TREND - Magazin für Soziale Marktwirtschaft - Ausgabe 1/2020

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42. JAHRGANG 1 / 2020

Neue EU-Kommission

Quo vadis Europa? TOP-INTERVIEW

Christian Lindner BANKEN UND KAPITALMÄRKTE

Herausforderung Zukunft meistern DIGITALISIERUNG

Was die Große Koalition für 2020 plant


Veränderung baut auf Vertrauen PwC – Trust in Transformation

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© 2020 PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. „PwC“ bezieht sich auf die PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige Gesellschaft.


EDITORIAL

Foto: Nell Killius

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Astrid Hamker Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

nser Land, und die es seit Jahren prägenden Parteien, stehen in einem großen Umbruch, der zumindest in der CDU zu einem neuen Aufbruch werden kann. Die politischen Kettenreaktionen, die durch die Thüringer Landtagswahlen im Herbst ausgelöst wurden, werden uns noch lange b ­eschäftigen. Erstmalig hatten die Parteien der Mitte weniger Stimmen als die Parteien am linken und rechten Rand gewinnen können. Und das in einem neuen Bundesland, das

Titelbild: AdobeStock©Tom Bayer

„Für die Union besteht jetzt die Chance, im internen Wettbewerb die bestmögliche Aufstellung für die Zukunft zu finden.“ neben Sachsen seit der Deutschen Einheit die besten Wirtschaftsdaten und die niedrigsten Arbeitslosenzahlen aufzuweisen hat. Die Folgen dieser Entwicklung haben ein politisches Erdbeben ausgelöst. Für die Union besteht jetzt die Chance, im internen Wettbewerb die bestmögliche Aufstellung für die Zukunft zu finden. Zwei der drei Kandidaten, die sich für die Führung der CDU-Spitze zur Wahl stellen, sind Mitglieder des Wirtschaftsrates. Mit unserem Vizepräsidenten Friedrich Merz arbeiten wir im Team im Präsidium des Wirtschaftsrates sehr gut und eng zusammen. Er steht uns seit Jahren mit seiner besonderen politischen und wirtschaftspolitischen Kompetenz engagiert zur Seite. Norbert Röttgen setzt sich für eine stärkere marktwirtschaftliche Ausrichtung der Union ein und dokumentiert dies durch sein Engagement im Wirtschaftsrat. Armin Laschet diskutierte wenige Tage vor Bekanntgabe seiner

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Kandidatur mit den Mitgliedern unseres Präsidiums und Bundesvorstandes und betonte hier auch die Notwendigkeit, die Wirtschaftskompetenz der CDU zu stärken. Der Wirtschaftsrat ist derzeit besonders gefragt und nah an den wichtigsten Entscheidungsträgern dran. Das ist auch sehr wichtig, weil große wirtschaftspolitische Weichenstellungen anstehen. Eine effiziente Klimapolitik und Energiewende sind nur mit und nicht gegen die Industrie umzusetzen. Wir brauchen eine Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit, in der Zukunft demographiefeste soziale Sicherungssysteme und auf europäischer Ebene eine nachhaltige Wachstums- und Innovationsstrategie. In Politik und Gesellschaft schlittern wir zu oft in einfach gestrickte, populistische Muster von den politischen Rändern. Krasseste Beispiele dafür sind Ausländerfeindlichkeit, Enteignungsphantasien und kontraproduktive Instrumente wie der Berliner Mietendeckel, durch den der Wohnungsmarkt abgewürgt werden wird. Gemeinsam wollen wir unser Land und Europa mit marktwirtschaftlichen Lösungen voranbringen. Ich freue mich dabei auf Ihre Unter­stützung.

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INHALT

TITEL

Foto: Jens Schicke

EUROPA 10 EU-Kommission: Quo Vadis Europa?  Peter Hahne

8 TOP-INTERVIEW „Die Grünen versprechen eine heile Welt“ Der Vorsitzende der FDP und der FDPBundestagsfraktion Christian Lindner stand TREND in einem exklusiven Interview Rede und Antwort zu den Vorgängen in Thüringen, den Grünen und den Themen Freiheit, Klimaschutz und Kohlekompromiss sowie Steuerpolitik.

10 TITEL

Foto: European Union, 2020 - Etienne Ansotte

Quo vadis Europa? Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat ihre Arbeit aufgenommen. Der Wirtschaftsrat zeigt klar, welchen Themen sich die Kommission in den nächsten fünf Jahren stellen muss. Europa muss souveräner, kraftvoller und geeinter auf der Weltbühne auftreten. Sonst droht der ­Kontinent seine globale Gestaltungskraft zu verlieren. Es lohnt sich, mit einer klugen Strategie für globale Ansätze im Klimaschutz und der Handelspolitik zu kämpfen.

START EDITORIAL 3  Astrid Hamker AUSSENANSICHT 6 So schafft Berlin den Wohnungsmarkt ab  Gunnar Schupelius

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16 Jetzt Europas Zukunft bauen  Monika Hohlmeier

AKTUELL INTERVIEW 8 „Die Grünen versprechen eine heile Welt“  Christian Lindner TREND-GRAFIK 18 Wie attraktiv ist der Wirtschaftsstandort Deutschland? KLIMASCHUTZ 20 Effizienter Klimaschutz durch Innovationen  Andreas Jung MdB ENERGIEPOLITIK 22 Sofortprogramm „Erneuerbare für die Industrie“  Stephan Frense

BANKEN UND KAPITALMÄRKTE 32 Herausforderung Zukunft meistern 33 Starke Finanzpartner  Dr. Volker Priebe 33 Vier Herausforderungen  Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch 34 Einheitlichen Binnenmarkt schaffen  Dr. Jörg Kukies 34 Digitalisierung sorgt für neue Geschäftsfelder  Dr. Wolfgang Fink 35 Die Welten miteinander verknüpfen  Karl Matthäus Schmidt 36 Bankenunion ist Realität  Dr. Elke König 36 Kapitalmarktunion schaffen  Martin Zielke 37 Klares Bekenntnis zur Immobilie gefragt  Jörg Münning 38 Infrastrukturen modernisieren, Klimawandel gestalten  Dr. Werner Hoyer 38 Niedrige Inflation birgt Gefahren  Philip R. Lane

SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT 23 Regulierung mit Maß und Mitte bitte!  Jan Mücke

39 Governance ohne Government  Sir Jon Cunliffe

ALTERSVORSORGE 28 Private Zusatzrente zukunftsorientiert gestalten  Hans Joachim Reinke

42 Erfolg hat viele Faktoren  Bernhard Langer

40 Geld der Zukunft – Zukunft des Geldes  Henning Vöpel

Foto: AdobeStock©M. Johannsen

Inhalt

BÜROKRATIE 30 Mittelstandsfeindliche Regulierung  Dr. Helge Lach DIGITALISIERUNG 24 Umsetzungsstrategie macht digitale Fortschritte transparent  Dorothee Bär MdB 26 Die entscheidende Frage ist das WIE!  Ronja Kemmer MdB 31 Potentiale in der Versorgung ausschöpfen  Dr. Frank Wartenberg

24, 26 DIGITALISIERUNG Was die Große Koalition 2020 plant Seit die Digitalpolitik zur Chefsache deklariert worden ist, kann Deutschland auf Erfolge in der Digitalisierung blicken. Für 2020 hat sich die Große Koalition viel vorgenommen. Dazu gehört auch, dass die Enquete-Kommission die richtige Balance zwischen Regulierung und Innovationsfreiheit in der Künstlichen ­Intelligenz findet.


INHALT

STANDPUNKT STEIGER 43 Nutzbringendes Eigentum INNENANSICHT 44 Neues aus den Kommissionen DEUTSCH-CHINESISCHER WIRTSCHAFTSTAG 46 Märkte stärker öffnen BUCHPRÄSENTATION 47 Der Perfekte Sturm?

ENGAGEMENT 48 Potential der Kreislaufwirtschaft weiter stärken Thomas Kyriakis JUNGER WIRTSCHAFTSRAT 50 Bildung macht Zukunft WIRTSCHAFTSRAT EXKLUSIV 51 Ihr globaler Arbeitsplatz FINANZMARKTKLAUSUR 2020 52 Digitalisierung und Niedrig­ zinsphase prägen das Bild

SCHLUSS AUS DEN LÄNDERN 54 Rückblick | Einblick | Ausblick 56 Impressum

Foto: AdobeStock©AGphotographer

WIRTSCHAFTSRAT

32 BANKEN UND KAPITALMÄRKTE Herausforderung Zukunft meistern Regulierung, Wettbewerbsdruck, Nullzinspolitik und Digitalisierung setzen den Banken und ihren Geschäftsmodellen zu. Die Rahmenbedingungen auf dem Kapitalmarkt sind herausfordernd. Wie der Sprung in die Zukunft gelingen kann.

FORUM 57 Im Spiegel der Presse 58 Zahlen des Quartals 58 Spindoktor

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1/2020 TREND go.hdi.de/bav-best-advice

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AUSSENANSICHT

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nde Januar 2020 verabschiedete das Berliner Abgeordnetenhaus ein Gesetz von historischer Dimension: den „Mietende­ ckel“. Er beinhaltet vor allem zwei Regelungen. Erstens: Die Nettokaltmiete jeder Wohnung in der Hauptstadt wird auf dem Stand vom 19. Juni 2019 für fünf Jahre eingefroren, Erhöhungen sind gesetzlich verboten. Ausgenommen sind Sozialwohnungen und Neubauten, die ab 2014 bezugsfertig wurden. Zweitens legt eine Tabelle fest, wie viel Miete ein Vermieter maximal verlangen darf. Das hängt vom Baujahr des Hauses ab und liegt für Baujahre bis 1919 zwischen 3,92 bis 6,45 Euro

als die gesetzlich festgelegte v­ erlangt, drohen ihm empfindliche Geldstrafen. Am größten ist die Diskrepanz zwischen erlaubten und tatsächlichen Angebotsmieten in den zentralen und begehrten Lagen der Stadt, in Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg. Hier führt der Mietendeckel zu einer paradoxen Situation: Obwohl die rotrot-grüne Koalition eigentlich Mieter mit kleinen Einkommen entlasten will, profitieren in den genannten Wohnlagen tatsächlich Mieter mit hohen Einkommen. Das zeigt eine Analyse der Berliner Sparkasse. Danach können Mieter, die bisher bereit und in der Lage waren, etwa 16 Euro pro

jektes kaum noch zuverlässig geplant werden kann. Zugleich haben Vermieter reihenweise Aufträge für Modernisierung und sogar Instandsetzung storniert oder nicht mehr erteilt, weil sie nicht wissen, wie schnell sich die zu erwartenden Mietsenkungen auf ihr Geschäftsmodell auswirken. Diese ungewollten Nebenwirkungen ignoriert die rot-rot-grüne Koalition schlicht. Das hat Gründe, denn am Anfang des Mietendeckels stand keine pragmatische Politik, sondern pure Ideologie. Im Wahlkampf 2016 fragte die Links-Partei auf ihren Plakaten: „Wem gehört die Stadt?“ Das klang harmlos, war aber als Systemfrage gemeint. Die Antwort sollte heißen:

So schafft Berlin den Der Senat führt den „Mietendeckel“ ein, angeblich um Wohnen für Bezieher kleinerer ­Einkommen erschwinglicher zu machen. Ein Schritt in die völlig falsche Richtung: Es werden noch weniger Wohnungen gebaut und die Profiteure sind sogar Wohlhabende. pro Quadratmeter, je nachdem, ob die Wohnung mit Heizung und Bad ausgestattet ist. Der höchste Preis (Baujahre: 2003 bis 2013) liegt bei 9,80 Euro. Generell gilt: Liegt eine Miete mehr als 20 Prozent über dem Oberwert, gilt sie als überhöht und kann vom Mieter angefochten werden. Wenn ein Vermieter bei der Neuvermietung einer Wohnung eine höhere Miete

Foto: Christian Lohse

Gunnar Schupelius ist Journalist, Sachbuchautor und Kolumnist der B.Z. Für seine klaren Positionen haben Linksextreme bereits Anschläge auf ihn und seine Familie verübt.

Quadratmeter netto kalt zu zahlen, jetzt die Absenkung dieser Miete um die Hälfte verlangen. In vielen Randlagen der Stadt dagegen ist die Differenz zwischen der bestehenden und der künftig genehmigten Miete am geringsten. Im Ortsteil Buckow liegt diese Differenz bei durchschnittlich 1,83 Euro pro Quadratmeter. Hier wohnen tatsächlich Leute mit kleinen Einkommen, für die das neue Gesetz wenig ändert. Der Mietendeckel führt zudem zu ungewollten Nebenwirkungen: Die Zahl der Neubauten wird sinken, das zeichnet sich bereits ab. Die Bauherren rechnen damit, dass der Deckel nach fünf Jahren verlängert wird, so dass die Finanzierung eines Baupro-

„Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde so tief in den Wohnungsmarkt eingegriffen, nie zuvor hat der Staat die Vertragsfreiheit in diesem Markt so eingeschränkt.“

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Künftig nicht mehr den Eigentümern, sondern dem Staat. Die Linke stand auch hinter der Mobilisierung der Straße: Linke Aktivisten gründeten die „Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, die eine erstaunliche Wirkung hervorrief: Die „Deutsche Wohnen“, größter Vermieter der Stadt und Aktiengesellschaft, wurde als Feindbild aufgebaut. Ziel war ein Volksentscheid, der zur Enteignung aller Wohnungseigentümer führen sollte, die mehr als die willkürlich gewählte Obergrenze von 3.000 Wohnungen besitzen. Beeindruckt von der Wucht der Kampagne, schlossen sich die Grünen an. Die SPD geriet in Panik und ersann den Mietendeckel als Gegenmittel. Damit wollte sie der Enteignungskampagne den Wind aus den Segeln nehmen, anstatt mit aller Macht den ungeheuren Tabubruch der Enteignung zu bekämpfen. Dies gab Berlins Regierender Bürgermeister Michael

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Foto: AdobeStock©spuno

AUSSENANSICHT

Wohnungsmarkt ab Müller (SPD) am 9. November 2019 in einem Interview mit dem „Spiegel“ unumwunden zu: „Ja, der Mietendeckel ist auch eine Antwort auf diese Initiative“, sagte er und meinte damit die „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Der Mietendeckel führt zu einer Teilenteignung, weil er bestehende Mieteinnahmen gesetzlich verbietet. Das nahm die SPD in Kauf, weil sie die Enteignungsdrohung fürchtete, die Linke und Grüne aufgebaut haben und von der sie in Umfragen profitierten. Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde so tief in den Wohnungsmarkt eingegriffen, nie zuvor hat der Staat die Vertragsfreiheit in diesem Markt so eingeschränkt. Der Mietendeckel hat in Deutschland bereits eine lange unrühmliche Geschichte: Erstmals setzte Adolf Hitler eine solche Regelung am 20. April 1936 mit der „Verordnung über die Änderung des Mietschutzgesetzes“ in Kraft, die am 30. November 1936 durch das „Verbot von Mieterhöhungen“ von NS-Preiskommissar Josef Wagner ergänzt wurde. In der DDR galten diese Verordnungen bis 1990

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fort. Darauf weist der Berliner Historiker Daniel Koerfer hin: Der Immobilienbestand sei dadurch zerstört worden. „Ruinen schaffen ohne Waffen“, habe der Volksmund diese katastrophale Entwicklung genannt. 30 Jahre nachdem der Mietendeckel im Osten des Landes vor aller Augen scheiterte, kommt er nun in der Hauptstadt zurück. Und nicht nur der Wohnungsmarkt wurde auf Eis gelegt. Auch die Gewerbemieten sollen gedeckelt werden. Das beantragte der Senat im Bundesrat. In den letzten Jahren hätten sich die Gewerbemieten sogar in den Nebenlagen verdreifacht, argumentierten die rot-rot-grünen Politiker. Diese Behauptung allerdings beruhte auf einem falschen Zahlengerüst, wie der Rundfunk Berlin Brandenburg am 3. Februar 2020 nachwies. Doch auch solche Fehler halten die Ideologen der drei linken Parteien offenbar nicht davon ab, die Soziale Marktwirtschaft kontinuierlich zu diskreditieren und der Verstaatlichung das Wort zu reden. Kaum war der Mietendeckel beschlossen, forderten die Grünen auch schon eine Preisfestl legung im Lebensmittelmarkt.

So viel Miete erlaubt das Land Berlin für Wohnungen in Häusern bis Baujahr 2013 Maximale Miete nach Ausstattung und erstmaliger Bezugsfertigkeit der Wohnung in Euro pro Quadratmeter Baujahr

Ausstattung

Miete Euro/m2

2003 – 2013

Heizung und Bad

1991 – 2002

Heizung und Bad

1973 – 1990

Heizung und Bad

6,04

1965 – 1972

Heizung und Bad

5,95

1950 – 1964

Heizung

1950 – 1964

Heizung oder Bad

8,13

5,62 6,08 4,59

1919 – 1949 1919 – 1949

Heizung oder Bad

1919 – 1949

Heizung und Bad

bis 1918

9,8

5,22 6,27

3,92

bis 1918

Heizung oder Bad 5,0

bis 1918

Heizung und Bad

6,45

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AKTUELL Interview

Der Vorsitzende der FDP und der FDP-Bundestagsfraktion Christian Lindner stand Rede und Antwort zu den Vorgängen in Thüringen, dem Aufstieg der Grünen, Freiheit, Klimaschutz und Kohlekompromiss sowie der Steuerpolitik. Das Interview führten Klaus-Hubert Fugger und Armin Peter.

– Die GroKo hat in vielen Umfragen keine Mehrheit mehr. Wie lange geben Sie dem Bündnis noch? Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Große Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält. Was danach kommt, werden wir sehen. Die CDU hat eine offene Führungsfrage, die SPD anhaltend schlechte Umfragewerte. Nach dem Sonderparteitag der CDU werden die Karten neu gemischt. Meine Absicht ist jedenfalls, die FDP als Vorsitzender in Regierungsverantwortung zu führen.

setze auf einen neuen Anlauf in einer politisch erneuerten Konstellation. – Die Grünen scheinen ja trotzdem einen Siegeszug ­anzutreten bis in weite Teile des Mittelstandes hinein. Ist Freiheit unsexy geworden? Für manche offenbar schon. Die Grünen versprechen eine heile Welt. Aber ich kann weder das Verbot des Ver­ ­ brennungsmotors noch Vermögenssteuer, Mieten­ deckel, Enteignung oder Steuererhöhungen attraktiv finden. Wer das wählen will, soll es wählen. Ich glaube, dass es dem Wirtschaftsstandort Deutschland massiv schaden würde. – Sie werben um politisch Heimatlose von Grünen und AfD, aber auch in Richtung SPD. Wie passt das zusammen? Uns geht es um die politische Mitte. Dort gibt es Millionen Menschen, die nicht bedürftig sind, die nicht eine Politik wollen, die sich ständig um sie kümmert oder Menschen

Foto: Jens Schicke

– Herr Lindner, was ist Ihr Fazit aus den Vorgängen in Thüringen? Es kann keine Regierung geben, die durch die AfD ins Amt kommt und von Herrn Höcke abhängig ist. Wir haben umgehend Klarheit geschaffen. Wir kooperieren nicht mit der AfD, mit der Linkspartei koalieren wir nicht. Deshalb liegt der Höhepunkt der Krise hinter uns, es kann wieder Vertrauen wachsen.

„Die Grünen versprec – Warum profitiert die FDP derzeit nicht von der Schwäche der Regierungsparteien? Es hat Irritationen wegen Thüringen gegeben. Da waren wir fahrlässig und sind in die Falle der AfD gegangen. Hinzu kommt: Mancher hätte uns gerne in einer Regierung mit Frau Merkel und den Grünen gesehen. Daher bin ich dem Wirtschaftsrat enorm dankbar. Denn da gab es schon 2017 Stimmen, die unsere Absage öffentlich als nachvollziehbar bezeichnet haben. Jamaika mit Grünen, die linker als die SPD sind, wäre ins Auge gegangen. – Es gab ja mal einen SPD-Vorsitzenden, Franz Münte­ fering, der sagte: „Opposition ist Mist.“ Hat er Recht? Was hätten wir in einer Regierung zu suchen gehabt, in der die Abschaffung des Solidaritätszuschlags an einem kommissarischen CDU-Finanzminister Peter Altmaier gescheitert ist? Was hätten wir in einer Jamaika-Koalition zu suchen gehabt mit Grünen, die vom ungesteuerten Familiennachzug bis hin zur Sofortabschaltung von Braunkohle alle möglichen Irrationalitäten gefordert haben. Ich

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in eine Abhängigkeit bringen will. Und auf der anderen Seite gibt es Leute, die aus dem Gröbsten raus sind, die Fleißigen in dieser Gesellschaft, die den Wunsch nach ­Eigentumsbildung haben. Natürlich wollen sie auch mehr von ihrem Nettoeinkommen behalten und etwa eine vernünftige Schule für ihre Kinder. Sie ärgern sich über den schlechten Zustand der Infrastruktur, viele sehen auch die ungeordnete Migration kritisch. Das ist eine breite ­Mehrheit in der Gesellschaft, die wir ansprechen. – Die Stimmung im Land ist ja durchaus ambivalent. ­Welche Antwort können Sie als FDP auf den Wunsch nach mehr Klimaschutz geben? Wir stehen zu den Pariser Klimazielen und halten den Klimawandel für Herausforderung und Chance zugleich. Das unterscheidet uns von anderen. Wir wollen keine Verbote oder eine neue CO2-Steuer, sondern marktwirtschaftliche Instrumente wie den CO2-Handel. Der hat sich in Europa bewährt. Wenn man groß denkt, kann man vielleicht sogar einen gemeinsamen CO2-Markt mit der

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AKTUELL Interview

– Wenn wir schon mal bei den Kandidaten der Union, dem innerparteilichen Kampf jetzt sind, wer ist denn Ihr F­ avorit? Mit fast allen Kandidaten habe ich schon sehr gut und sehr eng zusammengearbeitet. Mit Armin Laschet verbindet mich besonders, dass ich 2017 in Nordrhein-Westfalen eine sehr erfolgreich arbeitende Landesregierung mit ihm verhandelt habe. Mit Friedrich Merz teilen wir natürlich den Reformeifer und haben viele Gemeinsamkeiten bei der Wirtschafts- und Steuerpolitik. – In der zweiten Jahreshälfte hat Deutschland die EU-­Ratspräsidentschaft. Welche Themen sollte die Bundes­ regierung da besonders pushen? Es gibt einen Green Deal der Kommission, der jetzt marktwirtschaftlich konkretisiert werden sollte. Es wäre sehr verdienstvoll, wenn die deutsche Ratspräsidentschaft darauf hinwirken würde. Und wir brauchen mehr europäischen Ehrgeiz bei Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Daten. – Wie bewerten Sie denn die aktuelle ­Aufstellung der Regierungspartei SPD?

chen eine heile Welt“ Volks­republik China beschließen. Da wird immer viel zu klein und planwirtschaftlich gedacht wie in der Kategorie des Ölheizungsverbots statt der Produktion von grünem Wasserstoff. – Bleiben wir mal bei der Steuerpolitik. Es geht ja nicht nur um den Solidaritätszuschlag, sondern Deutschland hat ja auch seit über zehn Jahren keine Unternehmenssteuerreform mehr gesehen. Wie wollen Sie dieses T­ hema als FDP erstmal gestalten und dann auch pushen? Wir haben über mehr als ein Jahrzehnt eine steuerpolitische Untätigkeit erlebt. Deren Ergebnis ist, dass wir heute eine historisch hohe Steuerquote haben. Jetzt muss endlich ein Umdenken her. Der Soli ist die einfachste Möglichkeit. Wir müssen aber auch die Sätze der Körperschaftssteuer ­reduzieren und die Einkommenssteuer anpassen, insbesondere beim sogenannten Mittelstandsbauch und beim Spitzensteuersatz. Da erhoffe ich mir Unterstützung von der Union.

