Wirtschaftsrat gutachten erdmann maßnahmen zur weiterentwicklung von strommarkt und eeg

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Maßnahmen zur marktwirtschaftlichen Neuausrichtung des Strommarktes und des EEG

Erstellung des zugrundeliegenden Gutachtens: Prof. Dr. Georg Erdmann Professor für Energiesysteme Technische Universität Berlin Institut für Energietechnik


1. Ganzheitliche Neuausrichtung des Strommarktes Erneuerbare Energien erzeugen mittlerweile über ein Drittel des Stroms in Deutschland. Dieser große Erfolg der Energiewende wurde in den letzten Jahren teuer erkauft: Rekordkosten, zunehmende staatliche Interventionen, unzureichende Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien sowie der Anstieg von Versorgungsengpässen zeigen die Problematik einer fehlgeleiteten staatlichen Lenkung der Energiewende von über einer Dekade auf. Angesichts dieser enormen Herausforderungen vertreten die Wirtschaft und die Mehrheit der politischen Entscheider übereinstimmend die Ansicht, dass das bestehende Strommarktmodell nicht zukunftstauglich ist und grundlegend überarbeitet werden muss. Die eingeleiteten Reformen des Strommarktes und des EEG bleiben jedoch Stückwerk und reichen keinesfalls aus, um die Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit des Industrielandes Deutschland zu gewährleisten. Im Gegenteil: Zunehmende staatliche Steuerung und fehlende Technologieoffenheit stehen einer kosteneffizienten, verlässlichen Energiewende, offenen Märkten und dem essentiellen Industrialisierungsprozess der erneuerbaren Energien entgegen. Um auch mit einem hohen, wachsenden Anteil von Erneuerbaren eine wettbewerbsfähige und verlässliche Versorgung mit Strom zu gewährleisten, muss das Strommarktdesign ganzheitlich neuausgerichtet werden. Dabei gilt es, sowohl erneuerbare und konventionelle Energien als auch Flexibilität auf der Angebots- und Nachfrageseite marktwirtschaftlich und transparent miteinander zu verknüpfen. Zudem ist eine wettbewerbsfähige und verlässliche Energiewende strukturell auf einen starken europäischen Energiebinnenmarkt angewiesen. Damit das Ziel einer weitgehend auf Erneuerbaren aufbauenden Stromversorgung in Deutschland erreicht werden kann, bedarf es eines diskriminierungsfreien grenzüberschreitenden Ausgleichs mit den Nachbarländern. Daneben gilt es, mit grenzüberschreitenden Ausschreibungen europaweit die besten Erneuerbaren-Standorte zu nutzen, um ein Höchstmaß an Kosteneffizienz bei der Förderung zu erzielen. 2. Zielsetzung Der Wirtschaftsrat setzt sich mit Nachdruck dafür ein, Verzerrungen im Strommarkt abzubauen. An die Stelle von staatlichen Interventionen müssen verlässliche Rahmenbedingungen treten, die Preissteuerungsmechanismen im Strommarkt konsequent stärken. Ziel muss es dabei sein, mit unverzerrten Preissignalen Marktakteuren eine klare Einschätzung der Marktsituation zu erlauben, damit diese ihren individuellen Liefer- und Abnahmeverpflichtungen stets nachkommen und Investitionen tätigen können. Gleichzeitig müssen Erneuerbare mehr System- und Marktverantwortung übernehmen. Grundlage hierfür ist ein maximal kosteneffizienter Zubau sowie die Verpflichtung der Erneuerbaren schrittweise einen deutlich größeren Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Nur wenn mit dem Strommarktgesetz und der EEG-Novelle hierfür die nötigen Weichen gestellt werden, kann es gelingen, den eingeschlagenen Weg der Energiewende mit einem stetigen Ausbau der Erneuerbaren weiterzugehen, ohne die schleichenden Desinvestitionen und die Deindustrialisierung am Standort Deutschland zu befeuern.

