WIR im Norden 3/2018

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WIR IM NORDEN AuSgAbe 3 | 2018

Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

D A S

M A G A Z I N

F Ü R

D I E

W I R T S C H A F T

die Wirt r ü schaft f Hürden

Bürokratiemonster Seite 22 Podium: Innovationshauptstadt Hamburg Seite 26 29. Hanseatisches Golfturnier Seite 43 Zukunft gebührenfinanzierter Medien

copy-druck GmbH, Neumann-Reichardt-Str. 27-33, 22041 HH PVST 55030 Entgelt bezahlt DPAG



EDITORIAL

Dr. Henneke Lütgerath Landesvorsitzender Hamburg

von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare… Der Volksmund weiß längst, dass es vor den Mühlen der Bürokratie kein Entrinnen gibt. Schon gar nicht in Deutschland. Vorschriften, Auflagen und Berichtspflichten sind allgegenwärtig. Und es werden nicht weniger. Die Gesetzesmaschinen auf nationaler und europäischer Ebene laufen auf Hochtouren. Im Kern steckt hinter all den Regeln natürlich keine böse Absicht. Im Gegenteil, der Gesetzgeber will Umwelt und Klima schützen, Arbeitsbedingungen verbessern, Datenschutz durchsetzen, Kundenrechte stärken und vieles mehr, um die Unbilden der Zeit zu bekämpfen. Das Problem: Zu oft schießt er über das Ziel hinaus. Vieles ist zu kurz gedacht und noch schlechter gemacht. Das

angekündigten Bürokratieabbaugesetz III verspricht die Große Koalition Unternehmern, die viel beklagten Statistikpflichten zu verringern. Für Gründer in der Start- und Übergangsphase soll die Bürokratiebelastung auf ein Mindestmaß sinken. Bedenkt man, dass der Bürokratieabbau eines der zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrags ist, fällt die Bilanz nach einem halben Jahr Regierungszeit ernüchternd aus. Bislang ist das Gesetz ein Luftschloss, wie Kanzleramtsminister Helge Braun in der Sommerpause zugeben musste. Es könnten noch keine Angaben zu den Inhalten und zum Zeitpunkt der Vorlage eines ersten Gesetzesentwurfs gemacht werden. Sie mahlen eben langsam, die Mühlen…

»eine überbordende Bürokratie, die... Wachstum und Wohlstand kostet.« Ergebnis ist eine überbordende Bürokratie, die mit zum Teil realitätsfernen, ja absurden Vorschriften nicht nur Nerven, sondern auch Wachstum und Wohlstand kostet. Zu spüren bekommen das vor allem diejenigen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden: Quer durch alle Branchen werden kleine und mittelständische Unternehmen von Vorschriften, Verordnungen und Dokumentationspflichten erdrückt. Während sich in Konzernen eigene Rechtsabteilungen um den „Papierkram“ kümmern, müssen Mittelstand und Handwerk mit der Paragraphenflut weitgehend alleine fertigwerden. DSGVO & Co. lassen grüßen. Neben dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel hat sich die staatliche Überregulierung zu einer gravierenden Belastung für die Wirtschaft entwickelt. Laut einer aktuellen Umfrage des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung wünschen sich 70 Prozent der 1.250 befragten Unternehmen einen Abbau der Steuerbürokratie. Dass hingegen nur 45 Prozent eine Senkung der Steuersätze für Unternehmen fordern, belegt zusätzlich, wie belastend der Bürokratieaufwand für die Wirtschaft ist. „Rettung naht!“, könnte meinen, wer im Koalitionsvertrag Passagen wie diese liest: „Wir treiben den Abbau von Bürokratie weiter voran und stärken damit die Wirtschaft.“ Mit dem

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Über den dringend notwendigen Abbau des deutschen und nicht zuletzt auch des europäischen Bürokratismus hinaus braucht es auch ein generelles, gesellschaftliches Umdenken. Viel zu oft fordert gerade der Bürger vom Staat, für noch mehr Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen, viel zu schnell wollen Politik und Rechtsprechung diese Wünsche bedienen. „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen“, stellte der französische Denker Montesquieu hingegen schon im 18. Jahrhundert fest. Ein Grundsatz, der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Der Wirtschaftsrat hat sich außerordentlich über die Nominierung seines Bundes- und Landesvorstandsmitglieds Aygül Özkan als Spitzenkandidatin für Bürgerschaftswahl 2020 der Hamburger CDU gefreut. Frau Özkan verfügt über eine hohe Wirtschaftskompetenz und hat schon mehrfach erfolgreich den Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik gemeistert. Seit Jahren engagiert sie sich aktiv im Wirtschaftsrat und hat bewiesen, dass sie für die Soziale Marktwirtschaft und für ihre Heimatstadt Hamburg auf ganzer Linie eintritt. Mit Blick auf ihre Erkrankung wünscht der Wirtschaftsrat Hamburg Frau Özkan viel Kraft und eine schnelle Genesung. Ihr

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MOMENTAUFNAHME Die elbphilharmonie erstrahlt in der herbstlichen Abendsonne. Für das TIMe Magazine gehört Hamburgs Wahrzeichen zu den 100 „World's greatest Places 2018“. Foto: Christian Ströder

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INHALT

START

TITEL

VERANSTALTUNGEN

EDITORIALS

BÜROKRATIEMONSTER

PARLAMENTARISCHER ABEND

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Landesverband Hamburg u Dr. Henneke Lütgerath

39 Landesverband Schleswig-Holstein u Dr. Christian von boetticher

MOMENTAUFNAHME 4 Die elbphilharmonie gehört zu den 100 „World's greatest Places 2018“

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Leider mehr Bürokratie – Datenschutz als natürlicher Feind der Transparenz Dr. Hermann Lindhorst

10 Einfach, klar, wenig Bürokratie – Modernisierung des Steuerrechts als politische Herausforderung Prof. Dr. götz T. Wiese

11 Bu ̈rokratismus oder „luftigere“ Bu ̈rokratien? Chancen durch glokale Dialoge barbara Seibert im Interview 12 Hürden auf dem Weg zum Glasfaseranschluss björn Freter 15 Erosion der Planungssicherheit Dr. Ralf Hüting 16 Reform der Grundsteuer Matthias Chuchra und Christian Müller

björn Freter Hürden auf dem Weg zum Glasfaseranschluss Die Stadt Hamburg hat ein Förderprogramm zum breitbandausbau aufgelegt mit dem Ziel, dass diejenigen, die in Hamburg einen Internetanschluss beantragen, dabei im gesamten Stadtgebiet auf eine schnelle Datenleitung zurückgreifen können. Seite 12

18 der norddeutschen Landesverbände in berlin

ÖKONOMIE UND MIGRATION: DIE GROßEN HERAUSFORDERUNGEN FÜR EUROPA 20 mit Roland Koch

INNOVATIONSHAUPTSTADT HAMBURG: 22 Wo stehen wir, wo wollen wir hin?

29. HANSEATISCHES GOLFTURNIER 26 golftrophäe nach Schleswig-Holstein entführt

„STATT RUHE WÜRDE JAMAIKA MEHR UNTERNEHMERISCHES HANDELN GUTTUN“ 40 Dr. Christian von boetticher im gespräch Podiumsdiskussion

DIE ZUKUNFT GEBÜHRENFINANZIERTER MEDIEN 43 Sektion Kiel

MILLIARDENPROJEKT ALS MOTOR FÜR FORSCHUNG UND START-UPS 45 Sektion Pinneberg

NEUE LANDESPLANUNG FÜR SCHLESWIG-HOLSTEIN 48 Sektion Segeberg Ökonomie und Migration: Die großen Herausforderungen für Europa mit Roland Koch Seite 20

WERTVOLLE AUTOS, KUNSTWERKE, COMICS: TREND ALS CHANCE FÜR SCHLESWIG-HOLSTEIN? 50 Sektion Kiel Podiumsdiskussion

Parlamentarischer Abend in Berlin Traditionell luden die fünf norddeutschen Landesverbände am Vortrag des Wirtschaftstages in berlin zu ihrem Parlamentarischen Abend ein, dieses Mal in der Vertretung der Freien Hansestadt bremen. Seite 18

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VERSORGUNG MIT ERNEUERBAREN ENERGIEN ZÜGIGER VORANTREIBEN 54 Sektion Pinneberg

DEUTSCH-RUSSISCHER KIELER WOCHE-EMPFANG 58 Sektion Kiel

LEINEN LOS UND VOLLE KRAFT VORAUS! 60 136. Kieler Woche


INHALT

VERANSTALTUNGEN SYGEHUS SØNDERJYLLAND – DAS DÄNISCHE SUPERKRANKENHAUS 62 Sektion Schleswig/Flensburg

DEUTSCHE AFRIKAPOLITIK IM AUFTRIEB 63 Sektion Plön/Ostholstein

WOHIN GEHT DIE REISE DER INNERSTÄDTISCHEN MOBILITÄT? 64 Sektion Lübeck

AKTUELLES AUS DEM MITGLIEDERKREIS 38 Neue Mitglieder in den Landesverbänden 65 Im Übrigen

LANDESFACHKOMMISSIONEN Hamburg

JUNGES HAMBURG 34 Künstliche Intelligenz – Wir müssen den Mittelstand mitnehmen u Dr. Christian Conreder

WACHSTUM & INNOVATION 35 Hamburg und die bildung – Wo bleibt die exzellenz? u Dr. Hubert baltes

VERKEHR, INFRASTRUKTUR & LOGISTIK 38 up to date: Customer Journey am Hamburg Airport u Prof. Dr. Peer Witten Schleswig-Holstein

BILDUNG & WIRTSCHAFT 52 Das friktionierte deutsche Schulsystem und seine Folgen u Dr. Peter Rösner

Deutsch-Russischer Kieler Woche-Empfang Die russische Regierungsdelegation aus dem Oblast Woronesch beim kleinen empfang des Wirtschaftsrates in Kiel unmittelbar vor dem vierten deutsch-russischen Kieler Woche empfang. Seite 58

ENERGIEWIRTSCHAFT 53 Fachhochschulforschung für die energiewende stärken! u Dr. Stefan Liebing

IMMOBILIENWIRTSCHAFT 56 Fesseln und Kostentreiber im Wohnungsbau lösen! u Dr. ulrich Schlenz

JUNGER WIRTSCHAFTSRAT

VERKEHR, INFRASTRUKTUR, MOBILITÄT 4.0

28 mit CIO Dr. Karsten Klose

Deutsche Afrikapolitik im Aufwind Dr. Stefan Liebing: „... die jetzt von der Kanzlerin ausgehende Dynamik macht Hoffnung, die riesigen Chancen zukünftig besser mit dem deutschen Mittelstand zu entwickeln.“

VOR ORT IN HAMBURG

Seite 63

JWR BUSINESS LOUNGE @OLYMPUS

57 Planungsbeschleunigung für den Infrastrukturausbau u Martin Henze

30 IDee 149. Deutsches Derby Aufs richtige Pferd gesetzt

FRAGEN AN EIN MITGLIED

ZU GUTER LETZT

30 Sine Sprätz Schleswig-Holstein

DIE FÜNFTE INDUSTRIELLE REVOLUTION 46 Innovationsschub in der Agrartechnik

Der Junge Wirtschaftsrat hatte Wissenschaftler nach Hohenlieth eingeladen. Das Thema: ungeschöpfte biologische Potentiale.

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VERANSTALTUNGSVORSCHAU 37 Landesverband Hamburg 66 Landesverband Schleswig-Holstein 66 Impressum

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TITEL bĂźrokratiemonster

Leider

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Landesverband Hamburg | 3/2018 | WIR IM NORDEN


Titel bürokratiemonster

mehr Bürokratie Datenschutz als natürlicher Feind der Transparenz

Landauf landab waren in der ersten Hälfte 2018 Neuigkeiten zu lesen von der Datenschutzgrundverordnung. Viel Hektik, geradezu Panik war dabei; was ist davon geblieben? Zum Glück traten die schlimmsten Prognosen nicht ein; Abmahnwellen hat es z.B. nicht gegeben.

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it Blick auf die Bürokratie geht der Datenschutz den Weg in die genau falsche Richtung: Massenweise Informationspflichten verstellen den Blick auf das eigentlich Wesentliche; Hauptsache, irgendwo ist ein Text zu lesen („Datenschutzerklärung“), das, was da eigentlich drin steht, interessiert die wenigsten. Hintergrund ist die neue EU-Datenschutzgrundverordnung, die bereits im April 2016 verabschiedet wurde und deren Vorschriften nun seit dem 25. Mai 2018 in Kraft getreten sind. Eines der Hauptziele der neuen, EU-weit geltenden Datenschutzregeln ist die verstärkte Durchsetzung der datenschutzrechtlichen Vorschriften: So steigt die Bußgelddrohung drastisch an und kann sogar bis zu 4 Prozent des Umsatzes betragen – und schlimmer noch: Auch Verbände sind – neben den Datenschutzbehörden, die derzeit massiv neue Stellen schaffen – zur Verfolgung von Datenschutzrechtsverstößen befugt und werden mit Sicherheit davon Gebrauch machen. Wer sich schon einmal vorbereiten möchte: Ein der anregenden rechtlichen Lektüre zugeneigter Leser darf sich bei einem Glas Rotwein am Kamin (oder einem kühlen Pils...) auf 171 Erwägungsgründe, 99 Artikel sowie die entsprechenden Ausführungen dazu freuen, viel Vergnügen.

Es gibt aber auch Positives: Das sogenannte „Tätigkeitenverzeichnis“ (früher Verfahrensverzeichnis) muss nun nicht mehr jedermann zugänglich gemacht werden; es ist nur noch für die Behörde gedacht. Dennoch kursieren mit dem sogenannten „DSGVO-Horrorbrief “ im Internet Musterbeispiele, die Unternehmen das Leben schwer machen können. Künftig wird es für Unternehmen also noch wichtiger als bisher notwendig sein, datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Dazu gehört – neben der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – vor allem die datenschutzrechtliche Sensibilisierung aller Mitarbeiter. So sollten etwa durch regelmäßige Schulungen oder Vorträge die geltenden Grundlagen des Datenschutzrechts vermittelt werden. Das ist längst nicht überall gegeben: Allgemein gilt nach wie vor, dass sehr viele Unternehmen, gerade kleinerer Größe oder Mittelständler, keinerlei datenschutzrechtliche Vorkehrungen getroffen haben. Für den Datenschutz muss künftig mehr denn je gelten: Wichtig ist, bei den Grundlagen, also den „Basics“, gut aufgestellt zu sein. Bei den viel zu bürokratischen, überflüssigen Feinheiten, wie z.B. hinsichtlich der Informationspflichten, wird man die weitere Entwicklung abwarten müssen; sie sind jedenfalls künftig deutlich zu begrenzen und müssen gesetz■ geberisch überarbeitet werden.

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Dr. Hermann Lindhorst ist – was nur selten vorkommt – Anhänger eines ausgewogenen Datenschutzes, der auch die Interessen von unternehmen zu berücksichtigen hat. er ist Rechtsanwalt und Partner bei SCHLARMANNvongeYSO, einer interdisziplinär ausgerichteten Hamburger Sozietät mit etwa 45 Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern. Der Fachanwalt für IT-, urheber- und Medienrecht berät außerdem in den bereichen Franchising und Sport und ist Lehrbeauftragter an den universitäten Kiel (IT-Recht) und Lüneburg (urheber- und Medienrecht).

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TITEL bürokratiemonster

Einfach, klar, wenig Bürokratie – Modernisierung des Steuerrechts als politische Herausforderung Prof. Dr. Götz T. Wiese Partner | WIeSe LuKAS Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbb

In den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland ist die dringend gebotene Reform des deutschen Steuerrechts bislang vergessen worden. Zwar war Deutschland maßgeblich an der Beseitigung von Missständen wie der Gewinnverlagerung in Steueroasen oder anderen künstlichen Gestaltungen beteiligt. Aber über die wichtige internationale Missbrauchsdiskussion der letzten Jahre sind die Hauptadressaten der Steuerpolitik etwas aus dem Blick geraten: für die Vielzahl der redlichen Steuerbürger und Unternehmen wurde allzu wenig getan. Dabei ist klar: Der internationale Steuerwettbewerb wird immer schärfer. Deutschland muss attraktive Rahmenbedingungen bieten. Hierzu gehört ein angemessener Steuersatz. Aber dazu gehört vor allem ein Steuerrecht, dessen Komplexität handhabbar bleibt. Mein Eindruck ist: Während die Leistungsfähigkeit unserer Steuerverwaltung an sich ein Standortvorteil sein müsste, wirkt sich die vom Gesetzgeber geduldete Bürokratie investitionshemmend aus. Natürlich sind differenzierte Steuerregeln und minutiöser Verwaltungsvoll-

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zug die Kehrseite eines leistungsfähigen Steuerstaates, und manche Kritik an angeblich überbordender Bürokratie kommt allzu wohlfeil daher. Wenn die Lebenswirklichkeit komplex ist, wird sich dies zu einem guten Teil auch in der Steuerwirklichkeit widerspiegeln. Gleichwohl ist Kritik angebracht. Nur vier Punkte, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind: 1. Technische Vereinfachung Viele Regelungen sind technisch viel zu kompliziert – von der Poolregelung für geringwertige Wirtschaftsgüter bis zu Dienstwagen- und Reisekostenabrechnungen, von der Nebenkostenabrechnung bei Vermietungen bis zur Beschäftigung geringfügig Beschäftigter, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Im gesamten Steuerrecht sollten deutlich höhere Pauschalsätze für eine Vereinfachung genutzt werden. Diese sollten dynamisch ausgestaltet werden, um dauerhaft lebensnah zu sein. 2. Digitalisierung Buchführungspflichtige Gewerbetreibende sind bereits heute verpflichtet, ihre Bilanz elektronisch einzureichen. Im Zweifel sind aber weiterhin Belege körperlich vorzuhalten. Dies führt zu einer Verdoppelung des Aufwands. Das Steuerrecht darf nicht länger ein Hemmnis für die dringend notwendige vollständige Digitalisierung von Massenverfahren (Bilanzierung, Lohn- und Kapitalertragsteu-

er, Umsatzsteuer etc.) sein. Investitionen in die Digitalisierung sollten sofort abgeschrieben werden können. 3. Bessere Abstimmung mit anderen Rechtsgebieten Technisch, vor allem aber materiell sollte das Steuerrecht mit anderen Rechtsgebieten besser verzahnt werden. Dies gilt zum Beispiel für Fälligkeitstermine und Beträge, die sowohl lohnsteuerlich als auch sozialversicherungsrechtlich relevant sind und die heute durchaus unterschiedlich sind. Dies gilt auch für unnötige Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht (wie zum Beispiel bei den Pensionsrückstellungen). 4. Komplette Überarbeitung des Unternehmensteuerrechts Das verschachtelte Unternehmensteuerrecht verhindert vielfach unternehmerische Aktivität, indem es bestehende Strukturen einbetoniert. Von der Organschaft bis zur Unternehmensumwandlung, von der überschießenden Umsetzung von EURichtlinien über das internationale Steuerrecht bis zur Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips (Beispiele: Verlustnutzung, Zinsabzug) – Deutschland leistet sich besonders komplizierte Regelungen. Hier ist Vereinfachung geboten. Das gesamte Unternehmensteuerrecht gehört auf den Prüfstand! ■

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TITEL bürokratiemonster

Bu ̈rokratismus oder „luftigere“ Bu ̈rokratien? Chancen durch glokale Dialoge

Barbara Seibert ist studierte geografin. Nach einigen Jahren der Tätigkeiten in Konzernen leitete sie über 20 Jahre eine eigene Agentur für Projektmanagement. 2007 initiierte sie das elbinstitut Hamburg e.V. (vormals FORuM-Young Migrant Talents) zur Potentialförderung und als Plattform für gesellschaftliche Dialoge unter anderem in der aktuellen Initiative „glokale Orte“. Frau Seibert publiziert über das Thema „glokalisierung“. Nähere Informationen unter: www.elbinstitut.de

Wo begegnen Sie bürokratischen Hürden und wie nehmen Sie diese? Viele Jahre sind wir als Institut von erheblichen bürokratischen Hürden verschont geblieben; für kleinere Angelegenheiten wurden sachlich und gelegentlich mit einer Portion Humor brauchbare Lösungen gefunden. Von viel ernsteren Varianten allerdings berichten Geflüchtete, wenn sie an behördliche Inkompetenz gerieten. Weil aber auch dort Verantwortliche über gesellschaftliche Entwicklungen erschrecken, sehen wir immer öfter ein Umdenken: Manchmal entsteht dann aus Abhängigkeit eine Atmosphäre der Gemeinsamkeit – Sternstunden zum Abbau staatlicher Kosten und für die Förderung von Potentialen auf allen Seiten.

„Kaum ein Begriff inspiriert den verbalen Herdentrieb so sehr, wie das Wort ,Bürokratie‘: Denn wer kann entsprechenden Small Talk nicht mit erlebten, gehörten oder medial transportierten Storys bereichern? Dabei sind solche über stundenlange Wartezeiten und ständige Unfreundlichkeiten noch die harmloseren Varianten“, sagt Barbara Seibert, Direktorin des Elbinstituts Hamburg. WIR IM NORDEN hat bei ihr nachgehakt. Was verstehen Sie unter Glokalisierung? Der Begriff wurde in den 1990er Jahren durch den Soziologen Roland Robertson aufgenommen. Als Geografin habe ich ihn für Kooperationsmodelle in Städten und Gemeinden weiterentwickelt, indem zum Beispiel Gremien in vorpolitischen und politischen Räumen durch 35 Prozent Aufnahme- und 65 Prozent Einwanderungsgesellschaft besetzt werden. So wird „Glokalisierung“ der sichtbare dritte Weg zwischen einer unübersichtlichen Globalisierung und einer gelegentlich allzu engen Lokalität und bildet den Alltag ab, wie er uns durch Menschen aus aller Welt, ihren Religionen und Kulturen, ihrer Art zu denken, vielerorts begegnet: Unter der Überschrift „glokal“ können robuste, verbindende Konzepte entwickelt werden – zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Ist „Bürokratismus“ verstärkt bei Ihren Integrationsprojekten feststellbar? Im Sommer und Herbst 2015 gaben Behörden für wenige Wochen überdurchschnittlich viel Verantwortung an die Zivilgesellschaft ab. Dann bekamen sie und die Politik einen Riesenschrecken und begannen, die Zügel umso fester anzuziehen. Dabei suggerierten Sirenen der „Wiederherstellung von Recht und Ordnung“ gefährlich falsche Bilder, als wäre das Land

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im Chaos versunken. Ich war nahe dran und habe dies so nicht erlebt, im Gegenteil: Zumeist arbeiteten aufnehmende Zivilgesellschaft mit und ohne Fachexpertise, Geflüchtete, Feuerwehren, die Polizei und viele andere tagtäglich Hand in Hand und mit hoher Kompetenz – dies übrigens ganz besonders in Bayern. Man rückte näher zusammen. Jetzt aber beobachte ich überzogene Erwartungen der Zivilgesellschaft und eine breite Skala von vorsichtiger Reformfreude bis zu steigendem Argwohn in Behörden. Ist dies dann schon Pedanterie? Eher handelt sich wohl um die Sorge vor fehlender Absicherung in Hierarchien bzw. um Strategien, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Lässt sich Bürokratie gänzlich abbauen? Nein, sicher nicht: Komplexe Systeme brauchen Linien, Stab und Spielregeln; hochentwickelte Staaten und ihre subsidiären Organe sind da ein gutes Beispiel. Was wir zudem auch brauchen könnten, ist mehr Kooperation zwischen Bürokratien und glokaler Zivilgesellschaft. Dafür aber müssten die einen ihr Misstrauen zurücknehmen und die anderen mit der Jammerei aufhören – und beide sich auf die gemeinsame Suche nach alltagstüchtigen Konzepten aufmachen. Gerade jetzt, in einer Zeitenwende voller Herausforderungen. ■

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TITEL bürokratiemonster

Hürden auf dem Weg zum Glasfaseranschluss Breitband ist in aller Munde und füllte allein im Koalitionsvertrag unserer Regierung einige Seiten. Auch die Stadt Hamburg hat ein Förderprogramm zum Breitbandausbau aufgelegt mit dem Ziel, dass diejenigen, die in Hamburg einen Internetanschluss beantragen, dabei im gesamten Stadtgebiet auf eine schnelle Datenleitung zurückgreifen können.

Björn Freter geschäftsführer | sum.cumo gmbH

A ls fortschrittliches IT-Unternehmen, welches Versicherungen digitalisiert, sind wir, die sum.cumo GmbH, auf eine schnelle und sichere Datenübertragung angewiesen. Unser Team war vor zwei Jahren von 10 auf rund 50 Entwickler gewachsen, für die eine exzellente ITInfrastruktur Grundbedingung ist. Der bisher genutzte 25 Mbit/s DSL-Anschluss reichte nicht mehr aus. Wir entschieden uns für die Glasfasertechnik, da wir uns damit für die Zukunft am besten aufgestellt fühlten. Diese garantiert für viele Jahrzehnte ausreichend Bandbreite. Im September 2016 schlossen wir daher mit einem Telekommunikationsunternehmen einen Vertrag zur Datenübertragung via Glasfasertechnik. Es sah alles so einfach aus: Ein Glasfaseranschluss war nur 100 Meter entfernt, dazwischen lag eine Grünfläche.

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Das Telekommunikationsunternehmen stellte – so üblich – einen Antrag bei der Baubehörde. Der Antrag wurde vom Grünflächenamt abgelehnt, da die bestehenden Leitungen durch das Grünstück zeitnah zurückgebaut werden sollten und somit war unser Zugang entscheidend „weiter weggerückt“. Was nun? Der Informationsfluss stockte. Wir waren nicht „Vertragspartner“ der Behörde und damit auch nicht berechtigt direkt Informationen zu bekommen, was unsere wirtschaftliche Planbarkeit erheblich einschränkte. Neuaufträge unserer Kunden erhöhten für uns den Druck. Schließlich wurde nach fünf Monaten ein Zugang entlang der Verkehrsstraße genehmigt, ein rund 600m längerer Weg als durch das nahgelegene Grünstück. Ein Tiefbauunternehmen wurde beauftragt und hob den Fußweg auf.

Für uns kamen zusätzlich noch kostentreibende, brandschutzgerechte Umbaumaßnahmen am Gebäude für die hausinterne Verteilung des Glasfasernetzes hinzu. Sieben Monate nach Antragstellung, im April 2017, war ein Glasfaseranschluss bereitgestellt. Als erfolgreiches Technologieunternehmen war es uns möglich, die Kosten für das Gesamtunterfangen zu tragen und die Wartezeit mit diversen eigentlich unnötigen gekoppelten DSL-Anschlüssen zu überbrücken. Andere, noch jüngere Hamburger Unternehmen hätten in einer ähnlichen Situation ohne Hilfe vielleicht ein ernsthaftes Wachstumshindernis erfahren müssen. Seither sind wir stark gewachsen, mittlerweile gehören über 100 Kolleginnen und Kollegen zur sum.cumo Crew, die Kunden beraten und Wünsche erfüllen. Dank Glasfaser sind wir für die Zukunft gut aufgestellt. Wachstum im digitalen Geschäft findet also schon lange nicht mehr nur durch Büroflächen statt. Die technische Infrastruktur und deren behördliche Betreuung und die finanzielle Förderung schnell wachsender Firmen sollte deutlich ausgebaut und beschleunigt werden, damit Hamburg seine Position als Digitalstand■ ort zukunftssicher ausbauen kann.

