem der Energiewende (betriebswirtschaftlich) Konventionelles Energiesystem mit nationalen Externalitäten Konventionelles Energiesystem ohne Externalitäten (betriebswirtschaftlich)

Bild 1: Kostengesteuerter Transformationsprozess der Energiewende (Prof. Birkner 2015)

Bild 2: Vermeidungskosten von Kohlendioxidemissionen (McKinsey 2010)

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Bild 3: Phasen des Transformationsprozesses (Prof. Birkner 2012)

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4. Vier Thesen – Adjustierung des politischen Ordnungsrahmens nötig Die Etablierung eines nachhaltigen und dekarbonisierten Energiesystems in Deutschland und Europa muss volkswirtschaftlich, betriebswirtschaftlich und technisch optimiert zu minimalen Gesamtinvestitionen und minimalen Transformationskosten erfolgen. Durch die permanente Änderung der Rahmenbedingungen, u.a. durch den technischen Fortschritt, kann sich die Betrachtung jedoch immer nur auf den jeweiligen Zeitpunkt einer Investitionsentscheidung beziehen. Die Landesfachkommission „Umwelt und Energie“ des Wirtschaftsrats Deutschland in Hessen vertritt die Auffassung, dass die formulierten Rahmenbedingungen eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende darstellen. Dazu ist ein ordnungspolitischer Rahmen zu schaffen, der die folgenden vier Thesen berücksichtigt. Die Politik muss: These 1: These 2: These 3: These 4:

Optionen schaffen – Gezielte Entwicklung von Technologie und Technik Leitplanken vereinbaren – Ausgestaltung Transformationsprozess Akzeptanz schaffen – Beachtung soziologischer Aspekte Geeignete Regeln definieren – Entwicklung des gesetzlichen Ordnungsrahmens im Sinne der Energiewende

Die vier Thesen zielen darauf ab, dass ein gemeinsames Verständnis bezüglich des Transformationsprozesses hergestellt, konkrete Ziele definiert, Analysen durchgeführt, Hemmnisse beseitigt, marktwirtschaftliche Elemente etabliert aber auch gezielte Förderungen durchgeführt werden. Zur Vertiefung und Konkretisierung werden für jede der vier Thesen verschiedene pragmatische Handlungsfelder angeführt. Diese geben Hinweise für Leitlinien, die durch die Politik festzulegen, bzw. Initiativen, die durch die Politik anzustoßen sind. Entscheidend ist, dass dabei die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft beachtet und dirigistische Eingriffe vermieden werden. Die angegebenen Handlungsfelder erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass sie sich im Zuge des Transformationsprozesses verändern. Dennoch erachtet die Landesfachkommission die genannten Themen aus heutiger Sicht als wichtig.