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Entscheidende Eckpfeiler für einen preisgeleiteten, verlässlichen Strommarkt sind:    

Stärkung eines wettbewerblichen, verlässlichen Bilanzkreismanagements Öffnung von Regelleistungsmärkten für alle Flexibilitätslösungen und Akteure Konsequente Neuausrichtung der EEG-Fördersystematik, um Kosteneffizienz und Systemverträglichkeit zu stärken Effiziente Nutzung der vorhandenen Erneuerbaren-Energie zur Steigerung von Flexibilität unter der Maßgabe von Kostenneutralität

3. Weiterentwicklung des Strommarktgesetzes Der Strommarkt muss zunehmend flexibel auf die fluktuierende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien reagieren. Deshalb bedarf es dringend einer umfassenden Flexibilisierung des Stromsystems auf der Nachfrageseite. Zusätzlich sind moderne und emissionsarme Gasund Kohlekraftwerke sowie sektorenübergreifende Speicherlösungen notwendig, um die verbleibende Nachfrage bei Schwankungen der regenerativen Energien auszugleichen und jederzeit ausreichend gesicherte Leistung bereitstellen zu können. Durch eine konsequente Weiterentwicklung des Bilanzkreismanagements und der Regelenergiemärkte können Stromnachfrage und erzeugung besser synchronisiert und die Verlässlichkeit des Strommarktes marktwirtschaftlich erhöht werden. 3.1 Stärkung des wettbewerblichen Bilanzkreismanagements Das Bilanzkreis- und Ausgleichsenergiesystem ist das zentrale Instrument für die Synchronisierung von Erzeugung und Verbrauch. Die Stärkung der Bilanztreue ist daher ein wesentlicher Parameter in einem funktionierenden, verlässlichen Strommarkt. Entsprechend der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) umfassen Bilanzkreise all diejenigen Stromkunden bzw. Stromzähler, die von einem Energieversorgungsunternehmen beliefert werden. Wechselt ein Kunde seinen Versorger, bucht der zuständige Netzbetreiber den entsprechenden Zähler um. Dem neuen Versorger fällt damit die Verantwortung für die gesicherte Belieferung des neuen Kunden zu. Kommt er dieser Verantwortung systematisch nicht nach, werden ihm Strafzahlungen auferlegt und in letzter Instanz das Recht zum Management von Bilanzkreisen entzogen (§ 23 Abs. 2 StromNZV). Wirksame Anreize zur Stärkung der Bilanzkreistreue schaffen! Entscheidend für ein verlässliches Bilanzkreis- und Ausgleichsenergiesystem ist, dass Marktteilnehmer selbst für einen ausgeglichen Bilanzkreis sorgen. Hierzu gilt es, wirksame Anreize zu schaffen, die das Preissignal für das Gut Versorgungssicherheit explizit machen und die Verbindlichkeit für die Bereitstellung von gesicherter Leistung zur Stromproduktion und Lastabwurf erhöhen. Damit Ausgleichsenergiekosten zu einem wirksamen Anreiz für Marktakteure werden, um Bilanzkreise auszugleichen, sollte das Strommarktgesetz den Ausgleichsenergiepreismechanismus deutlich stärken. Eine konsequente Pönalisierung über die Ausgleichsenergiepreise kann Abweichungen von den vorgesehenen Verbrauchs- und Erzeugungsmengen gering halten, indem die Ausgleichsenergiepreise 3