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HILFSPROJEKT Advertorial

J.J.Darboven Projekt H.E.L.P.

Besserer Kaffee für ein besseres Leben M

it dem Projekt H.e.L.P. (Honduras education Life Projekt) unterstreicht J.J.Darboven im Sinne der unternehmens-philosophie seine Verantwortung für die Menschen in den Anbauländern. „unser Ziel ist es ein internationales Förderprojekt zu etablieren, das langfristig die Produktivität der Kaffeefarmen erhöht, ökonomische entwicklungen bietet, einen professionellen Transfer von Wissen ermöglicht und ein bewusstsein für soziale Aspekte und umweltkriterien schafft“, sagt Albert Darboven, Mitinhaber und geschäftsführer J.J.Darboven. Mit dem weltweit agierenden Rohstofflieferanten OLAM hat J.J.Darboven einen professionellen Partner gefunden, der über weitreichende erfahrungen und Know-how aus vergleichbaren Projekten verfügt. Für die umsetzung vor Ort wurde ein eigenes entwicklungsprojektteam mit ausgebildeten Helfern zusammengestellt, das die unternehmerischen und anbautechnischen Fähigkeiten der Kaffeebauern schult. Auch von J.J.Darboven sind regelmäßig Mitarbeiter vor Ort, um die Fortschritte zu dokumentieren. Warum Honduras und die Region Santa Bárbara? Santa bárbara ist die älteste Kaffeeregion in Honduras. Das Klima begünstigt den Anbau, aber die hügelige und gebirgige Landschaft macht ihn auch mühsam und aufwendig. Die Infrastruktur ist schwach entwickelt und viele Kaffeepflanzen sind überaltert und ertragsschwach. So ist Santa bárbara die Kaffeeregion mit dem niedrigsten Produktivitätsgrad und eine der ärmsten in Honduras. Der Kaffeeanbau findet durchgängig in kleinen bäuerlichen Familienbetrieben statt. Die Kaffeebauern bewirtschaften sehr kleine Anbauflächen, zudem sind wenig landwirtschaftli-

Konkrete Beispiele von aktuellen H.E.L.P. Teilnehmern: NORA SOGASTUME Auf einer Fläche von einem Hektar in extremer Hanglage produziert Señora Sogastume ca. 600 kg Kaffee. Sie hat durchaus erfahrung im Anbau, handelt aber nicht betriebswirtschaftlich, hat kaum einen Überblick über Kosten und erträge. Auch bei ihr wäre eine erhebliche Steigerung der ernte möglich und Señora Sogastume erwartet von H.e.L.P. beratung und Hilfe, um eine Zertifizierung und damit einen besseren Preis für ihren Kaffee zu erreichen.

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che, ökologische und ökonomische Kenntnisse vorhanden. Das Projektteam ermittelt die vorrangigen Probleme in jedem einzelnen betrieb. Danach werden individuelle entwicklungspläne erarbeitet, mit denen nicht nur produktionstechnische, sondern ebenso soziale und umweltbezogene Verbesserungen erreicht werden sollen. Kurzfristig erreichbare Ziele und Verbesserungen der operationalen Abläufe im täglichen betrieb sichern und stärken die Motivation der Teilnehmer. Was H.E.L.P. insgesamt erreichen möchte ■ Steigerung der Produktivität – auch durch einsatz nachhaltiger Anbaumethoden ■ Vermittlung betriebswirtschaftlicher grundkenntnisse ■ Förderung wirtschaftlicher Initiative, gerade auch von Frauen ■ erleichterung des Zugangs zu seriösen Finanzierungsmöglichkeiten, um Investitionen zu ermöglichen ■ Verbesserung des Hygienestandards und des Arbeitsschutzes ■ Anhebung des bildungsstandes und eröffnung einer Perspektive für die nächste generation „Mir persönlich ist es wichtig, dass der Name J.J.Darboven nicht nur für qualitativ hochwertige Heißgetränke, sondern genauso für Menschlichkeit und soziales engagement steht. Wer wie ich bereits Länder in Lateinamerika besucht hat, weiß um die schwierigen Lebens- und Arbeitsbedin-gungen der Kaffeebauern vor Ort. Hier gilt es, aktiv und professionell Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten“, sagt Albert Darboven, Mitinhaber und geschäftsführer J.J.Darboven. MELVIN IZAGUERA Señor Izaguera bewirtschaftet eine Fläche von einem Hektar und hofft auf eine ernte von 450 kg – gut der doppelte ertrag wäre möglich! er besitzt kaum Kenntnisse über den Anbau von Kaffee. Aufarbeitung und Trocknung des Kaffees finden in seinem Wohnhaus statt. Durch die Teilnahme an H.e.L.P. bekommt er fachliche beratung durch das Projektteam und als erste kurzfristige Maßnahme die Möglichkeit, einen transportablen SunDryer zur besseren Trocknung außerhalb seines Hau■ ses zu nutzen.

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TITEL bürokratiemonster

Erosion der Planungssicherheit

Dr. Ralf Hüting ZeNK Rechtsanwälte

Die Flut von europäischen und nationalen Regelungen und die Vielzahl der dazu von europäischen und nationalen Gerichten ergehenden Entscheidungen führen – wie uns allen bewusst ist – zu Verfahrensdauern von wirtschaftlich notwendigen Vorhaben, die kaum noch hinnehmbar sind. Grund hierfür sind fundamentale Unterschiede bei grundsätzlichen rechtlichen Wertungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EU. Dies sei an einigen kurzen Beispielen dargestellt: Im deutschen Recht gilt seit vielen Jahrzehnten der Grundsatz, dass nur derjenige sich gegen staatliches Handeln wenden kann, der in eigenen Rechten verletzt ist. Popularklagen ohne eine eigene Betroffenheit hat der deutsche Gesetzgeber ausgeschlossen. Anders die Europäische Union. Diese verfolgt den französischen Rechtsansatz, wonach die Bürger jegliches staatliches Handeln, egal, ob sie davon betroffen sind oder nicht, überprüfen können. Eine Einschränkung des deutschen Erfordernisses einer eigenen Rechtsverletzung ergab sich bereits durch die Einführung der Verbandsklage und die Ausweitung des Kataloges von Fragestellungen, die mit der Verbandsklage rechtlich angegriffen werden können. Hier geht es nicht mehr um die Verteidigung von eigenen Rechten vor staatlichem Handeln, sondern um die Durchsetzung von bestimmten Interessen. Zukünftig droht sogar die vollständige Aufhebung der Klagevoraussetzung der eigenen Rechtsverletzung. Entsprechende Anfragen liegen dem

Europäischen Gerichtshof vor. Der Europäische Gerichtshof hat eine weitere tragende Säule des deutschen Verwaltungsprozessrechts gekippt, indem er die ebenfalls seit vielen Jahrzehnten bestehenden Präklusionsregelungen in Deutschland teilweise für europarechtswidrig erachten hat. Bisher galt in Deutschland der Grundsatz, dass Einwendungen gegen Vorhaben in einer bestimmten Frist vorgebracht werden müssen, um später gegen das Vorhaben klagen zu können. Wer nicht rechtzeitig seine Einwendungen erhob und somit dem Vorhabenträger und der Verwaltung die Chance gab, auf den Vortrag einzugehen, konnte diese Fragen nicht mehr gerichtlich überprüfen lassen. Von besonderer Bedeutung für die Durchsetzung von wirtschaftlich gebotenen Vorhaben ist auch die unterschiedliche Bewertung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen der EU und Deutschland. Das europäische Recht hat in den letzten Jahren den Belangen der Umwelt höchste Priorität zugesprochen. Eine vernünftige Inverhältnissetzung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit anderen Zielen, wie z. B. wirtschaftlichen Notwendigkeiten, findet dabei so gut wie nicht statt. Die Bundesregierung ist aufgerufen, der Erosion des deutschen Planungsrechts und damit der Planungssicherheit aufgrund unterschiedlicher Wertungen von Rechtsfragen durch die EU einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits mit Nachdruck entgegenzuwirken. Der Verlust von erprobten, Stabilität gebenden deutschen Rechtsinstituten aufgrund der europäischen Rechtsprechung muss ausgeglichen werden. Zunächst sollte auf den Grundsatz verwiesen werden, dass Klageverfahren auch nach den einschlägigen Vorschriften des Völker- und Europarechts „fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer“ ausgestattet sein müssen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass diese Vorgabe nicht nur für Kläger, sondern auch für Vorhabenträger und Planungsbehörde zu gelten hat. Zurzeit wird dieser Grundsatz deutlich in Richtung der Interessen der Kläger ausgelegt. Hier muss ein

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Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessen hergestellt werden. Zu den Pflichten von Klägern muss es beispielsweise gehören, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vollständig ihre Bedenken vorgetragen zu haben. Es sollte ein Stichtag festgelegt werden, an dem die Sach- und Rechtslage zu messen ist, um eine „Salami-Taktik“ zu verhindern, mit der Kläger immer wieder neue Einwände vorbringen können. Darüber hinaus sollte auf den Amtsermittlungsgrundsatz verzichtet werden und nur das – wie im Zivilrecht – von den Gerichten geprüft werden, was von den Klägern rechtzeitig vorgetragen wird. Auch die Anerkennungspraxis von klageberechtigten Naturschutzverbänden ist auf dem Prüfstand zu stellen. Des Weiteren ist darauf hinzuwirken, dass bei der Schaffung von europäischem Recht auf internationaler, wie auf nationaler Ebene, nicht nur die Umwelt- sondern auch die Wirtschaftsressorts gleichberechtigt beteiligt werden. Schließlich bedarf es auch Mut, wie ihn jüngst die österreichische Bundesregierung bewiesen hat. Diese hat am 5. Juli dieses Jahres ein umstrittenes sog. „Standort-Entwicklungsgesetz“ vorgelegt, wonach Genehmigungsverfahren für Projekte von besonderem öffentlichem Interesse für die Republik Österreich höchstens 18 Monate dauern dürfen. Darüber hinaus ist der Rechtsschutz gegen eine Genehmigung für ein solches standortrelevantes Vorhaben insofern beschränkt, als er nur zulässig ist, wenn Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geklärt werden müssen. Schließlich wird festgelegt, dass über das Rechtmittel die zuständigen Gerichte innerhalb von drei Monaten zu entscheiden haben. Von der Bundesregierung in Deutschland ist somit Phantasie, Hartnäckigkeit, aber auch Mut aufzubringen, um Planungssicherheit wiederherzustellen. ■

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TITEL grundsteuer

Reform der Grundsteuer Die Grundsteuer verlangt der Staat bei Eigentum von Grundstücken, egal ob bebaut oder unbebaut. Es handelt sich dabei um eine kommunale Steuer (Gesamtaufkommen von ca. 14 Mrd. EUR), die in zwei Formen existiert.

Matthias Chuchra, LL.M. (com) ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Dipl.Wirtschaftsjurist. Seit 2015 ist er Partner der Wirtschaftskanzlei Möhrle Happ Luther. er ist vor allem im bereich umstrukturierungen, Restrukturierungen und der Implementierung von Steueroptimierungen im nationalen und internationalen Kontext tätig. ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeiten liegt im Immobiliensteuerrecht.

bei Möhrle Happ Luther arbeiten Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte Hand in Hand. Viele der mehr als 300 Mitarbeiter an den Standorten Hamburg, berlin und Schwerin verfügen, wie Matthias Chuchra, über Zwei- oder sogar Dreifachqualifikationen in den Disziplinen, sodass alle bereiche ideal ineinandergreifen.

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Christian Müller ist Dipl.-Finanzwirt und Steuerberater am Hamburger Standort der Kanzlei. Sein Schwerpunkt liegt in der besteuerung von Personengesellschaften.

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ie Grundsteuer A besteuert land- und forstwirtschaftliche Nutzungsflächen, die Grundsteuer B das übrige Immobilienvermögen. Ausgangsgröße für die Ermittlung der Grundsteuer ist dabei der von der Finanzbehörde festgestellte Einheitswert. Mit Urteil vom 10. April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die derzeitige Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Grundsteuer (der Einheitswert) verfassungswidrig ist. Hintergrund der Entscheidung ist, dass die Einheitswerte in den „alten“ Bundesländern immer noch auf Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964

(letzter Hauptfeststellungszeitpunkt) ermittelt werden mit der Folge, dass diese Werte in keiner Weise den heutigen Wertverhältnissen der Grundstücke entsprechen. Nach Auffassung des BVerfG muss daher eine Neuregelung der Bemessungsgrundlage bis spätestens zum 31. Dezember 2019 erfolgen, andernfalls kann die Grundsteuer ab 1. Januar 2020 nicht mehr erhoben werden. Sofern dies gelingt, gelten allerdings die derzeitigen Regelungen noch für die nächsten fünf Jahren bis maximal zum 31. Dezember 2024 fort. Um eine gesetzeskonforme Erhebung der Grundsteuer zu ermöglichen, werden im Wesentlichen drei (mögliche) Reformmodelle von Seiten des Gesetzgebers diskutiert, nämlich das Kostenwertmodell, das Bodenwertmodell sowie das sog. „Südländermodell“. Das Kostenwertmodell wurde dabei bereits im Jahre 2016 mehrheitlich von den Landesfinanzministern (mit Ausnahme der Landesfinanzminister von Hamburg und Bayern) akzeptiert, allerdings in der Folgezeit nicht weiter vorangetrieben. Das Model basiert im Kern auf einem sog. „Mischverfahren“, welches sich aus dem Bodenwert und einem pauschaliertem Gebäudewert zusammensetzt. Vor dem Hintergrund, dass das Bundesministerium für Finanzen sowie verschiedene Landesfinanzministerien bereits darauf hingewiesen haben, dass die praktische Umsetzung des Kostenwertmodells einen enormen finanzamtsinternen Aufwand sowie entsprechende Vorlaufzeiten von mindesten sechs Jahren mit sich bringt, kann bezweifelt werden, ob ein solches „Bürokratiemonster“ – im Hinblick auf die vom BVerfG gesetzte Frist – ein weiteres Mal auf den Gesetzgebungsweg gebracht wird. Anders würde es sich verhalten, wenn sich die Befürworter des Bodenwertmodells durchsetzen. Auf Grundlage dieses Modells würde die Grundsteuer einer reinen „Bodenwertsteuer“ gleichkommen, welche sich ausschließlich am aktuellen Verkehrswert des Grund und Bodens (unabhängig von der Bebauung) orien-

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TITEL grundsteuer

tiert. Ein solches Verfahren würde sich in Abgrenzung zum „Kostenwertmodell“ dabei verwaltungsintern wesentlich leichter umzusetzen lassen, da die aktuellen Bodenwerte bereits existieren. Allerdings können bei dieser Methode verfassungsrechtliche Bedenken nicht vollends ausgeschlossen werden, da es im Zuge dieses Models zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von unbebauten und bebauten Grundstücken kommt, sodass unbebaute Grundstücke im Verhältnis zu bebauten Grundstücken bezogen auf den Verkehrswert stärker mit Grundsteuer belastet werden würden. Das „Südländermodell“ (oder auch Äquivalenzzahlenmodell genannt) könnte in diesem Fall die verfassungsrechtli-

chen Bedenken auflösen, da sich die Bemessungsgrundlage in dieser Modellvariante, auf Basis der Fläche des Grundstücks und der Fläche des Gebäudes multipliziert mit einer nutzungsabhängigen Äquivalenzzahl gibt. Auf Grundlage dieser Wertermittlung würden folglich bebaute Grundstücke im Verhältnis zu unbebauten Grundstücken stärker mit Grundsteuer belastet werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gesetzgeber durch die Entscheidung des BVerfG vom 10. April 2018 in erheblichen Zugzwang hinsichtlich der Neugestaltung der Einheitswertermittlung gekommen ist. Zur Auswahl stehen derzeit drei Modelle über die noch nicht abschließend entschieden wurde.

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Jedoch ist klar, dass es – angesichts der Weiterentwicklung von Immobilien in den letzten Jahren – sehr wahrscheinlich teurer werden wird, da die Einheitswerte als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer den derzeitigen Verkehrswerten von Immobilien angenähert werden müssen. Insofern ist es ratsam die gesetzliche Entwicklung zu verfolgen, um – in Abhängigkeit von neuen Bewertungssystemen – ggf. noch Optimierungen vornehmen zu können. Eine gesetzliche Neuregelung muss bis 31. Dezember 2019 erfolgen, andernfalls kann nach Auffassung des BVerfG die Grundsteuer von den Gemeinden nicht ■ mehr erhoben werden.

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VERANSTALTUNG Norddeutsche Zusammmenarbeit

Parlamentarischer Abend der norddeutschen Landesverbände Traditionell luden die fünf norddeutschen Landesverbände am Vortrag des Wirtschaftstages in Berlin zu ihrem Parlamentarischen Abend ein, dieses Mal in der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen. Text: Theresa Gröninger / Hauke Meisner

uns nicht nur die Liebe zum Grünkohl, sondern auch die Themen, für die wir gemeinsam mit der Politik kämpfen müssen. Im Norden sind wir zum Beispiel die Vorreiter der Energiewende. Ohne uns würden in Zukunft die Lichter ausgehen! Wind haben wir genug und Sturm ist erst, wenn das Schaf keine Locken mehr hat.“ Der gastgebende Landesvorsitzende aus Bremen, Jörg Müller-Arnecke, freute sich mit Cornelius Neumann-Redlin, Dr. Ulrich Nußbaum und Elisabeth Motschman gleich drei Ehrengäste und Redner begrüßen zu dürfen. In seiner kurzen Eröffnungsansprache hob er die Bedeutung des Nordens hervor: „Im Norden eint

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Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände im Lande Bremen, widmete sich in seinem Grußwort der Rentenpolitik und bezeichnete die Rente mit 63 als „teuren Wahlkampfschlager“, der die Wirtschaft etwa Million Beschäftigte gekostet habe – bei ohnehin akutem Nachwuchsmangel. Neu-

mann-Redlin kritisierte auch den Arbeitsminister, der einerseits eine Rentenkommission zur Lösungssuche einberufen habe, aber andererseits das Geld im „Gießkannenprinzip“ an verschiedene Gruppen ausschütte – das Geld, das die Kommission eigentlich retten solle. Anschließend sprach Dr. Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und bremischer Senator für Finanzen a.D., über verschiedene Projekte, die das BMWi länder- und kommunenübergreifend im Norden vor-

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VERANSTALTUNG Norddeutsche Zusammmenarbeit

Sie könne verstehen, dass die Wirtschaft sich dagegen sträube. Es liege an den Kräften der CDU, die Hürden so hoch wie möglich zu hängen und Schranken zu benennen, damit die Wirtschaft handlungsfähig bleibe.

Nach dem offiziellen Teil des Abends lud das herrliche Sommerwetter dazu ein, den Austausch bei Bremer Beck’s Bier und landestypischen Häppchen auf die Terrasse zu verlagern und sich auf den Wirt■ schaftstag einzustimmen.

antreiben will. Zwei Handlungsfelder seien besonders wichtig: Zusammenarbeitende, konkurrenzfähige Häfen und der Netzausbau im Zuge der Energiewende. Über Letzteren sagte er: „Wir kommen nicht rechtzeitig und umfangreich voran. Wir produzieren heute mehr erneuerbare Energie, als wir über die Netze von Nord nach Süd wegtransportieren können.“ Aus diesem Grund sei es ein Hauptanliegen des BMWi, den Netzausbau zu beschleunigen und die Bestandsnetze technisch zu optimieren. Allerdings sei es ein Desaster, dass die vielen partikularen Interessen das Projekt blockierten und es auch hier kein Vorankommen gebe.

Die bremische Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann begrüßte die Anwesenden mit einem kurzen Bericht aus dem Bundesvorstand ihrer Partei und ging dabei besonders auf die Frage ein, warum das Verhältnis zu Donald Trump so kompliziert und schwierig sei. Aus Sicht der Kanzlerin habe der amerikanische Präsident den Eindruck, dass die Lasten zwischen Europa bzw. Deutschland und den USA ungleichverteilt seien. So etwa kämen viele europäische NATO-Staaten den vereinbarten Rüstungsausgaben von 2 Prozent des BIP nicht nach. Ein weiteres Problem für Trump sei der EU-Handelsüberschuss. Auch ging Motschmann auf das aktuelle Streitthema „Vollzeit in Teilzeit“ ein.

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VERANSTALTUNG europa am Scheideweg

Ökonomie und Migration:

Die großen Herausforderungen für Europa Konservativ, polarisierend und rhetorisch brillant: Roland Koch gehörte zu Deutschlands bekanntesten, viele sagen auch begabtesten Politikern. Als Hessischer Ministerpräsident (1999-2010) ging er keiner Kontroverse aus dem Weg und setzte auf klare Kante. Auch beim Wirtschaftsrat in Hamburg fand er anlässlich einer Mittagsveranstaltung in den Räumlichkeiten des Hafen-Klubs deutliche Worte. Text: Christian Ströder / Hauke Meisner

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R oland Koch, derzeit Vorsitzender des Aufsichtsrats der UBS-Europe SE, warf zunächst einen Blick auf die Entwicklung der Weltwirtschaft und die neue Rolle Europas. Die Weltwirtschaft sei immer weniger von internationalem Denken geprägt. Getrieben von Donald Trump breite sich ein zunehmender, ökonomischer Nationalismus aus, der die Länder zwinge, sich anders als bisher zu organisieren.

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VERANSTALTUNG europa am Scheideweg

In einer Zukunft, die von großen Staaten und Einheiten mit über 500 Millionen Einwohnern geprägt sein werde, könne dieser Nationalismus letztlich zum Auseinanderfallen Europas führen – mit der Konsequenz, dass die europäischen Staaten und insbesondere Deutschland wirtschaftlich sowie politisch in der Bedeutungslosigkeit verschwinden könnten. Dieser ökonomischen Herausforderung müsse Europa sich nun stellen. Der Euro sei dabei ein wichtiges Instrument, um gemeinsam in der Welt auftreten zu können. Freihandelsabkommen zwischen Europa und anderen Teilen der Welt mit unterschiedlichen Währungen seien extrem kompliziert. Es werde zwar weiterhin einen heftigen Kampf zwischen Haushaltsdisziplin und Kompromissen geben, aber ein Ende des Euro sei keine Option, da dann das europäische, gesamtstaatliche Interesse auseinanderbreche, warnte Koch. Deutschland müsse vor diesem Hintergrund kompromissbereit sein und akzeptieren, dass ein Teil seines volkswirt-

tionsproblem: „Es wird keine demokratische Bevölkerung auf der Welt geben – jedenfalls haben wir nicht den geringsten Hinweis darauf – die akzeptiert, dass sie die Kontrolle über ihre Identität dadurch verliert, dass sie das Ein- und Austreten über die Grenze nicht mehr unter Kontrolle hat!“ Wer wolle, dass es ein Europa gebe, das mit relativer Freiheit und mit relativer Kohäsion in der Welt auftrete, um einigermaßen gesehen zu werden wie die anderen großen Mächte, der müsse sich um den Schutz seiner Außengrenzen kümmern. „Wenn Politik an dieser Stelle

nicht liefert, dann wird die Politik so lange ausgetauscht, bis einer kommt, der liefert“, so Koch. Und weiter: „Je schwieriger das in der Sache ist, desto ignoranter muss der sein, der anbietet, zu liefern. Das heißt, dass immer radikalere Parteien in Mehrheiten geraten, wenn die, die nicht radikal sind, nicht in der Lage sind, zu liefern.“ Vor diesen Herausforderungen müsse Europa zu einer Entscheidung kommen, denn „wenn die Menschen nicht glauben, dass Europa Grenzen sichern kann, dann wird mehr noch als wegen des Euros, dieses Europa keine Zustimmung haben“, betonte der ehemalige Ministerpräsident Hessens. Abschließend appellierte Koch daran, mit Europa und seinen großen Aufgaben nicht ignorant, illusionistisch oder euphorisch umzugehen, sondern sehr behutsam. „Wenn es am Ende passieren würde, dass wir es nicht schaffen, dieses Europa zu erhalten und weiterzuentwickeln, dann würden wir uns als einzelnes Land nicht ■ wohler fühlen in der Welt.“

schaftlichen Gesamteinkommens „dafür investiert werden muss, nicht alleine zu sein“. In demokratischen Gesellschaften könne dies aber nur funktionieren, wenn die Bürger eine klare Versicherung ihrer politischen Führung bekämen, dass sie die Außengrenzen kontrollieren könne. Roland Koch wurde an dieser Stelle deutlich und sagte mit Blick auf das Migra-

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VERANSTALTUNG Podiumsdiskussion

Innovationshauptstadt Hamburg:

Wo stehen wir,

„Innovationen, Mut, Kreativität und Gründergeist sichern den Erfolg eines Wirtschaftsstandortes. In Hamburg haben wir viel davon“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch anlässlich des Hamburg Innovation Summit. Eine andere Wahrnehmung vermitteln das EXIST-Förderprogramm und das Gründungsradar 2016: In nahezu allen Rankings liegt Hamburg auf den hinteren Plätzen oder findet gar keine Berücksichtigung.

Wie steht es also um die Innovations-

Text: Christian Ströder / Hauke Meisner

fähigkeit in der Stadt und die Gründerkultur an den Hochschulen? Zu dieser Frage veranstaltete die Landesfachkommission Wachstum & Innovation eine Podiumsdiskussion in den Räumlichkeiten von PricewaterhouseCoopers am Alsterufer 1. Mit dabei waren Carsten Ovens MdHB, Fachsprecher der CDU-Fraktion für Wissenschaft und für Digitale Wirtschaft, Dr. Joachim Seeler MdHB, Fachsprecher der SPD-Fraktion für Industrie, Hafen, Handel, Handwerk und Finanzwirtschaft sowie Michael Pachmajer, Director Digital Transformation Middle Market Europe bei PwC Germany. Dr. Hubert Baltes, Vorsitzender der Kommission und Mitglied des Landesvorstands, moderierte die Runde.

Joachim Seeler erklärte, dass jede Innovationsstrategie langfristig angelegt sein müsse. Gleichzeitig gestand er ein, dass es gerade Politik und Verwaltung aber oft schwerfalle, mit der Geschwindigkeit von Veränderungen Schritt zu halten. Konkret skizzierte Seeler im Weiteren drei Gestaltungsräume, wie Hamburg als Bundesland innovationsstrategisch tätig

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werden könne: Auf der ersten Ebene, im Bereich der Gesetzgebungsarbeit des Landes, könne nur recht wenig bewegt werden, da man hier schnell mit Bundes- oder Europarecht kollidiere. Die zweite Möglichkeit bestehe darin, attraktive Rahmenbedingungen und Infrastruktur für Unternehmen, Wissenschaft und Hochschulen zu schaffen. Dies ziele hauptsächlich

darauf ab, Fördermittel bereitzustellen und die Netzwerkbildung zu unterstützen. Drittens agiere Hamburg mit rund 450 Unternehmensbeteiligungen selbst als Marktteilnehmer und könne so als „Nachfrager“ innovative Prozesse in Gang bringen. Mit Blick auf Patentanmeldungen sei Hamburg nach Baden-Württemberg, Bay-

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VERANSTALTUNG Podiumsdiskussion

wo wollen wir hin?

ern und Niedersachsen das viertstärkste Bundesland und müsse sich auch bei den Gründungen nicht verstecken. „Wir haben im neuen Gründungsmonitor mit Berlin bundesweit den Spitzenplatz mit über 200 Gründungen pro 10.000 Beschäftigten und haben eine gute Basis, um das weiter zu entwickeln“, sagte Seeler.