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Die SPD hat sich für ein Duo entschieden, das die Partei an vielen Stellen weiter links positionieren will. Ich habe Zweifel an der Idee, dass die SPD nur noch eine Interessenvertretung von wie auch immer Beschwerten und Bedürftigen sein soll. Die SPD war immer dann erfolgreich, wenn sie auch den Leistungsträgern der Mitte, Facharbeitern, Höchstqualifizierten ein Angebot gemacht hat. – In der Energiepolitik leistet sich Deutschland teure ­Sonderwege. Ist denn der Kohlekompromiss zufriedenstellend? Nein, der Kompromiss ist absurd. Alleine aus betriebswirtschaftlichen Gründen würden die Betreiber von Kohlekraftwerken in den nächsten Jahren Anlagen stilllegen, weil der CO2-Handel in Europa sehr gut funktioniert. Wir gehen jetzt einen teuren Sonderweg, indem wir an jedes Kraftwerk eine Zeitangabe heften. Dafür müssen dann Milliarden an Entschädigung gezahlt werden, die ansonsten überhaupt gar nicht notwendig wären für die Erreichung der Klimaziele. l Das ist aberwitzig.

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TITEL Europa

Quo vadis Europa? Text: P eter Hahne

E

uropa steht vor großen Herausforderungen. Eine klima­ freundliche Gesellschaft, die digitale Wirtschaft und eine robuste Sicherheitsstrategie in einer zunehmend unruhigen Welt stehen dabei im Mittelpunkt. Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat bereits ehrgeizige Ziele entwickelt. Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden, von der Leyen spricht von Europas „Mann-auf-dem-MondMoment”. In der kommenden Dekade wird sich zeigen, ob die Europäer künftig mit China und den USA auf Augenhöhe agieren können oder ob der alte Kontinent auf der Weltbühne ins Hintertreffen gerät. Eine kraftvolle, souveräne EU ist die Voraussetzung dafür, dass Europa auch im 21. Jahrhundert Wohlstand und Sicherheit für seine Bürger garantieren kann. „Europa muss enger zusammenrücken”, forderte jüngst Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. „Wir sehen einfach, dass jedes Land in Europa für sich selber zu klein ist, um im Wettbewerb mit China und den USA zu bestehen.” An dem Befund kann es keinen Zweifel geben. Einen Rückzug in die Kleinstaaterei, die Heilsversprechen der nationalistischen Populisten – sie markieren das Gegenteil dessen, was Europa in einer sich neu formierenden globalen Ordnung nach vorne bringt.

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Deutschlands Verantwortung „Europa muss zur Einheit finden – mit einem Deutschland, das seiner geopolitischen Lage entsprechend Führung und Verantwortung in Europa übernimmt”, betont Friedrich Merz, Vizepräsident des Wirtschaftsrats. Es steht viel auf dem Spiel. Die EU-Kommission warnt, dass in den nächsten zehn bis 15 Jahren 90 Prozent des globalen Wachstums außerhalb der EU stattfinden werden. Europa, so viel wird bei nüchterner Bestandsaufnahme schnell klar, wird sich strecken müssen, um eine „treibende Kraft für Multilateralismus und eine regelbasierte Weltordnung” zu bleiben, wie es in der „neuen Strategischen Agenda 2019-2024” des Europäischen Rats heißt. Will Europa die künftige Weltordnung nach seinen Wertvorstellungen mitgestalten, muss es auch zuhause für einen zukunftsfähigen – und marktwirtschaftlichen – Ordnungsrahmen sorgen. „Es braucht dringend einen ordnungspolitischen Gegenentwurf zu den Vertiefungskonzepten von Macron und Juncker, die unter pro-europäisch nur mehr Umverteilung verstehen”, mahnt der Wirtschaftsrat. Taschenspielertricks helfen niemandem Daran muss sich auch der „Green Deal” messen lassen. Schließlich stehen gewaltige Summen im Schaufenster. Rund eine Billion Euro will die EU-Kommission in der kommenden Dekade für den Klima-

schutz mobilisieren. Das Parlament unterstützt die Agenda. Fast 500 Milliarden Euro sollen dafür aus dem EU-Budget aufgebracht werden, der Rest fließt aus Umschichtungen innerhalb des EU-Haushalts, von den Mitgliedstaaten, von der Europäischen

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TITEL Europa

Foto: European Union, 2020 - Etienne Ansotte

Die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat ihre Arbeit aufgenommen. Der Wirtschaftsrat zeigt klar, welchen ­Themen sich die Kommission in den nächsten fünf Jahren stellen muss. Europa muss souveräner, kraftvoller und geeinter auf der Weltbühne auftreten. Sonst droht der Kontinent seine globale Gestaltungskraft zu verlieren. Es lohnt sich, mit einer klugen ­Strategie für globale Ansätze im Klimaschutz und der Handelspolitik zu kämpfen.

Investitionsbank (EIB) und aus der Privatwirtschaft. So zumindest der Plan, der noch mit vielen Fragezeichen versehen ist. „Unklar ist noch, wie viel Geld dafür zur Verfügung steht, denn noch ist der EU-Haushalt nicht geklärt”, gibt Thilo Schae-

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fer, Energieexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, zu bedenken. So fordert das EU-Parlament Beiträge der Mitgliedstaaten in Höhe von 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung, Berlin setzt sich für eine Begrenzung auf ein Prozent ein. Denn laut Schätzung der Bundesregierung wird der Beitrag Deutschlands nach dem EU-Austritt des wichtigen Nettozahlers Großbritannien ohnehin um rund 14 Milliarden Euro im Jahr steigen. Und: Viel Geld allein wird das Klima nicht retten. „In jedem Fall darf das Geld Betroffene nicht langwierig ­ subventionieren, sondern muss zukunftsgerichtete und technologieoffene Lösungen fördern”, sagt IW-Umweltexperte Schaefer. ­„Taschenspielertricks helfen niemandem”. Der Wirtschaftsrat wendet sich strikt gegen Pläne der EU-Kommission, dafür den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufzuweichen. Klimaausgaben sollen den Plänen zufolge aus den Schuldenregeln ausgeklammert werden können. „Statt Schulden künstlich in Gut und Böse einzuteilen, muss die Kommission wieder die wahre Hüterin der Verträge werden und Wachstumspolitik mit solider Haushaltspolitik verbinden. Schulden bleiben Schulden“, mahnt Generalsekretär Wolfgang Steiger. Industriestrategie gefragt Deshalb setzt sich der Wirtschaftsrat dafür ein, die Klimaziele mit einer industriepolitischen Strategie zu

verbinden, die die Wettbewerbsfähigkeit Europas in den Mittelpunkt rückt. Nötig ist, so Friedrich Merz, eine europäische Industriestrategie, die jedoch nicht nur ein Element unter vielen des „Green Deal“ sein darf, sondern integraler, gleichberechtigter Bestandteil einer Gesamtstrategie – eine wettbewerbsfähige Industrie ist für Wohlstand, Arbeitsplätze und die Zukunftsfähigkeit Europas schließlich genauso wichtig wie der Klimaschutz. Ohne innovative Technologien einer leistungsfähigen Industrie ist Klimaschutz nicht zu haben. „Klimapolitik darf nicht zum Vorwand für immer neue Belastungen der Industrie und ihrer Arbeitsplätze werden”, mahnt Steiger. Der Generalsekretär des Wirtschaftsrats setzt stattdessen auf einen innovationsorientierten Rahmen für die Sektorkopplung, die Ausweitung des europäischen Emissionshandels und einen wirksamen Schutz vor der Verlagerung von CO2-Emissionen ins Ausland (Carbon Leakage). „Nationale Instrumente zur CO2-Bepreisung wie der deutsche Emissionshandel für Wärme und Mobilität müssen konsequent in einen integrierten EU-Emissionshandel überführt werden”, so Steiger. Der umweltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese, kritisiert, dass Sozialdemokraten und Grüne ausgerechnet die Einführung des Emissionshandels in ­diesen beiden wichtigen Bereichen im EU-Parlament gestoppt haben und stattdessen allein auf Verbote setzen. Die

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TITEL Europa

Wirtschaftsleistung (Kaufkraftparitäten) Frankreich

3,08

Großbritannien

3,11

Brasilien

3,53

Indonesien

3,75

Russland

4,35

Deutschland

4,56

Japan

5,81

Indien

Quelle: IWF

(Stand 2018, in Billionen US-Dollar)

11,41

EU

21,11

USA

21,48

China

27,45

IW-Ökonomen warnen, dass Unternehmen wegen der verschärften Klimaziele abwandern könnten. „Je ambitionierter die Klimaziele werden, desto eher investieren Industrieunternehmen mit hohem Energiebedarf außerhalb Europas”, sagt Schaefer. „Das schwächt den Standort und kostet Jobs.” Vor allem aber bringe es dem Klima nichts, wenn CO2-intensive Produktion von Deutschland nach Asien abwandere. Wettbewerbsfähigkeit sichern Skeptisch stimmt auch die geplante „Grenzausgleichssteuer”, die eine Be-

steuerung von Importen nach Europa gemäß ihrer CO2-Bilanz vorsieht. „In keinem Fall”, so die Sorge Steigers, „darf es zu einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit oder zu einer Verschärfung von Handelskonflikten kommen.” Unterstützung für eine sorgsam abgestimmte Industriepolitik kommt aus der Wissenschaft. Die Ökonomen Karl Aiginger aus Wien und Dani Rodrik von der Harvard University untermauern in einem Forschungsprojekt die zentrale Rolle der Industriepolitik im 21. Jahrhundert. „Industriepolitik darf in der Wirtschaftspolitik keine

China schon bald größter digitaler Markt Prognose: Umsatz mit digitalen Produkten (in Milliaren US-Dollar)* EU5**

USA

China

1.000

Quelle: Statista Digital Economy Compass

900

12

765

800 700

698

600 500 400 300

434 2016

2017

* u. a. E-Commerce, E-Travel, Digital Media

2018

2019

** Deutschland, Frankreich, UK, Italien, Spanien

Spezialabteilung sein, sondern muss Synergien zwischen Teilpolitiken beachten”, so Aiginger. „Wettbewerbs-, Bildungs-, Sozial und Umweltpolitik sind nur wirksam, wenn sie mit der Industriepolitik in einer gemeinsamen Strategie geplant werden.” Eine Klimapolitik ohne klug abgestimmte Industriepolitik führt also auch mit sehr viel Geld nicht zum Ziel. Auf Subsidiarität setzen Ebensowenig zielführend für Europa wäre – bei allem Willen zur Einigkeit – eine Vereinheitlichung von Schulden, der Einlagensicherung oder der Sozialpolitik. Derartige Vorschläge laufen dem Grundsatz der Subsidiarität diametral entgegen. Das Herzstück der Integration bleibt der europäische Binnenmarkt, das ordnungspolitische Leitbild der Wettbewerb. Probleme mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und hoher Verschuldung lassen sich nicht zentralbürokratisch in Brüssel, sondern nur auf nationaler Ebene lösen. Die neue EU-Kommission sollte sich darum nicht in Debatten um „soziale Konvergenz”, eine Transaktionssteuer oder ein Eurobudget verzetteln, sondern alles an die zügige Vollendung des europäischen Binnenmarktes setzen, etwa des europäischen Kapitalmarktes. Das stärkt die Wirtschafts- und Währungsunion, und damit Wohlstand, Sicherheit und letztlich auch den Klimaschutz. „Ich will die Diversifizierung der Finanzierungsquellen für Unterneh­ men beschleunigen und Kapitalflusshemmnisse beseitigen”, kündigt Valdis Dombrovskis an, Vizepräsident der EU-Kommission und Kommissar für Wirtschaft und Kapitaldienstleistungen. Der Wirtschaftsrat unterstützt dies ausdrücklich. Dombrovskis erinnert daran, dass Deutschland im Juli, zu einem, wie er sagt, „kritischen Zeitpunkt”, den EU-Ratsvorsitz übernimmt. „Diese Führung wird entscheidend sein, um unsere Ambitionen verwirklichen zu können”. Deutschland und der Großen Koalition kommen somit eine besondere Verantwortung zu, 2020, im ersten Amtsjahr der neuen EU-Kommis­sion, die Weichen in Brüssel richtig zu stel-

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TITEL Europa

Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Ein offener Handelskrieg mit Zollsätzen von 25 Prozent, bilanziert die Bundesbank, würde die Wirtschaftsleistung Europas mittelfristig um ein Prozent drücken. „Die negativen Effekte für die USA wären sogar noch stärker.” Freihandel fördern Beide Seiten haben also viel zu verlieren, sollten eine Eskalation deshalb unbedingt vermeiden und auf eine Stärkung der transatlantischen Partnerschaft hinwirken. „Neben einem Industriegüterabkommen muss ein umfassendes Handelsabkommen abgeschlossen werden, das den Landwirtschaftssektor und nicht-tarifäre Hemmnisse miteinbezieht”, fordert der Wirtschaftsrat. In einem ersten Schritt, so sehen es pragmatisch denkende Handelsökonomen, könnten zumindest nahezu fertig verhandelte Punkte aus dem seinerzeit gestopp-

Die zehn wettbewerbfähigsten Nationen bei der Digitalisierung

Rang 2019

Vorjahr

USA

1  1

Singapur

2  2

Schweden

3  3

Dänemark

4  4

Schweiz

5  5

Niederlande

6  9

Finnland

7  7

Hongkong

8  11

Norwegen

9  6

Südkorea

10  14

Quelle: IMD World Competiveness Center

len. Im US-Wahljahr 2020 muss sich Ursula von der Leyen zugleich einer harten handelspolitischen Auseinandersetzung stellen. Bis zu den Wahlen im November wird US-Präsident Donald Trump alles daran setzen, eine (Teil-)Einigung mit den Europäern durchzusetzen. Dabei zielt er auf eine Öffnung der europäischen Agrarmärkte, um bei amerikanischen Farmern, einer für Trump wichtigen Wählergruppe, vor der Wahl punkten zu können. Solange steht die kürzlich aufgefrischte Drohung im Raum, Autoimporte und Autoteile mit 25 Prozent zu besteuern, was insbesondere der deutschen Wirtschaft schweren Schaden zufügen würde. Handelsexperten fürchten, dass Trump nach der Teileinigung mit China an dieser Front vorläufig den Rücken frei hat und sich deshalb in den kommenden Monaten ganz auf Europa konzentrieren kann. „Also keine guten Nachrichten für Europa”, analysiert Gabriel Felbermayr,

ten Freihandelsabkommen TTIP kurzfristig umgesetzt werden. Der Wirtschaftsrat setzt vor allem darauf, dass die neue EU-Kommission eine

Zeiten ändern sich.

In einer sich ständig wandelnden Welt sollten wir nicht vergessen, wie wir so weit gekommen sind. Wir sind überzeugt, dass bewährte Ansätze in Verbindung mit neuesten Technologien der Schlüssel zum Erfolg sind. Lassen Sie uns die Zukunft des Investierens gemeinsam neu definieren. invesco.com/wandel

1/2020 TREND Herausgegeben in Deutschland durch Invesco Asset Management Deutschland GmbH, An der Welle 5, 60322 Frankfurt am Main. [EMEA1670/2020]

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TITEL Europa

Handelskrieg schwächt Export Exporte nach China und in die USA aus ausgewählten Regionen, Importanteil in Prozent, Veränderung in Prozentpunkten Anfang 2018

Mitte 2019

Anfang 2018 20,6

China Quelle: IWF, IW

8,4

Mitte 2019 19,3 20,5

18,5

USA

12,8 13,8

6,1

Importe aus den USA

Importe aus der EU

Importe aus der EU

Eine umfassende Reform der WTO im Hinblick auf den digitalen Handel, der Schutz geistigen Eigentums und der Abbau staatlich induzierter Marktverzer­rungen sollten ganz oben auf der Agenda der EU-Kommission stehen. Auch im Verhältnis zu China kann sich die EU nicht länger nach den Erfordernissen der Tagespolitik durchwursteln. Zwar liegt seit März 2019 ein Strategiepapier der Juncker-Kommission zur Chinapolitik vor. Von einer umfassenden Chinastrategie der Europäer kann indes noch immer keine Rede sein.

Foto: European Union , 2017 - Lukasz Kobus

eigenständige Handelsagenda verfolgt und eine aktive Gestaltung der internationalen Handelspolitik vorantreibt. In Zeiten globaler Handelskonflikte und der Krise des Multilateralismus sind umfassende bilaterale Abkommen mit Japan, Kanada, Singapur, Neuseeland, Australien, Vietnam und den Mercosur-Staaten ein probates Mittel für Europa, sich als einstweilen letzte Hochburg für einen freien und fairen Handel einzusetzen. Gleichzeitig muss sich Europa aber auch für eine Wiederbelebung der multilateralen ­ Handelspolitik stark machen.

Importe aus China

14

Sicherheitspolitik ausbauen Strategisches Ödland betritt die junge EU-Kommission auch im Hinblick auf eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur. Das sicherheitspolitische Umfeld Europas stellt sich seit Jahren zunehmend komplexer dar. Internationaler Terrorismus, wankende Staaten im mittleren Osten, hybride Kriege an den Außengrenzen Europas, Amerika auf dem Rückzug. Sicherheitspolitik hat in den letzten Jahren eine völlig neue Bedeutung gewonnen. Für die Wirtschaft ist ein sicherer Zugang zu den Weltmärkten von zentraler Bedeutung. „Es ist an der Zeit, dass Europa mehr Verantwortung übernimmt”, sagt Kommissionschefin von der Leyen. „Wir wollen auf der Weltbühne ein Spieler sein – kein Spielzeug”, ergänzt Josep Borrell, der neue Außenbeauftragte der EU. „Zentral ist, dass wir unsere Interessen stärker und notfalls auch robust durchsetzen.” Die neue EU-Kommission hat die Herausforderungen erkannt und stärkt den European Defence Fund (EVF). Zum ersten Mal in der Geschichte der EU gibt es damit ein europäisches Verteidigungsbudget, wenngleich die Finanzausstattung noch sehr bescheiden ausfällt und der EU ein operativer Überbau für eine gemeinsame Verteidigungspolitik fehlt. Nach Einschätzung des Wirtschaftsrats kann der EVF aber die Zusammenarbeit bei europäischen Rüstungsprojekten und die Wettbewerbsfähigkeit der Verteidigungsindustrie stärken. Für die seit Jahren überfällige Harmonisierung der Exportrichtlinien und die Konsolidierung der Verteidigungsindustrie fehlen jedoch konkrete Ansätze. Die EU-Kommission sollte jedoch nicht dem Irrtum erliegen, wegen der hohen Ausgaben für den „Green Deal” bei den Verteidigungsausgaben den Rotstift anzusetzen. „Gerade hier sind Investitionen dringend notwendig, sie stärken den Industriestandort”, ist der Rat überzeugt. Globale Kooperation stärken Schließlich wird sich die EU-Kommission in ihrer fünfjährigen Legislatur mit großer Aufmerksamkeit der Digitalisierung widmen müssen. Ein Aufschlag ist gemacht, 2020 stehen

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TITEL Europa

Die Länder mit dem höchsten CO2-Ausstoß

(in Millionen Tonnen)

2.420 9.839 5.121 5.270 617 2.467 2.571 1.693 1.155 1.205 799 1.053 247 616 464 573 207 476 385 601

China USA Indien Russland Japan Deutschland Südkorea Kanada Brasilien Vereinigtes Königreich 0

2.000

4.000

kann man festhalten, dass für die Digitalpolitik das Gleiche gilt wie für die Klima- und Handelspolitik: Deutschland allein erreicht wenig. Europa zu-

6.000

9.839

1990 2017

8.000

Quelle: Global Carbon Project

umfassende digitalpolitische Gesetzgebungsprozesse auf dem Programm. Ursula von der Leyen stellt im Februar eine europäische Strategie für Künstliche Intelligenz (KI) vor. Bekannt geworden ist bislang der Entwurf für ein Weißbuch, das sich mit ethischen und rechtlichen Fragen befasst. „Die EU muss die richtige Balance zwischen einem robusten Rahmenwerk und der notwendigen Offenheit für Innovationen finden”, hebt Markus Ferber von der CSU-Gruppe im EU-Parlament hervor. Das zentrale digitalpolitische Projekt der Leyen-Kommission wird indes der „Digital Service Act”, der die in die Jahre gekommene eCommerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 ablösen soll. Im Mai steht die Bewertung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) an, die bei neun von zehn Unternehmen für großen Unmut sorgt. Eine Entschärfung der Datenschutzregeln ist aus Sicht der Wirtschaft lange überfällig. Grundsätzlich

10.000

sammen kann mehr. Globale Themen aber verlangen globale Ansätze. Dafür lohnt es sich zu streiten. Europa sollte l zügig damit anfangen.

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TITEL Europa

Monika Hohlmeier MdEP

Foto: privat

Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses

die traditionelle Kohäsion, die anderen die traditionelle Ausrichtung der Landwirtschaft, die Dritten keinerlei Beschlüsse, die über zehn Prozent liegen. Eine eher traurige Veranstaltung. Dabei müssen mit dem neuen MFR die Weichen für die Zukunft Europas gestellt werden. Die Zusammenführung von ökologischen Herausforderungen mit ökonomischen Interessen wird Europa im nächsten Jahrzehnt prägen. Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellte europäische Grüne Deal, durch

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Jetzt Europas Zukunft bauen Die Verhandlungen über den Mehrjährigen ­Finanzrahmen 2021 – 2027 gestalten sich ­schwierig. Zu sehr gehen die Meinungen der ­Mitgliedsstaaten darüber auseinander, welche Projekte für Europas Zukunft wichtig sind. den die EU bis 2050 klimaneutral werden soll, ist mit einer Billion Euro veranschlagt, davon soll ein Teil aus dem EU-Haushalt kommen. Dieser muss sich besonders auf die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien und Innovationen konzentrieren. Das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont Europe bildet den Kern europäischer Ambitionen, Weltmarktführer für nachhaltige Technologien etwa bei Produktionstechniken und digitalen Diensten, Verkehr und Transport, Landwirtschaft und Medizin zu werden. Europäisches Geld fördert Spitzenforschung auf Exzellenzniveau, bringt Universitäten, Forschungsstätten und Unternehmen zusammen, hilft in Europa neue, nachhaltige Arbeitsplätze zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die Durchsetzung von Standards wird nur über die EU gelingen. Neueste Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz, eine emissionslose Stahlproduktion, Speichertechnologi-

Foto: European Union , 2014

H

aushalte sind in Zahlen gegossene Politik“ sagte der kürzlich ausgeschiedene EU-Kommissar Günter Oettinger gern. Wer in Europa Politik machen möchte, braucht Geld um politische Prioritäten in reale Projekte umzusetzen. Die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 sind ins Stocken geraten. Die Mitgliedsstaaten können sich nicht darauf einigen, welche Aufgaben Schwerpunkte europäischer Politik sein sollen und wie sie diese finanzieren wollen. Der MFR ist das Rückgrat der Europäischen Union (EU) und verlangt, konkrete Prioritäten zu benennen, und sie dann mit notwendigen finanziellen Ressourcen zu unterlegen. Sie müssen EU-Bürgerinnen und -Bürgern klar kommuniziert werden und zeigen, welche Ziele die EU verfolgt und mit welchen Mitteln sie aus dem EU-Haushalt gestemmt werden. Der Mangel an Transparenz, der Unwille sich aus nationalen Verhaltensmustern zu befreien und anzuerkennen, dass es Aufgaben gibt, die nicht national gelöst werden können, sind Gründe, warum die Verhandlungen sich auf einen vergangenheitsorientierten Minimalkonsens zubewegen. Die einen wollen weiter

en für Strom, neuartige Verfahren zur Krebsbehandlung oder der Bau von Flugzeugturbinen, die kaum messbare CO2-Ausstöße haben, müssen ihren Platz in Europa haben. Ein oft übersehener Bereich ist der Weltraum. Es ist 20 Jahre her, dass die EU mit dem Satellitenprogramm Galileo Geschichte schrieb. Seitdem haben die USA, Russland und besonders China hier konsequent investiert und nutzen sämtliche Vorteile des Orbits. Europa muss mithalten, um Daten aus der Erdüberwachung und für die Satellitenkommunikation für seine Zwecke, ob kommerziell oder nichtkommerziell, für die innere und äußere Sicherheit oder umwelt- und klimabezogenen, zu nutzen. Auch muss es in unserem Interesse sein, eigene ­Raketensysteme aufzubauen. Der Einsatz europäischer Satelliten darf nicht von den Genehmigungen ausländischer Regierungen abhängen. Eine weitere Priorität ist das Thema Sicherheit. Die Verbesserung der

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TITEL Europa

polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in der EU ist entscheidend, um grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und terroristische Organisationen effektiv zu bekämpfen. Moderne Datenbanken und IT-Systeme, Analyse und Austausch von Daten und Informationen sowie deren Verfügbarkeit, sind entscheidend für unsere Sicherheits- und Justizbehörden. Die Agenturen Europol und Eurojust, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung sowie die neu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft brauchen mehr Ressourcen, um die Kooperation zwischen den EU-Staaten zu optimieren. Mutige Staatsanwälte und Richter dürfen nicht an Grenzen scheitern. Sie bringen mehr Geld ein als sie kosten, wenn sie richtig aufgestellt sind und Experten an ihrer Seite wissen. Immer wichtiger wird das Thema Cyberkriminalität. Um die notwendigen IT-Kapazitäten und Strategiezentren aufzubauen, müssen wir jetzt Geld in die Hand nehmen.