die Kosten der Regelenergiebeschaffung unmittelbar und verursachergerecht weitergeben. So kann sichergestellt werden, dass auch in den seltenen Situationen extremer Kapazitätsknappheit ausreichend hohe Kosten für die Ausgleichsenergie bei den Bilanzkreisverantwortlichen ankommen. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass dieses System funktioniert, ist neben der Zurechenbarkeit von Fahrplanabweichungen, die Möglichkeit, einzelne Verbraucher bei Fehlverhalten (Fahrplanabweichungen) gezielt abzuschalten. Bei Veränderungen im Bilanzkreissystem dürfen kleinere Bilanzkreise jedoch nicht benachteiligt werden. Darüber hinaus verbessern stärkere Anreize zur Bilanzkreistreue die Refinanzierungsmöglichkeiten für Kapazitäten. Optionsmarkt für gesicherte Leistung vorantreiben! Um eine verlässliche Absicherung gegen Bilanzkreisungleichgewichte sicherzustellen, bedarf es zudem entsprechender Produkte. Damit Marktakteure effektive Versicherungsoptionen gegen Versorgungsunterbrechungen anbieten, sollte der Optionsmarkt weiterentwickelt werden und zum Kernelement der Bepreisung von Versorgungssicherheit ausgebaut werden. Ziel muss es sein, den Transformationsprozess der Energiewende voranzutreiben, ohne Versorgungssicherheit aufs Spiel zu setzen. Dabei sollten Optionen an der Börse auch in kürzeren Zeitspannen angeboten und gehandelt werden können und stärker zur Absicherung von physischen Versorgungsrisiken genutzt werden. Um auch die physische statt nur finanzielle Erfüllung von Versicherungsoptionen zu garantieren, muss durch entsprechende Präqualifikation und hohe Kompensationszahlungen im Falle eines Ausfalls sichergestellt werden, dass Anbieter Leistungen auch tatsächlich vorhalten. Nur so kann es gelingen, einen Wettbewerb zwischen Angeboten zu schaffen, die in Engpasssituationen zuverlässig aus gesicherter Leistung Strom produzieren oder Last abwerfen können. Optionen können sowohl fossile Kraftwerke oder Speicher, als auch Erneuerbaren-Anlagen umfassen, die im Zusammenschluss mehrerer dezentraler Anlagen einen Teil ihrer Leistung als gesichert anbieten. Werden Bilanzkreisverantwortliche in die Lage versetzt , einerseits Abweichungen von vereinbarten Leistungen verursachergerecht zu pönalisieren und andererseits nicht mit Absicherungsoptionen ausgestattete Kunden im Knappheitsfall gezielt abzuschalten, so würde die Vorhaltefunktion des Strommarktes kosteneffizient gestärkt. Der Bedarf an darüber hinausgehenden Reserveinstrumenten oder Kapazitätsmechanismen wäre somit geringer. Gleichzeitig muss die Bilanzkreisverantwortung durch eine bessere Kontrolle gestärkt werden. In diesem Zusammenhang ist es perspektivisch notwendig, die entsprechenden Datenströme in Echtzeit zu verknüpfen, um Preissignale aus dem kurzfristigen Handel zu stärken. Insgesamt gilt es, mit Blick auf den stetig wachsenden Anteil von Erneuerbaren am Strommix und den damit einhergehenden Schwankungen rechtzeitig Lösungen zu finden, damit genügend physische Kapazitäten verlässlich vorgehalten werden. Um Versorgungssicherheit möglichst kosteneffizient bereitzustellen solange Erneuerbare keine ausreichende Systemverantwortung übernehmen, sollte der diskriminierungsfreie Zugriff auf vorhandene Kapazitäten in den Nachbarländern sichergestellt werden. Der zunehmende Handel zwischen den europäischen Nachbarstaaten durch den Ausbau der grenzüberschreitenden Übertragungskapazität ermöglicht das gemeinsame Nutzen von Synergieeffekten und der gesamten vorhandenen Flexibilität in einem möglichst großen Marktgebiet.