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These 1: Optionen schaffen – Gezielte Entwicklung von Technologie und Technik Neue Technologien und Techniken zur Energiegewinnung, -speicherung, -verteilung und -anwendung sind zu entwickeln, optimieren, standardisieren und zur Anwendungs- und Serienreife zu bringen. Bestehende Technologien und Techniken zur Energiegewinnung, speicherung, -verteilung und -anwendung sind weiterzuentwickeln und zu optimieren. Forschungseinrichtungen und Universitäten sind hierzu gezielt in geeignete Forschungsprogramme zu integrieren. Fördermittel und Anschubfinanzierungen für die herstellende Industrie sind fokussiert und in angemessener Höhe bereitzustellen. Feldtests sind fokussiert und in angemessener Höhe zu unterstützen. Neue großtechnische Anwendungen und flächendeckende Einsätze von Methoden und Verfahren sind durch Feldtests abzusichern. Die zur Verfügung gestellten Mittel sind im Vorfeld zu definieren und die Vergabekriterien transparent darzustellen. Leistung und Volatilität sind zu beherrschen. Beispiele für Handlungsfelder: Technologieentwicklung strukturieren und gezielt fördern (Ganzheitliche Roadmap mit Meilensteinen für benötigte Komponenten mit bestimmten Eigenschaften und Preisen aufstellen. Dazu ist eine Expertenkommission einzusetzen.) Statische und dynamische Lösungsansätze ganzheitlich betrachten (Dynamische und preiswerte Kraftwerke können in Verbindung mit Demand Side Management den Ausbau des Leitungsnetzes reduzieren. Gesamtkostenminimierte Systeme sind zu entwickeln und zu beschreiben.) Modulare Strukturen mit sich ergänzenden Lösungsbeiträgen etablieren (Subsidiaritätsprinzip in technischen Strukturen anwenden, teilautarke Module auf den Ebenen Gebäude, Quartier bzw. Kleinstadt, Stadt, Region, Land, EU definieren und Energieaustausch mit der vorgelagerten Ebene unter Beachtung des Prinzips von Pareto minimieren) Horizontalen Energieausgleich in den Modulen Region, Land und EU unterstützen (Modulare Strukturen trotz diverser Eigentumsstrukturen technisch sinnvoll etablieren, Energieaustausch zwischen den Modulen über die vorgelagerte Ebene durch geeigneten Netzausbau ermöglichen.) Bestehende Infrastruktur modifizieren und im Sinne der Energiewende nutzen (Reduktion des Investitionsbedarfs und Minimierung des Neubaus durch Ergänzung vorhandener Infrastrukturen durch neue Komponenten. Beispiele sind die Erweiterung von Fernwärmenetzen um Power-to-Heat Komponenten, die Ergänzung von Gasnetzen um Power-to-Gas Komponenten sowie die Erschließung von Übertragungsreserven in elektrischen Netzen durch eine Weiterentwicklung zu Smart Grids mit Hilfe einer besseren Informationsverfügbarkeit.) Mehrfachnutzung von Infrastruktur ermöglichen (Speicher und Energiewandler wie Power-to-Gas und Power-to-Heat mittels überlagerter Regelkreise zur Modulstabilisierung aber auch zur Netz- und Systemunterstützung einsetzen.) Konvergenz der Energieträger Strom, Wärme, Kälte und chemische Energie, wie Wasserstoff und Erdgas unterstützen 15


(Übergang von einer Strom- auf eine ganzheitliche Energiewende vollziehen)

These 2: Leitplanken vereinbaren – Ausgestaltung Transformationsprozess Der Transformationsprozess der Energiewirtschaft zu einem nachhaltigen und dekarbonisierten Leitsystem ist ganzheitlich zu gestalten sowie zeitlich und inhaltlich zu beschreiben. Dabei sind die Zeitpunkte der Notwendigkeit des Einsatzes von Systemkomponenten sowie die Technologiereife und -verfügbarkeit zu berücksichtigen. Der Transformationsprozess ist in wirtschaftlicher Hinsicht zu optimieren und die Transformationskosten und -erlöse sind zu beziffern. Es ist entscheidend, dass die temporären volkswirtschaftlichen Mehrkosten abgeschätzt werden, dass Energie bezahlbar bleibt und damit die Akzeptanz der Energiewende und der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht gefährdet werden. Weiterhin sind die Akzeptanz der eingesetzten Technik in der Bevölkerung sowie die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung zu gewährleisten. Eine weitere Erhöhung der aktuellen betriebswirtschaftlichen Transformationskosten ist zu vermeiden. Beispiele für Handlungsfelder: Grundprinzipien des Veränderungsprozesses herausarbeiten (Technologieeinsatz erläutern und systemtypische Eigenschaften der Energiewende, wie deutliche Überbauung der Bedarfsleistung durch die volatile Erzeugungsleistung, klar darzustellen.) Zeitliche Schrittfolge der Transformation definieren, aktuelle politische Zielvorgaben verifizieren (Phasen der Energiewende festlegen und beschreiben, nötige Technologien pro Phase bezüglich Kosten und Eigenschaften beschreiben, Notwendigkeit von und Anforderungen an Speichertechnologien beschreiben, Ziele pro Phase festlegen.) Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland erhalten und maximal akzeptable jährliche volkswirtschaftliche Transformationskosten definieren (Jährlichen Investitionsbedarf ermitteln, Kosten-Nutzen-Analyse durchführen, Verteilung der temporären Mehrkosten regeln.) Konvergenz von Wirtschaftszweigen beschreiben und Chancen bewerten (Wechselwirkungen zwischen Energiewirtschaft, Mobilität, Wohnungsbau, Finanzwirtschaft und Industrie beschreiben; Sektorenkopplung.) Ziele quantifizieren und spezifizieren (Die Leitplanken sind durch Ziele, deren Erreichung aber einen Methoden- und Verfahrenswettbewerb zulässt, zu konkretisieren.) Entwicklung auf dem Wärmesektor konkretisieren und spezifizieren (Energieeffizienz ohne Einbeziehung des Wärmemarktes ist nicht machbar. Die Diskussion von Optionen auf dem Wärmesektor muss daher genauso stark ausgeprägt werden, wie die bisherige Diskussion auf dem Stromsektor. Die Wärmeinfrastruktur kann zudem die Volatilität des Stromsystems hervorragend aufnehmen.)