1/2020 TREND

Aufgrund von Migration und Flucht rücken Entwicklungs- und Aufbauhilfe für Afrika und Asien stärker in den Fokus. Selbst wenn es keinen Kommissar für Afrika gibt, ist es im Interesse Europas, den Einfluss in Afrika ausweiten, Staaten und Regie­ rungen dabei zu helfen, ihre wirtschaftlichen und politischen Chan-

„Europa braucht Erfolgsgeschichten.“ cen zu nutzen und die Partnerschaft mit der EU noch enger zu gestalten. Gleichzeitig ist es für den politischen Frieden in Europa unabdinglich, ­Menschenhändlern das Handwerk zu legen und Migration zu verringern. Der Aufbau einer funktionierenden Wirtschaft und stabiler, rechtsstaatlicher Gesellschaftsstrukturen in Afrika hilft dabei. Er bietet den Menschen dort Perspektiven und verhindert, dass sie sich auf eine lebensgefährliche Reise Richtung Europa machen. Deshalb

wäre es notwendig, die europäische Entwicklungshilfe zu stärken, die immer wieder Ziel von Kürzungen durch die EU-Staaten wird. Auch Hilfen für den Westbalkan und die Kaukasusregion haben Priorität für die EU, denn eine stabile Nachbarschaft stützt und schützt die EU und ihre Mitglieder. Europa braucht Erfolgsgeschichten. Wie Galileo vor 20 Jahren der ganzen Welt gezeigt hat, dass die EU ein eigenes Satellitennavigationssystem aufbauen kann, oder wie Airbus, unser europäischer Leader in Luftfahrt und Weltraum bewiesen hat, die besten Flugzeuge, Satelliten und Raketen zu bauen, müssen wir jetzt zeigen, dass die EU handlungsfähig ist, klare Prioritäten setzt und heutige Herausforderungen bewältigen kann. Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Technologie­führerschaft sind keine Gegensätze – sie lassen sich verbinden. Sollte uns dies gelingen, werden die Verhandlungen zum MFR 2028 bis l 2034 einfacher ablaufen.

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AKTUELL Trend-Grafik

Wie attraktiv ist der Wirtschaftsstandort Deutschland? Text und Grafiken: K atja Sandscheper

Deutschland bei Steuerlast an der Spitze

Auch wenn Deutschland immer noch zu den Top-Standorten zählt, gibt es doch dringenden Handlungsbedarf. Gleich mehrere Faktoren könnten sich zu einer echten Bremse für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit entwickeln. Besonders klagen Unternehmen über im internationalen Vergleich hohe Steuern und Arbeitskosten sowie wachsende bürokratische Lasten. Aber auch der schleppende ­Ausbau des schnellen Internets wirkt etwa auf die so begehrten Gründer in der Digital- und Plattformökonomie abschreckend und hindert Industrieunternehmen daran, sich einen Vorsprung bei Industrie 4.0 zu verschaffen. Deutschland muss jetzt einiges tun, um wieder zu den Top-Standorten zu zählen.

(in Prozent)

Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt des Landes 2015

Quelle: OECD

Grundschulen, Allgemeinbildende Schulen, Berufsschulen

4,64

1,74 6,38

Neuseeland

4,55

1,76 6,31

Großbritannien 4,36

1,87 6,23

USA

3,51

2,58 6,09

Frankreich

3,74

1,46 5,2

Brasilien

4,06

0,96 5,02

Spanien

3,07

1,28 4,35

Deutschland

3

1,22 4,22

Japan

2,69

1,39 4,08

Italien

3,01

0,92 3,93

Griechenland

2,85

0,99 3,84

Russland

1,94 1,15 3,09 0

18

1

2

3

4

5

6

7

31,5

Portugal

31

Deutschland

27,8

Italien

25,8

USA Österreich

25

Niederlande

25

Spanien

25 22

Schweden

€€ €

21,1

Schweiz 19

Großbritannien 0

5

10

15

20

25

30

35

Schnelles Internet kommt in Deutschland nur langsam voran (in Prozent) Glasfaseranteil an Festnetz-Breitbandanschlüssen in OECD-Staaten

Hochschulen

Norwegen

34,4

Frankreich

OECD Durchschnitt: 30,3 Prozent

Südkorea

80,4

Schweden

66,9

Spanien

57,5

Polen

20,5

Schweiz

18,8

Frankreich

16,5

USA

8

14,3

Deutschland

3,2

Österreich

2,5

Großbritannien

1,9 0

10

20

30

40

50

60

70

80

TREND 1/2020

90

Quelle: OECD

Deutschland investiert im Vergleich zu wenig in Bildung

Unternehmenssteuern ausgewählter OECD-Staaten in Prozent 2018

Quelle: OECD

Je attraktiver ein Standort, desto eher sind Unternehmen bereit, sich dort niederzulassen oder weiter in bereits bestehende Firmen zu investieren. Nicht ein Faktor allein gibt den Ausschlag darüber wie gut der Standort im internationalen Wettbewerb abschneidet.

(in Prozent)


AKTUELL Trend-Grafik

Wie attraktiv ist der Wirtschaftsstandort Deutschland?

(Euro pro Arbeitsstunde)

Die Arbeitskosten steigen in Deutschland schneller als im EU-Durchschnitt Ausgewählte EU-Länder; Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde im produzierenenden Gewerbe und wirtschaftlichen Dienstleistungen in der Privatwirtschaft 2018 Dänemark

44,7

Luxemburg

40,3

Belgien

40

Schweden

39,3

Frankreich

36,5

Deutschland

35

Österreich

34,9

Niederlande

34,7

Finnland

34,5

Irland

1020,3

1.000

27,2

EU28

26,6

Großbritannien

26,3

500

229 0

13,3

Tschechien

-40,2

-56,5

Quelle: Bundeskanzleramt

21,3

Portugal

404,4

12,7

Lettland

-500-

9,7

Bulgarien

5,3 0

5

10

15

20

25

30

Diese Metropolen ziehen Startups an 2017 2018

Ausgewählte europäische Städte für Startups nach Anzahl der Finanzierungsrunden 547

London

57

München Zürich

112

Moskau

50

Amsterdam Dublin

Deutschland liegt beim Industriestrompreis vor allem bei Verbräuchen bis 2.000 MWh an der Spitze Euro-Cent pro pro kWh für 2018, ausgewählte europäische Staaten

92

Dänemark

88

Tschechien

Frankreich Schweden

1/2020 TREND

10,79 8,79 15,80 8,70 10,04 7,65 7,36

200

300

400

500

600

700

8,80

7,98 7,00

7,27 6,41

Norwegen

79

100

14,29 9,60

Polen

55 64

0

13,80 12,27

Österreich

46 65

Kopenhagen

2017

Deutschland

97

26

2016

2015

Spanien

169 165

Stockholm

45

Italien

232 244

Berlin

40

-782,4

Großbritannien

623

364 366

Paris

35

1.000

6,41

8,25

6,35 5,18

0

2

4

6

500 bis 2.000 MWh

9,36

20.000 bis 70.000 MWh

7,06

8

10

12

14

16

18

19

Quelle: Eurostat

Spanien Quelle: Statistisches Bundesamt

Wegfallende Bürokratie Neue Bürokratie

30,5

Italien

Quelle: Ernst & Young

In Sachen Bürokratie sattelt Deutschland noch mal richtig drauf (in Millionen Euro)


AKTUELL Klimaschutz

A

uf der Klimakonferenz in Paris 2015 hat sich die Weltgemeinschaft auf einen verlässlichen Rahmen unter dem Dach der Vereinten Nationen geeinigt: Die Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, die menschengemachte globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu reduzieren und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dadurch sollen die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels deutlich gesenkt werden. Deutschland hat lediglich einen Anteil an der Weltbevölkerung von einem Prozent. Unser Anteil am weltweiten Ausstoß von Treibhaus­ ­ gasen beträgt jedoch zwei Prozent. Wenn die Menschen überall auf

Effizienter Klim Innovationen sind für der Schlüssel für den Erfolg beim Klimaschutz. Dazu gilt es, die Entwicklung klimafreundlicher Technologien voranzutreiben damit sie dazu beitragen, Treibhausgase in Deutschland und auf der Welt zu senken.

„Wirksamer Klimaschutz gelingt nur mit Partnerschaft, Umwelt und Wirtschaft müssen zusammen­kommen.“ der Welt einen so hohen Treibhausgas-Ausstoß hätten wie wir, wären die Auswirkungen dramatisch. Schon daraus ergibt sich unsere besondere Verantwortung. Diese besteht selbstverständlich darin, unsere eigenen Zusagen einzuhalten und unseren eigenen CO2-Ausstoß entsprechend zu vermindern. Es geht aber bei weitem um mehr: Mit Innovationen müssen wir Klimatechnologien entwickeln, anwenden – und weltweit nutzbar machen. Von international agierenden deutschen Konzernen bis hin zu regional verwurzelten Kleinbetrieben – in Gesprächen mit Unternehmen wird immer wieder deutlich, dass alle nach Lösungen suchen, um Treibhausgase zu reduzieren. Gerade, wenn dabei neues Terrain betreten wird, können die Lösungen weit über den eigenen Geschäfts­bereich hinaus wirken. Das zeigt: Wirksamer Klimaschutz gelingt nur mit Partnerschaft. Umwelt und Wirtschaft müssen zusammenkommen.

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Innovationen als Schlüssel zum Erfolg Innovationen sind für uns als Union der Schlüssel für den Erfolg beim Klimaschutz. Wir wollen dafür sorgen, dass die Entwicklung klimafreundlicher Technologien vorangetrieben wird und diese ihren Teil dazu beitragen, die Emissionen in Deutschland und auf der Welt zu senken. Denn: Wir werden nicht auf Materialien wie Zement oder Stahl verzichten können, deren Herstellung derzeit energie- und CO2-intensiv ist. Daher müssen wir daran arbeiten, die hier entstehenden Treibhausgase zu minimieren. Kommissionspräsidentin Ur-

sula von der Leyen hat angekündigt, saubere Stahltechnologien zu fördern, die bis 2030 zu einer CO2-freien Stahl­ erzeugung führen sollen. Grüner Wasserstoff ist hierbei eine Schlüsseltechnologie, ihr müssen wir zum Durchbruch verhelfen. Der Anspruch ist dabei, dass Deutschland Leitanbieter und Leitmarkt für Wasserstofftechnologien und strombasierte Kraftstoffe wird. Diese sollen auch im Verkehrsbereich ihren Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten. Als Einsatzorte bieten sich insbesondere der Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr an, bei denen eine vollelektrische Umsetzung an

TREND 1/2020


AKTUELL Klimaschutz

ihre Grenzen gerät. Durch diese Technologieoffenheit stellen wir sicher, dass passgenaue Lösungen entwickelt werden können. Hierzu wollen wir Rahmenbedingungen für die Entwicklung und großvolumige Skalierung der Elektrolyseund Raffinerieprozesse zur Erzeugung von strombasierten klimaneutralen Gasen und Kraftstoffen schaffen. Veränderungen gestalten, Lücken schließen Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundesregierung ein ambitioniertes Maßnahmenpaket vorgelegt, um die entstandene Minderungs-Lü-

1/2020 TREND

cke zu schließen, die Erreichung unserer Klimaziele für das Jahr 2030 sicherzustellen und Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahrhunderts voranzutreiben. Im Rahmen des Klimaschutzgesetzes wurden für alle Sektoren die jährlichen Minderungsziele gesetzlich festgeschrieben. Die Bundesregierung wird die Einhaltung der Ziele genau ermitteln – und der Bundestag wird das sehr intensiv kontrollieren. Wird ein Ziel verfehlt, muss sofort nachgesteuert werden. Denn die Lösung kann nicht einfach „Weiter so!“ heißen. Die notwendigen Veränderungen werden wir gestalten. Wir überfordern nicht, aber wir gehen mit Nachdruck heran – mit einem Maßnahmenbündel aus Förderung, Regulierung, Bepreisung und Entlastung. Als Union denken wir dabei konsequenten Klimaschutz von vorneherein zusammen mit sozialer Sicherheit und wirtschaftlicher Entwicklung. Nur wenn wir die Menschen in Deutschland mitnehmen, werden unsere Anstrengungen zum Klimaschutz zum Erfolgsmodell und zum Vorbild für andere Staaten. Investitionen in Innovationen vorantreiben Viele Unternehmen tragen durch die Einbeziehung in den europäischen Emissionshandel bereits seit Jahren ihren Teil zur Minderung von Treibhausgasen bei. Durch das neu geschaffene marktwirtschaftliche Instrument des nationalen Emissionshandels in den Bereichen Gebäude und Verkehr werden weitere Anreize geschaffen, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Wichtig war uns dabei, dass die Einnahmen dazu verwendet

werden, Bürger und Unternehmen an anderer Stelle zu entlasten – insbesondere durch die Senkung der EEG-Umlage beim Strompreis. Für uns ist dabei klar und dringlich: Es muss sichergestellt werden, dass Carbon Leakage vermieden, die EU-weite und internationale Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen erhalten und eine Doppeler-

Andreas Jung MdB

Foto: Otto Kasper Studios

Foto: AdobeStock©Valmedia

ma schutz durch Innovationen

Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

fassung zwischen europäischem und nationalem Emissionshandel ausgeschlossen wird. Aufgabe der Politik muss es sein, Unternehmen weiter dabei zu unterstützen, den Klimaschutz voranzutreiben und auch die notwendigen Voraussetzungen und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in Innovationen zu schaffen. Dazu gehört auch eine Reform der Unternehmensteuer als Antwort auf den internationalen Wettbewerb. Zudem fordern wir deutliche steuerliche Verbesserungen bei Investitionen in den Klimaschutz. Unternehmen, die frühzeitig in Klimaschutz investieren, müssen höhere Abschreibungsmöglichkeiten erhalten. Mit alldem muss es uns gelingen, Natur und Konjunktur zusammenzubringen und den Klimaschutz entschieden voranzubringen – in Deutschland und interl national.

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AKTUELL Energiepolitik

Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und ein planungsund investitionssicherer Zubau mit erneuerbaren Energien gehen Hand in Hand.

Z

wanzig Jahre nach Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) steht die Energiewende gemeinsam mit dem Industriestandort Deutschland am Scheideweg: Bei einem vorgezo­ genen Ausstieg aus der Kohle fallen bis 2030 rund 50 Gigawatt konven­tionelle Leistung weg. Zugleich erleben wir bei Wind an Land einen nie da gewesenen Einbruch. Biomasse wird zunehmend ausgeschlossen und Photovoltaik sowie Offshore werden weiter gedeckelt. Damit die Industrie- und Exportnation Deutschland in ­Europa mit erneuerbaren Energien nicht nur international wettbewerbsfähig bleibt, sondern kontinuierlich und treib­ hausgasneutral wächst, bedarf es jetzt

Stephan Frense Foto: ARGE Netz

CEO Erneuerbare-Unternehmens­gruppe ARGE Netz Stellvertretender Vorsitzender Bundesfachkommission Energiepolitik im Wirtschaftsrat

„Das Entscheidungsjahr vor den Bundestagswahlen muss das Anschalte-Jahr für die Erneuerbaren werden.“ 22

eines Sofortprogramms „Erneuerbare für die Industrie“. Zu Recht warnen Vertreter der Wirtschaft, vor einer möglichen Deindustrialisierung, sollte die Energiewende nicht erfolgreich sein. Allein die Chemieindustrie benötigt den gleichen Strombedarf wie die gesamte Bundesrepublik. Hinzu kommen Stahl, Zement, Aluminium sowie alle Bereiche der Wirtschaft, die schrittweise auf 100 Prozent Erneuerbare umschalten. Das sind gewaltige Herausforderungen. Mit einem verlässlichen politischen Rahmen könnten die 20er Jahre so aber auch zu einer Dekade des Wachstums werden. Klimaschutztechnologien „Made in Germany“ werden zum neuen Markenzeichen Deutschlands. Ziel muss es sein, dass die niedrigen Stromgestehungskosten der Erneuerbaren auch beim Verbraucher ankommen können. Digital vernetzte Erneuerbare übernehmen zunehmend Verantwortung für Versorgungssicherheit, und Lösungen zur Nutzung Erneuerbarer werden sektorenübergreifend umgesetzt. Stromkaufvereinbarungen zwischen Erneuerbaren-Versorgern und der Industrie sowie die bilanzielle Durchleitung von erneuerbarer Elektrizität mit grüner Eigenschaft sollen Standard werden.

Dabei ist auch die Industrie gefordert ihren Beitrag zu leisten: Mit Energieeffizienzmaßnahmen, Flexibilität und Lastmanagement sowie einem starken Engagement beim Aufbau erneuerbarer Kapazitäten. Erneuerbare Energieunternehmen und Industrie können in einer breiten Allianz der Politik Lösungsvorschläge an die Hand geben. Für die anstehende Novelle des EEG und weiterer Energiegesetze heißt das konkret: 65 Prozent Erneuerbare bis 2030 können nur ein Mindestziel sein. An die Stelle der Deckelung der Erneuerbaren müssen ein ehrgeiziges Ausbauprogramm und ein Projektmanagement treten, das regionale Wertschöpfung und Einbindung der Menschen vor Ort im Fokus hat. Unsinnige Blockaden wie das Netzausbaugebiet müssen sofort aufgelöst werden. Wo nicht genügend Netzkapazität vorhanden ist, sollte die Direktbelieferung an die umliegende Industrie, regionale Verbrauchsanreize und Power-to-X-Lösungen ermöglicht werden. Die Aufgabenliste zur Schaffung von Akzeptanz und Rechtssicherheit für die Windenergie an Land muss konsequent und zügig abgearbeitet werden. Aus der Wasserstoff-Strategie muss ein konkreter l Maßnahmenplan werden.

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Sofortprogramm „Erneuerbare für die Industrie“


AKTUELL Soziale Marktwirtschaft

Regulierung mit Maß und Mitte bitte! Aufklärung und Prävention bringen mehr als Verbote.

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Effektive Maßnahmen zur Selbstregulierung, gute Präventions- und Aufklärungsarbeit und die konsequente Umsetzung des Kinder- und Jugendschutzgesetzes sind vielmehr der Schlüssel zum Erfolg. Sie haben mit dazu beigetragen, dass der Anteil jugendlicher Raucherinnen und Raucher laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit 2001 von 27,5 Prozent auf aktuell nur noch 6,6 Prozent zurückgegangen und die Raucherprävalenz unter jungen Erwachsenen bis 25 Jahren ebenfalls um zwanzig Prozentpunkte gesunken ist. In vielen Ländern mit Totalwerbeverboten liegen die Werte weit höher. An diesen beeindruckenden Zahlen kann man den Erfolg der Jugendschutzanstrengungen der Tabakhersteller ablesen. Mit dem Jugendschutz lässt sich ein – völlig unabhängig von Fakten gefordertes – Totalwerbeverbot jedenfalls nicht begründen. Weitere ­Restriktionen wären mit der grundsätzlichen Bedeutung der Werbung für Wirtschaft und Gesellschaft und auch mit ihrer Einordnung der Souveränität des erwachsenen Bürgers nicht in Einklang zu bringen.

Wirtschaftswerbung genießt den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit (Art.   5) und den Schutz der Berufsfreiheit (Art.   12) unseres Grundgesetzes. Die Gewährleistung freier öffentlicher Kommunikation erfasst marktbezogene Kommunikation, auch und gerade bei Tabakprodukten. Wo staatlicherseits intensiv Einfluss genommen wird, bedarf es des Schutzes freier Kommunikation als Gegengewicht zum fürsorgend-­

Jan Mücke Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der ­Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE)

Foto: BVTE

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enn man zehntausend Vorschriften erlässt, untergräbt man jeglichen Respekt für das Gesetz“, wusste schon Winston Churchill. Dem Konservativen mit der Zigarre war eine freiheitliche Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung immer heilig, umso kritischer beurteilte er staatliche Eingriffe in das Alltagsleben souveräner Bürger. Uns allen ist klar, dass diese Freiheit immer mit der Verantwortung für uns und unsere Mitmenschen verbunden ist. Deshalb befürworten wir auch die Regulierung von Produkten, deren Genuss mit gesundheitlichen Gefahren einhergehen kann. Aber bitte mit Maß und Mitte! In den letzten Jahren hat es umfassende Diskussionen zur Regulierung von Lebens- und Genussmitteln gegeben, mit bedenklichem Trend zu staatlichen Vorgaben. Auch die deutsche Tabakwirtschaft hat immer neue Ver- und Gebote befolgen müssen. Oftmals nicht zum Vorteil der Verbraucher und mit höchst zweifelhafter Wirkung. Die Befürchtung liegt nahe, dass die Regulierungswut weitere Genussmittel erreicht. Ziel von Produktregulierungen kann aber nicht das Schockbild auf der Whiskyflasche, die Besteuerung von Überraschungseiern, die Reformulierung der Rezeptur der Schwarzwälder Kirschtorte oder ein Totalwerbeverbot für Tabakprodukte sein.

„Uns ist klar, dass Freiheit mit Verantwortung verbunden ist.“ paternalistischen Staat. Beschränkungen der Wirtschaftswerbung müssen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügen. Die Freiheit der Marktkommunikation für Tabakprodukte ist ­bereits heute erheblich eingeschränkt. Der Vater der Sozialen Markt­ wirtschaft Ludwig Erhard, wie Churchill passionierter Zigarrenraucher, hatte stets den Wettbewerb im Blick. Wettbewerb kann aber nur funktionieren, wenn Verbraucher auswählen und sich durch Werbung l ­informieren können.

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AKTUELL Digitalisierung

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ie ersten Wochen des Jahres sind eine Zeit des Aufbruchs. Manche nehmen sich vor, mehr spazieren zu gehen, das ein oder andere Buch zu lesen oder endlich einmal eine lang erwogene Reise zu unternehmen. Das ist in der Politik nicht anders. Auch die Bundesregierung hat sich 2020 für die Digitalpolitik viel vorgenommen. Dabei können sich schon unsere bisherigen Erfolge sehen lassen. Seit dem Beginn der aktuellen Legislaturperiode ist Digitalpolitik konsequent zur Chefsache geworden. Wir haben nicht nur mein Amt der Staatsministerin für Digitalisierung geschaffen, sondern auch den Kabinettausschuss Digitalisierung, den Digitalrat, sowie eine neue Digitalabteilung im Bundeskanzleramt. Auf diese Art und Weise wird es möglich, Digitalpolitik in Deutschland noch besser zu koordinieren und zu steuern. Ein erstes Ergebnis dieser strukturellen und personellen Umstellungen ist die sogenannte Umsetzungsstrategie „Digitalisierung gestalten“ der Bundesregierung. Die Umsetzungsstrategie fasst über 100 zentrale Schwerpunkte der Digitalpolitik der Bundesregierung in den folgenden fünf Handlungsfeldern zusammen: Digitale Kompetenz, Infrastruktur und Ausstattung, Innovation und digitale Transformation, Gesellschaft im digitalen Wandel und Moderner Staat. Alle Ministerien haben Vorhaben zur Umsetzung der jeweiligen Schwerpunkte definiert und der Kabinettsausschuss Digitalisierung wird regelmäßig über den Umsetzungsstand der verschiedenen Maßnahmen unterrichtet. Auch Bürgerinnen und

Seit die Digitalpolitik zur Chefsache deklariert worden ist, kann Deutschland auf Erfolge blicken. Für 2020 hat sich die Große Koalition viel vorgenommen.