Deutlich kritischer bewertete Carsten Ovens die Situation: „Gerade was die Gründerszene in Hamburg angeht, reicht es eben nicht, die Statistiken so zu lesen, dass sie möglichst positiv klingen. Mich interessiert eher der absolute und nicht der relative Vergleich, damit wir sehen können, wie stark Hamburg in Wirklichkeit

ist und wie weit wir möglicherweise abgeschlagen sind.“ Hamburg sei nicht so aufgestellt, wie es nötig sei, um auch in zehn Jahren noch dieselbe Wirtschafts- und Wissenschaftskraft zu haben wie bisher. In den Bereichen künstliche Intelligenz, Blockchain, unbemannte Systeme und Internet der Dinge müsse die Hansestadt deutlich stärker werden. Vieles könne Hamburg als Stadtstaat sehr wohl unabhängig von der gesetzgeberischen Lage selbst in die Hand nehmen. So müsse die Vermarktung dahingehend verbessert werden, dass die Stadt stärker als High-Tech-Standort wahrgenommen werde. Beispielsweise könne in Israel, der „High-Tech-Nation Nummer Eins“, so etwas wie ein Hamburg-Ambassador oder ein Liaison-Office geschaffen werden. Weiterhin sprach sich Ovens dafür aus, das Augenmerk auf eine bessere internationale Vernetzung der zahlreichen privatwirtschaftlichen Accelerators und Coworking Spaces in der Stadt zu legen.

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Schließlich müsse auch Hamburgs eigener Venture-Capital-Fonds zur Förderung der Start-up-Szene deutlich schneller starten. Sein Resümee: „Ziel muss es sein, Geschwindigkeit aufzunehmen, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam voranzubringen und damit die entscheidenden Weichen für Hamburgs Zukunft zu stellen.“

Michael Pachmajer riet dazu, mit den Vergleichen aufzuhören und sich mehr auf die Erfolgsfaktoren zu konzentrieren, die in den USA das Entstehen von Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook ermöglicht hätten. „Der erste Faktor ist das Ökosystem“, sagte Pachmajer und verwies auf das Sili-

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VERANSTALTUNG Podiumsdiskussion

con Valley. Von dort könne man ableiten, was es für uns hieße, ein Ökosystem aus Universitäten, Wissenschaft, Tech-Unternehmen, Start-ups und Leuten mit sehr hoher Risikobereitschaft zu haben. Eben dieses Ökosystem bilde ein Umfeld, das eine sehr starke geographische Sogwirkung auf all diejenigen habe, die bereit seien, neue Ideen mit Mut und Risikobereitschaft zu realisieren.

Ein zweiter Erfolgsfaktor sei die Kultur, einerseits Risiken bewusst einzugehen und andererseits auch dann gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten, wenn etwas nicht sofort funktioniere. In Deutschland tue man sich mit einer Kultur des Scheiterns immer noch sehr schwer. „Dementsprechend müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir diese Anerkennungskultur dahin umdrehen,

dass wir auch die anerkennen, die mehrmals gescheitert sind und es trotzdem immer wieder versuchen.“ Als dritten Faktor nannte Michael Pachmajer Regulation und Protektionismus. So entstünden beispielsweise in China gerade drei große Plattformen, die geschützt vor jeder ausländischen Konkurrenz agieren könnten. „Das sind Spielregeln, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen und ich glaube, eine einzelne Stadt wird dieses Spiel nicht gewinnen, wenn wir nicht ein gesamtgesellschaftliches Konzept haben, wie wir in dieser Plattformökonomie leben, wirtschaften und arbeiten wollen“, schlussfolgerte Pachmajer. Nach der Diskussion auf dem Podium folgte eine ausgedehnte Fragerunde mit dem Publikum. Bei herrlicher Aussicht über die Binnenalster und bestem Sommerwetter lud PricewaterhouseCoopers ■ abschließend zum Get-together ein.

bei herrlicher Aussicht über die binnenalster und bestem Sommerwetter lud PwC abschließend zum get-together ein

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VORFREUDE Advertorial

Weihnachtsmann kommt früher als gedacht

Schon Weihnachten?

Ja, bei STILBRUCH! STILBRUCH, das Gebrauchtwarenkaufhaus der Stadtreinigung Hamburg, ist schneller als so mancher Supermarkt. Ab 19. September bietet STILBRUCH in allen drei Filialen gebrauchte Weihnachtsdeko. Die Lager sind prall gefüllt mit weihnachtlichen Dekoartikeln.

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as ganze Jahr über haben die Sperrmüllabfuhr, die Recyclinghöfe und das STILbRuCH-Team Kerzenständer, Weihnachtsfigürchen, adventliche gestecke und alles, was die Freude auf Rute oder geschenke erhöht, gesammelt, entstaubt und teilweise mit viel Liebe wieder hergerichtet. Nun kann man sich mit Flipflops schon mal auf Weihnachten vorbereiten. Die frühe Freude auf den Weihnachtsmann gibt es in Wandsbek (Helbingstraße 63), in Altona (Ruhrstraße 51) und in den Harburg Arcaden (Lüneburger Str. 39). geöffnet sind alle drei Filialen montags bis sonnabends von 10 bis 18 uhr. STILbRuCH erhält täglich Nachschub an Möbeln, Hausrat und Nippes von der schonenden Sperrmüllabfuhr und den Recyclinghöfen der Stadtreinigung Hamburg und bieten so für jeden geldbeutel Waren von A-Z. Auch online ist STILbRuCH einen besuch wert: Auf der Seite www.stilbruch.de erfahren Interessierte Wissenswertes und Aktuelles über STILbRuCH. Stöbern lässt sich zudem auf dem nichtkommerziellen Tausch- und Verschenkmarkt: Was für den einen nutzlos ist und schnellstens weg soll, kann ein anderer vielleicht noch gut gebrauchen. eine wöchentliche Präsentation der skurrilsten, schönsten und merkwürdigsten Fundstücke, die STILbRuCH zu bieten hat, gibt es ■ auf https://www.facebook.com/Stilbruch.Hamburg.

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VERANSTALTUNG 29. Hanseatisches golfturnier

Golftrophäe nach Schleswig-Holstein Text: Ehrhard J. Heine

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Fotos: enno Friedrich

ie 29. Austragung des von Günter Wienes gestifteten Pokals entschied der Uhlenhorster Dr. Jens Finnern unter gut 40 Teilnehmern auf der Golfanlage Gut Wulfsmühle mit 36 Punkten für sich. Dabei half ihm das Glück des Stechens, denn mit gleichviel Punkten kam auch der Hamburger Carl-Heinz Klimmer ins Clubhaus. Der ging nun aber keineswegs leer aus, denn er nahm für die beste Tagesleistung mit 26 Bruttopunkten ebenfalls einen Preis mit nach Hause. Nach den 18 Löchern, traditionell im Stableford-Modus und diesmal in drei Wertungsklassen ausgespielt, kamen die Spielerinnen und Spieler, die auf den Löchern 1 und 10 im 8-Minuten-Takt gestartet waren, fröhlich zum ersten durstlöschenden Drink auf die Clubhausterrasse. Die zwischenzeitlich in der Halfway-Station eingenommene Stärkung mit hausgemachten Buletten, Würstchen, Kuchen, Wasser und Kaffee brachte nach den ersten 9 Löchern zwar die verlorenen Kräfte wieder zurück, doch die auf Nim-

Frank Lorenz

merwiedersehen verschwunden „Wasserbälle“ blieben noch lange Gesprächsstoff. Der sportliche, in der Pinnau-Niederung zwischen Quickborn und Pinneberg gelegene 18-Löcher-Platz, fand großen Anklang bei den Teilnehmern und war eine Empfehlung von WR-Mitglied Frank Lorenz, der sich auch als Sponsor engagierte. Die Veranstaltungsorganisation lag beim Landesgeschäftsführer Henning Lindhorst (Handicap -14,1) in besten Händen. Er übernahm sowohl die Begrü-

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Siegte beim „Schnuppergolfen“: Gisela-Elsita Rittberger

v.l.: Hauke Harders, Joachim Klopsch und Dr. Jens Finnern

ßung als auch die Ehrung der Sieger und der Platzierten. Als Ehrengast des Abends durfte die kleine Golfgesellschaft auch den Namensgeber des Turniers begrüßen: Der frühere Geschäftsführer Dr. Ernst Werdermann hatte vor drei Jahrzehnten die fabelhafte Idee, ein Wettspiel für die Mitglieder des Wirtschaftsrates zu organisieren. Seitdem wird nun jährlich um den „Ernst-Werdermann-Pokal“ gekämpft. Bei einem köstlichen 3-Gang-Menü (hanseatisch mit Roastbeef und Bratkartoffeln) feierten die Spieler und Gäste

fröhlich plauschend in rustikaler Clubhausatmosphäre auch die SonderpreisGewinner: Der „Longest Drive“ ging an Catharina Schumacher und Dr. Jens Finnern und die 4,03 Meter von Sven Nykamp beim „Nearest to the Pin“, konnte an diesem Tag keiner unterbieten. Erstmals wurden die Mehreinnahmen des Turniers einem guten Zweck gewidmet: So kann sich auf Wunsch des Hauptsponsors Asklepios das Kinderhospiz Sternenbrücke auf eine Spende von fast 2.000 Euro freuen!

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VERANSTALTUNG 29. Hanseatisches golfturnier

entführt ERGEBNISSE (Stableford) Brutto Carl-Heinz Klimmer (Ahrensburg) Klasse A Netto Carl-Heinz Klimmer (Ahrensburg) Jens Scharfenberg (Wendlohe) Dr. Agnus Cassens (Ahrensburg) Klasse B Netto Dr. Jens Finnern (uhlenhorst) Joachim Klopsch (bissenmoor) Detlef Sternberg (An der Pinnau) Klasse C Netto Timm Vollert (Altenhof) Marcus griephan (Strelitz) Holger eschholz (Scharbeutz)

Kirsten Seidensticker

Wie bei jedem Golfturnier bot sich auch diesmal die Möglichkeit als „Golf-Einsteiger“ über einen coachenden Golflehrer erste Eindrücke dieses Sports zu gewinnen. Torsten Schmidt-von-Kleist war begeistert: „Der Golfpro Felix hat geduldig über Golfbahnen, Schläger und Flugkurven doziert. Es war eine tolle Atmosphäre, überhaupt nicht abgehoben. Ich werde demnächst mehr in diesen Zeitvertreib investieren“. ■

26 Punkte 36 Punkte 35 Punkte 34 Punkte 36 Punkte 35 Punkte 35 Punkte 35 Punkte 31 Punkte 29 Punkte

Wir danken unseren Sponsoren:

Dr. Jens Finnern (l.) erhielt den ernst-Werdermann-Wanderpokal aus den Händen des Namensgebers der Trophäe

Conrad Seiffert

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Catharina Schumacher

brutto-Sieger Carl-Heinz Klimmer

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Vor Ort in Hamburg

JWR Business Lounge @Olympus Lebhafte Diskussion mit CIO Dr. Karsten Klose Text: Christian Ströder

Neben dem monatlichen JWRegulars' Table und dem beliebten Kamingespräch ist die JWR Business Lounge mittlerweile das dritte, fest etablierte Veranstaltungsformat des Jungen Wirtschaftsrates in Hamburg. Nach Besuchen bei Hapag-Lloyd, bei den Schaustellern des Hamburger DOMs und beim Hamburg Airport war der JWR nun bei Olympus Europa zu Gast.

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n der Amsinckstraße hat der weltweit führende Hersteller optischer und digitaler Präzisionstechnologie seine Zentrale für die Region Europa, den Mittleren Osten und Afrika (EMEA). Dass sich Olympus als der größte japanische Arbeitgeber Hamburgs klar zur Hansestadt bekennt, beweisen kräftige Investitionen in den Standort: In Hammerbrook entsteht derzeit auf 55.000 Quadratmetern eine neue Unternehmenszentrale, in Jenfeld wird das europäische Entwicklungsund Produktionszentrum um 20.000 Quadratmeter erweitert.

Dr. Karsten Klose Chief Information Officer Olympus europa

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Vor Ort in Hamburg

Empfangen wurde der Junge Wirtschaftsrat vom Chief Information Officer Dr. Karsten Klose. In entspannter Atmosphäre und mit Aussicht auf die „Elphi“ gab er den Gästen einen Einblick in die Unternehmensstruktur und -kultur, ging auf die verschiedenen Geschäftsfelder von Olympus ein und erläuterte, wie das Unternehmen mit einer EMEA-weiten ITTransformation die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung schafft. Interessant waren auch die Einblicke in das Führungsverständnis von Karsten Klose im Rahmen von Agile Leadership ■ bei international verteilten Teams.

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Vor Ort in Hamburg

IDEE 149. Deutsches Derby

Aufs richtige Pferd gesetzt Das wichtigste und am höchsten dotierte Galopprennen in Deutschland, das Deutsche Derby, findet jährlich auf der Horner Rennbahn statt und ist für viele Hamburger ein absoluter Pflichttermin. Text: Christian Ströder

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ie schon in den vergangenen Jahren hatten die Mitglieder des Jungen Wirtschaftsrates Gelegenheit, an der seit 1869 ausgetragenen Traditionsveranstaltung teilzunehmen. Danke an den Hamburger Renn-Club für die Einladung! Auf exklusiven Plätzen im und am VIP-Zelt erlebten die Mitglieder inmitten des Renngeschehens und bei herrlichem

Sommerwetter packende Duelle und zeigten sich begeistert von der einzigartigen Atmosphäre des Galoppsports. Natürlich durfte auch ein bisschen Nervenkitzel dabei nicht fehlen. Es wurden fleißig Wetten platziert und – sofern man auf das richtige Pferd gesetzt hatte – der eine oder andere Gewinn bejubelt.

Zum Höhepunkt des Tages setzte sich der als Mitfavorit angetretene Hengst „Weltstar“ mit Jockey Adrie de Vries in einem mitreißenden Rennen mit einer Halslänge Vorsprung auf der 2.400 Meter langen Strecke durch und sicherte sich vor mehr als 20.000 Zuschauern das be■ gehrte Blaue Band.

Netzwerk für den Dialog von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Seit 1922. Mit Veranstaltungen zu aktuellen und relevanten Themen verbinden wir Personen und Interessen. Engagieren Sie sich mit uns für Wissenschaft in Hamburg – Werden Sie Mitglied!

Telefon 040 44 73 27 www.uni-gesellschaft-hh.de

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1. Warum bist Du Mitglied im Jungen Wirtschaftsrat? Durch meinen Arbeitskollegen wurde ich auf den Wirtschaftsrat aufmerksam. Er berichtete mir von den vielen Events und Diskussionsplattformen, die durch den Wirtschaftsrat angeboten werden. Bereits nach meinem ersten Besuch beim JWRegulars' Table wusste ich: Hier möchte ich mich engagieren! Junge Leute, die in ihrer Freizeit Lust haben, sich einzubringen, ihre Meinung zu vertreten und im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft Themen weiterzuentwickeln. Das begeistert mich nach wie vor. 2. Welche inhaltlichen Themen möchtest Du weiter voranbringen? Durch meine Aufnahme in den Landesvorstand des Jungen Wirtschaftsrates habe ich das große Glück, viele eigene Ideen in die Entwicklung und Ausrichtung unseres Verbandes einfließen zu lassen. Mein Ziel ist es, Menschen zusammenzubringen und ihnen ein gutes Forum zum Austausch und zur Diskussion zu bieten. Wir haben ein großes

Fotos: Christian Ströder

FRAGEN AN EIN MITGLIED

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Portfolio an Veranstaltungen und Kommissionen. Dieses Potenzial gilt es, in den kommenden Jahren zu nutzen und noch weiter auszubauen. 3. Wie bewertest Du die Gemeinschaft der Mitglieder untereinander? Es ist das WIRtschaftsratsgefühl, welches unmöglich zu übersehen ist und für eine positive Grundstimmung sorgt. Ob beim monatlichen Regulars' Table, den Business Lounges, bei Kamingesprächen oder unserem jährlichen Sommerfest. Überall wird man herzlich aufgenommen und eingebunden. Das schafft ein tolles Zugehörigkeitsgefühl und den Ansporn, sich aktiv einzubringen.

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JUBILÄUM Advertorial

50 Jahre Block House

Block House feiert 50. Jubiläum

A m 26. September 1968 eröffnet eugen block sein erstes

block House Restaurant in Hamburg-Winterhude. Daraus ist die heutige block gruppe entstanden, die neben den mittlerweile 51 block House Restaurants 16 weitere unternehmen betreibt. „Ich bin demütig für das, was ich bislang erreicht habe. Mit Stolz blicke ich auf eine vielfältige unternehmensgruppe. Alle unternehmen sind gesund und erwirtschaften gewinn. ein großer Dank geht an unsere Mitarbeiter, die jeden Tag ihr bestes für den gast geben“, betont gründer eugen block. Das erfolgsgeheimnis ist die Markengastronomie: In zuverlässig hoher Qualität ist das Konzept an allen seinen Standorten auf die gleiche, einzigartige Weise für die gäste erlebbar. Auch in Zukunft wächst block House weiter: 2019 hält block House einzug in erfurt, für 2020 ist die eröffnung eines zweiten Restaurants in Düsseldorf geplant. „Wir setzen auf solides Wachstum. Mittelfristig wollen wir zwei bis drei block House Restaurants pro Jahr eröffnen. Vor allem im Westen Deutschlands, in Nordrhein-Westfalen wollen wir weiterwachsen – in dieser Region leben ca. 20 Millionen Menschen. unser Ziel sind Restaurants in Köln und Dortmund, aber auch Leipzig und Dresden sind für uns interessante Städte“, berichtet Stephan von bülow, Vorsitzender der geschäftsführung der block gruppe.

Hoffest, Ausstellung und Festschrift zum 50. Jubiläum Diese einzigartige unternehmensgeschichte feiert block House am 26. September 2018. Zu diesem besonderen Anlass hat eugen block 600 gäste in ein großes Festzelt auf dem Hof seiner Firmenzentrale in Hamburg-Langenhorn eingeladen. „Zu unserem geburtstag feiern wir ein großes Oktoberfest. unter den gästen sind viele langjährige und verdiente Mitarbeiter sowie Hamburgs erster bürgermeister Dr. Peter Tschentscher. es wird ein ausgelassenes Fest, auf das ich mich sehr freue“, sagt eugen block. Durch den Abend führt Moderator Yared Dibaba. Ab dem 15. Oktober 2018 werden in der galerie im elysée zahlreiche Auftragsarbeiten in der Ausstellung „LebensWerke“ und in dem begleitenden Kunstbuch zu sehen sein. Die Künstler Meike Lipp, Tobias Duwe und André Krigar malten unterschiedliche Facetten des unternehmens in Öl auf Leinwand. ehefrau Christa block betont: „Ich wollte mit der galerie im elysée gerne etwas zum block HouseJubiläum beitragen. Die Kunstwerke bilden alltägliche Situationen aus den verschiedensten bereichen unseres Familienunternehmens ab“. WIR IM NORDEN | 3/2018 | Landesverband Hamburg

Das buch „50 Jahre block House – Aus gästen Freunde machen“ von Autor Michael Seufert spiegelt das halbe Jahrhundert Firmengeschichte. Die 208 Seiten erscheinen am 4. Oktober im Verlag Hoffmann und Campe. Die Festschrift hält viele erzählungen von eugen block, seiner Frau Christa, von Mitarbeitern und Wegbegleitern über das Familienunternehmen bereit. „Das buch ist voller Leben, Freude und erinnerungen“, resümiert Michael Seufert. Fünf Jahrzehnte Erfolgsgeschichte Ihren Anfang nimmt die erfolgsgeschichte in der Kindheit eugen blocks, die der unternehmer in Harkebrügge im oldenburgischen Münsterland verbringt. Auf seiner Reise nach Amerika lernt der 25-Jährige ein amerikanisches Steakhouse mit blockhütten-Atmosphäre kennen und hegt seitdem einen Traum: ein eigenes Steakrestaurant in Deutschland. Mutter Maria schickt ihn nach Hamburg: „eugen, geh mal nach Hamburg, das sind feine Leute. Hamburg ist eine weltoffene Stadt – die bietet dir Chancen.“ 1968 ist es soweit – eugen block eröffnet sein erstes block House Restaurant in der Dorotheenstraße in Winterhude. Das Konzept, essen, erlebnis und Kommunikation miteinander zu verbinden, funktioniert: „Als das erste block House ein erfolg war, sagte ich mir: Warum nicht ein zweites?“ 1970 macht eugen block ein weiteres block House Restaurant am Hamburger grindelhof auf. Hinzu kommen weitere Standorte – 1978 sind es zehn, zum 30. Jubiläum 1998 bereits 30 und zum 40. Jubiläum 40 block House Restaurants im In- und Ausland.

DIe bLOCK gRuPPe IN ZAHLeN So hat sich im Laufe der fünf Jahrzehnte aus dem block House Restaurant in der Dorotheenstraße die block gruppe entwickelt. Heute zählt die block gruppe 51 block House Restaurants, davon 10 Franchisebetriebe in Spanien, Portugal, Österreich und der Schweiz; hinzu kommen weitere 16 unternehmen. Insgesamt arbeiten rund 2.500 Mitarbeiter in den 17 gesellschaften, davon ca. 1.300 in den block House Restaurantbetrieben. ein großer Teil der Mitarbeiter der block House Restaurants blickt auf eine langjährige betriebszugehörigkeit, die im Schnitt bei 20 Jahren liegt. Jährlich besuchen block House ungefähr 6 Millionen gäste. 2017 lag der umsatz der block House Restaurantbetriebe in Deutschland bei 126 Millionen euro, die gesamte block gruppe erwirtschaftete 382 Millionen euro.

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MESSERÜCKBLICK Advertorial

SMM: Maritime Branche zeigt Stärke und Innovationskraft zu adressieren und damit Impulse für die Zukunft zu setzen.“ Hoch erfreut zeigt sich Aufderheide auch über den besuch von Kitack Lim, generalsekretär der International Maritime Organization (IMO) auf der SMM. Lim war bei der feierlichen eröffnung der SMM im Hamburger Rathaus, bei der eröffnungs-Pressekonferenz und bei einer Fachkonferenz als Redner zu gast und sprach über die umweltpolitische Agenda der IMO. Hamburgs erster bürgermeister Dr. Peter Tschentscher würdigte zur eröffnung im Rathaus die bedeutung der SMM für den Hafenstandort Hamburg. „Die 28. SMM versammelt alle wichtigen technologischen Innovationen der Wertschöp-

Die SMM 2018 brachte rund 50.000 Fachbesucher aus mehr als 120 Ländern zusammen und unterstrich damit einmal mehr ihre Rolle als Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft. Text: Ehrhard J. Heine

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ie Schwerpunkte des Mottos „Trends in SMMart Shipping“ waren Themen der Digitalisierung und green Shipping. Mit 2.289 Ausstellern aus 69 Nationen und fünf begleitenden Fachkonferenzen erfüllte die SMM die hohen erwartungen der branche und setzte Maßstäbe in Sachen Internationalität und Innovation. begrüßt wurden zudem 15 Wirtschafts- und 12 Politische Delegationen aus dem In- und Ausland. In 13 Hallen mit insgesamt 93.000 m2 Ausstellungsfläche präsentierten die Aussteller ihre Produkte und Dienstleistungen. Die SMM deckt die komplette Wertschöpfungskette der maritimen Wirtschaft ab, bringt internationale entscheider und experten zusammen und hat ihre Position als größte und bedeutendste Messe der globalen maritimen Industrie eindrucksvoll unter beweis gestellt. bernd Aufderheide, Vorsitzender der geschäftsführung der Hamburg Messe und Congress gmbH, gab sich zufrieden: „Die SMM 2018 war ein voller erfolg – nicht nur für uns als Veranstalter, sondern vor allem für die Aussteller und besucher. Wir haben in diesem Jahr wieder das Who Is Who der maritimen Welt in unseren Messehallen versammelt und es hat sich erneut gezeigt, dass die persönliche begegnung von wichtigen branchenakteuren durch nichts zu ersetzen ist. es ist uns gelungen, die wichtigen Themen

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fungskette unter einem Dach und spricht die zentralen Zukunftsthemen der Schifffahrt, der Häfen und der Meere an. Die Fahrrinnenanpassung der elbe wird unseren Hafen international wettbewerbsfähiger machen. Wir entwickeln den Hafen mit weniger Ressourcenverbrauch und mehr Wirtschaftskraft. er ist ein Testfeld für digitale Innovationen, fördert die Landstromversorgung und ressourcenschonende emissionsarme Antriebstechnologien“, sagte Tschentscher. Zum Start der Messe kamen Staatssekretär Dr. ulrich Nussbaum aus dem bundeswirtschaftsministerium sowie rund 500 gäste der globalen maritimen Wirtschaft zur eröffnungsfeier in das Hamburger Rathaus. Digitale Revolution wird zur maritimen Realität Das Motto der SMM „Trends in SMMart Shipping“ hatten die Messeverantwortlichen nicht zufällig gewählt: Digitalisierung ist neben umweltschutz ein zentraler Treiber der branche. Das zeigte sich auch an den Ständen, die häufig mit Touchscreens, Simulatoren und Virtual Reality-brillen versehen waren und damit innovative Techniklösungen erlebbar machten. „In diesem Jahr konnte man richtig sehen, dass die digitale Transformation den maritimen Sektor

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MESSERÜCKBLICK Advertorial

erreicht hat. Die SMM ist ein großartiger Ort, um sich damit zu befassen“, sagt Frank Coles, Präsident der Transas group, die zu Wärtsilä gehört. Das sehen auch andere Aussteller so: „Da die digitale Revolution zur maritimen Realität wird, hat sich die SMM 2018 als die ideale gelegenheit erwiesen, das dynamische Positionierungssystem (DP) Ability Marine Pilot Control als Teil der entwicklung hin zur autonomen Schifffahrt einzuführen“, erklärt Mikko Lepistö, Senior Vice President von Abb. Gmec auf der SMM: Schifffahrt nimmt Kurs auf Klimaschutz Weniger Abgase, mehr effizienz: beim gmec – global maritime environmental congress – diskutierten renommierte experten aus Wirtschaft und Forschung, wie die globale Schifffahrtsbranche die ehrgeizigen umweltpolitischen Ziele der IMO erfüllen und dennoch ihre Dienstleistungen weiterhin zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten kann. „Wir stehen am Anfang eines neuen Kapitels der Seeschifffahrt“, sagte Tian-bing Huang, Deputy Director Marine environment Division bei der International Maritime Organization

(IMO). In seiner Rede zum Start des global maritime environmental congress (gmec) befeuerte er damit gleich die ohnehin spürbare Aufmerksamkeit der Teilnehmer im gut gefüllten Konferenzsaal. Der in Zusammenarbeit mit Seatrade organisierte gmec fand zum fünften Mal statt. Die Schifffahrtbranche steht vor großen Aufgaben. Lichtblicke sind schon jetzt zu sehen. Zahlreiche Fähren fahren mit Hybridantrieb, etliche Schiffe nutzen im Hafen Landstrom oder lassen den bordstrom umweltfreundlich über LNg-bargen erzeugen. In wenigen Wochen geht mit der „AIDAnova“ das erstes Kreuzfahrtschiff der Welt an den Start, das zu fast 100 Prozent mit Flüssigerdgas (LNg) betrieben wird – und zahlreiche weitere LNg-betriebene Kreuzfahrtschiffe stehen in den Auftragsbüchern der ■ Werften.

