TREND - Magazin für Soziale Marktwirtschaft 04/2018

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40. JAHRGANG 4 / 2018

Große Koalition Wo bleibt die Wirtschaftspolitik? STEUERPOLITIK

Zentraler Standortfaktor für Unternehmer TOP-INTERVIEW

Chef der Unionsfraktion Ralph Brinkhaus WIRTSCHAFTSTAG DER INNOVATIONEN

Europa gestalten im digitalen Zeitalter


pwc.de/iamdigital

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digital done differently


Foto: Franz Bischof

EDITORIAL

Werner M. Bahlsen Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

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ieses Jahr wird uns wie kaum ein anderes als ein Jahr des Umbruchs in unserer Erinnerung bleiben. In Folge schwerer Stimmenverluste der Volksparteien stellen sich beide Unionsschwestern personell neu auf. Angela Merkel hat entschieden, dass sie sich nach sehr verdienstvollen Jahren und großen Erfolgen auf ihr Amt als Bundeskanzlerin konzentrieren möchte und die Führung der CDU in andere Hände geben will. Seither haben wir eine bemerkenswerte Entwicklung in der CDU und eine Stimmung des Aufbruchs bei den Diskussionen zwischen ihren Nachfolgekandidaten erleben können.

Titelbild: Jens Schicke

„Politik für die Mitte zu machen, bedeutet vor allem, die Bürger in den Mittelpunkt zu stellen, die unser Land in den Betrieben durch ihren Fleiß und ihre Ideen tragen.“ Es besteht große Hoffnung, dass dies auch auf die Wähler in unserem Land überspringen wird. Sicherlich kann und muss nicht alles anders gemacht werden, aber es ist aller Ehren wert, wieder stärker über die Zukunft der Volksparteien zu streiten und deren Profil zu stärken. Wenn sich die Parteien in der Mitte wieder unterscheiden, werden sich ihnen auch wieder verlorene Wähler zuwenden. Die Union muss ihr marktwirtschaftliches Profil schärfen und auch wieder stärker als Wahrerin von Recht und Ordnung wahrgenommen werden. Dafür muss sie nirgendwohin rücken, schon gar nicht nach rechts. Im Gegenteil: Die Soziale Marktwirtschaft und unsere demokratische Rechtsordnung sind elementare Themen der Mitte unserer Gesellschaft.

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Politik für die Mitte zu machen, bedeutet vor allem, die Bürger in den Mittelpunkt zu stellen, die unser Land in den Betrieben durch ihren Fleiß und ihre Ideen tragen. Das ist das Gebot der Stunde. Die besondere Wertschätzung ihrer Leistungen hängt eng mit ihrer Steuer- und Abgabenlast zusammen, die in den vergangenen Jahren trotz bester Konjunktur stetig gestiegen ist. Gleichzeitig nimmt dank der wirtschaftlichen Erfolge die Zahl der Arbeitslosen und der Empfänger von Sozialleistungen erfreulicherweise konstant ab. Trotz rund einer Million Flüchtlinge zusätzlich in Hartz IV nimmt die Armut in Deutschland ab. Deshalb sollte sich Sozialpolitik vor allem gezielt um Härtefälle kümmern und weniger mit der Gießkanne das erfolgreiche Prinzip „Fordern und Fördern“ aushöhlen. Wir werden in den nächsten Monaten stärker auf die neue Wett­ bewerbssituation Deutschlands eingehen müssen. Denn die wichtigsten Industrienationen, allen voran die USA, Frankreich und Großbritan­ nien, senken die Steuerlast deutlich. Wir ­müssen deshalb darauf reagieren und den Soli komplett abschaffen und endlich eine Unternehmenssteuer­ reform in Angriff nehmen. Gemeinsam mit Ihnen werden wir uns für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und eine Entlastung der Leistungs­ träger in unserem Land einsetzen. Mit herzlichen Grüßen

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INHALT

Inhalt

START EDITORIAL 3  Werner M. Bahlsen AUSSENANSICHT 6 Was die Wähler der Politik sagen wollen  Ralf Schuler

8 TOP-INTERVIEW „Deutschland muss ein Land der Innovation bleiben“ TREND sprach mit dem neu gewählten Chef der Unionsfraktion Ralph Brinkhaus darüber, was unter seiner Führung anders wird, sein Verhältnis zur W ­ irtschaft, Steuersenkungen und Sozialausgaben, den digitalen Wandel, Wohnungsnot und die Bedeutung der Sozialen Marktwirtschaft.

TITEL GROSSE KOALITION 10 Wo bleibt die Wirtschaftspolitik?  Peter Hahne

31 Mehr Mut!  Anja Karliczeck 32 Köpfe, Kapital, Kultur  Christian Lindner 33 Scale up für Startups  Duncan Davidson 34 Neue Netze!  René Obermann 34 Diskurs statt Diktat!  Dr. Ulrich Störk 35 Strategie stärken!  Wolfgang Steiger

12 Die Steuerpolitik ist zentraler Standortfaktor für Unternehmer im Wirtschaftsrat

36 Deutschland und Europa ­brauchen einen digitalen R ­ ahmen

18 Steuerrekorde auf Kosten der Bürger und Betriebe  Dr. Manfred Schäfers

WIRTSCHAFTSRAT

AKTUELL INTERVIEW 8 „Deutschland muss ein Land der Innovation bleiben“  Ralph Brinkhaus

INNENANSICHT 38 Neues aus den Kommissionen WIRTSCHAFTSTAG DER INNOVATIONEN 40 Europa gestalten im digitalen Zeitalter STANDPUNKT STEIGER 42 Europa muss sich auf seine Stärken besinnen

DIESEL-DEBATTE 20 Mythen entzaubern  Prof. Dr. Helmut Alt EUROPA 22 Das Italien-Dilemma  Simon Steinbrück

10 TITEL Große Koalition Wo bleibt die Wirtschaftspolitik? Ein dreiviertel Jahr nach dem Start der Großen Koalition fällt die Bilanz ernüchternd aus. Auch die Union braucht Orientierung. Dabei ist eine wirtschaftspolitische Agenda angesichts konjunktureller Warnsignale und weltpolitisch unruhiger Zeiten wichtiger denn je. Die Wirtschaft wartet dringend auf Wachstumsimpulse.

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 24 Die Zukunft wartet nicht  Hans-Georg Krabbe KOHLEAUSSTIEG 26 Teure Symbolpolitik  Dr. Bernd Weber/ Dr. Cezara Missing DIGITALISIERUNG 28 TREND-GRAFIK Deutschland im digitalen Wandel 30 Großer Gewinner!  Prof. Dr. Helge Braun

18 STEUERPOLITIK Zentraler Standortfaktor für Unternehmer Die Steuerpolitik ist für Unternehmer ein zentraler Standortfaktor bei Investitionsentscheidungen. Doch trotz teils massiver Steuersenkungen in den USA und EU-Nachbarstaaten sind niedrigere Sätze kein Thema für die deutsche Politik. Angesichts wachsender Konjunktur­ risiken muss das Gebot der Stunde heißen, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands dauerhaft zu sichern. Denn Deutschland hat mitnichten ein Einnahmeproblem.


INHALT

WIRTSCHAFTSRAT WIRTSCHAFTSRAT EXKLUSIV 2019 43 Mehr als ein Ausweis EUROPASYMPOSION ­INDUSTRIEPOLITIK 44 Kreislaufwirtschaft in den Fokus rücken EUROPA-FORUM 45 Europa – quo vadis?

DEUTSCH-CHINESISCHER ­WIRTSCHAFTSDIALOG 46 Zwischen Konkurrenz ­ und Kooperation ENGAGEMENT 48 Make Bremen great again! Jörg Müller-Arnecke EUROPASYMPOSION ENERGIEPOLITIK 50 Energiewende 2.0: Innovative Ansätze gefragt

SCHLUSS AUS DEN LÄNDERN 51 Rückblick | Einblick | Ausblick 56 Impressum

FORUM 57 Im Spiegel der Presse 58 Zahlen des Quartals 58 Spindoktor

30 - 36, 42 W IRTSCHAFTSTAG DER INNOVATIONEN Europa gestalten im digitalen Zeitalter Mehr Entschlossenheit und Kohärenz in der Digitalpolitik forderte Wirtschaftsrat von der Politik. Deutschland und Europa brauchen einen digitalen Ordnungsrahmen: einen Masterplan für Künstliche Intelligenz, eine echte Gründerkultur für Innovationsfähigkeit, den zügigeren Ausbau des Breitbandnetzes, ein starkes IT-Sicherheitsgesetz und die Digitalisierung aller Behördendienstleistungen.

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AUSSENANSICHT

Was die Wähler der Die jüngsten Landtagswahlen waren spannend – keine Frage. Entscheidend ist jetzt, die ­Wählerwanderungen und Ursachen korrekt zu deuten. Die Politik versteht nicht, was die Wähler ihr sagen wollen.

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an sieht nur mit dem Herzen gut“, pflegte der Kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry zu sagen. Ein guter Tipp, wenn es um gefühlte Wahrheiten geht. Um sich in der politischen Gegenwart zurechtzufinden, benutzt man freilich besser Augen und skeptischen Verstand. Selbst das verstehende Lesen von Statistiken ist in diesen bewegten Zeiten nicht selten von persönlichen Vorlieben und verklärtem Blick getrübt. So hat die CSU zweifellos bei der Landtagswahl mit 37,2 Prozent eines ihrer schlechtesten Ergebnisse

Ralf Schuler

Foto: privat

Leiter der Parlamentsredaktion BILD-Zeitung

eingefahren. Hält man sich allerdings vor Augen, dass CDU/CSU im Bund derzeit bei 25 Prozent liegen, trifft der Begriff „Volkspartei“ für die Union in Bayern noch am ehesten zu. Rechnet man den CSU-Anteil von etwa sechs Prozentpunkten aus dem Bundestrend heraus, so kommt die CDU in ihrem Verbreitungsgebiet noch auf ganze 19 Prozent. Keine gute Basis für kritische Ratschläge von CDU-Granden Richtung CSU wie sie dem Kieler Regierungschef Daniel Günther (CDU) und Hessens „Wahlsieger“ Volker Bouffier (CDU) angemessen erschienen. Letzterer brachte es am Ende auf 27 Prozent und verlor damit noch mehr als die Schwesterpartei in Bayern. Nun werden schlechte Wahlergebnisse nicht dadurch besser, dass man sie ins Verhältnis setzt zu anderen. Viel wichtiger ist, dass man Ursachen und Wählerwanderungen richtig versteht. Und auch da sieht mancher mit

„Der harte, von der CDU immer wieder kritisierte Ton der CSU in Sachen Migrationspolitik vertreibt die Wähler keinesfalls nach links.“

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dem grünen Herzen Dinge, die sich mit blanker Brille als Trugschluss erweisen. In Bayern (9,5 Mio. Wahlberechtigte) ist Grün nämlich keinesfalls das neue Schwarz. Die CSU verlor im Vergleich zur Landtagswahl 2013 vor allem erheblich an die AfD und Freie Wähler (jeweils ca. 160.000 Stimmen) und an die Grünen (ca. 170.000 Stimmen) sowie 40.000 an die FDP, kann aber die massive Abwanderung durch die Mobilisierung von Nichtwählern (im Saldo ca. 200.000 Stimmen) dämpfen. Selbst im Münchner Metropolen-Milieu verlor das Team Söder (CSU) am meisten an Freie Wähler (18.500), AfD (15.000) und FDP (8900) – also ans bürgerliche Lager. In Hessen hingegen liefen bei 4,4 Mio. Wahlberechtigten 99.000 ehemalige CDU-Wähler zur Öko-Partei über, 96.000 zu AfD und rund 35.000 zur FDP. Die AfD kann auch in Hessen die meisten Nichtwähler (32.000) mobilisieren. Daraus lässt sich mit kühlem Kopf und klarem Herzen dreierlei lernen: Der harte, von der CDU immer wieder kritisierte Ton der CSU in Sachen

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Foto: Fotolia.com ©melita

AUSSENANSICHT

Politik sagen wollen Migrationspolitik vertreibt die Wähler keinesfalls nach links. Im Gegenteil: Das bürgerlich-rechtskonservative Lager (CSU, FW, FDP, AfD) gewinnt sogar noch leicht hinzu und kommt in Bayern insgesamt auf 64,1 Prozent, während Rot-Rot-Grün mit 30,4 Prozent schwächer wird. Und zweitens: In Hessen führt der schwarz-grüne Kuschelkurs dagegen durchaus zu signifikanten Abflüssen zum grünen Original. Drittens schließlich: Die AfD wird mit dem CDU-Kurs der harten Abgrenzung in Hessen (13,1 Prozent) nicht kleiner gehalten, als mit der CSU-Taktik der Kritik an der Migrationspolitik der Kanzlerin (10,2 Prozent). Ein paar andere liebgewordene politische Weisheiten des Herzens lassen sich ebenfalls nicht erhärten: Die CSU hat kein Frauen-Problem, sondern erhielt mit 37 Prozent Frauenstimmen mehr als die Grünen (20 Prozent). Und in Hessen zeigte sich, dass Wähler ohne Migrationshintergrund (13 Prozent) und mit Migrationshintergrund (14 Prozent) nahezu identisch der AfD ihre Stimme geben. Für die Union sind diese Befunde mehr als bedrohlich. Denn auch in den aufbereiteten Daten der turnus-

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mäßigen Umfragen, die jede Woche veröffentlicht werden, ist ein Umstand unübersehbar: In der wichtigen Altersgruppe der 35- bis 60-Jährigen stellen Grüne und AfD die beiden jeweils größten Wählerblöcke. Mit anderen Worten: Die so genannten Volksparteien werden zwischen diesen Polen abgeschmolzen. Die Union entfaltet in den unter Kanzlerin Merkel lange Zeit erfolgreich angesprochenen liberalen Metropolen-Mitten keine verlässliche Bindekraft und muss das abzudeckende politische Spektrum dringend, dauerhaft und vor allem glaubwürdig wieder breiter aufstellen. Hinter all diesen Zahlen verbirgt sich aber auch ein viel tiefer sitzendes Phänomen: Vor allem die bürgerlichen, konservativen, nicht ideologiegetriebenen Parteien müssen wieder lernen, genauer hinzusehen und sich klarmachen, dass polit-medialer Metropolen-Mainstream nicht oder nur begrenzt repräsentativ ist. „Konservativ“ muss wieder ein Synonym für „klüger“ werden und für „dagegen denken“. Bei der Wahl von Donald Trump, wie auch beim Brexit oder dem Erstarken populistischer Bewegungen überhaupt ist eine

Spaltung zwischen Stadt und Land, Bildungsbürgertum und einfachen Menschen zu beobachten, die von den vormals großen Parteien nicht ernst genommen wurde. Multikultur, Migration oder Gender-Themen werden von Meinungsführern und in Metropolen völlig anders wahrgenommen und bewertet, als von einer breiten Mittelschicht der Bevölkerung in der Fläche. Ein Phänomen, mit dem auch Medien zu kämpfen haben und das bis in die einfache Lebenswirklichkeit des Alltags reicht. Während etwa in Großstädten der Eindruck vorherrscht, vegane Lebensweise und alternative Burger-Restaurants seien ein unaufhaltsamer Gegenwartstrend, weisen die Erhebungen des Fachdienstes Foodservice (für 2016, 30.121 Befragte) nach, dass lediglich 2,3 Prozent der Deutschen vegetarisch und ganze 0,3 Prozent vegan leben. 70 Prozent haben „gar keine“ Ess-Regeln. 77,4 Prozent essen seltener als einmal im Monat BioFleisch, und McDonald’s besitzt eine Marktdominanz von rund 75 Prozent. Das ist nur EIN Beispiel. Mag sein, dass man mit dem Herzen gut sieht. Mit den Augen sieht man manchmal l besser.

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AKTUELL Interview

sprach exklusiv mit dem neu gewählten Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, darüber, was mit ihm jetzt anders werden wird, sein Verhältnis zur Wirtschaft, Steuersenkungen und Sozialausgaben, den digitalen Wandel, ­Wohnungsnot und die Bedeutung der Sozialen Marktwirtschaft.

– Herr Brinkhaus, was ist jetzt anders seit Sie Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind? Die Fraktion stellt sich in diesen Wochen neu auf. Das war auch der Wunsch der Kollegen, der mit meiner Wahl verbunden war. Es gilt das Motto: Die Fraktion ist der Star. Das große Potential aller 246 Abgeordneten soll noch besser zur Geltung kommen. Beispiel: Wir werden neben den Arbeitsgruppen zu wichtigen Zukunftsfragen künftig auch Projektgruppen einrichten. In denen sollen Abgeordnete mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten von Anfang an gemeinsam über ein Thema nachdenken. Wir wollen querdenken und so zu noch besseren Lösungen kommen – zum Beispiel zur Weiterbildung im digitalen Zeitalter. Das ist eine ganz wichtige Frage. Die Zukunft der Wirtschaft ist auch ein Thema, wo ich auch selbst Akzente setzen möchte.  – Inwiefern? Die SPD denkt gerade darüber nach, wie sie den Sozialstaat noch erweitern will. Das ist ihr gutes Recht. Jedoch ist das nicht die Frage, von der die Zukunft unseres Landes abhängt. Eine gute Zukunft ist vielmehr ganz eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen verknüpft. Dafür muss Deutschland ein Land der Innovation bleiben. Dazu brauchen wir Mut zur Zukunft. Ich möchte dazu beitragen, diesen Mut zu verbreiten. Allein das wird aber nicht reichen, ich weiß. Der Staat muss für eine innovative Wirtschaft gute Rahmenbedingungen schaffen. Da sind wir als Fraktion gefragt.

– Deutschlands Sozialausgaben haben mit fast einer Billion Euro einen neuen Rekord erreicht. Bleibt da noch Spielraum für Zukunftsinvestitionen? Die Sozialausgaben wachsen immer weiter. Im Koalitionsvertrag wurde auf unser Drängen vereinbart, die Sozialabgaben bei unter 40 Prozent zu stabilisieren. Das schafft Spielräume für Zukunftsinvestitionen in den Unternehmen. Als Staat investieren wir von Jahr zu Jahr mehr in die Infrastruktur, in Bildung und Forschung, in die innere und äußere Sicherheit. Ein großes Problem ist, dass das Geld oft nicht abgerufen wird. Der Grund sind Engpässe in der Verwaltung, aber auch ausgelastete Kapazitäten in der Bauwirtschaft.

„ Deutschl Land der

– Deutschland belegt bei Abgaben und Steuern im OECD-Vergleich einen Spitzenplatz. Bundesminister Altmaier plant eine Entlastung für Bürger und ­Unternehmen. Kann er auf Ihre Unterstützung  – Wie kann Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland zählen etwa bei der Abschaffung des Soli? attraktiver werden, ohne sich der Gefahr einer ZuwandeWir als Union stehen für die Entlastung von Bürgern und rung in unsere sozialen Sicherungssysteme auszusetzen? Unternehmen. Die Koalition hat gerade das FamilienentDer Fachkräftemangel wird immer mehr zum Problem. Zulastungsgesetz beschlossen – es entlastet Steuerzahler und nächst müssen wir ins Inland schauen. Beispiel: Eine besinsbesondere Familien bis 2022 um mindestens 35 Millisere Nachmittagsbetreuung an Grundschulen könnte mehr arden Euro. Die steuerliche Förderung von Forschung und Eltern ermöglichen, länger zu arbeiten. Weiter ist Europa Entwicklung bereitet die Bundesregierung gerade vor. Im ein großer Arbeitsmarkt. Da geht es um ganz praktische Koalitionsvertrag haben wir die Abschaffung des Soli für Fragen: Können wir den Anteil der Europäer erhöhen, die 90 Prozent der Steuerzahler ab 2021 vereinbart. Wir wolDeutsch lernen? Und was die Zuwanderung aus Drittstaalen möglichst schnell die komplette Abschaffung. Das hängt ten angeht: Die Verfahren müssen effektiver und schneller allerdings von der Haushaltslage ab. Außerdem ist die komwerden – durch zentrale Anlaufstellen in den Bundeslänplette Abschaffung des Soli im Koalitionsvertrag nicht vordern für Fachkräfte und Arbeitgeber, im besten Fall eine gesehen. Das Thema ist also nicht einfach. Eines kann ich Zentrale pro Land. Wir werden auch mit dem Fachkräfteaber sagen: Es bleibt für uns auf der Tagesordnung.

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AKTUELL Interview

lichen Intelligenz international mit vorne. Der Ausbau des schnellen Internet erfolgt zuerst über private Investitionen. Von Seiten der Fraktion beobachten wir gerade sehr genau die Vorbereitungen für die Vergabe der 5G-Netze, dem superschnellen Mobilfunkstandard. Wir wollen insgesamt eine möglichst flächendeckende Versorgung mit schnellem Mobilfunk, um dem ländlichen Raum die Zukunftschancen zu erhalten.

Foto: Tobias Koch

„ Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands hängt ganz eng mit der Sozialen Marktwirtschaft zusammen.“  – Vielerorts herrscht Wohnungsnot in Deutschland. Die Große Koalition verhindert etwa durch die Verschärfung der Mietpreisbremse eher den Bau von Wohnungen als ihn zu fördern. Was sagen Sie jungen Familien? Einspruch. Wir fördern den Bau neuer Wohnungen. Wir überlassen die Miet- und Kaufpreisentwicklung nicht allein dem Markt, sondern steuern maßvoll. Stabilere Mieten ­bekommen wir auf Dauer nur durch den Bau von Mietwohnungen und Eigenheimen. Den Mietwohnungsbau wollen wir über erleichterte Abschreibungsmöglichkeiten ankurbeln. Mittels Grundgesetzänderung wollen wir zudem die Beteiligung des Bundes am Sozialen Wohnungsbau ab 2020 sichern. Mit dem Baukindergeld erleichtern wir jungen ­Familien den Erwerb einer Immobilie.

land muss ein Innovation bleiben“ zuwanderungsgesetz nachsteuern. Grundsätzlich sollte an  – Was bedeutet Soziale Marktwirtschaft für Sie? dem Prinzip festgehalten werden, dass die Zuwanderung an Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands hängt ganz eine berufliche Qualifikation und an einen konkreten Areng mit der Sozialen Marktwirtschaft zusammen. Die beitsplatz geknüpft ist. Dadurch kann am besten verhindert Soziale M ­ ­ arktwirtschaft ist Ausdruck des christlichen werden, dass Menschen in unser Land kommen, die letzt­Menschenbilds, das Richtschnur der Union und auch meilich im Sozialsystem landen werden. nes p ­ olitischen Handelns ist. Sie muss das Leitbild für das ­Wirtschaftsleben bleiben. Wir haben in den vergangenen  – Deutschland ist in Sachen Digitalisierung immer Jahren zu Recht viel über das „Soziale“ in der Sozialen noch Entwicklungsland. Der Breitbandausbau Marktwirtschaft diskutiert. Jetzt ist aber die Zeit wieder kommt in der Fläche nur schleppend voran – mehr über den ­Begriff „Marktwirtschaft“ zu reden. Es liegt zu Lasten des M ­ ittelstandes … aber auch auf der Hand, dass Markt im 21. Jahrhundert Wir sind bei der Digitalisierung gut dabei. Es könnte in einer digitalisierten Welt andere Regeln braucht als im l aber noch besser sein. Wir investieren massiv in Bildung, 20. Jahrhundert. Vor uns liegen spannende Zeiten. ­Forschung und Entwicklung. Wir sind auch bei der Künst-

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TITEL Große Koalition

Wo bleibt die Wirtschaftspolitik? Ein dreiviertel Jahr nach dem Start der Großen Koalition fällt die Bilanz ernüchternd aus. Auch die Union braucht Orientierung. Dabei ist eine wirtschaftspolitische Agenda angesichts konjunktureller Warnsignale und weltpolitisch unruhiger Zeiten wichtiger denn je. Die Wirtschaft wartet dringend auf Wachstumsimpulse.

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eutschland geht es gut. Seit Jahren erfreut sich das Land an einem robusten Aufschwung, der die Arbeitslosigkeit auf ein historisch niedriges Niveau drückt. In Bund und Ländern sprudeln die Steuereinnahmen wie nie, die Sozialkassen häufen Milliardenüberschüsse an. Es scheint, als nehme das zweite Wirtschaftswunder nach dem Krieg kein Ende. Doch die Warnsignale häufen sich. Während die Konjunkturforscher Anfang des Jahres ihre Prognosen noch reihenweise nach oben stuften, hat sich der Wind inzwischen gedreht. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, Bundesregierung und Internationaler Währungsfonds (IWF) haben ihre Wachstumserwartungen deutlich gesenkt. Für das laufende und das kommende Jahr rechnen die Auguren jetzt mit Wachstumsraten von weniger als zwei Prozent. An den Börsen, Stimmungsbarometer für die Zukunft, werden die Anleger unruhig und spielen Krisensze-

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narien durch. Steigende Zinsen, die aggressive Handelspolitik der USA, strauchelnde Schwellenländer oder auch die gefährliche Schuldenpolitik Italiens – es braut sich ein explosives Gemisch zusammen, das insbesondere der exportstarken deutschen Wirtschaft einen empfindlichen Dämpfer versetzen könnte. „Der kräftigen, sehr stabilen wirtschaftlichen Entwicklung geht die Luft aus“, warnt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Regierung ohne Agenda Angesichts der Risiken und des zunehmenden Wettbewerbsdrucks in der Welt stellt sich eine Frage immer drängender: Wo bleibt die Wirtschaftspolitik? Was tut die Bundesregierung, um neue Wachstumsimpulse zu setzen, damit Deutschland nicht unvorbereitet in einen Abschwung schlittert und die Zukunft verspielt? Bislang hält sich die Große Koalition jedenfalls auffallend bei der Unterstützung der Wirtschaft zurück.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, spricht von „unterlassener Hilfeleistung“ und kritisiert eine Koalition im permanenten „Selbstgespräche-Modus“. Der Dauerstreit um die Migrationspolitik, Sorge um ein weiteres Erstarken der AfD und das Gezerre um den Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes und die Erosion der Koalitionspartner mit den jüngsten Landtagswahlen h ­ interlassen ein trauriges Erscheinungsbild. Die wirtschaftspolitische Orientierungslosigkeit dokumentieren milliardenschwere Wahlgeschenke wie das Baukindergeld und die Rentengesetze. Die Kanzlerin verspricht Besserung, die Kandidaten für den CDU-Vorsitz mehr Marktwirtschaft wie zu Erhards Zeiten. Doch die Tagespolitik ist davon noch weit entfernt. Deutschland aber braucht jetzt eine wirtschaftspolitische Agenda, mit der die Herausforderungen der Zukunft überzeugend bewältigt werden können.