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Bürger können sich jederzeit auf der Webseite digital-made-in.de über den aktuellen Stand der Digitalisierungsmaßnahmen informieren. Um unsere Digitalpolitik noch transparenter zu machen, haben wir uns für 2020 vorgenommen, den jeweiligen Umsetzungsstand der verschiedenen Maßnahmen auch auf einem sogenannten Dashboard zu veröffentlichen. Ein Dashboard bereitet Daten grafisch ansprechend auf, sodass auf einen Blick eine Vielzahl von Informationen über den Zustand einer bestimmten Maßnahme erfasst werden können. Erfahrungen aus dem Vereinigten Königreich zeigen, dass Dashboards ein sehr hilfreiches Mittel sind zur Vermittlung von politischen Plänen und Projekten. In der Tat wird mir als Digital­ politikerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung oft vorgehalten, dass manche Staaten schon deutlich weiter sind als wir. Länder wie das Vereinigte Königreich, aber auch Estland oder Dänemark scheinen Deutschland digitalpolitisch weit voraus. Dem wird oft entgegengehalten, dass andere Länder eben früher begonnen hätten und dass dort die Strukturen für ein schnelles Vorankommen gerade bei der Digitalisierung einfachere seien. Beides ist richtig. Dennoch können wir von diesen Beispielen etwas lernen: Es ist erfolgskritisch, dass Bürgerinnen und ­Bürgern von Anfang an nutzerfreundliche Gesamtlösungen angeboten werden. Konkret bedeutet das, dass Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern einfach zu bedienende, übersichtliche Dienstleistungsportale angeboten werden müssen.

Umsetzungsstrate digitale Fortschri TREND 1/2020


Foto: AdobeStock©monsitj

AKTUELL Digitalisierung

egie macht itte transparent 1/2020 TREND

Nutzerin staatlicher Angebote ein „Datenschutz-Cockpit“ zur Verfügung stellen. Der Nutzer oder die Nutzerin sollen hier sehen können, welche Behörde welche Daten gespeichert hat und wann, von wem und zu welchem Zweck auf diese Daten zugegriffen wurde. Die Hoheit über die Daten und die Erlaubnis für staatliche Stellen Daten auszutauschen, verbleiben einzig und allein bei den Nutzerinnen und Nutzern.

Dorothee Bär MdB Staatsministerin im ­Bundeskanzleramt Beauftragte der Bundes­ regierung für Digitalisierung

Foto: privat

Um hier noch besser zu werden, setzen wir verstärkt Digitalisierungslabore ein, welche gemeinsam mit zukünftigen Nutzern Gesetzesvorhaben auf ihre Digitaltauglichkeit überprüfen. Der Erfolg der Verwaltungsdigitalisierung hängt außerdem davon ab, ob wir eine funktionierende, sichere und „trotzdem“ nutzerfreundliche Authentifizierungsmöglichkeit finden können, welche den Bürgerinnen und Bürgern ganz einfach vom Smart­ phone aus Zugang zu den entsprechenden Verwaltungsleistungen gewährt. Letztlich zeigen die Erfahrungen unserer europäischen Nachbarländer aber auch, dass es entscheidend ist, dass es uns gelingt, technisch wie rechtlich, „once only“ zu ermöglichen. Das heißt, dass Nutzer ihre Daten dem Staat nur einmal mitteilen müssen und nicht immer wieder neu für jede Dienstleistung. Einerseits wissen wir aus Umfragen und Nutzertests, dass viele Menschen in Deutschland eine baldige Umsetzung des „once-only“ Prinzips wünschen. Andererseits gibt es in Deutschland in dieser Hinsicht oft auch berechtigte Sorgen bezüglich des Datenschutzes. Aber die Beispiele in unseren europäischen Nachbarländern machen deutlich: Es gibt „once-only“ Lösungen, die mit den Datenschutzregeln der DSGVO vereinbar sind und die sich allgemeiner Akzeptanz erfreuen. Ein ganz wichtiges Element ist in dieser Hinsicht, dass Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger jederzeit die Kontrolle über die Verwendung ihrer Daten haben und auch den Gebrauch ihrer Daten nachvollziehen können. Das können wir erreichen, indem wir für jeden Nutzer und jede

„Deutschland digitalisiert sich nicht von selbst.“ Die Bundesregierung arbeitet derzeit gemeinsam mit Datenschützern und Technik-Experten an einem solchen Cockpit. So transparent, nutzer- und datenschutzfreundlich wie beschrieben kann die neue Welt aussehen. Sie könnte das Vertrauen der Menschen in den Umgang mit Daten durch den Staat erhöhen und so die Skepsis überwinden, welche im Moment oft noch echten Fortschritten und einer hohen Nutzungsfrequenz der staatlichen Angebote entgegensteht. Ich möchte Sie deswegen zum Jahresbeginn ermuntern und einladen die verschiedenen, bereits digitalisierten staatlichen Angebote rege zu nutzen und in Ihrem eigenen Umfeld zu prüfen, welche Abläufe und Vorgänge digitalisiert werden können. Deutschland digitalisiert sich nicht von selbst. Die Bundesregierung kann natürlich Rahmenbedingungen ­schaffen. Aber die eigentliche Umsetzung und ­Gestaltung der Digitalisierung kann nur gemeinsam gelingen. Wenn wir das beherzigen, dann wird auch Deutschland schon in absehbarer Zeit zur Spitzengruppe der im E-­ Government erfolgreichen Staaten l aufschließen.“

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AKTUELL Digitialisierung

Die entscheidende Die richtige Balance zwischen Regulierung und Innovations­ freiheit für Künstliche-­IntelligenzAnwendungen zu finden, ist ­komplex. Die Enquete-Kommission beleuchtet dazu konkrete Beispiele im Lichte unserer Grundwerte.

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enn von Künstlicher Intelligenz (KI) im Alltag die Rede ist, dann mischen sich in die Gespräche ganz unterschiedliche Meinungen. Von enthusiastischen Erfahrungen mit neuen Mobilitätsangeboten, über lustige Episoden mit dem heimischen Sprachassistenten, bis zu diffusen Ängsten vor Algorithmen, die diskriminieren oder die eigene Entscheidungsfreiheit einschränken könnten. Zuversichtlich stimmt mich einerseits, dass sich die vielbeschworene „German Angst“ für neue Technologien statistisch nicht wiederfindet: Laut einer repräsentativen BITKOM-Umfrage sehen zwei Drittel der Deutschen KI als Chance. Jedoch nahm auch die Mehrheit an, KI würde die Gesellschaft noch nicht maßgeblich beeinflussen. Angesichts der zuneh-

Ronja Kemmer MdB Foto: Tobias Koch

Obfrau der CDU/CSUBundestagsfraktion Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“

menden Rolle von KI etwa für die Industrie, Sicherheit oder Medien geht dieser Glaube an der Realität vorbei. Und darin steckt die erste Herausforderung, die zur Einrichtung einer Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ im Deutschen Bundestag motivierte: den Menschen zutreffende Vorstellungen davon zu vermitteln, was KI überhaupt ist und leisten kann. Denn bei den angestrebten KI-Systemen geht es nicht um einen Avatar aus Science-Fiction-Filmen, sondern um Software, die beispielsweise einen Arzt bei der Krebsdiagnostik unterstützt. In der Enquete-Kommission tauschen sich insgesamt 38 Sachverständige und Abgeordnete aller sechs Fraktionen intensiv zu Chancen und Risiken der KI aus. Wir diskutieren ethische Maßstäbe ebenso wie wirtschaftliche Potentiale und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Was uns als CDU/

„Um KI voranzubringen, müssen wir die Menge an nutzbaren, qualitativ hochwertigen Daten für das Training von KI-Algorithmen und ­Maschinenlernen deutlich erhöhen.“ 26

CSU-Fraktion dabei wichtig ist: nicht die abstrakte Diskussion über Digitalisierung führen, sondern konkret in „Use Cases“ – Anwendungsfälle – der Künstlichen Intelligenz hineinblicken. So untersuchen wir KI-Anwendungen beispielsweise aus den Bereichen Mobilität und Gesundheit, arbeiten Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus, lassen Entwickler, Anbieter und Anwender zu Wort kommen. Im Ergebnis wollen wir die aktuelle Lage darlegen und den Akteuren konkrete Handlungsempfehlungen geben – damit wir auch jene überzeugen können, die noch KI-skeptisch sind, etwa Mittelständler, die mehrheitlich noch zögern, KI in ihre Geschäftsprozesse zu implementieren. Denn deutsche Forschung vermag noch so gut in der

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AKTUELL Digitialisierung

Frage ist das WIE!

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ning für KMU reicht. Andererseits wollen wir mehr Dynamik ins System geben, indem wir Empfehlungen zu Datenpools, Sandboxes – KI-Experimente im isolierten Bereich und „moon-shot-Projekten“, besonders visionäre Projekte – aussprechen. Für Unternehmen, die KI einsetzen oder selbst entwickeln, ist darüber hinaus entscheidend, dass sie auf dem deutschen und europäischen Markt Rechtssicherheit haben. Der Chief Executive Officer von Google und Alphabet, Sundar Pichai, mahnte vor kurzem, Künstliche Intelligenz sei zu wichtig, um nicht reguliert zu werden. Die entscheidende Frage ist nur das WIE! Ich erlebe derzeit, dass unter dem Stichwort „KI“ grundlegende gesellschaftliche Fragen aufgeworfen werden und Anforderungen gestellt werden, die in der analogen Welt kaum erfüllt werden können. Vielfach offenbart sich eine Null-Fehler-Toleranz gegenüber Maschinen und Systemen, die dazu führt, KI gar nicht erst erproben und vorschnell mit Verboten belegen zu wollen. Ein Fahrzeug kann mithilfe von Sensoren und KI typische Bewegungen auf der Straße erfassen, aber eben nicht die Gefahr nach der nächsten Kurve vorhersehen. Ein Gesichtserkennungssystem kann die Gruppe potenzieller Verdächtiger deutlich eingrenzen, aber noch keine hundertprozentige Trefferquote erfüllen. Auch intelligente Maschinen machen Fehler. Entscheidend ist indes, ob sie

Entwicklung neuer KI-Technologie sein – wenn die Akzeptanz von potenziellen Anwendern fehlt und keine Skalierung von KI-Geschäftsmodellen erreicht wird, verpuffen Innovationen leider schnell. Die Enquete-Kommission schlägt einen Maßnahmenkatalog vor, der einerseits Vertrauen, Transparenz und Kompetenz bei den Anwendern stärken kann, und von einem KI-Prüfsiegel über eine Aufklärungskampagne bis hin zu zielorientiertem KI-TraiHier finden Sie die Summarys der ersten drei Projektgruppen der Enquete-Kommission KI: https://www.bundestag.de/ ausschuesse/weitere_gremien/ enquete_ki/sonstige_ veroeffentlichungen

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in ihren Einsatzgebieten besser agieren als die ebenfalls nicht unfehlbaren Menschen. Vieles hängt davon ab, auf welche Informationen ihre Algorithmen zugreifen und ob die KI zutreffend kontrolliert wird. Die neuen Technologien und Geschäftsmodelle drängen auf Anpassungen und Kompromisse. Doch die richtige Balance zwischen Regulierung und Innovationsfreiheit zu finden, ist nicht einfach: Etwaige Regulierung muss auf Grundwerten beruhen, aber rein theoretische Prinzipien sind nutzlos. Sie muss in die Systematik bestehender Gesetzgebung passen, aber die Spezifika von KI berücksichtigen. Sie muss einen verlässlichen Rechtsrahmen bieten, aber dennoch flexibel genug sein, das breite und hochdynamische Anwendungsfeld von KI zu adressieren. Sie muss verhältnismäßig sein, um Freiheiten zu geben, aber zugleich auch Schutz zu bieten. Blickt man auf die aktuelle Datendiskussion, so kommt dies der Quadratur des Kreises nahe. Um KI in Deutschland und Europa voranzubringen, müssen wir die Menge an nutzbaren, qualitativ hochwertigen Daten für das Training von KI-­ Algorithmen und Maschinenlernen deutlich erhöhen. Den Wettlauf mit Nationen wie den USA und China wollen wir nicht verlieren, aber auch nicht um jeden Preis führen. Trotz des gewünschten Datenreichtums dürfen Persönlichkeitsrechte, die informationelle Selbstbestimmung sowie andere Grundrechte nicht verletzt werden. Geht das? Im Wege der Datenstrategie werden in Berlin derzeit neue Möglichkeiten erarbeitet, während in Brüssel die Evaluierung der Datenschutz-Grundverordnung läuft. Wir sollten zügig rechtliche und regulatorische Hürden überspringen, wenn wir die Potentiale von Künst­ licher Intelligenz wirklich heben woll len.

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AKTUELL Altersvorsorge

Private Zusatzrente ­zukunftsorientiert gestalten

Das freiwillige System der Riester-Rente hat sich trotz aller Kritik bewährt. Mit wenigen Handgriffen der Politik würden wieder mehr Menschen die private Zusatzrente nutzen, um zusätzlich zur staatlichen Rente für das Alter vorzusorgen.

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ie gesetzliche Rentenversicherung steht in der Zukunft vor großen Herausforderungen. Das ist der Grund, warum das Thema Altersvorsorge in Deutschland zunehmend mit Unsicherheit und Unwissenheit verbunden ist. Der unaufhaltsame demographische Wandel verstärkt sich mit dem Renteneintritt der Generation der Babyboomer. Zudem wird es für immer mehr Rentner schwierig, ihren Lebensstandard im Alter zu halten. All das bewegt und verunsichert die Menschen zunehmend. Immer mehr Bürgern jeder Alters­ klasse wird bewusst: Eine private Altersvorsorge ist kein Luxus, sondern notwendig. Mit rund 16,5 Millionen Verträgen ist die Riester-Rente heute einer der wichtigsten Bausteine für die private Altersvorsorge und sogar die mit Abstand erfolgreichste ­Vorsorgelösung in Deutschland. Für

Hans Joachim Reinke

Foto: privat

Vorstandsvorsitzender Union Asset Management Holding AG

„Vor allem muss die Komplexität der Riester-Rente sinken.“

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ein freiwilliges System ein beispielloser Erfolg. Die Riester-Rente ist mit staatlichen Zulagen und Steuervorteilen ausgestattet und für alle Bevölkerungsschichten attraktiv – vor allem für Familien mit Kindern und Geringverdiener. In ihrer aktuellen Ausgestaltung erfüllt sie daher bereits viele Anforderungen, um für Millionen Menschen in Deutschland eine essenzielle Absicherung im Alter zu sein. Allerdings muss man anerkennen, dass die Zahlen in den letzten Jahren stagnieren. Trotz der relativ weiten Verbreitung der Riester-Rente entschieden sich zuletzt immer weniger Sparer für dieses Modell. Die Gründe dafür sind zum einen systembedingt: So schrecken etwa die komplexe Fördersystematik oder die zu bürokratisch angelegte Zulagenbeantragung viele Menschen ab. Zum anderen spielen auch externe Faktoren, wie etwa das anhaltende Niedrigzinsumfeld eine Rolle. Es gilt daher, die Grundidee der Riester-Rente beizubehalten, gleichzeitig aber nach mehr als 18 Jahren Anpassungen vorzunehmen, um die private Altersvorsorge für die Menschen wieder attraktiver zu gestalten. Nur so kann den bestehenden rentenpolitischen Herausforderungen entgegnet werden. Vor allem muss die Komplexität der Riester-Rente reduziert werden. Mit fünf konkreten Verbesserungs-

vorschlägen wird die staatlich geförderte private Altersvorsorge wieder für eine größere Zahl von Menschen attraktiv. Im Einzelnen bedeutet dies: Erstens: Eine Ausgestaltung von standardisierten Produkten, die sich auf die Kerneigenschaften einer ergänzenden Alterssicherung beschränken, führt zu einer enormen Vereinfachung. Damit können Sparer einfacher, zielgerichteter und indivi-

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AKTUELL Altersvorsorge

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Viertens: Da uns das Niedrigzinsumfeld voraussichtlich noch einige Jahre begleiten wird, sollte auch die gesetzliche Garantieverpflichtung hinterfragt werden. Denn sie erschwert und verhindert sogar teilweise eine chancenreiche Kapitalanlage. Zudem stellt es Anbieter vor die große Herausforderung, die gesetzlich vorgeschriebene Garantie auf die Eigenbeiträge und Zulagen sicherzustellen und gleichzeitig dem Sparer noch attraktive Renditechancen zu bieten. Anbietern sollte es daher künftig freigestellt werden, ob sie ein staatlich gefördertes privates Altersvorsorgeprodukt mit einer flexiblen Garantie anbieten möchten. Dies ermöglicht zudem eine stärkere Aktienallokation und der Sparer kann je nach Risikopräferenz, das für ihn passende Produkt auswählen. Fünftens: Im Zuge der Vereinfachung der Fördersystematik sollte auch das Zulageverfahren verbraucherfreundlicher ausgestaltet werden. Denn die aktuell bestehenden Zulagerückforderungen sorgen für großen Unmut unter Sparern. Der Prozess sollte daher unbedingt angepasst werden: Erst prüfen, dann auszahlen. Diese Umstellung vermeidet Rück-

forderungen, reduziert den Verwaltungsaufwand deutlich und erhöht die Akzeptanz von staatlich geförderten Produkten. Die zwei wichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Altersvorsorge sind Langfristigkeit und Verlässlichkeit. Die vereinzelten Rufe nach einer Abschaffung der Riester-Rente und die Idee einen Staatsfonds einzuführen, gefährden die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte der privaten Altersvorsorge in Deutschland. Solche fruchtlosen und teilweise sehr populistisch geführten Debatten verunsichern bestehende Altersvorsorge-Sparer und schrecken künftige ab. Die fünf Vorschläge für eine effiziente und zielgerichtete Reform der Riester-Rente stärken die private Altersvorsorge. Davon würden nicht nur die Menschen, sondern auch die Politik in Deutschland profitieren. Natürlich kann man zum Abschluss noch über einen neuen Namen nachdenken, damit die Reform auch in der Bevölkerung positiv wahrgenommen wird. Lassen Sie uns die private Altersvorsorge daher gemeinsam weiterentwickeln und fit für die Zukunft l machen.

Foto: AdobeStock©Ljupco Smokovski

dueller beraten werden. Zudem wird die höhere Transparenz der Produkte dazu führen, dass unattraktive Produkte vom Markt verdrängt und zeitgleich Produktkosten deutlich reduziert werden. Zweitens: Um die derzeit schwer durchschaubare Fördersystematik verständlicher zu machen, gewährt der Staat zu jedem vom Sparer eingezahlten Euro 50 Cent Zuschuss. Durch diese Umstellung ist die Förderung auf einen Blick erkennbar und das Wichtigste ist, dass alle Sparer davon profitieren. Familien mit Kindern und Geringverdiener werden über Grundund Kinderzulagen zusätzlich gefördert und profitieren somit weiterhin überproportional. Drittens: Vor dem Hintergrund sich wandelnder Erwerbsbiografien ist es sinnvoll, den Kreis der Förderberechtigten auf alle unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Bürger zu erweitern, also auch auf (Solo-) Selbstständige. Die komplexe Abgrenzung des aktuellen förderberechtigten Personenkreises – das bedeutet der Unterschied zwischen mittelbarer und unmittelbarer Förderberechtigung – entfällt damit.

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Foto: BMF - Ilja C. Hendel

AKTUELL Bürokratie

tern – bei der BaFin und bei den IHK – ­geführt würden. Andererseits aber auch das Aufsichtsniveau, da nicht die IHK vor Ort, sondern eine weit entfernte Bundesbehörde zuständig wäre, die mittels automatisierter Selbstauskunft beaufsichtigen soll und für ihre neuen Aufgaben keine Mitarbeiter hat. Der Referentenentwurf sieht außerdem die Enthaftung von Vermittlern von V ­ ertriebsgesellschaften vor.

Mittelstands­feind­liche Regulierung Das dürfte die Sorgfalt in der Beratung nicht gerade fördern.

Die geplante neue Aufsicht über Finanz­anlagenvermittler bringt keine bessere ­Überwachung, aber drängt ­kleinere Unternehmer aus dem Markt.

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s fehlt nicht an Bekenntnissen der Politik zu weniger Bürokratie. Doch statt diese auch tatsächlich umzusetzen, drangsalieren immer wieder neue Regelungen Bürger und Unternehmen. Ein aktuelles Beispiel: Die 38.000 Finanzanlagenvermittler – ausnahmslos Kleinunternehmer – sollen nicht mehr vor allem durch die Industrie- und Handelskammern (IHK), sondern durch die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) beaufsichtigt werden, hält ein Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums fest. Dr. Helge Lach

Foto: Frank Blümler

Vorstand Deutsche Vermögensberatung AG; Mitglied Bundesfach­kom­mis­sionen Arbeitsmarkt und Alterssicherung sowie Europäische Finanzmarkt- und Währungs­ politik im Wirtschaftsrat

„Am gravierendsten wären die für Vermittler entstehenden Zusatzkosten.“ 30

Die Regierung will die Aufsicht über Vermittler an die der Banken angleichen. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass Banken als Produzenten weitaus größeren Risiken ausgesetzt sind. Und da die Vermittler auch Versicherungen im Angebot haben, wären zukünftig die BaFin für die Überwachung der Geldanlage und die IHK für die Versicherungen zuständig. Ohnehin gibt es keinen Handlungsbedarf, denn die Vorschriften zur Kundenberatung sind schon jetzt durch das Gesetz über den Wertpapierhandel und die Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung nahezu identisch. Verbraucher werden nicht profitieren Das Vorhaben kommt zur Unzeit. Die Bürger sind in Zeiten von Negativzinsen mehr denn je auf Beratung angewiesen. Außerdem haben die Vermittler die Lasten aus den EU-Richtlinien MIFID II und IDD längst noch nicht „verdaut“. Zugleich würde einerseits die Transparenz abnehmen, da Vermittler in unterschiedlichen Regis-

Kosten werden sich verdreifachen Am gravierendsten jedoch wären sicherlich die für die Vermittler entstehenden Zusatzkosten. Allein die Kostenumlage der BaFin beliefe sich auf 36 Millionen Euro im Jahr. Hinzu käme der interne Bürokratieaufwand. Vertriebsgesellschaften müssten Compliance- und Risikomanagementsysteme aufbauen und sollen wie Banken jährlich geprüft werden. Es ist absehbar, dass vor allem kleinere Vermittler ihr Geschäft einstellen werden. AG Finanzen legt Alternative vor Bleibt zu hoffen, dass sich die AG Finanzen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion durchsetzen wird. Sie fordert lediglich eine Richtlinienkompetenz für die BaFin und eine Konzentration der Aufsicht bei den IHK. Das würde die heutige Aufsicht harmonisieren und sogar verschlanken. Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums wirft hingegen viele Fragen auf. Es gibt nachweislich keine Missstände, die die mit diesem Entwurf entstehenden hohen Anforderungen und immensen Aufwendungen rechtfertigen könnten. Das Gesetzesvorhaben ist ein Musterbeispiel für Regulierung, die am Ende niemandem nutzen und vielen schal den wird.