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3.2 Stärkung von Flexibilität durch mehr Wettbewerb Die Verzerrung von Preissignalen am Strommarkt verhindert eine effiziente Erschließung der Flexibilitäts- und Lastabsenkungspotenziale und erhöht die Kosten zur Integration erneuerbarer Energien. Um Versorgungssicherheit auch weiterhin zu gewährleisten, gilt es, Regelenergiemärkte ganzheitlich weiterzuentwickeln und zu stärken. Flexibilitätshemmnisse, die das Preissignal verzerren, müssen abgebaut werden. Ziel sollte es sein, die kosteneffizientesten Flexibilitätslösungen durch einen technologieoffenen Wettbewerb und die Öffnung von Regelenergiemärkten für alle Akteure für den Strommarkt nutzbar zu machen. Level-Playing-Field der Flexibilitätsoptionen auf der Nachfrageseite schaffen! Mit der Verlängerung der Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) wurde ein bewährtes Instrument für industrielles Lastmanagement fortgeschrieben, welches jedoch nur geringe Kapazitäten an schnellen und sofort abschaltbaren Lasten umfasst. Statt die Bevorzugung einzelner Maßnahmen zur Flexibilitätssteigerung voranzutreiben auf die Gefahr hin ineffiziente parallele Systeme zu schaffen, gilt es, den Netzbetreibern situationsbedingt eine größere Flexibilität bei den Regelenergie-Ausschreibungsmengen einzuräumen und diskriminierungsfreie, technologieoffene gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen für alle Flexibilitätsoptionen zu setzen. Nur so kann es gelingen auf die Veränderungen von Angebot und Nachfrage passgenau zu reagieren. Ziel muss es dabei sein, dass sich die kosteneffizientesten Lösungen (Demand-Side Management, Einsatz von Energiespeichern, Power-to-X-Lösungen, etc.) zur Steigerung von Flexibilität auf der Nachfrageseite durchsetzen können. Perspektivisch sollten daher alle Netzentgelte und Abgaben aus Energielieferungen für alle Letztverbraucher von einer energiebezogenen auf eine leistungsbezogene Berechnungsgrundlage umgestellt werden. Damit würde nicht mehr die gelieferte Menge Energie, sondern die Bereithaltung einer funktionierenden Infrastruktur bepreist, so dass hiermit ein faires Level-Playing-Field hergestellt sowie ein technologieneutraler Beitrag zur Verwendung von (erneuerbaren) Elektrizitätsüberschüssen geleistet würde. Aufbauend auf dem flächendeckenden Einsatz intelligenter Messsysteme können mit der zeitlichen Flexibilisierung von Netzentgelten neue Produkte angeboten werden, mit denen sich enorme Kosteneinsparungen entlang der Wertschöpfungskette erzielen lassen. Als Zwischenschritt müssen Netznutzungsentgelte mindestens flexibilitätsfreundlicher gestaltet werden. Um einen unverzerrten Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen auf der Nachfrageseite zu stärken, darf die Erbringung von positiver und negativer Regelleistung bei der Berechnung der Netzentgelte nicht berücksichtigt werden. Zudem sollten Steuern und Abgaben für den Letztverbrauch, nur dort erhoben werden, wo auch der tatsächliche Letztverbrauch anfällt. Speicheranlagen, bei denen dies nicht der Fall ist, sollten vom Letztverbraucherstatus ausgenommen werden. Dies würde eine Benachteiligung von einzelnen Flexibilitätsoptionen gegenüber der AbLaV vermeiden und die Such- und Entdeckungsfunktion des Strommarktes stärken, damit wirtschaftliche Flexibilitätspotenziale kosteneffizient gehoben werden können.

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Regelleistungsmärkte transparenter gestalten und für neue Marktteilnehmer öffnen! Neben Großverbrauchern kann auch die Nachfrageflexibilisierung von kleinen und mittelgroßen Verbrauchern einen wichtigen Beitrag zur Systemsicherheit des Strommarktes leisten. Die Aggregation – das heißt die innovative Bündelung – von Stromverbrauchern kann bisher ungenutzte Felxibilitätspotenziale effizient heben. Da es derzeit jedoch keine spezifischen Regeln von Rechten und Pflichten für Aggregatoren im Strommarkt gibt, bleiben Flexibilitätsmärkte für viele Stromverbraucher und spezialisierte Dienstleister verschlossen. Als erster Schritt sollte daher der Zugang von Aggregatoren zu allen Regelenergiemärkten verbessert werden. Hierfür bedarf es einer möglichst europaweit einheitlichen Definition von Aggregatoren. Um Interessenkonflikte zu verhindern und faire Wettbewerbsbedingungen nach dem EU-Recht zu gewährleisten, gilt es, dabei die Rollen von und Beziehungen zwischen Aggregatoren und Lieferanten klar zu definieren und standardisieren.

4. Weiterentwicklung des EEG Der stetige Ausbau der Erneuerbaren stellt an einen zukunftsfähigen Strommarkt zwei wesentliche Anforderungen: Marktintegration und Systemintegration der erneuerbaren Energien. Damit beides gelingen kann, muss die Novellierung des EEG im Gleichschritt mit der Reform des Strommarktes erfolgen und einen vollständigen, klar an Marktmechanismen ausgerichteten Systemwechsel der Förderungssystematik mittels wettbewerblicher Ausschreibungen von Erneuerbaren einleiten. Die Fehler bisheriger Reformen, welche die Kosten der Förderung erhöht und das Gesetzeswerk hochgradig intransparent gestaltet haben, müssen vermieden werden.