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Foto: Jens Schicke

Text: P eter Hahne


TITEL Große Koalition

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TITEL Große Koalition

Welthandel Weltindustrieproduktion

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Deutschland wird Höchststeuerland Symptomatisch für die Vernachlässigung der Wirtschaft ist die anhaltende Weigerung, eine international wettbewerbsfähige Steuerreform für Unternehmen auf den Weg zu bringen. Obgleich die effektive Steuerbelastung hierzulande mit Sätzen jenseits der 30 Prozent international Spitze ist und die Steuereinnahmen bis 2022 laut amtlicher Steuerschätzung auf über 900 Milliarden Euro im Jahr steigen dürften, findet sich hierzu im Koalitionsvertrag kein Wort. „Steuersenkungen,

Die Würth-Gruppe ist Weltmarktführer im Handel mit ­ ontage- und Befestigungsmaterial. In mehr als 400 GeM sellschaften in über 80 Ländern beschäftigt sie über 76.000 Mitarbeiter. Im Jahr 2017 erzielte die Würth-­Gruppe Umsätze in Höhe von 12.721,9 Millionen Euro. In Deutschland sind niedrigere Steuersätze für Unternehmen trotz Steuersenkungen in den USA und EU-Nachbarstaaten­ ­sowie ­steigender Risiken kein Thema. Wie ­relevant ist der steuerliche Standort­faktor für Ihr U ­ nternehmen? Steuerliche Rahmenbedingungen sind von hoher, aber nicht alleiniger Relevanz, wenn man sie eingebettet in das regulatorische Standortumfeld betrachtet. Grundsätzlich findet aber natürlich bei jeder substanziellen ­Investitionsentscheidung auch eine steuerliche Rentabi­li­ tätsprüfung statt. Für den Fall, dass Deutschland Hochlohnsteuerland bleibt: ­Erwägen Sie Konsequenzen? Deutschland hat nicht nur historisch einen Standortnachteil durch hohe Körperschaft- und Einkommensteuersätze. Die letzten Legislaturperioden haben das steuerliche Regelungskorsett auch zunehmend verkompliziert. Kurz gesagt: Eine unternehmensfreundliche, standortsichernde Steuer-

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Unternehmenssteuersätze ausgewählter Staaten in Prozent, Stand: Dezember 2018 USA Quelle: TradingEconomics.com

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Quelle: CPB; Institut der deutschen Wirtschaft

Gleitende Dreimonatsdurchschnitte; preis- und saisonbereinigte Werte, Index 2010 = 100

die wir uns heute leisten könnten und die über Investitionen an die Gesellschaft zurückfließen, sind kein Thema in der politischen Debatte“, kritisieren Werner Bahlsen, Präsident des Wirtschaftsrates, und Generalsekretär Wolfgang Steiger in einem Brandbrief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Wenn wir jetzt nicht Pflöcke einschlagen und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt rücken, steht zu befürchten, dass unser Land von wichtigen Zukunftsinvestitionen in Milliardenhöhe etwa im Bereich der Digitalisierung abgeschnitten werden.“ Der Wirtschaftsrat verweist insbesondere auf Familienunternehmen, denen hohe Steuersätze die Substanz für dringende Investitionen in digitale Geschäftsmodelle rauben. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) bestätigt die Sorge. Danach entwickelt sich Deutschland im internationalen Vergleich von einem „Hochsteuerland zu einem Höchststeuerland“, wie die Forscher in einer aktuellen Studie schreiben. Das Bundesfinanzministerium selbst rech-

EU Euroland China Deutschland 0

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net vor, dass die Höchststeuerlast für Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland bei nahezu 50 Prozent liegt, berücksichtigt man die Steuerlast der Anteilseigner. Steuerpolitischer Tiefschlaf Während Industriestaaten wie die USA, Großbritannien, die Niederlande oder Schweden längst reagiert haben und die Unternehmenssteuern teils drastisch unter 25 Prozent senken, versinkt Berlin im steuerpolitischen Tiefschlaf. Gleich so, als hätte US-Präsident Donald Trump mit seiner Steuerreform Anfang des

politik hat seit der großen Unternehmenssteuerreform um die Jahrtausendwende in Deutschland nicht mehr stattgefunden. Darüber sind wir uns lange im Klaren und richten unsere unternehmerischen Entscheidungen danach aus. Welche Forderung würden Sie als wichtigste an die Bun­des­ regierung adressieren, um die ­Rahmenbedingungen für Ihr Unternehmen zu verbessern? Die wichtigste Forderung an jede neue Bundesregierung ist, die Unternehmenssteuerpolitik nicht als plakative Steuersatzpolitik, sondern als regulatorische Steuerordnungspolitik zu verstehen. Eine Bundesregierung, die das Ziel verfolgt, den Investitionsstandort Deutschland durch eine Unternehmenssteuerreform nachhaltig attraktiv zu machen, muss von kurzfristigen Steuersatzänderungen absehen und eine Reform vorlegen, die das deutsche Ertragssteuerrecht substanziell dereguliert. Damit würde sie für Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes „berechenbar“. Bettina Würth Vorsitzende des Beirats der Würth-Gruppe, Adolf Würth GmbH & Co. KG, Künzelsau (Mitglied des Präsidiums des Wirtschaftsrates)

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Foto: Wolfgang Ohlig

Welthandel und Weltindustrieproduktion

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TITEL Große Koalition

In Deutschland sind niedrigere Steuersätze für Unternehmen trotz Steuersenkungen in den USA und EU-Nachbarstaaten auf maximal 25 Prozent trotz ­steigender Risiken für die Wirtschaft kein Thema. Wie ­relevant ist der steuerliche Standort­faktor für Ihr U ­ nternehmen? Natürlich sind steuerliche Rahmenbedingungen ein Wettbewerbsfaktor. Deutschland darf hier keine wesentlich schlechteren Bedingungen erzeugen als andere Länder. Allerdings ist ein Wettlauf um immer niedrigere Steuern ­ auch kein Weg. Aus deutscher Sicht sollten einzelne Steuerarten auch nicht isoliert betrachtet werden. Was Deutschland vor allem fehlt, ist eine drastische ­Vereinfachung des Steuersystems. Ich bin überzeugt, dass die Aussage richtig ist, dass Transparenz durch Einfachheit Gerechtigkeit erzeugt. Ein einheitlicher Steuersatz auf alle Einkommensarten bei Abschaffung aller Absetz-Tat­bestände ist der richtige Weg.

Für den Fall, dass Deutschland Hochlohnsteuerland bleibt: ­Erwägen Sie Konsequenzen? Die hohen Löhne und -zusatzkosten haben bereits wesentliche Auswirkungen auf Deutschland. Direkte angelernte Arbeit ist bereits heute kaum wettbewerbsfähig. Unser Unternehmen investiert seit Jahren nicht mehr in Deutschland in solche Arbeitsplätze und sie werden weiter reduziert. Welche Forderung würden Sie als wichtigste an die Bun­des­ regierung adressieren, um die ­Rahmenbedingungen für Ihr Unternehmen zu verbessern? Für die Unternehmen ist eine drastische Entschlackung der wachsenden Regulierung von großer Bedeutung. Für die Gesellschaft muss sich die Bundesregierung vor allem der demografischen Entwicklung stellen. Die geburtenstarken Jahrgänge 1965/1966 gehen in spätestens 15 Jahren in den Ruhestand. Die nachfolgenden Jahrgänge werden zahlenmäßig schnell kleiner. Die Sozialsysteme geraten dann sehr schnell aus den Fugen. Es gilt daher schnell Möglichkeiten zur privaten Vorsorge zu schaffen. Heinrich Baumann

Foto: Eberspächer

Die Eberspächer Gruppe zählt weltweit zu den führenden Systementwicklern und -lieferanten für Abgastechnik, Fahrzeugheizungen, Bus-Klimasysteme, Klimasysteme für Sonderfahrzeuge und Fahrzeugelektronik. Das Unterneh­ men erzielte 2017 einen Umsatz von 4.480,9 Millionen Euro und beschäftigte weltweit 9.489 Mitarbeiter.

Geschäftsführender Gesellschafter, Eberspächer Gruppe GmbH & Co. KG, Esslingen (Mitglied des Präsidiums des Wirtschaftsrates)

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TITEL Große Koalition

Preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte; Index 1. Quartal 2005 = 100 Warenexporte Wertschöpfung Industrie

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Quelle: TradingEconomics.com

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Jahres den Druck auf wettbewerbsfähige Steuersätze nicht massiv erhöht. Die letzte Steuerreform in Deutschland liegt mehr als zehn Jahre zurück. „Jetzt die Steuern wettbewerbsfähig zu halten führt nicht dazu, dass wir Steu-

eraufkommen verlieren“, stellt Ifo-Präsident Clemens Fuest klar. „Sondern gerade dazu, dass wir das Steueraufkommen und das Wirtschaftswachstum in Deutschland schützen.“ Jedem Unternehmer ist klar: Steuern sind zwar nicht der einzige Standortfaktor für eine Investitionsentscheidung, aber ein sehr wichtiger. Immer mehr Unternehmen, das belegt auch die TREND-Umfrage unter Mitgliedern (s. S. 12 ff.), denken über Produktionsverlagerungen ins Aus­ land nach. Ist das Kind aber erst einmal in den Brunnen gefallen, ist es zu spät: Kapital und Produktionsstätten, die das Land verlassen haben, kommen so schnell nicht zurück. Die Bundesregierung darf also nicht einfach achselzuckend darüber hinwegsehen, wenn bei Unternehmen und renommierten Forschungsinstituten die Alarmglocken schrillen. Der Wirtschaftsrat fordert deshalb ein Unternehmenssteuer-Paket, das

Die KIRCHHOFF Group ist Entwicklungspartner der Auto­mo­ bil­industrie für komplexe Metall- und Hybridstrukturen für Karosserie und Fahrwerk, führender Hersteller von Abfall­ sammelfahrzeugen, Liftersystemen und Kehrmaschinen sowie Schraubwerkzeugen und individuellen Automo­bil­um­ rüstungen. Die Gruppe erzielte 2017 einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro mit weltweit über 12.300 Beschäftigten. In Deutschland sind niedrigere Steuersätze für Unternehmen trotz Steuersenkungen in den USA und EU-Nachbarstaaten auf maximal 25 Prozent trotz ­steigender Risiken für die Wirtschaft kein Thema. Wie ­relevant ist der steuerliche Standort­faktor für Ihr U ­ nternehmen? Unternehmenssteuern sind eine entscheidende Größe bei der Standortentscheidung. Aber am Ende kommt es auf die Gesamtkostenbelastung an. Deutschland ist bei den Unternehmenssteuern ins hintere Feld abgerutscht. Deshalb wäre es an der Zeit, die Unternehmenssteuer zu überprüfen und dem internationalen Wettbewerb anzupassen. Dass güns­ tigere Steuern beflügeln und motivieren können, haben wir als Unternehmer, unsere Mitarbeiter, unsere Volkswirtschaft insgesamt nach der letzten Unternehmenssteuersenkung bewiesen. Unterm Strich sind wir, wie wir aus unserem ­eigenen Unternehmen wissen, beim Thema Lohnkosten und Energie nicht mehr wettbewerbsfähig, können also keine Aufträge mehr für Deutschland gewinnen. Wenn wir bei den Unternehmenssteuern jetzt auch nicht mehr konkurrenz­ fähig sind, werden neue Investitionen nur noch im Ausland stattfinden.

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eine Senkung und Harmonisierung der Gesamtsteuerbelastung unabhängig von der Rechtsform in den Mittelpunkt rückt. Struktur und Systematik des deutschen Steuerrechts gehören dabei ebenfalls auf den Prüfstand: Die Gewerbesteuer muss in eine Zuschlagsteuer zur Körperschaftssteuer überführt werden, eine deutliche Rückführung der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten würde teure Bürokratie überflüssig machen. Auf die steuerpolitische Agenda der Bundesregierung gehören mit ebenso großer Dringlichkeit die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die avisierte steuerliche Förderung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Zarte Hoffnungsschimmer Bundeswirtschaftsminister Altmaier immerhin lassen die eindringlichen Appelle der Wirtschaft und der Ökonomen offenbar nicht kalt. Anlässlich

Für den Fall, dass Deutschland Hochlohnsteuerland bleibt: ­Erwägen Sie Konsequenzen? Wir sind schon mit großen Teilen unserer Produktion im wettbewerbsfähigeren Ausland und erzielen dort den Großteil unserer Gewinne. Das ist inzwischen bei vielen deutschen Unternehmen der Fall. Aber Deutschland kann nicht Forschungs- und Entwicklungsstandort bleiben, wenn nicht zumindest auch teils die dazugehörige Produktion hierzulande stattfindet. Welche Forderung würden Sie als wichtigste an die Bun­des­ regierung adressieren, um die ­Rahmenbedingungen für Ihr Unternehmen zu verbessern? Die Energiekosten senken und die Energiewende so ­gestalten, dass auch kurzfristigste Ausfälle bei der Stromversorgung ausbleiben. Die Infrastruktur verbessern – ­Straße, Schiene und Glasfasernetze. Die Staatsquote bei 40 ­Prozent deckeln, das betrifft auch die Sozialabgaben. Zugleich sollte die Bundesregierung für Freihandel ein­ treten und Unternehmens- wie Lohnsteuern auf inter­na­ tionalem Wettbewerbsniveau halten und deutlich einfacher gestalten. Dr. Johannes F. Kirchhoff

Managing Partner, KIRCHHOFF Group, Iserlohn (Mitglied im Bundesvorstand des Wirtschaftsrates)

TREND 4/2018

Foto: Krichhoff Gruppe

Deutsche Warenexporte und industrielle W ­ ertschöpfung


TITEL Große Koalition

In Deutschland sind niedrigere Steuersätze für Unternehmen trotz Steuersenkungen in den USA und EU-Nachbarstaaten auf maximal 25 Prozent trotz ­steigender Risiken für die Wirtschaft kein Thema. Wie ­relevant ist der steuerliche Standort­faktor für Ihr U ­ nternehmen? Unterschiedliche Steuersätze sind ein Standortnachteil für die Länder mit höherem Steuersatz. Mehr Steuern zu bezahlen, bedeutet als Unternehmen weniger Geld für ­ Investitionen sowie ­ ­ Forschung und Entwicklung übrig zu haben. Es ist grotesk, wenn in manchen Medien zum Beispiel Amazon oder Google für ihre h ­ ­ohen Forschungs- und Entwicklungs-Ausgaben gefeiert ­ ­ werden, diese Unternehmen aber gleichzeitig so gut wie keine ­Steuern zahlen.

Sozialausgaben explodieren Ein weiterer Fokus einer zukunftsfähigen wirtschaftspolitischen Agenda muss auf der Begrenzung der Lohnzusatzkosten liegen. Auch hier leistet sich Deutschland einen Luxus, der vor allem den Mittelstand zu überfordern droht. Der Wirtschaftsrat fordert deshalb ein Umsteuern in der Sozialpolitik. Im vergangenen Jahr hat der Staat laut Angaben der Bundesregierung insgesamt fast 966 Milliarden Euro für Sozialleistungen ausgegeben. Ein Anstieg um knapp vier Prozent in einem Jahr auf einen neuen Rekordwert. 2018 wird aller Voraussicht nach erstmals die Billionen-Marke geknackt. „Wenn die Sozialausgaben trotz guter Konjunktur rasant steigen, läuft etwas prinzipiell schief in Deutschland“,

4/2018 TREND

Welche Forderung würden Sie als wichtigste an die Bun­des­ regierung adressieren, um die ­Rahmenbedingungen für Ihr Unternehmen zu verbessern? Es bedarf einer europäischen Harmonisierung der Steuerlast. Es ist absurd, wenn benachbarte europäische Länder wie etwa die Niederlande mit einer niedrigeren Steuerquote die Hauptverwaltungen von Unternehmen anlocken und so den Industriestandort Deutschland schwächen. Dr. Martin Iffert Vorsitzender des Vorstandes, TRIMET Aluminium SE, Essen

warnt der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger. Doch auch hier entfernt sich die Bundesregierung zusehends von einer Wirtschaftspolitik, mit der Bürger und Betriebe gut leben können. Die Rentenausgaben steigen rasant, die neuerliche Ausweitung der Mütterrente, das Einfrieren des Rentenniveaus und der Beitragssätze kosten Beitrags- und Steuerzahler jedes Jahr Milliarden. Tendenz weiter steigend. Die kürzlich beschlossene Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge um einen halben Prozentpunkt war

zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Mit dem Anstieg der Pflegebeiträge um 0,5 Prozentpunkte löst sich die Entlastung jedoch sogleich wieder in Luft auf. Mehr noch: Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge führt am Ende nicht zu weniger, sondern zu höheren Belastungen mit Sozialabgaben für die Wirtschaft. „Die Rentenpolitik der Bundesregierung beschränkt sich erneut darauf, teure Wahlgeschenke zu verteilen“, resümiert Ratspräsident Werner Bahlsen. „Das ist in keiner Weise nachhaltig.“

Entwicklung der Sozialausgaben im Bundeshaushalt 190

Sozialausgaben in Milliarden Euro

185

ozialausgabenanteil an den S Primärausgaben in Prozent

180

180,9

55,8 %

170

55,2 %

55,1 %

165 160 153,6

155

175,1 171,1

56 55

161,5

54 53

148,8 145,7

2013

57

56,1 %

52,7 %

145 140

58

57,3 %

175

150

186,8 57,0 %

2014

52,9 %

2015

2016

2017

2018

2019

52

2020

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Quelle: Bundesministerium der Finanzen

der Herbstprojektion der Bundesregierung kündigte Altmaier an, mit Finanzminister Olaf Scholz nach einer Lösung zu suchen. Im Wirtschaftsministerium kursiert offenbar ein ZehnPunkte-Plan, der eine Entlastung um rund 20 Milliarden Euro pro Jahr für Unternehmen thematisiert. Fraglich ist allerdings, inwieweit ein solches Vorhaben in einer Regierung mehrheitsfähig werden kann, die sich schon schwer tut, ihren eigenen Koalitionsvertrag abzuarbeiten.

Für den Fall, dass Deutschland Hochlohnsteuerland bleibt: ­Erwägen Sie Konsequenzen? Als Familienunternehmen sind wir am Standort Deutschland verwurzelt. Der Nachteil ist, dass am Ende Wettbewerbern im Ausland mehr Mittel für Investitionen und Ausgaben für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen.

Foto: Trimet SE

Die TRIMET Aluminium SE beschäftigt 1.600 Mitarbeiter an acht Standorten, die moderne Leichtmetallprodukte aus Aluminium entwickeln, produzieren, recyceln, gießen oder vertreiben. Das Familienunternehmen erzielte 2016/2017 einen Umsatz von rund 1,24 Milliarden Euro.


TITEL Große Koalition

Geschäftsrisiko Infrastruktur Wenig nachhaltig und zukunftsgerecht gestaltet sich auch der Umgang mit der Infrastruktur, einer der wichtigsten Grundlagen künftigen Wohlstands. „Die Unternehmen in Deutschland werden in zunehmendem Ausmaß durch Infrastrukturmängel in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt“, schreiben Michael Grömling und Thomas Puls in einer Studie, für die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Frühjahr 2.600 Unternehmen befragt hat. „Die Befragung zeigt, dass sich die Lage in den letzten vier Jahren deutlich verschärft hat.“ Im Klartext: Obgleich bereits im Jahr 2000 eine Regierungskommission die Unterfinanzierung der Verkehrswege festgestellt hat und zumindest die nominalen Investitionen leicht steigen, fährt Deutschland weiter auf Verschleiß. Mit Folgen: Während vor vier Jahren „nur“ 58 Prozent der befragten Unternehmen über Infrastrukturmängel klagten,

sehen heute mehr als zwei Drittel ihr Geschäft dadurch beeinträchtigt. Drei Viertel der deutschen Unternehmen klagen über schlechte Straßen- und Kommunikationsnetze, aber auch bei den Energienetzen verzeichnet das IW einen Anstieg auf mehr als 40 Prozent Unzufriedenheit. Straßen und Brücken sind in einem besonders schlechten Zustand im Industrieland Nordrhein-Westfalen, die Breitbandversorgung lässt aus Sicht der Unternehmen besonders in Ostdeutschland und Baden-Württemberg zu wünschen übrig. Schon seit vielen Jahren fordert der Wirtschaftsrat eine Beschleunigung des Netzausbaus auf allen Ebenen: Öffentlich-­privatePartnerschaften im Straßenbau zur Beseitigung des Investitionsstaus; transeuropäische Verkehrs- und Energienetze; Gigabit-Netze für die digitale Transformation zur Industrie 4.0. Denn beim Breitbandausbau belegt Deutschland unter den Industrienationen nur Platz 25.

Schub für Künstliche Intelligenz Das alles ist lange bekannt. Deutschland hat deshalb kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI), dem Zukunftsthema schlechthin, hinken Deutschland und Europa dennoch weit hinterher. China und die USA haben die Nase vorn. Dabei ermöglicht KI ganz neue Geschäftsmodelle und Wege, die großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen der Gegenwart zu lösen. Automobilindustrie, Energieversorgung und das Gesundheitssystem etwa sind auf KI angewiesen, um Anschluss an die Weltspitze zu halten. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen für die Datenverwertung und -nutzung rasch geklärt werden. Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und die E-Privacy-Verordnung für die intermaschinelle Kommunikation dürfen nicht zum Hemmschuh für KI werden. Hoffnung setzt der Wirtschaftsrat deshalb in den Masterplan Künstli-

Die Aurubis AG produziert aus Kupferkonzentrat und Recyclingmaterialien hochreines Kupfer und verarbeitet es zu Vorprodukten. Pro Jahr werden mehr als eine Million Tonnen börsenfähiger Kupferkathoden hergestellt. Aurubis beschäftigt weltweit mehr als 6.400 Mitarbeiter und erzielte 2016/17 Umsatzerlöse in Höhe von 11.040 Millionen Euro.

Bei Investitionsentscheidungen stellt sich immer die Frage nach den steuerlichen Rahmenbedingungen. Insoweit gilt: Steuerwettbewerb ist Standortwettbewerb. Bei Neuinves­­ti­ tionen gibt es in der Gruppe einen Wettbewerb der in Frage kommenden Standorte. Die steuerlichen Rahmenbedingungen spielen hier eine entscheidende Rolle.

In Deutschland sind niedrigere Steuersätze für Unternehmen trotz Steuersenkungen in den USA und EU-Nachbarstaaten auf maximal 25 Prozent trotz ­steigender Risiken für die Wirtschaft kein Thema. Wie ­relevant ist der steuerliche Standort­faktor für Ihr U ­ nternehmen? Steuerliche Rahmenbedingungen sind ein erheblicher Standortfaktor, um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland zu sichern. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die Steuerbelastung auf international vergleichbarem Niveau liegen. Es gibt derzeit global einen starken Trend zur Entlastung von Unternehmen. Stimmen die steuerlichen Rahmenbedingungen nicht, hat dies neben dem Nachlassen von Investitionen und der Verlagerung von Arbeitsplätzen natürlich auch Auswirkungen auf die Gewinne der Unternehmen, die Deutschland besteuern will. Angesichts des verschärften globalen Steuerwettbewerbs sollte Deutschland Reform­fähigkeit beweisen, um als Standort attraktiv zu bleiben.

Welche Forderung würden Sie als wichtigste an die Bun­des­ regierung adressieren, um die ­Rahmenbedingungen für Ihr Unternehmen zu verbessern? Das deutsche Steuerrecht sollte zielgerichtet Unternehmen entlasten, um Investitionen, Wachstum und Beschäftigung nachhaltig zu fördern: Dazu zählen die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 15 auf zehn Prozent (abhängig vom Erhalt der Gewerbesteuer). Die Abschaffung der Gewer­ besteuer, mindestens aber ihre Abzugsfähigkeit als Betriebs­ ausgabe. Den Abbau des Solidaritätszuschlags für alle, am besten sofort. Die Einführung der steuerlichen Forschungsförderung. Eine Reform des Außensteuerrechts, die Ab­senkung der Zinssätze im Steuerrecht, die Gewährleistung von Rechtsund Planungssicherheit sowie die Wahrung deutscher Interessen bei Eingriffen der EU in steuerliche Bereiche.