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Big Data und Künstliche Intelligenz lauten die Rezepte, die für eine bessere Gesundheitsversorgung von Patienten stehen.

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er Megatrend Digitalisierung hat die Gesundheitsversorgung erreicht, jedoch sind die Potenziale für deren Verbesserung längst nicht ausgeschöpft. Dazu braucht es als Basis große, qualitativ hochwertige Datenpools – „Big Data“ – und moderne Analytikansätze, Stichwort Künstliche Intelligenz (KI). Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür wurden in Deutschland mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DGV) geschaffen. Am Beispiel der Arzneimittelversorgung lassen sich Perspektiven zur Optimierung in der gesamten Versorgungskette aufzeigen. Forschung: Eines der größten Probleme bei klinischen Studien ist das Finden geeigneter Patienten und optimaler Studiendesigns. Mit anonymisierten Daten aus dem Behandlungsalltag können beispielsweise geeignete Prüfzentren besser identifiziert und Rekrutierungsprobleme von Probanden gemindert werden. Digitale, dezentrale Studien von IQVIA erleichtern auch Patienten die Teilnahme. Diagnostik und Therapie: Große Potenziale bestehen für die Diagnostik der Zukunft. Bilddaten werden standardisiert und automatisch analysiert. Algorithmen werden trainiert,

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krankhafte Veränderungen etwa in bestimmten Körperregionen zu erkennen. Bei der Behandlung von Patienten eröffnet KI in der Arzneimitteltherapie neue Perspektiven. IQVIA zeigte dies am Beispiel verschiedener Erkrankungen. Anonymisierte Daten wurden mit Tools aus dem Bereich des maschinellen Lernens ausgewertet. Per KI gelangen Einstufungen von Patienten unter Angabe ihres Chronifizierungs- beziehungsweise Progressionsrisikos, ein weiterer Schritt in Richtung Präzisionsmedizin. Angesichts der zunehmenden Vielschichtigkeit von Therapien bei komplexen Erkrankungen helfen solche Erkenntnisse Ärzten bei der Therapieentscheidung. Mittelfristig sind evidenzbasierte Aussagen zum Nutzen für Patienten denkbar. Health Apps: Gesundheitsdaten aus Geräten und Wearables – elektronische Kleingeräte, die am Körper getragen werden wie etwa Fitnessarmbänder, die per KI im Smartphone oder in der Cloud ausgewertet werden, werden auch zu medizinischen Themen und bis zu eigenständigen digitalen Therapien wichtiger. IQVIA hat mit AppScript eine sichere Plattform für die Verschreibung und Er-

stattung von digitalen Gesundheitsanwendungen geschaffen. Die elektronische Patientenakte (ePA) bietet Chancen, Informationen sektorenübergreifend im Versorgungsalltag verfügbar zu machen. Die Nutzung der Daten aus Registern,

Dr. Frank Wartenberg President Central Europe, IQVIA Foto: IQVIA

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Potenziale in der Versorgung ausschöpfen

AKTUELL Digitalisierung

„Digital Health bietet auf Basis datengestützter Entscheidungen große Chancen für einen Mehrwert in der Versorgung.“ Forschungspools oder ePA muss für Forschungszwecke nicht nur öffent­ lichen Institutionen, sondern auch geeigneten Unternehmen offenstehen. Nur durch eine umfassende Domänen-Expertise aller Beteiligten ­ können für die Patienten nutzenstiftende Therapien verfügbar gemacht l werden.

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AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

Herausforderung Zukunft meistern Regulierung, Wettbewerbsdruck, Nullzinspolitik und Digita­lisierung setzen den Banken und ihren Geschäftsmodellen zu. Die Rahmen­ bedingungen auf dem Kapitalmarkt sind herausfordernd. Wie der Sprung in die Zukunft gelingen kann.

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AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

Starke Finanzpartner Dr. Volker Priebe Mitglied des Vorstands, Allianz Lebensversicherungs-AG

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ie Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt werden mittelfristig fordernd bleiben. Ähnlich bestimmend bleiben die regulatorischen Rahmenbedingungen. Hier sind vielfach sinnvolle Diskussionen und ­Maßnahmen angestoßen worden. Das reicht von Regeln zur Stärkung der Risikotragfähigkeit der Anbieter bis hin zu Anforderungen an die verständliche, vergleichbare und transparente Darstellung unserer Angebote für ­ Kun­ dinnen und Kunden. Anstehende Evaluierungen werden hoffentlich belegen, dass sich die jeweiligen ­regulatorischen Rahmen­bedingungen insgesamt bewährt haben und dass Verschärfungen, die methodisch oder gar gesamtwirtschaftlich kritisch sind, als solche erkannt

und vermieden werden. Einige regulatorische Prozesse, etwa die ­Sustainable Finance-Initiative der Europäischen Union (EU), berühren grundlegende Transformationsprozesse, die in unserer Gesellschaft unter anderem als Reaktionen auf den Klimawandel angestoßen worden ­ sind. Als ­Finanzwirtschaft können wir starke und verlässliche Partner bei der Finanzierung beispielsweise der ökologischen Transformation sein. Die langfristigen Anlagehorizonte eines Lebensversicherers etwa passen sehr gut zur lang­fristigen Nachhaltigkeit der angestrebten Transformation. Ich nehme eine grundsätzliche Bereitschaft der Finanzwirtschaft war, diese Transformationsprozesse zu begleiten.

Vier Herausforderungen Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch Ministerpräsident a.D.; Vorsitzender des Aufsichtsrats, UBS Europe SE

Digitalisierung. Das Problem ist, zugespitzt gesagt, dass die Politik das aus der Sicht einer älteren Dame aus einem Dorf sieht. Was ich sagen will: Jede dieser Aufgaben erfordert eine ganze politische Partei, die Konflikte konstruieren und gestalten muss, um am Ende an diesen Konflikten Entscheidungen herbeizuführen und Prozesse abzuleiten, die zu Veränderungen führen. Wenn das für eine Aufgabe gelingen muss, ist das in einer demokratischen Gesellschaft schon nicht einfach. Wenn die Veranstaltung aber an vier Stellen gleichzeitig brennt, ist das enorm schwer. Wir haben uns wahrscheinlich zu sehr angewöhnt, pragmatisch zu sein. Wenn man aber zu pragmatisch ist, also zu wenig über Grundsätze redet, hat man immer mehr Schwierigkeiten, gleichzeitig verschiedene Probleme zu lösen, weil man bei jedem Problem den Einzelfall erklären muss. Das ist meines Erachtens das Problem der Volksparteien: Sie sind ein Stück davon abgekommen, einen einheitlichen Grundsatz auf alle anstehenden Themen anzuwenden. Daraus entstehen die Konflikte, die wir im Moment haben.

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olitiker stehen derzeit vor vier großen Herausforderungen. Die erste Herausforderung ist, dass die Menschen bemerkt haben, dass die Ungleichheit in einer Gesellschaft in einer Weise zunimmt, die sie nicht mehr als Ansporn, sondern als Frustration begreifen. Die zweite Herausforderung ist, dass die Globalisierung nicht mehr so positiv empfunden wird wie bisher. Der Rückzug in ökonomische Großräume, die auch militärisch abgesichert werden müssen, hat zugenommen. Damit haben auch die Spannungen zugenommen – und das zwingt jeden Raum, insbesondere Europa, sich zu entscheiden, wohin man gehört. Die innere Neigung, am liebsten zu allen irgendwie dazuzugehören, wird mehr herausgefordert als das in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Die dritte Herausforderung lautet, dass Menschen sich Sorgen machen, wenn die Grenzen keinen Schutzraum mehr bieten. Das gibt es überall auf der Welt, in einer Demokratie hat das jedoch andere Folgen als in einer Diktatur, weil es unmittelbare Folgen auf das Wahlverhalten hat. Die vierte Herausforderung: Wir leben in einer Welt der

Quelle: Reden Finanzmarktklausur 2020

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AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

Einheitlichen ­Binnenmarkt schaffen Dr. Jörg Kukies Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen

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enn wir als Europäer mit den amerikanischen und asiatischen Banken konkurrieren wollen, müssen wir einen einheitlichen Binnenmarkt für Bankdienstleistungen schaffen. Im Zuge des Brexit ist das Thema natürlich enorm bedeutsam. Der Zugang der europäischen Realwirtschaft zum Finanzmarkt London muss gewährleistet sein. Das ist für uns ein ganz wichtiges Thema. In den nächsten Monaten werden wir viel diskutieren müssen, wie wir diesen Zugang regeln. Es ist klar erkennbar, dass die Dutzende von Äquivalenzregeln, die in Zukunft den Zugang von Finanzdienstleistern auf den jeweiligen Märkten bestimmen werden, elementarer Bestandteil der Verhandlungen sein werden. Für uns ist enorm wichtig, dass wir ein ausgewogenes Verhältnis schaffen zwischen dem Zugang zu Liquidität und der Anerkennung der Tatsache, dass es durch den Brexit natürlich einen völlig anderen Rahmen für Cross-Border Provision of Financial Services geben muss. Diese Abwägung wird

sehr komplex werden. Beim Thema Clearing kristallisiert sich das schon heraus. Wir haben auf der einen Seite ein großes Interesse als Finanzstandort an klaren Regeln für das Euro-Clearing. Auf der anderen Seite berücksichtigen wir die Bedenken vieler Unternehmen, dass der Zugang zu globalen Kapitalmärkten für unsere Realwirtschaft sehr bedeutsam ist. Diese Abwägung wird unser Handeln im zweiten Halbjahr treiben. Ein ganz wesentlicher Teil, der die nationalen und europäischen Grenzen überschreitet, sind alle Fragen, die mit der Digitalisierung zusammenhängen. Wir sind stolz darauf, dass wir in Deutschland ein Projekt zur Digitalisierung vorangetrieben haben. Wie arbeiten an einem Blockchain-Gesetz, das aus unserer Sicht einen sehr umfangreichen Charakter annehmen kann. Voranschreiten wollen wir, last but not least, auch bei Riester. Dieses Ziel müssen wir sehr ernsthaft betreiben. Und ich bin mir sicher, es wird ein großer Erfolg.

Digitalisierung sorgt für neue Geschäftsfelder Dr. Wolfgang Fink

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ie digitale Transformation verläuft nicht linear. Die Trennung zwischen Fintech auf der einen Seite und traditionellem Banking auf der anderen ist etwas künstlich. Denn was macht eine Bank aus? Die Menschen, die effiziente Nutzung des Kapitals, die Technologie und das Risikomanagement. Das ist der Kern, das macht ­unsere DNA aus. In den letzten Jahren ist dieses Geschäft durch Cloud Computing, Open Source-Software und ­ offene Programmierschnittstellen weiterentwickelt worden. ­ ­Damit entwickelt sich unser Angebot mit digitaler Unterstützung weiter. Phase zwei wurde von der Finanzkrise ausgelöst, die einen stärkeren Fokus auf das Thema Kapital gelegt hat. Das Kapital wurde teurer, es bedarf also w ­ eiterer Effizienzschritte. Das hat dazu geführt, dass man die ­Risiko- und die IT-Abteilungen massiv ausgebaut hat und dass man sich um neue Geschäftsfelder kümmern muss. Wir haben begonnen, eine einfache Online-­Plattform zu

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bauen, die nun den Sparern ein Angebot macht. Heute hat die Plattform „Marcus” etwa 60 Milliarden Dollar Einlagen und fünf Millionen Kunden in den USA und England. Das zeigt, wie schnell die Skalierung hier möglich ist. Nun kommen wir in eine Phase drei, das ist eine Phase der Skalierung und des Aufbaus weiterer Geschäftsfelder. Der Erfolg hat uns natürlich Mut gemacht. Wir bauen deswegen die Digitalbank weiter aus. So haben wir mit Apple eine Kreditkarte auf den Markt gebracht, die heute als eine der erfolgreichsten Kreditkartenlaunches gilt. Ein weiterer Geschäftsbereich, den wir identifiziert haben, ist das Transactionbanking. Auch hier haben wir sehr etablierte Modelle. Wir denken, man kann über ein digitales Angebot mit mehr Funktionalitäten hier durchaus andere Angebote für die Klienten schaffen. Dieser Markt ist größer als der gesamte Markt für das Investmentbanking. Quelle: Reden Finanzmarktklausur 2020

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Fotos: Jens Schicke · Icons: AdobeStock©sabdesign85

Vorstandsvorsitzender, Goldman Sachs Bank Europe SE


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AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

Die Welten miteinander verknüpfen Die Digitalisierung der Finanzbranche ist ein Thema, das viele Unternehmen beschäftigt – nicht nur klassische Banken.

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Zahlungsverkehrsdienstleister und viele andere. Die Zahl der Akteure ist also hoch – sie reicht vom Zwei-Personen-Fintech über Banken bis zu den Online-Giganten Google, Facebook und Amazon. Schon vor Jahren wurde geunkt, dass Banken tendenziell überflüssig werden würden – zu groß, verkrustet und unbeweglich. Fintechs könnten Produkte und Services viel besser und günstiger anbieten. Bedeutet das aber, dass Banken in Zukunft bestenfalls nur Infrastrukturanbieter sind und zusätzlich noch das Risiko für Kredite, die andere profitabel vertreiben, in ihre Bücher nehmen „dürfen“? Ich denke nicht. Denn Fakt ist: Banken sind immer noch da und sie erneuern sich. Häufig werden auch Partnerschaften

sich (wieder-)entdeckt. Gleichzeitig gehen Margen weiter zurück, so dass notwendige Investitionen schwieriger werden. Im Grunde geht es darum, die verschiedenen Welten miteinander zu verknüpfen, zu modernisieren und so das Angebot für den Kunden weiter zu verbessern. Wichtig ist dabei, einheitliche Regeln zu haben und den Ordnungsrahmen technologie- und

Karl Matthäus Schmidt

Foto: Quirin Privatbank AG

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ie Digitalisierung ist für Banken eigentlich ein „alter Hut“. Seit Jahrzehnten liegen die Konto- und Kundeninformationen als digitale Nullen und Einsen in den Systemen der Banken. Leider sind die Systeme heute aber oft so alt, dass es in einigen Banken kaum noch Mitarbeiter gibt, die sich mit diesen Kernbankensystemen wirklich auskennen. Hinzu kommt, dass viele Filialbanken mit der Einrichtung der SB-Zonen in ihren Foyers den Kontakt zum Kunden mehr oder weniger endgültig verloren haben. So entstand Platz für neue Anbieter. Das Internet ermöglichte zunächst den Direktbanken den Sprung aufs Parkett der Finanzbranche. Spätestens mit dem Siegeszug der Smartphones kamen dann die Fintechs. Credo: Mit dem Handy habe ich meine Bankfiliale immer in der Hosentasche. Hinzu kommt, dass die Plattformökonomie auch in der Finanzbranche längst Einzug gehalten hat. Vergleichsportale sind heute der wichtigste Kanal, wenn es beispielsweise um die Gewinnung von Neukunden für Girokonten oder Ratenkredite geht. Damit sind auch Plattformen ohne Banklizenz Teil der Digitalisierung unserer Industrie. Und dann gibt es natürlich noch Versicherungen, Fondsgesellschaften,

Vorstandvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer der digitalen Geld­anlage quirion, ist neuer Vorsitzender der Bundesarbeitsgruppe „Digital finance“

„Ziel ist es, die verschiedenen ­Akteure zusammenzubringen, um mit Politik und Wirtschaft gemeinsam Lösungen für einen Ordnungsrahmen zu erarbeiten.“ mit Fintechs geschlossen. So können Banken neue Services anbieten, Fintechs erhalten Zugang zum Kunden beziehungsweise Markt. Fakt ist aber auch: Die Banken haben das Thema Digitalisierung – und damit letztendlich auch den Kunden erst spät für

marktneutral zu gestalten. Deshalb freue ich mich darauf, die neue Bundesarbeitsgruppe „Digital Finance“ im Wirtschaftsrat zu leiten und damit einen Teil dazu beitragen zu können, den digitalen Wandel mitgestalten l und vorantreiben zu können.

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AKTUELL Finanzmarkt- und Währungspolitik

Bankenunion ist Realität Dr. Elke König Chair, Single Resolution Board

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ie Bankenunion wurde in Europa mit Rekordgeschwindigkeit geschaffen. Das hätte keiner erwartet. Not macht manchmal eben schneller. Die Bankenunion ist heute Realität, zumindest was ihre ersten beiden Säulen angeht. Europas Banken sind heute deutlich widerstandsfähiger. Die Kapitalanforderungen sind höher, das Kapital liegt im Schnitt um fünf Prozentpunkte höher, in Deutschland sogar um sechs Prozent. Die Banken liegen damit deutlich über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitalanforderungen. Und wir haben den einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus geschaffen, der sich das Ziel gesetzt hat, ohne Steuergelder und ohne negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft und ohne

abträgliche Wirkungen auf die Finanzmarktstabilität eine Bank abzuwickeln. Das ist das Ziel seit 2016 und ein Weg, den wir in Schritten gehen müssen. Wir haben in diesem Zusammenhang schon viel erreicht. 2016 haben wir begonnen, einen Fonds zu bilden, den die Industrie befüllt und der derzeit mit 33 Milliarden Euro ausgestattet ist. Bis Ende 2023 sollen es zwischen 60 und 70 Milliarden Euro sein. Diese Mittel stehen dann zur Verfügung, um Banken im Ernstfall abwickeln zu können. Selbst wenn das Geld nicht reichen sollte und wir einen Kredit aufnehmen müssen, wird ihn die Industrie zurückzahlen – und nicht der Steuerzahler.

Kapital­marktunion schaffen Martin Zielke

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ie deutsche Wirtschaft ist 2019 das zehnte Jahr in Folge gewachsen. Die konjunkturelle Dynamik hat zwar an Schwung verloren, doch die gesamtwirtschaftliche Leistung nimmt weiter zu. Das klingt alles sehr gut. Allerdings trügt diese Momentaufnahme. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Wir müssen jetzt entscheidende Schritte unternehmen, damit die deutsche Wirtschaft nicht den Anschluss verliert. Das gilt insbesondere mit Blick auf Investitionen in die Digitalisierung und in Nachhaltigkeit. Was für die Wirtschaft gilt, gilt für Banken allemal. Schließlich befindet sich die Finanzbranche seit Jahren in einer tiefen Strukturkrise. Aus meiner Sicht müssen wir in Europa vier Themen entschlossen anpacken. Erstens müssen wir eine Kapitalmarktunion schaffen. Um das für Wachstum und Transformation nötige Kapital aufzubringen, brauchen wir in Europa breitere und tiefere Kapitalmärkte. Die mögliche Einführung einer Finanztransaktionssteuer wäre kontraproduktiv.

Zweitens brauchen wir eine sinnvolle Anpassung von Basel III. Auch mit Blick auf die Auswirkungen von Basel III wäre eine Kapitalmarktunion wünschenswert. Anders als allgemein vermutet, ist „Basel” übrigens kein reines Bankenthema. Basel trifft vor allem den größeren Mittelstand. Drittens sollten wir Nachhaltigkeit als Chance für Deutschland nutzen. Die zunehmende Bedeutung einer nachhaltigen Wirtschaft ist unumkehrbar. Das wurde zuletzt unter anderem in Davos deutlich. Hier entsteht berechtigterweise ein gesellschaftlicher Druck, der Unternehmen dazu zwingen wird, ihre Organisationen und Produktion auf nachhaltige Kriterien umzustellen. Viertens sollten wir europäische Cloud-Lösungen schaffen. Zum Heben des europäischen Datenschatzes sind sie der Schlüssel. Wenn wir in Europa wettbewerbsfähig bleiben und nicht allein von amerikanischen und chinesischen Anbietern abhängig sein wollen, brauchen wir eine europäische Cloud. Quelle: Reden Finanzmarktklausur 2020

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TREND 1/2020

Fotos: Jens Schicke · Icons: AdobeStock©sabdesign85

Vorsitzender des Vorstands, Commerzbank AG


Foto: AdobeStock©HeGraDe

AKTUELL Altersvorsorge

Die eigenen vier Wände sind die beliebteste Form der Altersvorsorge. Wie es gelingt, die nächste Generation ins Wohn­eigentum zu bringen.

Klares Bekenntnis zur Immobilie gefragt S

1/2020 TREND

versorgung: Vier von fünf Wohnungen sind in der Hand von Privathaushalten und Eigentümergemeinschaften, egal ob vermietet oder selbst bewohnt. Was bremst nun den Eigentumserwerb in Deutschland? Die seit dem Tiefststand zur Finanzkrise 2008 zweifellos deutlich gestiegenen Immobilienpreise sind bisher kein primärer Hinderungsgrund. Denn extrem niedrige Zinsen sorgen für weiterhin tragbare monatliche Raten. Aber obwohl junge Menschen sogar zu 90 Prozent den Wunsch nach den eigenen vier Wänden haben, scheitern sie immer öfter am für den Erwerb notwendigen Eigenkapital. In der Folge werden die Ersterwerber messbar älter und müssen höhere Einkommen mitbringen, um diese Hürde zu nehmen. Der Bausparvertrag ist eines der bewährten Vorspar- und Finanzierungsinstrumente für Normalverdiener. Er ist bereits an fast jeder zweiten Wohnungsfinanzierung in Deutschland beteiligt. Bausparer sparen rund ein Fünftel mehr und erwerben mit einer 50 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit Wohneigentum – und das zwei Jahre früher als Nicht-Bausparer. Hinzukommen muss aber eine zielgerichtete Förderung, mit der der Staat die Sparzinsverluste zumindest teilweise ausgleicht.

Daher sind ein klares Bekenntnis und gezielte Anreize für die Immobilie als unverrückbarer Teil der Altersvorsorge heute wichtiger denn je. Die gerade erfolgte Aufwertung der Wohnungsbauprämie ist hier ein erster richtiger Schritt. Aber insbesondere die Wohn-Riester-Förderung hat sich als hochwirksam erwiesen, zielgerichtet für die eigenen vier Wände zu sparen. Die Wohn-Riester-Vorteile werden von Verbraucherschutzzentralen und Stiftung Warentest regelmäßig mit guten Noten belegt. Jörg Münning Vorsitzender LBS-Bausparkassenkonferenz

Foto: LBS

elbstgenutztes Wohneigentum ist die beliebteste Form der Altersvorsorge – noch vor der gesetzlichen Rente: Für vier von fünf Deutschen ist die Immobilie der ideale Rentenbaustein, wie gerade wieder eine Umfrage im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung ergeben hat. Zudem ist sie fundamentaler Bestandteil der privaten Vermögensbildung. Dennoch ist Deutschland mit 45 Prozent europäisches Schlusslicht bei der Wohneigentumsquote, unterboten nur noch von der Schweiz. Um diese endlich spürbar zu erhöhen, ist die Justierung der vorhandenen Förderinstrumente erforderlich. Nur so können wir die von einer Welt ohne Zinsen geprägte junge Generation wieder zum Sparen motivieren. Der Erhalt des Wohn-Riester im Zuge der Rentendiskussion spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Beliebtheit der Immobilie bei den Deutschen kommt nicht von ungefähr. Zwar haben Wohneigentümer anfangs höhere Kosten als Mieter. Im Ruhestand stehen dem aber ein zehnfach höheres Gesamtvermögen monatlich 600 Euro mehr Rente gegenüber, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet hat. Private, langfristig orientierte Investoren sind das Rückgrat der Wohnraum-

„Die Wohn-RiesterFörderung hat sich als hochwirksam erwiesen.“ Die eigenen Sparleistungen wie auch die Zulagen fließen beim WohnRiester unmittelbar in den Eigen­ kapital­aufbau – und helfen später bei der deutlich schnelleren Entschuldung. Deshalb muss Wohn-Riester auch nach der Rentennovellierung ein wichtiger Bestandteil der privaten l ­Altersvorsorge bleiben.