4.1 Konsequenter Systemwechsel bei Erneuerbaren-Förderung Grundsätzlich wird mit der Umstellung auf ein Ausschreibungsmodell ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Markt und Effizienz gegangen. Damit die angestrebte umfassende Umstellung auf eine marktwirtschaftliche Fördersystematik für mindestens 80 Prozent der neuen Anlagen ab 2017 gelingen kann, müssen Ausschreibungen ohne preistreibende Regionalisierungsquoten und Freigrenzen konsequent umgesetzt werden. Ziel muss es sein, den Ausbau von Erneuerbaren kosteneffizient und systemverträglich zu verstetigen sowie die Kompatibilität mit Marktstrukturen deutlich zu stärken. Marktprämienausschreibungen einführen, ineffiziente Regionalisierung verhindern! Bei dem bisher diskutierten Ausschreibungsdesign wird der gewünschte Zubau der Leistung von EEG-Anlagen vorgegeben und in mehreren Runden ausgeschrieben. Es soll auf einen „anzulegenden Wert“ geboten werden, und zwar gemäß dem Prinzip „pay as bid“. Das heißt, der erfolgreiche Bieter bekommt die Differenz zwischen dem (Referenz-) Marktpreis, den er durch den Verkauf seines erzeugten Stroms erzielen kann und der benötigten Förderung („anzulegender Wert“) ersetzt. 6


Damit Erneuerbare vollends in den Markt integriert werden, gilt es, bei der EEG-Novelle die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Das Prinzip der Auktionierung von Zuschlägen ist zielführend und muss konsequent verfolgt werden. Jedoch sollte nicht auf einen „anzulegenden Wert“ sondern auf eine Marktprämie geboten werden. Die Idee der Marktprämie liegt darin, dass die Anlagenbetreiber den erzeugten Strom selbst vermarkten müssen, zusätzlich aber eine staatlich garantierte Unterstützung erhalten. Die Höhe der Marktprämie ergibt sich aus der Differenz des Marktwertes des Stroms zur Einspeisevergütung. Für die Anlagenbetreiber wird damit auch im System der Marktprämie ein Erlös in Höhe der Einspeisevergütung garantiert. Eine fixe oder eine dynamische Marktprämie, die einen prozentualen Zuschlag auf den Erlös darstellt, würde deutliche Anreize setzen und der Marktpreisentwicklung für die erneuerbaren Energien vollständige Relevanz zukommen lassen. Im Fall des Ausschreibungserfolgs sollte die Marktprämie für eine feste Zahl von 35.000 Volllaststunden gewährt werden. Damit würde allen erfolgreichen Bietern die gebotene Marktprämie zustehen, jedoch würde die Vergütung zügiger an besseren Standorten ausgezahlt. Nach Maßgabe der damit verbundenen Zinseffekte würde dies zu einer marktwirtschaftlich sinnvollen regionalen Differenzierung führen und gewährleisten, dass die bundesweit effizientesten Standorte für Stromproduktion aus Erneuerbaren genutzt und die Kosten der EEG-Umlage gedämpft werden. Die Umsetzung des im EEG-Referentenentwurf vorgeschlagenen „einstufigen Referenzertragsmodells“ würde dagegen die marktwirtschaftliche Ausschreibungslogik durch eine künstliche Bevorzugung des Zubaus an ertragsschwachen gegenüber windhöffigeren Standorten untergraben. Die Folge wäre eine deutliche Steigerung des Förderbedarfs, da durch den Vergütungsmechanismus die regional unterschiedliche Standortgüte im relevantesten Mengenbereich der Standortqualitäten (70-90% Standortgüte) weitgehend nivelliert wird. Dem Argument, dass der Regionalisierungsansatz im Gesetzentwurf die Kosten des bundesweiten Netzausbaus vermindern würde, steht entgegen, dass durch den Netzausbau auf allen Spannungsebenen Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit langfristig garantiert würden. Zugleich sind im Zuge der Vollendung des europäischen Energiebinnenmarkts die vorgesehenen Investitionen in Übertragungsnetze ohnehin in jedem Falle notwendig. Mit dem Referenzertragsmodell würden dagegen Fördertatbestände für ineffiziente Windkraftlagen über Jahrzehnte hinweg festgeschrieben. Zudem würde ein Ausbau der Windenergie an schlechten Standorten neuen regionalen Netzausbaubedarf induzieren. Technologieübergreifend Effizienzgewinne erzielen! Mit der im Referentenentwurf des EEG vorgeschlagenen „Windenergieformel“ soll durch die Anpassung der Ausschreibungsmenge der zu installierenden Leistung von Windkraftanlagen an Land die Lücke zwischen dem Gesamtausbauziel für erneuerbare Energien für das Jahr 2025 (40-45 Prozent am Bruttostromverbrauch) und dem Zubau der anderen Erneuerbaren-Technologien ausgeglichen werden. Eine solche RestmengenSteuerung, würde jedoch gerade den Nettozubau von Windkraft an Land als kostengünstigste Erneuerbaren-Technologie ausbremsen und ist daher volkswirtschaftlich hochgradig ineffizient.