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Senior Vice President, Aurubis AG, Hamburg

Foto: Aurubis AG

Für den Fall, dass Deutschland Hochlohnsteuerland bleibt: ­Erwägen Sie Konsequenzen?

Ulf Gehrckens

TREND 4/2018


TITEL Große Koalition

MAPCO-Produkte werden in Deutschland seit 1977 angeboten und mit großem Erfolg verkauft. Millionenfach werden MAPCO-Autoteile wie Bremsen, Lenkungsund Chassisteile oder hydraulische und mechanische Lenkgetriebe in viele Fahrzeugtypen eingebaut. Ursprünglich in Frankreich als Aktiengesellschaft gegründet, werden heute sämtliche MAPCO-Aktivitäten von Borkheide bei Berlin gesteuert. „Als Brandenburger Unternehmer sage ich, dass die Abschaffung des Soli 29 ­Jahre nach dem Mauerfall überfällig ist. Zumal die Einnahmen längst nicht mehr dem Aufbau Ost zugutekommen. Der Soli ist für mich auch ein Symbol für die Unbeweglichkeit der Politik und für ihre Missachtung von Leistungsträgern. ­Außerdem schlägt der Soli, der für Einzelpersonen wie Kapitalgesellschaften gilt, bei Personenunternehmen besonders stark zu. Aber auch im Ausland versteht keiner, dass es in Deutschland noch so eine Sondersteuer gibt. Da fragen sich ­Investoren, warum sich die Deutschen ihr Steuersystem durch so eine Zusatz­ steuer auf die Körperschaftssteuer zusätzlich noch kompliziert machen.“ Detlev Seeliger Geschäftsführer Mapco Autotechnik, Borkheide in Brandenburg (Mitglied des Bundesvorstandes des Wirtschaftsrates)

dem erfolgsverwöhnten Deutschland nach Jahren des Aufschwungs ein l ­tiefer Abschwung drohen.

GEMEINSAM GEBEN WIR UNSER BESTES FÜR DAS LEBEN VON PATIENTEN. Wir bei Bristol-Myers Squibb arbeiten täglich daran, innovative Medikamente für Erkrankungen mit hohem therapeutischen Bedarf zu entwickeln. Wir fokussieren uns dabei auf · Onkologische Erkrankungen (Immunonkologie) · Kardiovaskuläre Erkrankungen · Erkrankungen des Immunsystems · Fibrotische Erkrankungen

Weitere Informationen auf bms.com/de twitter.com/bms_germany

4/2018 TREND

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MLTDE1800068-01

jetzt schlägt die Stunde der Wirtschaftspolitik. Die Bundesregierung darf keine Zeit verlieren. Sonst könnte

Foto: Mapco Autotechnik

che Intelligenz der Bundesregierung, der einen Weg in die Zukunft weisen sollte. Dabei muss der Staat mit gutem Beispiel vorangehen. Bund und Länder arbeiten an einem „Portalverbund“, binnen fünf Jahren sollen alle Verwaltungsleistungen bis hin zu den Kommunen digital verfügbar sein. Wichtig für eine einheitliche Behördenplattform: Alle Anwendungssysteme und Register der öffentlichen Verwaltung müssen interoperabel vernetzt sein, damit grundlegende Daten der Bürger und Unternehmen nach dem Prinzip „once only“ nur einmal von der öffentlichen Verwaltung abgefragt werden müssen. So kann die öffentliche Verwaltung zum Turbo für KI-Anwendungen werden. Es ist offenkundig: Die Bundes­ regierung hat genug zu tun. Über lange Zeit boomte die Wirtschaft dank günstiger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und Nullzinsen ohne ein Zutun der Politik. Doch die Welt verändert sich rasant. Spätestens


TITEL Große Koalition

Steuerrek der Bürge

S

elten lagen Wahrnehmung und Realität so weit auseinander wie nach der jüngsten Steuerschätzung. Nimmt man die Schlagzeilen der großen Tageszeitungen ist nun die Zeit der großen Dürre angebrochen: „Die wundersame Steuervermehrung endet“, befand die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die „Süddeutsche Zeitung“ urteilte sogar: „Ende des Steuerbooms“. Der Bundesfinanzminister schickte eine ähnliche Botschaft in die Welt. „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel“, meinte Olaf Scholz (SPD), als er im Herbst die neusten Zahlen des Arbeitskreises vorstellte. Tatsächlich wachsen die Steuereinnahmen weiterhin gigantisch. Nur eben kaum noch stärker als im Mai prognostiziert. Die Zahlen sprechen für sich. Für dieses Jahr gehen die amtlichen Steuerschätzer von 775 Milliarden Euro aus. Im Jahr 2023 ­ sollen es schon mehr als 940 Milliarden Euro sein. Das entspricht durchschnittlich einem Plus von 33 Milliarden Euro je Jahr. Doch alles ist längst verplant. Sobald sich neuer Spielraum ergibt, ­ werden neue Ausgaben beschlossen.

Foto: ©F.A.Z. - Daniel Pilar

Dr. Manfred Schäfers Berlin-Korrespondent für Finanzpolitik und Entwicklungshilfe Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die letzte nennenswerte Steuerentlastung gab es im Jahr 2010. Seither wurden nur noch kleinere Anpassungen vorgenommen, um das Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern von der Steuerlast freizuhalten, wie es das Grundgesetz verlangt. Zudem hat man die kalte Progression entschärft, allerdings begann man damit reichlich spät, so dass die Entlastung zu gering ist, um die heimlichen Steuererhöhungen des Jahrzehnts aus dem Zusammenspiel von Inflation und progressivem Tarif vollständig an die Bürger zurückzugeben. Allein durch die Vorgaben des Koalitionsvertrags werden im Ergebnis die Ausgaben des Bundes von heute 344 Milliarden Euro bis 2022 auf knapp 376 Milliarden Euro steigen. Dafür sorgen nicht zuletzt die Sozialausgaben. Schleichend sichert sich im Gegenzug der Staat einen immer größeren Anteil an dem, was im Land erwirtschaftet wird. Das bestätigt der Blick auf die sogenannte Steuerquote. Im Jahr 2010 betrug sie 20,6 Prozent. Dieses Jahr wird ein Wert von 22,85 erwartet – und bis 2023 wird die Quote nach der Prognose der Steuerschätzer auf 23,44 Prozent steigen. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von derzeit etwa 3,4 Billionen Euro macht ein Prozentpunkt 34 Milliarden Euro aus. Das zeigt, wie sehr der Staat in die Breite gegangen ist – auf Kosten seiner Bürger. Wolfgang Schäuble hatte als Finanzminister einmal die Vision, die Steuerquote auf das Niveau des Jahres

„Schleichend sichert sich der Staat einen immer größeren Anteil an dem, was im Land erwirtschaftet wird. Die Steuerquote wird bis 2023 auf voraussichtlich gut 23 Prozent steigen.“ 18

Foto: Jens Schicke

Brechen die Steuereinnahmen in Deutschland ein? ­Keineswegs. Die Herbstschätzung bestätigte lediglich, dass die Experten im Mai richtig lagen und die Steuereinnahmen weiter wachsen. Selten konnte sich Deutschland eine Steuer­entlastung für Bürger und Betriebe so gut leisten wie heute.

2014 zurückzuführen. Damals kam der Bund erstmals seit 1969 ohne neue Schulden aus. Anders gewendet: Die normalen Einnahmen reichten, um alle Ausgaben zu finanzieren. Die Steuerquote lag in dem betreffenden Jahr bei 21,9 Prozent. Seine Partei hat dieses Ziel offenbar vergessen. 2023 wird ein Bruttoinlandsprodukt von gut vier Billionen Euro erwartet. Eine um 1,5 Prozentpunkte erhöhte Steuerquote entspricht dann 60 Milliarden Euro. Gerade einmal zehn Milliarden Euro sollen über den Ab-

TREND 4/2018


TITEL Große Koalition

korde auf Kosten er und Betriebe Ist

ALT

2017

NEU

ALT

NEU 2019

ALT

NEU

ALT

2020

2020

NEU

ALT

NEU

NEU

2018

2018

2019

2021

2021

2022

2022

2023

Bund

309

321,3

323,8

334,8

334

341,4

341

354,7

355,2

367,7

367,3

377,2

Länder

298

310,3

311,6

320,7

319

337,1

338

351,3

352,4

365,1

366

380,1

Gemeinden EU Summe

105

110,2

111,2

114,9

114

123,6

123

128,7

128,3

133,5

132,8

137,5

21,7

30,3

28,6

36,6

36

36,9

38

38,4

39,3

39,7

41,3

45,9

733,7

772,1

775,2

807

803

839

840

873,1

875,2

906

907,4

940,7

0

38,4

41,5

73,3

69,3

105,3

106,3

139,4

141,5

130,8

173,7

207

1,4

739,3

Veränd. Summe kumuliert zu Basis 2017 Veränd. Summe total 2018 – 2013 (NEU)

3,1

- 4

1

2,1

Hervorragende Haushaltslage Jährlich im Frühjahr und Herbst veröffentlicht der Arbeitskreis Steuerschätzung im Auftrag des Bundesfinanzministeriums seine Prognosen für die Steuereinnahmen der nächsten Jahre. Die Veröffentlichung von Oktober 2018 zeigt – im Verhältnis zu den ­Schätzungen dieses Frühjahrs – einen weiteren Anstieg der Steuereinnahmen um 3,1 Milliarden Euro für das laufende Steuerjahr. Diese Entwicklung deckt sich mit den zum Halbjahr gemeldeten Überschüssen in Bund, Ländern und Kommunen in Höhe von über sechs Milliarden Euro. Zwar wird für 2019 mit einem leichten Rückgang von vier Milliarden Euro im Vergleich zur letzten Schätzung gerechnet, in den Jahren von 2020 bis 2022 wurden die Prognosen jedoch nochmals erhöht.

bau des S­olidaritätszuschlags an die Bürger zurückgegeben werden. Das entspricht nicht einmal der Hälfte seines künftigen Aufkommens. Das kann nicht reichen. Die deutsche Wirtschaft fürchtet, im Vergleich mit ihren Konkurrenten zurückzufallen. Amerika, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Österreich und Italien haben die Steuerbelastung für ihre Unternehmen spürbar gesenkt oder haben dies vor. Kein Wunder, dass da der Deutsche Industrie- und Handelskammertag Druck

4/2018 TREND

macht. „Die Bundesregierung hat ausreichend Spielraum, um in der Legislaturperiode die Maßnahmen des Koalitionsvertrags zu finanzieren und die Steuerbelastung von Bürgern und Unternehmen zu senken“, befindet sein Präsident Eric Schweitzer. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist alarmiert. „Die Bundesregierung sollte die sich abzeichnende relative Verschlechterung der steuerlichen Standortbedingungen nicht abwartend hinnehmen,

Nicht nur aus Sicht der Unternehmen ist Deutschland zum Hochsteuerland mutiert. Auch bei Arbeitnehmern greift der Staat spürbar zu, dafür sorgen nicht nur Steuern, sondern auch Sozialausgaben. Wie internationale Vergleiche zeigen, werden Ledige hierzulande besonders kräftig zur Ader gelassen. Eine nennenswerte Entlastung von Bürgern und Betrieben ist somit nötig und möglich. Nur wenn die Anreize stimmen, wird die Wirtschaft weiter gedeihen – davon l profitiert auch der Fiskus.

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Quelle: BMF/Arbeitskreis Steuerschätzung

in Milliarden Euro

sondern auf die veränderte Wettbewerbslage rechtzeitig reagieren“, fordert er in seinem aktuellen Gutachten. Die ­ Ökonomen sprechen sich mehrheitlich für eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus. Die F ­ ormulierung im Koalitionsvertrag lässt nach ihrer Einschätzung darauf schließen, dass die meisten Gewerbetreibenden und Selbständigen w ­ eiterhin mit der Zusatzabgabe belegt werden. Die vollständige Soli-­ Abschaffung würde für die Kapitalgesellschaften den Anstieg der tariflichen Steuersätze bei der Gewerbesteuer seit dem Jahr 2008 ausgleichen.


AKTUELL Diesel-Debatte

A

utofahrer bangen, Umwelt­ aktivisten jubeln seit das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Dieselfahrverbote in deutschen Städten für zulässig erklärt hat. Das wegweisende Urteil galt zwar nur Stuttgart und Düsseldorf, durch weitere Klagen der Deutschen Umwelthilfe drohen Pendlern und Lieferanten ab 2019 aber auch in Aachen, Frankfurt am Main und Berlin Fahrverbote. Denn die EUGrenz­ werte für Stickoxide (NOx) werden in vielen Städten nicht eingehalten. NOx-Hauptquelle im Verkehr sind Dieselautos. Die Zeche bezahlen also am Ende die Dieselfahrer, deren Interessen zwischen Industrie, Umweltschützern und Politik zerrieben werden. Es wäre daher angebracht, den Abgasskandal als Weckruf zu verstehen, um populäre Mythen zu entzaubern. Erstens sollten Gesetzgeber und Autoindustrie sich darauf einigen, nur noch den Brennstoffverbrauch in l/100 km und den CO2-Emissionswert in g/ km der Fahrzeuge anzugeben. Denn diese beiden Variablen hängen physikalisch und chemisch eng zusammen, sie lassen sich einfach ineinander umrechnen. Dieselfahrzeuge stoßen 2,65 kg CO2 je Liter aus, Benziner 2,37 kg. Legt man der Berechnung einen praxisnahen Mittelwert von 2,5 kg CO2 pro Liter zugrunde, ergibt sich der

Foto: privat

Prof. Dr. Helmut Alt

„Gemäß den EU-­Vorgaben sind die 40 μg/m3 Stickstoff­dioxid unmissverständlich als Jahres­ mittelwert definiert. Selbst bei hohen neu einlaufenden ­Mess­werten könnte sich dieser nur schleichend ändern.“

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zulässige Treibstoffverbrauch in l/100 km, indem man den CO2-Ausstoß in g/km durch 25 dividiert. Umgekehrt erhält man die CO2-Emission in g/km, indem der Kraftstoffverbrauch mit 25 multipliziert wird. Der EU-Grenzwert von 95 g/km ist also identisch mit der Forderung nach 3,8 l/100 km als Verbrauchsgrenzwert. Ein Auto, das im Winter sieben Liter auf 100 Kilometer verbraucht, emittiert also rund 175 g/ km CO2 – ganz gleich, was Werbebro-

Mythen entzaubern Die Diesel-Debatte in Deutschland ebbt nicht ab. Kein Wunder, denn Fahrverbote für ältere Diesel bis hin zu ­Euronorm 6 verwehren Eigentümern nicht nur die ­Einfahrt in Städte, sondern entwerten auch die Fahr­ zeuge. Die ­Messmethoden für die Grenzwerte basieren jedoch auch auf sehr unterschiedlichen Messmethoden. Das stellte die Sinnhaftigkeit der Grenzwerte in Frage. schüren verkünden. Es ist erstaunlich, wie wenig die physikalische Abhängigkeit des CO2-Ausstoßes vom Kraftstoffverbrauch zur Kenntnis genommen wird. Unter einer Obergrenze von 3,8 l/100 km könnten sich Verbraucher etwas vorstellen. Doch offenbar scheuen Politik und Industrie diese einfache Berechnung, weil leicht augenscheinlich wäre, dass dies für ein familiengerechtes Auto noch lange Utopie bleiben wird. Mit den EU-Auflagen aus dem Jahr 2012, denen zufolge ab 2020 nur noch ein CO2-Ausstoß von 95 g/km als Durchschnittswert zulassungsfähig sein wird, hat sich Europa die bequeme Vernebelungstaktik zu eigen gemacht. Denn der re-

ale CO2-Ausstoß hängt genau wie der Kraftstoffverbrauch stark von Fahrzeuggröße, Fahrweise, Streckenprofil und Witterungsverhältnissen ab. Kein Wunder, dass selbst dem Kraftfahrtbundesamt die Manipulationssoftware zum Nachweis der auf NO2-Werte reduzierten Abgasverordnung zunächst nicht aufgefallen ist. Zweitens ist ein kritischer Blick auf die NO2-Messungen nötig. Medienberichte führen 14 Städte auf, in denen die Jahresmittelwerte 2017 in vier Kategorie-Intervallen über 51 bis auf mehr als 70 μg/m3 NO2 jeweils in Stufen von fünf μg/m3 NO2 bewertet, den gesetzlichen Grenzwert von 40 μg/m3 NO2 überschritten haben. Erstaunlicherweise werden keine An-

TREND 4/2018


gaben dazu gemacht, in welchem Abstand vom Straßenrand die jeweiligen Messwerte ermittelt wurden. Da dies einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis hat, ist der Maximalabstand in der EU-Richtlinie auf zehn Meter begrenzt. Eine unmittelbar am Auspuffrohr wirksame Messung brächte vermutlich tödliche Konzentrationswerte zu Tage, aber in zehn Meter Abstand sind die Emissionen im Regelfall gesundheitlich unbedenklich und würden den Grenzwert von­ 40 ­μg/m3 NO2 wohl auch in den betroffenen Städten nicht knacken. Eine realistische Messung geht für Fußgänger wie Radfahrer von einem angemessenen Abstand zu Auspuffen aus. Offensichtlich jedoch wurde die zulässige Entfernung in etlichen Städten deutlich unterschritten. So meldet etwa Aachen Ergebnisse aus drei Metern Abstand vom Straßenrand in fünfsekündigen Zeitintervallen. Hinzu kommt ein Grenzwert von 200 μg/m3 NO2 pro Kubikmeter Luft, der als Stundenmittelwert nicht mehr als achtzehnmal im Jahr überschritten wird. Dieser Grenzwert ist vermutlich

4/2018 TREND

weit kritischer als die 40 μg/m3 NO2 pro Kubikmeter Luft als Jahresmittelwert. Doch auch dies ist noch kein Grund, Dieselautos stillzulegen. Gemäß den Vorgaben der EU sind die 40 μg/m3 NO2 unmissverständlich als Jahresmittelwert definiert. Selbst bei hohen neu einlaufenden Messwerten könnte sich dieser nur schleichend ändern. Der rechnerisch zu ermittelnde Jahresmittelwert unterscheidet sich wesentlich von den Momentaufnahmen, die medial immer wieder problematisiert werden. Solange nicht klar bewiesen ist, dass es sich bei Grenz­ werten von 40 μg/m3 NO2 um einen korrekt ermittelten Jahresmittelwert unter Berücksichtigung der Abstandsbestimmungen des Messortes handelt, sind Fahrverbote unzulässig. Drittens liegt die Belastung durch Dieselfahrzeuge auch auf den Bürgersteigen verkehrsreicher Straßen weit unter dem Wert der maximalen Konzentration für Industriearbeitsplätze von 950 μg/m3 NO2, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft für gesunde Menschen für unbedenklich hält. Wenn es für Arbeitnehmer

unbedenklich ist, Jahrzehnte lang acht Stunden täglich einer weit höheren Stickstoffkonzentration ausgesetzt zu sein, wirken Fahrverbote bei einer Grenzwertüberschreitung von ­ 40 μg/m3 NO2 geradezu bizarr. Daher wäre es angebracht, über die Sinnhaftigkeit des NO2-Grenzwertes nachzudenken. Kurz: Der Dieselskandal basiert auf reiner Willkür. Deshalb treten die Probleme auch in Hamburg, Stuttgart oder Aachen auf, und nicht in Paris, Brüssel, London oder Athen, obschon dort die Verkehrsdichte auf viel befahrenen Straßen bei fast gleichem Fahrzeugbestand mit im Mittel schmutzigeren Autos durchaus vergleichbar ist. Die Politik wäre auch mit Blick auf die Europawahl 2019 gut beraten, drol hende Fahrverbote abzuwenden.

Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge per Justiz in Deutschland

Euro 4 ab

Berlin*** Bonn** Frankfurt/Main Hamburg** Köln* Stuttgart

1.4.2019 1.6.2019 1.2.2019 1.9.2019 1.2.2019 1.9.2019 1.4.2019 1.9.2019 1.2.2019 1.9.2019 1.1.2019

Euro 5 ab

Hamburg (2 Straßen) Berlin (8 Straßen)

Köln (Umweltzone) Bonn (2 Straßen) Frankfurt/Main (Umweltzone)

Stuttgart (Umweltzone)

***  Die Landesregierung wird Berufung gegen das Urteil einlegen. ***  Der Senat hat bereits selbst Fahr­verbote ab 1.6.2018 erlassen. ***  Erste Fahrverbote können ab Anfang 2019 verhängt werden.

Quelle: Auto Zeitung und eigene Recherchen

Foto: Fotolia.com ©Riko Best

AKTUELL Diesel-Debatte

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Foto: European Union, 2018 / Etienne Ansotte

AKTUELL Europa

Das Italien-Dilemma Italiens Regierung will es wissen. Der vorgelegte Haushaltsentwurf enthält kaum investive ­Elemente, verteilt dafür jede Menge konsumtive Geschenke und treibt die exorbitante Staatsverschuldung weiter nach oben. Ein provokativer Verstoß gegen die EU-Regeln zur Verschuldung.

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ie Weigerung der italienischen Regierung, sich an gemeinsam vereinbarte EU-Haushaltsregeln zu halten, gefährdet die europäische Idee in höchstem Maße. Die Probleme Italiens gehen jedoch weit über den Konfrontationskurs der jetzigen Regierung und die Haushaltsdebatte hinaus. Viele Italiener hatten mit dem Beitritt zur Währungsunion die Hoffnung verbunden, eine bessere Wirtschaftspolitik herbeizuzwingen. Ein starker Ordnungsrahmen sollte die heimischen Politiker disziplinieren. Doch diese Hoffnung hat getrogen. Im Weltbank-Ranking zur Qualität der politischen Verwaltung ist der Index für Italien zwischen

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1996 und 2014 um elf Punkte gefallen, die schlechteste Entwicklung in der Eurozone. Italiener haben mehr Ordnung gesucht, Europa hat aber nicht geliefert. Ein weiterer Beleg dafür, dass nur ein regelgebundenes Europa akzeptiert wird. Die Koalition aus Lega und Cinque Stelle fährt nun einen rücksichtslosen Kurs der finanziellen Leichtfertigkeit, der andere Länder in die Haftung nimmt und die Wettbewerbsfähigkeit Italiens noch stärker vermindert, weil er weiterhin Lohnerhöhungen jenseits des Produktivitätswachstums er­ möglicht. Die jetzige Zuspitzung kommt nicht überraschend. Schon Silvio

Berlusconi hat zu seiner Zeit als Ministerpräsident vom Euro-Austritt schwadroniert. Die ökonomischen Fundamentaldaten laufen ebenfalls seit langer Zeit in Richtung Katastrophe. Ohne das Kraftfutter der Notenbank wäre Italien längst gescheitert. Vor Mario Draghis Garantie, den Euro um jeden Preis zu retten, musste Italien mehr als sieben Prozent für zehnjährige Staatsanleihen zahlen. Ein Bereich, der damals als "Todeszone" bezeichnet wurde. Durch das Aufdrehen der Geldschleusen der Europäischen Zentralbank (EZB) fiel die Rendite für italienische Schuldpapiere auf einen Tiefstwert von 1,05 Prozent. Durch die Subventionierung der EZB

TREND 4/2018


AKTUELL Europa

4/2018 TREND

Vor allem rächt sich, dass Europa in den letzten Jahren bei Auflösung der unheiligen Allianz von Bank- und Staatsschulden, etwa durch risikogewichtete Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen und Großkreditgrenzen, keinen Schritt vorangekommen ist. Die italienischen Banken haben ihre Bilanzen mit heimischen Staats­ papieren im Wert von 400 Milliarden Euro vollgeschaufelt. Durch die verstörenden Äußerungen der italienischen Regierung muss der Staat einen höheren Risikoaufschlag bezahlen. Höhere Renditen gehen mit fallenden Anleihekursen einher. Sinken die Kurse, schmilzt das Eigenkapital der Banken und sie können weniger Kredite vergeben – eine brandgefährliche Spirale. Eine Zuspitzung in Italien kann schnell eine Kettenreaktion auslösen. In den meisten Euro-Rentenfonds stecken über 20 Prozent italienische Staatspapiere. Es zeigt sich immer deutlicher, dass wir in Europa die falsche Diskussion

Simon Steinbrück Mitglied der Geschäftsführung Internationale Wirtschafts­­politik und Europäische ­Währungspolitik, Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Foto: Jens Schicke

wurde die Risikoprämie radikal gestutzt und Italien sparte jedes Jahr Refinanzierungskosten in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe. Doch welche Brandmauern wurden in den letzten Jahren hochgezogen? Wurde nach Griechenland ein Insolvenzverfahren für Staaten in der Eurozone entwickelt? Wurden Target-Forderungen im Eurofinanzsystem begrenzt, verzinst oder mit Eigenkapital unterlegt? Alles Fehlanzeige. „Ich glaube, dass wir das gelassen betrachten können“, kommentierte ­Bundesfinanzminister Olaf Scholz im Juni 2018 die Zuspitzung in Italien. Die Märkte bewerten die Situation vollkommen anders – die Kosten für Kreditausfallversicherungen italienischer Anleihen schießen in die Höhe. Über eine Milliarde Euro täglich beträgt die Kapitalflucht aus Italien zu dieser Zeit. Die Versäumnisse, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, wiegen schwer und machen die Europartner erpressbar.