MESSE-VORSCHAU 2018 Hamburg Messe und Congress 09.10. – 11.10.2018

Messegelände Foyer Ost (eg) Halle b1-b4 Konferenz b an Halle b3

Post-Expo 2018

10.10. – 12.10.2018

Messegelände Halle A4 eingang Mitte

COTECA COFFEE · TEA · COCOA GLOBAL INDUSTRY EXPO

17.10. – 21.10.2018

Messegelände Halle b5-b7 eingang Süd

Hamburg Boat Show DBSV Service

19.10. – 21.10.2018

Messegelände Halle A2-A4 eingang Mitte

HAMBURG MOTOR CLASSICS 2018 Automobile Kultur & Lebensart

02.11.2018 (8:00 - 15:00 uhr) 03.11.2018 (8:00 - 20:00 uhr)

Messegelände Halle b6 eingang Süd

HYROX Youngstars Upsolut Sports HYROX – The Fitness Competition For every body upsolut Sports

15.11. – 18.11.2018

Messegelände Halle A3 eingang Halle A3, Tor A3

Affordable Art Fair Zeitgenössische Kunst von 100 bis 7.500 euro

22.11. – 24.11.2018

Messegelände Halle b1-b7 eingänge Mitte, Ost, Süd

GET Nord Fachmesse elektro, Sanitär, Heizung, Klima · Hamburg

07.12. – 09.12.2018

Hallen b1-b4 (eg) eingang Ost, eingang Süd

Mineralien Hamburg Mineralien, Schmuck, edelsteine, Fossilien

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LANDESFACHKOMMISSION Junges Hamburg

Künstliche Intelligenz Wir müssen den Mittelstand mitnehmen Das Label „Made in Germany“ genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Ganz wesentlich zu diesem Mythos beigetragen hat der Mittelstand. Es sind die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Innovationen entscheidend vorantreiben. Viele von ihnen sind Weltmarktführer, Hidden Champions. Hamburg hat bundesweit die meisten von ihnen.

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Prozent der Unternehmen in Deutschland gehören zum Mittelstand, zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Sie vereinen rund 70 Prozent aller Erwerbstätigen auf sich und beschäftigen 82 Prozent der Auszubildenden. Ihr Anteil an der Nettowertschöpfung liegt bei 55 Prozent. Diese Zahlen sprechen ganz klar für sich. Gleichzeitig sollten sie uns auch eine Warnung sein – was, wenn der Mittelstand irgendwann einmal schwächeln sollte? Neben dem Fachkräftemangel stellt die Digitalisierung die größte Herausforderung für die KMU dar. Die Chancen, die sich durch neue Technologien ergeben, sind enorm. Nicht weniger groß sind allerdings auch die Bedenken, die Verunsicherung und damit die Zurückhaltung, die viele Mittelständler gegenüber dem technologischen Fortschritt – insbesondere der Künstlichen Intelligenz (KI) – immer noch an den Tag legen. Sicher, intelligente Maschinen werden in einigen Branchen Arbeitsplätze ersetzen. Doch droht unserer Wirtschaft eine viel größere Gefahr, wenn sich der Mittelstand nicht voll und ganz auf die Digitalisierung bzw. die Künstliche Intelligenz einlässt.

Dr. Christian Conreder Vorsitzender der Landesfachkommission

Die internationalen Marktkräfte nehmen keine Rücksicht auf die „German Angst“. Während das Interesse an KI bei unseren mittelständischen Unternehmen noch sehr verhalten ist, sind Firmen in China, Indien und den USA, aber auch in anderen europäischen Ländern, viel aufgeschlossener. Kurzfristig ist die Künstliche Intelligenz noch keine wirkliche Bedrohung für die Hidden Champions. Ihr Know-Know, ihre jahre- und vielfach jahrzehntelange Branchenerfahrung und natürlich die hohe Produktqualität garantieren einen gewissen Vorsprung. Mittelfristig wird die Sache aber anders aussehen. KI entwickelt sich rasant weiter und wird ausländische Unternehmen deutlich konkurrenzfähiger machen. Aus dem Vorsprung könnte ein Rückstand werden, wenn der Mittelstand nicht auf den KI-Zug aufspringt. Was es braucht, ist eine aktive Standortpolitik, die den Mittelstand beim Thema Künstliche Intelligenz mitnimmt. Dazu gehört nicht nur, Bewusstsein für das Thema bei den Unternehmen zu schaffen. Es geht auch darum, Rahmenbedingungen zu setzen, die Hamburg im „War for Talents“ (noch) attraktiver machen – denn ohne entsprechende Spezialisten geht es einfach nicht. Die Landesfachkommission Junges Hamburg will einen Beitrag dazu leisten und wird in den nächsten Monaten das Gespräch mit Experten suchen, um Anstöße zu geben und ■ Lösungswege zu erarbeiten.

DER HÖRBUCH-TIPP Paulo Coelho Hippie ungekürzt gelesen von Sven görtz Die Helden in Paulo Coelhos neuem Roman sind der junge Rockmusiker Paulo aus Südamerika und die Holländerin Karla. Als sie sich in Amsterdam begegnen, trifft sie die Liebe wie der blitz. Sie beschließen, gemeinsam aufzubrechen und als Reisende auf dem Hippie-Trail erfahrungen zu sammeln, nach eigenen Werten zu suchen und danach zu leben. Mit an bord sind ihre Freunde Rahul, Ryan und Mirthe sowie die Musik, die damals die Welt aus den Angeln hob.

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Hörbuch: 6 CD 7 Std. 26 Min. erscheint am 26.9.2018 978-3-257-80397-6 € (D) 20.00 / sFr 27.00* / € (A) 22.50 * unverb. Preisempfehlung

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LANDESFACHKOMMISSION Wachstum & Innovation

Hamburg und die Bildung – Wo bleibt die Exzellenz? Im Zeitalter der vierten industriellen Revolution brechen digitale Technologien Wertschöpfungsketten auf und verändern ganze Branchen. Dieser Vorgang betrifft jeden, nicht nur Produzenten, Dienstleister und deren Angestellte, sondern auch Konsumenten – und Konsumenten sind wir am Ende alle, ob wir wollen oder nicht.

I n diesem Zusammenhang ist der Begriff der „Wissensgesellschaft“ entstanden, deren individuelles und kollektives Wissen vermehrt zur Grundlage des sozialen und ökonomischen sowie des medialen Zusammenlebens wird (*1). Universitäten dürfen hier nicht außen vor bleiben. Das tun sie auch nicht – jedenfalls, wenn man über Deutschland hinausschaut. Vom Angelsächsischen ausgehend, hat sich der Begriff der „3rd Mission“ (3. Mission) etabliert für ein gesellschaftliches Engagement, das dem Auftrag der Bildung und der Forschung eine dritte Dimension hinzufügt. Über diese Mission engagieren sich Hochschulen und Universitäten bezüglich gesellschaftlicher Bedürfnisse und stellen ihre Aktivitäten in einen spezifischen, sozio-ökonomischen Kontext. Diese Bemühungen sind in die Hochschulstrategie eingebunden und manifestieren sich im technologie- und ingenieurwissenschaftlichen Bereich u.a. als Technologietransfer (z.B. bestimmte Technologien für Automobilzulieferer in einer von diesem Berufsstand dominierten Region) – einem Vorhaben, in das unsere Gesellschaft an anderer Stelle ganz erhebliche Summen investiert. Fortbildung ist ein weiterer wesentlicher Aspekt. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung ist klar, dass auch andere Fachbereiche, wie die der Rechts- und der Sozialwissenschaften, dankbare Abnehmer für ein derartiges Engagement finden würden.

Dr. Hubert Baltes Vorsitzender der Landesfachkommission

Tatsächlich finden solche regionalen Aktivitäten mittlerweile Eingang in Hochschul-Ranglisten wie das neue europäische „U-multirank“. Das gesellschaft-liche Engagement ist damit unauflöslich mit dem Begriff der Exzellenz verknüpft. Daher müssen auch Hamburgs Gesellschaft und Politik den Wert der 3. Mission erkennen, anerkennen und z.B. als Bestandteil des Curriculums angehender Akademiker wertschätzen lernen. Darüber hinaus muss ein kohärenter, institutioneller Rahmen für solche Aktivitäten geschaffen werden. Ein Beispiel dafür ist die 1993 gegründete „Corporation for National and Community Service“ mit zahlreichen Programmen und Förderprogrammen im zweistelligen Millionenbereich, die aus dieser Institution hervorgehen. Hamburg muss aus seinem Dornröschenschlaf aufwachen: Es muss sein überholtes Verständnis von Hochschulen hinter sich lassen, die Universitäten als aktive Elemente der Stadtentwicklung begreifen und sie vermittels einer nachgewiesenen Exzellenz in die Lage versetzen, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nach vorne zu bringen: Von der Bildungsexzellenz über die Wissensgesellschaft zur Wissenschafts■ metropole! *1: Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Wissensgesellschaft

Der Buch-Tipp für Großeltern: Tatjana Hauptmann Das kleine Märchenbuch Märchen der brüder grimm Sieben Märchen der brüder grimm. Mit Illustrationen von Tatjana Hauptmann »es gibt nur wenige, die so ausdrucksstark und liebevoll zeichnen können wie Tatjana Hauptmann. ganz jung war sie bereits ein Klassiker unter den ganz großen Kinderbuchillustratoren, und bis heute versteht sie es wie keine andere, ihre Charaktere und Welten zum Leben zu erwecken.« Philipp Keel

WIR IM NORDEN | 3/2018 | Landesverband Hamburg

Hardcover Pappband 17,5 × 20,5 cm, 80 Seiten erscheint am 26.9.2018 978-3-257-01244-6 € (D) 14.00 / sFr 19.00* / € (A) 14.40 * unverb. Preisempfehlung

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LANDESFACHKOMMISSION Verkehr, Infrastruktur & Logistik

Up to date: Customer Journey am Hamburg Airport Genau 17.623.136 Passagiere besuchten den Hamburg Airport (HAM) im Jahr 2017. Im Vorjahresvergleich entspricht das einem beachtlichen Zuwachs von 8,6 Prozent. Das Frachtaufkommen verzeichnete mit 75.149 t sogar einen Anstieg um 14,7 Prozent. Ob für Urlauber, Geschäftsreisende oder Unternehmen: Der Hamburger Flughafen ist als der fünftgrößte in Deutschland ein unverzichtbares Tor zur Welt – für die Stadt und die Metropolregion.

Damit der Flughafen diesen Stellenwert behaupten und ausbauen kann, wird kräftig investiert: Einerseits in infrastrukturelle Maßnahmen wie die grundhafte Vorfelderneuerung, neue Flugzeugpositionen an der Pier Süd und eine neue Gepäckanlage. Andererseits verfolgt der Airport eine ambitionierte Zukunftsvision, die der Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler bei der Landesfachkommission Verkehr, Infrastruktur & Logistik folgendermaßen formulierte: „Wir begeistern unsere Passagiere mit digitalen Informationen und Angeboten entlang ihrer gesamten Flugreise.“ Was genau hinter dieser Vision steckt und wie die digitale Transformation die Customer Journey optimieren soll, erläuterte Eggenschwiler anhand aktueller Digitalisierungsprojekte. Die

Prof. Dr. Peer Witten Vorsitzender der Landesfachkommission

die Abfluggates bringe. Auch werde am Hamburg Airport das autonome Parken unter Realbedingungen erforscht. Die Digitalisierungsoffensive des Flughafens bezieht auch die Mitarbeiter und Arbeitsmethoden mit ein. So wurde ein „Digital Airport Experience Team“ ins Leben gerufen, das nach Scrum arbeitet und verschiedene Fähigkeiten und Perspektiven zusammenbringt. Konkret arbeitet das Team an drei Digitalisierungsprojekten zur Passagierinformation, zur Passagierflussmessung und zu den Gepäckservices. Ein „Digital Workplace“ ermöglicht zudem das mobile und vernetzte Arbeiten. Darüber hinaus arbeitet der Flughafen daran, die Abläufe rund um den Flugbetrieb selbst effizienter zu machen. Dazu gehören neben einer neuen, vollautomatisierten Gepäckaufgabe auch eine Verkehrsführung der Flugzeuge über Lichtsignale und eine Automatisierung der Disposition bei den Bodenverkehrsdiensten. In seinem Fazit ließ Michael Eggenschwiler keinen Zweifel daran, wie groß die Bedeutung des Flughafens für die Stadt und die Region ist. Gleichzeitig verwies auf die Wachstumsgrenzen des Airports und betonte, dass dieser auf eine aktive Standortpolitik angewiesen sei. So dürfe es keine weiteren Verschärfungen bei den Nachtflugbeschränkungen geben. Die Kommission dankt Herrn Eggenschwiler für den umfas■ senden Vortrag und konstruktiven Austausch.

Seit 2007 Vorsitzender der geschäftsführung der Flughafen Hamburg gmbH: Michael Eggenschwiler

Grundlage bilde eine neue Website, die zum digitalen Leitsystem entlang der gesamten Customer Journey werden solle. Ergänzt werde sie von den Airport Apps Passngr & Flio, mit denen der HAM kooperiere. Generell begegne der Flughafen Neuerungen mit großer Offenheit, so der Schweizer. Erprobt würden z.B. Virtual Reality und ein Auskunftsroboter namens Pepper. Mit „Gate Delivery“ teste man außerdem als erster deutscher Verkehrsflughafen einen Lieferservice, der online bestellte Snacks und Getränke direkt an

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Landesverband Hamburg | 3/2018 | WIR IM NORDEN


AKTUELLES Aus dem Landesverband

VERANSTALTUNGSVORSCHAU

JuLI

1. November | 6. Dezember* JWRegulars' table des Jungen Wirtschaftsrates

AuguST

9. Oktober 2018 Podiumsdiskussion von JWR und LFK Junges Hamburg „Wie Hamburg blockchain & Co nutzen muss“

SePTeMbeR OKTObeR

16. Oktober 2018 WIRTSCHAFTSRAT vor ORT hinter den Kulissen des Norddeutschen Rundfunks

NOVeMbeR JANuAR FebRuAR

Foto: nell killius

DeZeMbeR

Foto: Körber-Stiftung Claudia Höhne

23. Oktober 2018 Abendveranstaltung mit Prof. Dr. Thomas Straubhaar 5. November 2018 Mittagsveranstaltung vom beirat der unternehmerinnen „Frauen in Aufsichtsräten“ 12. November 2018 Podiumsdiskussion „Zukunft deutscher Schifffahrtskompetenzen in Hamburg und Deutschland“ auf der Cap San Diego

21. Dezember 2018 „Open House“ in der Landesgeschäftsstelle

25. November 2018 WIRTSCHAFTSRAT vor ORT bei der Add Art 10. Dezember 2018* „Schnacken & Backen“ im Kölln Haferland mit Dr. Christian von boetticher

BITTE VORMERKEN

12. November 2018 Wirtschaftstag der Innovationen in berlin

Foto: Hans-Christian Plambeck

23.-25. November 2018* Junger Wirtschaftstag in berlin

Änderungen vorbehalten WIR IM NORDEN | 3/2018 | Landesverband Hamburg

*exklusiv für Mitglieder des Jungen Wirtschaftsrates 37


AKTUELLES Aus dem Mitgliederkreis

WIR BEGRÜSSEN ALS NEUE MITGLIEDER IN DEN LANDESVERBÄNDEN: LANDeSVeRbAND HAMbuRg alanta health group GmbH Kerstin Alhajsuleiman Marketing Manager Inspection Services germany | Lloyd's Register Deutschland gmbH Andreas Breitner Verbandsdirektor | VNW – Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.

Simone Muggenburg Leitung zentrales Marketing J.J. Darboven gmbH & Co. Kg

Jasmin Grothe (JWR) Controlling, geschäftsleitung | grothe bau gmbH & Co. Kg | Lübeck

Nordsee One GmbH

Jana Grzybowski (JWR) Referentin Regionalgeschäftsführung Regio Kliniken gmbH | elmshorn

Enno Scheel geschäftsführender gesellschafter alanta health group gmbH

Paul Hemkentokrax Stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. | Flensburg

EHA Energie-Handels-Gesellschaft mbH & Co. KG

Julian Stenzel geschäftsführer | IVu Informationssysteme gmbH

Dr. Michael Foth geschäftsführer | Dr. Foth business Consulting

VNW – Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.

Detlev Hinselmann geschäftsführer | Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn mbH | bad Oldesloe

Jan-Oliver Heidrich geschäftsführer | eHA energie-Handelsgesellschaft mbH & Co. Kg

Peter Wirnsperger Partner | Deloitte gmbH Wirtschaftsprufungsgesellschaft

Marko Ibsch geschäftsführer | Renewables Advisory germany | Kaiser-Wilhelm-Koog

Jannis Holthusen geschäftsf. gesllschafter | upchain gmbH

Dr. Thomas Zengerly Vorsitzender der geschäftsführung Deutsche Shell Holding gmbH

Nicole Jackmann (JWR) Rechtsanwältin | Wiegert Werner Rechtsanwälte Partnerschaft mbb | Kiel

Andreas Zimmermann geschäftsführender gesellschafter Changepoint Advisory gmbH

Dr. Gabriele Lehmann geschäftsführende Inhaberin | Public Marketing Dr. Lehmann (PML) | Lübeck

Sebastian Katzung geschäftsführer | eNbACe gmbH

LANDeSVeRbAND SCHLeSWIg-HOLSTeIN

Otto Melchert | Winsen an der Luhe

Tim Kittelhake geschäftsführer | Nordsee One gmbH

Angela Bartels Regionalgeschäftsführerin Nord Sana-Kliniken Ag | elmshorn

Philipp Klasberg Kundenberater Industrie Region Nord Aon Holding Deutschland gmbH

Maximilian Borchert (JWR) betriebsleiter | Landwirtschaftlicher betrieb M. borchert | barsbüttel

Dr. Holger Koschorz Vice President governmental & Public Affairs Senvion gmbH

Claudia Büsgen geschäftsführende gesellschafterin Central-bau gmbH | Kiel

IVU Informationssysteme GmbH Benjamin Jonas Project Manager business Development ReISSWOLF International Ag

Nikolai Krebs gründer und geschäftsführer | Comgatus ug Alexander Leuchte gründer | Keleya Digital-Health Solutions ug Marian-Maximilian Martens Founding Partner & COO | M-TRIbeS gmbH

DNV GL Energy | Kaiser-Wilhelm-Koog Beate A. Fischer Rechtsanwältin | Jannsen Feddersen Stark & Otzen | Husum Regina Först geschäftsführende Inhaberin | People Först 1st Speaker + expert | bordesholm

Arne Petersen geschäftsführer | Messe Husum gmbH & Co. Kg | Husum Gilles Pluntz geschäftsführer | Ferring Arzneimittel gmbH | Kiel Aleksandra Samatova (JWR) | Hamburg Hans-Ewald Schneider geschäfsführender gesellschafter Hasenkamp Holding gmbH | Frechen Dr. Andreas Schröter geschäftsführer | DNV gL energy Kaiser-Wilhelm-Koog Ralf Timm geschäftsführender gesellschafter Sanitäts-bedarf und Medizintechnik Nord gmbH | Rendsburg

Mitmachen! ■ ■ ■

Ich möchte zu Veranstaltungen des Wirtschaftsrates eingeladen werden. Ich habe Interesse an einer Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat. Für eine Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat empfehle ich: Name Funktion Firmenanschrift Telefon

e-Mail

Ich habe Interesse, eine Anzeige oder einen PR-Artikel in WIR IM NORDeN zu veröffentlichen. bitte senden Sie mir die Mediadaten zu.

Ich möchte WIR IM NORDeN in meinem unternehmen auslegen. ■ 20 Stück ■ 50 Stück ■ 100 Stück

bitte senden Sie uns unter Angabe Ihrer Kontaktdaten eine Antwort per e-Mail: lv-hh@wirtschaftsrat.de, Fax: 040-30 38 10 59 oder Post: Wirtschaftsrat der CDu e.V., Colonnaden 25, 20354 Hamburg.

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Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein | 3/2018 | WIR IM NORDEN


EDITORIAL

Dr. Christian von Boetticher Landesvorsitzender Schleswig-Holstein

als aufmerksamer Beobachter darf man sich zunehmend fragen, ob das Raumschiff Politik nur zu träge ist oder nicht schon längst die Bodenhaftung verloren hat. Nach zwei Legislaturperioden sozialdemokratischer Arbeitsmarktpolitik hat die große Koalition den Kurs mit dem neuen Teilzeitgesetz nahtlos fortgesetzt, stößt die SPD eine neue Debatte über Renten- und Steuererhöhungen und liebäugelt unser Ministerpräsident in SchleswigHolstein mit Koalitionen zu den Linken. Es ist klar, dass sowohl die Unternehmer als auch die bürgerlichen Kreise auf diesem Kurs zunehmend verloren gehen, und es ist vollkommen unklar, ob sie nach einem politischen Kurswechsel wieder zurückkehren würden.

ganze Reihe von Krisenszenarien, die Deutschland zuvorderst treffen, weil unser Wohlstand auf dem Export beruht. Nicht nur, dass Russland, die Türkei und der Iran wirtschaftlich zu erodieren und womöglich zu kollabieren drohen, sondern auf der anderen Seite zetteln auch die U.S.A. einen Mehrfrontenhandelskrieg mit China, Kanada und auch Europa an. Die sich für die Weltwirtschaft abzeichnenden Risiken dürfen nicht ignoriert werden. Vor diesem Hintergrund ist es goldrichtig, wenn die Kanzlerin nach Afrika reist, nicht nur um die unkontrollierte Zuwanderung einzudämmen, sondern um dem Kontinent neue Perspektiven

»... sorgloser Tanz auf dem Vulkan« Nicht nur die Politik scheint sich vermehrt in einer Blase zu bewegen, sondern auch die Gesellschaft verliert den Blick für die Zusammenhänge. Jedenfalls muten viele gesellschaftlichen Debatten zunehmend wie ein sorgloser Tanz auf einem Vulkan an, der unter ihren Füßen immer stärker brodelt, aber nicht wahrgenommen wird. Die guten Zahlen in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen und die gute Beschäftigungslage sind wesentlich begründet durch eine Ultraniedrigzinsphase, die irgendwann enden wird. Insofern sind viele politische Schecks, die jetzt gezogen werden, am Ende vielleicht gar nicht gedeckt. Der gesetzliche Mindestlohn und seine regelmäßige Anhebung sind ein gutes Beispiel dafür. Die Gewerkschaften feiern seinen Erfolg, und selbst die CDU kennt bald nur noch Befürworter, aber den Praxistest erlebt das Instrument erst in einer Krise, und dort wirkt dieses Instrument krisenverschärfend, wenn es sich nach unten als weniger flexibel als die Reaktionsfähigkeit der Tarifparteien erweist. Wenn Sonderrenditen durch Umstellung der Staatsverschuldung auf niedrige Zinsen politisch verfrühstückt werden, wird das Gejammer groß sein, wenn die Zinsen plötzlich wieder steigen. Auch explodierende Kaptaldienste wirken dann krisenverschärfend. Zudem droht international gleich eine

WIR IM NORDEN | 3/2018 | Landesverband Schleswig-Holstein

und unserer Wirtschaft zugleich neue Märkte zu eröffnen. Und es ist ebenso richtig, wenn zusätzliche Haushaltsmittel in Infrastruktur und Forschung investiert oder zum Abbau von Haushaltsrisiken genutzt werden. Es ist dagegen grundverkehrt und grob fahrlässig, wenn die bürokratischen Regulierungen immer weiter verschärft und immer neue Umverteilungsideen debattiert und beschlossen werden. Wer meint, die letzte Krise sei die Allerletzte gewesen, der lebt in einer Utopie und wird nicht verantwortungsvoll führen können. In diesem Sinne ist zuvorderst die Union als größte deutsche Volkspartei gefordert, einen deutlichen Kurswechsel zu vollziehen und mit dem Verblassen der Erinnerungen an die letzte Krise die Vorsorgemaßnahmen zu verschärfen und Reserven aufzufüllen. Nur dann kann sie mittelfristig wirklich weiterhin als Volkspartei erfolgreich sein. Ihr

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INTERVIEW Landesverband Schleswig-Holstein

Foto: Christian Ströder

„Statt Ruhe würde Jamaika mehr unternehmerisches Handeln guttun“ Im Interview: Dr. Christian von Boetticher

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Landeschef Dr. Christian von Boetticher im Gespräch – Mehr Zusammenarbeit mit Hamburg

Seit gut einem Jahr wird Schleswig-Holstein von einer JamaikaKoalition aus CDU, FDP und Grünen regiert. Hat dieses Bündnis die Erwartungen aus Sicht der Wirtschaft erfüllt? Was fordert der Wirtschaftsrat von dem deutschlandweit einmaligen Bündnis bis zum Ende der Legislaturperiode 2021? Diesen und anderen Fragen stellt sich Dr. Christian von Boetticher, Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU in Schleswig-Holstein, im Interview mit Holger Hartwig, Agentur Hartwig 3C.

Der Spiegel hat im Juni die Jamaika-Koalition in Kiel als MusterWG bezeichnet und den Akteuren eine gute Bilanz attestiert. Hat Jamaika auch Ihre Erwartungen erfüllt? Nein, wie auch. Das wäre nach einem guten Jahr kaum möglich. Außerdem wäre es auch ein Wunder, wenn ein Bündnis mit grüner Beteiligung den Erwartungen aus der Wirtschaft gerecht werden würde. Es haben sich im Gegenteil einige böse Überraschungen aufgetan, denen die Koalition jetzt versucht, Herr zu werden. Insgesamt gebe ich der Koalition die Note 3.

nicht oberste Regierungspflicht. Es gilt nämlich: Dort, wo die Ruhe verwaltet wird, bereitet sich niemand auf die Herausforderungen von morgen vor. Manches Mal würde unternehmerisches Handeln, wo das Diskutieren oder konstruktives Ringen um Sachentscheidungen in Führungsgremien selbstverständlich dazu gehört, auch der Kieler Regierung guttun.

