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Landesverb채nde Hamburg und Schleswig-Holstein
Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen Landesfachkommission Logistik und Infrastruktur der Landesverb채nde Hamburg und Schleswig-Holstein
DIE STIMME DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT
Landesverb채nde Hamburg und Schleswig-Holstein
Landesfachkommission Logistik und Infrastruktur der Landesverb채nde Hamburg und Schleswig-Holstein
Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen Positionspapier zur Verbesserung des G체terverkehrs
Hamburg / Kiel, Juli 2014 Kommissionsvorsitz:
Prof. Dr. Peer Witten Vorsitzender der Landesfachkommission Jens Broder Knudsen stellvertretender Vorsitzender der Landesfachkommission 3
Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen
VORWORT Eine leistungsfähige Infrastruktur ist die Lebensader der deutschen Wirtschaft. Die Logistikdrehscheibe Hamburg sorgt für Wachstum und Beschäftigung in der Region und in der ganzen Bundesrepublik. 139,6 Millionen Tonnen Güter wurden im Jahr 2013 im Hamburger Hafen von Seeschiffen geladen und gelöscht, gut sechs Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Nach den Boomjahren 2007 und 2008 war dies der dritthöchste Umschlag der Hafengeschichte. Der Containerumschlag ist im Jahr 2013 um weitere 4,4 Prozent gestiegen. Die besondere Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens liegt in der guten Hinterlandverbindung begründet. Im Jahr 2013 wurden 9,3 Millionen Container im Hamburger Hafen umgeschlagen. 3,9 Millionen davon wurden per Feederschiff aus der bzw. in die Nord- und Ostseeregion transportiert. 5,4 Millionen Container waren auf die Hinterlandverbindung angewiesen: Der Weitertransport bzw. Antransport der Container erfolgte zu etwa 60 Prozent über die Straße und zu etwa 40 Prozent über die Schiene. Hamburg ist Europas größter Bahnhafen. Infrastruktur ist die Grundausstattung einer Volkswirtschaft und macht auch gleichzeitig deren Kapitalstock aus. Ausgaben für Straßen, Wasserstraßen und Schienenwege sind daher Investitionen in Wohlstand und Arbeitsplätze. Versäumnisse in Erhaltung und Ausbau machen sich nachhaltig bemerkbar. In Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft haben die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein dieses Positionspapier verfasst. Es richtet sich an die politischen Entscheidungsträger auf Landes- und Bundesebene. Ziel ist es, die aktuellen Probleme in der Logistikwirtschaft aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur darzulegen und realistische sowie politisch vertretbare Lösungsansätze aufzuzeigen.
Prof. Dr. Peer Witten Vorsitzender der Landesfachkommission
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Jens Broder Knudsen stellvertretender Vorsitzender der Landesfachkommission
Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein
ZUSAMMENFASSUNG Klagen über marode Infrastruktur beschränken sich derzeit nicht nur auf Norddeutschland. Die Metropolregion Hamburg ist jedoch als bedeutender Logistikstandort besonders von einer leistungsfähigen Verkehrsverbindung über Straße, Schiene und Wasserwege abhängig. Dies wollen die Landesverbände Hamburg und SchleswigHolstein mit dem vorliegenden Positionspapier deutlich machen. Die Ursachen für die unzureichende Situation werden in einer jahrzehntelangen Unterfinanzierung, in ineffizienten Planungs- und Genehmigungsverfahren und in einer mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz von großen Bauvorhaben gesehen. Dass für Erhaltung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, hat bereits im Jahr 2000 die Pällmann-Kommission ausführlich dargelegt. Zwischenzeitlich wurde der Investitionsbedarf genau beziffert: 7,2 Milliarden Euro werden pro Jahr benötigt, um den laufenden Erhalt und den Abbau des Sanierungsstaus bei Straße, Schiene und Wasserstraße zu schultern. Die Frage, woher dieses Geld kommt, hat die Große Koalition nicht beantwortet. 