„Die Versäumnisse, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, wiegen schwer und machen erpressbar.“

führen. Statt darüber zu beraten wie ein Eurozonenbudget, eine gemeinsame Einlagensicherung oder eine europäische Arbeitslosenversicherung die Folgen nationaler Verantwortungs­ losigkeit verteilen können, sollten wir endlich die tragenden Säulen Wettbewerb, Marktdisziplin und Eigen­ l verantwortung stärken.

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AKTUELL Künstliche Intelligenz

Das Potential einer weiteren Innovationswelle durch ­Künstliche Intelligenz ist hoch. Will Deutschland künftig weiter zu den führenden Ländern der Welt gehören, müssen die R ­ ahmenbedingungen stimmen. Die Gesamt­strategie Künstliche Intelligenz der Bundes­regierung ist ein Schritt in die richtige Richtung.

D

eutschland steht im Rahmen der Digitalisierung vor einer weiteren Innovationswelle durch Künstliche Intelligenz (KI). KI ist der Überbegriff für Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen. Darunter fallen das maschinelle Lernen, das Verarbeiten natürlicher Sprache und tiefgehendes Lernen. Die Technologie macht es Unternehmen möglich, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, Prozesse wesentlich effizienter zu gestalten oder auch ganz neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das Potential ist groß. Schon jetzt gibt es KI-basierte Anwendungen, die Risiken von Herzinfarkten akkurater diagnostizieren oder Reparaturbedarf an Flugzeugen voraussagen. KI eröffnet insbesondere neue Wege, um unternehmerische Fragestellungen etwa zu Industrie 4.0 zu lösen oder gesamtgesellschaftliche Problemfelder entscheidend voranzubringen.

Hans-Georg Krabbe

Foto: privat

Vorsitzender der ­Bundes­fachkommission Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0, Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Die exponentielle Zunahme der Leistungsfähigkeit von Hardware, insbesondere von Speicher- und Rechenkapazitäten hat den Grundstein für KI-Anwendungen gelegt. Selbstlernende Softwareprogramme können innerhalb kurzer Zeit immense digitale Datenbestände auswerten. Maschi-

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nen können aber nur lernen, wenn ihnen ausreichend Daten zur Verfügung stehen. Schätzungen zufolge werden China und die USA 2030 rund 30 Prozent der weltweit verfügbaren Daten besitzen. Diesen Wettbewerb kann Deutschland nicht allein bestreiten und muss deshalb eine europäische Lösung anstreben. Die Initiative der Bundesregierung, bis Dezember 2018 eine Gesamtstrategie Künstliche Intelligenz zu verabschieden und eine Datenethikkommission einzusetzen, ist grundsätzlich begrüßenswert. Es gilt nun, die politischen Initiativen zu bündeln. Dazu müssen zunächst die Rahmenbedingungen für Datenverwertung und -nutzung im Sinne von KI geklärt werden. Zugang zu den Datensammlungen in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen und umfassende Möglichkeiten der Datensammlung sind Voraussetzung für erfolgreiche Produkte oder Dienstleistungen basierend auf KI. Von fundamentaler Bedeutung ist, dass die Daten validiert sind und die Algorithmen „neutral“ durch die Entwickler angewendet werden. Auch ist die Sicherheit der IT-­ Infrastrukturen zu gewährleisten, damit die Datensammlungen nicht kompromittiert werden. Des Weiteren wäre es nötig, Rechtsunsicherheiten um die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beseitigen, um einen angemessenen Ausgleich zwischen Datenverfügbarkeit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu finden. Ergänzend dazu macht ein Moratorium für die E-Privacy-Verordnung Sinn: Bevor nicht die DSGVO ­ evaluiert ist, sollten keine weiteren Verschärfungen des Datenrechts erfolgen.

Nicht zuletzt gilt es, Datenkoopera­ tionen zu ermöglichen und sichere Datenräume zu schaffen. Ebenso wichtig ist die Förderung von Innovationen. Ohne einen Forschungsschwerpunkt KI und massive Investitionen in den Auf- und Ausbau von Kompetenzen, wird Deutschland den Wettbewerb mit den USA und China verlieren. Die Strategie der Bundesregierung geht hier bereits in die richtige Richtung. Es muss aber auch dringend an der Verzahnung zwischen universitärer Forschung und mittelständischen Unter­nehmen hierzulande gearbeitet werden. Denkbar

TREND 4/2018


AKTUELL Künstliche Intelligenz

Foto: Fotolia.com ©trahko

Die Zukunft wartet nicht

Bundesländern grundsätzlich zu überarbeiten. Bund und Länder sollten hier an einem Strang ziehen, indem sie eine gemeinsame Weiterbildungsagenda entwickeln mit dem Ziel, mindestens 50 internationale KI-Experten nach Deutschland zu holen. Diese sollen als Multiplikatoren dienen und nationale KI-Spitzenkräfte ausbilden. Damit KI auch jenseits der Universitäten den Menschen vertrauter wird, wäre eine Aufklärungsinitiative von Unternehmen, Verbänden und der Bundesregierung zu den Potentialen von KI denkbar. KI wird sich nur dann zum Wohle der Gesellschaft und in der Breite der Wirtschaft entwickeln, wenn der Ordnungsrahmen von An­ fang an einen fairen Wettbewerb fördert. Deutschland muss aus dem Vorsprung anderer Länder lernen, sollte sich aber nicht auf ein „Race to the Bottom“, die Absenkung datenethischer ­Standards bei der Erfassung und Speicherung von Daten einlassen. KI-Unternehmen in den USA arbeiten etwa unter einem gemäßigteren Datenschutzsystem, chinesische Unternehmen gänzlich ohne, die Voraussetzungen sind also grundverschieden und tragen zu erheblichen ­Wettbewerbsverzerrungen bei. Das Augenmerk muss deshalb ­darauf liegen, den europäischen Standards zum weltweiten Durchbruch zu verhelfen. Mit Blick auf den globalen Wettbewerb müssen die Kräfte gebündelt werden. Die notwendige Expertise und Durchsetzung der Interessen im globalen Wettbewerb lassen sich nur durch gemeinsame europäische Ansätze umsetzen. Wenn dies gelingt, stehen die Chancen gut, bei KI eine Dominanz von US- und asiatischen Technologieunternehmen wie bei den l Plattformen zu verhindern.

wären etwa eine steuerliche Förderung privater Forschungsausgaben, Kompetenzzentren für KI oder vereinfachte Förderverfahren für den Mittelstand. Diese Maßnahmen würden auch den Gründergeist in Deutschland stärken. Noch wird die Hälfte der weltweiten Finanzierung in KI-­ Startups in China getätigt. In den USA werden jährlich bis zu 23 Milliarden US-Dollar in KI investiert. Europa liegt mit insgesamt drei bis vier Milliarden US-Dollar deutlich zurück. Um mehr privates Kapital zu heben, muss es eine einkommensartenübergreifen-

4/2018 TREND

de Anrechnung der Verluste unabhängig von der Rechtsform geben. Eine stärkere Verzahnung von Startups und Mittelstand, branchenweite Leuchtturmprojekte, Modellversuche für den Einsatz von KI und Technologie-Monitoring über die Entwicklungen der KI-Landschaft könnten hierfür als Multiplikatoren wirken. Nicht zuletzt braucht es eine Bildungsoffensive, die alle gesellschaftlichen Gruppen erfasst. Wir müssen heute in die Köpfe von morgen investieren und die Bevölkerung bei der Transformation begleiten. Es ist unumgänglich, die Lehrcurricula in allen

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AKTUELL Kohleausstieg

Foto: Fotolia.com ©ted007

Teure Symbolpolitik

Ein überstürzter Ausstieg aus der Kohlekraft wird vor allem eins – teuer. Gleichzeitig setzen wir Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und unsere Versorgungssicherheit aufs Spiel.

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er weltweite Klimaschutz und der Umbau des Energiesystems bei gleichzeitigem Erhalt der industriellen Basis in Deutschland stellen eine enorme Herausforderung dar. Große Schritte liegen noch vor uns. Entscheidend ist es jetzt, die Energiewende in eine industriepolitische Gesamtstrategie für Wachstum und Innovation einzubetten. Voraussetzung dafür, dass sich die besten Lösungen durchsetzen, sind

Dr. Bernd Weber Foto: Jens Schicke

Bereichsleiter Industrie, Energie, Umwelt, Wirtschaftsrat der CDU e.V.

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die gleichrangige Behandlung von Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit sowie ein technologieoffener Ansatz. Oberstes Ziel muss es sein, Kohlendioxid-Emissionen zu den geringsten Kosten einzusparen. Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit bilden keinen Widerspruch: Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens und des Klimaschutzplans 2050 ist es, die CO2-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent zu senken. Das deckt sich mit der planmäßigen Auskohlung Deutschlands. Der Rückgang von CO2-Emissionen ist durch den EU-Emissionshandel (EU-ETS) fest programmiert. Ein überstürzter Ausstieg aus der Kohleverstromung wäre vor allem Symbolpolitik. Die CO2-Emissionen würden ins Ausland

verlagert, zugleich unsere Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, ohne CO2 in Europa einzusparen. Genauso wenig zielführend sind ein CO2-Mindestpreis oder eine CO2-Steuer in Deutschland. Beide würden den wirksamen Preisbildungsmechanismus des EU-ETS einschränken. Fest steht: Deutschland ist beim Klimaschutz weit vorn. Kein EU-Staat hat in den letzten 30 Jahren mehr Klimagase eingespart. Energiewirtschaft und Industrie haben viel geleistet. Allein der Energiesektor wird 2020 fast 40 Prozent weniger CO2 ausstoßen als noch 1990. Die Reduktionen in Landwirtschaft und Verkehr fallen mit 23 und vier Prozent bescheidener aus. Damit die Energiewende gelingt, müssen alle Sektoren einbezogen

TREND 4/2018


AKTUELL Kohleausstieg

4/2018 TREND

Industrie hängt vom Strompreis ab. Konventionelle Kraftwerke sind für eine grundlastfähige Stromerzeugung unverzichtbar, solange Strom aus Erneuerbaren nicht verlässlich ist. Die konsequente Synchronisierung des Ausbaus Erneuerbarer und der Netze sind Voraussetzung dafür, dass der Strom beim Verbraucher ankommt. Schon vor dem Auslaufen der Kernenergie prognostizieren die Übertragungsnetzbetreiber für Deutschland, dass es in eine Unterdeckung gesicherter Leistung läuft. Auf Importe aus Nachbarländern zu setzen ist riskant, weil versorgungskritische Zeiten in Europa meist gleichzeitig auftreten. Während die Industriequoten in Großbritannien oder Frankreich auf rund zehn Prozent geschrumpft sind, trägt die Industrie in Deutschland 23 Prozent zur jährlichen Wirtschaftsleistung bei. Sie leistet einen zentralen Beitrag für Wirtschaftswachstum, Rekordbeschäftigung und sprudelnde

Steuereinnahmen. Eine marktwirtschaftliche, verlässliche Energiewende bildet für unsere Wettbewerbsfähigkeit daher eine wichtige Voraussetzung. Der Wirtschaftsrat setzt sich dafür ein, die industrielle Wertschöpfung im Land zu erhalten. Der Kohle-

Dr. Cezara Missing Fachgebietsleiterin für Energieeffizienz, Umwelt und Klimaschutz, Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Foto: privat

werden. Der Wirtschaftsrat fordert, CO2-Einsparungen mit dem EU-ETS vorantreiben: Die EU wird so die CO2-Emissionen der ETS-Sektoren bis 2030 (Basis 2005) um 43 Prozent senken, bis 2050 um fast 90 Prozent. Allein seit der ETS-Reform im April 2018 ist der CO2-Zertifikatepreis im Vergleich zu Dezember 2018 um über 150 Prozent gestiegen. Die Mengensteuerung des ETS wirkt und schafft Anreize, CO2-Emissionen zu vermeiden. Industrie und Haushalte sind auf bezahlbare, verlässliche Energie angewiesen. Rund 40 Prozent des Stroms wird derzeit aus Kohle gewonnen. Nach dem Ausstieg aus der Kern­ energie jetzt überstürzt aus der Kohle auszusteigen, führt zu höheren Strompreisen und gefährdet die Versorgungssicherheit. Der Wirtschaftsrat fordert die Bundesregierung auf, wettbewerbsfähige Strompreise sicherzustellen. Gerade die energieintensive

wirtschaft kommt mit mehr als 35.000 Beschäftigten eine enorme Bedeutung zu. Hinzu kommen Hunderttausende Arbeitsplätze, die indirekt von ihr abhängen. Deutschlands Ausstieg aus der Kohleverstromung muss mit Aul genmaß erfolgen.

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Foto: Fotolia.com ©Mimi Potter

TREND-GRAFIK Digitalisierung

Deutschland im digitalen Wandel Text und Grafiken: Philipp Schwartz und Patricia Schrams

Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) sind die zentralen Themen des digitalen Wandels. Auch die Mitglieder des Wirtschaftsrates sehen im Einsatz von KI einen Schlüssel für verbesserte ­Produktivität in ihrem Unternehmen. Deutschland ist als Soziale Marktwirtschaft auf die Zukunft vorbereitet, doch die Hemmnisse sind groß und es hapert an den Rahmenbedingungen. Hier ist die ­Politik gefragt. Die Zufriedenheit der Unternehmer mit der Digitalisierungspolitik der Bundesregierung lässt zu wünschen übrig.

Wie zufrieden sind Sie mit der Digitalisierungspolitik der Bundesregierung?

Deutschland = Breitband ? Breitbandversorgung über alle Technologien in Prozent der Haushalte, Stand Mitte 2018

in Prozent

Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Thüringen Brandenburg Saarland Niedersachsen Rheinland-Pfalz

Quelle: Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Schleswig-Holstein Sehr zufrieden Zufrieden Weniger zufrieden Gar nicht zufrieden Weiß nicht keine Antwort

0,40 % 9,65 % 47,95 % 38,08 % 2,50 % 1,41 %

Hessen Nordrhein-Westfalen Bayern Berlin Bremen Hamburg  2 Mbit/s

 30 Mbit/s

 50 Mbit/s

LTE-Versorgung

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TREND 4/2018

Quelle: Breitbandatlas, TÜV Rheinland im Auftrag des BMVI

Baden-Württemberg


Wie wichtig ist die digitale Transformation für die Zukunft Ihres Unternehmens?

Ist Deutschland bereit für die digitale Transformation? Top-3-Hemmnisse bei der Digitalisierung in Deutschland

in Prozent

Angaben von Unternehmern in Deutschland in Prozent Fehlende Erfahrung bei nutzerzentirertem Vorgehen 63 Verteidigung bestehender Strukturen 50 Zeitmangel 49

Äußerst wichtig 36,76 % Sehr wichtig 39,28 % Wichtig 19,88 % Weniger wichtig 3,33 % Überhaupt nicht wichtig 0,11 % Weiß nicht 0,56 % keine Antwort 0,07 %

Quelle: Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Der Einsatz von Künstlicher ­Intelligenz führt zu verbesserter Produktqualität

Intelligente Technologien sind der Schlüssel für die produktivere Erledigung von Routineaufgaben

in Prozent

in Prozent

Stimme zu 94,41 %

Stimme zu 77,2 %

Das Aufgabenspektrum der Mitarbeiter wird sich in Richtung höhere Wertschöpfung verlagern in Prozent

Stimme zu 89,78 %

Stimme nicht zu 16,89 %

Stimme nicht zu 4,12 %

Stimme nicht zu 8,33 %

Europa = Breitband ? Breitbandversorgung über alle Technologien in Prozent der Haushalte, Stand Juni 2017 Frankreich 97,5 Finnland 96,5

55,5 66

30.230.343

39,2 98

2.654.657

43,4 99,6

Österreich 98,6

81,1

57,2

Norwegen 100

83,8

79,8

Deutschland 97,1

84,1

65,4

85

83,6

Italien 98,5

86,2

21,7

Irland 96,2

87,5

52,3

Portugal 98,7

93,5

90,7

Vereinigtes Königreich 95,2

93,9

50,9

Niederlande 100

98,2

98,2

99,6

Schweiz 99,8

98,9

98,5

99,8

Spanien 95,7

4/2018 TREND

3.903.333

99

2.605.361

99,7 96,5

40.702.779

97,2

17.967.650

98,7

25.323.845 97,2

1.737.475 98,9

99,5

4.081.392 28.298.494 7.616.658 3.631.351

 2 Mbit/s  30 Mbit/s  100 Mbit/s LTE-Versorgung Haushalte

Quelle: European Comission, Study on Broadband Coverage in Europe 2017

Quelle: Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Mehrfachnennung möglich

Quelle: https://www.etventure.de/blog/etventure-studie-digitale-transformation2017-die-deutschen-unternehmen-sind-zu-langsam-und-zu-unflexibel/

TREND-GRAFIK Digitalisierung

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Foto: Fotolia.com ©sdecoret

AKTUELL Digitalisierung

Großer Gewinner! Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an der digitalen Infrastruktur, setzt auf Bildung und will, dass Deutschland Innovationsland bleibt.

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irft man einen Blick in die Zeitungen, bekommt man schnell den Eindruck, Deutschland hinke bei der Digitalisierung weit hinterher. Das ist so nicht richtig. Die Bundesregierung arbeitet am digitalen Aufbruch. Erstens: Die digitale Infrastruktur in Deutschland ist besser, als viele glauben. Sie ist die Grundlage für alles bei der Digitalisierung. Deshalb hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag zehn bis zwölf Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode für den Ausbau der Glasfaser-

Foto: Bundestag/Tobias Koch

Prof. Dr. Helge Braun MdB Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben

„Die digitale Infrastruktur in Deutschland ist besser, als viele glauben.“

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netze versprochen. Bis 2025 können die Glasfasernetze in Deutschland flächendeckend verfügbar sein. Zusätzlich unterstützen wir den Ausbau der Mobil­funknetze. Bis 2021 sollen alle Funklöcher geschlossen sein. 5G zeichnet sich nicht nur durch hohe Geschwindigkeiten, sondern auch durch niedrige Latenz und neue Kryptographieverfahren aus. Ein Viertel des Gesamtvolumens der Frequenzen wird exklusiv den Unternehmen für Firmennetzwerke zur Verfügung stehen. Für die Industrie 4.0 ist das sehr wichtig. Beim Thema Fachkräfte spielt der Staat ebenfalls eine große Rolle. Bildung ist die Grundlage für alles. Viele, auch aus der Wirtschaft, fordern jetzt ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das halte ich für einen fatalen Gedanken. Wenn wir wollen, dass die positive Stimmung für ein digitales Deutschland unser Land als solches erfasst, dann müssen Politik und Wirtschaft ein gemeinsames Versprechen abgeben. Und dieses Versprechen ist so alt wie die Bundesrepublik selbst – es ist das Versprechen von Vollbeschäftigung, das wir seit Ludwig Erhard geben. Wenn wir vom Einzelnen fordern, am Produktivitätsprozess

teilzunehmen, müssen wir auch alles dafür tun, dass wir genügend Arbeitsplätze schaffen. Deshalb ist die Frage, wie viele Arbeitsplätze durch die Digitalisierung ersetzt und wie viele neu geschaffen werden, eine der zentralen Fragen der Akzeptanz in unserer Gesellschaft. Ich persönlich glaube, dass wir das hinkriegen. Und das ist auch gar nicht so schwer. Die Herausforderung lautet: Bildung und Weiterbildung. Und dieser Herausforderung stellt sich die Bundesregierung. Allen, die bei uns im Land sind, wollen wir eine Chance geben! Der dritte große Punkt, an dem wir als Bundesregierung arbeiten, betrifft die Innovationen. Sie sind die Basis für unser Land. Als kleines Land sind wir nur deshalb Exportweltmeister, weil wir Hoch- und Spitzentech­ nologie produzieren. Deshalb müssen wir – technologieoffen – in Innovationen investieren. Klar ist: Wenn Deutschland bei Industrie 4.0 vorne mit dabei sein will, müssen wir die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) ­vorantreiben. Mit dem richtigen Schwung wird unser Land einer der großen Gewinner der Digitalisiel rung werden! (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

TREND 4/2018


AKTUELL Digitalisierung

Deutschland als die stärkste Wirtschafts- und Innovationskraft Europas ist wesentlich von den Veränderungen betroffen. Deshalb brauchen wir Mut und Aufbruchstimmung. Wir müssen die globalen Herausforderungen annehmen und den dynamisch-digitalen Wandel gestalten. Wir haben allen Grund zuversichtlich zu sein. Forscher und Entwickler haben dieses Land stark gemacht. Und genau diesen Weg werden wir weitergehen. Natürlich ist die Geschwindigkeit des technolo­gischen Wandels für alle eine Herausforderung – und hier sind Unternehmer und Mitarbeiter stark gefordert. Doch es geht noch darüber hinaus. Denn der Wandel trifft die ganze Gesellschaft, von den Kleinsten bis zu den Senioren. Wir möchten, dass die ganze Gesellschaft von den techno-

Anja Karliczek MdB

Foto: Bundestag/Rauß Fotografie

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eutschland ist das Innovationsland Nummer eins. Das hat uns das World Economic Forum in seinem letzten Wettbewerbsbericht bescheinigt. Auch das Ziel, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, haben wir bereits erreicht. Vermutlich werden wir in diesem Jahr den größten Leistungsbilanzüberschuss der Welt erreichen. Schließlich sind wir besonders stark beim Verkauf forschungsintensiver Güter. Made in Germany ist also nach wie vor ein herausragendes Qualitätsmerkmal. Frieden, Freiheit und Wohlstand sind heute für uns selbstverständlich. Diesem Land ging es nie besser. Viele Menschen sind trotzdem verunsichert. Sie haben Sorge, den Veränderungen nicht gewachsen zu

Bundesministerin für Bildung und Forschung

„Made in Germany ist nach wie vor ein ­herausragendes Qualitätsmerkmal.“ Wir müssen uns fragen: Wie können wir bahnbrechende Innovationen schneller auf den Markt bringen? Die Agentur für Sprunginnovationen ist ein gänzlich neuer Förderansatz. Wir machen uns auf den Weg, um mit öffentlichem Geld und schlanken Strukturen innovative Ideen zu fördern. Pa-

Foto: Fotolia.com ©Gorodenkoff

Mehr Mut! Deutschland muss die ­globalen Herausforderungen annehmen und dynamisch-­ digitalen Wandel gestalten.

sein. Aber wer, wenn nicht wir, hat die wirtschaftliche und strukturelle Kraft, die Herausforderung zu bewältigen? Gerade jetzt sind wir gefordert, da nationalistische Tendenzen unseren Wohlstand bedrohen. Es geht darum zu zeigen, dass die freiheitliche westliche Welt in der Lage ist, Freiheit und Demokratie durch Wohlstand für alle zu verteidigen.

4/2018 TREND

logischen Entwicklungen profitieren kann. Das ist einerseits eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Andererseits aber auch immer der individuellen Lebensperspektive. Nur daraus kann die Zuversicht entstehen, die wir jetzt brauchen. Denn die Gegenwart und unsere Zukunft bieten viel mehr Chancen als Risiken, wenn wir die Gunst der Stunde nutzen.

rallel dazu bringen wir die steuerliche Forschungsförderung auf den Weg. Wir brauchen Mut, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen wollen – auch den Mut zu scheitern. Versuch macht klug, und Probieren geht über Studieren. Diese beiden Sprichworte sollten wir uns alle zu l Herzen nehmen. (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

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AKTUELL Digitalisierung

Das sind die Voraussetzungen für eine starke Gründerkultur und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft.

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ie allgemeinen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland müssen verbessert werden. Und zwar für alle. Für das Handwerk, die Industrie und den Mittelstand. Das ­ ist Voraussetzung dafür, dass wir eine größere Vitalität der Gründer­ kultur erleben. Dies betrifft steuerliche Rahmenbedingungen und bürokra­ ­ tischen Belastungen. Es stellt sich die Frage, inwieweit wir fähig sind, die Chancen der

Christian Lindner MdB

Foto: FDP

Bundesvorsitzender der FDP, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag

„Wir sind bei der Steuerlast 2020 Weltmeister.“

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­ igitalisierung für alle zu nutzen. DaD bei passiert zu wenig. Weder läuft der Ausbau der Infrastruktur zufriedenstellend noch die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Dabei ginge dort mehr. Mit dem entsprechenden politischen Willen könnten wir mehr Tempo aufnehmen. Meine drei Kapitel für eine Gründerkultur lauten wie folgt: Erstes ­Kapitel – Köpfe. Das wichtigste sind Köpfe. Damit meine ich zum einen Gründer. Risikobereite Menschen, die eine Idee wirtschaftlich in Wert setzen wollen. Wenn in Deutschland ein Drittel der Hochschulabsolventen sagt, sie wollen Beamte werden, dann fehlt uns der Pool an Talenten, den wir für hochinnovative Unternehmensgründungen brauchen. Zu Köpfen gehört selbstredend auch eine Verbesserung des Bildungssystems. Die Digitalisierung von Schulen und das lebenslange Lernen müssen vorangetrieben werden. Zweites Kapitel – Kapital. Wir sind bei der Steuerlast im übernächsten Jahr Weltmeister. Das Geld ist da, es muss genutzt werden. Nicht nur, um Stellen im öffentlichen Dienst aufzubauen, nicht nur für die Mütterrente. Sondern für Steuerentlastungen, um Innovationen im privaten Sektor anzuschieben. Zum Thema Kapital gehört die Nutzung des Kapitals, das zur

Foto: Fotolia.com ©alphaspirit

Köpfe, Kapital und Kultur Verfügung steht bei Versicherungen und Versorgungswerken. Wir haben zwei Billionen Euro unter Verwaltung. Dieses Kapital wird genutzt für Steine und Staatsanleihen. Hier könnten wir durch eine Liberalisierung einen Hebel mit doppelten Nutzen ansetzen. Zum einen für mehr Investitionen. Und zum anderen für eine bessere und stabilere Altersvorsorge. Drittes Kapitel – Kultur. Dazu gehört die Bereitschaft zum Experiment und zur Offenheit für neue Antworten auf Fragen, die bisher keiner so gestellt hat. Experimentelle Kultur wird in Deutschland gefährdet, leider, durch unseren Bürokratismus, der seine Tentakel auch in neue Lebensbereiche ausstreckt. Mein Lieblingsbeispiel ist die Datenschutzgrundverordnung. Unser wesentlicher Rohstoff, Daten, wird mit einem falschen Paradigma ausgebremst. In den USA und in Asien werden Daten genutzt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Künstliche Intelligenz (KI) Wertschöpfung erzielen kann. Wenn wir über Gründerkultur sprechen, dann bedeutet das ein Stück Wagnis. Selbst das Scheitern ist ein Fortschritt – weil man danach weiß, was nicht funktioniert. Mehr Raum für Experimente, mehr Raum für Risiken. Wir müssen unsere Kultur l verändern! (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

TREND 4/2018


AKTUELL Digitalisierung

Scale up für Startups Die zentralen Wachstumsgrundlagen von Startups sind überall auf der Welt gleich.