Warum die Note befriedigend? Das Bündnis arbeitet geräuschlos, und es herrscht unter den Beteiligten ein gutes Klima. Das ist in der heutigen Zeit, in der schon innerhalb von CDU und CSU in Berlin die Fetzen fliegen, etwas Besonderes. Nun wissen wir aber bereits aus Schulzeiten, dass der ganz Ruhige nicht automatisch der Beste ist. Ruhe ist für mich

Sie sprachen von „einigen bösen Überraschungen“... Ja. Das gilt vor allem für das Thema Verkehrsinfrastruktur. Die Unternehmer im Land sind schon enttäuscht, dass das Versprechen vor der Wahl nicht eingehalten wird, sofort mit dem weiteren Bau der A 20 zu beginnen. Nun passiert bis zum Ende dieser Wahlperiode vermutlich gar

„Wir sind enttäuscht, dass bis Ende der Wahlperiode nichts passiert“ von boetticher zum baustillstand der A 20

nichts. Das ist der rot-grünen Vorgängerregierung zu verdanken. Sie hat in grober Weise vertuscht, wie weit der Planungsrückstand tatsächlich war und ist. Das bedeutet im Klartext: An dem noch jahrelangen Stillstand hat der jetzige grüne Regierungspartner einen wesentlichen Anteil. Die, die fünf Jahre lang dafür gesorgt haben, dass die A 20 nicht vorwärtskommt, loben jetzt, dass es so ruhig ist. Ich frage mich: Warum ist es so ruhig? Weil auch in den nächsten Jahren bei den großen Verkehrswegen nichts passiert. Das wissen die Grünen genau. Unser gesamtes Land hat das Nachsehen. Haben Sie denn nicht den Eindruck, dass im Bereich der Infrastruktur – abgesehen von der A 20 – mit dem neuen Wirtschaftsminister Dr. Buchholz frischer Wind weht? Doch. Der Minister, der aus der Wirtschaft kommt, ist in Wirtschaftskreisen absolut geschätzt. Die Defizite, die wir haben, packt er mit Nachdruck und pro-

Landesverband Schleswig-Holstein | 3/2018 | WIR IM NORDEN


INTERVIEW Landesverband Schleswig-Holstein

fessionell an. Der Minister macht, was er im Moment machen kann. Sicherlich wird jetzt planerisch die Kuh langsam vom Eis geholt. Gleichwohl wird bei den beiden Großprojekten – A 20 und Fehmannbeltquerung – weiterhin lange nichts passieren. Und ich bin sehr gespannt, wie sich die Grünen verhalten, wenn wirklich mit dem Bau angefangen werden kann, und ob – wenn es dann ernst wird – die Koalition dann weiter so ruhig arbeitet. Aus

„Es wird zur Belastung, wenn mit einer Gießkanne durchs Land gegangen wird“ von boetticher zur Finanzpolitik

meiner Sicht schlummert hier eine politische Baustelle. Ich befürchte: Nur so lange nichts zu befürchten ist, ist alles schön und alle haben sich lieb.

STICHWORTE HSH-Nordbank: Lieber ein ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne ende. Beitragsfreie Kita: Ich werde nie begreifen, warum einkommensmillionäre bei der betreuung ihrer Kinder beitragsfrei gestellt werden müssen. Das ist ein gießkannenprinzip, was unserem Sozialstaat nicht gerecht wird. Wirtschaftsförderung: Ich bin schon froh, wenn die unternehmen in Ruhe gelassen werden und die bürokratie nicht weiter zunimmt. Wir fühlen uns beim jetzigen Minister ganz gut aufgehoben. Mittelstandsbeirat: Aus meiner Sicht ein Placebo. es ist schon immer so, dass der zuständige Minister bei allen Themen alle betroffenen Verbände angehört und einbezogen hat. er hat nur leider selten auf diese Verbände gehört, aber das verändert kein beirat, sondern allein der politische Wille. Zusammenarbeit mit Hamburg: Das Thema ist von schleswig-holsteinischer Seite auf einem guten Weg. Von Hamburger Seite sehe ich viel bedarf, sich nicht mehr so mit sich selbst zu beschäftigen, sondern mehr gemeinsam zu denken für größere Schritte in vielen bereichen, beispielsweise der Wissenschaftspolitik und bei der Weiterentwicklung der Häfen. Wir brauchen für den Süden unseres Landes und Hamburg eine gemeinsame entwicklungsplanung. Davon sind wir noch viel zu weit entfernt. Mir fällt dazu das XFeL-Projekt in Schenefeld ein, das weltweit einzigartig ist. Hier bieten sich Perspektiven für exzellenzforschung und auch eine Start-up-Szene, die sich aus der grundlagenforschung heraus entwickelt. Ich höre wenig, wie es dort weitergeht. Der einzige beschluss der beiden Länderparlamente dazu ist bisher, dass das Institut auch mit einem Fahrradweg angebunden werden soll, damit besucher leichter hinkommen. Regionalplanung Wind: Still ruht der See. Hier sind wir leider in einer Phase, wo – auch durch die Rahmenbedingungen aus berlin – große Investitionen und entwicklungen auf sich warten lassen. Das ist zu bedauern. Bildungspolitik: Wir müssen hier bei den Hochschulen mehr in Clustern statt in Standorten denken und mit Hamburg gemeinsam Schwerpunkte setzen. und was die allgemeinbildenden Schulen betrifft: es sollte uns zu denken geben, dass der Privatschulsektor stark wächst. Für mich ist der grund dafür die teilweise zu schlechte Ausstattung der Schulen bzw. die zukunftsorientierte Qualifikation der Lehrer. Wobei mir wichtig ist, dass es nicht an der einstellung der Lehrer liegt. Die müssen nur teilweise mit Ausstattung und Materialien arbeiten, die teilweise Jahrzehnte alt sind.

WIR IM NORDEN | 3/2018 | Landesverband Schleswig-Holstein

Trotz Ihrer Kritik haben Sie vor wenigen Wochen gesagt, dass „es spürbar ist, dass an einigen Stellen in Kiel die Ärmel hochgekrempelt werden“. An welche Stellen denken Sie dabei? Das ist so. Wir merken, dass viel gefördert und vorangebracht wird. Das ist in Zeiten voller Kassen auch nicht so schwer. Mir wird allerdings noch zu wenig von dem aktuell zur Verfügung stehenden Geld für Investitionen und zu viel im konsumtiven Bereich ausgegeben. Im Bildungsbereich verstehe ich das. Aber ob wir wirklich eine zweite Einsatzhundertschaft bei der Polizei brauchen, stelle ich in Frage. Wenn die Steuereinnahmen wieder sinken, wird es zur Belastung, wenn wie jetzt wieder mehr Beamte eingestellt werden, mit der großen Gießkanne durchs Land gegangen und fast jeder Wunsch erfüllt wird. Mehr Vorsicht, mehr unternehmerisches Denken, in guten Zeiten auch etwas zurückzulegen, und eine stärkere Konzentration auf Investitionen und Tilgungen wären wünschenswert. Gibt es denn für Sie weitere Beispiele für das Hochkrempeln der Ärmel? Ja, ich finde, dass die Bildungsministerin Prien einen ausgesprochen guten Job macht. Es gibt wieder Schulnoten ab Klasse 3, neue Anforderungen an Deutsch und Mathematik und die Beendigung Rechtschreibexperimente in den Grundschulen, und auch bei der Lehrerausbildung wird etwas für die MINT-Fächer unternommen. „Wir fordern eine Stabsstelle als Antreiber und Aktionspläne“ von boetticher zur Digitalisierung Die Digitalisierung ist eines der zentralen Themen der Zukunft. Setzt Jamaika aus Ihrer Sicht bei diesem Thema ausreichend Akzente? Hier hat vor allen Dingen die Union einen wirklich kapitalen Fehler gemacht: Wir wissen, dass im Bund zurecht eine zentrale Stelle im Kanzleramt zur Koordinierung geschaffen wurde. Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe. Aus meiner Sicht kann diese Aufgabe nur von der Spitze gesteuert werden. Auch für Schleswig-

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INTERVIEW Landesverband Schleswig-Holstein

Holstein wäre es gut gewesen, wenn die Staatskanzlei eine solche koordinierende, antreibende und verknüpfende Stelle bekommen hätte. Ich muss oben wissen, wohin ich will. Da fehlt es mir an Klarheit und zielgerichtetem Zupacken. Das Thema einer Partei und einem Ministerium zu überlassen ist aus meiner Sicht gefährlich. Jetzt macht es das grün-geführte Umwelt- und Landwirtschaftsressort... Ja, und wir hören aus diesem Bereich bisher absolut gar nichts. Und der neue zuständige Minister kommt bekanntlich aus dem EU-Parlament und hat sich dort um das Thema Datenschutz gekümmert. Jeder Unternehmer kann ein Lied davon singen, welchen bürokratischen Wahnsinn wir in diesem Bereich derzeit erleben. Die meisten Vorgaben kommen mit der Datenschutzgrundverordnung aus Brüs-

sel – und dort hat der neue Minister als Parlamentsberichterstatter maßgeblich an diesen Regelungen mitgewirkt. Mir fehlt die Fantasie, dass dieser Mann, der Big Data vorwiegend unterbinden will, als neuer Digitalminister in unserem Land mit großen Schritten die Digitalisierung voranbringt. Dabei ist das ein Thema, das ganz wesentlich über die Zukunft unseres Landes entscheidet. Das ist eben kein Unterbereich des Datenschutzes, sondern betrifft alle Bereiche unseres Lebens. Und wenn wir nicht US-Konzernen oder den Chinesen die Wirtschaft der Zukunft überlassen wollen, brauchen wir bessere Rahmenbedingungen. Wir benötigen mehr Bewusstsein, wohin wir wollen und nicht weitere Einschränkungen. Sonntagsreden zu diesem Thema werden jedenfalls genug gehalten. Es muss nun endlich mehr angepackt werden.

Was fordern Sie also konkret als Wirtschaftsrat? Eine Stabstelle in der Staatskanzlei, die auch das zuständige Ministerium kontrolliert und zugleich ressortübergreifend Antreiber ist. Und einen Aktionsplan in jedem einzelnen Ministerium. Es reicht einfach nicht aus, dass wir beim Glasfasernetzausbau in unserem Land durch die vielen örtlichen und dezentralen Initiativen gut aufgestellt sind. Kritik haben Sie an nach der Regierungsbildung daran geübt, dass für zehn Themen, darunter Häfen, Elektromobilität, Tourismus und digitale Medien von der Koalition Strategien und Konzepte erst erarbeitet werden sollen. Sehen Sie sich heute darin bestätigt? Ja, wobei es zu früh ist, dort schon ein Fazit zu ziehen. Hier wird die Regierung in den nächsten zwei Jahren – gerade auch bei strittigen Themen – liefern müssen. Ich hoffe, das passiert. Was sind Ihre Erwartungen für die nächsten Jahre in Kiel? Es muss der Anspruch der Union bleiben, eine Regierung alleine zu stellen und dann gute Politik zu machen. Das mag jetzt vermessen klingen, aber je mehr Koalition und Partner nötig sind, umso mehr sind lähmende Kompromisse gefragt. Insofern ist Jamaika nur die aktuell beste Lösung. Die Union braucht wieder mehr Selbstbewusstsein. Aus Sicht des Wirtschaftsrates: Was sind für Sie die TOP 3 Themen, bei denen Jamaika Gas geben muss? Erstens bei der Verkehrswegeplanung. Zweitens bei der Bildungs- und Forschungsförderung und drittens bei der Frage, wie dem Facharbeitermangel begegnet werden kann. Hier wird es bundesweit erforderlich sein, dass wir ein neues Einwanderungsgesetz schaffen, dass die Einwanderung von hochqualifizierten Kräften nach Deutschland erleichtert und Rahmenbedingungen schafft, mit denen wir weltweit im Wettbewerb um kluge Köpfe attraktiv sind. Allerdings ist es ein Irrweg, zu glauben, hochqualifizierte Menschen kämen, um unseren Pflegenotstand zu beseitigen. Dazu braucht es schon Änderungen in unserem Sozialsystem. ■

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

Qualitätsfragen entscheidend für die Zukunft gebührenfinanzierter Medien Haben die gebührenfinanzierten Medien in Deutschland noch eine Existenzberechtigung? Wie steht es um die Qualität des Journalismus? Diese beiden Fragen standen im Mittelpunkt einer lebhaften Podiumsdiskussion der Sektion Kiel Ende Juni im Kieler Hotel Steigenberger Conti Hansa. Text: Holger Hartwig

M oderator Dr. Bertram Zitscher, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates Schleswig-Holstein, stellte zu Beginn die These auf, dass ARD und ZDF mit ihren vielfältigen Fernseh-, Rundfunk- und Digitalangeboten „ihrem primären Auftrag der hochwertigen Informationsversorgung zur Stärkung der freien Meinungsbildung im Interesse von Demokratie und Vielfalt immer weniger gerecht werden“.

v.l. Prof. Dr. Christoph Degenhart (uni Leipzig), Anke Schwitzer (NDR-Rundfunkrat), Prof. Dr. Jörn Radtke (FH Kiel) und Moderator Dr. Bertram Zitscher

Informationsinhalte seien immer mehr durch Unterhaltung zurückgedrängt worden. Es habe eine schleichende Anpassung an das inhaltliche Angebot der privaten Medien gegeben. Passend zur Überschrift „Innovationsfähigkeit unserer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten“ stellte er die Frage: „Sollten ARD und ZDF die Unterhaltungsinhalte radikal reduzieren und sich nur noch auf qualitativ hochwerte Informationen konzentrieren?“ Zudem könnte dann nach Prüfung eine Senkung der GEZ-Gebühren erfolgen, „damit dann mit diesem Geld jeder die

Angebote auf dem freien Markt abonnieren kann, die ihm gefallen“. Dr. Zitscher lieferte mit seinen Gedanken eine Steilvorlage für Dr. Christoph Degenhardt. Der Professor für Staats-, Verwaltungs- und Medienrecht an der Universität Leipzig unterstrich die Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Aufgabe der Informationsund nicht der Unterhaltungsversorgung hat. „Aber wo ist die Grenze: Ist eine Talkshow oder eine Sportübertragung Information oder Unterhaltung?“, fragte Dr. Degenhardt in seinem Vortrag unter

Seit Gründung des ÖRR in seiner heutigen Form hat sich die Medien- und Anbietervielfalt in Deutschland substanziell erhöht

Quelle: bundeszentrale für politische bildung, Media Perspektiven 1/2011, McKinsey-Analyse

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

Das Medienangebot ist seit 1990 bedingt durch Privatsender, Pay-TV und Internet etwa 6- bis 7-mal so stark gestiegen wie die Nachfrage

1 TV und Radioangebot gemessen an Sendeminuten, Print gemessen an veröffentlichten Zeitungen und Zeitschriften, Internet gemessen an verfu ̈gbarer Datenmenge (Index 2000)

̈tz), Denic, McKinsey-Analyse Quelle: ARD/ZDF-Langzeitstudie, bDZV, IVW (Stichtagssammlungen des Pressestatistikers Walter J. Schu

der Überschrift „Abschied von der medialen Rundum-Versorgung?“. Heute spreche man nicht mehr von einer Grundversorgung, sondern „struktureller Diversifikation“. Damit sei gemeint, dass quotenunabhängiges Kontrastprogramm zu privaten Anbietern gewährleistet werden soll. Dazu gebe es einige radikale Reformansätze, die auf den Grundsatz der Subsidiarität setzen. Dabei gehe es auch um die Frage, ob die Gebühren und in welcher Höhe noch zu verantworten seien. Hinzu komme die Problematik, dass das Publikum, das die Angebote von ARD und ZDF nutzt, immer älter werde. „Die Gewohnheiten der jungen Menschen gehen in ganz andere Richtungen. Und sie stellen sich die Frage: Warum soll ich neben der Rente von Opa auch noch Opas Fernsehen bezahlen?“

Für Dr. Degenhardt kommt es darauf an, dass sich die gebührenfinanzierten Anbieter „sich in Zeiten der Überflutung mit Informationen als Insel der Glaubwürdigkeit behaupten und deshalb kann die Frage nach der Zukunft nicht ohne die Frage nach der Qualität der Inhalte gesehen werden.“ Mit Spannung erwarte er deshalb die weiteren Entscheidungen über Beschwerden zur Gebührenpflicht durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Bevor Anke Schwitzer, Mitglied im NDR-Rundfunkrat, berichtete, wie die Qualitätsanforderungen und Beschwerdemanagement beim NDR aufgestellt sind, ging Dr. Jörn Radtke, Professor im Fachbereich Medien an der Fachhochschule in Kiel, auf die Frage ein, wie Recherche und Glaubwürdigkeit die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Im europäischen Vergleich sind die Programmkosten des deutschen Öffentlich-rechtlichen Rundfunks pro Sendestunde auf Platz 1

1 De: Das erste, ZDF; gb: bbC1, bbC2; FR: France 2, France 3, France 5; IT: Rai 1, Rai 2, Rai 3; eS: La 1, La 2; Se: SVT1, SVT2; NO: NRK1, NRK2; NL: NPO1, NPO2, NPO 3; DK: DR 1 2 Adjustiert auf deutsches Preisniveau basierend auf eurostat Preisleveldaten 3 IHS-Schätzung der Programmkosten der jeweiligen Hauptsender (s. Fußnote 1)

sicherstellen können. Zunächst erläuterte er die Grundprinzipien und Funktionsweisen des Journalismus aus wissenschaftlicher Sicht. Dabei machte er deutlich, dass jedem Medienkonsumenten klar sein müsse, dass „Journalismus sich nur an der Objektivität orientieren könne, weil er aus der Vielzahl der vorliegenden Informationen selektieren muss und natürlich dabei auch persönliche Haltungen und Positionen eine Rolle spielen“. Seiner Ansicht nach befinde sich der Journalismus in Zeiten der digitalen Informationsflut in einer Glaubwürdigkeitskrise. Es sei deshalb für den Journalismus wichtig, sich wieder verstärkt auf die zentralen Grundregeln, z.B. fundierte Recherche und Trennung von Bericht und Meinung, zu konzentrieren. Dr. Radtke: „Die Glaubwürdigkeit ist der Schlüssel zum Ganzen. Journalisten sollten mehr Einblicke in ihre Arbeit, ihre Arbeitsprozesse und ihre Entscheidungen bringen, weniger selbstherrlich und dafür mehr kritikfähig sein.“ Für einen guten Journalisten müsse es selbstverständlich sein, dass er Beschwerden ernst nehme und mehr Transparenz schaffe. Bei der sich anschließende Diskussion mit den Gästen des Abends wurde deutlich, dass mit Blick auf die weitere Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehr Qualität in der Informationsversorgung gewünscht wird. Unterhaltungsinhalte sollten deutlich reduziert werden. Auch gelte es, die Strukturen der Funkhäuser kritisch mit dem Ziel zu hinterfragen, perspektivisch mehr Geld für Qualitätsjournalismus zur Verfügung ■ zu stellen.

Quelle: IHS, essential Television Statistics, YLe, McKinsey-Analyse

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VERANSTALTUNG Sektion Pinneberg

Milliardenprojekt als Motor für Forschung und Start-Ups

Foto: Agentur Hartwig3c

XFeL-geschäftsführer Prof. Dr. Robert Feidenhans´l (rechts) informierte über die Chancen für Wissenschaftler aus aller Welt durch die supraleitende beschleunigungstechnologie

Die weltweit einmalige Forschungseinrichtung European XFEL in Schenefeld war das Ziel der Mitglieder der Sektion Pinneberg. „Ausgründungen aus der Exzellenzforschung“ – unter dieser Überschrift stand der Informationsbesuch der von zwölf europäischen Ländern getragenen Einrichtung, die nach einer Planungs- und Bauzeit von über einem Jahrzehnt im September 2017 eröffnet wurde. Text: Holger Hartwig

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evor es tief in den Untergrund in die Experimentierhalle und in den 3,4 Kilometer langen Forschungstunnel ging – dieser reicht vom Deutschen ElektronenSynchrotron Zentrum DESY in HamburgBahrenfeld bis nach Schenefeld –, informierte Professor Dr. Robert Feidenhans’l, Geschäftsführer und Vorsitzender des XFEL-Projektes, über Möglichkeiten, die sich für Wissenschaftler aus der gesamten Welt durch die neue supraleitende Beschleunigungstechnologie ergeben. „Wir können hier sehr intensive und ultrakurze Röntgenblitze für die Erforschung von atomaren Strukturen und dynamischen Prozessen erzeugen.“ Das Einsatzgebiet der Röntgenstrahlungsquelle, die 27.000 Lichtblitze pro Sekunde schafft und von

Forschern aus aller Welt genutzt wird, seien vielfältig und umfassen die Bereiche Biologie, Medizin, Pharmazie, Chemie, Materialwissenschaften, Physik, Astrophysik, Energieforschung, Umweltforschung, Elektronik, Nanotechnologie und Photonik. Feidenhans’l: „Es ist möglich, atomare Details beispielsweise von Viren und Zellen zu entschlüsseln oder dreidimensionale Aufnahmen von Nanostrukturen zu machen. Wir werden so die Entstehung neuer Materialien verstehen und beeinflussen können, die Struktur von Biomolekülen aufklären und mit diesem Wissen bessere Medikamente ohne Nebenwirkungen entwickeln können.“ Aktuell seien in Schenefeld etwa 400 Menschen bei XFEL beschäftigt, und in den nächsten

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Jahren sollen in Ergänzung zu dem heutigen Forschungszentrum, in das bereits 1,5 Milliarden Euro investiert wurde, ein Gästehaus und eine Kantine entstehen. Im zweiten Teil des Besuchs ging es um die Frage, wie aus den Forschungen von XFEL und DESY, das bereits seit 1959 für Spitzenforschung in der Hansestadt bekannt ist, Impulse für neue Unternehmen entstehen können. Dr. Christina Claßen und Denny Droßmann, beim DESY für den Bereich Innovation und Technology-Transfer, berichteten über die Aktivitäten zur Unterstützung junger Wissenschaftler. Ziel ist es, Starthilfe zu geben, um aus gewonnenen Erkenntnissen marktfähige Produkte und damit DESY zu einer Wiege für neue Unternehmen zu machen. Droßmann: „Wir wollen mit unserer Technologie-Transferstelle das StartUp-Denken der Wissenschaftler forcieren und so Ausgründungen aus der Exzellenzforschung ermöglichen“. Aktuell seien fünf StartUps aktiv. Dr. Claßen: „Unsere Beratung und Unterstützung reicht von Schulungen in kaufmännischen Fragen über Workshops bis hin zu gezielten Treffen, bei denen Wissenschaftler und Kaufleute zusammengebracht werden.“ Pinnebergs Sektionssprecher Jens Sander zog eine positive Bilanz des Besuches. Hatte er in seiner Begrüßung die Frage aufgeworfen, ob es gelingen könne, XFEL zur norddeutschen Variante des erfolgreichen Forschungszentrums Garching bei München mit vielen innovativen Unternehmen zu machen, zeigte er sich am Ende überzeugt von den guten Möglichkeiten der unternehmerischen Wertschöpfung, die sich für die Region ergeben ■ könnten.

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Schleswig-Holstein

Die fünfte industrielle Die Digitalisierung erwirkt nicht nur disruptive Umbrüche in gewachsenen Märkten, sondern ebenso technische Fortschritte, die neue technologische Entwicklungen beflügeln. Zugleich weisen die Ausschläge bei den Wagniskaptialfonds in den U.S.A. auf einen Innovationsschub in der Agrartechnik hin. Es spricht einiges dafür, dass die fünfte industrielle Revolution aus der Biologie kommen und deutlich mehr Branchen befruchten wird. Text: Dr. Bertram Zitscher

Vor diesem Hintergrund und mit dem Ziel, die deutsche StartUp-Kultur auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen und frühzeitig über Chancen zu informieren, hatte der Junge Wirtschaftsrat Wissenschaftler nach Hohenlieth eingeladen. Dort hatte die Norddeutsche Pflanzenzucht Hans Georg Lembke KG als innovatives Saatzuchtunternehmen großzügig die Gastgeberrolle übernommen. Thema: Ungeschöpfte biologische Potentiale. Zuvor stellte die Leiterin Züchtungsinnovation und Sortenzüchtung der NPZGruppe, Dr. Gunhild Leckband, das gastgebende Unternehmen mit seinen ca. 270 Beschäftigten in Norddeutschland und eine Auswahl von Projekten aus den betrieblichen Züchtungsforschungen vor, die nicht nur den Ertrag, sondern auch die Nährstoffeffizienz, Resistenzen, Saatgutqualitäten und Inhaltstoffe entwickeln möchten. Die Teilnehmer zeigten sich sehr beeindruckt von der Forschungsintensität der Unternehmensgruppe und der Breite des Spektrums der Entwicklungsprojekte. Aus der Wissenschaft eröffnete Dr. Maike Lorenz, Kuratorin der Sammlung

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Gentechnisch veränderte Pflanzen: Anbaufläche weltweit 1996-2016 in Millionen Hektar

Quelle: Zahlen ISAA, Christian Jung, Plant breeding Institute, university of Kiel

von Algenkulturen der Universität Göttinger (SAG), die Vorträge. Sie stellte zunächst klar, dass Algen ein Sammelbegriff sei, der nicht nur Pflanzen, sondern u.a. auch Pilzarten oder Augen-, Schwanz- oder Wimpertierchen umfasse. Zu unterscheiden seien marine Makroalgen, z.B. Rotoder Braunalgen, aus denen in Algenfarmen Carrageene oder Algine für Lebensmittelzusatzstoffe, aber auch für medizinische Zwecke gewonnen werden. Die SAG extrahiere dagegen Mikroalgenstämme, wovon es weltweit schätzungsweise 400.000 verschiedene gäbe. Davon seien bisher nur 10.000 in Reinkultur reproduzierbar. Die SAG pflege gut 2.200 und versende diese auf Anfrage für Schulen und Forschungszwecke gegen Gebühr. Einen Überblick liefere die Online-Datenbank unter www.epsag.uni-goettingen.de. 10 Prozent der Anfragen kämen aus dem kommerziellen Bereich, wie z.B. von einer Dachdeckerfirma, die biofilmresistente Pfannen entwickeln will. Dazu hätte man erst einmal im Rahmen eines Forschungsprojektes klären müssen, welche Arten dort gewöhnlich siedeln. Das Feld der Mikroalgen sei noch weitgehend unerforscht, obgleich die Anwendungsmöglichkeiten breit gefächert seien: Von der primären Futterproduktion über das Färben z.B. von Fischen, die Extraktion von Vitaminen oder ungesättigten Fettsäuren, die Düngung bis hin für Zwecke

des Umweltmonitoring oder der Produktion regenerativer Energieträger wie Wasserstoff oder Ethanol. Lorenz sieht noch weitere Nutzungspotentiale wie im Bereich Antifouling, Gefrier- oder auch UV-Schutz. Dr. Philipp Ciba betreut die Deutsche Zellbank für Wild- und Nutztiere „Alfred Brehm“ der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik, die tierische Stammzellkulturen erforscht und nutzbar macht. Die massenhafte Zellvermehrung und Gewebeherstellung findet z.B. in der regenerativen Medizin Anwendungsfelder wie die Regeneration von Knorpeln und Haut, aber auch anderer Organe. Die Cryo-Brehm sammelt dagegen Zellkulturen von Tieren, die nahe dem Nullpunkt eingefroren und so langfristig erhalten werden können, wofür man mit einer Reihe von Zoos wie der Arche Warder oder dem Tierpark Hagenbeck kooperiere. Ziel sei nicht nur die langfristige Bewahrung, sondern auch eine nachhaltige Nutzbarkeit. Prof. Dr. Heiko Hamann von der Universität zu Lübeck kommt dagegen nicht aus der Biologie, sondern aus der Informatik und berichtet über europäische Forschungen für eine Symbiose von Robotern und Pflanzen. Im Grundlagenforschungsprojekt „flora robotica“ hätten sich Informatiker, Biologen, Mechatroniker und Ar-