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Grundlegendes Ziel muss es stattdessen sein, Preissignale technologieübergreifend wirken zu lassen, um ein Höchstmaß an Kosteneffizienz beim Zubau der Erneuerbaren zu gewährleisten. Statt mit detaillierten Vorgaben für die verschiedenen Technologien staatliche Lenkung fortzuschreiben, sollten Ausschreibungen sukzessive technologieoffen erfolgen, um Effizienzgewinne geltend zu machen und Erneuerbare systematisch auf ihre vollständige Marktintegration vorzubereiten. Als Zwischenschritt hin zu technologieoffenen Ausschreibungen aller Erneuerbaren sollten daher die Auktionen für die etablierten wettbewerbsfähigsten Technologien, Windkraft an Land und Photovoltaik, technologieübergreifend durchgeführt werden. Um die volkswirtschaftliche Effizienz technologieübergreifender Ausschreibungen für Wind Onshore und PV zu erhöhen, gilt es, die Freigrenze von 1 Megawatt für Kleinanlagen aufzuheben und die Flächenkulisse für Photovoltaik größer zu gestalten. Von den seit 2013 installierten 36 GW PV-Leistung wurden 72 Prozent durch Neuanlagen mit einer geringeren Leistung als 1 Megawatt erbracht. Den Großteil des Zubaus von PV-Anlagen von Ausschreibungen auszuklammern, würde das Ziel einer umfassenden marktwirtschaftlichen Umstellung der Fördersystematik untergraben. Aufgrund der langen Planungshorizonte und der industriepolitischen Implikationen einer Änderung der Ausschreibungsmenge bei Windkraftanlagen auf See sowie der geringen Ausschreibungsmenge von Biomasse, sollten beide Technologien erst in einem zweiten Schritt in technologieoffene Auktionen einbezogen werden. Vorab muss der Zubau von Windkraft auf Seeund Biomasse-Anlagen jedoch mit technologiespezifischen Ausschreibungen in ein marktwirtschaftliches System überführt werden.