4/2018 TREND

Foto: Fotolia.com ©.shock

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schiedliche Finanzierungsbedingungen in verschiedenen Weltregionen. Im Silicon Valley ist die Risikobereitschaft höher. Das Scheitern einer Geschäftsidee ist kein Makel. Europa ist da konservativer. Risikokapital ist schwieriger zu akquirieren. Dennoch: Die Gemeinsamkeiten für den Lebenszyklus eines Startups sind weltweit vergleichbar. Die Experimentierphase, der Vertrieb und die Wachstumsphase – diese Schritte sind überall auf der Welt vergleichbar. Unterschiedlich ist indes die Geschwindigkeit dieses Prozesses. Je schneller der Lebens­ zyklus eines Startups, umso schneller verbreiten sich Ideen und Geschäftsmodelle. Das nutzt nicht allein den Investoren. Von einem schnellen Lebenszyklus eines Startups profitieren auch die Entwickler und die Gründer. Sie lernen ihre Lektionen schneller und können davon beim nächsten ­Geschäftsmodell profitieren. Diese schnellen Lernprozesse für jede Gründergeneration treiben

I­ nnovationen voran. Das ist das wichtigste Geschäftsgeheimnis des Silicon ­Valley. Mehr und schnellere Lebenszyklen bedeuten mehr Praxis und mehr ­Erfahrung. Es ist ähnlich wie bei einem Training, bei dem man ­ständig

Duncan Davidson Foto: Katerina Biliouri

icrosoft betrachtet Startups als wichtigen globalen Innovationstreiber. Startups inspirieren uns. Sie entwickeln neue Ideen, verschieben die Grenzen des Möglichen und entwickeln neue Lösungen, die unser Leben verbessern. Anders ausgedrückt: Sie helfen uns, die Zukunft zu gestalten. Je besser es den Startups geht, umso besser geht es auch Großkonzernen. Wir haben hier eine klassische Win-Win-Situation. Microsoft beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Startups – und wir haben inzwischen einen einzigartigen Weg gefunden, wie wir Startups unterstützen können. So ermöglichen wir Startups, über Microsoft-Kanäle ihre Produkte an unsere Kunden zu verkaufen. Microsoft „ScaleUp“ hilft Startups bei Vertrieb, Marketing und Technologie. Startups nehmen dabei an einem unserer acht weltweiten Standorte an einem Programm teil und erhalten kontinuierliche Unterstützung von Microsoft. Niemand sonst kann gegenwärtig ein derartiges Modell anbieten – in Seattle, London, Berlin, Tel Aviv, Bangalore, Beijing, Shanghai und Sydney. In Berlin arbeiten wir mit Startups aus ganz Europa zusammen. Als wir unser globales Programm aufgesetzt haben, hatten wir die Grundidee, dass jede Region sich zu stark unterscheidet, um überall mit einem anderen, einem spezifischen Ansatz heranzugehen. Wir haben gelernt, dass dies nicht so ist. Das Gegenteil ist richtig. Die zentralen Wachstumsgrundlagen sind überall auf der Welt ähnlich. Es gibt kulturelle Unterschiede und unter-

Chief Technology Officer (CTO) Microsoft for Startup, Berlin

„Je besser es den Startups geht, umso besser geht es auch Großkonzernen.“ dazulernt. Deutschland ­ benötigt ein ähnliches Mindset und bessere Finanzierungsbedingungen, um das ­ Wachstum von Startups schneller l ­voranzutreiben. (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

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Foto: Fotolia.com ©Erwin Wodicka

AKTUELL Digitalisierung

Neue Netze! Funkfrequenzen zu verknappen, ist dem schnellen ­Netzausbau in der Fläche nicht förderlich.

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ahr ist: Wir spielen derzeit nicht in der globalen Champions League. ­Weder bei Glasfaser noch beim Mobilfunk. Ganz wichtig ist der Netzausbau in der Fläche. Besonders für 5G. Also: Die Glasfaser muss her.

René Obermann

Foto: privat

Managing Director, Warburg Pincus LLC, Mitglied der Internet Economy Foundation

Wir benötigen in den nächsten Jahren jede Menge Genehmigungen für neue Antennen. Das wird zu Problemen führen. Denn Planfeststellungsverfahren für neue Antennen dauern bis zu zwei Jahre. Es wäre ideal, wenn die Bundesnetzagentur alsbald Funkfrequenzen auch unter 1 Gigahertz bereitstellt, weil die eine andere Ausbreitungscharakteristik haben, man kann also weite Flächen mit relativ wenigen Standorten abdecken. Es ist ungünstig, Funkfrequenzen zu verknappen und dann für viel Geld zu versteigern. Sicher fließen da zur Freude einiger Finanzpolitiker wieder

Milliarden in die Staatskasse. Aber der Sache ist es nicht sonderlich dienlich. Man sollte vielmehr gegen konkrete Qualitäts- und Ausbauverpflichtungen Frequenzen vergeben. Oder die Einnahmen zumindest in die Netzinfrastruktur zurückführen. Denn dann fließt das Geld dahin, wo der größte gesellschaftliche Nutzen entsteht, nämlich in den Netzausbau. Wir dürfen nicht nur die urbanen digitalen Eliten mit Bildung, Berufschancen und digitalen Entwicklungen erreichen. Wenn wir den Rest der Gesellschaft außen vorlassen, haben wir alle verloren! l (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

Diskurs statt Diktat! Chance auf Teilhabe ist Voraussetzung für Mitwirkung.

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er Staat ist nicht absolut. Denn dann wird der Mensch zum bloßen Objekt. Um Freiheit und Sicherheit zu behalten, müssen wir bewusst an der Entwicklung des Staates mitwirken. Damit der Staat ein Gemeinwesen bleibt, mit dem sich seine Bürger

Dr. Ulrich Störk

Foto: PwC

Sprecher der Geschäftsführung, PwC GmbH WPG

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identifizieren, ist eine möglichst pluralistische Gesellschaft mit niedrigschwelligen Möglichkeiten der Teilhabe erforderlich. Die Teilhabemöglichkeit ist Voraussetzung für Mitwirken. Und Fähigkeiten zur Teilhabe werden über Bildung vermittelt. Hierzu gehört der Zugang zu qualitativ hochwertigen Bildungseinrichtungen und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Erodieren diese Grundvoraussetzungen eines Gemeinschaftsvertrags, wird sich der Staat seines Gewaltmonopols bedienen, um den Machterhalt zu sichern. Wir können dieses Phänomen einer falschen, von der Freiheit

entkoppelten Sicherheit weltweit beobachten. Um es klar auszudrücken: Sicherheit darf nicht zweckentfremdet werden, um eine unerwünschte Ausübung der Freiheit durch die Bürger zu beschränken. Sondern sie muss dazu dienen, den Bürgern die Ausübung ihrer Freiheitsrechte zu ermöglichen. Zur Lösung der vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit, zum Erhalt von Freiheit und Sicherheit, brauchen wir Vielfalt statt Einfalt, Diskurs statt Diktat. Freiheit darf nicht zugeteilt und als Opportunität gewährt werden. l Freiheit ist unteilbar! (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

TREND 4/2018


AKTUELL Digitalisierung

Strategie stärken! damit sie die losen Enden der Digitalisierung so zusammenführt. Wirtschaftliche Notwendigkeiten sind mit rechtlichen Rahmenbedingungen zu versöhnen, ethische Frage­ stellungen

„Wir haben kein ­ Analyse-, sondern ein Umsetzungs­problem.“ abzuwägen und technische Neuerungen politisch zu unterstützen. Aber: Es wird entscheidend sein, die ­Widersprüche der bisherigen Politik aufzulösen.

Deutschland hat beste Voraus­ setzungen, die Digitalisierung als große Chance wahrzunehmen und ­ weiter an der Weltspitze mitzuspielen: Wolfgang Steiger Generalsekretär des ­Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Foto: Jens Schicke

D

eutschland steht vor einer Innovationswelle. Künstliche Intelligenz (KI) wird es erlauben, Produkte, Dienstleistungen und Prozesse wesentlich effizienter zu gestalten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das Potential ist groß. Doch wesentliche Weichenstellungen müssen jetzt erfolgen. Andere Länder haben KI höchste Priorität eingeräumt. Jetzt kommt es darauf an, dass auch wir die Ärmel hochkrempeln. Wir haben kein Analyse-, sondern ein Umsetzungsproblem. Deutschland braucht einen Masterplan KI. Der Wirtschaftsrat setzt hier große Hoffnungen auf die Bundesregierung,

eines der besten Forschungssysteme der Welt, einen starken Mittelstand und einen hohen Industrieanteil. Das l sind ­Assets! (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

Anzeige/Advertorial

Flüssige Kraftstoffe für morgen

Mit einem Energiemix in die Zukunft Um beim Klimaschutz die gewünschten Erfolge zu erzielen, ist es wichtig, die heutigen und künftigen Herausforderungen in einem offenen Wettbewerb um die besten Lösungen anzugehen.

flüssiger Kohlenwasserstoffe aus unterschiedlichen regenerativen Quellen. Bei der Auswahl der Rohstoffe wird eine Nutzungskonkurrenz zu Agrarflächen oder Nahrungsmitteln bewusst vermieden.

Transformationspfade mit einem breiten Technologie- und Energieträgermix sind robuster und bis 2050 um bis zu 600 Milliarden Euro kostengünstiger als solche, die verstärkt auf strombasierte Anwendungen setzen. Das zeigt die Leitstudie „Integrierte Energiewende“ der Deutschen Energie-Agentur (dena).

Aufgrund des absehbar großen Bedarfs werden auch synthetische Energieträger aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff und CO2 als Kohlenstoffquelle, auch Power-to-X oder E-Fuels genannt, benötigt. All diese alternativen Brenn- und Kraftstoffe haben die gewohnt hohe Energiedichte und könnten in der bereits heute genutzten Infrastruktur und Technik zum Fahren, Fliegen und Heizen ohne aufwändige Umrüstungen eingesetzt werden.

Ein solcher Mix sollte auch flüssige Kraft- und Brennstoffe enthalten, die künftig zunehmend „grün“ werden. Solche alternativen flüssigen Energieträger sind für eine weitgehend treibhausgasneutrale Energieversorgung unverzichtbar. Denn auch nach Effizienzsteigerungen und dem Ausbau der Öko-Stromerzeugung wird eine Lücke in der Versorgung mit erneuerbarer Energie bleiben. Diese Lücke kann durch neue Fuels geschlossen werden. Zur Herstellung alternativer Brenn- und Kraftstoffe gibt es verschiedene „Pfade“. Derzeit sind biomassebasierte Produkte auf dem Markt erhältlich, die bereits heute Treib4/2018 TREND hausgasminderungen aufweisen. Für die Zukunft geht es um die Herstellung alternativer

Erneuerbare Kraft- und Brennstoffe sind ein wirksamer Lösungsbeitrag für den globalen Klimaschutz. Um ihre ökonomischen und ökologischen Vorteile nutzen zu können, sind jedoch erhebliche Investitionen in deren Herstellung nötig. Diese Investitionen setzen langfristig verlässliche Rahmenbedingungen voraus. Daher ist jetzt eine entsprechende politische Weichenstellung wichtig.

Warum alternative Brenn- und Kraftstoffe? » Erneuerbare Kraft- und Brennstoffe sind in der heute verfügbaren Technik einsetzbar. Klimaschutz wird möglich, ohne dass dafür hohe Investitionen in neue Infrastruktur und Anwendungstechnik zwingend werden. » Transformationspfade mit einem breiten Technologie- und Energieträgermix bis 2050 sind um bis zu 600 Milliarden Euro kostengünstiger als solche, die verstärkt auf strombasierte Anwendungen setzen (dena-Leitstudie). » E-Fuels könnten im Jahr 2050 zu wettbewerbsfähigen Kosten zwischen 70 Cent und 1,30 Euro je Liter erzeugt werden (Prognos). » Ein wachsender Weltmarkt für erneuerbare Kraft- und Brennstoffe eröffnet Erzeugerländern starke Entwicklungsperspektiven und wird sich für die deutsche Wirtschaft als Technologielieferant positiv auswirken. Möglich sind hierzulande fast eine halbe Million neue Arbeitsplätze bis 2050 (Frontier/IW). Quellen: dena-Leitstudie Integrierte Energiewende Impulse für die Gestaltung des Energiesystems bis 2050 Ergebnisbericht und Handlungsempfehlungen

www.oel-weiter-denken.de

Frontier/IW (2018): Synthetische Energieträger – Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel

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Prognos/DBFZ/UMSICHT (2018): Status und Perspektiven flüssiger Energieträger in der Energiewende


AKTUELL Digitalisierung

Deutschland und Europa b­ rauchen einen ­digitalen Rahmen Foto: Denzel, Jesco/BPA

Ob Industrie 4.0, Cybersicherheit, Breit­bandausbau, Smart ­Government – Deutschland und Europa müssen Tempo machen. Voraussetzung dafür sind die Rahmenbedingungen, die die Politik aktiv gestalten muss. Deutschland ist beim Thema Industrie 4.0 Vorreiter – insbesondere auch beim Thema Standardisierung. Aber bei allen guten Entwicklungen muss uns auch bewusst werden: Wir stehen erst am Anfang. Wandel geschieht nicht einfach, d ­ ie digitale Transformation muss gestaltet werden. Das ist eine Aufgabe, bei der auch wir uns als Bundesminis­ terium mit in der Pflicht sehen.

re Struktur aus kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn wir richtig ­digitalisiert sind, werden alle Geschäftsfelder ­horizontal und vertikal vernetzt sein. Sicherheit muss dann von Anfang an mitgedacht werden. Dr. Gerhard Schabhüser

Vizepräsident Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)

Deutschland will Industrieland bleiben. Das heißt aber auch, dass sich die Industrie modernisieren muss. Dabei spielt die Industrie 4.0 eine wesentliche Rolle. Studien belegen, dass die Vorreiter der Digitalisierung die größten Zuwächse an Wohlstand und Beschäftigung verzeichnen. Deutschland liegt hier an der Spitze. Darum mag ich diese Verzagtheit nicht. Ich wünsche mir viel mehr Optimismus – und mehr Aufklärung über die großartige Wirkung der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt. Oliver Wittke MdB

Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie

Foto: BSI

Cybersicherheit ist aus Sicht des BSI kein Hemmnis, sondern ein Wertschöpfungsfaktor. Sie ist schon deshalb ein Wirtschaftsfaktor, weil wir mitten im Digitalisierungsprozess stecken und noch gar nicht richtig digitalisiert sind. Wir stehen erst am Anfang. Eine der großen Herausforderungen beim Thema Sicherheit in Deutschland ist unse-

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Industrie 4.0 muss aus Sicht der Unternehmen vom Ende her gedacht werden. Wir brauchen Bilder, die dem Endkunden beschreiben, was durch Industrie 4.0 anders wird – und wie meine Fertigung besser wird. Die Digitalisierung ist dabei das Mittel zum Zweck. Aber eben nur Mittel. Der Zweck ist, dass ich am Ende anders, schneller und besser produzieren kann. Rolf Najork

Vorsitzender des Vorstands, Bosch Rexroth AG

Deutschland macht sich unnötig klein. Hinter den USA liegt Deutschland bei Produkten für Cyber-Sicherheit weltweit auf Platz zwei. Jedes fünfte Produkt stammt aus Deutschland. Wir haben also offensichtlich gar nicht das Problem, dass wir nicht genügend kluge Köpfe hätten und Leute, die Produkte entwickeln. Aber: Wir haben viele sehr kleine Produkte, die nicht richtig wahrgenommen werden. Das Problem ist nicht die Innovation an sich, sondern ihre ­Vermarktung. Prof. Timo Kob

Vorstand HiSolutions AG, Vorsitzender Bundesarbeitsgruppe Cyber-Sicherheit im Wirtschaftsrat

TREND 4/2018

Foto: privat

Foto: BMWi/Jan Kopetzky

Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung

Foto: Bosch

Dr. Georg Schütte


Künstliche Intelligenz (KI) wird unser Leben verändern, und wir sollten unsere Chancen nutzen. Das heißt bereit sein, uns den Themen zu stellen und politische Entscheidungen zu fällen. Beim Thema KI ist eins besonders wichtig: Eine deutsche KI-Strategie sollte sich auf die Stärken von KI beziehen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir nicht nur auf hohe Qualität und analytisches Vorgehen achten, ­sondern dass auch der Mittelstand von KI profitiert.

Dr. Tobias Miethaner

Stellv. Vorsitzender Arbeitsgruppe Digitale Agenda der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Deutschland muss beim Thema Smart Government aufholen. Dafür haben wir mit dem Online-Zugangsgesetz eine Grundgesetzänderung vorgenommen. Einerseits geht es um die Infrastruktur: Wir bauen derzeit einen Portalverbund auf, bei dem wir die Verwaltungsportale von Bund, Ländern und Kommunen intelligent miteinander verknüpfen. Dabei wird ein Single Sign-on implementiert. Egal über welches Portal sich ein Bürger einloggt, er wird im Hintergrund weitergeleitet, und seine Transaktion mit der öffentlichen Verwaltung ausgeführt. Zweites Thema beim Online-Zugangsgesetz: Wir haben uns verpflichtet, alle Verwaltungsleistungen innerhalb von fünf Jahren zu digitalisieren.

Das Datenvolumen steigt rasant. Dabei ist auch interessant, wo die Daten anfallen. Rund zehn Prozent aller verfügbaren Daten werden heute außerhalb von Rechenzentren und Clouds generiert und verarbeitet, in vier Jahren sollen es bereits 75 Prozent sein. Das sind Daten, die künftig das autonome Auto, die intelligente Straßenlaterne, Fabriken und Krankenhäuser generieren. Ganz wichtig: 99 Prozent der Daten, die heute generiert werden, werden noch nicht richtig genutzt. Das ist ein Heuhaufen voller Nadeln – wir haben also eine Riesenchance, diesen Daten einen Mehrwert zu entlocken. Das Zauberwort lautet KI. Wir dürfen KI aber nicht so anwenden wie bisher, sondern die Maschine muss selbständig bislang unerkannte Datenkorrelationen suchen. Dieses so genannte Bottom-up-Modell bringt disruptive Erkenntnisse und schafft neue Mehrwerte.

Foto: BMI

Abteilungsleiter Digitale Gesellschaft, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Klaus Vitt

Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Foto: privat

Mobilfunknetze und Breitband-Versorgung werden heute von jedem als selbstverständlich wahrgenommen. Das ist gefühlte Daseinsvorsorge, so wie Wasser und Strom. Weil Deutschland aber bei den Netzen international nicht die Nase vorn hat, ist die Erwartungshaltung der Bürger groß, dass hier etwas geschieht. Die Bundesregierung hat dem Thema deshalb in ihrem Koalitionsvertrag eine enorme Bedeutung beigemessen. Dabei geht es auch um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik.

Maik Beermann MdB

Foto: HP

Foto: Jens Schicke

Foto: Fotolia.com ©amiak

AKTUELL Digitalisierung

Heiko Meyer

Managing Director DACH & Russland, Hewlett Packard Enterprise (Auszüge Rede Wirtschaftstag der Innovationen 2018)

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WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

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NEUES AUS DEN KOMMISSIONEN 

MINISTERGESPRÄCH

Digitalisierung vorantreiben Beim Ministergespräch mit Jens Spahn MdB stand unter anderem die Weiterentwicklung des dualen Krankenversicherungssystems auf der Tagesordnung. Der Minister diskutierte mit der De­legation aus Unternehmern im Wirtschaftsrat über den Wettbewerb z­wischen den gesetzlichen Krankenkassen. Jens Spahn betonte, die Digitalisierung in allen Bereichen des Gesundheitswesens weiter voranzutreiben zu wollen. Auch die Pharma- und Medizintech­nikindustrie in Deutschland müssten nach Ansicht diverser Teilnehmer weiter gestärkt werden. Um Patienten die beste Versorgung ermöglichen zu können, braucht es außerdem eine vorwärtsgewandte Gestaltung der Krankenhauslandschaft und -finanzierung. Die Unternehmer sprachen zudem über die ­Zukunftsfähigkeit von Pflege und Rehabilitation – gerade mit

Blick auf den demografischen Wandel steht die Bundes­republik bei diesem Thema vor weitreichenden Herausforderungen, die ganzheitliche Lösungen erfordern.

MEDIENWIRTSCHAFT

ROHSTOFFPOLITIK

Übergabe des Grundsatzpapiers an Staatsministerin Grütters

Wettbewerbsfähige Energieversorgung muss Priorität haben

Anlässlich der Sitzung der Bundesarbeitsgruppe Medienwirtschaft überreichte ihr Vorsitzender Thomas Dittrich Staatsministerin Prof. Monika Grütters das von den Mitgliedern erarbeitete Grundsatzpapier. Darin spricht sich die Bundesarbeitsgruppe für die Sicherung eines fairen Wettbewerbs für Medienunternehmen auf nationaler und europäischer Ebene aus und zugleich für den Abbau der bestehenden Marktungleichheiten in der Regulierung. Gerade um eine breite Meinungsvielfalt zu erhalten, gelte es, eine Reform des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks anzustoßen. Auch bedürfe es vielmehr einer umfassenden Plattformregulierung anstelle des herkömmlichen Medienkonzentrationsrechts. Grütters bezeichnete das Grundsatzpapier als „verdienstvolle Analyse des heutigen Zustandes.“ Es sei richtig, eine Veränderung des medienrechtlichen Rahmens einzufordern und vor dem Hintergrund des Aufkommens der Intermediären auf ein Level-­ Playing Field zu setzen. Es bedürfe gleicher Marktbedingungen für gleiche Angebote und Akteure. In der Diskussion betonte Grütters, wie wichtig es sei, Ansprechpartner in Europa zu haben, da viele Entscheidungen aus Brüssel unmittelbare Durchschlagskraft auf die Medienlandschaft in Deutschland hätten.

Die Stärkung von Planungs- und Investitionssicherheit für die Gewinnung heimischer Rohstoffe prägte die Beratungen der Bundesarbeitsgruppe Rohstoffpolitik unter dem Vorsitz von Dr. Klaus Harste. Die Mitglieder waren sich darin einig, dass der verlässliche, kosteneffiziente und umweltverträgliche Abbau von Rohstoffen ein wesentlicher Faktor für den Industriestandort Deutschland ist und eine politisch bedingte Verknappung an Rohstoffen vermieden werden muss. Genehmigungsverfahren müssten beschleunigt und rechtssicher umgesetzt werden. Darüber hinaus sollten mögliche Lösungen im Bereich der Raumordnung und des Naturschutzes geprüft werden, um den Zugang zu heimischen Rohstoffen zukünftig sicherzustellen. Eine verlässliche Versorgung mit Rohstoffen ist unmittelbar von den energie- und umweltpolitischen Rahmenbedingungen abhängig. Ein überstürzter, politisch forcierter Kohleausstieg würde etwa etablierte Wertschöpfungsketten beim Gips gefährden. Es liegt nun an der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, auch Lösungswege zu einer Sicherstellung der verlässlichen Versorgung mit heimischem Gips aufzuzeigen. Für alle heimischen Rohstoffe, darunter auch der für die Bauindustrie wichtige Sand und Kies müssen durch den Abbau bürokratischer Hindernisse unnötige Kapazitätsengpässe verringert werden. Gleichzeitig ist die Unterstützung der Politik notwendig, um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Gewinnung heimischer ­Rohstoffe steigern zu können.

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TREND 4/2018


WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

MINISTERGESPRÄCH

Wirtschaftsrat-Delegation diskutiert mit Julia Klöckner Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner diskutierte mit einer Delegation des Wirtschaftsrates aus Vertretern der Lebensmittelindustrie und des Handels unter der Leitung von Gerd Chrzanowski, Vorsitzender des Vorstands, Zentrale Dienste der Schwarz Gruppe, über aktuelle politische Themen. Einen regen Austausch gab es zur geplanten Reduktions- und Innovationsstrategie des Bundesministeriums für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten. Außerdem kam das Vorhaben, eine staatliche Tierwohl-Kennzeichnung einzuführen, zur Sprache. Die Unternehmer betonten, dass getroffene Regelungen möglichst EU-weite Gültigkeit erhalten und auf klar überprüfbaren Kriterien basieren sollten. Zudem solle die Bundesregierung dem Leitbild des „mündigen Verbrauchers“ folgen und Überregulierung vermeiden. Die Ministerin stellte sich außerdem den Fragen der Wirtschaftsvertreter zu Themen wie Lebensmittelverschwendung oder der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken.