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AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

Infrastrukturen ­modernisieren, ­Klimawandel ­gestalten Dr. Werner Hoyer Präsident der Europäischen Investitionsbank

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er Zustand unserer Infrastruktur erinnert täglich daran, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Das betrifft die Qualität der digitalen Infrastruktur, aber auch die Straßen, Eisenbahnen und Brücken. Wir leisten nur etwa zwischen 33 und 50 Prozent der Instandhaltungsaufgaben, wie sie die OECD vorsieht. Es gibt also einen eingebauten Mechanismus der Verschlechterung der Infrastruktur, weil wir uns nicht ausreichend um sie kümmern. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das nicht klug. Wir in der Europäischen Investitionsbank beziffern den Investitionsbedarf auf rund drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das sind in Europa etwa 400 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommen die Kosten für die Anpassungen an den Klimawandel. Da fangen wir gerade erst an, die Höhe des Investitionsbedarfs abzuschätzen. Hinzu kommen die Investitionen für eine weiterhin wachsende Weltbevölkerung. In der Projektion der UNO wächst die Bevölkerung Afrikas bis 2050 auf 2,5 Milliarden Menschen, bis Ende des Jahrhunderts auf 4,3 Milliarden. Da wartet eine

Jahrhundertaufgabe auf die Entwicklungspolitik. Bei der Bewältigung des Klimawandels stellt sich die Frage, wie eine Klimapolitik aussehen muss, die Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördert, die zudem gute Arbeitsplätze schafft, anstatt bestehende zu vernichten. So sehr ich ein Marktwirtschaftler bin, so sehr ist mir auch klar, dass der Staat hier eine Aufgabe zu bewältigen hat. Für öffentliche Banken gilt das erst recht. Finanzielle Anreize indirekter und direkter Art etwa über Finanzierungen öffentlicher Banken werden gefordert sein. An diesem Punkt setzt der European Green Deal an. Bisher haben wir es zwar noch mit vielen Worthülsen zu tun, die noch mit Inhalt gefüllt werden müssen. Aber der Grundgedanke ist da. Die neue EU-Kommission hat ein Programm aufgelegt, das den Impuls der öffentlichen Debatte aufgreift und genau in die Zeit passt: Ambitioniert in der Zielsetzung, ausgewogen in den Maßnahmen, ausgestattet mit ausreichenden Mitteln, ist es das bei weitem größte ­Infrastrukturprogramm für Klimaschutz und Umwelt.

Niedrige Inflation birgt Gefahren Philip R. Lane

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us makroökonomischer Sicht birgt eine zu niedrige Inflationsrate mehrere Gefahren. Eine Gefahr besteht darin, dass eine langfristig niedrige Inflation nur einen kleinen Puffer gegen Deflation bietet. Wenn die Inflation niedrig ist, ist nur ein relativ kleiner Schock erforderlich, um die Wirtschaft in eine Deflation zu treiben. Die makroökonomischen Auswirkungen der Deflation sind bekannt. Erstens verzögert die Erwartung sinkender Preise Käufe und Investitionen. Zweitens schadet die Kombination aus sinkenden Preisen und starren Nominallöhnen der Rentabilität der Unternehmen und verringert die Nachfrage nach Arbeitskräften. Drittens bedeutet ­Deflation, dass die tatsächliche Belastung durch nominale Schulden im Laufe der Zeit zunimmt, was die Rückzahlung von Schulden für Haushalte, Unternehmen

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und Regierungen erschwert. Selbst wenn keine ausgeprägten Deflationsrisiken bestehen, entstehen erhebliche makroökonomische Kosten, um das Inflationsziel dauerhaft zu unterschreiten. Eine zu niedrige Inflation kann vorteilhafte makroökonomische Anpassungen behindern. Daraus folgt das ­Risiko einer sich selbst verstärkenden Dynamik im Inflationsprozess. Ein anhaltend niedriges Inflationsrisiko könnte die Inflationserwartungen nach unten drücken, was wiederum die Fähigkeit der Zentralbanken weiter beeinträchtigt, die Inflation schnell wieder auf das Ziel zu bringen. Dieser Teufelskreis wurde von Ökonomen erkannt, zumindest seit Keynes und andere die Wechselwirkungen zwischen Deflation, Massenarbeitslosigkeit und einer gelähmten Geldpolitik in den 1930er Jahren untersuchten. TREND 1/2020

Fotos: Jens Schicke · Icons: AdobeStock©sabdesign85

Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank


AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

Governance ohne Government Sir Jon Cunliffe Deputy Governor, Financial Stability, Bank of England

haben. Diese Frage ist entscheidend. Für Großbritannien ist das von besonderer Bedeutung, weil wir den größten und wahrscheinlich auch komplexesten Finanzdienstleistungsplatz der Welt haben. Governance ohne Government – das ist die zentrale Herausforderung für globale Finanzmärkte, um die Vorteile der Liberalisierung bei gleichzeitiger Kontrolle nutzen zu können. Während die Erinnerung an die Finanzkrise verblasst, müssen wir umso enger zusammenarbeiten – um die Fortschritte, die wir gemacht haben, zu sichern und neuen Herausforderungen zu begegnen.

Fotos: Jens Schicke · Icons: AdobeStock©sabdesign85

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as künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien ist noch nicht geklärt. Es wird von den Verhandlungen der nächsten Monate abhängen. Unsere Aufgabe als Bank of England ist es, innerhalb unseres Mandats monetäre und finanzpolitische Stabilität zu liefern. Deshalb sind Spekulationen über die Handelspolitik ausgeschlossen. Die Globalisierung der Finanzmärkte bedeutet, dass wir finanzielle Risiken exportieren und importieren. Vor zehn Jahren haben wir bei der Finanzkrise erlebt, was schief gehen kann, wenn wir keine vernünftige Governance der Finanzmärkte auf internationaler Ebene

Quelle: Reden Finanzmarktklausur 2020

Gemeinsam machen wir das deutsche Gesundheitssystem zu einem TRENDder Welt. Erfahren Sie mehr unter www.pkv.de/linda der 1/2020 besten

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AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

Geld der Zukunft – Zukunft des Geldes

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ransaktionen, Bezahlsysteme und auch das Kreditgeschäft werden weitgehend automatisiert – wahrscheinlich auf großen, reichweitenstarken Plattformen. Kandidaten dafür sind die großen Player: Facebook, Google oder Amazon, aber auch Apple oder wie in China bereits der Fall mit Alibaba. Technologisch wird die klassische Intermediation der Banken überflüssig. Der Kreditmarkt und das Einlagengeschäft werden durch Skalierung und Kundenzentrierung effizienter organisiert und kaum noch Marge abwerfen. Daten und deren Nutzung durch Algorithmen und künstliche Intelligenz werden die bankinternen Prozesse sowie die Finanzintermediation erheblich verändern. Sie werden schneller und weniger fehleranfällig, die Bank-

Prof. Dr. Henning Vöpel Foto: Anna Mutter

Direktor Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut

„Außerhalb der Banken verändert sich die Welt noch radikaler als im Bankenbereich selbst.“ 40

funktionen virtueller und kundenzentrierter. Das Bankwesen ist qua Funktion hochgradig vernetzt. Die in der Digitalisierung übliche Plattformbildung wird daher auch und gerade im Bankensektor zu den üblichen Wirkungen führen: Geschäftsmodelle werden skaliert, die Nutzung von Daten wird systematisch möglich und Intermediation auf ein funktionales Minimum reduziert. Daten und Künstliche Intelligenz können Finanzmarktrisiken erhöhen Asymmetrische Information, Kreditrationierung und ähnliches werden durch den Einsatz von Daten und Algorithmen weitgehend reduziert. Aber Vorsicht: Daten sind nur die Repräsentanten der Wirklichkeit, aber nicht die Wirklichkeit selbst. Daten enthalten vergangenheitsbezogene Verzerrungen. Und Algorithmen sind nicht die Wahrheit. Sie reflektieren und verwenden lediglich unser unvollständiges Wissen über Zusammenhänge, selbst dann, wenn Künstliche Intelligenz autonom lernen kann. Manipulation und Diskriminierung drohen den Kunden, die immer gläserner werden – und das in dem neben der Gesundheitswirtschaft sensibelsten Bereich: den Finanzen. Wer die Transaktionen eines Menschen kennt, kennt den Menschen selbst.

Foto: AdobeStock©Frank Wegner

Neben Negativzinsen und Regulierung wird ein Thema für Banken immer akuter: die Digitalisierung. Neue technologische Möglichkeiten bieten die Chance, Geld neu zu denken. Finanzmärkte und Banken­ sektor stehen vor disruptiven Zeiten. Doch der Kern des modernen Geldwesens dürfte erhalten bleiben.

Finanzmarktrisiken gehören damit nicht der Vergangenheit an, sondern werden durch programmiertes Herdenverhalten und der Konvergenz von Algorithmen im Zusammenhang mit dem Hochfrequenzhandel eher noch wahrscheinlicher, denn Wissen und Informationen werden handelbar. In seinem neuen Buch „Narrative Economics“ hat Robert J. Shiller darauf hingewiesen, dass Märkte gerne an einfache und standardisierte Geschichten glauben wollen. Welt der Finanzierung wird risikoreicher Außerhalb der Banken verändert sich die Welt noch radikaler als im Bankenbereich selbst. Digitalisierung ist die zweite große technologische, ökonomische und kulturelle Revo­ lution der jüngeren Menschheitsgeschichte. Der Übergang von der Agrar­gesellschaft zur Industriegesellschaft war mit der relativen Entwertung des Produktionsfaktors Boden und der Aufwertung des Kapitals verbunden. Nun werden Daten durch die enorm gestiegenen Speicherkapazitäten und Prozessorgeschwindigkeiten zur wichtigsten Ressource im digitalen Zeitalter. Wirtschaft entmaterialisiert sich, Daten sind ein intangibles Asset. Sie spielen für die Entwicklung immer neuer Geschäftsmodelle eine

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AKTUELL Banken und Kapitalmärkte

wichtige Rolle. Innovations- und Kreditzyklen werden sich verkürzen und das K ­reditrisiko nimmt tendenziell zu. Vermögenswerte und Kreditforderungen können sich unter diesen Umständen schneller und weniger ­ planbar abschreiben als in der Vergangenheit. Zentralbanken bleiben Geldmonopol Zentralbanken und die Bankenaufsichten kümmern sich nach anfänglichem Zögern nun intensiver um das Thema Digitalisierung, insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten CBDC, den Central ­ Bank Digital Currencies. Insbesondere die Ankündigung von Facebook, mit Libra ein eigenes Digitalgeld ­einzuführen, hat dort zum Um­denken geführt. Es wurde deutlich, dass eine Plattform mit rund zweieinhalb Milliarden Nutzern nicht nur das ­Potential hat, ein akzeptiertes digitales Bezahlsystem einzuführen, sondern

durch das Ausmaß der Skalierung eine Währungsfunktion bekommen könnte. Facebook könnte Liquidität und ­Zinsen beeinflussen, aber ebenso auch zu systemischen Risiken beitragen und dadurch die internationale Finanzmarktstabilität beeinträchtigen. Es wäre indes ratsam, die potenzielle Innovationskraft, die hinter Libra und anderen CBDC steht, nicht zu restriktiv zu regulieren. Denn ­weltweit betrachtet ist die Finanzierungs­ tiefe in vielen Ländern, insbesondere ­Entwicklungs- und Schwellenländern, immer noch gering. Eigens heraus­ gegebenes Digitalgeld könnte indes die in Niedrigzinszeiten beeinträchtigte Transmission der Geldpolitik wieder verstärken: Ein eigenes Konto für jeden bei der Zentralbank würde beides ermöglichen: die Überweisung von Helikoptergeld ebenso wie die d ­irekte Weitergabe der Negativzinsen an Haushalte und ­Unternehmen.

Geld bleibt Geld, Banken werden Hybride Die Disruption wird wesentliche Teile des heutigen Bankgeschäfts schon sehr schnell erreichen, in Teilen ist das bereits geschehen oder in vollem Gang. Ein Kern jedoch wird erhalten bleiben. Der durch Technologie unterstützte, aber nicht vollständig ersetzbare Kern des modernen Bankwesens besteht in der optimalen Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität. Geld ist ein legal tender, also öffentliches Geld in einem Fiat-money-System. Vertrauen ist und bleibt in einem solchen System das wichtigste Asset. Blockchain-basierte Krypto-Währungen sind hier alles andere als die Lösung, denn sie sind tatsächlich kein Geld. Daten und Künstliche Intelligenz werden die Branche revolutionieren. Banking without banks wird zunehmend Realität. Die Institution „Geld“ ist technologisch auf absehbare Zeit nicht substituierbar. Die Banken selbst l werden hybride Strukturen.

Es ist: ein Zuhause! Die eigene Immobilie ist die einzige Altersvorsorge, in der Sie schon heute wohnen können.

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1/2020 TREND

Finanzgruppe · www.lbswest.de

Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause.41


AKTUELL Finanzmarkt- und Währungspolitik

Immer mehr Investoren vertrauen im Nullzinsumfeld auf ­Faktorstrategien, bauen ihre Faktorallokationen weiter aus und setzen auch verstärkt auf Multi-Faktor-Strategien. Gefragt sind dynamische Ansätze, mit denen auf Ver­änderungen des Marktumfelds gezielt reagiert und auch ESG-Erwägungen berücksichtigt werden können.

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as sind nur einige der wichtigsten Ergebnisse der jüngsten Global-Factor-Investing-Studie von Invesco, für die institutionelle und professionelle Investoren aus aller Welt befragt wurden. Insgesamt wird deutlich: Das Factor Investing, bei dem gezielt auf renditebestimmende Attribute von Wertpapieren wie eine günstige Bewertung (Value), eine überdurchschnittliche Wertentwicklung (Momentum) oder eine niedrige Marktkapitalisierung (Size) gesetzt wird, setzt sich immer mehr durch. Dass deutlich mehr als die Hälfte der Befragten ihre Faktorallokationen in den nächsten drei Jahren weiter ausbauen will, ist dabei nicht ver­ wunderlich – geben doch mehr als zwei Drittel an, dass die Performance

ihrer Faktoranlagen ihre Erwartungen erfüllt oder übertroffen habe. Die große Mehrheit der Faktoranleger bevorzugt inzwischen aktive gegenüber passiven Ansätzen. Die Investoren, die weiterhin auf passive Ansätze setzen, wünschen vermehrt maßgeschneiderte Indizes, die eine bessere Steuerung der Faktoren ermöglichen und mehr Kontrolle über Faktordefinitionen und -messgrößen bieten. Neben faktorbasierten Aktienstrategien sind Faktoransätze auch im Anleihebereich zunehmend gefragt. Angesichts rekordtiefer und zum Teil negativer Zinsen betrachten viele Investoren faktorbasierte Strategien als Lösung, mit der auch im aktuellen Umfeld auf transparente und kosten­ effektive Weise Ertragsquellen ange-

Bernhard Langer CIO Invesco Quantitative Strategies

Foto: Invesco

Erfolg hat viele Faktoren

zapft werden können – beklagen allerdings einen Mangel an geeigneten Produkten. Als gewinnbringende Kombination werden offensichtlich auch Factor Investing und Nachhaltigkeit (ESG) betrachtet: Immer mehr Investoren wünschen Strategien, die neben Faktoren auch die ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung berücksichtigen. Durch die Verfügbarkeit von Werten für viele verschiedene ESG-Dimensionen sind Portfoliokonstruktionsmethoden entstanden, die denen ähneln, die im Factor Investing zum Einsatz kommen. Dabei werden Wertpapiere jeweils danach eingestuft, wie gut sie bei bestimmten Attributen abschneiden.

Das zunehmende Faktorengagement signalisiert ganz klar, dass faktorbasierte Strategien nicht mehr nur als kostengünstiger Ersatz für traditionelle aktive Ansätze betrachtet werden. Heutige Investoren schätzen Faktorstrategien als wertvolle Erweiterung des Fondsangebots und als strategisches, transparentes und effizientes Tool für einen ganzheitlichen Portfolioaufbau mit echtem, wissenl schaftlich belegtem Nutzen.

„Immer mehr Investoren wünschen Strategien, die auch die ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung berücksichtigen.“

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Wolfgang Steiger Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Foto: AdobeStock©peterschreiber.media

Nutzbringendes ­Eigentum D as Recht auf Eigentum ist aus gutem Grund ein Grundpfeiler jedes demokratischen Rechtsstaates – in Deutschland garantiert durch Artikel 14 des Grundgesetzes. Wer über Privateigentum verfügt, kann sich entfalten, seine Familie ernähren und ist im besten Falle unabhängig von Transferleistungen. Deshalb hat der Staat ein ureigenes Interesse an der Eigentumsbildung in den Händen seiner Bürger. Denn es nutzt nicht nur den Eigentümern, sondern der gesamten Marktwirtschaft: Eigentum stellt sicher, dass ohne zentrale Steuerung Entscheidungen über das Angebot von Gütern und Dienstleistungen über den Marktpreis gefällt werden. Die Geschichte hat eindrucksvoll gezeigt, dass Staaten, die die Eigeninitiative ihrer Bürger brechen, massiv zurückfallen. Und auch, dass Staatskommissare nicht besser wirtschaften als Unternehmer – im Gegenteil. Die Fehlentscheidungen staatlich gelenkter Volkswirtschaften gipfelten vor 30 Jahren im Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus in den Ländern des Ostblocks. Wer heute also der Verstaatlichung von Schlüsselindustrien das Wort redet, hat in Geschichte nicht aufgepasst oder will Deutschland nichts Gutes. Solche Forderungen stellen die Innovationskraft dieses Landes und den Wohlstand aller Bürger infrage. Auch die Enteignung von Wohnungen löst kein Problem, sondern schafft neue Schwierigkeiten. Und ein „demokratischer Sozialismus“ ist eine Illusion – es hat ihn nie gegeben, gibt ihn heute nirgends auf der Welt und wird ihn auch in Zukunft nie geben. Sozialismus bedeutet immer Unfreiheit, Einschränkung von Menschenrechten, Mangel und staatliche Willkür. All das fängt mit der Abschaffung von Eigen-

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tumsrechten an. Deshalb sind die bürgerlichen Kräfte in Deutschland aufgerufen, hier ganz klar Stellung zu beziehen, sie haben die Kraft des besseren Argumentes auf ihrer Seite. Klar ist aber auch, dass Privateigentum nicht schrankenlos sein kann. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, aber auch Handelsgrenzen und globaler Wettbewerb helfen in der Sozialen Marktwirtschaft, die Marktmacht einzelner Akteure zu begrenzen. Auch Steuern und Abgaben schaffen einen Ausgleich: So zahlen hierzulande etwa die oberen zehn Prozent der Beschäftigten und Ruheständler rund 50 Prozent der Einkommenssteuer, der wichtigsten Einnahmequelle des deutschen Fiskus. Insgesamt dürfen die Steuern nicht überzogen hoch sein, das beschädigt die Motivationsfunktion des Privateigentums. Deshalb sind Forderungen zur Einführung einer Vermögenssteuer und Erhöhung der Erbschaftssteuer Gift. Abgesehen davon, dass die Bewertung der Vermögensgegenstände bei der Erhebung der Steuern beinahe so viel kostet, wie sie am Ende Einnahmen bringen. Auch eine überzogene Steuerquote stellt am Ende eine Form der Enteignung dar. Wer Eigentum hat, möchte es gewöhnlich wirtschaftlich nutzen, erhalten oder vermehren. Dazu trifft er wirtschaftliche Entscheidungen. Fehlentscheidungen treffen den Eigentümer, wenn er mit Vermögensverlusten haftet. Gewinne hingegen kommen über den Mehrkonsum, Investitionen oder Arbeitsplätze der Volkswirtschaft zugute. Privateigentum steigert den Wohlstand aller Menschen in Deutschland – keinesfalls darf dieses konstituierende Element der Sozialen Marktwirtschaft auch nur zur l Diskussion stehen.

STANDPUNKT STEIGER

Foto: Jens Schicke

„Privates Eigentum ist die Säule der Sozialen Marktwirtschaft.“

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WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

ENERGIE FÜR MOBILITÄT

Nullzins bedroht „Wohlstand für alle“

Klimaschutz durch Innovationen

Unter dem Motto „Vermögensbildung in Zeiten von Nullzins“ fand das dritte Europa-Forum, eine gemeinsame Veranstaltung des Wirtschaftsrats und der Ludwig-Erhard-Stiftung statt. In einem exklusiven Kreis diskutierten unter der Moderation von Oswald Metzger, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung, Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Dr. Carsten Brodesser MdB, Berichterstatter der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion für betriebliche und private Altersvorsorge im Finanzausschuss, Dr. Volker Priebe, Mitglied des Vorstands der Allianz Lebensversicherungs-AG, Prof. Dr. Gunther Schnabl, Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig und Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zu den Auswirkungen von Null- oder gar Negativzinsen. Wolfgang Steiger wies darauf hin, dass die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank das Versprechen von „Wohlstand für alle“ und jede Sparbemühung in Deutschland ad absurdum führe. Und betonte, dass gekippte Aufstiegsversprechen und Fehlallokationen demotivierend wirkten. Waren sich Experten und Publikum darüber einig, dass das Nullzinsniveau auf absehbare Zeit bleiben wird, wurde über die Ursachen, rentierliche Vermögenswerte und Lösungsoptionen teils heftig diskutiert.

Unter dem Vorsitz von Joachim Drees diskutierten die Mitglieder des Gremiums darüber, dass jetzt die richtigen Weichen gestellt werden müssten, um das Thema „Klimaschutz durch Innovationen“ voranzutreiben. Dann könnten sich Innovationen breit durchsetzen. „Eine Sektorkopplung, marktwirtschaftlich und technologieoffen, trägt nicht nur zur Erreichung der internationalen Klimaschutzziele und Klimaneutralität bis 2050 bei, sondern erhält auch Wertschöpfung in Deutschland und Europa“, sagte Drees. Um den Hochlauf CO2-armer Antriebstechnologien und Kraftstoffe technologieoffen zu unterstützen, müsse die Bundesregierung parallel zum CO2-Preissignal tiefgreifende Reformen des derzeitigen Systems aus Steuern, Abgaben und Umlagen anstoßen und eine flächendeckende leistungsfähige Infrastruktur bereitstellen. Dr. Artur Runge-Metzger, Direktor für Klimastrategie und ­Internationales, Generaldirektion Klima der Europäischen Kommission, skizzierte die Kernaspekte des Green Deals. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Thomas Bareiß MdB, diskutierte mit den Unternehmern über die Agenda für eine sektorenfreie Energiewende. Rüdiger Kruse MdB klärte über die Ausgestaltung des ­Klimapakets auf.

Foto: Jens Schicke

EUROPA-FORUM

ROHSTOFFPOLITIK

Unbürokratischere Verfahren erwünscht Dr. Klaus-Peter Schulze MdB, Mitglied des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit des Deutschen Bundestags, betonte vor dem Vorsitzenden Dr. Thomas Bünger und den Unternehmern in der Arbeitsgruppe (AG), dass die heimische Rohstoffgewinnung einen wichtigen Beitrag zum internationalen Umwelt- und Klimaschutz leiste und die regionale Wertschöpfung in oftmals strukturschwachen Regionen stärke. In der fortgeschriebenen Rohstoffstrategie sollten zur Sicherung der Rohstoffgewinnung hierzulande vor allem planungs- und genehmigungsrechtliche Weichenstellungen auf den Weg gebracht werden.

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Kontrovers diskutierte die AG die Abstandsregel von 1.000 Metern bei Windrädern, die auch für Orte mit fünf Häusern gelten soll, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. Sie bedeutet eine deutliche Einschränkung der Flächenkulissen und beeinträchtigt das Errichten von Windkraftanlagen an den besten Standorten, was sich negativ auf die Energiewende auswirken würde. Anstatt Genehmigungsverfahren weiter zu erschweren, müssen diese unbürokratischer werden, forderten die Unternehmer.