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These 3: Akzeptanz schaffen – Beachtung soziologischer Aspekte Die soziologischen Aspekte und Herausforderungen für die Bürger sind rechtzeitig zu analysieren und zu adressieren. Es ist Transparenz bezüglich der und Verständnis für die zu ergreifenden technischen, gesetzlichen und ordnungspolitischen Maßnahmen zu schaffen. Energie muss bezahlbar bleiben und die temporären Mehrkosten des Transformationsprozesses sind zu beziffern. Der Nutzen für die Bürger ist aufzuzeigen und Optionen für Bürgerintegration und -beteiligung sind weiterzuentwickeln und umsetzen. Beispiele für Handlungsfelder: Aktive Integration der Bürger fördern (Verständnis für Maßnahmen hervorrufen, stärkere Einbindung in den Planungsprozess zulassen, erforderliche Veränderung des Landschaftsbildes minimieren und erläutern.) Bürger verstärkt in die Umsetzung der Energiewende einbinden und an den Vorteilen partizipieren lassen (Fokussierte und verständliche Information bereitstellen, Bürgerbeteiligung und Genossenschaftsmodelle unterstützen.) Soziologische Aspekte und Veränderungen für die Bürger beschreiben (Rolle eines Prosumenten transparent darstellen, Chancen von Demand Side Management erläutern, erforderliche Veränderung des Landschaftsbildes minimieren und erläutern.) Vorteile der Energiewende für Bürger herausarbeiten (Neue Rolle der Bürger beschreiben, Eigenerzeugung und Energieeffizienz als Elemente eines teilautarken Gebäudes darstellen, umwelt- und ressourcenschonende Wirkung der Energiewende erklären, mittelfristige positive Wirkung auf den Wirtschaftsstandort Deutschland darlegen.) Bewusstsein für Notwendigkeit der Energiewende schärfen (Umwelt- und ressourcenschonende Wirkung der Energiewende sowie Zukunftsorientierung darstellen, Beratungsangebot vergrößern, Audits anbieten.) Geldströme analysieren und gegebenenfalls korrigieren (Die Energiewende löst enorme Geldströme aus, die zu Umverteilungen innerhalb der Gesellschaft führen. Diese sind zu analysieren, die Auswirkungen zu beschreiben und gegebenenfalls sind Korrekturen vorzunehmen.)