WIRTSCHAFTSRAT IN LONDON

Finanzrechtliche Perspektiven des Brexits

EUROPÄISCHE ­SICHERHEITSUND VERTEIDIGUNGSPOLITIK

Größere Verantwortung Deutschlands Vor dem Hintergrund außen- und sicherheitspolitischer Herausforderungen sowie erheblicher Umbrüche der internationalen Ordnung tagte die Bundesarbeitsgruppe Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der Leiter der Abteilung Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik im Bundeskanzleramt, Dr. Jan Hecker, betonte die Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit und einer größeren Verantwortung Deutschlands in Europa. Die Unternehmer und ihr Vorsitzender, Frank Haun, waren sich einig darin, dass den politischen Absichtserklärungen nun dringend verlässliche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen folgen müssten, um zu einer wirklich integrierten verteidigungsindustriellen Struktur in Europa zu gelangen. Dazu gehört auch die Frage der Rüstungsexporte. Im Hinblick auf die deutsch-französische Zusammenarbeit werden die Vorschläge für eine bilaterale Vereinbarung befürwortet, die eine „White List“ von definierten gemeinsamen Projekten enthält, nach denen das jeweilige Land nach national bestehenden Exportrichtlinien exportieren darf.

JUNGE GENERATION

Fotos: Christian Plambeck, Jens Schicke, Christian Thiel

Neuausrichtung gefordert

Der Wirtschaftsrat organisierte eine Veranstaltung zum Thema „Economic and Fiscal Perspectives on the Brexit“ in London. Als Hauptrednerin konnte die aus Deutschland stammende Politikerin und Brexit-Befürworterin der Labour Party, Gisela Stuart, gewonnen werden. Als erste gebürtige Deutsche im britischen Parlament organisierte sie die Vote-Leave Kampagne. Stuart gab einen umfassenden Einblick in das Lager und die Motivation der Brexit-Befürworter sowie über die aktuelle politische Situation im Vereinigten Königreich. Sie verwies auf die großen Ungleichgewichte zwischen London und dem Rest des Landes. Dabei ging sie auf ihre Erfahrung mit der EU als Abgesandte beim damaligen EU-Verfassungskonvent der Blair-Administration ein, die Motivation für ihre heutige Leave-Position war. Die ehemalige Abgeordnete stellte sich den kritischen Fragen der Unternehmer. Anschließend diskutierte ein Experten-Panel die finanzvertragsrechtlichen Risiken und Kosten des Brexit. Man war sich einig, dass die Politik handeln muss, denn die Kosten für ein politisches Scheitern wären enorm.

4/2018 TREND

In ihrer Sitzung befasste sich die Bundesfachkommission ­Junge Generation mit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Deutschland, Europa und der Welt. Gastgeber war die Botschaft des Königreichs Belgien in Anwesenheit des Botschafters S.E. ­Willem van de Voorde. Ihm zufolge werden Diplomatie und persönliche Kontakte immer wichtig bleiben, obschon Social Media das Geschäft der internationalen Beziehungen stark verändere. Einigkeit herrschte bei den jungen Unternehmern und ­Führungskräften darüber, dass Europa angesichts der weltweiten Entwicklungen endlich dazu in der Lage sein müsse, sich selbst zu verteidigen. Auch Deutschland darf sich nicht mehr nur auf traditionelle Bündnispartner verlassen. Die schleichende Aushöhlung der westlichen Allianz stellt nicht zuletzt traditionelle Gesprächsformate wie die Münchner Sicherheitskonferenz vor neue He­rausforderungen. Eine kohärente und strategische Ausrichtung der deutschen Außenpolitik ist dringend vonnöten, so das Fazit der Delegation.

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WIRTSCHAFTSRAT Wirtschaftstag der Innovationen

Europa gestalten im digit A uf dem Wirtschaftstag der Innovationen 2018 forderte der Wirtschaftsrat die Bundesregierung auf, mehr ­Entschlossenheit und Tempo in der Digitalisierungspolitik zu zeigen. Im Digitalisierungsindex der OECD rangiert Deutschland unter 20 Ländern nur auf Platz 17. Rund 90 Prozent der Unternehmer im Wirtschaftsrat gaben in einer Mitglieder­ umfrage an „gar nicht“ oder „weniger“ zufrieden mit der Digita­ lisierungspolitik der Bundesregierung zu sein.

Foto: SAP SE

„Eine der wichtigsten Fragen ist heute, wie wir aus Big Data relevante Daten machen.“ Thomas Saueressig

Foto: Wikipedia CC BY-SA 3.0.de

CIO SAP SE, Vorsitzender Bundes­ fachkommission Internet und Digitale Wirtschaft im Wirtschaftsrat

„Das Auto der Zukunft wird ein fahrendes Smartphone sein.“ Dieter Althaus

Vice President, MAGNA International (Germany) GmbH, Ministerpräsident a.D.

Veranstaltungsfotos: Jens Schicke

Kai Hermsen

Foto: Vodafone D ­ eutschland

Head of Security Business Strategy and Global Coordinator of Charter of Trust, SIEMENS AG

„Die Netze sind das Rückgrat unserer ­Gesellschaft – und hier haben wir noch einen langen Weg zu gehen.“ Dr. Christoph Clément

Mitglied der Geschäftsleitung, Vodafone D ­ eutschland; Vorsitzender B ­ undesarbeitsgruppe G ­ igabit-Gesellschaft im Wirtschaftsrat

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„Höhere Bandbreiten werden schnell genutzt – deshalb müssen wir beim Breitbandausbau nicht an heute oder morgen, sondern möglichst weit voraus denken.“ Dr. Urban Keussen Vorstand, EWE AG

TREND 4/2018

Foto: EWE AG

Foto: Siemems AG

„Die digitalisierten Lieferketten von U ­ nternehmen sind im Hinblick auf ­Cybersecurity sehr komplex geworden.“


WIRTSCHAFTSRAT Wirtschaftstag der Innovationen

Grund genug für knapp 1.200 Unternehmer und Führungskräfte aus allen Branchen den Wirtschaftstag der Innovationen als ­Plattform zu nutzen, um sich untereinander, mit Politikern und Gründern von Startups über die Digitalpolitik auszutauschen. Zu den prominentesten Rednern zählten Prof. Dr. Helge Braun MdB, Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für ­besondere Aufgaben (s. S.  30), Anja Karliczek MdB, Bundesministerin für Bildung und Forschung (s. S.  31), Christian Lindner MdB,

Impressionen Bundes­ vorsitzender der FDP, Vorsitzender der FDP-Bundes­ tagsfraktion (s. S.  32), Duncan Davidson, CTO Microsoft for ­Startup, Berlin (s. S.  33), René Obermann, Managing Director, Warburg ­Pincus LLC, ­Mitglied der Internet Economy Foundation (s. S.  34), Dr. Ulrich Störk, ­Sprecher der Geschäftsführung, PwC GmbH WPG (s. S.  34) sowie die Impulsreferenten auf vier Podien (s. S.  36) und Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates (s. S.  35)

„In Österreich und der Schweiz etwa können wir besser mit den Behörden digital interagieren als in Deutschland.“ Rupprecht Rittweger

Foto: e-shelter

alen Zeitalter

„Künstliche Intelligenz löst alles? Das ist zu kurz gesprungen. Als Unternehmen muss ich mein Ziel benennen, um die richtige ­Technologie zu wählen.“

Foto: Arago

Geschäftsführer, e-shelter services GmbH

Alfred Ermer

„Wir können die enorme ­Beschleunigung der Digita­ lisierung auch als Chance für Europa zum Aufholen begreifen. ­Schnelligkeit ist vielleicht noch wichtiger als Geld.“

Foto: J.E.D.I.

COO Arago GmbH

André Loesekrug-Pietri

„Fast alle Berufe werden sich durch die D ­ igitalisierung in den nächsten zehn Jahren gravierend verändern.“ Dr. Markus Schmitz

Geschäftsführer IT und digitale Prozesse, ­Bundesagentur für Arbeit

4/2018 TREND

„Jede deutsche Uni hat eine bessere technische ­Ausstattung als die US-Eliteuniversitäten. Aber die Amerikaner können sich einfach viel besser vermarkten. Davon sollten wir uns was abschauen.“ Katharina Kreitz

Geschäftsführerin, Vectoflow GmbH

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Foto: Vectoflow

Foto: HdBA

Chief J.E.D.I. Officer, Joint European Disruptive Initiative


Foto: Jens Schicke

STANDPUNKT STEIGER 42

„Gerade jetzt müssen überzeugte Europäer der gemeinsamen Idee vom vereinten Kontinent neues Leben einhauchen.“

Wolfgang Steiger Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Europa muss sich auf ­seine Stärken besinnen

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m Mai wählen Europas Bürger ein neues Parlament. Falls die Europäische Volkspartei (EVP) ihre Mehrheit verteidigt, was Umfragen derzeit nahelegen, ist Spitzenkandidat Manfred Weber ein Anwärter auf den Posten des Kommissionspräsidenten. Gerade jetzt, wo in vielen Mitgliedsstaaten die Angst vor Populisten umgeht, müssen überzeugte Europäer der gemeinsamen Idee vom vereinten Kontinent neues Leben einhauchen. Die Fliehkräfte in der Europäischen Union (EU) haben zugenommen. Großbritannien stolpert einem EU-Austritt entgegen, dessen Details noch immer nicht geklärt sind. Das sorgt für Unsicherheit bei Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Zugleich weigern sich aber noch immer viele EU-Staaten zur Kenntnis zu nehmen, dass die Briten auch eine europäische Transferunion abgewählt haben, wie sie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seit seinem Amtsantritt durch Nicht-Handeln gegenüber Defizitsündern in der EU und durch immer neue Verteilungsideen forciert hat. Dadurch sind die Unsicherheiten in Europa gewachsen, und es hat die Aversionen der Mehrheit der Briten gegen Brüssel verstärkt. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Kommission sich wieder stärker auf die gemeinsamen Regeln besinnt und auf das Wesentliche fokussiert. Denn Europa steht vor gewaltigen Herausforderungen, und die Welt wartet nicht auf uns. Es ist heute dringlicher denn je, dass die EU mit einer Stimme spricht. Der für alle Beteiligten schädliche Handelskonflikt mit den USA muss dringend deeskaliert werden, bevor er sich zu einem langwie-

rigen Handelskrieg entwickelt. Keinesfalls darf sich Europa dabei auseinanderdividieren lassen, es muss auch ohne die Briten am Credo offener Märkte und des freien Handels festhalten. Deutschland übernimmt im zweiten Halbjahr 2020 die Ratspräsidentschaft und sollte schon jetzt Vorschläge zur Diskussion stellen – etwa zu einer sicheren Energieversorgung oder dem gesellschaftlichen Wandel durch Digitalisierung. Auch dem Schutz der EU-Außengrenzen messen die Bürger hohe Bedeutung zu. Wer offene Binnengrenzen möchte, muss daher Migration nach Europa steuern und illegale Einreisen unterbinden. Eine Vermischung von Fachkräftezuwanderung und Asyl darf es nicht geben, ­dadurch würden falsche Anreize gesetzt. Um Populisten das Wasser abzugraben, muss die EU eine Wachstumsstrategie mit Strukturreformen entwickeln, die alle Mitgliedsstaaten nach vorne bringt. Eine europäische Arbeitslosenversicherung, ein EU-Haushalt oder noch mehr Mittel für Investitionsfonds wären hingegen teure Irrwege. Vor allem aber muss sich Europa auf seine S­ tärken besinnen. Nirgends ist Freiheit als Fun­dament des Fortschritts unter dem Dach der Demokratie so fest verankert wie in Europa. Der EU-Binnenmarkt ist der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Es gibt eine starke gemeinsame Wettbewerbspolitik. Rund 60 Prozent der weltweiten Hidden Champions sind in Europa zuhause. Der amerika­nische Autor ­Jeremy Rifkin bringt es auf den Punkt: „Wenn ­Europa alles richtig macht, kann es die USA über­ l holen.“

TREND 4/2018


WIRTSCHAFTSRAT Mitgliederkarte

WirtschaftsratExklusiv 2019: Fotos: Berlin Capital Club, Oliver Hartmann

Mehr als ein Ausweis Die Mitgliederkarte unterstützt ­Unternehmer jetzt noch besser in ihrer täglichen Arbeit. Tagen Sie in ­e­xklusiven Business-Clubs, gewinnen Sie Einblicke in die Vernetzung der deutschen ­Wirtschaft oder buchen Sie kosten­günstig Übernachtungen.

M

it branchenübergreifenden Themen, breit aufgestellten Kommissionen auf Bundes- und Landesebene sowie hochkarätig besetzten Veranstaltungen haben wir bereits ein umfassendes Portfolio für unsere Mitglieder im Angebot. Durch regelmäßige Umfragen und einen intensiven Kontakt wissen wir, dass Sie mit unseren Angeboten und Positionen zufrieden sind, aber zusätzlich gerne ihr Netzwerk erweitern möchten. Wir bauen daher unser Angebot für die Mitglieder stetig aus. So können wir seit Anfang 2018 einen weiteren Baustein präsen­ tieren: Den Mitgliederausweis WirtschaftsratExklusiv. WirtschaftsratExklusiv ist mehr als nur ein Ausweis. Im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft konnten wir die gesellschaftspolitische sowie geschäftliche Kommunika­ tion unserer Mitglieder fördern und um Komfortmerkmale ergänzen. Unser Angebot wird nun durch die Möglichkeit ergänzt, exklusive Business-Clubs gemeinsam mit Ihren Geschäftspartnern zu nutzen und weitere Angebote bei für Unternehmer interessanten Plattformen zu erhalten.

mal pro Jahr, insbesondere im Rahmen der Restaurationen für Business Treffen zum Frühstück, Lunch, Dinner oder Private Dining oder auch zur Buchung von Konferenz­ räumen. E Neuer Zugang zum Industrie-Club Düsseldorf Nutzen Sie als Mitglied des Wirtschaftsrates die Option, im Industrie-Club Düsseldorf Konferenzräume für Ihre ­Geschäftsanlässe zu mieten. E HRS-Hotelportal Mit HRS, einem führenden Hotelportal in Europa, erhalten Sie neben kostengünstigen Buchungen bei Verfügbarkeit zusätzlich Hotel-Upgrades.

E Nutzung des Airport Clubs Frankfurt Mit Ihrer Mitgliederkarte weisen Sie sich vor Ort aus und können die Club-Infrastruktur nutzen – unter anderem Konferenzräume.

E kantwert Der kantwert BusinessGraph visualisiert in einer einfachen Web-Anwendung das riesige Netzwerk der deutschen Wirtschaft. Klick für Klick entdecken Nutzer darin interessante Verbindungen und Verflechtungen: die Besitzverhältnisse und Beteiligungsstrukturen von Unternehmen, die Netzwerke ihrer Entscheider und Aufsichtsgremien und vieles mehr. Nutzen Sie als Mitglied ab 2019 die Möglichkeit eines exklusiven Zugangs.

E Neuer Zugang zum Berlin Capital Club Der Wirtschaftsrat öffnet ab sofort auch die Türen zu einem der exklusivsten Business-Clubs in der Hauptstadt. ­Genießen Sie als Mitglied des Wirtschaftsrates – gerne auch in Begleitung Ihrer Gäste – unseren Partnerclub bis zu vier-

Wir wünschen Ihnen viel Freude und Erfolg mit Ihrer ­neuen Mitgliedskarte 2019. Für die Unterstützung von ­WirtschaftsratExklusiv im Jahr 2018 danken wir der ­ Süddeutschen Krankenversi­ l cherung a.G.

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Foto: www.fkph.net

WIRTSCHAFTSRAT Europasymposion Industriepolitik

v.l.n.r. Herwart Wilms, Mitglied der Geschäftsführung, REMONDIS Assets & Services GmbH & Co. KG; Fulvia Raffaelli, Bereichs­leiterin der Generaldirektion für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Union; Moderator Hendrik Kafsack, EU-Korrespondent, Frankfurter Allgemeine Zeitung; Dr. Klaus Schäfer, Vorstand Covestro Deutschland AG; Karl-Heinz Florenz MdEP, MItglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes

Kreislaufwirtschaft in den Fokus rücken Deutschland und Europa müssen die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie auf globaler Ebene in den Mittelpunkt stellen.

A

us den wachsenden Anforderungen an die globale Wettbewerbsfähigkeit, endlichen Ressourcen, dem Klimawandel und einer sich rapide verändernden politischen Landschaft müssten tragfähige Zukunftskonzepte hervorgehen, erklärte Christof-S. Klitz, ­ Vorsitzender des Wirtschaftsrates in Brüssel, zum Auftakt der Veranstaltung „Industriepolitik im Zeitalter der Globalisierung“. Nachdem die EU-Kommission ihr Strategiepapier vorgelegt habe, gelte es nun, in ganz Europa „einen intelligenten Mix aus marktwirtschaftlichen Elementen und Lenkungsanreizen“ zu setzen. Deutschland habe beim Thema Kreislaufwirtschaft zu lange auf nationale Alleingänge gesetzt, kritisierte Dr. Rainer Gerding, Bundesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates. „Dabei dürfte klar sein: Der weltweite Klimaschutz und der Umbau des Energiesystems brauchen eine europäische Gesamtstrategie, die uns zugleich als Industriestandort bei Wachstum und Innovationen voranbringt. Es geht also um mehr als um umweltpolitische Zielsetzungen – es geht auch um eine wachstumspolitische Perspektive.“ Die Kreislaufwirtschaft sei ein Grundpfeiler für ein wettbewerbsfähiges, innovatives und nachhaltiges Europa, betonte Fulvia Raffaelli, Bereichsleiterin der Generaldirektion für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Euro­päischen ­ ostenfaktor für Kommission. „Sie ist nicht in erster Linie ein K

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die Wirtschaft“, so Raffaelli. „Vielmehr sehen wir die Kreislaufwirtschaft als historische Chance, um Europas industrielle Basis zu stärken und um unseren Wohlstand zu mehren.“

Herwart Wilms, Mitglied der Geschäftsführung, REMONDIS Assets & Services GmbH & Co. KG, schlug vor, zukünftige

Knappheiten mit Blick auf Klima und Ressourcen stärker in Marktpreisen abzubilden. „Das ist die Aufgabe von Politik. Politik muss auf die künftigen Knappheiten schauen und eine Strategie entwickeln“, so Wilms. „Wenn Klimaschutz ein wichtiges Ziel für uns ist, dann braucht dieser Klimaschutz einen Preis. CO2 braucht einen Preis, der eine spürbare Lenkungswirkung entfalten kann.“ „Wir nehmen den Umweltschutz sehr ernst, 80 Prozent unserer Ausgaben für Forschung und Entwicklung richten sich nach den Sustainable Development-Zielen der Vereinten Nationen“, unterstrich Klaus Schäfer, Vorstand der Covestro Deutschland AG. Er wies den Vorwurf zurück, wonach Umweltfortschritte bei den Unternehmen nur auf staatlichen Druck hin entstünden. Karl-Heinz Florenz MdEP, Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes, zeigte sich mit Blick auf seine

j­ahrelange Erfahrung als europäischer Umweltpolitiker in dieser Hinsicht jedoch skeptisch. Gleichwohl sprach er sich gegen eine Verbotskultur aus. „Wir müssen technologie­ l offene Innovationen fördern.“

TREND 4/2018


WIRTSCHAFTSRAT Europa-Forum

Europa – quo vadis? Foto: Jens Schicke

Der Wirtschaftsrat und die Ludwig-Erhard-Stiftung e.V. haben gemeinsam die ­Veranstaltungsreihe Europa-­ Forum ins Leben gerufen. Der Auftakt fand in exklu­ sivem Kreis im Bankhaus Löbbecke statt, das Thema bewegte die Gemüter. Text: Katja Sandscheper

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or 150 Jahren erreichten Europa die Schockwellen einer Finanzkrise wie wir sie 2008 verkraften mussten, auch in den USA ausgelöst, begrüßte Daniel Bresser, Mitglied der Geschäftsleitung Bankhaus Löbbecke, die Gäste zur Veranstaltung Target 2, Brexit, Italien-Dilemma: „Standortbestimmung nach zehn Jahren Euro-Krise“ von Wirtschaftsrat und Ludwig-Erhard-Stiftung. „Ludwig-Erhard-Stiftung und Wirtschaftsrat haben sich als natürliche Partner gefunden. Unser beider Zweck ist es, an der Verwirklichung und Weiterentwicklung unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft mitzuarbeiten. Deutschland schütte die Quellen seines Wohlstandes zu, weil es sich immer weiter von der Sozialen Marktwirtschaft entferne. Auch in Europa stünden viele Maßnahmen nicht mit einer Marktwirtschaft in Einklang. Italien zeige, dass ein Richtungswechsel ­erfolgen müsse“, betonte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates.

„Italien kann den Euro sprengen“, sagte Prof. Dr. Thomas Mayer, Gründungsdirektor, Flossbach von Storch Research ­Institute. „Noch haben die italienischen Kunden Vertrau-

en in ihre Banken. Aber das ist der seidene Faden, an dem wir hängen.“ Wenn Anleger ihr Geld abziehen, kann die EU ­wenig tun. „Wie kommen wir aus diesem Dilemma?“, fragte Prof. Dr. Thomas Mayer. „Stellen Sie sich vor, wir schaffen eine sichere Bankeinlage, die zu 100 Prozent mit Reserven bei der Zentralbank gedeckt ist.“ Dann könnte der Euro als Token aufstellt werden. Das ist die einmalige Chance von der Überschuldung in der Eurozone runterzukommen. Mit der weiteren Unterstützung Italiens leiten wir die „Liraisierung des Euro“ ein, das machen die Nordländer nicht mit. Eine Härtung verweigert der Süden. Eine politische Transfer­union treiben die ökonomischen Zentrifugalkräfte aus­einander. „Wir brauchen in dieser Krise die Märkte, sie legen die Finger in die Wunde, um Italien die Grenzen aufzuweisen. Der Markt ist hier der einzige Richter in einer Demo­kratie“, sagte Bettina Stark-Watzinger MdB, Vorsitzende Finanz­ ausschuss des Deutschen Bundestages.

„Wir müssen die EU krisenfester und wettbewerbsfähiger machen. Ende 2019 soll deshalb der digitale Binnenmarkt vollendet sein mit einem Wachstumspotential von 450 ­Milliarden Euro“, erklärte Claudia Dörr-Voß, Staats­sekretärin ­Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

„Griechenland hat schonungslos die Schwächen der Währungsunion aufgedeckt. Die Währungsunion hat keine ideale Konstruktion. Der Euro bleibt eine „Währung ohne Staat“, sagte René Höltschi, Wirtschaftskorrespondent Neue Zürcher Zeitung.

Foto: Jens Schicke

„Das erzwungene Mehr an Europa durch den Euro hat uns in diese Lage gebracht. Dabei hat schon Ludwig ­Erhard gewusst, dass es unmöglich ist, gleichwertige Lebens­ verhältnisse in Europa zu etablieren“, betonte Roland Tichy, l ­Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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WIRTSCHAFTSRAT Deutsch-Chinesischer Wirtschaftsdialog

Text: B ritta Vasters

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ie Spirale gegenseitiger Strafzölle zwischen den USA und China trifft nicht nur die beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Vielmehr besteht das Risiko eines globalen Handelskriegs mit fatalen Folgen für alle Nationen. Der Wirtschaftsrat sieht sich mit seinem 4. Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsdialog als Brückenbauer für Wirtschaft und Politik in Deutschland und China. Mit einem Handelsvolumen von 187 Milliarden Euro ist China Deutschlands wichtigster Handels­ partner. Chinesische Investoren haben 2017 so viel in deutsche Unternehmen investiert wie nie zuvor: Mit gut zwölf Milliarden Euro kletterte die Investitionssumme auf einen neuen Rekord. Dr. Jürgen M. Geißinger, Vorsitzender der Bundesfachkommission Internationaler Kreis im Wirtschaftsrat, ist überzeugt, dass ausländische Direktinvestitionen nicht nur Kapital, sondern auch Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Deshalb sind sie grundsätzlich willkommen. „Gleichzeitig jedoch sind der Abbau von Asymmetrien im Handel und bei den Investitionen sowie die Marktöffnung Chinas zentrale Anliegen gegenüber China“, sagt Dr. Geißinger. Einen wichtigen Schritt für faireren Wett­bewerb sieht er im

tionssystemen sowie der Rolle von Staatsunternehmen in der Wirtschaft, und ob China noch als Entwicklungsland einzustufen sei. „Wir möchten die USA dafür gewinnen, die WTO mit uns gemeinsam zu reformieren. Die EU hat dazu jüngst ein Papier auf den Tisch gelegt, wie diese Reform aussehen kann, und wie sowohl die Bedenken der USA als auch Chinas und anderer Staaten ausgeräumt werden könnten“, sagte Berger. Er hielt es für entscheidend, dass zwischen Deutschland und der EU sowie China, die Grundsteine richtig gesetzt und die regelbasierte Ordnung mit den nötigen Anpassungsschritten unterlegt wird.