5 Milliarden Euro – und damit 1,25 Milliarden Euro pro Jahr – werden zusätzlich für die Verkehrswegefinanzierung zur Verfügung gestellt. Diese Mittel reichen bei Weitem nicht aus. Die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein des Wirtschaftsrats fordern daher: Mindestens 3 Milliarden Euro sind zusätzlich pro Jahr aus Bundesmitteln zur Verfügung zu stellen. Angesichts der Höhe der aktuellen Steuermehreinnahmen muss jetzt endlich die Verkehrsinfrastruktur eine deutliche Priorität erhalten. Zugleich ist stärker auf alternative Finanzierungsmodelle zurück zu greifen. Die Erfahrungen mit dem sogenannten Lebenszyklusmodell haben gezeigt, dass dieses hervorragend geeignet ist, privatwirtschaftliche Kompetenz und privates Kapital für die Infrastrukturentwicklung zu gewinnen. Der geplante Ausbau der A 7 verfolgt genau diesen Ansatz, der ebenfalls bereits beim Ausbau der A 1 zu einer kurzen Bauphase und damit hoher Effizienz geführt hat. Neben den Finanzierungsdefiziten erweisen sich die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland als Investitionshemmnis. Das Verbandsklagerecht ermöglicht und befördert eine Anfechtung von Planfeststellungsbeschlüssen. Dies führt nicht nur zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen, sondern bedeutet für die planfeststellende Behörde bereits im Vorfeld eine intensive Beachtung möglicher Klagegründe. Eine Vereinfachung und Beschleunigung würde sich bereits durch eine Beschränkung der Gerichte auf eine formal-rechtliche Überprüfung ergeben. Dadurch wären die Gerichte von der Last einer materiellrechtlichen Überprüfung befreit und die Güteabwägung einer politischen Entscheidung bliebe richtigerweise allein bei den politisch Verantwortlichen. Langwierige Verfahren und Finanzierungsprobleme bei Großprojekten haben in Deutschland ein Klima mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz erzeugt. Eine kritische Bevölkerung zwingt die Vorhabenträger zu einer umfangreichen Legitimationskommunikation. Dabei verliert ein Vorhaben an positiver Aussagekraft. Eine richtig verstandene Bürgerbeteiligung, die frühzeitig ansetzt, offen und transparent ist, kann nicht nur zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen, sondern auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Infrastruktur – nicht nur in Norddeutschland – schärfen.
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Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen
ÜBERSICHT
1.
Wo stehen wir heute? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.
Was müssen wir tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.1
FINANZIERUNG
2.1.1
Finanzierungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.1.2
Finanzierungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.1.3
Lebenszyklusmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1.4
Forderungen des Wirtschaftsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.2
PLANUNG
2.2.1
Planungs- und Genehmigungszeiträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.2.2
Planungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.2.3
Planungskapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2.4
Forderungen des Wirtschaftsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.3
AKZEPTANZ
2.3.1
Bürgerbeteiligung verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.3.2
Grenzen der Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.3.3
Akzeptanz für die Bauphase sichern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.3.4
Forderungen des Wirtschaftsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
3.
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
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Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein
1. Wo stehen wir heute? Ein leistungsfähiges Güterverkehrswegenetz in Norddeutschland entscheidet über die Attraktivität des exportorientierten Wirtschaftsstandorts Deutschland, die Zukunft der maritimen Wirtschaft und die Lebensqualität im gesamten Land. Diese Leistungsfähigkeit ist derzeit aufgrund vernachlässigter Investition in zunehmendem Maße nicht mehr gegeben. Zahlreiche Baustellen führen zu Staus, zu erheblichen Wartezeiten und reduzieren dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Logistik gegenüber den Nachbarländern. Das deutsche Straßennetz droht auch im europäischen Vergleich seine Spitzenposition einzubüßen und ist zugleich stark vom allgemeinen Verkehrswachstum