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Schleswig-Holstein

Revolution chitekten zusammengefunden, um Bauwerke wachsen zu lassen. So ganz ungewöhnlich sei dies nicht. Bewohner im Dschungel ließen beispielsweise Brücken aus Lianen wachsen. Neu sei der Einsatz von Robotern. In Verbindung mit Tieren gäbe es bereits vielfältige Anwendungen, und mit Blick auf den Menschen werde derzeit viel geforscht, bei den Pflanzen stehe man indes noch ganz am Anfang. Die Vorteile liegen auf der Hand: Pflanzen schaffen wohlige Atmosphären und wachsen praktisch kostenlos und ohne Umweltbelastung, wenn man vom Einsatz des Roboters absieht. Für erste Versuche habe man Kletterbohnen mit blauem Hochleistungs-LED-Licht rautenförmig zwei Meter hochdirigiert. Vibrationen mögen sie nicht. Später sollen die Pflanzen ihre Wünsche nach Wasser und Licht an die Roboter signalisieren, damit diese sie optimal versorgen. Bis zu gewachsenen Häusern und von Drohnenschwärmen versorgten Städten ist der Weg zwar noch weit. Dafür scheinen die Möglichkeiten für neue Entwicklungen noch unermesslich. Als viertes berichtete Prof. Dr. Christian Jung über Biotechnologien zur genetischen Verbesserung von Nutzflächen. Der Leipniz-Preisträger aus dem Jahr 2005 brachte allerdings niederschmetternde Botschaften für die Biotechnologie am Standort Deutschland. Während um die Jahrtausendwende die genehmigten Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen schnell bis auf 500 pro Jahr hochgeschnellt waren, setzten anschließend systematische Feldzerstörungen den Entwicklungen ein brutales Ende. Die letzten drei Versuche in Deutschland datieren auf das Jahr 2012, seitdem sei der Standort Deutschland mausetot. Und wenn man sich die Programme der Parteien anschaut, dann lehnen nicht nur die Linken und die NPD grüne Gentechnik ab, sondern ebenso die SPD, die Grünen und selbst die CSU. Die CDU habe im Jahr 2009 eine sachliche Diskussion gefordert und wollte die Forschungskompetenz erhalten. Das Gegenteil sei eingetreten, obgleich im selben Jahr eine gemeinsame

v.l. Prof. Dr. Christian Jung, Dr. Maike Lorenz, Prof. Dr.-Ing. Heiko Hamann, Dr. Philipp Ciba, Dr. Gunhild Leckband, Tobias Loose MdL und Lars Osterhoff

Erklärung von 100 Nobelpreisträgern und eine aller namhaften deutschen Wissenschaftsorganisationen vor dem nachhaltigen Schaden für den Forschungsstandort Deutschland gewarnt hatten. Inzwischen seien alle forschenden Unternehmen in die U.S.A. oder in andere europäische Staaten, wie z.B. in die Niederlande oder nach Schweden, abgewandert. Die Entwicklung sei nicht nur fatal, weil derweil die weltweiten Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen sich in den letzten beiden Jahrzehnten auf inzwischen über 180 Millionen Hektar mehr als verzehnfacht haben, sondern auch, weil es in der Methodenvielfalt von Züchtungstechniken bis hin zur lupenreinen Gentechnik ein fließendes Spektrum gebe, das die Geschwindigkeit des Zuchterfolges beschleunige, aber nicht die Qualität der Ergebnisse. Für unsere Natur und Umwelt sei es vollkommen unerheblich, ob eine ideale Pflanze durch klassische Züch-

tungstechniken oder z.B. durch eine erhöhte Mutationsauslösung beschleunigt entwickelt werden konnte. Leider dominiere in Deutschland in dieser Frage politische Agitation auf der Basis von Unkenntnis und Angst, weshalb der Standort auch in absehbarer Zukunft keine Perspektiven für die weltweite biotechnologische Forschung bieten wird. Lars Osterhoff, Sprecher des Jungen Wirtschaftsrates, der zu dieser Veranstaltung eingeladen hatte, stellte abschließend fest, dass Norddeutschland im Bereich Zellforschung über hervorragende Expertisen und Forschungseinrichtungen verfüge. Wichtig für die Zukunft des Standortes sei nicht nur ein politisches Umdenken bei der Gentechnik, sondern auch eine Ausrichtung der StartUp-Kultur auf die unternehmerischen Chancen dieser nächsten großen Innovationswelle, die sich für die Biotechnologie weltweit ■ deutlich abzeichne.

Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland (1990-2018)

Quelle: Christian Jung, Plant breeding Institute, university of Kiel | grafik: gestaltungskomitee / I-bIO

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VERANSTALTUNG Sektion Segeberg

Neue Landesplanung für Schleswig-Holstein Die Korsettstangen für die Landesplanung Bad Bramstedt müssen flexibilisiert werden. So der Tenor bei der Sektion Segeberg. Hans Hinrich Neve MdL, planungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein und Mitglied im Landesplanungsrat Schleswig-Holstein, stellte die Eckpunkte der neuen Jamaika-Koalition zur zukünftigen Landesplanung vor.

Der scheidende Sektionssprecher Christian Sowada (r.) mit Hans Hinrich Neve MdL

Text: Dr. Bertram Zitscher

D

er Abgeordnete brachte jedoch nicht nur Vorstellungen für eine Flexibilisierung mit, sondern auch Ansätze für eine Zementierung. Flexibilität werde über eine raumordnerische Experimentierklausel geschaffen, die unter bestimmten Kriterien und im Konsens der beteiligten Kommunen Perspektiven für innovative Konzepte eröffne. Der neue Landesentwicklungsplan werde voraussichtlich am 1.1.2021 in Kraft treten und solle dann nicht mehr nur verbieten, sondern auch etwas erlauben. Zudem würden Gewerbegebiete zukünftig gemäß dem Achsenkonzept entlang der Autobahnen planerisch vorgesehen, was Wachstum ermögliche. Die Wohnraumkontingente für die Kommunen wolle man auf Null setzen und ein Wachstum von 10 Prozent oder 15 Prozent stichtagsbezogen auf den bis dahin genehmigten Wohnungsbestand erlauben. Dabei müssten die Abstandsregelungen zu Windkraftanlagen und die Flächenwünsche von Landwirtschaft und Gewerbe sowie der Raum für unterirdische Speicher in einen Einklang gebracht werden. „So weit so gut!“, stellte Sektionssprecher Christian Sowada fest. Dann aber schrillten bei ihm alle Alarmglocken,

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nachdem der Abgeordnete ergänzend die politisch gewünschten Zementierungen geschildert hatte: Jamaika plane bis zum Jahr 2036 ein totales Verbot von Fracking, ein totales Verbot von grüner Gentechnik und ein Gebot für Glasfasertechnik beim Ausbau. „Das ist nicht nur wissenschaftsund wirtschaftsfeindlich, sondern vollkommen verrückt. Niemand weiß jetzt, wie die Techniken in zwanzig Jahren entwickelt und politisch zu beurteilen sind.“, kommentierte Sowada. Neve MdL, als Landwirt mit einem Milchviehbetrieb mit Flächenmaßen und Nutzungen vertraut, hatte aber noch mehr zu berichten. Schleswig-Holstein verbrauche derzeit statistisch gemessen 2,7 Hektar Fläche pro Tag. Man möchte auch in Berlin gerne die Flächensparsamkeit forcieren, wofür der gemessene tägliche Flächenbedarf auf 1,3 Hektar mehr als halbiert werden solle. Auch dies trieb Sowada Sorgenfalten auf das Gesicht. Großartige Straßenbauprojekte stünden vor der Tür, der Wohnungsbau solle wachsen und neue Gewerbegebiete entstehen, während der tägliche Flächenbedarf halbiert werden soll. Der Widerspruch wurde in der anschließenden Diskussion dadurch verschärft, dass ein Kiesabbaugebiet

als Flächenverbrauch gewertet werde, obgleich die Fläche anschließend naturschutzrechtlich hochwertiger einzustufen sei als vor dem Abbau. Und wenn die Landesplanung nicht für neue Kiesabbaugebiete sorge, müsste der Kies via Schiff und Straße von weit her herangeschafft werden, um der perspektivisch drastisch steigende Nachfrage nach Kies zu begegnen. Damit drohe eine deutliche Verteuerung aller Bauprojekte in Schleswig-Holstein einschließlich der großen Brückensanierungen und Neubauten. Sowada resümmierte, daß die Aufgaben für den Wirtschaftsrat ganz offenbar nicht abreißen würden. Nach zehn ereignisreichen Jahren als Sprecher der Sektion wolle er den Staffelstab dennoch an den frisch gewählten Michael Hannemann weiterreichen. Der Landesgeschäftsführer dankte Sowada für seinen großartigen ehrenamtlichen Einsatz und viele wichtige Impulse, wie die aus dieser Veranstaltung. Zementierungen für die Landesplanung dürfe es grundsätzlich nicht geben, und die Statistiken für den Flächenverbrauch erscheinen grundlegend revisionsbedürftig, falls sie zukünftig nicht nur deskriptiv, sondern auch normativ wirken sollen. ■

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Vega de Terrón Régua

Pinhão

Porto

SCHIFFSREISEN

DOURO

Lamego

Salamanca

Advertorial

Barca d‘Alva

Im nächsten Urlaub mit dem Schiff durch Portugal

Nichts ist schöner, als im Urlaub besondere Momente zu erleben und Neues zu entdecken. Nirgendwo geht das besser als auf einer Flusskreuzfahrt mit A-ROSA. Wer sich traumhaften Landschaften, malerischen Städten oder den lebensfrohen Metropolen Europas vom Wasser her nähert, der erlebt dies alles völlig neu. Denn hinter fast jeder Flussbiegung wartet ein neues Abenteuer, das entdeckt werden will.

S

o auch auf dem Douro in Portugal, dem neuen Fahrtgebiet der A-ROSA Flussschiff gmbH. erstmals bietet das Rostocker unternehmen im nächsten Jahr Reisen durch das älteste geschützte Weinbauangebiet der Welt an. Zwischen Mai und November 2019 stehen insgesamt 28 Termine zur Auswahl. Start- und Zielhafen der 7-Nächte Reisen auf dem Douro ist Porto. Damit bietet sich ausreichend gelegenheit, durch die herrliche Altstadt zu schlendern, den Ausblick vom höchsten Kirchturm Portugals zu genießen oder sich eins von den sprichwörtlich 365 Stockfisch-gerichten schmecken zu lassen. Außerdem können die gäste auf einem Ausflug Salamanca entdecken. Für die einen ist das spanische Salamanca eine Stadt der bildung, weil die universität weltbekannt ist. Für die anderen eine Stadt des glaubens, weil die riesige Kathedrale das Stadtbild so unverwechselbar macht. Viele große Persönlichkei-

ten sind schon durch das charakteristische uni-Portal gegangen. 1492 hat zum beispiel Kolumbus hier vor versammelter Professorenschaft für seine erste expedition geworben. eine Reise auf dem Douro bietet besonders viel Abwechslung: schroffe Felswände, sanfte Hügel, Felder mit Korkeichen und Olivenbäumen. und dann natürlich die terrassenartig angePreisbeispiel 7-Nächte „Douro erlebnis“ ab Porto über Porto Antigo, Régua, Pinhão, barca d’Alva, Vega de Terrón zurück nach Porto Termine zwischen Mai und November 2019, ab/bis Porto, Preis ab 1.699 euro pro Person inklusive Flug in der Doppelaußenkabine Kategorie S, Premium alles inklusive: buffets, hochwertige getränke auch außerhalb der Tischzeiten, Nutzung des SPA- und Fitnessbereichs, Transfers sowie viele weitere Leistungen im Reisepreis inklusive sind.

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legten Weinberge. Rund um die Orte Vila Real, Lamego und Peso da Régua erstreckt sich Alto Douro, Heimat des Portweins, älteste Weinbauregion der Welt und ebenfalls uNeSCO-Welterbe. Hier sind die traditionsreichen Quintas zu finden. Jedes Jahr im September und Oktober, wenn die Trauben groß und schwer an den Weinreben hängen, beginnt für die Weinbauern im Dourotal die wichtigste Zeit des Jahres: die Weinlese. und damit für die A-ROSA gäste die Möglichkeit bei einem Ausflug zu einer der Quintas der Region bei der Weinlese dabei zu sein. Für die Portugal-Reisen baut die Reederei ein neues Schiff, welches im Frühjahr 2019 getauft wird. Mit einer Länge von knapp 80 Metern und vier Decks hat der Neubau eine Kapazität von maximal 126 Passagieren. und ist ausgestattet mit vielen Annehmlichkeiten wie großzügige Kabinen und Suiten, Swimmingpool und Minigolf sowie einen Fitness- und Wellnessbereich mit Sauna. und wie üblich ist auch das neue Schiff ein schwimmendes Premium-Hotel, das seine gäste ganz einfach überallhin begleitet. Der Neuzugang in der Flotte wird gerade gebaut. und im Mai 2019 heißt es dann zum ersten Mal „Leinen los!“ Mehr Informationen, buchung und Katalog im Reisebüro, unter Telefon +49-381/20 26 001 oder www.a-rosa. ■ de/flusskreuzfahrten.

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

Wertvolle Autos, Kunstwerke, Comics:

Trend als Chance für Schleswig

Foto: Agentur Hartwig3c

Sind kulturelle Sachwerte eine alternative Kapitalanlage in Zeiten ultraniedriger Zinsen und wie kann Schleswig-Holstein von diesem Trend profitieren? Diese beiden Fragen waren das Thema einer Veranstaltung der Sektion Kiel Anfang Juli in der Filiale der Sydbank. Text: Holger Hartwig Der Trend zu kulturellen Sachanlagen als Chance für Schleswig-Holstein? Über diese Frage sprachen in Kiel (v.l.): Dr. Fillipo Pignatti Morano (Costoza Family Office), Dr. Carl-Heinrich Kehr (Principal Mercer Investments), David Arendt (The Directors´ Office), Moderator Dr. Bertram Zitscher und Rasmus Joensen (Sydbank)

E

xperten aus dem In- und Ausland berichteten über ihre Erfahrungen mit neuen Anlageformen und über die Möglichkeit, mit Spezialimmobilien für die Einlagerung der Sachwerte wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Moderator Dr. Bertram Zitscher, Landesgeschäftsführer des Wirtschaftsrates in Schleswig-Holstein, formulierte es in seiner Einleitung provokant: „Wohin mit dem ganzen Geld, wenn Kapitalanlagen teilweise Minusrenditen zu bieten haben?“.

Es sei weltweit ein Trend hin zu Kulturgütern – vom Oldtimer, Comics, über Kunst bis hin zu exklusivem Schmuck – spürbar. Die Herausforderung bei diesen Gütern sei häufig, diese hochwertig und sicher einzulagern. In Europa gebe es ein derartiges Lager bisher schon in

Warum in Old-Youngtimer investieren?

Quelle: © 2018, The Classic Car Fund LTD.

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Luxemburg. Der Dialog mit den Experten sollte die Frage beantworten, wie Schleswig-Holstein von dem Trend – beispielsweise durch die Schaffung eines Freihafens modernen Typs nach luxemburgischen Vorbild – profitieren könnte. Bevor es konkret um die Spezialimmobilien ging, zeigte Dr. Carl-Heinrich Kehr (Principal Mercer Investments) auf, dass Anlagen in Sachgüter keinesfalls nur auf die Leidenschaft einzelner finanzstarker Mäzene oder Kulturbegeisterter zurückzuführen sind. „Auch institutionelle Anleger, beispielsweise Pensionsfonds, Stiftungen oder Versorgungskassen, setzen verstärkt auf diese Anlagen.“ Dabei gehe es dann anders als beim Privatanleger darum, ein diversifiziertes Portfolio zusammen zu stellen, sichere Einlagerungen zu ermöglichen und „ausreichend Transaktionspartner zu finden, weil Renditen erst bei Wertsteigerung durch Erhalt und letztlich einen Weiterverkauf erzielt werden“. Dr. Kehr: „Der Anteil dieser alternativen Kapitalanlagen wächst seit 2011 kontinuierlich. Insofern könnte es auch künftig einen Markt für Spezialimmobilien geben, in denen die Güter eingelagert werden.“ Wie diese Spezialimmobilien funktionieren, das zeigte David Arendt (The

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

-Holstein? Directors´ Office) auf. Er war an dem Aufbau des „Le Freeport Luxembourg“ beteiligt, der einzigen rund 6.000 Quadratmeter großen Spezialimmobilie dieser Art in Europa. Arendt sieht in den Depots einen Markt der Zukunft. 2018 würden mit Spe-

lich. Diese müsse beantworten, welche Güter in Frage kommen und ob regionale Stiftungen und Museen Interesse haben. Zweiter Schritt wäre dann die Entscheidung, ob lediglich ein Lager oder ein passendes Ökosystem mit Werkstatt, Ausstellungsraum und Handel installiert werden solle. Darüber hinaus müssten noch zollund steuerrechtliche Fragen (Freihandelszone oder offenes Zolllager) beantwortet werden. Arendt: „Aus meiner Sicht wäre es für ein solches Projekt sinnvoll, auch die

Allokationen deutscher Investoren – zwei Anlegertypen

Quelle: Mercer Asset Allocation Survey 2017

zialgütern weltweit etwa 700 Milliarden Euro bewegt. Mit Blick auf die Ansiedlung einer solchen Immobilie in SchleswigHolstein in zentraler Lage an einer Autobahn und mit Anschluss an Häfen und Flughäfen sei eine Marktanalyse erforder-

Soll in Kiel ein Zollfreilager für Luxusgüter errichtet werden? Umfrageergebnis der Kieler Nachrichten So haben die Leser abgestimmt (727 Stimmen): 65 Prozent Ja (469 Stimmen) 35 Prozent Nein (258 Stimmen) Diese Online-umfrage ist nicht repräsentativ Quelle: Kieler Nachrichten

öffentliche Hand als Partner dabei zu haben, um die Seriosität zu unterstreichen.“ Bevor es dann zum Gedankenaustausch zwischen Rednern und Publikum kam, berichtete Dr. Fillipo Pignatti Morano (Costoza Family Office Zürich) über ein praktisches Beispiel für einen funktionierenden Sachanlagenfonds. Seit etwa sechs Jahren ist er nach eigenen Worten mit einem Fonds für Oldtimer erfolgreich. Die Rendite sei mit sechs Prozent stabil. „Autos sind für viele eine alternative Anlage, die sie ruhig schlafen lässt und die sie dazu noch genießen können.“ Ein Auto könne nicht in Konkurs gehen, und angesichts der weltweiten Nachfrage sei ein Investment relativ risikolos. Wichtig sei, dass für die Fahrzeuge eine gute Lagerung und Pflege gewährleistet werde. Mit Blick auf den Gastgeber der Veranstaltung, der Sydbank, merkte er an: „Für Banken kann das ein gutes Geschäftsmodell sein, um vor allem an neue Kunden heranzu■ kommen.“

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LANDESFACHKOMMISSION bildung & Wirtschaft

Das friktionierte deutsche Schulsystem und seine Folgen F

rau Ines Strehlau MdL stellte als bildungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen deren schulpolitischen Vorstellungen vor. Bezogen auf die aktuelle Schulpolitik sei auch Kompromissbereitschaft gefragt. Man stehe für Kompetenzraster oder Berichtszeugnisse anstelle von Notenzeugnissen bis zur achten Klasse. Viel Projektarbeit sei erwünscht, der Unterricht sollte eher schüler- als lehrerzentriert stattfinden. Sie wolle Frontalarbeit nicht verteufeln, aber Teamarbeit sollte gestärkt werden. Aus der Sicht der Grünen bestimme noch zu sehr das Elternhaus über den Bildungserfolg, weshalb man für eine „Schule für alle“ plädiere. Der Volksentscheid in Hamburg habe aber alle Politiker wieder geerdet, die Gesellschaft sei noch nicht reif. Man stehe dennoch für eine Binnendifferenzierung in heterogenen Schulklassen im Gegensatz zu einer Außendifferenzierung, die man nicht für zielführend halte. Bei digitalen Infrastrukturen stehe man für „bring your own device“. Die finanziellen Mittel des Landeshaushalts seien leider endlich. Bei der Lehrerfortbildung müsse man sich bewegen. Die Grünen stehen im Übrigen für mehr Eigenverantwortung der Schulen und eine daran angepasste Führungsstruktur. Bezogen auf die Unterrichtsversorgung wären 103 Prozent besser als fast 100 Prozent, dafür müsste man den Zugang besser für Seiteneinsteiger öffnen. In der anschließenden Diskussion wurde angemerkt, dass das Verbot von Außendifferenzierungen im Widerspruch stehe zu dem Ziel einer verbesserten Unterrichtsversorgung und dass nur ein dominantes Leistungsprinzip als Maßstab für eine faire, elternhausunabhängige Auslese von besonders förderungswürdigen Schülern vernünftig erscheine. Die Kommission befürworte Schulartempfehlungen und Leistungstests, wenn die Lehrerempfehlung von den Eltern nicht akzeptiert werde. Jens Grützmacher, geschäftsführender Gesellschafter, Grützmacher & Engler GmbH & Co. KG (Hamburg), Head Hunter mit Sitz in Hamburg merkt an, dass man früher Vorstände, Geschäftsführer, Ingenieurexperten und IT-Fachleute vermittelt habe, inzwischen würden auch Vorstandsassistenten, Verkäufer, Kundenberater oder Sachbearbeiter nachgefragt. Bei den Karriereparametern der Kandidaten spiele der Wohnort eine große Rolle. Schleswig-Holstein habe mit den glücklichsten Menschen dazu gute Argumente. Natürlich müssten am Ende die Finanzen und die Stellung in der Hierarchie stimmen, und die Branche dürfe für den Kandidaten kein Tabu sein. Eine ganz entscheidende Frage sei aber immer wieder die parallel zu entscheidende Schullaufbahn für die Kinder. Diese Frage sei nur schwer befriedigend zu klären, weil der schulpolitische Flickenteppich durch unterschiedliche Schularten oder Schuldauer wie G 8 / G9 inzwischen unüberschaubar friktioniert sei. Die sich daraus ablei-

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Dr. Peter Rösner Vorsitzender der Landesfachkommission

tenden Fragen, welcher Wechsel möglich und welcher nicht erlaubt ist, seien speziell. Eine fehlende oder nicht rechtzeitige Klärung provoziere schnell das Scheitern eines sonst attraktiven Wechsels. Grützmacher plädiert deshalb für eine Clearingstelle für das Land Schleswig-Holstein. Wenn diese Unsicherheiten schnell geklärt werden könnten, hätte Schleswig-Holstein im bundesweiten Wettbewerb um Fachkräfte einen „First-Mover“Vorteil. Andréa Riedel, Schulbeauftragte für Gymnasien, am IQSH (Institut für Qualitätsmanagement Schleswig-Holstein), erläutert den Vorbereitungsdienst des IQSH, der Schulen und Lehrkräfte unterstütze. Das Institut biete vielfältige Qualifizierungs- und Beratungsleistungen an, um Impulse für guten Unterricht zu setzen und innovatives Denken zu fördern. Mangelfächer in Schleswig-Holstein seien vor allem Chemie, Kunst, Mathe, Musik Physik und Religion. Dafür biete das IQSH besondere Ausbildungen für Direkt-, Seiten- und Quereinstiege sowie Anpassungslehrgänge und Eignungsprüfungen. Beim Seiteneinstieg böten Absolventen gleichgestellter Hochschulen mit einem abgeschlossenen Studium und mehrjähriger Berufserfahrung dringend benötigte Unterrichtsfächer an. Eigenverantwortlicher Unterricht von 15 bis 18 Stunden wöchentlich erfordere zuvor Qualifizierungsmaßnahmen, die auch berufsbegleitend möglich seien. Für eine Bereitstellung bzw. Anwerbung von Lehrkräften für das Angebot internationaler Schulabschlüsse könnten grundsätzlich auch muttersprachliche Lehrkräfte aus dem Ausland angeworben werden. Solche Abschlüsse seien jedoch inhaltlich nicht zwangsläufig mit den deutschen gleichzusetzen. Aus der Sicht des Wirtschaftsrates wäre es wünschenswert, wenn in SchleswigHolstein englischsprachige Schulangebote mit anerkannten Abschlüssen zumindest in den größeren Städten angeboten werden könnten. Das erfordere neben dem Wunsch der Kommune und der Schule auch eine entsprechende Unterstützung des Landes bei der Gewinnung der dafür notwendigen Lehrkräfte. Diese müssten qualifiziert sein, englischsprachigen Fachunterricht nach den gültigen fachdidaktischen und methodischen Erkennt■ nissen durchzuführen.

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LANDESFACHKOMMISSION energiewirtschaft

Fachhochschulforschung für die Energiewende stärken! Folgende Themen standen auf der Agenda der letzten Sitzung: Der gastgebende Prof. Dr. Holger Kapels stellte das FraunhoferInstitut für Siliziumtechnologie ISIT als Keimzelle des Clusters Leistungselektronik vor. Schwerpunkte seien Leistungselektronik sowie Mikrofertigungsverfahren und ihre Anwendung, wofür man mit Industriepartnern zusammenarbeite und Reinraumkapazitäten gemeinsam nutzen könne. Die Gründung eines neuen Fraunhofer-Institutes für Speichertechnologie sei politisch gewünscht, jedoch noch unklar. In Schleswig-Holstein sei dafür genügend Know-how vorhanden. CTO Dr. Stefan Permien stellt die Custom Cells Itzehoe GmbH vor, die maßgeschneiderte Lithium-Ionen-Batterien entwickelt: Je nach Materialauswahl und Verwendungszweck würden unterschiedliche Bauformen und Chemien entwickelt und angeboten. Der größte Wachstumsmarkt werde in der Automobilbranche gesehen. Energiedichte, Ladezeit und Reichweite sollen optimiert werden. Kernmarkt sei die EU mit Speziallösungen, nicht mit Massenproduktion. Dafür würden Prototypen und Kleinserien aufgebaut und getestet. Anwendungsgebiete seien auch z.B. die Luftfahrt, Gabelstapler, Haushalt, Medizin und die Marine. Schleswig-Holstein hat also nicht nur im Bereich der Leistungselektronik, sondern auch im Bereich der Batteriespeicher erfolgreiche High-Tech-Unternehmen, die weitere Argumente für einen gezielten Ausbau des Clusters in Schleswig-Holstein im Zuge der Energiewende liefern. Bernd Voß MdL, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Schleswigholsteinischen Landtag, stellte zur Hochschulforschung für die Energiewende die Anträge seiner Fraktion zu Themen wie z.B. Power to Gas, E-Mobilität, Methanisierung von Wasserstoff, Ausbau der Solarenergie und zum Atomausstieg vor. Es bestünde in Schleswig-Holstein weiterer Bedarf an erneuerbaren Energien und an großen Speichern. Dazu brauche es Forschung und Entwicklung. Andreas Hein MdL, energiepolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, stimmte zu und stellte fest, dass Fördergelder aus Schleswig-Holstein zu wenig abgerufen werden. Prof. Dr. Osterwald, Forschungsleiter bei der Danfoss Silicon Power GmbH, merkte hierzu an, dass die industrienahen Fachhochschulen keine Eigenmittel hätten, um sich an Förderprojekten zu beteiligen. Prof. Dr. Tuschy und Prof. Dr. Watter bestätigten die Erschwernisse: Ohne Eigenmittel keine Bewilligungen und damit auch kein Wissenstransfer in die Wirtschaft durch angewandte Forschung. Die beiden Abgeordneten dankten für die Anregungen und kündigten eine gemeinsame Initiative an.