„China ist eine Marktwirtschaft. Aber in China hat die Industrialisierung erst vor vierzig Jahren begonnen und nicht wie in Deutschland vor hundertfünfzig Jahren. Ich glaube, dass es ­daher

Zwischen Konkurrenz und Kooperation

Abschluss eines bilateralen Investi­ tionsabkommens zwischen der EU und China. Nach acht Jahren Verhandlungen gelte es mehr denn je, hier zügig ein Level Playing Field zu vereinbaren. Miguel Berger, Leiter der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes, sieht als Basis für fairen Wettbewerb zudem dringenden Reformbedarf der Welthandelsorganisation (WTO). Im Falle Chinas gehe es um das Thema Subventionen, die Frage nach der Transparenz von Subven­

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2018 hat gezeigt, dass offene Märkte und stabile Handelsbeziehungen keine Selbstverständlichkeit sind. Umso wichtiger ist es, dass Wirtschaft und Politik in Deutschland mit China im Gespräch ­bleiben. Der Wirtschaftsrat organisierte deshalb den IV. Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsdialog.

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WIRTSCHAFTSRAT Deutsch-Chinesischer Wirtschaftsdialog

China gestoppt. Protektionistische Tendenzen gefährdeten die Attraktivität des Standorts Deutschland, sagte Wang. Er ist überzeugt, dass Staaten, die sich abschotten, keine Zukunft haben: „Ein gesundes Unternehmen muss den Wettbewerb nicht fürchten.“ Das Auswärtige Amt erteilte der von China geforderten Industriepolitik eine klare Absage: Dies stimme nicht mit den ordnungspolitischen Vorstellungen in Deutschland überein. Und auch der Vorwurf des Protektionismus wurde zurückgewiesen: 2017 wurden mehr als 380 Beteiligungen oder Übernahmen chinesischer Unternehmen in Deutschland vollzogen. Es gab lediglich eine Untersagung.

Fotos: Jens Schicke

nicht realistisch ist, zu verlangen, dass unser Markt heute ebenso stark geöffnet ist wie der deutsche. Aber China öffnet sich immer weiter“, erklärte Wang Weidong, Gesandter Botschaftsrat und Leiter der Wirtschafts- und Handelsabteilung der Chinesischen Botschaft. Er kritisierte die Überprüfung des Außenwirtschaftsgesetzes in Deutschland, die zuletzt der Fall des Stromnetzbetreibers 50Hertz ausgelöst hat. Die Bundesregierung hatte hier den Einstieg eines Investors aus

Frank Klaas, Vertreter des chinesischen Automo­ bilherstellers und Daimler-­Großaktionärs Geely, wünscht sich für künftige Investitionen eine klare Definition, welche Unternehmen die Bundesregierung als sicherheitsstrategisch sensibel einstuft, um Unsicherheiten auf Investorenseite zu vermeiden. Moderatorin Dr. Sabine Stricker-Kellerer gab zu bedenken, dass „unabhängig davon, was wir heute definieren, die Zeit schneller eilt als

die letzten hundert Jahre und deshalb vieles sicherheitsrelevant sein kann, was wir heute als solches noch nicht erkennen.“ „Bevor wir China kritisieren, müssen wir uns fragen, warum wir nicht alles, was China kann, selbst können. Die Erfahrung dazu hätten wir. Was fehlt, ist der politische Wille“, sagte Friedolin Strack, Sprecher der Geschäftsführung des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Auf dem Podium „Künstliche Intelligenz: Herausforderungen und Potentiale“ sind sich die Diskutanten schnell einig, dass exzellente Grundlagenforschung in Deutschland zwar wichtig ist, aber wenig nutzt, wenn sie sich nicht in wirtschaftlichen Erfolg ummünzen lässt. Dass Europa eigene Regeln für das Thema KI gesetzt habe, sei ein wichtiger Schritt. Denn wer keine Regeln habe, werde sie übernehmen müssen. Deutschland müsse zudem über eine Datenwirtschaft nachdenken. „Schaut in die Welt, imitiert nicht, aber setzt euch mit ihr auseinander. Wir werden bestimmte Dinge nicht so machen wie die Amerikaner oder die Chinesen. Und die beiden Länder nicht wie wir“, sagte Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas, Abteilungsleiter für Schlüsseltechnologien im BMBF. Deutschland müsse eine gewisse Gelassenheit entwickeln, ohne die Frage zu vernachlässigen, warum wer Erfolg hat. Die Entwicklung von KI sei von Kooperation wie auch von Konkurrenz geprägt. Chinesische wie deutsche Unternehmen profitierten von den Fortschritten im jeweils anderen l Land.

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WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Make Bremen great again! Text: Armin Peter

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enn Jörg Müller-Arnecke auf den Booten seiner Freunde in See sticht, treibt ihn der Erfolg seines mittelständischen Unternehmens voran: „Sie alle nutzen die Segel von Beilken Sails“, sagt der Geschäftsführer und neue Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates Bremen stolz. Seit über 90 Jahren werden in dem Bremer Traditionsbetrieb Segel gefertigt, seit einigen Jahren gehören auch Industrieabdeckungen zum Angebot. In heutigen Zeiten ist das keine Selbstverständlichkeit mehr. Gerade in den letzten Jahren hat die Hansestadt einen regelrechten Exodus kleiner und mittelständischer Unternehmen erlebt. Schuld daran ist die katastrophale Wirtschaftspolitik des rot-grünen Senats, sagt Jörg Müller-Arnecke: „Es gibt einen massiven Bedarf an kleinteiligen Gewerbeflächen – stattdessen wurden aber nur riesige Logistikflächen ausgewiesen, sodass selbst Handwerker keine Geschäftsräume mehr finden.“ Eine Erhöhung der Gewerbesteuer von 460 auf 470 Punkte

hat nach Ansicht des Wirtschaftsrates weitere Unternehmen verunsichert. Und auch sonst tut der Bremer Senat wenig, um Unternehmern das Leben zu erleichtern und die Stadt zum attraktiven Standort zu machen. Jörg Müller-Arnecke zieht eine vernichtende Bilanz: „Trotz guter Konjunktur befindet sich der Schuldenstand Bremens auf Höchstniveau, die Verbindlichkeiten haben sich in den letzten acht Jahren sogar verdoppelt! Der rot-grüne Senat verkauft das auch noch als Sanierungskurs. Und beim Thema Arbeitslosigkeit ist Bremen mit knapp zehn Prozent Arbeitslosenquote bundesweites Schlusslicht.“ Doch der Unternehmer kritisiert das politische Geschehen nicht von der Seitenlinie aus, er packt selbst mit an. Müller-Arnecke engagiert sich in der Bremer CDU und führte ein Jahr lang kommissarisch den Bremer Wirtschaftsrat. Jetzt wurde er offiziell gewählt und steckt voller Tatendrang. „Bremen braucht endlich ein wirtschaftsfreundlicheres

„Mehr Unternehmer sollten ihre Erfahrung in die Politik einbringen, um die Zukunft unseres ­Bundeslandes mitzugestalten.“

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Klima“, bilanziert er. „Dafür werden wir als Wirtschaftsrat entschieden werben und eintreten. Ich würde mir wünschen, dass generell mehr Unternehmer ihre Erfahrung in die Politik einbringen, um so die Zukunft unseres Bundeslandes mitzugestalten.“ Wichtig ist ihm vor allem, dass die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft wieder gestärkt werden. Unternehmerische Tugenden wie Entscheidungsfreudigkeit, Handlungsfähigkeit und strategische Planung helfen Jörg Müller-Arnecke dabei, pragmatische Lösungen für die Probleme seiner Heimatstadt zu finden. „Soziale Gerechtigkeit entsteht nicht durch sozialen Wohnungsbau und das Verwalten von Arbeitslosigkeit, sondern durch gut bezahlte Arbeitsplätze“, ist Müller-Arnecke überzeugt. „Damit die entstehen, brauchen wir aber die richtigen Rahmenbedingungen. Ganz wichtig wäre es, die Bremer Schulen wieder nach vorne zu bringen.“ Die Zahlen geben ihm recht: Bremen belegt seit 17 Jahren den letzten Platz bei der Pisa-Studie. Wohl auch des-


Jörg Müller-Arnecke ist Geschäftsführer der Segelmacherei Beilken Sails, einem Bremer Traditionsbetrieb. Der Mittelständler kämpft für ein starkes Bremen, hofft auf einen Regierungswechsel bei der Bürgerschaftswahl 2019 und will sich als neuer Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates für bessere Standortfaktoren einsetzen. halb hat der Stadtstaat den bundesweit höchsten Anteil an Privatschulen. Viele Eltern haben das Vertrauen in die staatlichen Schulen verloren. Bildung ist natürlich auch ein wichtiger Standortfaktor – sowohl für Fachkräfte, als auch für Unternehmen. Vor allem kleinere Betriebe haben Probleme, dringend benötigtes Personal aus anderen Bundesländern nach Bremen zu holen. Die Stadt ist vielen nicht attraktiv genug. Und wenn ein Unternehmen Lehrlinge ausbilden möchte, findet es oftmals keine qualifizierten

Bewerber. Jörg Müller-Arnecke hat damit selbst leidvolle Erfahrungen gemacht: „Unser Lehrling ist durch die Zwischenprüfung gefallen, weil er die Fläche eines Kreises nicht berechnen konnte“, berichtet er. „Mich wundert nicht, dass viele Unternehmer keine Absolventen von öffentlichen Bremer Schulen mehr ausbilden wollen.“ Trotz aller Schwierigkeiten liebt der gebürtige Bremer seine Heimatstadt. Eine Verlegung seines Unternehmens kommt für ihn deshalb nicht infrage. Wenn Jörg Müller-Arnecke gerade

nicht arbeitet oder sich politisch engagiert, findet er Erholung und Ausgleich im Kreise seiner Familie. Mit seiner einjährigen Tochter geht er gerne in den Bürgerpark – sein Lieblingsort in der Hansestadt. Außerdem ist der Unternehmer sportlich gut unterwegs: Im Sommer geht er gerne laufen oder segeln, im Winter zieht es ihn auf die Skipiste. „Ich tanke am liebsten Kraft in der Natur“, sagt er. Kraft wird er in seinem neuen Amt als Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates brauchen, denn es gibt einige Baustellen. Jörg Müller-Arnecke setzt seine Hoffnungen auf die Bürgerschaftswahl 2019. Die Chancen auf einen Regierungswechsel stehen zumindest nicht völlig in den Sternen. Das wäre eine historische Chance in dem Stadtstaat, der seit 70 Jahren von der SPD regiert wird. Müller-Arnecke weiß auch schon genau, was eine wirtschaftsfreundlichere Bürgerschaft als Erstes tun sollte: „Wir müssen an eine wirkliche Haushaltssanierung ran“, fordert er. „Das heißt, wir müssen über Privatisierung nachdenken, die Ausgaben im konsumtiven Bereich überprüfen und auch mal Staatsvermögen anfassen, um endlich von unserem Schuldenberg runterzukommen.“ Müller-Arnecke treibt die Überzeu­ gung an, dass in der Hansestadt noch viel Potential steckt. Ihm kommt es darauf an, die Standortfaktoren deutlich zu verbessern: „Bremen hat viele gut aufgestellte kleine und mittelständische Unternehmen, die mit dem Standort verwurzelt sind. Das ist eine Riesenchance für den Wirtschaftsrat, die wir bestmöglich nutzen werden.“ l

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WIRTSCHAFTSRAT Engagement

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WIRTSCHAFTSRAT Europasymposion Energiepolitik

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Energiewende 2.0:

Innovative Ansätze gefragt

Die zentralen Schritte in der Energie­wende liegen noch vor uns. Wir brauchen einen europäischen Rahmen und klare Regeln für Innovationen.

Text: Armin Peter

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Es gilt daher, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich Innovationen besser durchsetzen könnten – darüber waren sich alle Teilnehmer des Symposiums einig. Damit das klappt, müssten jedoch alle Akteure, in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft gemeinsam neue Wege gehen. Denn die Energiewende gelingt nur, wenn alle Sektoren – nicht nur der Energiesektor – integriert und grenzüberschreitend einbezogen werden. Ein integriertes, innovatives und effizientes Energiesystem 2030 benötigt zum einen regulatorischen Freiraum, damit sich Innovationen technologieoffen entwickeln und im Wettbewerb durchsetzen können. Zudem braucht es klare Regeln für die Infrastruktur und ihre Schnittstellen sowie eine handhabbare Marktrollenverteilung. Ebenfalls wichtig sind Transparenz und verstärkter Datenaustausch. Und nicht zuletzt würden ein beschleunigter Ausbau der Stromnetze, eine intelligente Nutzung von Netzkapazitäten und ein effizientes Demand Side Management auf allen Ebenen helfen. Wie sieht es derzeit aus mit der Umsetzung der klangvollen Schlagworte? „Die bisherigen Reformen aus Brüssel und Berlin zeigen bestenfalls erste Ansätze, reichen aber keinesfalls aus“, bilanzierte der Bundesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates, Dr. Rainer Gerding. „Zwar haben wir in den letzten Jahren klare Erfolge erzielt, die entscheidende l Phase der Energiewende liegt aber noch vor uns.“

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mart Data, Sektorkopplung und Internet of Things: In der Debatte um die Energie der Zukunft mangelt es nicht an beeindruckenden Schlagwörtern. Aber um auch künftig eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung gewährleisten zu können, müssen die Buzzwords vom Reißbrett zur Umsetzung kommen. Wie das klappen könnte, wurde auf dem Symposium Europäische Energiepolitik des Wirtschaftsrates in Brüssel mit hochrangigen Vertretern aus Energiewirtschaft und Politik diskutiert. Grundlage der Veranstaltung waren die politischen Kernbotschaften des European Energy Lab 2030, die zu detaillierten Handlungsempfehlungen vertieft wurden. Die Kernfrage, auf die auch EU-Kommissar Günther Oettinger in seiner Keynote einging, lautete: Wie lässt sich ein stabiler grenzüberschreitender Marktrahmen setzen, damit sich die besten und effizientesten Lösungen durchsetzen und breite Innovationsprozesse zur Digitalisierung von Energie und der Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität in Gang setzen? Grundsätzlich sei es am Markt für technische Innovationen schwierig, sagte Boris Schucht von der 50 Hertz Transmission GmbH. Volkswirtschaftlich sei etwa die Infrastruktur der Gasnetze viel zu wertvoll als dass man sie „pleitegehen“ lassen könne, also greife der Staat regulatorisch ein. Das wiederum mache es für technische Innovationen deutlich schwieriger sich am Markt durchzusetzen.

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Wirtschaftstag Nordrhein-Westfalen mit Armin Laschet

Foto: Ulrich Gunka

Standortbestimmung in politisch bewegten Zeiten: Zeitgleich zur Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nicht mehr für den Bundesvorsitz der CDU zu kandidieren, fand in Düsseldorf der Wirtschaftstag des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen statt. Über 600 Gäste konnte der Landesvorsitzende Paul Bauwens-Adenauer zu einem Wirtschaftstag begrüßen, der ganz im Zeichen des Industrielandes NRW stand. Die Ereignisse rund um den Hambacher Forst und der kontrovers diskutierte Ausstieg aus der Braunkohle prägten den

v.l.n.r. Paul Bauwens-Adenauer, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates NRW und Mitglied des Präsidiums, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Uwe Fröhlich, Generalbevollmächtigter und designierter Co-Vorstandsvorsitzender der DZ BANK AG

Wirtschaftstag. Auf die Frage „Wie bleibt Nordrhein-Westfalen Industrieland?“ kann es nur eine Antwort geben: Ohne sichere und bezahlbare Energieversorgung ist Nordrhein-Westfalen als Industriestandort undenkbar. Oder, wie es Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, in Anspielung auf die Besetzer des Hambacher Forstes auf den Punkt brachte: „Wir können die Energiepolitik nicht den Leuten überlassen, die auf den Bäumen sitzen.“ Eine Meinung, die viele Teilnehmer des Symposiums unterstützen: NRW-­ Verkehrsminister Hendrik Wüst, Volker Backs, Geschäftsführer Hydro Aluminium Deutschland GmbH, Thomas Meyer, CEO TKM Group und Präsident IHK NRW, Hildegard Müller, Vorstand Netz und Struktur innogy SE und Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie. Die Diskussion moderierte Dr. Martin Kessler, Leiter ­Ressort Politik bei der Rheinischen Post. Michael Vassiliadis etwa warnte davor, die Fehler des Atomausstiegs zu wiederholen: „Wenn wir den Ausstieg aus der

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v.l.n.r. Volker Backs, Geschäftsführer, Hydro Aluminium Deutschland GmbH; ­Michael Vassiliadis, Vorsitzender Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie; Hildegard Müller, Vorstand Netz & Infrastruktur, innogy SE; Dr. Martin Kessler, Leitender Redakteur „Politik“, Rheinische Post; Thomas Meyer, Vorsitzender der Geschäftsführung/ CEO, TKM Group, Präsident IHK NRW; Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor/Mitglied des Präsidiums, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.; Hendrik Wüst MdL, Minister für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen

Braunkohle nicht mit Innovation, wirtschaftlichem Wachstum und Einigkeit in der Gesellschaft umsetzen, werden wir das nicht schaffen. Wir werden noch dankbar sein, wenn wir die Braunkohlekraftwerke nicht zu früh abschalten.“ Aus der Sicht der Unternehmen bestätigte das Volker Backs, Geschäftsführer der Hydro Aluminum Deutschland GmbH: „Ich kann jetzt nicht investieren, wenn ich nicht weiß, wo in 15 Jahren der Strom herkommt.“ Logik und Sachlichkeit müssen endlich wieder die Diskussion bestimmen, forderte Verkehrsminister Wüst. Willkürlich ein Datum für das Ende der Braunkohleförderung zu setzen, sei unverantwortlich, betonte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in seinem Vortrag „Nordrhein-Westfalen – Industrieland der Zukunft“. Er machte deutlich, wohin die Ausstiegsszenarien aus fossilen Energien führen: „Wenn wir uns von allem verabschieden sollen, von der Braunkohle, sogar vom Erdgas, wie ich neulich gehört habe: Dann hat die Industrie in Nordrhein-Westfalen keine Zukunft. So kann ein Industrieland nicht existieren.“ Erst müsse eine stabile und sichere Alternative zur Braunkohle eine zuverlässige Energieversorgung garantieren, dann könne man über ein Datum sprechen.

Foto: Ulrich Gunka

Nordrhein-Westfalen

Foto: Ulrich Gunka

Rückblick Einblick Ausblick

Mehr als 600 Unternehmer besuchten den Wirtschaftstag NRW

Mitglieder bestätigen Paul Bauwens-Adenauer als Landesvorsitzenden Einstimmig wählten die Mitglieder auf der Mitgliederversammlung des Landesverbandes erneut den Kölner Unternehmer Paul Bauwens-Adenauer, Geschäftsführender ­ Gesellschafter der Bauwens GmbH & Co. KG, für zwei Jahre an die Spitze des ­ Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Paul Bauwens-­ Adenauer, der ebenfalls Mitglied des Präsidiums des Wirtschafts­rates ist, erklärte: „Nordrhein-Westfalen ist ein starker Industriestandort – und das muss auch so bleiben! Hierzu

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Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates warb auf der Mitgliederversammlung in ­Düsseldorf für die Soziale Marktwirtschaft

Foto: Ulrich Gunka

bedarf es mehr Mut zur Sozialen Marktwirtschaft und weniger Bürokratie und Gängelung. Gerade mit Blick auf Herausforderungen wie die Digitale Transformation ist unternehmerischer Sachverstand, ist der Wirtschaftsrat mehr denn je gefragt.“ Ebenfalls ohne Gegenstimmen wurden als stellvertretende ­Landesvorsitzende Johann Christoph Harras-Wolff, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Kurt Wolff GmbH & Co. KG, Bielefeld und Dr. Johannes F. Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter, Kirchhoff Gruppe, Iserlohn, gewählt. Komplettiert wird der Vorstand durch: Uwe Baust, Mitglied des Vorstandes, Stadtsparkasse Düsseldorf, Düsseldorf, Dr. Hugo Fiege, Gesellschafter, Fiege Logistik Holding Stiftung GmbH &

heraus. Konkret zeichnete der Minister den Siegeszug der Marktwirtschaft nach. Die Wirtschaft in Sachsen wachse leider noch nicht in dem Maße, wie er sich das wünschen würde. Allerdings solle der Unternehmer als GesamtpersönlichBundesminister Peter Altmaier keit betrachtet werden. Er sei auch Arbeitgeber und sorge für die derzeit positive Lage am Arbeitsmarkt. Einig ist der Wirtschaftsrat Sachsen mit dem Bundes­ minister darüber, dass die Soziale Marktwirtschaft eine Renaissance braucht – eine „Charta Marktwirtschaft“ soll noch 2019 vorgelegt werden, dass der Wohlstandsmotor Mittelstand auch über steuerliche Erleichterungen von der für den Staatshaushalt eingefahrenen Rendite profitieren soll, die Bürokratie eingedämmt und der Weg im internationalen Handel über Hindernisse hinweg, auch gegenüber Russland und Osteuropa, weiter beschritten werden müsse. Die Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates, Simone Hartmann, führte durch den Wirtschaftstag, den neben dem Bundeswirtschaftsminister Barbara Meyer, SMWA, Dr. Uwe Greif, greif consilium, Dr. Daniel Linke, BÄKO Ost, Carmen Hei­decke, ZIM, Dr. Ricarda Rieck, Projektträger Jülich, Janik Krause, ­DPFA-Regenbogengymnasium Zwenkau sowie der Sächsische Finanzminister, Dr. Matthias Haß bereicherten. Die Reden und eine Dokumentation finden Sie auf der Homepage des Landesverbandes Sachsen sowie auf YouTube.

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Landesvorstand des Wirtschaftsrates Nordrhein-Westfalen

Co. KG, Greven, Lars Fiele, Geschäftsführender Gesellschafter, Stremmer Sand + Kies GmbH, Bottrop, Hildegard Müller, Vorstand Netz & Infrastruktur, innogy SE, Essen, Klemens Rethmann, Vorsitzender des Vorstandes, Rethmann SE & Co. KG, Selm, und Joachim Rumstadt, Vorsitzender der Geschäftsführung, STEAG GmbH, Essen, Dr. Ulrich Bittihn, Vorsitzender des Vorstandes, VerbundVolksbank OWL eG, Paderborn, Eldach-Christian Herfeldt, Dozent, Frankfurt School of Finance & Management, Köln, Bernhard Kirschbaum, Geschäftsführer, Kirschbaum Verlag GmbH, Bonn, Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprechting, Vorsitzender des Vorstands, Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik, Düsseldorf sowie Dr. Marc Zoellner, Geschäftsführender Gesellschafter, Accumulatorenwerke Hoppecke Carl Zoellner & Sohn GmbH, Brilon.

Baden-Württemberg Diesel-Debatte: Nüchterne Diskussion kaum möglich „Der Diesel wurde bei uns erfunden, nun sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen“. Landesvorsitzender Joachim Rudolf fand bei Ebner Stolz in Stuttgart deutliche Worte. Vor 150 Unternehmern diskutierten Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Eckart von Klaeden, Head of External Affairs Daimler AG, Heinrich Baumann, geschäftsführender Gesellschafter Eberspächer Gruppe und Dr. Jürgen Geißinger, ehemaliger Vorstandsvorsitzender Schaeffler-Gruppe, über den Automobilstandort Baden-Württemberg.

Foto: Wirtschaftsrat

Sachsen Bundesminister Altmaier auf dem Wirtschaftstag in Leipzig Vor gut 160 Unternehmern stellte Bundesminister Peter Altmaier auf dem Wirtschaftstag in Leipzig „Welt im Wandel – Wohlstand durch Innovationen“ die Bedeutung von Innovationen sowie von Forschung und Entwicklung im Mittelstand klar

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v.l.n.r. Eckart von Klaeden, Steffen Bilger MdB, Heinrich Baumann und Dr. Jürgen Geißinger

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Berlin-Brandenburg Hauptstadtfrühstück mit Dr. Klaus Schäfer: „German Mut statt German Angst“ Der technische Direktor des von der Bayer AG 2015 abgespaltenen Werkstoffherstellers Covestro AG, Dr. Klaus Schäfer, legte den Fokus auf drei Themen: Technologieoffenheit, Innovationsstärke und einen offenen Umgang mit der Digitalisierung. Letzteres sei Voraussetzung, damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibe. „German Mut statt German Angst“, lautet Dr. Schäfers Credo. Dies betreffe insbesondere den technologischen Bereich. Technologien dürften in einem frühen Stadium nicht verurteilt werden, sondern man müsse sich breit aufstellen, wie etwa bei der Frage nach Brennstoffzelle oder Batterie bei Autos. Dies sei essentiell für eine führende Rolle im internationalen Vergleich: „Der Wettbewerb der Technologien ist noch nicht entschieden“, sagte das Vorstandsmitglied. Wir brauchen mehr Stabilität und Planungssicherheit bei Energiepreisen auf wettbewerbsfähigem Niveau und rechtliche Vorgaben dürften kein Hemmnis für Investitionen sein. Dies ebnete den Weg für Innovation „made in Germany“.