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Foto: Hans Christian Plambeck

NEUES AUS DEN KOMMISSIONEN 

Foto: Hans Christian Plambeck

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INTERNET UND DIGITALE WIRTSCHAFT

Prallgefüllte Agenda

Patentschutz und Datenschutz standen im Fokus

Der Wirtschaftsrat hat die Kommission neu ins Leben gerufen und konnte für den Vorsitz Dr. Alexander von Preen, Vorstandsvorsitzender von INTERSPORT Deutschland eG, gewinnen. Der Einzelhandel ist einer der wichtigsten Steuerzahler der Städte und Gemeinden und Zugpferd der Innenstädte, weil er für belebte Altstädte und Touristen sorgt. Davon profitieren auch Branchen wie die Gastronomie und Hotellerie. Das Gremium versteht sich deshalb als politisches Sprachrohr für die Themen des stationären Einzelhandels. Auf der Agenda stehen etwa Handel 4.0 – ­Empfehlungen im Umgang mit dem Strukturwandel, Lebenswerte Städte – Strukturpolitik, Raumordnung, Stadtlogistik oder Regulierung – Werbung, Ladenöffnungszeiten, Berichtspflichten bis hin zu ­Arbeit mit Mindestlohn, Teilzeit-/Befristungsrecht, Ausund ­Weiterbildung. Prominenter Gast war in der konstituierenden Sitzung Prof. Dr. Helge Braun MdB, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, der mit den Mitglieder der Kommission über die Strukturpolitik der Bundesregierung – „Starke Regionen für ein starkes Deutschland“ diskutierte.

Unter dem Vorsitz von Florian Roth, CIO, SAP SE diskutierten die Mitglieder der Kommission über die Innovationsförderung in Deutschland durch ein starkes, zeitgemäßes Patentrecht, zu dem bis zum Sommer ein Regierungsentwurf vorliegen soll. Dazu referierten Ludwig van Reiche, Geschäftsführer NVIDIA ARC GmbH, Board Member, IP2Innovate und Edmund Mangold, Principal Expert European Patent Atorney, BMW AG: Das aktuelle Patentrecht gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland. Es werde zunehmend missbraucht, um aus den Rechten monetäre Erträge zu ziehen. Die Lizenzgebühren gingen oft über den Wert vieler Patente hinaus. Probleme treten vor allem für Produkte von Automobilzulieferer auf sowie durch das sogenannte Injunktion Gap, weil in Deutschland bei einer Patentverletzung zwei juristische Verfahren unterschied­licher Dauer eröffnet werden, so dass bis zur Klärung schlimmstenfalls das Produkt nicht mehr verkauft werden darf. Die Mitglieder der Kommission waren sich einig, dass der neue Regierungs­entwurf Lösungen für diese Probleme bieten muss. Zur Evaluierung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch Vorschläge der EU-Kommission sprach Tankred Schipanski MdB, digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Deutschland habe eigene Änderungsvorschläge formuliert wie u.a. Harmonisierung der Auslegungspraxis, Informationspflichten mit einheitlicher Regelung, Klarstellung des notwendigen Löschungsanspruchs, Kriterien zur Anwendung der Pseudony­ ­ misierungspflicht.

INNOVATIONSFORUM

Künstliche Intelligenz treibt das Wachstum

BUNDESVORSTAND Zur Bundesvorstandssitzung begrüßten Präsidentin Astrid Hamker und Generalsekretär Wolfgang Steiger den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten. Armin Laschet sprach zum Thema „Neue Dynamik in Deutschland und Europa“, die gelungene Politik und Wachstumswende in Nordrhein-Westfalen sowie die Vorgänge in der CDU.

Foto: Christian Kruppa

Deutschland muss die Chancen von Künstlicher Intelligenz (KI) besser nutzen. Darüber waren sich die Teilnehmer des Innovationsforums des Wirtschaftsrates einig. Mit KI kann die reale Bruttowertschöpfung jährlich um zusätzliche 1,3 Prozent wachsen, sagte Dr. Ulrich Störk, Vorsitzender des Innovationsforums und Sprecher der Geschäftsführung PricewaterhouseCoopers GmbH. Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu garantieren, muss die exzellente deutsche Grundlagenforschung in trag- und zukunftsfähige Geschäftsmodelle übersetzt werden. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, haben die Teilnehmer der ersten Podiumsdiskussion, darunter Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, erörtert. Auf dem zweiten Podium diskutierten erfolgreiche Gründer über die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschlands für Start­ ups im KI-Bereich.

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HANDEL UND KONSUMGÜTER

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Foto: Jens Schicke

Foto: Jens Schicke

WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht


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WIRTSCHAFTSRAT Deutsch-Chinesischer Wirtschaftstag

Die neue ­Seidenstraße und der Aufbau des 5G-Mobil­ funknetzes in Europa sorgen auch 2020 für Gesprächsstoff.

Märkte stärker öffnen Text: A rmin Peter

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Foto: Jens Schicke

ie deutsch-chinesischen Beziehungen der letzten Jahrzehnte sind eine Erfolgsgeschichte: Deutschland und China sind der jeweils größte Handelspartner des anderen Landes. Durch Chinas Mega-Projekt „neue Seidenstraße“ dürften die beiden Volkswirtschaften noch enger zusammenwachsen. Das sorgt nicht nur für Euphorie: Wohlverhaltensklauseln in bilateralen Verträgen, der Aufkauf europäischer Infrastruktur durch die Volksrepublik und der jährliche 16+1-Gipfel des chinesischen Ministerpräsidenten mit osteuropäischen Regierungschefs wecken Befürchtungen vor zu großer Abhängigkeit von Beijing. Gastgeber Eckart von Klaeden, Vice President und Head of External Affairs bei der Daimler AG, betonte deshalb die Wichtigkeit eines regelmäßigen und offenen Austauschs – nicht nur zwischen China und Deutschland, sondern auch zwischen Wirtschaft und Politik. Die deutsch-chinesischen Beziehungen dürfte in Zukunft der globale Handels- und Technologiewettbewerb prägen. Aber auch das geopoli­ tische Kräftemessen zwischen den USA und dem Reich der Mitte werfe lange Schatten.

v.l.n.r. Eckart von Klaeden, Ken Wu, Dr. Jürgen Geißinger

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Nicht nur die USA beklagen den kreativen Umgang Chinas mit Handelsregeln und die fehlende Reziprozität bei Marktzugängen. Dr. Jürgen Geißinger, Vorsitzender der Bundesfachkommission Internationaler Kreis, gab den chinesischen Gästen deshalb den Abbau von Asymmetrien bei Handel und Investitionen sowie die Marktöffnung als zentrale Anliegen mit: „Die Entwicklungen um zukünftige Schlüsseltechnologien sind sowohl von Kooperation als auch von Konkurrenz geprägt.“ Der chinesische Botschafter Ken Wu warb dafür, nicht auf Protektionismus zu setzen. „Zwischen unseren Ländern sollte immer das Prinzip des gegenseitigen Nutzens und der Win-Win-Situation umgesetzt werden“, forderte er. „Differenzen müssen wir durch Verhandlungen lösen.“ Kritik der westlichen Handelspartner griff Wu auf, indem er eine weitere Öffnung des chinesischen Marktes in Aussicht stellte. Die Seidenstraßen-Initiative bezeichnete er als „neues Modell zur Entwicklung der wirtschaftlichen Globalisierung“ mit viel Potential. Spielraum für Kooperationen sah auch Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Für eine gedeihliche Zusammenarbeit auf beiden Seiten, brauche es feste Leitplanken. „Ich nehme Präsident Xi beim Wort, der 2017 in Davos von einer regelbasierten Welthandelsordnung gesprochen hat“, sagte Hardt. „Nur so kann eine Partnerschaft auf Augenhöhe auch mit schwächeren Ländern gelingen.“ Auf zwei Panels diskutierten chinesische und deutsche Vertreter ernsthaft, aber sachlich kritische Themen. Fragen, wie die Übernahme deutscher Mittelständler durch chinesische Firmen oder die Einbeziehung von Huawei in den europaweiten Aufbau des 5G-Mobilnetzes dürften auch 2020 l für Gesprächsstoff sorgen.

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WIRTSCHAFTSRAT Buchpräsentation

Der Perfekte Sturm?

Foto: Jens Schicke

Die Finanzkrise in Europa ist ungelöst, ihre Ursachen wurden nie beseitigt. Warum billiges Geld die Euro-Staaten nicht retten kann und wir zurück müssen zum sturmerprobten Modell der Sozialen Marktwirtschaft beleuchten Wolfgang Steiger und Simon Steinbrück eindrucksvoll in ihrem jüngst erschienenen Buch.

Text: K atja Sandscheper

I

n den Räumen des Ullstein-Verlages gewährten die ­ Autoren Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschafts­ rates, und Simon Steinbrück, Mitglied der Geschäftsleitung des Wirtschaftsrates sowie Leiter des Bereichs Interna­tionale Wirtschaftspolitik, Einblicke in ihr im Tochterverlag Econ erschienenes Werk, in dem schon Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ verlegt wurde. „Wir möchten mit dem Buch eine intensive Debatte anstoßen. Wir fahren bei vielen Themen mit hoher Geschwindigkeit in die falsche Richtung – ob das die Finanzkrise war, die europäische Staatsschulden- oder die Flüchtlingskrise. Wir sind nach dem Motto verfahren, in der Not kennt man kein Gebot. So haben wir wichtige Prinzipien geopfert“, ­betonte Wolfgang Steiger. Prominenter erster Leser, der seine Eindrücke schilderte, war Friedrich Merz, Vizepräsident des Wirtschaftsrates: „Wolfgang Steiger und mich verbindet mehr als die gemeinsame Verantwortung für den Wirtschaftsrat. Wir waren beide Mitglieder des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag und hatten wesentliche Entscheidungen zur Einführung des Euro zu treffen. Ich habe dieses Buch nicht nur gern gelesen, sondern mich auch an viele Diskussionen erinnert. Mir ist anfangs unwohl gewesen, weil das Buch eine harte Abrechnung mit dem Euro und der Währungsunion ist, und wie wir eigentlich in diesem Europa miteinander umgehen, vor allem aber, wie wir eine gute Zukunft gestalten. Die Eurokrise ist in den Symptomen unter Kontrolle, aber in den Ursachen nicht gelöst. Das zieht sich wie der rote ­Faden durch das Buch.“

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„Das Buch hat mir gezeigt, was wir damals wohl falsch eingeschätzt haben“, sagte Friedrich Merz: „Die Bereitschaft der Euroländer, sich an den Vertrag von Maastricht zu halten. Richtigerweise kommt gleich der Hinweis, dass wir ihn zuerst offen gebrochen haben. Daraus ist dann ein gewisser Dominoeffekt entstanden. Aber es gibt noch einen Punkt, der in den Diskussionen heute mit Italien oder Griechenland nicht mehr vorkommt. Diese Länder sind durch den Beitritt in den Währungsverbund an Entlastungen auf der Zinsseite gekommen, die wir damals in ihren Wirkungen gar nicht im Blick gehabt haben. Sie hatten zweistellige hohe Zinssätze sowohl zur Finanzierung der Staats- als auch der Privathaushalte. Die Zinsen sind mit dem Euro-Beitritt ­innerhalb kürzester Zeit massiv gesunken. Daraus ist der Anreiz auf eine noch höhere Verschuldung entstanden.“ „Ich bin mit den Autoren versöhnt gewesen, weil sie nicht nur kritisiert haben, sondern auch die großen Fortschritte der EU aufgezeigt haben, und freue mich, dass der EU-Binnenmarkt so hervorgehoben wurde“, sagte Friedrich Merz. „Denn das ist in der Tat vermutlich das größte und erfolgreichste Projekt der EU!“ „Wir erleben eine außergewöhnliche Situation: Wir waren noch nie so hoch verschuldet, noch nie so hoch gehebelt, hatten noch nie eine solche Bilanzausweitung der Notenbanken in Friedenszeiten. Wir haben die verrückte Situation, dass Anleihen im Wert von 17 Billionen Dollar negativ rentieren. Aber trotzdem sprechen wir nicht darüber, wie Davos gezeigt hat, sondern stattdessen versuchen Wissenschaftler l diese Situation zu erklären“, sagte Simon Steinbrück.

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WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Text: A rmin Peter

D

as Thema Ernährung ist in aller Munde. Als Teil der ­Kultur oder Heimat wirkt Essen immer auch identitätsstiftend und ist dadurch oft emotional besetzt. Entsprechend hitzig sind die Debatten um Bauernproteste, Tierwohl und Bio-Label, aber auch die Frage, wie die Bevölkerung mit hochwer­ tigen und zugleich günstigen Lebensmitteln versorgt werden kann. Der Wirtschaftsrat rückt die Belange von Lebensmitteleinzelhandel und Ernäh-

rungswirtschaft in Deutschland in den Fokus der Wirtschaftspolitik. Thomas Kyriakis, der als Vorstand der Schwarz Zentrale Dienste KG unter anderem den Bereich Kreislaufwirtschaft verantwortet, engagiert sich seit kurzem ehrenamtlich als Vorsitzender der Bundesfachkommission Handel und Ernährungswirtschaft. Der 45-jährige blickt auf eine fast zwei Jahrzehnte lange Karriere im Einzelhandel zurück. Er hat in Deutschland und seiner zweiten Heimat Griechen-

land Supermärkte betreut, deshalb kennt er viele Herausforderungen der Branche aus eigener Anschauung. „Ich war bei der Schwarz-Gruppe für die Etablierung des Umweltmanagements verantwortlich“, erklärt Kyriakis. „Jetzt möchte ich insbesondere bei Nachhaltigkeitsthemen mit der Bundesfachkommission eine Klammer zur Politik bilden.“ Aktuell steht die Klimadebatte hoch im Kurs: Auch vom Handel wird ein substantieller Beitrag zur CO2-Reduktion erwartet. Thomas

Foto: AdobeStock©nonnie192

„ Potential der Kreislaufwirtschaft weiter stärken“

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Foto: Schwarz Gruppe

WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Thomas Kyriakis hat den Vorsitz der Bundesfachkommission Handel, Ernährung und Verbraucherschutz übernommen. Als Vorstand der Schwarz Zentrale Dienste KG ist es ihm ein Anliegen, auch das für den Lebensmittelhandel zunehmend wichtige Thema Kreislauf­wirtschaft in den Fokus nehmen. ­ yriakis setzt dabei stark auf die KreisK laufwirtschaft. Sein Unternehmen hat in den letzten Jahren den Wertstoffkreislauf internalisiert, anstatt das Thema Recycling auszulagern. „Wir haben gesehen, dass ein ursprünglich ökonomischer Ansatz auch ökologischen Nutzen bringt“, bilanziert Kyriakis. „Das Einsparpotential von CO2 und Kapital in einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft war wirklich überraschend. Ich glaube, dass dieser Ansatz in der Klimadebatte noch zu wenig Beachtung findet.“ Auch darüber hinaus kann gerade der Einzelhandel viele kleine Beiträge zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Dazu muss die Politik allerdings die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Kyriakis, der sich die Devise „geht nicht, gibt’s nicht“ zum Lebens­motto gemacht hat, nennt das Beispiel E-Mobilität: „Wir würden gerne in den nächsten Jahren jede Filiale mit mindestens einer Ladesäule aus­ statten“, sagt er. „Hilfreich wären dafür allerdings bundeseinheitliche Verfahren zur Netzverträglichkeitsprüfung und mehr Effizienz in Genehmigungs­ verfahren.“ Klare Regeln, weniger Bürokratie – diese Kernforderung des

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Wirtschaftsrates kann Kyriakis sofort unterschreiben. Zudem fordert er als Ausgleich für den höheren CO2Preis eine Entlastung beim Strompreis durch die Absenkung der EEG-­ Umlage. Ein weiteres wichtiges Thema ist für Thomas Kyriakis die Verbraucheraufklärung. Große Teile der Bevölkerung befürworten in Umfragen mehr Tierwohl, weniger Müll und mehr Nachhaltigkeit – im Kaufverhalten spiegelt

„Mein Anliegen ist es, dass wir von der Politik gehört werden, um staatliche Eingriffe zurückzudrängen und dem Markt wieder Vorrang zu geben.“ sich das aber oft nicht wieder, obwohl längst diverse Tierwohl-Label oder Premium-Produkte auf dem Markt sind. „Einerseits ist die Kaufkraft der Kunden gestiegen, andererseits gibt es immer noch eine starke Preissensibilität“, erklärt Kyriakis. „Meiner Erfahrung nach sind viele Menschen aber bereit, etwas mehr zu bezahlen, wenn

der Mehrwert für Lieferanten und Erzeuger transparent gezeigt wird.“ Denn gerade die Sorgen der Erzeuger von Lebensmitteln wurden durch die Bauernproteste ins Schlaglicht der Öffentlichkeit gerückt. „Der Markt macht am Ende den Preis – aber der muss nicht nur für Kunden fair sein, sondern auch für Lieferanten, damit sie Investitionen tätigen und gemeinsam mit dem Handel wachsen können“, fasst der 45-Jährige zusammen. Staatlichen Vorschriften und Regulierungen steht Kyriakis grundsätzlich offen gegenüber. „Vertrauen in unsere Lebensmittel zu schaffen, liegt doch im ureigenen Interesse des Handels“, sagt er. Zentraler Bestandteil ist dabei für ihn die Bildung – und das möglichst früh. „Die Aufklärung über eine gesunde Ernährung sollte schon in der Schule, besser noch in der KiTa beginnen“, wünscht sich Kyriakis, der selbst drei Töchter hat. „Und natürlich müssen wir als Bundesfachkommission auch nochmal an das Thema Salz- und Zuckerreduktion ran.“ Gerade mit Blick auf die anstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft sieht Kyriakis viele Chancen für eine klare Aufstellung des Wirtschaftsrates. „Wir brauchen jetzt als Lebensmitteleinzelhandel und Ernährungswirtschaft eine starke Stimme, um ­Maßstäbe für die Zukunft zu setzen“, sagt Kyriakis. „Ich möchte, dass wir von der Politik gehört werden, um staatliche Eingriffe zurückzudrängen und dem Markt wieder Vorrang zu geben.“ Damit blickt der neue Kommissionsvorsitzende arbeitsreichen Monaten entgegen. Seine oft eher knapp bemessene Freizeit verbringt Thomas Kyriakis bevorzugt im Kreise der Familie. „Meine Frau ist auch ein Vorbild für mich, denn sie hält zuhause alles zusammen“, erklärt er. Fakt ist: Die Leidenschaft für seine Tätigkeit im Einzelhandel lässt den neuen Kommissionsvorsitzenden auch privat nicht los. „Beim Einkaufen im Supermarkt gehe ich im Kopf noch oft die Prozesse durch. Auch aus Kundensicht blicke ich mit einem Auge auf die Abläufe – sogar beim Wettbewerb“, l sagt Thomas Kyriakis lachend.

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Foto: AdobeStock©Christian Schwier

JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Junger Wirtschaftsrat

Bildung macht Zukunft Das Länderthema Bildung ist der Dreh- und Angelpunkt. Text: D ominique Berg, Thomas Oevermann, Julia Reznitcaia, Michael Schorradt, Victoria Wolff

E

s wird in Deutschland viel über die großen Probleme im Land gesprochen. Es gibt zu wenige Azubis, zu wenig Lehrer, das Niveau in der Schule sinkt, junge Erwachsene sind für die weiterführende Ausbildung oder das Studium nicht gut genug qualifiziert. Die Liste lässt sich beliebig fortschreiben, aber man kommt immer zum selben Punkt zurück – der Bildung. Sie beginnt im Kindergarten und zieht sich durch das ganze Leben. Wäre es da nicht sinnvoll über innovative Konzepte nachzudenken, die es den nachfolgenden Generationen in Deutschland ermöglichen, Lebensstandard und -qualität zu halten und am besten weiter auszubauen? Der Junge Wirtschaftsrat hat sich deshalb dazu entschlossen, Arbeitsgruppen zu bilden, um zu Themen der Jungen Generation besser Stellung beziehen zu können. Zuerst haben wir uns mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigt. Dabei fiel uns auf, dass eigentlich Bildung das zentrale Thema ist. Die Arbeitsgruppe Bildung hat wöchentliche Regelmeetings, auf denen sie sich mit dem Thema #BildungmachtZukunft beschäftigt. Hinzu kommen Treffen, in denen auch Fachleute aus Wirtschaft, Politik und Forschung mitdiskutieren. Die ­Missstände – Lehrermangel, wenig Innovation, Vereinfachung für die Quote, keine Praxisorientierung und vieles mehr – sind offensichtlich. Deutschland hat keinen Arbeitskräfte-, aber einen Fachkräftemangel, aber auch immer noch viele L ­ angzeitarbeitslose. Unser Schluss: Deshalb muss es ein neues Bildungssystem geben statt immer neuer Flickschusterei. Dazu haben wir drei essentielle Vorschläge erarbeitet:

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E Lehrer sollten in einem dualen Studium aus Theorie und maximaler Praxiserfahrung auf die Schule vorbereitet werden E Zahl der Schulabbrecher (2019: 6,3 Prozent) reduzieren; zugleich sollten sich im Bereich Bildung schwache Bundesländer die best practice anderer Bundesländer zu eigen machen, um Schülern ähnliche Startchancen mitzugeben E Echte Chancengleichheit und Diversität in allen ­Bereichen: Das Einkommen der Eltern sollte einen geringeren Einfluss auf die Bildung des Kindes haben Was können erste Schritte sein? Der Junge Wirtschaftsrat könnte das #BildungmachtZukunft einführen, um für das Thema zu werben und eine Diskussion auszulösen. Bestehende Förderprogramme für Schulen oder für die digitalen Medien des Bundes müssen konsequent abgerufen werden. Hier muss der Staat prüfen, darf aber nicht blockieren. Einen größeren Stellenwert sollten Mentoring-Programme einnehmen, um die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen – Schule, Hochschule, Arbeitsplatz –, vielleicht auch im Wirtschaftsrat. Nur wenn das Thema Bildung in den Fokus genommen wird, können wir etwas ändern. Die Vorteile liegen auf der Hand: Höhere Bildung bedeutet bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, heißt mehr qualifizierte und hochqualifizierte Fachkräfte, weniger Sozialleistungsempfänger, weniger Sozialkosten, mehr Spielraum für den Staat in Feldern, wo es wirklich notwendig ist. Dafür will der Junge Wirtschaftsl rat kämpfen.

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Foto: Mindspace

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WIRTSCHAFTSRAT Finanzmarktklausur 2020

igitalisierung und D Niedrigzinsphase prägen das Bild

Wichtige Diskussionsplattform für Finanzwirtschaft und Politik.