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These 4: Geeignete Regeln definieren – Entwicklung des gesetzlichen Ordnungsrahmens im Sinne der Energiewende Der Ordnungsrahmen muss den Transformationsprozess der Energiewende konsistent unterstützen. Dabei ist es wichtig, dass der Ordnungsrahmen das gesamte System ausgewogen abbildet und nicht nur auf einzelne Schwerpunkte fokussiert. Dies wiederum setzt voraus, dass Klarheit und Einigkeit hinsichtlich der Ziele besteht. Regulierungsumfang und -tiefe sind auf das notwendige Maß zu begrenzen und es ist Raum für marktwirtschaftliche Elemente zu lassen. In dieser Hinsicht ist der aktuell vorhandene Ordnungsrahmen zu überprüfen und mit dem Transformationsprozess abzugleichen und auf das Zielenergiesystem auszurichten. Versorgungssicherheit und Systemzuverlässigkeit sind hierbei zu berücksichtigen. Beispiele für Handlungsfelder: Ordnungsrahmen an Erfordernisse der Energiewende anpassen, möglichst marktbasiert durch übergeordnete Regeln strukturieren (Modulare Strukturen trotz diverser Eigentumsstrukturen technisch sinnvoll etablieren, horizontalen Energieausgleich in den Modulen Region, Land und EU unterstützen, Energieaustausch zwischen den Modulen über die vorgelagerte Ebene durch geeigneten Netzausbau ermöglichen, Speicher als Systemelement einführen.) Marktmodell der Transformation von einem brennstoffkosten- zu einem fixkostenbasierten Energiesystem anpassen (Transformation des heutigen Energy-Only-Market Marktmodells mit einer Übergangsphase auf das Zielmarktmodell beschreiben.) Nachfrageflexibilität erhöhen und Smart Markets ermöglichen (Rollen, Kosten und Nutzen von Smart Meter und Smart Home klären und darlegen, Datenaustausch und Datensicherheitsstandards festlegen, Abregelung erneuerbarer Energien minimieren.) Rollen der Akteure und Beziehungen zwischen den Marktteilnehmern festlegen (Rollen neuer Akteure definieren und bestehende Rollen nachschärfen.) Smart Grids ermöglichen und autonome Netzeingriffe definieren (Optimierte Nutzung vorhandener Netze durch Auswertung von online Informationen und aktivem Systemmanagement, Rahmenbedingungen für autonome Netzeingriffe festlegen.) Konvergenz von Energiewirtschaft und IT beschreiben und Chancen bewerten (Rolle und Einsatz von Big Data klären, Datenaustausch und Datensicherheitsstandards festlegen, Einsatz von Algorithmen für autonome Eingriffe definieren.) Wirkung der vorhandenen Steuern, Abgaben und Subventionen überprüfen und Struktur der Steuern, Abgaben und Subventionen anpassen (Sicherstellung, dass die jeweils beste Technologie zum Einsatz kommt, Unterscheidung von systemrelevanten Energiewandlern und Endverbrauchern, Festlegung von individualisierten und sozialisierten Kosten und Erlösen, asymmetrische Besteuerung von Lade- und Entladevorgängen beseitigen.)

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EU-Dimension definieren und strukturieren (Definition von lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Aufgaben, Konkretisierung der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips.) Mehrfachnutzung von Infrastruktur ermöglichen um Investitionen zu minimieren (Speicher und Energiewandler wie Power-to-Gas und Power-to-Heat mittels überlagerter Regelkreise zur Stabilisierung der Energieversorgung auf Gebäude-, Quartiers- und Stadtebene aber gleichzeitig auch zur Netz- und Systemunterstützung einsetzen.) Horizontalen Energieausgleich in den Modulen Region, Land und EU unterstützen (Modulare Strukturen trotz diverser Eigentumsstrukturen technisch sinnvoll etablieren, Energieaustausch zwischen den Modulen über die vorgelagerte Ebene durch geeigneten Netzausbau ermöglichen. Rolle der Hochspannung klären.) Emissionshandel stärken und entwickeln (Emissionszertifikate stellen ein marktnahes System dar, das den jeweils kostenminimalen Lösungen zur Anwendung verhilft, Subventionsmechanismen sind zugunsten eines weiterentwickelten und wirksamen Emissionshandels ausgebauten Emissionshandels zu reduzieren, Gesetzesvielfalt und Dirigismus eindämmen, Dekabonisierung fördern.) Marktprämienmodell ausbauen (Das Marktprämienmodell ist ein erster Schritt erneuerbare Energiequellen aus einem Subventionsbereich in ein Marktmodell überzuführen. Dieser Weg ist konsequent weiter zu beschreiten. Beispielsweise könnte ein einmaliger Investitionszuschuss für erneuerbare Energiequellen gewährt werden.) Bund Länder Abstimmung überarbeiten (Eine konzertierte Energiewende mit diversifizierten volatilen Energiequellen in Deutschland sicherstellen.)