Zubau kontinuierlich an Preissignalen ausrichten! Insgesamt sollten die ausgeschriebenen Kapazitätsmengen erneuerbarer Energien schrittweise reduziert werden, da spätestens Mitte des Jahrhunderts kein weiterer Zubau erfolgen muss. Spätestens dann müssen sich erneuerbare Energien am Strommarkt refinanzieren können und Ausschreibungen auf Fördergelder beendet werden. Unter Berücksichtigung der Investitionssicherheit für alle Technologien, gilt es, in der Zwischenzeit den gemeinsamen Zubaukorridor für Erneuerbare konsequent einzuhalten. Nur so können Netzengpässe und jährliche Zusatzkosten in Milliardenhöhe für Eingriffe ins Stromnetz verhindert werden. Gleichzeitig gilt es, alle Märkte für Erneuerbare unverzüglich und konsequent zu öffnen. Um die Deckelung der ausgeschriebenen Kapazitätsmengen jederzeit marktwirtschaftlich transparent zu gestalten, sollte ein Referenzwert für Grenzkosten für ein Grenzkraftwerk (z.B. Gaskraftwerk) am Terminmarkt auf Basis der Preisentwicklungen der jeweils letzten sechs Monate festgelegt werden. Wird dieser Wert unterschritten, so kann der Zubau aufgrund von Überkapazitäten gedrosselt werden. Wird der Wert überschritten und bestehen Unterkapazitäten, so dürfte der Zubau innerhalb des Ausbaukorridors schneller erflogen. Dies würde ermöglichen, den Zubau der Erneuerbaren und seine Synchronisation mit dem Netzausbau kontinuierlich an klaren Preissignalen auszurichten und hierdurch marktwirtschaftlicher und systemverträglicher zu gestalten.

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Kosteneffizienz und Verlässlichkeit der Übergangsförderung von Windkraft auf See stärken! Um eine faire, kosteneffiziente Übergangsförderung für Wind-Offshore mit Ausschreibungen sicherzustellen, gilt es, den im Entwurf zum Gesetz zur Windenergie auf See vorgesehenen Bonus für Wassertiefen ab 25m entfallen zu lassen. Es gibt keine sachliche Begründung, warum Anlagen in besonders tiefem Wasser bevorzugt werden sollten. Im Gegenteil: Der Bonus für Wassertiefen ab 25m würde zu drastischen Verzerrungen der Ausschreibungsergebnisse und erheblichen Mehrkosten bei der EEGFörderung führen. Mindestens sollte eine Überforderung gegenüber den tatsächlichen Kosten durch Zubau in größeren Wassertiefen verhindert werden, indem der Bonus auf unter 0,015 ct je kWh und Meter Wassertiefe abgesenkt wird. Mit der Einführung von Ausschreibungen für Windkraft auf See, müssen auch Genehmigungen für Projekte neu vergeben werden, die sich bereits in der Entwicklung befinden. Dies kann im Übergang der Systemumstellung auf ein Auktionsverfahren dazu führen, dass bereits weit entwickelte Projekte ihre bisherige Genehmigung verlieren und im Wettbewerb neu antreten müssen - ein erhebliches Investitionsrisiko, insbesondere für den Mittelstand. Fortgeschrittene Projekte, die im Falle eines Nichtzuschlages ihre Investitionen verlieren würden, sollten daher im Sinne des Bestands- und Vertrauensschutzes eine angemessene Entschädigung erhalten. 4.2 Effiziente Nutzung von Erneuerbaren-Strom Erneuerbare Anlagen müssen dort installiert werden, wo die Wetterbedingungen einen optimalen Betrieb ermöglichen. Eine ineffiziente standortunabhängige Förderung, wie sie das Referenzertragsmodell vorsieht, sollte daher verhindert werden. Gleichzeitig gilt, dass dem beschleunigten Netzausbau auf allen Spannungsebenen höchste Priorität eingeräumt werden muss. Es darf nicht die Situation eintreten, dass konstengünstige Erzeugungsstandorte aufgrund des unzureichenden Netzausbaus gegenüber unwirtschaftlicheren Standorten benachteiligt werden. Härtefallregelung umgehend absenken und zeitnah auslaufen lassen! Mit der Härtefallregelung nach § 12 EEG haben EEG-Anlagenbetreiber gegenüber dem Netzbetreiber bisher einen Entschädigungsanspruch, sofern die EEG-Einspeisung wegen eines Stromnetzengpasses reduziert werden muss. 
Damit wird im heutigen System begünstigt, Erneuerbare auch dort auszubauen, wo auf absehbare Zeit keine ausreichenden Stromnetzkapazitäten verfügbar sind. Um eine systemverträgliche Standortwahl zu begünstigen und die regionale Marktintegration der erneuerbaren Energien sicherzustellen, muss die Härtefallregelung für Neuanlagen bei Stromnetzengpässen zeitnah wegfallen und umgehend schrittweise abgesenkt werden. Gleichzeitig muss unter Beibehaltung der Investitionssicherheit für Bestandsanlagen sowie Anlagen die bereits in Planung sind erreicht werden, dass auch im Bestand eine Absenkung der Härtefallzahlungen erfolgt. Langfristig sollte die Förderung auf ein Mengenkontingentmodell umgestellt werden.