Dr. Stefan Liebing Vorsitzender der Landesfachkommission

Einzelunternehmen. Dieses plane den Bau und Betrieb eines LNG-Terminals in Brunsbüttel und werde von der Landesregierung dabei unterstützt (Koalitionsvertrag). Der Standort Wilhelmshaven werde nicht weiter verfolgt. Der nächste Terminal an der Nordsee liege in Rotterdam, der an der Ostsee in Swinemünde. LNG sei bei -162°C verflüssigtes Erdgas (Methan), wodurch es auf 1/600 seines gasförmigen Volumens reduziert werde. Gemäß der derzeitigen Planungen würden ca. 90 Prozent des Durchsatzes wieder regasifiziert und in das Erdgasnetz eingespeist. Zehn Prozent würden weiterhin gekühlt und flüssig als emissionsarmer Kraftstoff in den Mobilitätssektor (Schifffahrt und Schwerlastverkehr) verteilt. Die Verteilung erfolge über Tanklastwagen, kleinere Schiffe oder Kesselwagen. Das Terminal werde zur Diversifizierung des Erdgasmarktes beitragen. German LNG Terminal GmbH werde den Terminal betreiben, d.h. die Anlandung, Zwischenspeicherung, Verteilung und Rückerwärmung durchführen und seine Anlagen dazu vermieten bzw. die notwendigen Serviceleistungen anbieten. Der vorgesehene Tank könne die Ladung eines Q-Flex-Tankers aufnehmen. Das LNG selbst werde German LNG Terminal GmbH nicht besitzen. Die Inbetriebnahme sei für Ende 2022 vorgesehen, die Investitionssumme betrage 350-500 Millionen Euro; es würden Fördergelder beantragt. Es werde der Bau einer Anschlussleitung an das Gas-Hochdrucknetz erforderlich. Dieser sei nicht Bestandteil der Investition, sondern werde vom zuständigen Gasnetzbetreiber ■ durchgeführt.

Katja Freitag stellt als Unternehmenssprecherin die German LNG Terminal GmbH vor, die ein LNG-Terminal für Brunsbüttel bauen möchte. Das Unternehmen sei ein Joint-Venture aus drei

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VERANSTALTUNG Sektion Pinneberg

Was wird aus dem Kraftwerk in Wedel? Wie kann in Schleswig-Holstein erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien besser in Hamburg genutzt werden? Wie kann es gelingen, zügig vollständig auf Wärme aus Braunkohle zu verzichten? Das waren zentrale Fragen einer Podiumsdiskussion, zu der die Sektion Pinneberg in das Pinneberger Hotel Cap Polonio im Mai eingeladen hatte. Text: Holger Hartwig

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nter der Überschrift „Gemeinsame Perspektiven für die Strom- und Wärmeversorgung der Metropolregion“ gelang es Moderator Dr. Stefan Liebing, Vorsitzender der Landesfachkommission Energiewirtschaft des Wirtschaftsrats, souverän über zwei Stunden hinweg sowohl die Kontroversen als auch gemeinsame Ansichten von den vier Podiumsteilnehmern „herauszukitzeln“. Ein zentraler Diskussionspunkt war die Frage, wie es mit dem Kraftwerk in

Pieter Wasmuth „Die Zukunft des Kraftwerks Wedel ist kein Luxusproblem. Wir brauchen eine planbare Zeitschiene“

Wedel weitergeht. Für Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter der Hamburger Vattenfall GmbH, ist klar: „Die Zukunft des Wedeler Kraftwerkes ist kein Luxus-

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Fotos: Agentur Hartwig3c

Versorgung mit erneuerbaren zügiger vorantreiben

Die Perspektiven für die Strom- und Wärmeversorgung der Metropolregion waren das Thema einer Podiumsdiskussion der Sektion Pinneberg. unser Foto zeigt (hinten von links) Pieter Wasmuth (Vattenfall Hamburg), Sektionssprecher Jens Sander und Moderator Dr. Stefan Liebing sowie (vorne von links) Ulrike Sparr (Sprecherin umwelt/energie der grünen in der bürgerschaft Hamburg, Dr. Ann-Kathrin Tranziska (grünen-Landesvorsitzende Schleswig-Holstein) und Dr. Martin Grundmann (ARge Netz Husum).

Dr. Ann-Kathrin Tranziska „Es muss möglich sein, mit erneuerbaren Energien aus Schleswig-Holstein die Haushalte in Hamburg mit Wärme zu versorgen“

problem, weil von dort aus 120.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden. Ohne Ersatz bleiben diese Wohnungen kalt.“ Aktuell sieht er noch keine Lösung, fordert von der Politik „eine planbare Zeitschiene“. Er machte deutlich, dass es „für unser Unternehmen ein grundsätzliches Ziel ist, aus der Kohleenergie auszusteigen.“ Für die Landesvorsitzende der Grünen, Dr. Ann-Kathrin Tranziska, ist klar: „Das Kraftwerk Wedel ist uns ein Dorn im Auge. Wir müssen alle Möglichkeiten prüfen, um das Kraftwerk möglichst schnell

abzuschalten.“ Es gebe aus ihrer Sicht bereits heute ausreichend Strom aus Windkraft in Schleswig-Holstein, und es müsse zügig ermöglicht werden, mit dieser Energie auch die Wärmeversorgung der Hamburger Haushalte zu sichern. Tranziskas Parteikollegin Ulrike Sparr, Sprecherin der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft für Umwelt und Energie, legte sich fest: „Wir planen weiter damit, dass Wedel 2022 abgeschaltet wird.“ Sie schloss zudem aus, dass in Zukunft durch das Kraftwerk Moorburg mehr Wärme in das Fernwärmenetz der Stadt eingespeist werde. „Vattenfall möchte das aus vielen Gründen, für uns kommt das nicht in Frage.“ Wenig Neues gab es zum Thema Rückkauf des Energienetzes von Vattenfall durch die Stadt Hamburg. Wasmuth und Sparr ließen durchblicken, dass sie in der Frage, wie künftig Strom und Wärme preiswert für die Hamburger produziert und geliefert werden könne, keinen Konsens finden. Entscheidend ist für Wasmuth zunächst einmal, ob die Stadt sich überhaupt entscheidet, im

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VERANSTALTUNG Sektion Pinneberg

Energien November 2018 vom Rückkaufrecht Gebrauch zu machen. Einig waren sich Sparr, Dr. Transiska und Wasmuth wie auch Dr. Martin Grundmann, Geschäftsführer der ARGE Netz, in der Frage, dass es in den nächsten Jahren gelingen muss, die Sektorenkoppelung und Vernetzung zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg zügig und

Ulrike Sparr MdHB „Mehr Wärme aus dem Kraftwerk Moorburg kommt für uns nicht in Frage“

gezielt voranzutreiben. Grundmann: „Die schwarze Energie muss runter, die grüne Energie rauf. Wir haben in den vergangenen Monaten viel erreicht, um die Netze in der Metropolregion durchlässig zu machen und so Strom von Schleswig-Holstein nach Hamburg transportieren zu können. Ich bin überzeugt, dass wir bis 2035 erreichen können, dass beide Länder komplett aus erneuerbaren Energien ver-

Damit dieses Potential der erneuerbaren Energien für Wärme, Strom und neue Mobilitätsformen noch besser genutzt werden könne, müsse auch im Bereich der Gesetze und Verordnungen einiges passieren. Wasmuth: „Mit 12.500 Gesetzen und Verordnungen ist Vieles mittlerweile zu kleinteilig geregelt.“ Die Politik müsse eine klare Linie vorgeben beispielsweise auch in der Frage, wie intensiv der Energieverbrauch jedes einzelnen Haushalts analysiert werden darf. Wasmuth: „Wir müssen im Datenaustausch und der Sektorenkoppelung alle lernen.“ Dr. Grundmann ergänzte, dass die Digitalisierung vorangetrieben werden müsse: „Es muss gelingen, viele dezentrale Einheiten über digitale Technik so zu verknüpfen, dass wir es in zehn Jahren in Norddeutschland hinbekommen, Strom, Wärme und Mobilität aus erneuerbaren Energien abzudecken.“ Für Sparr bleibt bei aller Entwicklung das Ziel, „diese Veränderungen anders als bei der Atomkraftnutzung ohne gesellschaftliche Folgekosten hinzube■ kommen.“

Dr. Martin Grundmann „Wir müssen grünen Strom aus Schleswig-Holstein für Hamburg nutzbar machen“

sorgt werden.“ Dafür seien gemeinsame Lösungspartnerschaften gefragt. Er sprach sich zudem dafür aus, auch viele kleine Initiativen für erneuerbare Energien stärker zu fördern. „Kleinvieh, z.B. mit Photovoltaik-Anlagen auf Dächern, mache auch Mist. Da hat Hamburg noch großes Potential.“

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LANDESFACHKOMMISSION Immobilienwirtschaft

Fesseln und Kostentreiber im Wohnungsbau lösen! G astgeber Dietmar Walberg von der ARGE e. V. begrüßte mit dem Hinweis, dass Schleswig-Holstein den Vorsitz in der Bauministerkonferenz übernommen habe und dadurch eine besondere Gelegenheit erhalte, bundesweite Impulse zu setzen. Die frisch gewählte Bundestagsabgeordnete Petra Nicolaisen berichtet aus ihrer Arbeit in Berlin. Nach der verzögerten Regierungsbildung sei ein eigener Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen aus der Taufe gehoben worden, dem sie als stellvertretendes Mitglied angehöre. Folgende Themen stünden laut Koalitionsvertrag auf der Agenda: Die Mietpreisbremse solle bis Ende 2018 evaluiert werden. Vermieter sollen verpflichtet werden, gegenüber neuen Mietern die Vormiete offenzulegen. Zudem sollen Anforderungen an eine qualifizierte Rüge der Miethöhe durch den Mieter erleichtert werden. Qualifizierte Mietspiegel sollen gestärkt und deren Bindungszeitraum von zwei auf drei Jahre verlängert werden. Eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums von derzeit vier Jahren solle geprüft werden. Insbesondere in kleineren Städten und Gemeinden solle der einfache Mietspiegel stärker zur Anwendung kommen als bisher. In Gebieten mit geltender Kappungsgrenze sollen nach Modernisierungsmaßnahmen jährlich nur noch höchstens acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umgelegt werden dürfen. Die Regelung solle zunächst auf fünf Jahre befristet und dann überprüft werden. Zudem solle die monatliche Miete innerhalb von sechs Jahren nach einer Modernisierung nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter steigen dürfen. Ziel sei es, den Mieter besser vor bewusstem Missbrauch von Modernisierungsmaßnahmen zu schützen. Das gezielte Herausmodernisieren könne künftig eine Ordnungswidrigkeit darstellen und Schadensersatzansprüche der Mieter begründen. Für kleinere Modernisierungen sei ein vereinfachtes Mieterhöhungsverfahren angedacht. Das bundesgerichtliche Urteil zur Grundsteuer habe die Politik vor die Aufgabe gestellt, 25 Millionen Grundstücke neu zu bewerten. Dafür gebe es eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2024. In Betracht kämen ein Kostenwirk- und ein Flächenmodell. Um den Städten und Gemeinden die Möglichkeit zu eröffnen, die Verfügbarmachung von Grundstücken für Wohnzwecke zu verbessern, sei im Koalitionsvertrag die Einführung einer Grundsteuer C vorgesehen, mit der ungenutztes Bauland stärker besteuert werden könne. Familien mit unteren bis mittleren Einkommen sollen einfacher Wohneigentum erwerben können. Es sei angedacht, dass Familien mit Kindern ein „Baukindergeld“ beanspruchen können – 1.200 Euro pro Kind und Jahr für die Dauer von 10 Jahren. In den Genuss des Baukindergeldes kämen Familien mit einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von bis zu 75.000 Euro pro Jahr, wobei pro Kind ein Freibetrag von 15.000 Euro vorgesehen sei. Zudem solle geprüft werden, ob für Familien beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer eingeführt werden soll. Die Praxis, mittels

Dr. Ulrich Schlenz Vorsitzender der Landesfachkommission

Share Deals Grundbesitz ohne Anfall von Grunderwerbsteuer zu übertragen, solle durch neue gesetzliche Regelungen beendet werden. Es sei angedacht, das Wohnungseigentumsrecht zu reformieren und mit dem Mietrecht in Einklang zu bringen. Ziel sei, die Vorbereitung und Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer über bauliche Maßnahmen, insbesondere in den Bereichen Barrierefreiheit, energetische Sanierung, Förderung von Elektromobilität und Einbruchsschutz, zu erleichtern. EnEV, EnergieeinsparG und EEWärmeG sollen in einem Gebäudeenergiegesetz zusammengeführt werden. Auf europäischer Ebene will sich die große Koalition für den Erhalt der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in Deutschland einsetzen. Diese sei unverzichtbar, um Bauqualität und -kultur zu sichern und Voraussetzungen für einen fairen Leistungswettbewerb zu halten. Babara Ostmeier MdL berichtet aus dem Landtag zum Thema Immobilienwirtschaft. Jüngst sei beschlossen worden, den Landesentwicklungsplan von 2010 mit dem Ziel fortzuschreiben, zusätzliche Wohnungen zu schaffen. Für Bund, Land und Kommunen stelle dieses Thema eine große Herausforderung dar. Die SPD setze dabei auf die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Gründung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften und Marktregulierungen durch Mietpreisbremse und Kappungsgrenze. Die CDU-geführte Jamaika-Koalition sei dagegen der Auffassung, dass der Wohnungsbedarf nicht durch Fördermittel und staatliche Marktregulierung gedeckt werden könne. Erfahrungswerte der letzten Legislaturperiode zeigten, dass Mietpreisbremse und Kappungsgrenze nicht zum Erfolg führten. Auch hätten sich die Prognosen verändert. Die Einwohnerzahl von Schleswig-Holstein werde vor 2030 auf 2,9 Millionen Einwohner steigen, was zu einem Mehrbedarf von 16.000 Wohnungen pro Jahr führe. Der Neubaubedarf werde unterschätzt, da bis 2030 auch die Zahl der Haushalte um 76.000 ansteigen würde. Von einst 220.000 öffentlich geförderten Wohnungen stünden heute nur noch 47.000 zur Verfügung, während 350.000 Personen Sozialleistungen bezögen. Zur Wohnraumschaffung solle die Landesbauordnung zusätzliche Möglichkeiten zur Nachverdichtung und Aufstockung schaffen. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Schleswig-Holstein sei solide und solle über 2019 hinaus fortgeführt werden. Öffentliche Wohnungsbaugesellschaften seien wichtige Partner, könnten das Problem alleine nicht lösen. Das Land werde sich beim Bund um preiswerte Grundstücke bemühen, was seit 2015 über die BImA möglich sei. Neben preisgünstigen Miet-

➞ Fortsetzung auf Seite 57 unten 56

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LANDESFACHKOMMISSION Verkehr, Infrastruktur, Mobilität 4.0

Planungsbeschleunigung für den Infrastrukturausbau M

it der Einigung auf eine Bundesfernstraßengesellschaft haben Bund und Länder im letzten Jahr einen großen Schritt zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur gemacht. Die strukturelle Neuordnung darf aber nicht zum Planungsstillstand bei den Auftragsverwaltungen führen. Die Länder müssen wie geplant mehr Fachingenieure einstellen und für eine konstante Abwicklung und eine Reorganisation der bestehenden Straßenbaudirektionen sorgen. Zudem müssen die Genehmigungszeiten durch standardisierte Prüfungen und einen Annahmeschluss für Einsprüche beschleunigt werden. Das Ziel lautet: Schneller planen, um zügiger zu bauen – mit einem modernen und bürgerfreundlichen Planungs- und Vergaberecht, so dass Mittel aus dem Investitionshochlauf eingesetzt werden können. Vergaben sollten schwerpunktmäßig nach den Kriterien Qualität, Kosten, Innovation und Zeit durchgeführt werden. Um zu gewährleisten, dass die für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellten Mittel auf der Bundesseite und in den Bundesländern in vollem Umfang abgerufen und in die Infrastruktur investiert werden können, lag nunmehr am 7. Juni 2018 ein Planungsbeschleunigungsgesetz im Entwurf vor. Die vorliegenden Handlungsempfehlungen bilden einen Instrumentenkasten, der nun zu nutzen ist: Vereinfachte Verfahren Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren sollen in Pilotprojekten zusammengefasst werden, um Doppelarbeiten zu vermeiden. Für Ersatzbauten von Brücken und Schleusen sollen vereinfachte Verfahren stärker genutzt werden. Projektmanager/-koordinatoren sollen behördliche Verfahren vorbereiten und durchführen können. Das BMVI wird mit der DB AG noch in dieser Legislaturperiode eine Vereinbarung unterzeichnen, um herausragende Schienenprojekte in Deutschland zügiger zu planen und umzusetzen – einschließlich einer frühzeitigen und umfassenden Bürgerbeteiligung. Künftig soll es

➞ Fortsetzung von Seite 56 wohnungen sei die Bildung von Wohneigentum die beste Absicherung gegen steigende Mietpreise. Baustandards müssten kritisch auf den Prüfstand gestellt werden. Unnötige Auflagen sollten abgeschafft, Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Klaus Schütt regt an, das Eichwesen in Schleswig-Holstein zu reformieren. Die Zeiten sollten harmonisiert werden und die Intervalle sich an den tatsächlichen Risiken und Kosten Dritter orientieren, die in Schleswig-Holstein viel zu hoch seien. Dr. Michael Paarmann, Landeskonservator im Landesamt für Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, berichtet von der Umsetzung der schleswig-holsteinischen Gesetzesnovelle zum Denkmalschutz. Das seit dem 30. Januar 2015 gültige Denkmalschutzgesetz habe dem Denkmalschutz in Schleswig-Holstein einen positiven Schub gegeben. 8.270 Denkmäler seien erkannt,

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Martin Henze Vorsitzender der Landesfachkommission

dabei eine belastbare Finanzierung der Planungen durch den Bund geben. Praktikables Umweltrecht Artenschutzlisten sollen aktualisiert werden, damit die tatsächlich gefährdeten Arten effektiv geschützt werden. Umweltinformationen werden gebündelt und Kartier- und Artendaten in Datenbanken eingepflegt. Für Einwendungen soll die Präklusion, also eine Stichtagsregelung wieder eingeführt werden, um einen geordneten Abschluss der Verfahren und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Modellvielfalt Die Wirtschaft kann der Verwaltung bei der Beschleunigung der Planungs- und Bauphase helfen, wenn die Modellvielfalt der Beschaffungsvarianten – einschließlich Design & Build-, Partnering- oder ÖPP-Modelle sowie die Ausschreibung von größeren Losen und von Funktionsbau- und Bewirtschaftungsverträgen ( FBBV) mehr genutzt werden würden. Auch bei klassischen Bauverträgen ist noch Verbesserungspotential: In vielen Ländern ist es üblich, dass Baufirmen Sonder- und Innovationsvorschläge einbringen. Dies werde wegen drohender Verfahrensprobleme in Deutschland kaum noch praktiziert, auch hier bedarf es mehr Mut bei der Einzelfallentscheidung durch die Verantwortungsträger. Der aktuelle Gesetzesentwurf ist in der Landesgeschäftsstelle des ■ Wirtschaftsrates abrufbar.

zu 2.908 Objekten seien die Eigentümer benachrichtigt worden. Seit Jahren liegengebliebene Aufgaben könnten schnell und zielgerichtet bearbeitet werden. Die Zahl der (neuen) Denkmaleigentümer, die die steuerlichen Vergünstigungen in Anspruch nehmen möchten, habe zu einer deutlichen Erhöhung der steuerlichen Erstanträge geführt: 2017 ca. 110 Anträge mit einem Bescheinigungsvolumen ca. 21 Millionen Euro. Der Zuwendungsetat des Landesamtes liege zurzeit bei jährlich 500.000 Euro. Die gestiegene Zahl erkannter Denkmale und die Eigentümerbenachrichtigungen hätten in allen Bereichen, besonders in der Inventarisierung und der Verwaltung zu einer starken Mehrarbeit geführt. Sorge bereite ihm insbesondere die personelle Nachwuchssituation. Entscheidend für die Arbeit und Akzeptanz der Arbeit seiner Behörde sei eine ausgewiesene Fachlichkeit. Dies müsse auch für die Zukunft sichergestellt werden. ■

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

Deutsch-Russischer Kieler Woche-Empfang

Text: Dr. Bertram Zitscher

Der vierte Deutsch-Russische Kieler Woche-Empfang des Wirtschaftsrates hatte dieses Jahr besonders hochrangige Ehrengäste. Sektionssprecher Reimer Tewes konnte nicht nur eine Regierungsdelegation aus dem Oblast Woronesch begrüßen, sondern auch den Landtagspräsidenten, den Fraktionsvorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, den Ministerpräsidenten, den stellvertretenden Stadtpräsidenten und weitere 70 Unternehmer.

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ie russische Delegation absolvierte zur Kieler Woche ein mehrtägiges Besuchsprogramm, welches bei dem Spitzentreffen beim Wirtschaftsrat einen völkerverständigenden Höhepunkt erhielt. Gerade in Zeiten der internationalen Spannungen seien regionale Partnerschaften besonders wertvoll und können den Weg für Austausch und neue Wirtschaftsbeziehungen ebnen. Christian Wiegert von der gastgebenden Kanzlei Wiegert Werner & Partner plädierte in seinem Grußwort für einen fortgesetzten Austausch der beiden Regionen, die nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich interessante Anknüpfungsmöglichkeiten bieten würden. Der Wirtschaftsrat wird Ende Oktober eine Unternehmerreise nach Woronesch durchführen.

Aleksandra Samatova im gespräch mit HansFriedrich Möller (DeutschRussische gesellschaft)

v.l. Dr. Cordelia Andreßen (Verband Privatkliniken SH) und Regina Först (People 1st Speaker)

Die russische Delegation beim kleinen empfang des Wirtschaftsrates im Föhrde Club Kiel unmittelbar vor dem vierten deutsch-russischen Kieler Woche empfang.

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel Ministerpräsident Daniel Günther trifft zum Deutsch-Russischen Kieler Woche-empfang 2018 ein

Evgeniy Yurtschenko, stv. gouverneur des gebiets Woronesch (Rußland) und Reimer Tewes, Sprecher der Sektion Kiel (v.l.) Delegation aus Woronesch/Rußland mit generalkonsul Ivan Khotulev und Dr. Thomas Overbeck sowie Dr. Hanno Stöcker (DRW) zu gast in Kiel

Übersetzerin Olga Ohly übersetzte zwischen Landtagspräsident Klaus Schlie (Mitte) und Nikolai Gaponenko, Vorsitzender des Agrarausschusses im Parlament des gebiets Woronesch

Vortrag auf russisch? Kein Problem mit Dolmetscherin und Technik der Konferenztechnik Kiel von Michel Mittelstädt

Nadine Sydow (Solvoluta gmbH) mit Volker Nagel (Nautiker)

eckernförder unter sich: Ministerpräsident Daniel Günther stößt mit ehepaar Rüdiger und Margrit Behn mit deren Trendgetränk ANDALÖ an

v.l. Anatolii Bukreev, Wirtschaftsminister gebiet Woronesch, Evgeniy Yurtschenko und Ivan Khotulev, generalkonsul der Russischen Föderation in Deutschland

gelöste Stimmung auf der Dachterrasse über der Kieler Hörn

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VERANSTALTUNG Landesverband Schleswig-Holstein

Leinen los und volle Kraft

ehrengast der diesjährigen Regattabegleitfahrt war Tobias Koch MdL (rechts außen), Vorsitzender der CDu-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein

unser Hamburger Mitglied Dr. Thomas Falk (Falk beratungsgesellschaft) mit seiner aus bayern angereisten begleitung Dr. Tanja Junge (Ärztin)

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VERANSTALTUNG Landesverband Schleswig-Holstein

voraus! Auf der traditionellen Regattabegleitfahrt des Wirtschaftsrates zur 136. Kieler Woche war das Motto dieses Mal: Leinen los und volle Kraft voraus! Ehrengast Tobias Koch MdL als Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein, war zuvor an Bord gekommen, um nach einem Jahr erfolgreichem Neustart mit einer Jamaika-Koalition weiter mächtig Dampf auf den Kessel zu geben.

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ie Stimmung sei nicht nur an Bord gut, sondern die neue Koalition arbeite erfolgreich und menschlich angenehm zusammen mit dem Ziel, Schleswig-Holstein ein großes Stück nach vorne zu bringen. Ob denn wirklich alles eitel Sonnenschein sei, konnte in den anschließenden Gesprächen im Kreise der Mitglieder des Wirtschaftsrates genauer erörtert werden. Die heranjagenden dunklen Gewitterwolken waren jedenfalls nicht politisch, sondern real, weshalb die Regatten plötzlich abgebrochen wurden und die Segler unter vollem Wind den rettenden Hafen Schilksee ansteuerten. Das besondere Schauspiel auf dem Wasser kommentierte spontan der Präsident des schleswig-holsteinischen Seglerverbandes, Jan-Dirk Tenge, der mit motorisiertem Schlauchboot auf offener See an dem Salonschiff MS Stadt Kiel festmachte und die Hintergründe erläuterte. Auch wenn das Gewitter später vorbeizog, Vorsicht sei besser als Nachsicht!

Martin Wilde (Diakonissenkrankenhaus Flensburg) mit Frau Gaby

Cora von der Heide mit Tobias Loose MdL (CDu-Landtagsfraktion Kiel)

Dr. Nathalie Brüske (Zahnärztin) mit begleitung Annette Fuhrmann und Regine Overbeck (Deutsch-Russischer Wirtschaftsbund e.V.)

Nicole Weich (Wirtschaftsrat SH), Bert Weingarten (PAN AMP Ag) und Doris Heldt (Heldt Immobilien)

Jutta Gräfin von der Recke (graf Recke Reisen) mit begleitung Silke Baehr und Katja Lauen (Loop-Coaching)

kleine Mädchen ganz groß: Mia, Alanya und Ingrid sammelten Spenden in der Kapitänsmütze für die erhaltung der denkmalgeschützten „MS Stadt Kiel“

Dr. Thilo von Trott (Vorstand ev. Stiftung Alsterdorf) im gespräch mit Andrea von Burgsdorff

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VERANSTALTUNG Sektion Schleswig/Flensburg

Sygehus Sønderjylland – Das dänische Superkrankenhaus Unter der Leitung des Sektionssprechers Schleswig/Flensburg, Hauke Präger, hat eine Delegation der Landesfachkommission Gesundheitswirtschaft des Wirtschaftsrates das neue Zentralkrankenhaus in Apenrade besucht, um sich über die Erfahrungen aus den radikalen Strukturreformen zu informieren, die im Jahr 2007 im Nachbarland Dänemark eingeleitet wurden.