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5. Dialog mit der Politik Die Landesfachkommission „Umwelt und Energie“ des Wirtschaftsrats Deutschland in Hessen erachtet die beschriebenen vier Thesen und die angesprochenen Handlungsfelder als entscheidende Elemente für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in Deutschland und Europa. Es ist die Absicht der Landesfachkommission mit diesem Dokument in einen Dialog mit anderen Gremien des Wirtschaftsrats Deutschland aber auch mit der hessischen Landespolitik zu treten. Der Dialog soll die genannten Thesen weiterentwickeln und schärfen. Die genannten Handlungsfelder sollen dabei priorisiert und ausgestaltet werden. Am Ende des Prozesses soll ein konsensualer und konkreter Leitfaden für die erfolgreiche Fortführung der Energiewende stehen, der dann über das Präsidium des Wirtschaftsrats Deutschland in die Bundespolitik eingespeist werden soll. Die wichtigste Botschaft lautet: „Effiziente, effektive und nachhaltige Dekarbonisierung mit dem geringsten Einsatz investiver Mittel“.

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6. Anhang A1. Weitere Publikationen des Wirtschaftsrats 2013 – Marktintegrationsmodell für erneuerbare Energien 2014 – Zehn-Punkte-Plan für eine erfolgreiche Energiewende 2014 – Für ein stabiles und wettbewerbsfähiges Europa 2015 – Agenda für Energieeffizienzmärkte 2015 – Umweltprogramm

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A2. Mitglieder der LFK Umwelt und Energie Vorsitzender: Stellvertretender Vorsitzender:

Prof. Dr. Peter Birkner Dr. Manfred Schroeder

Aktiv mitarbeitende Mitglieder 2015: Name Petra Becker Dipl.-Ing. Reiner Diefenbach

Position Inhaberin

HEC Project Manager Dr. Reinhard Dönges Consultant Henrik Frese Geschäftsführung Prof. Dr. Axel Kleemann Albert Mager Geschäftsführer Alliance Management Dr. Stefan Poths Microsoft Dipl. Wirtsch.Ing. Christoph Reiß Inhaber Dipl.-Ing. Gerd Robanus Dr. Thomas Roth Prof. Dr. Gerrit Sames Dr. Jens-P. Schaefer Dr. Volker Schleep Hubert Schöls Dr.-Ing. HeinrichHermann Schulte Dipl.-Kfm. Karl-Heinz Stupperich Michael Trapp Björn Vortisch Ewald Werner Volkmar Wulf

Unternehmen International Art Bridge

SE TYLOSE GmbH & Co. KG Heinrich Thylmann GmbH & Co. KG Hoellinger GmbH T-Systems International GmbH Christophorus-Consult GUFARO Liegenschaften Verband der Chemischen Industrie e.V. Landesverband Hessen THM Technische Hochschule Mittelhessen

Director Project Management

Evonik Degussa GmbH

Geschäftsführer

Nerisco Solar GmbH

Geschäftsführer Geschäftsführer Prokurist

Sattler KunststoffWerk GmbH enexion GmbH SAG GmbH\Köln EUROPA CONSULTANT

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A3. Glossar Nutzenergie: Ist Energie in der Form, wie sie vom Endbenutzer direkt benötigt wird. Beispiele hierfür sind Bewegung, Licht, Wärme und Kälte. Energieform: Ist die Erscheinungsform der Energie. Beispiele sind elektrische Energie, thermische Energie in Form von Wärme oder Kälte, Bewegungsenergie, Lageenergie oder chemische Energie

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