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Ausschreibungen mit Netzanschlussverfahren koppeln! Um den Zubau von Erneuerbaren-Anlagen besser mit dem Netzausbau zu synchronisieren, sollte die Beteiligung an Ausschreibungen von erneuerbaren Energien an das Netzanschlussverfahren für Neuanlagen gekoppelt werden. Im Rahmen der Präqualifikation zur Teilnahme am Auktionsverfahren sollten Übertragungsnetzbetreiber Projektentwicklern grundsätzlich einen verbindlichen transparenten Fahrplan übermitteln, der festlegt wann der Netzanschluss der projektierten Anlage erfolgen wird. Um Transparenz und Konsistenz sicherzustellen, sollten Netzbetreiber im Falle einer Verzögerung des Netzanschlusses eine prüfbare Begründung vorlegen und sicherstellen, dass keine Überschüsse entstehen, welche trotz Anschluss nicht ins Stromnetz eingespeist werden können. Mit diesem Verfahren würde Investitionssicherheit weiterhin Priorität eingeräumt und gleichzeitig ein Anreiz geschaffen, um den Zubau von Erneuerbaren-Anlagen mit dem Netzausbau zu synchronisieren und in diejenigen Regionen zu lenken, wo hinreichend Netzkapazitäten bestehen. Das Vorgehen hat sich im Vereinigten Königreich bereits seit über fünf Jahren bewährt und sollte auch in Deutschland mit der EEG-Novelle umgesetzt werden. Vorhandene Erneuerbaren-Energie für Flexibilitätssteigerung nutzen statt abregeln! Um die Markt- und Systemintegration voranzubringen und die Kosten der Energiewende zu senken, sollten erzeugte Strommengen aus Erneuerbaren möglichst vollständig produktiv genutzt werden. Mit dem stetigen Zubau der Erneuerbaren und dem immer noch schleppenden Ausbau der Stromnetze nehmen die Mengen von ungenutztem, abgeregeltem Strom jedoch rasant zu und betrugen schon 2015 mehr als 3000 Gigawattstunden. Dies entspricht dem Stromverbrauch von rund einer Million Haushalten pro Jahr. Neben Netzoptimierung, Netzverstärkung und dem prioritären Netzausbau auf allen Spannungsebenen kann auch die Nutzung von Erneuerbaren-Strom in den Sektoren Industrie, Wärme und Mobilität Abregelungen vermeiden und die damit einhergehenden Kosten der Härtefallregelung von Bestandsanlagen reduzieren. Dabei gilt es, über kostenneutrale Maßnahmen die Entdeckungsfunktion des Marktes zu nutzen, um Power-to-XTechnologien voranzubringen. Im Strommarktgesetz bzw. EEG sollte daher eine Option verankert werden, die es Unternehmen ermöglicht, Strom der nicht in das Stromnetz abgegeben werden kann, aufgrund von Engpassmanagement oder Spitzenkappung, wirtschaftlich für Investitionen in Flexibilitätslösungen zu nutzen. Hierfür sollte unter Beibehaltung des Investitionsschutzes über die Härtefallregelung der Weiterbetrieb der ErneuerbarenAnlagen vor dem Netzengpass gesichert werden. Gleichzeitig muss über eine Anpassung der Letztverbraucherabgaben eine produktive Nutzung vor Ort und regional ermöglicht werden. Zusatzerlöse aus dem Vertrieb von andernfalls abgeregeltem ErneuerbarenStrom sollten mindestens zur Hälfte dazu genutzt werden Härtefallkosten für Bestandsanlagen abzusenken. Die Umsetzung eines solchen Modells wäre kostenneutral und würde eine Verbesserung der Nutzung von Erneuerbaren-Energie sowie eine Senkung der Härtefallkosten über die Gewinnbeteiligung ermöglichen. Die Investitionen blieben unternehmerisches Risiko.

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