Mitglieder SL/FL und Landesfachkommission gesundheitswirtschaft mit Nadja Kronenberger, beraterin der Healthcare DeNMARK

Text: Dr. Bertram Zitscher

Nadja Kronenberger, die mit Healthcare DENMARK interessierte Delegationen aus aller Welt in Dänemark berät, berichtet, dass man sich an einer erfolgreichen Reform in Schweden orientiert habe. Am Anfang habe die Erkenntnis gestanden, dass der demographischen Entwicklung nur über einschneidende Strukturreformen begegnet werden könne: Von 2010 bis 2030 werden die über 75-jährigen um 80 Prozent zunehmen und die chronisch Kranken von 2013 bis 2025 um 60 Prozent. Um diese politisch durchzusetzen, wurde eine Expertenkommission politisch mandatiert und parallel eine Kommunalreform eingeleitet, die die Wahlkreise der Kommunalpolitiker vergrößert. Natürlich waren die Widerstände gegen die Schließung von 98 auf jetzt 32 und zukünftig 25 Krankenhäusern in den Kommunen groß. Parallel zu den Schließungen wurden aber 16 Neubauprojekte für die „Superkrankenhäuser“ über das Land verteilt aufgezogen. Die neuen Zentralkrankenhäuser verbinden modernste bautechnische Standards mit luxuriös anmutenden Patientenzimmern. Mit einem

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diagnostiziert. Im Krankenhaus übernehmen dann genau informierte Spezialisten. Das sei möglich, weil alle medizinischen Informationen für einen Patienten in einer staatlich gesicherten Datei abrufbar sind. Der Gesundheitsminister, der die Reformen in Dänemark eingeleitet hatte, sei jetzt Premierminister. Janne Stenstrop, der Kommunikationschef des gastgebenden Sygehus Sønderjylland, ließ die Delegation anschließend noch ein wenig mehr hinter die Kulissen des südlichsten dänischen Superkrankenhauses schauen, bevor eine Betriebsführung unmittelbare Eindrücke ermöglichte, beispielsweise von einer vollautomatisierten Kleidungslogistik für die Angestellten. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass wir ganz viel von den Dänen lernen können und müssen, wenn wir in Schleswig-Holstein zukünftig er-

Warum eine Krankenhausreform? Neue Infrastruktur ■ bündelung der Funktionen/Fachabteilungen zu größeren, stärkeren Krankenhäusern ■ Moderne gebäude und Ausstattung ■ von 40 zu 21 Krankenhäusern mit Notaufnahmen Neue Organisationsstruktur ■ einrichtung „zentraler Notaufnahmen“ (joint emergency departments) ■ Fachärzte direkt am eingang Neue Arbeitsteilung im Gesundheitssystem Stärkere prähospitale Notfallversorgung ■ bessere Kohärenz zwischen Primär-, Sekundärund Tertiärversorgung (z.b. Krankenhäuser, häusliche Krankenpflege und Hausärzte)

Vision ■ bessere und kohärentere Patientenflüsse ■ Schnellere Diagnose ■ erhöhte Patientensicherheit ■ bessere „learning environments“ ■ bessere Ressourcennutzung

Quelle: Dänisches gesundheitsministerium

festen Budget von 6,5 Milliarden Euro, davon eine Milliarde für Geräte, wurden Effizienzgewinne von 4 bis 8 Prozent vereinbart, wobei Budgetüberschreitungen mit Personalkürzungen im Betrieb geahndet werden können. Von 2007 bis 2020 sollen 20 Prozent der Bettentage eingespart werden, während man mit einer Zunahme der ambulanten Kontakte von 50 Prozent rechnet. Um die Verweildauer zu minimieren, würden Patienten bei der teilweise weiten Anfahrt bereits im Rettungswagen aus-

folgreich dem demographischen Wandel begegnen möchten. Dennoch sei der dänische Weg nicht auf Deutschland übertragbar. Während hier eine große Vielzahl von Trägern und Interessen Reformen eher blockieren, ist das Gesundheitssystem in Dänemark praktisch verstaatlicht. Eine reine Planwirtschaft jedoch, da waren sich die Teilnehmer einig, sei weder übertragbar noch ordnungspolitisch erstrebenswert. Marcel Newerla dankte in fließendem dänisch dem Gastgeber herzlich für die freundschaftliche Offenheit. ■

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VERANSTALTUNG Sektion Plön/Ostholstein

Deutsche Afrikapolitik im Auftrieb „Es ist schade, dass erst die Flüchtlingskrise den Blick der Bundesregierung intensiver auf unseren südlichen Nachbarkontinent gerichtet hat“, so Dr. Stefan Liebing, der als Präsident des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft gerade von der Afrikareise mit der deutschen Kanzlerin zurückgekommen ist, „aber die jetzt von der Kanzlerin ausgehende Dynamik macht Hoffnung, die riesigen Chancen zukünftig besser mit dem deutschen Mittelstand zu entwickeln.“

Text: Dr. Bertram Zitscher

A frika leide in Deutschland auch unter den gängigen Klischees von Korruption und fehlenden Infrastrukturen, dabei gäbe es viele Großstädte mit deutlich besser ausgebauten Mobilfunknetzen als in Deutschland, modernste Autobahnen und 54 verschiedene Länder, wobei Angola gerade radikal mit alten Strukturen aufräumt, Äthiopien seit Jahren wirtschaftliche Wachstumsraten über 10 % ausweist und Nigeria bei der Einwohnerzahl gerade dabei ist, die U.S.A. zu überholen, Tendenz weiter stark steigend. „Die Flüchtlingskrise werden wir in Europa durch keine noch so hohen Zäune in den Griff bekommen. Wir müssen daran mitwirken, dass vor Ort wirtschaftliche Entwicklung stattfindet und vernünftige Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung entstehen“, ist sich Liebing sicher. Das Problem: Von den 400.000 im Ausland tätigen, deutschen Unternehmen sind bisher nur 1.000 überhaupt in Afrika engagiert. Die Dax-Konzerne haben die enormen Wachstumsmärkte schon lange erkannt, können größere Risiken nehmen und besser beherrschen als der Mittelstand, ohne den die deutsche Wirtschaft jedoch nur sehr begrenzt ihre große Kraft entfalten könne. Es brauche dafür keine Subventionen, aber die Risiken von Geschäften sollten abgesichert werden, indem Deutschland Ausfallbürgschaften gewährt, die gegenüber dem jeweiligen Staat dann gegebenenfalls an anderer Stelle geltend gemacht werden können.

Die Chinesen bieten im Gegensatz zu Deutschland ihre Paketlösungen aus einem Guss an, wobei sie dabei allerdings auch ihre eigenen Arbeiter mitbringen und damit deutlich weniger Wertschöpfung für die heimische Bevölkerung ermöglichen. Ein Mittelständler mit Afrikaunternehmungen berichtet, dass die afrikanischen Landwirte nur noch einen zehnprozentigen Marktzugang auf ihren heimischen Märkten hätten, während Milchpulver aus der Schweiz (deren Herstellung mit Frischwasser aus Äthiopien geschieht, das aus 800 m tiefen Brunnen gefördert und von der Schweizer Regierung hoch subventioniert wird) sowie Tomaten und Zwiebeln aus Holland dominieren. Dr. Liebing sieht den Grund dafür aber nicht in den Zöllen, die vielfach bereits abgeschafft worden seien, sondern eher in den europäischen Agrarsubventionen. Im deutschen Entwicklungshilfeministerium sei ein Umdenken erkennbar, was erfreulich sei und mit der Afrikareise der Kanzlerin und im Zuge der G20-Konsultationen der Afrika-Agenda im Oktober weiteren Auftrieb erfahren wird. Heinz Papenhagen, Kaffeehändler am Sandtorkai in Hamburg, berichtet von Kaffeeplantagen in Kenia, deren Bauern über seine Firma einen um 20 Prozent höheren Preis im direkten Verkauf erhalten würden. Mit einer zusätzlichen Spende an den Verein „Kedovo“ in Höhe von 0,35 Euro per kg Rohkaffee erhalte dieser Verein vor Ort die Möglichkeit, diverse Projekte zu fördern. Z.B. wurde eine Schule völlig renoviert, die Herstellung neuer Schulbänke ermöglicht, Schulkleidung für die Schulkinder angeschafft, Biogasanlagen

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gebaut, große Wassertanks an die Wohnhütten gestellt, Solarpaneele montiert und kürzlich eine Küche an der Schule gebaut, die eine Ganztagsverpflegung von 160 Schulkindern ermögliche. Die Kosten für diese Ganztagsverpflegung belaufen sich für ein Jahr inkl. der Personalkosten auf lediglich 6.700 Euro. Das ist flüchtlingspolitisch nicht viel Geld, schon gar nicht angesichts der 900 Millionen Euro, die das Ministerium laut Dr. Liebing allein im Jahr 2018 an zusätzlichen Entwicklungsbudgets erhält. Allerdings wächst die afrikanische Bevölkerung von etwa einer Milliarde Menschen jährlich um mehr als 20 Millionen, was wiederum viel erscheint vor dem Hintergrund, dass die 1.000 deutschen Unternehmen derzeit gerade einmal etwa 200.000 Arbeitsplätze in Afrika geschaffen haben. Hans-Werner Blöcker, der den kürzlich zum Honorarkonsul von Kamerun beförderten Redner eingangs als Mitglied im Sektionsvorstand begrüßt hatte, berichtete aus dem Weltjagdverband, dass Wildtiere am effektivsten geschützt werden, wenn die ansässige Bevölkerung für einen Abschuss bezahlt werden darf. Dann würde die heimische Bevölkerung Wilderei unterbinden und für Vermehrung sorgen. Das habe zum Beispiel das Drehhornschaf in Tadschikistan vor dem Aussterben bewahrt, inzwischen gäbe es in den abgelegenen Dorfregionen wieder über hundert Tiere. Die Zahlungsbereitschaft u.a. aus den U.S.A. für die Jagd auf ein einziges Tier in Afrika könne den Finanzbedarf für 15 Schulen decken. Ein totales Jagdverbot führe dagegen leichter zu unkontrollierter Wilderei und schließlich eher zum Aus■ sterben bedrohter Wildtiere.

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VERANSTALTUNG Sektion Lübeck

Wohin geht die Reise der innerstädtischen Mobilität? v.l. Detlef Zielke, Jörg Hansen MdL, Moderator Heinrich Beckmann, Gero Storjohann MdB und bausenatorin Joanna Hagen (vormals glogau)

„Lübeck im Dauerstau“: Der Titel der Veranstaltung der Sektion Lübeck sei überzogen, stellte einleitend die zuständige Bausenatorin Joanna Hagen klar, und fand damit auch die Unterstützung im übrigen Podium und Auditorium. Allerdings sei Lübeck nur bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs wirklich stark, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt. Text: Dr. Bertram Zitscher

H

ermann Beckmann hatte als Sektionssprecher Lübeck zu der Diskussion eingeladen, weil die Gewerbetreibenden zunehmend unter den Baustellen leiden würden und mit der A 20 und der festen Fehmarnbeltquerung zusätzliche Verkehrsaufkommen zu erwarten seien, insbesondere wenn die Stadt auch noch zusätzliche Wohn- und Gewerbegebiete entwickeln möchte, was ja wünschenswert sei. Detlev Zielke untermauerte dies als Vorsitzender der Gewerbevereinigung „Wir in Genin“. Der FDP-Landtagsabgeordnete Jörg Hansen merkte an, das man deutlich mehr investieren müsse, um den Sanierungsstau zu bewältigen. Insbesondere die Brücken über die Lübeck umfließenden Flüsse und Kanäle seien kritisch für den Verkehrsfluss. Die Pro-

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bleme um die Possehlbrücke seien akut und perspektivisch noch nicht ausgeräumt, bekräftigte Zielke. Beckmann fordert verstärkt Ausschreibungen, die die Dauer und Intensität der Einschränkungen des Verkehrs bei der Vergabe berücksichtigen. Die weitere Diskussion richtete sich auf die zukünftigen Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze. Gero Storjohann MdB ist nicht nur Mitglied im Verkehrsausschuss des deutschen Bundestags, sondern auch fahrradpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er sei deshalb vor der Veranstaltung einmal mit dem Fahrrad auf den empfohlenen Fahrradwegen um die Hansestadt gefahren, teilweise über Kopfsteinpflaster und andere wenig fahrradfreundliche Spuren. Nicht

nur der Individualverkehr mit E-Bikes, sondern auch Lastenräder könnten sonst große Entlastung schaffen, wenn der zunehmende Online-Handel nicht nur mit Autos erledigt werden soll. Kopenhagen sei in dieser Hinsicht einer der Vorreiter. Christoph Stoyanov geht noch einen Schritt weiter. Seine Firma arbeite an remotegesteuerten Fahrzeugen, die in Lübeck innerstädtische Logistikverkehre übernehmen könnten. Die neuen Techniken kämen schneller als viele vermuten würden. Für die Bausenatorin war das nicht ganz fremd, denn sie selbst habe eine Perspektivenwerkstatt eingerichtet, wo Vorschläge für die Stadtentwicklung im kommenden Jahrzehnt erarbeitet werden sollen. Allerdings löse das nicht ihre akuten Probleme, unter den Bedingungen von Fachkräftemangel und Bauhochkonjunktur die notwendigen PS für die Bewältigung des Sanierungsstaus auf die Straße zu bringen. Dass, so Beckmann, sei aber mit Blick auf das weiter wachsende Verkehrsaufkommen dringend notwendig. Heinrich Heissing, der zum wiederholten Mal sein Galerie als extravaganten Austragungsort gestiftet hatte, fordert zum Ende, die Lübecker Altstadt komplett vom Autoverkehr zu befreien, eine Idee, die angesichts der neuen und kommenden Mobilitätstechniken gar nicht mehr so abwegig erscheint wie vielleicht vor zwan■ zig Jahren.

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AKTUELLES Aus der Landesgeschäftsstelle

Im Übrigen... Dr. Bertram Zitscher Landesgeschäftsführer

... wurde Michael Hannemann zum Sprecher der Sektion Segeberg gewählt Die Sektion Segeberg des Wirtschaftsrates der CDu e.V. hat auf ihrer Mitgliederversammlung in bad bramstedt Michael Hannemann, geschäftsführender gesellschafter der TOP TeCHNOLOgIeS Consulting gmbH, einmütig in das Amt des Sektionssprecher gewählt. Sein Vorgänger Christian Sowada, der die Sektion zehn Jahre erfolgreich geführt hat, bleibt im Vorstand. Neu in den Vorstand gewählt wurde Sven Fischer, geschäftsführender gesellschafter der Kieswerk Fischer gmbH & Co. Kg (Tensfeld). Wiedergewählt wurden Konrad butschek, Inhaber der gutsverwaltung gayen, Doris Dreyer, geschäftsführende gesellschafterin der FibuNet gmbH (Kaltenkirchen) sowie uwe Richter, Steuerberater der Kanzlei Richter und Partner (Kaltenkirchen).

Michael Hannemann

.... wurde Reimer Tewes als Sektionssprecher Kiel bestätigt Die Sektion Kiel des Wirtschaftsrates der CDu e.V. hat auf ihrer Mitgliederversammlung in Kiel, Reimer Tewes, geschäftsführender gesellschafter der NeuWeRT gmbH, einmütig im Amt des Sektionssprechers bestätigt. Wiedergewählt wurden zudem Dr. Cordelia Andreßen, Vorsitzende des Verbandes Privatkliniken Schleswig-Holstein e.V., Dr. Tilman giesen, Rechtsanwalt und Notar der Kanzlei LAuPReCHT Rechtsanwälte und Notare, Reinhardt Hassenstein, Leiter Presse/PR/Volkswirtschaft des Sparkassen- und giroverbandes für Schleswig-Holstein e.V., Jens broder Knudsen, geschäftsführender gesellschafter der Sartori & berger gmbH & Co. Kg, Dr. Philipp Murmann, geschäftsführender gesellschafter der Zöllner Holding gmbH, sowie Thomas Prey, geschäftsführender gesellschafter der Rud. Prey gmbH & Co. Kg.

Reimer Tewes

... wurde Dr. Stefan Liebing neuer Honorarkonsul für Kamerun unser Mitglied Dr. Stefan Liebing ist seit dem 1. Juli 2018 neuer Honorarkonsul für Kamerun in Norddeutschland. In dieser ehrenamtlichen Funktion ist er für die norddeutschen bundesländer Hamburg, bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zuständig. Liebing (41) ist geschäftsführender gesellschafter des Investmentund beratungshauses Conjuncta gmbH. Zu den Aufgaben des neuen Konsuls gehört die betreuung kamerunischer Staatsangehöriger ebenso wie die Werbung für Investitionen in dem Land oder klassische Konsularaufgaben wie die erteilung von Visa und beglaubigungen. Die frühere deutsche Kolonie stellt noch heute die mit Abstand größte gruppe afrikanischer Studenten in Deutschland. Liebing ist in einer weiteren ehrenamtlichen Funktion Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft e.V. und Mitglied im Landes- und im bundesvortand des Wirtschaftsrates der CDu e.V.

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v.l. S.E. Jean-Marc Mpay, botschafter der Repubik Kamerun in berlin, und Honorarkonsul Dr. Stefan Liebing

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IMPRESSUM

VERANSTALTUNGSVORSCHAU

JuLI AuguST SePTeMbeR OKTObeR NOVeMbeR DeZeMbeR JANuAR FebRuAR

Änderungen vorbehalten 24. - 27. Oktober 2018 | Woronesch unternehmerreise nach Russland

23. November 2018 | Ratzeburg Mitgliederversammlung der Sektion Herzogtum Lauenburg mit Wahlen des Vorstands und Kaminabend Dr. Christoph Mager, Landrat Kreis Herzogtum Lauenburg

24. Oktober 2018 | Harrislee Kai-Axel Aanderud, geschäftsführender Inhaber, Aanderud Media Consulting, Hamburg „Skandinavische Ansiedlungen für Schleswig-Holstein: Chancen aus Norwegen“

27. November 2018 | Flensburg Ministerin Karin Prien, Ministerium für bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein „Lehrkräfteversorgung in SchleswigHolstein“

25. Oktober 2018 | Dersau (Kreis Plön) Melanie Bernstein MdB, Wahlstedt/berlin „Bericht aus Berlin“ 2. November 2018 | Lübeck Markus Dusch, Vorsitzender der geschäftsleitung der Agentur für Arbeit Lübeck „Arbeitslosenquote 7,9 Prozent in Lübeck – warum findet man keine Beschäftigten mehr?“ 7. November 2018 | Schloss Tremsbüttel Mitgliederversammlung der Sektion Stormarn mit Wahlen des Vorstands und Stormarner Wirtschaftsforum „Personal aus Drittstaaten für den Standort Deutschland“ Thomas Dreyer, geschäftsführender gesellschafter der combisped Hanseatische Spedition gmbH, Lübeck Sven Hinrichsen, Leiter geschäftsfeld Arbeitsmarkt, bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Nord, Kiel Aiping Stintzing, geschäftsführerin des IfT – Institut für Talentförderung gmbH, Hamburg 14. November 2018 | brunsbüttel Thomas Nagel, technischer Leiter Sasol germany gmbH „Weißer Schnee für den Umweltschutz“ 15. November 2018 | Flensburg Niclas Herbst, CDu-Spitzenkandidat zur europawahl 2019 „Meine Zielsetzungen für Europa“

3. Dezember 2018 | Pinneberg Kaminabend Dr. Michael von Abercron MdB 5. Dezember 2018 | Kiel Werner Kässens, geschäftsführer der Kieler Wirtschaftsförderungs- und Strukturgesellschaft mbH „Kiel: Ein Wirtschaftsstandort mit Zukunft?“ 6. Dezember 2018 | Lübeck Dr. Patrik Pohl, Managing Director, Leiter Mittelstandsprodukte, CIb-global Transaction banking, Deutsche bank Ag Jan Heinrich Meyer, Founder, CeO der Dash embassy „Kryptowährungen“ 14. Dezember 2018 | Kiel Junger Wirtschaftsrat Ministerpräsident Daniel Günther „Projekte, die Schleswig-Holstein voranbringen“ 18. Dezember 2018 | Meldorf Mitgliederversammlung der Sektion Dithmarschen mit Wahlen des Vorstands und Kaminabend Mark Helfrich MdB

IMPRESSUM Herausgeber, V.I.S.d.P. Wirtschaftsrat der CDu e.V. Landesverband Hamburg Henning Lindhorst Landesgeschäftsführer Colonnaden 25/II. Stock 20354 Hamburg Tel.: 040-30 38 10 49 Fax: 040-30 38 10 59 e-Mail: LV-HH@wirtschaftsrat.de Landesverband Schleswig-Holstein Dr. bertram Zitscher Landesgeschäftsführer Kleiner Kuhberg 2-6, 24103 Kiel Tel.: 0431-67 20 75 Fax: 0431-67 20 76 e-Mail: LV-S-H@wirtschaftsrat.de www.wirtschaftsrat.de

Redaktion Theresa gröninger, Holger Hartwig, ehrhard J. Heine, Henning Lindhorst, Hauke Meisner, Christian Ströder, Dr. bertram Zitscher erscheinungsweise: 4 x pro Jahr Auflage: 5.000 exemplare Der bezugspreis ist im Mitgliederbeitrag enthalten. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht die Meinung des Herausgebers wieder.

Herstellung und Anzeigen copy-druck gesellschaft für Digital- und Offsetdruck mbH Neumann-Reichardt-Straße 27-33 (Haus 21) 22041 Hamburg Telefon: +49 (0) 40 - 689 45 45 Telefax: +49 (0) 40 - 689 45 444 e-Mail: info@copy-druck.de www.copy-druck.de Satz/Layout: Wolfgang Schlett, KgV

Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Bildnachweis: nicht gesondert gekennzeichnete bilder WR-Archiv, sonst Kennzeichnung an den Fotos, Aufmacherfotos: Fotolia.com: © weseetheworld (Titel), © CYCLONePROJeCT (S.6/12 grafik), © Katja Xenikis (S.6/18 berlin), © sunflower (S.6/58 Flaggen), © Janina Dierks (S.25 Deko), © DisobeyArt (S.37 bier), © phive 2015 (S.37 blockchain),© mizar_21984 (S.37 uhr), © Jenny Sturm (S.37 Stilleben)

Das nächste Heft erscheint im Dezember 2018

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Landesverband Hamburg | 3/2018 | WIR IM NORDEN


Ein neuer Diakoniekonzern entsteht

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Das Albertinen-Diakoniewerk in Hamburg und die Immanuel Diakonie in Berlin werden sich Anfang 2019 zur Immanuel Albertinen Diakonie zusammenschließen. Es entsteht ein inhaltlich breit aufgestellter und finanzstarker freikirchlicher Diakoniekonzern, der Matthias Scheller

W

Udo Schmidt

ahrnehmbarkeit ist in einem gesundheitsmarkt, der immer stärker durch einzelne Konzerne geprägt wird, ein wichtiges Kriterium, um selbstbestimmt seine Zukunft gestalten zu können. Mit rund 6.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie einem Jahresumsatz von 540 Millionen euro wird die Immanuel Albertinen Diakonie eine echte „größe“ unter den diakonischen Anbietern. Insgesamt ist der zukünftige Diakoniekonzern mit rund 80 einrichtungen in sieben bundesländern vertreten, dessen Angebot neben Krankenhäusern, Medizinischen Versorgungszentren, Pflegeeinrichtungen auch therapeutische Angebote, einrichtungen der behinderten- und Suchtkrankenhilfe, Kinder- und Jugendhilfe, psychosoziale betreuung, Hospize sowie ergänzende Dienstleistungen umfasst. Hinzu kommen noch Akademien für Fort-, Aus- und Weiterbildung sowie die beteiligung an einer Medizinischen Hochschule. Mit dem Zusammenschluss werden zwei regional sehr gut etablierte Marken gestärkt, deren Strahlkraft deutlich über die jeweilige Metropolregion hinausreicht. Die größte einrichtung innerhalb der Immanuel Albertinen Diakonie wird das Hamburger Albertinen-Krankenhaus sein, das mit seinem überregional nachgefragten Herz- und gefäßzentrum ein Pendant in dem Immanuel Klinikum bernau Herzzentrum brandenburg findet. Matthias Scheller, Vorstandsvorsitzender des Albertinen-.Diakoniewerks: „Wir versprechen uns an vielen Stellen große Vorteile im Wissensmanagement, wenn sich zwei kompetente Partner zusammentun und sich gemeinsam über gute Inhalte und

deutschlandweit agieren wird.

noch bessere Prozesse austauschen.“ Sitz der Immanuel Albertinen Diakonie wird Hamburg sein. Die gemeinsamen Werte der beiden baptistisch geprägten Diakoniekonzerne waren ein wesentlicher Antrieb für den Zusammenschluss und bleiben auch für den weiteren Prozess des Zusammenwachsens von herausragender bedeutung: „Wer sich über die Werte einig ist, hat ein starkes gemeinsames Fundament, auf dem sich alles andere aufbauen lässt“, so udo Schmidt, geschäftsführender Direktor der Immanuel Diakonie. Schmidt weiter: „Die Immanuel Albertinen Diakonie versteht sich als christlich, freikirchlich, ökumenisch, diakonisch, exzellent und mutig. Das ist unser unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal.“ Matthias Scheller betont, dass die Traditionen beider Diakoniewerke fortgeschrieben und in den neuen Konzern eingebracht würden, der ein freikirchlich-diakonisches Dach für die nächsten mindestens 50 Jahre bilden könne. Mit der Immanuel Albertinen Diakonie soll eine wahrnehmbare Plattform entstehen, die Heimat insbesondere für weitere konfessionelle Träger werden kann. Scheller: „Der neue Diakoniekonzern bietet anderen Trägern und einrichtungen – ungeachtet ihres konfessionellen Hintergrundes – den Raum für entwicklung, Selbstständigkeit, Zukunft und Sicherheit – im Respekt vor der jeweiligen Historie.“ Insbesondere seien diejenigen eingeladen, die es alleine nicht schaffen können, obwohl sie ein gutes Angebot vorhalten und alle existenzberechtigungen besäßen. und udo Schmidt er-

klärt: „Dementsprechend wird sich der diakonische Auftrag der Immanuel Albertinen Diakonie zukünftig nicht zwingend auf die heutigen Angebote beschränken. Wir möchten neue Ideen zur Marktreife entwickeln, wobei der Anspruch an gelebte Nächstenliebe immer Richtschnur des Handelns bleibt. getrau unseres neuen gemeinsamen Mottos: In besten Händen, dem Leben zuliebe.“ In mehreren Projektgruppen wird derzeit der Zusammenschluss auf der praktischen ebene vorbereitet. Darüber hinaus hat das gemeinsame Fusionsbüro die Arbeit aufgenommen, um den Prozess des Zusammenschlusses zu flankieren. Im vierten Quartal sollen die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen abgeschlossen sein, um am 1. Januar 2019 operativ starten zu können. „Ich empfinde tiefe Dankbarkeit dafür, dass sich zwei leistungsstarke Diakoniewerke zu einem noch stärkeren ganzen zusammentun. Der Zusammenschluss ist eine Riesenchance nicht nur für Albertinen und Immanuel, sondern eröffnet auch für weitere Partner eine nachhaltige Zukunftsperspektive“, betont Matthias Scheller. und udo Schmidt sagt: „Ich freue mich darüber, dass von dem Zusammenschluss ein starkes Signal in die bundesrepublikanische gesundheitswirtschaft ausgeht: Konfessionell geprägte und christlich verwurzelte unternehmen haben nach wie vor ihren festen Platz in der medizinischen Versorgung. Christliche Werte brauchen einen erlebbaren beweis im Alltag – gerade für Menschen, die sich in grenzsituationen befinden. und dafür steht die Immanuel Albertinen Diakonie.“ ■



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