betroffen. Sämtliche Szenarien zur Entwicklung der Verkehrsnachfrage in Deutschland und der EU gehen von einer substantiellen Zunahme des Güterverkehrs aus. Der Anteil des Straßengüterverkehrs am Modal-Split steigt voraussichtlich weiter an.1 Der Umschlag in den deutschen Seehäfen wird bis 2030 laut Seeverkehrsprognose um 80 Prozent wachsen. Die Hinterlandanbindungen in den Segmenten Straße, Schiene und Flüsse stoßen aber bereits heute an ihre Kapazitätsgrenzen. Bei einer nahezu Verdoppelung der Ladungsmengen ist ihre Anpassung dringend erforderlich. Die Kapazitäten von Schiene und Wasserstraße werden auch in den kommenden Jahrzehnten das zusätzliche Verkehrsaufkommen der Bundesrepublik Deutschland allein nicht aufnehmen können. Folglich muss die Straße zusätzliche Güterverkehre aufnehmen, damit Deutschland als Exportnation weiterhin erfolgreich sein kann. Zur aktuellen Situation: Im Jahr 2013 haben die Schließung des Nord-Ostsee-Kanals oder die Sperrung der Rader Hochbrücke in Schleswig-Holstein auf dramatische Weise die gesamtdeutschen und europäischen Folgen für die Logistikwirtschaft offenbart, die durch eine marode Infrastruktur im norddeutschen Raum auch skandinavische Verkehre trifft. Die norddeutschen Häfen sind auf einen leistungsfähigen Nord-Ostsee-Kanal ebenso angewiesen wie auf eine Fahrrinnenanpassung von Weser und Elbe. Der Nord-Ostsee-Kanal ist für die deutschen Nordseehäfen auf Grund des Wege- und somit Zeitvorteils in den Ostseeraum und vice verca der entscheidende Wettbewerbsvorteil gegenüber den Wettbewerbshäfen in den Niederlanden und Belgien. Der Anstieg des Containerumschlags im ersten Quartal 2014 gegenüber dem Vorjahreszeitraum belegt die ungebrochene Attraktivität des Hamburger Hafens und des Logistikstandorts Hamburg und damit die Bedeutung der seewärtigen Zugänge und der Hinterlandanbindung. Aufgrund des Trends zu immer größeren Schiffen erweist sich die Fahrrinnenanpassung als Schicksalsfrage für die Metropolregion. Auch die Brücken sind den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Die Hälfte aller Brücken an Bundesfernstraßen sind in einem sanierungsbedürftigen Zustand und mussten in der Vergangenheit sogar für den Lkw-Verkehr voll gesperrt werden. Brücken wirken als Nadelöhre und können schlimmstenfalls zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gesamtnetzes führen, wie am Beispiel der Rader Hochbrücke und der Köhlbrandbrücke deutlich wird. An dem für die Hafenhinterlandverkehre so wichtigen Bahnnetz rund um Hamburg sind in den letzten Jahren diverse Investitionen vorgenommen worden. Für die sogenannte Y-Trasse, den Neubau der Schienenstrecke Hamburg-Bremen-Hannover, werden nun nach jahrelangen Diskussionen Alternativen geprüft. Die Realisierung wird indes noch Jahre dauern. Der Wirtschaftsstandort Deutschland droht im europäischen Wettbewerb aufgrund verkehrspolitischer Versäumnisse im Norden rund um die Seehäfen abgehängt zu werden. Arbeitsplätze sind nicht nur im nord-
1 vgl. Kurzstudie im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitung des BMVBS, September 2013
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Lebensader Infrastruktur: Handeln statt Klagen
deutschen Raum, sondern genauso in den süd- und westdeutschen exportorientierten Produktionszentren sowie in Skandinavien in hohem Maße akut gefährdet. Die Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein des Wirtschaftsrats stellen mit diesem Positionspapier ihrer Landesfachkommission Logistik und Infrastruktur Möglichkeiten einer langfristigen, nachhaltigen und leistungsfähigen Infrastrukturpolitik vor. Dazu werden Ursachen identifiziert und jeweils die entsprechenden Handlungsempfehlungen formuliert. Ziel ist die langfristige Sicherung der Exportstärke Deutschlands durch eine fortgesetzt funktionsfähige Anbindung der maritimen Handels- und Wirtschaftsstandorte Norddeutschlands.
2. Was müssen wir tun? Die Ursachen für die aktuellen Defizite in der Infrastrukturausstattung liegen zum einen in der jahrzehntelangen Unterfinanzierung des Verkehrsetats, zum anderen aber auch in langen Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie zunehmenden Akzeptanzproblemen in der Bevölkerung.