Rheinland-Pfalz Bundeswirtschaftsminister Altmaier spricht in Koblenz Jahrestagung des Landesverbandes konnte der LandesZur vorsitzende Frank Gotthardt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier begrüßen. Vor rund 200 Unternehmern sprach sich Altmaier für eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung des Unternehmers aus. Hierzu gehöre auch, dass man junge Menschen, die sich selbstständig machten, unterstütze und nicht mit Auflagen belaste. Angesichts der zurückgehenden Gründerzahlen sei dies das Gebot der Stunde. Als eine der Maßnahmen, mit denen Unternehmer von Bürokratie entlastet werden sollen, sprach sich Altmaier für eine Kürzung der Aufbewahrungsfristen für Steuerunterlagen aus. Ferner werde er sich für eine steuerliche Entlastung einsetzen. Dies sei aber nicht von heute auf morgen zu erreichen. Der Minister kritisierte die Dokumentationspflichten beim Mindestlohn. 97 Prozent der Unternehmen würden sich hier absolut korrekt verhalten. Altmaier sprach sich für eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung aus, auch was Genehmigungen angehe. Als leuchtendes Beispiel nannte er Estland, wo Bürger fast alle Behördengänge elektronisch erledigen können. Ziel seiner Politik sei es, Unternehmertum und Mittelstand zu stärken. Dies wolle er durch marktwirtschaftliv.l. Landesvorsitzender Frank Gotthardt deswirtschaftsminister Peter Altmaier che Prinzipien erreichen.

Foto: CGM SE

Bilger gestand, man hinke hinterher, was ausreichende In­ frastruktur angehe – auch mit Blick auf das autonome Fahren. Von Klaeden ging auf die großen Herausforderungen für die Autoindustrie ein: Diese lägen einerseits in der Luftreinhaltung und der CO2-Gesetzgebung, die unrealistische Ziele verfolge. Andererseits in Handelskonflikten und Transformation der Autoindustrie insgesamt. Trotz aller Veränderungen sei der Standort Baden-Württemberg immens wichtig: „Baden-Württemberg und Daimler, das gehört seit 130 Jahren zusammen“. Heinrich Baumann kritisierte, dass eine nüchterne Diskussion zum Diesel „nicht mehr möglich ist“ und verteidigte den Dieselantrieb. Ohne ihn seien die CO2-Ziele der EU nicht erreichbar. Dr. Jürgen Geißinger warnte vor Standortnachteilen, die unser Land beeinträchtigen werden. „China ist unser Wachstumstreiber.“ Aufgrund des Protektionismus der USA, der Unternehmenssteuer und der IT-Infrastruktur stelle sich die Frage, welche Kriterien noch für einen Ausbau der Produktion in Deutschland sprechen.

und Bun-

Hamburg Wie Unternehmen von Blockchain & Co profitieren

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Nach dem Höhenflug ist es ruhiger geworden um den Bitcoin.

v.l. Dr. Klaus Schäfer, CTO Covestro AG, und Dr. Nikolaus Breuel, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates Berlin-Brandenburg

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Interessanter als der Kurs der Kryptowährung ist ohnehin die Technik dahinter: die Blockchain oder die Distributed Ledger Technologie. Wo genau liegen die Vorteile? Darüber diskutierte der Junge Wirtschaftsrat und die Landesfachkommission „Junges Hamburg“ im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Die Runde ließ keinen Zweifel daran, dass die Blockchain zu den digitalen Schlüsseltechnologien der Zukunft zählt. Noch stehe die Technologie am Anfang, aber schon jetzt täten sich unzählige, interessante Anwendungsszenarien auf, so der Tenor. „Smart Contracts können eine Komplexität erlangen, die wir uns heute noch gar nicht ausmalen können!“, sagte der ­Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates, Marcus

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Hessen

Die Diskutanten waren sich einig: Blockchain ist eine digitale Schlüsseltechnologie.

Ewald. Bei aller Überzeugtheit von der Technologie sorgten sich die Diskutanten, dass Deutschland ins Hintertreffen geraten könnte.

Fachkräftemangel: Phantom-Angst als Folge falscher Prognosen Deutschland gehen die Fachkräfte aus – dieses düstere Szenario geistert durch die Republik. Einer, der diese Einschätzung nicht teilt, ist der Schweizer Ökonom Prof. Dr. Thomas Straubhaar. Er hält den Fachkräftemangel für eine Phantom-Angst, die falsche Prognosen fördern. Seine Kritik richtet sich gegen Modelle, die für die Entwicklung des Arbeitsmarktes davon ausgehen, dass sich Nachfrage und Angebot in Zukunft genauso entwickeln wie bisher. „Da können Sie nicht die letzten zehn, zwanzig oder fünfzig Jahre als Stützraum nehmen und sagen, 2030 haben wir einen großen Fachkräftemangel und die Digitalisierung klammern Sie komplett aus.“ Straubhaar hat bei seinen Überlegungen berücksichtigt, wie groß der arbeitssparende Produktivitätsfortschritt der Digitalisierung sein muss, damit es aufgrund des Arbeitsangebots und der -nachfrage zu keinem Fachkräftemangel komme. Das Ergebnis: Bei einer Zuwanderung von 100.000 Menschen netto pro Jahr, genügt eine Effizienzsteigerung um 0,8 Prozent pro Jahr. Bei einer starken Zuwanderung von 200.000 Menschen netto pro Jahr, genügen schon 0,5 Prozent. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs habe die Produktivitätsfortschrittsrate in Deutschland aber immer bei rund zwei Prozent gelegen, also deutlich oberhalb der errechneten Werte.

neuen Landesvorsitzenden wurde Prof. Kristina Sinemus Zur als Nachfolgerin von Prof. Hans Helmut Schetter gewählt, der zum Ehrenvorsitzenden des Landesverbandes ernannt wurde. Prof. Kristina Sinemus will die Arbeit des ebenfalls neugewählten Landesvorstandes auf die „Zukunftsthemen Europa und Hessen als attraktiven Wirtschaftsstandort“ konzentrieren: „Der Wirtschaftsrat ist das Scharnier zwischen Wirtschaft, ­Politik und Gesellschaft. In den nächsten zwei Jahren stehen Europa und der Wirtschaftsstandort Hessen im Fokus. Wir sind als Vorstand überzeugt von Europa. Das werden wir mit Leidenschaft voranbringen. Unsere Unternehmen setzen auf den europäischen Binnenmarkt und in Zukunft noch verstärkt auf den digitalen Binnenmarkt.“ Die neu gewählte Landesvorsitzende ist zudem überezugt: „Die Soziale Marktwirtschaft und die Digitalisierung sind Kernthemen des Wirtschaftsrates. Hier müssen wir ansetzen und junge Menschen mitnehmen. Digitalisierung und Wirtschaftskompetenz zu vermitteln, das ist etwas, was wir an diesem attraktiven Standort Hessen brauchen.“ Als weitere Mitglieder wurden in den Landesvorstand ­gewählt: Achim Carius, Rechtsanwalt und Vorstand der go4copy.net eG, Tanja Gönner, Vorstandssprecherin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, Walter Gora, Geschäftsführer der Valora Management Group GmbH, Thomas Lang, Geschäftsführer at once GmbH IT-Consulting, Michael Mandel, Mitglied des Vorstandes der Commerzbank AG, Lutz Raettig, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Morgan Stanley Bank AG und ehrenamtlicher Stadtrat der Stadt Frankfurt am Main, sowie Thomas Schäfer, Hessischer Minister für Finanzen.

Foto: Wirtschaftsrat

Foto: Christian Ströder

Stabswechsel im Landesvorsitz

v.l.n.r. Hans-Helmut Schetter, Vizepräsident und Ehrenvorsitzender Hessen, Wolfgang Steiger, Generalsekretär, Kristina Sinemus, Landesvorsitzende, Volker Bouffier, Ministerpräsident Hessen und Uwe Holzer, Leiter BMW Niederlassung Frankfurt

Foto: Christian Ströder

Politpuls mit Dr. Thomas Schäfer

Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Universität Hamburg

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Der hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer MdL sprach in der Sektion Marburg-Biedenkopf über die letzte Legislaturperiode, wirtschaftliche Besonderheiten Hessens und die Landtagswahl. Die akademische Ausbildung in Deutschland ist mehr als gefragt, sie gilt als Status quo für den beruflichen Erfolg. Nachholbedarf sieht Dr. Thomas Schäfer MdL bei Unternehmensgründungen und im Handwerk: „Die Frage nach einer hessischen Startup-Kultur ist ebenso zentral wie die Nachfolgesituation bei den Handwerksbetrieben.“

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Thüringen

Foto: Wirtschaftsrat

Verwaltungsreform: Minister Georg Maier diskutiert mit Unternehmern Unter dem Motto „Thüringer Verwaltungsreform – Aufgabenkri-

Bürgermeister Wieland Stötzel, Finanzminister Dr. Thomas Schäfer, Gastgeber Dr. Joachim Sacher und Dirk Bamberger MdL

Auch die Mentalität, Dinge zu wagen, wie etwa ein Unternehmen zu gründen, müsse diskutiert werden. Um es Gründern leichter zu machen, habe das Land mit dem Futury Venture Fonds eine Finanzierungsgrundlage geschaffen. Junge Unternehmen können mit bis zu 20 Millionen Euro gefördert werden. Auf der Mitgliederversammlung der Sektion im Vorfeld, identifizierte Sektionssprecher Stefan A. Oberhansl für die Region Marburg zwei Schwerpunktthemen: Baupolitik und Mobilität.

Sachsen-Anhalt

tik – E-Government – Strukturreform“ diskutierten Unternehmer im Wirtschaftsrat mit Georg Maier, Thüringens Minister für Inneres und Kommunales, über wirtschaftsfreundliche Verwaltungsprozesse und dringend notwendigen Bürokratieabbau. Die Wirtschaftsvertreter empfahlen sämtliche analoge Informations- und Genehmigungsprozesse kritisch zu hinterfragen. Den Verantwortlichen müsse zudem ein erweiterter, vom Parlament abgesicherter Ermessensspielraum zugesprochen werden. Zwingend vorzugeben sei zumindest auf Landesebene ein einheitlicher Standard für EDV-Systeme. Thüringen nähme mit seiner digital reformierten „Verwaltung 4.0“ eine Vorreiterrolle ein, warb der Innenminister. Unterstützung gab es hierfür vom Suhler Oberbürgermeister André Knapp. Datensicherheit sei für Maier mehr als Verschlüsselung, nämlich Datenkommunikation über eigene Knoten und die Lagerung der Daten im Idealfall zugriffsgeschützt auf deutschen Servern. E-Government funktioniere allerdings nur, so Maier weiter, wenn alle Nutzer Karsten Seifert bereit seien, sich elektronisch auszuweisen.

Foto: Wirtschaftsrat

Der Landesverband Sachsen-Anhalt lud zum internen Fachgespräch zur landesbezogenen Umsetzung des Gesetzes über die Pflegeberufe Bildungsminister Marco Tullner ein. Peter Löbus, Vorsitzender Landesfachkommission Gesundheitswirtschaft, umriss die Problemfelder: Der sich abzeichnende Fachkräftemangel sowie die kritische Situation in der Pflege und die anspruchsvollen Forderungen des Pflegeberufegesetzes zwängen zum Handeln. Der Wirtschaftsrat biete seine Unterstützung an. Mit ihrer praktischen Erfahrung bereicherte Axinia Schwätzer, Geschäftsführerin der Christlichen Akademie für Gesundheitsund Pflegeberufe GmbH Halle, die Diskussion. Im Ergebnis skizzierte Minister Tullner einen mit dem ­Sozialministerium abgestimmten Zeitplan für die weiteren Umsetzungsschritte. Gleichzeitig betonte er, dass er die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsrat gern fortsetze und dass er dem von der Landesfachkommission entwickelten Pilotprojekt zur Fachkräftewerbung große Anerkennung zolle und gern seine Unterstützung zusage.

v.l.n.r. Peter Löbus, Axinia Schwätzer, Dr. Michael Moeskes, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates, Marco Tullner MdL

4/2018 TREND

Foto: Karsten Seifert

Diskussion mit Bildungsminister Tullner zum Pflegeberufegesetz

v.l.n.r. Georg Maier, Minister für Inneres und Kommunales des Freistaats Thüringen; Dr. Werner Müller, Sektionssprecher Südthüringen; André Knapp, Oberbürgermeister der Stadt Suhl

Brüssel Mitglieder wählen Burkhard Ober zum neuen Landesvorsitzenden Auf ihrer Mitgliederversammlung wählten die Unternehmer und Führungskräfte im Wirtschaftsrat Brüssel in Anwesenheit des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, mit Burkhard Ober, Head of Global Public Policy, Allianz SE, zum 1. Januar 2019 einen neuen Landesvorsitzenden. Der Wirtschaftsrat Brüssel fungiert als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik im Herzen der Europäischen Union. „Mir ist es wichtig, Unternehmer in den Dialog mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Spitzenbeamten der Europäischen Kommission zu bringen. Es ist entscheidend, dass die Interessen der Wirtschaft Gehör finden und die Soziale Marktwirtschaft durch die Balance zwischen Eigenverantwortung und Solidarität wieder stärker Einzug in die europäische Politik hält“, betont Burkhard Ober. Er ist seit 14 Jahren Mitglied im Wirtschaftsrat und folgt auf Christof-Sebastian Klitz, Head of Office, Volkswagen Group EU Representation, Brüssel, der

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Foto: fk/ph

WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

v.l.n.r. Oliver Deiters, Christof-Sebastian Klitz, Nina Schindler, Vera Brenzel, Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Burkhard Ober, Dr. Andreas Tegge, André Brose, Heinz Maurus

das Amt des Landesvorsitzenden fünf Jahre lang inne hatte. Ober dankte Christof-Sebastian Klitz, der weiterhin dem Landesvorstand des Wirtschaftsrates Brüssel angehören wird, im Namen aller Mitglieder des Wirtschaftsrates Brüssel für sein Engagement. Den neuen Landesvorsitzenden Ober unterstützen künftig die beiden stellvertretenden Landesvorsitzenden André Brose, Head of Regulatory & Public Affairs EMEA, Price­ waterhouseCoopers GmbH sowie Vera Brenzel, Head of Political Affairs, E.ON SE. Darüber hinaus wurden sechs weitere Vorstandsmitglieder in den neuen Landesvorstand gewählt: Oliver Deiters, DEKRA SE, Geschäftsführer der EU Vertretung (Wiederwahl), Christof-Sebastian Klitz, Leiter der Konzernrepräsentanz, Volkswagen Gruppe EU Repräsentanz (Wiederwahl), Dr. Benedikt Kuttenkeuler, Siemens SE, Leiter EU R ­ epräsentanz (neu gewählt), Heinz Maurus, Staatssekretär a.D./ Public A ­ ffairs, Remondis GmbH (Wiederwahl), Nina Schindler, Head of Government & Public Affairs EU Representation Deutsche Bank AG (neu gewählt), Dr. Andreas Tegge, SAP, Head Global Government Relations (neu gewählt). Außerdem wird Manfred Kurz, Würth Gruppe, Leiter der R ­ epräsentanzen Berlin & Brüssel, dem Landesvorstand Brüssel zukünftig als ehrenamtlich beratendes Mitglied zur Seite stehen. Günther Oettinger, EU-Kommissar für Budget und Personal und ehrenamtlich beratendes Mitglied des Präsidiums des Wirtschaftsrates, betonte die Bedeutung des Wirtschaftsrates in Brüssel und wünschte dem neuen Landesvorstand via Videobotschaft

viel Erfolg für seine zukünftige Arbeit. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates und Gastredner gratulierte dem neuen Landesvorsitzenden und wünschte ihm und seinem Team viel Kraft für die großen Herausforderungen in Europa. Chris­tof-Sebastian Klitz dankte er für fünf erfolgreiche Jahre als Landesvorsitzender. Vor den Wahlen zum Europa-Parlament im Mai 2019 wird der Wirtschaftsrat Brüssel in Gesprächen mit Abgeordneten des Parlamentes sowie Vertretern der Europä­ ischen Kommission seine Empfehlungen zur Europapolitik wie etwa die Vollendung des Binnenmarktes und die europäische Wettbewerbsfähigkeit einsetzen.

Schleswig-Holstein Deutsche Afrikapolitik im Auftrieb „Es ist ein Armutszeugnis, dass erst die Flüchtlingskrise den Blick der Bundesregierung auf Afrika gerichtet hat“, so Dr. Stefan Liebing, Präsident des Afrikavereins der Deutschen Wirtschaft. Gerade von einer Afrikareise mit der Bundeskanzlerin zurückgekehrt, „ mache die jetzt von Angela Merkel ausgehende Dynamik Hoffnung, die riesigen Chancen künftig besser mit dem deutschen Mittelstand zu entwickeln.“ Afrika leide unter den gängigen Klischees: Korruption und fehlende Infrastrukturen. Dabei gebe es Orte mit deutlich besser ausgebauten M ­ obilfunknetzen als in Deutschland und modernsten Autobahnen. Die 54 Länder entwickelten sich unterschiedlich: Äthio­pien wachse seit Jahren mit mehr als zehn Prozent, ­Nigeria habe bei der Einwohnerzahl gerade die USA überholt. Das Problem: Von 400.000 im Ausland tätigen deutschen Unternehmen sind bisher nur 1.000 in Afrika engagiert. Die Dax-Konzerne haben die Wachstumsmärkte erkannt, können jedoch größere Risiken besser abfedern als der Mittelstand. Für letzteren bedürfe es einer Absicherung politischer Risiken von Geschäften. Dazu könne Deutschland Ausfallbürgschaften gewähren, die gegenüber dem jeweiligen Staat an anderer Stelle geltend gemacht werden können.

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TREND 4/2018


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Im Spiegel der Presse ImSpiegel DIE ZEIT vom 06.09.2018

„Wollen SPD und Teile der Union in der Rentenpolitik nicht in einen Überbietungswettbewerb mit den Populisten eintreten, müssen sie anders als mit immer größeren Versprechen reagieren. Mit mehr Transparenz etwa. Denn wenn die Menschen verstehen, wie das Rentensystem funktioniert, verlieren sie die Angst vor Altersarmut“, erklärte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates.

Wirtschaftswoche vom 07.09.2018 „Wenn wir jetzt nicht Pflöcke einschlagen und unsere inter­ nationale Wettbewerbsfähigkeit ins Zentrum rücken“, warnen der Präsident des Wirtschaftsrates, Werner M. Bahlsen und der Generalsekretär Wolfgang Steiger in gleichlautenden ­Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, „steht zu befürchten, dass Investoren einen großen Bogen um Deutschland machen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.09.2018 Immer mehr Industrieländer erkennen, wie wichtig die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Attraktivität als Wirtschaftsstandort sind. „Lediglich Deutschland leistet sich einen steuerpolitischen Tiefschlaf“, kritisiert Generalsekretär Wolfgang Steiger.

Rheinische Post vom 21.09.2018

WIRTSCHAFTSRAT Forum

Lebensmittel Zeitung vom 12.10.2018

„Wer Handel und Lebensmittelwirtschaft hierzulande stärkt, belebt die Binnennachfrage, fördert Städte und Gemeinden und sorgt für Beschäftigung und Wohlstand.“ Deshalb müssen „die Belange dieser wichtigen Player stärker im Fokus der Wirtschaftspolitik stehen“, zitiert das Blatt aus einem Papier des Wirtschaftsrates.

Welt vom 23.10.2018

„Deutschland muss sich dem Wettbewerb stellen und Steuern senken“, erklärte Wolfgang Steiger. „Steuersenkungen und Entbürokratisierung sind die Standortfaktoren der Zukunft. Sie sichern Arbeitsplätze und Wohlstand der nächsten Genera­tionen.“

dpa vom 30.10.2018 „Die Union hat rund zwei Fünftel ihrer Wähler verloren“, sagte der Generalsekretär Wolfgang Steiger. Das personelle wie inhaltliche Angebot der CDU müsse nach dem Wechsel an der Parteispitze verdeutlichen, „dass man die fatale Botschaft nach der Bundestagswahl ‚Wir wissen nicht, was wir anders machen können‘ endlich überwunden hat.“

Börsen-Zeitung vom 02.11. 2018

„Die Aufmerksamkeit nur auf den italienischen Haushaltsentwurf zu richten, verstellt den Blick. Selbst wenn Italien und die EU-Kommission noch einen Kompromiss erzielen, werden uns die dahinter liegenden Probleme schnell einholen“, warnt Wolfgang Steiger.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.11.2018 Der Wirtschaftsrat fordert bessere Rahmenbedingungen für den Datenschutz in Unternehmen. Wolfgang Steiger: „Alle industrialisierten Staaten suchen die Entscheidung in der regulären Spielzeit. Zeit ist ein wesentlicher Faktor. Deshalb gilt es, jetzt zu handeln“. ©Klaus Stuttmann

Der Wirtschaftsrat forderte vor dem Wohngipfel weitere steuerliche Entlastungen für Wohnungsinvestitionen. „Infrage kämen die sofortige Anhebung der linearen Abschreibung, eine Absenkung der Grunderwerbsteuer sowie eine steuerliche Befreiung des Ankaufs eines Grundstücks zum Zwecke der Wohnbebauung“, sagte Wolfgang Steiger.

Welt vom 08.10.2018 Deutschland steht massiv unter Druck, weiteren Schritten zur Vollendung der Bankenunion zuzustimmen. Angesichts enormer Risiken im Bankensektor einiger Euro-Länder „bahnt sich unter einer euro­päischen Einlagensicherung ein massiver Umverteilungskanal an, der ökonomische und gesellschaft­liche Sprengkraft besitzt“, zitiert die Zeitung aus einem Positionspapier des Wirtschaftsrates. 4/2018 TREND

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32,3 2.300.000.000.000 Italien hat mit 2,3 Billionen Euro die höchsten Schulden in der Eurozone. Der größte Gläubiger Italiens ist die Euro­päische Zentralbank. Im ­Sep­tember 2018 hatte sie italienische Anleihen im Wert von 360 Mil­liarden Euro im Portfolio. Quelle: Bloomberg

In kaum einem anderen Land hat die Zahl der Schüler aus schwierigen Verhältnissen mit zufriedenstellenden Leistungen so stark zugenommen wie in Deutschland attestiert die OECDBildungsstudie: 2006 waren es 25,2 Prozent, im Jahr 2015 32,3 Prozent. Quelle: OECD

Quelle: Wirtschaftswoche/Stifterverband

15 Netflix verstopft mit 15 Prozent weltweit am stärksten die Internetleitungen, YouTube mit 11,4 Prozent. Allein für das Streamen von Videos gehen knapp 60 Prozent der Netz­kapazitäten drauf. Quelle: The Global Internet Phenomena Report von Sandvine

9,19 Ab 2019 erhöht sich der gesetzliche Mindestlohn um 42 Cent pro Stunde auf 9,19 Euro, 2020 dann noch einmal um 16 Cent auf 9,35 Euro. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat angekündigt, den Landesmindestlohn 2019 von mindestens elf schrittweise auf 12,63 Euro anzuheben. Erst im September hat der Berliner Senat den Mindestlohn auf 10,50 Euro angehoben. Quelle: Bundesregierung/Tagesspiegel

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Die Unternehmer im Wirtschaftsrat sind zu 90 Prozent „gar nicht“ oder „weniger“ zufrieden mit der Digitalisierungs­politik der Bundesregierung. Quelle: Wirtschaftsrat

Zahlen des Quartals

68.600.000.000 Die Investitionen der deutschen ­Wirtschaft in Forschung und Entwicklung sind 2017 um gut neun Prozent auf 68,6 Milliarden Euro geklettert.

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4,9 Zum ersten Mal seit der ­Wiedervereinigung sinkt die Arbeits­losenquote unter die ­Fünf-­Prozent-Marke. Und der Arbeitsmarkt entwickelt sich weiter günstig, wenngleich sich die Dynamik zuletzt etwas abgeschwächt hat. Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Verzweifelt versucht die SPD Themen zu setzen, die im linken Wählerspektrum zünden. Ob dies gerade während des Schaulaufs der CDU-Kandidaten klug war, darf allein unter Berücksichtigung der Gesetze der Kommuni­ kation bezweifelt werden. Die SPD verschießt Munition, die keinen trifft und kaum jemand hört. Zumindest die adressierten Wähler interessiert weit mehr, wie sich die Union in der Zukunft ausrichtet. Unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, die bemühte Sozialdemokraten unbedingt überschreiten wollen, passiert dennoch etwas: SPD-Finanzminister Olaf ­Scholz, der eigentlich in der Arbeitsteilung Wähler in der Mitte gewinnen soll, verliert als neugeborener, forscher Verteilungspolitiker, Sozial- und Rentenreformer innerhalb kürzester Zeit die ­seriöse Reputation, die er als Hanseat im Finanzressort zugesprochen bekam. Da passt nichts zusammen. Sollten die großen sozialpolitischen Segnungen, wie die Abschaffung von Hartz  IV oder weitere teure Rentengeschenke, doch noch von den Wählern draußen wahrgenommen werden, stellt sich eine andere Frage: Gehen diese nicht gänzlich an den Wählern vorbei, die die SPD zuletzt in Richtung Grüne, Union und AfD v­ erloren hat? Braucht der klassische Facharbeiter nicht eher eine Entlastung von Sozialabgaben und Steuer, nicht zuletzt dem Solidaritätszuschlag? Eben Themen der Mitte. Wäre dafür nicht der Bundesfinanzminister prädestiniert, der sich gerade als Sozialpolitiker inszeniert? TREND 4/2018

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» DAS ALLERWICHTIGSTE IST, DASS DU SAUBER SPIELST, EGAL WO UND WAS DU SPIELST. « Bastian Schweinsteiger, Weltmeister mit der Fußballnationalmannschaft

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