M

ehr als 100 hochkarätige Persönlichkeiten am Rednerpult, auf dem Podium oder im Publikum aus der Finanzwirtschaft, Europa- und Bundespolitik, Ministerien, Zentralbanken und Regulierungsbehörden folgten der Einladung zur Finanzmarktklausur 2020. Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates, eröffnete die Veranstaltung: „Die Finanzmarktklausur ist die erste Leuchtturmveranstaltung des Wirtschaftsrates im noch frischen Jahrzehnt – ein guter Zeitpunkt, um über

­ nsere Wirtschaftspolitik nachzudenken. Bei aller berechu tigten Furcht vor einer neuen Finanzkrise: Viel zu wenig machen wir uns bewusst, dass auch eine Phase von schwachen Wachstums mit Nullzins nichts weniger als eine Abkehr der bisherigen Ordnung bedeutet. Vorsorgesysteme geraten bei Nullzins an ihre Grenzen, Staaten fahren ihre Verschuldung weiter hoch, während der Reformdruck abnimmt. Vermögens- und Immobilienpreise explodieren, die

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Kapitalstruktur wird verzerrt. Kurz: Marktwirtschaft funk­ tioniert nicht dauerhaft mit Null- und Negativzinsen! „Es sei an der Zeit, dass politische Entscheidungs­träger und auch Notenbanker langfristiger denken müssen und akzeptieren, dass Schuldenkrisen sich nicht mit immer neuen Schulden bekämpfen lassen, forderte Astrid Hamker. Vielmehr gelte es, Umbrüche wahrzunehmen. Die Digita­lisierung ist ein solcher Umbruch. Disruption wie sie ­Digitalkonzerne auch in anderen Bereichen betreiben, haben längst auch das Finanzwesen erfasst. Für den Wandel, in den wir hineinlaufen, brauchen deutsche Privathaushalte auch langfristig sichere Finanzprodukte und eine funktionierende private Altersvorsorge. Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie die richtigen Weichenstellungen in der Finanzmarktpolitik gerade im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der neuen EU-Kommission vorgenommen werden können.“ „Wir befinden uns in einem Zeitalter der Disruption und Veränderung“, betonte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. „Wir haben es einerseits mit massiven technologischen Umbrüchen zu tun. Andererseits erleben wir auch die Neuordnung lang bewährter Bündnisse, bestehender Werte- und Ordnungssysteme sowie internationaler Organisationen. Dass sich jahrelange Gewissheiten umkehren, gilt auch für die Finanz- und Wirtschaftspolitik, wo unsere Konzepte an ihre Grenzen geraten. Es braucht jetzt wirtschaftliche Expertise und Verantwortungsträger, die die Grenzen von einem Wachstumsmodell aufzeigen, das sich übermäßig auf Kredite stützt. Von Friedrich August von Hayek stammt der Satz „Prinzipien sind der wichtigste Beitrag, den wir zur Frage der Politik leisten können.“ Dieser Satz hat an seiner Gültigkeit nichts verloren. Die Antwort auf den Vertrauensverlust ist eine Rückbesinnung auf ordnungspolitische Prinzipien. Soziale Marktwirtschaft hat ein Grundvertrauen in den Bürger, in das Recht und den Markt. Diese Prinzipien und Werte können viele Menschen überzeugen, sie müssen nur l glaubhaft vertreten werden.

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Fotos: Jens Schicke

WIRTSCHAFTSRAT Finanzmarktklausur 2020

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Rückblick Einblick Ausblick Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland

Hessen Positionspapier an Landesregierung übergeben Die Landesfachkommission Immobilien- & Baupolitik überreichte Vertretern der Landesregierung ihr Positionspapier „Der hessische Koalitionsvertrag aus immobilien- und baupolitischer Sicht“. Kernforderungen sind, die Regulierungswut im Mietrecht, auf dem Wohnungsmarkt und im Bauplanungsrecht zu mindern sowie Genehmigungs- und Bebauungsplanverfahren zu straffen.

Foto: Wirtschaftsrat

v.l.n.r. Ulrich Caspar, Präsident IHK Frankfurt; Hildegard Förster-Heldmann MdL, Sprecherin für Bau- & Wohnungspolitik der Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion; ­Heiko Kasseckert MdL, wohnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion; Klaus Beine, ­ Sprecher Landesfachkommission, Partner Wirtschaftskanzlei BEITEN BURKHARDT

Nordrhein-Westfalen Brauchen wir eine deutsche Industriepolitik? „Wie können Deutschland und Europa in einer Zeit der Umbrüche Stabilität bewahren?“ Mit dieser Frage beschäftigte sich Friedrich Merz, Vizepräsident des Wirtschaftsrates, bei der Sektion Düsseldorf. Gut 400 Gäste konnte Sektionssprecher Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprechting begrüßen. Im Kern, so Merz, geht es darum, welche Akteure das 21. Jahrhundert prägen werden. „Wir sind Zeitzeugen von tektonischen Verschiebungen der ökonomischen und politischen Machtzentren.“ Europa müsse zur Einheit finden, auch mit einem Deutschland, das, seiner geopolitischen Lage entsprechend, in Europa „Führung und Verantwortung übernimmt“, wenn es in Zukunft mit China und USA auf Augenhöhe verhandeln wolle.

Foto: Wirtschaftsrat

Der Einladung zum Süddeutschen Wirtschaftstag folgten neben dem Hessischen Ministerpräsidenten, Volker Bouffier, der Hessischen Digitalministerin und Landesvorsitzenden des Wirtschaftsrats Hessen, Prof. Dr. Kristina Sinemus, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz, Christian Baldauf, und rund 500 geladenen Gäste. Im Dialog mit Experten und hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft wurden die Megatrends der Zukunft diskutiert. Der hessische Ministerpräsident, Volker Bouffier, appellierte an die kraftvolle Stimme des Wirtschaftsrates. Angesichts der Hessischer Ministerpräsident Volker Bouffier Digitalisierung und der demografischen Entwicklungen im Land, bedürfe es eines intensiveren gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie neue Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen seien und die Nutzung der sich daraus ergebenden Chancen. Die treibenden Faktoren der Digitalisierung seien die Wirtschaft, Wissenschaft und das Land beziehungsweise die Verwaltung. „Alle Player müssen an einem Strang ziehen. Dazu bietet Hessische Digitalministerin und der Wirtschaftsrat den perfekten Wirtschaftsrats-Landesvorsitzende Prof. Dr. Kristina Sinemus Rahmen“, betonte Bouffier.

Foto: Wirtschaftsrat

Foto: Wirtschaftsrat

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Süddeutscher Wirtschaftstag

Zahlreiche Unternehmer waren zum Süddeutschen Wirtschaftstag gekommen

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v.l.n.r. Uwe Baust, Mitglied des Vorstandes, Stadtsparkasse Düsseldorf und Mitglied im Sektionsvorstand des Wirtschaftsrates in Düsseldorf; Paul Bau­ wens-Adenauer, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates Nordrhein-Westfalen; Friedrich Merz, Vizepräsident des Wirtschaftsrates

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Baden-Württemberg

Sachsen-Anhalt

Neujahrsempfang mit Bundesminister Jens Spahn

Ministerpräsident zu Gast

Mecklenburg-Vorpommern

Foto: Wirtschaftsrat

Erster Informationsaustausch Wirtschaft und Bildung Der Wirtschaftsrat lud zum ersten regionalen Informations­ austausch zwischen Wirtschaft und Bildung auf der Insel Rügen ein. Themen waren die Übergabe weiterer Calliope-Klassensätze an Schulen in Bergen. Durch die Schulung der Lehrer können sie den Weg in die Digitalisierung gemeinsam mit den Kindern gestalten. „Der Wirtschaftsrat hat einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Digitaler Bildung getan“, sagte Rolf Hoffmann, Sprecher Sektion Rügen. Die Vorstellung der Broschüre „149 gute Gründe auf der Insel zu bleiben“, fand ebenfalls großen Anklang unter den Gästen der Veranstaltung. Für Bettina Martin, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern (SPD), war es ein gelungener Erfahrungsaustausch, den sie 2021 fortsetzen möchte. Zudem bat sie den Wirtschaftsrat, sich für Projekte mit dem Thema „Digitaler Mehrwert“ Bildungsministerin Bettina Martin beim Wirtschaftsrat auf der Insel Rügen starkzumachen.

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Zum 19. traditionellen Kaminabend begrüßte Landesvorsitzen der Dr. Michael Moeske rund 130 Gäste aus Wirtschaft und Politik, darunter auch Justizministerin Marie Keding. Ministerpräsident Dr. Haseloff sprach zum Thema „Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft – Perspektiven für Sachsen-Anhalt“ über die starke Verbindung von Universitäten und Hochschulen mit Unternehmen im Land und die bereits erzielten Erfolgen. Er dankte dem Wirtschaftsrat zudem für die kritische, konstruktive Auseinandersetzung mit der Landes­ regierung im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft.

Foto: Wirtschaftsrat

Über 550 Unternehmer waren gekommen, um Bundesminister Jens Spahn auf dem traditionellen Neujahrsempfang des Wirtschaftsrates in Winnenden zu hören. Er rief dazu auf, das Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung wieder neu aufzubauen. „Die Bevölkerung erwartet, dass eine gewählte Regierung ihrer Arbeit nachkommt, anstatt sich in parteiinternen Diskussionen zu verlieren.“ Es müsse wieder möglich sein, sachliche Diskussionen zu führen, statt sich in innerparteilichen Meinungsstreits zu verlieren. Auch Landesvorsitzender Joachim Rudolf forderte, dass es in Debatten vor allem innovationsgetriebene Lösungen brauche. Dieser Forderung schloss sich Wir tschaftsrats-Präsidentin v.l.n.r. Joachim Pfeiffer MdB, Präsidentin des WirtschaftsAstrid Hamker rats Astrid Hamker, Bundesgesundheitsminister Jens an: „Nicht verSpahn MdB, Vorsitzender des Vorstands der Alfred Kärcher bieten, sondern SE & Co. KG Hartmut Jenner, Landesvorsitzender Joachim Rudolf und Landesgeschäftsführer Christian Wachutka ermöglichen“.

Landesvorstand Sachsen-Anhalt

Sachsen Neujahrsempfang zum Industriestandort Sachsen „Industriestandort Sachsen und Deutschland in Gefahr?“ fragte der Wirtschaftsrat auf seinem Neujahrsempfang und forderte eine ungeschminkte Standortbestimmung und konsequente Kurskorrektur. Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler hatte viel Verständnis für die Forderungen nach einer vollständigen Abschaffung des Soli, einer Unternehmenssteuerreform, schnelleren Genehmigungsverfahren, mehr Freiheit sowie MINT-Orientierung in den Schulen und versprach, diese Punkte in den Landtag hineinzutragen. Wirtschaftsrats-Präsidentin Astrid Hamker stellte heraus, dass die Leistungsträger wieder in den Mittelpunkt der Politik gehörten, dass das Thema „Innere Sicherheit“ ein entscheidendes sei und der Rechtsstaat hier zuletzt oft versagt habe. Der Landesvorsitzende Dirk v.l.n.r. Dr. Dino Uhle, Landesgeschäftsführer Wirtschaftsrat Schröter forderte, in Sachsen, Dr. Dirk Schröter, Landesvorsitzender Wirteinen wirtschaftsschaftsrat in Sachsen, Astrid Hamker, Präsidentin des politischen AufWirtschaftsrates, Dr. Matthias Rößler, Präsident des Landtags des Freistaates Sachsen bruch.

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Foto: Wirtschaftsrat

Foto: Wirtschaftsrat

WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern


Foto: Writschaftsrat

Foto: Wirtschaftsrat

Energie im Fokus Traditioneller Neujahrsempfang in Celle: Landesvorsitzende Anja Osterloh forderte angesichts der politischen Vorgänge in Thüringen, dass sich die Politik wieder stärker an ihr Wertefundament halten sollte. Der Minister für Kultur und Wissenschaft, Björn Thümler, regte an, dass auch Forschung über Grenzen hinweg stattfinden sollte und sprach sich für die Zusammenarbeit der norddeutschen Bundesländer im Bereich Wasserstoff aus. Mehr Realitätssinn in der Energiepolitik, forderte Gastredner Prof. Dr. Stefan Liebing, geschäftsführender Gesellschafter Conjuncta GmbH. Er forderte die Minister für Orientierung der Energiewirtschaft am Markt und Wissenschaft und Kultur Björn Thümler die internationale Ausrichtung der Energiewende.

Hamburg

Schleswig-Holstein

Neujahrsempfang mit Bundesminister Spahn

Chief Data Officer für Schleswig-Holstein

Mehr als 500 Mitglieder und Gäste des Wirtschaftsrates feierten den Traditionellen Neujahrsempfang im Hotel Atlantic mit Ehrengast Bundesminister Jens Spahn. Einen Tag nach der Handelskammer-Wahl und vier Tage vor der Hamburgischen Bürgerschaftswahl stand der Neujahrsempfang unter besonderen Vorzeichen. In seiner Eröffnung formulierte Landesvorsitzender Dr. Henneke Lütgerath klare Botschaften: „Vom neuen Präses der Handelskammer und seinem Plenum erwartet der Wirtschaftsrat nun, dass die Gräben überwunden werden, damit die Kammer wieder ihre bewährte Durchschlagskraft entfalten kann.“ Zum Klima sagte Dr. Lütgerath: Deutschland müsse als Industrienation ein Interesse daran haben, seine Energieversorgung klimafreundlicher zu gestalten. „Aber bitte nicht gegen unsere Unternehmen, gegen unsere In­ Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn dustrie und auf Kosten unserer Wirtschaftskraft!“

Impressum Herausgeber: Astrid Hamker, Präsidentin, für den Wirtschaftsrat der CDU e.V. Redaktion: Klaus-Hubert Fugger, Chefredakteur / Katja Sandscheper, Redakteurin Wissenschaftliche Beratung: Dr. Rainer Gerding, Bundesgeschäftsführer Gemeinsame Postanschrift: Redaktion Trend Luisenstraße 44, 10117 Berlin Telefon 0 30 / 2 40 87-300/301, Telefax 0 30 / 2 40 87-305 Internet: www.trend-zeitschrift.de

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Bundesminister Jens Spahn warb für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine Wiederbelebung der Debattenkultur. Ein großes Problem machte er im „Verabsolutieren“ aus und warnte vor zu extremen Reaktionen: „Wegen eines SUV-Unfalls will v.l.n.r. Christina Block, Mitglied man gleich alle SUV verbieten, wedes Landesvorstands sowie Mitglied des Aufsichtsrates der Eugen Block gen eines Terroranschlags alle MusliGmbH (Block ­Gruppe); Landes­ me des Landes verweisen – das hält vorsitzender Dr. Henneke Lüt­gerath; eine Gesellschaft nicht zusammen.“ Aygül Özkan, Mitglied des ­Landesvorstands, Ministerin a.D./ Der gesellschaftliche ZusammenRechtsanwältin halt müsse durch die Bereitschaft zur Debatte, verbunden mit dem Ziel zu einem Kompromiss zu kommen, gestärkt werden. Das Verächtlichmachen von Kompromissen sei eines der Probleme unserer Zeit. Deshalb müssten aus guten Debatten auch immer Entscheidungen folgen.

Nach Online-Zugangsgesetz und digitaler Identität im Kontext E-Government im Mittelpunkt hat Dirk Schrödter als Chef der Staatskanzlei Schleswig-Holstein die strategischen Ziele und Handlungsfelder zur künstlichen Intelligenz in der Landesfachkommission Digitales & Industrie 4.0 vorgestellt. Schleswig-­ Holstein möchte eine führende Rolle einnehmen, um Bundesmittel und neue Wertschöpfung ins Land zu holen. Die Kommission schlägt u.a. ergänzend vor, einen Chief Data Officer in der ­Verwaltung anzusiedeln. Die Neugestaltung der Verwaltungsverfahren erfordere hohe politische Durchsetzungskraft. Neue Verfahren könnten über einen Inkubator gezielt beschleunigt entKommissionsvorsitzende ­ Diana Pabst Dirk Schrödter wickelt werden. Bankverbindung: Deutsche Bank AG/Bonn, 3105590 (BLZ 380 700 59) IBAN: DE84 3807 0059 0310 5590 00, BIC: DEUTDEDK380 Verlag: Information für die Wirtschaft GmbH Anzeigenkontakt: Katja Sandscheper, Telefon 0 30 / 2 40 87-301 Gesamtherstellung: STEINBACHER DRUCK GmbH Anton-Storch-Straße 15, 49080 Osnabrück Telefon 05 41 / 9 59 00-0, Telefax 05 41 / 9 59 00-33 Erscheinungsweise: quartalsweise Anzeigenpreise: Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 17

Projektleitung: Information für die Wirtschaft GmbH

Bestellungen: Beim Verlag

Geschäftsführer: Iris Hund Klaus-Hubert Fugger (v.i.S.d.P.) Daniel Imhäuser Luisenstraße 44, 10117 Berlin Telefon 0 30 / 2 40 87-401, Telefax 0 30 / 2 40 87-405

Bezugsbedingungen: Einzelpreis 7,50 Euro (einschl. MwSt.) Jahresabonnement 25,– Euro ­(einschl. MwSt.), zzgl. Versandkosten. Abonnements (vier Ausgaben) ­werden für ein Jahr berechnet. Kündigungen müssen sechs Wochen vor Ablauf des Abonnements schriftlich vorliegen, andernfalls verlängert es sich für ein weiteres Jahr.

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Foto: Wirtschaftsrat

Niedersachsen

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

mit


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Im Spiegel der Presse ImSpiegel Im Handelsblatt am 20.02.2020 „Dieser Grundrenten-Entwurf ist weder ausreichend, noch solide finanziert“, betont der Generalsekretär des ­Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger.

In der Börsen-Zeitung vom 11.02.2020 In seinem Gastbeitrag schreibt Generalsekretär Wolfgang Steiger: „Verfolgt die Europäische Zentralbank (EZB) offiziell die Ziele ‚Preisstabilität‘ und ‚Vollbeschäftigung‘ – sowie de facto auch schon die Finanzmarktstabilität, soll nun noch der Klimaschutz hinzukommen. Die Aufgabe des Klimaschutzes ist eine politische, das Mandat der EZB ist es nicht.“ Am 28.01.2020 in der Westdeutsche Allgemeine Zeitung „Der Soli müsste noch rückwirkend zum 1. Januar 2020 abgeschafft werden, weil auch der Solidarpakt ausgelaufen ist. Das wäre ein besonders starkes psychologisches Signal für den Investitionsstandort Deutschland“, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger gegenüber dem Blatt. Die Fuldaer Zeitung schrieb am 22.01.2020 Generalsekretär Wolfgang Steiger argumentierte wie Österreich: „So wie die Finanztransaktionssteuer jetzt ausgestaltet ist, ist sie eine reine Aktiensteuer, die die einzig verbliebene rentable Altersvorsorgemöglichkeit in der Niedrigzinsphase belastet.“

WIRTSCHAFTSRAT Forum

Die Glocke vom 18.01.2020 Die CDU-Führung fordert im Streit um die Grundrente eine Vermögensprüfung. Auch der Wirtschaftsrat sieht im ent­ sprechenden Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums einen „fundamentalen Konstruktionsfehler“. Mit dem jetzigen Kompromiss würden auch reiche Erben die gesetzliche Grundrente erhalten, kritisierte Generalsekretär Wolfgang Steiger. Am 14.01.2020 in der Rheinischen Post Die Präsidentin des Wirtschaftsrats, Astrid Hamker, empörte sich über den Druck auf Siemens: „Wir können nicht als Deutsche anderen Ländern unsere Haltungen von oben herab in einem neokolonialistischen Stil aufdrücken.“ Kein Land wolle sich von „Besserwissern“ vorschreiben lassen, eigene Bodenschätze nicht mehr nutzen zu dürfen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.01.2020 Ab 2021 sind 90 Prozent der Steuerzahler von der Zahlung des Solidaritätszuschlags befreit. Doch laut Wirtschaftsrat und Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hätte die Abgabe gänzlich gestrichen werden müssen. Die Präsidentin des Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, fordert bei einer gemein­ samen Aktion, „die Neiddebatte in der Steuerpolitik zu beenden“.

dpa meldete am 06.01.2020 „Die enormen Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung müssen für eine weitere Beitragssenkung genutzt werden. Wegen der Konjunktureintrübung wäre es entscheidend, den Faktor Arbeit wettbewerbsfähiger zu machen“, betont ­Wolfgang Steiger. Gegenüber dpa am 02.01.2020 „Die ab dem 1.1.2020 geltende Bonpflicht unterstellt Unternehmen aus Gastronomie und Handel pauschal ­kriminelle Energie und sorgt für einen unglaublichen ­bürokratischen Aufwand“, kritisiert Wolfgang Steiger.

Welt am 01.01.2020

Beim Wirtschaftsflügel der Union wächst die Sorge um die Stabilität des Finanzsystems. Die Europäische Zentralbank treibe ihre ultralockere Geldpolitik ohne Rücksicht auf Nebenwirkungen und Risiken immer weiter auf die Spitze, so Generalsekretär Wolfgang Steiger, gegenüber dem Blatt. „Der Ausblick ist nicht mehr die Normalisierung der Geld­ politik, sondern die Perpetuierung des Ausnahmezustands.“

©Klaus Stuttamnn

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.11.2019 Der Wirtschaftsrat spricht sich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegen eine Vorstandsquote aus. „Die Frauenquote ist eine Gängelung der Wirtschaft und der Frauen. Selbst­ bewusste und qualifizierte Frauen wollen nicht ob ihres ­Geschlechtes, sondern ob ihrer Kompetenz ausgesucht werden“, ist Präsidentin Astrid Hamker überzeugt.

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83 5.000.000.000 Bei durchschnittlich 100.000 Kunden je Verkaufsfiliale ergeben sich über fünf Milliarden Bons aus Papier pro Jahr. Das entspricht nur für das Bäckerhandwerk dem 25-fachen Erdumfang oder der zweieinhalbfachen Wegstrecke Erde-Mond. Quelle: Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V.

83 Prozent der deutschen ­Abgeordneten wünschen sich mehr Austausch mit der Wirtschaft. Quelle: Deloitte

100.000.000 Im Einführungsjahr der Grundrente werden die Verwaltungskosten mehrere 100 Millionen Euro betragen und damit mehr als 25 Prozent der Leistungsausgaben. Insgesamt sollen sich die Kosten für die Grundrente im ersten Jahr auf 1,3 Milliarden Euro belaufen und bis 2025 auf 1,6 Milliarden steigen. Dafür ist ein höherer Steuerzuschuss an die Rentenkasse geplant. Quelle: Deutsche Rentenversicherung

Zahlen des Quartals Der kleine Stalin

72 72 Prozent der Start-ups kommen zu dem Ergebnis, dass die U ­ rheberrechtsreform einen negativen Einfluss auf sie ausübt. Sie sprechen sogar von einer Gefahr für das eigene Unternehmen und die eigenen Geschäftsmodelle. Quelle: Deutscher Startup Monitor 2019

9,8 Seit 23. Februar 2020 gilt für Berlin der Mietendeckel. Das bedeutet auch in bester Citylage gilt bei Vermietungen von Wohnungen mit Bad und Heizung in Häusern bis inklusive Baujahr 2013 ein maximaler Preis von 9,80 Euro pro Quadratmeter. Für Luxusausstattungen oder energetische Sanierung kann ein Euro mehr berechnet werden. Quelle: Berliner Senat

10 Fast jeder 10. oder 4,1 Millionen Bundesbürger zahlten 2018 den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Die Hälfte der Steuerzahler verdient knapp 5.000 bis knapp 7.000 Euro brutto. 2014 lag die Zahl noch bei 2,3 M ­ illionen. Quelle: AFP

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Patent­anmeldungen rund um

58 Prozent der

das autonome Fahren kommen aus Deutschland.

Quelle: DPMA

Wenn man sich scheinbar unbeobachtet ­unter seines Gleichen wähnt … Auf der Strategiekonferenz der Linkspartei herrschte dieser gruppendynamische Effekt kürzlich als eine Rednerin hetzt: „Energiewende ist auch nötig nach ’ner Revolution. Und auch wenn wir det ein Prozent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch so, dass wir heizen wollen, wir wollen uns fortbewegen. Naja, ist so!“ Dann setzt Parteichef Bernd Riexinger grinsend nach: „Ich wollt noch sagen, wir erschießen sie nicht, wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.“ Darauf ­Beifall und Heiterkeit im Publikum. Alles lustig bei der Linken, die sich seit dreißig Jahren windet, die DDR als Unrechtsstaat und Diktatur zu charakterisieren. Alle wissen, dass in Deutschland eine weit schlimmere dunkle Zeit als die DDR herrschte. Nur der lustige Riexinger scheint vergessen zu haben, dass in der dunkelsten Zeit Russlands schon unter Lenin und noch mehr unter Stalin Millionen in Arbeitslager geschickt und zu Tode geschunden wurden. Also Kugeln benutzten die Genossen Riexingers seltener – allerdings in Deutschland vorzugsweise durch Schüsse in den Rücken Flüchtender. Ein kleiner Stalin steckt in allen Kommunisten, die ihre Diktaturen verteidigen.

Ihr Spindoktor

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Fotos: AdobeStock©M. Schuppich, ©metamorworks, ©Ljupco Smokovski, ©Stockfotos-MG, ©ArTo, ©psdesign1; Fotolia.com©Gina Sanders; Deutscher Bundestag©Thomas Trutschelphotothek.net

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