2.1 FINANZIERUNG 2.1.1 Finanzierungsbedarf Die „Daehre-Kommission“ hat in ihrem Abschlussbericht vom Dezember 2012 einen jährlichen Finanzierungsbedarf der bundesdeutschen Verkehrsinfrastruktur über alle Ebenen und für alle Verkehrsträger (ohne Luftverkehr) in Höhe von 7,2 Milliarden Euro dargestellt. Allein für die laufende Erhaltung und den Betrieb fehlen jährlich 4,5 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein Nachholbedarf (ohne Erweiterung und Verbesserung) von insgesamt 40,5 Milliarden Euro. Wird dieser über 15 Jahre abgearbeitet, ergibt sich ein Betrag von jährlich 2,7 Milliarden Euro. Für die Verfügbarkeit einer bedarfsgerechten Verkehrsinfrastruktur muss eine ausreichende Finanzausstattung gewährleistet werden. Die derzeit dafür in den öffentlichen Haushalten bereit gestellten Mittel reichen zur Finanzierung nicht aus. Allein das Land Schleswig-Holstein soll in den nächsten Jahren einen Investitionsbedarf von 900 Millionen Euro mit Finanzierungsmitteln von 280 Millionen Euro bewältigen.
2.1.2 Finanzierungsquellen Ende September 2013 hat die „Bodewig-Kommission“ zur Beseitigung der Unterfinanzierung einen Stufenplan zur Aufstockung des Infrastrukturetats vorgestellt. Kernbotschaft ist u.a. die stärkere Nutzerfinanzierung und somit eine Ausweitung der Lkw-Maut. Eine Pkw-Maut wird nicht ausgeschlossen. Im Einzelnen wird vorgeschlagen: ■
Regelmäßige Netzzustands- und -leistungsberichte als Grundlage für sachgerechte Entscheidungen;
■
Erfassung von Folgekosten und Substanzverlust der Infrastrukturinvestitionen (Lebenszyklusansatz);
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■
Schaffung von Anreizen zur effizienten Bewirtschaftung der Bestandsverkehrsinfrastruktur (Einführung von Belohnungs- und Sanktionsinstrumenten);
■
Einrichtung eines Fonds zur Sicherstellung einer zweckgebundenen, zugriffsfesten und überjährigen Finanzausstattung;
■
Abrücken der Länder von den traditionellen Quotenmodellen.
Bereits im Jahr 2014 soll der Bund jährlich 2,7 Milliarden Euro in ein Sondervermögen leisten. Eine überjährige und bestandssichere Bindung der Haushaltsmittel in einen Fonds ist für die Umsetzung und langfristige Kapazitätsausweitung in der Tiefbauwirtschaft notwendig und sinnvoll. Erhaltung und Sanierung hat Vorrang vor Neubau. Trotz des festgestellten Finanzbedarfs von jährlich 7,2 Milliarden Euro hat sich die Große Koalition nur auf zusätzliche Bundesmittel von 5 Milliarden Euro für die gesamte Legislaturperiode bzw. zusätzliche 1,25 Milliarden Euro jährlich verständigen können. Dies reicht bei weitem nicht aus. Der Staat bleibt in der Verantwortung. Von den etwa 53 Milliarden Euro, die der Staat jährlich über die Mobilitätsnachfrage einnimmt (2012: Energiesteuer 39,8 Milliarden Euro, Kfz-Steuer 8,5 Milliarden Euro und Lkw-Maut 4,5 Milliarden Euro), fließt nur etwa ein Drittel zurück in die Infrastruktur (2012: Wasserwege 2,1 Milliarden Euro, Schiene 4,2 Milliarden Euro, Straße 12,3 Milliarden Euro). Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur muss im Bundeshaushalt oberste Priorität erhalten. Daher müssen alle künftigen Spielräume, die durch steuerliche Mehreinnahmen entstehen, für eine Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden. Trotz aller Anstrengungen wird allein eine steuerfinanzierte Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur nicht ausreichen, den hohen Bedarf zu decken. Eine zusätzliche Nutzerfinanzierung durch Mauteinnahmen ist daher unvermeidbar. Hierzu gibt es unterschiedliche Modelle mit sowohl positiven Erfahrungen (Beispiel BAB 1) als auch mit negativen Erfahrungen (Warnow-Tunnel). Aus heutiger Sicht ist insbesondere das an der Verfügbarkeit orientierte Lebenszyklusmodell besonders geeignet.
2.1.3 Lebenszyklusmodell Grundgedanke dieses Ansatzes ist die Übertragung der Verantwortung für ein Projekt, von der Planung und Finanzierung bis zum Bau und zur Bewirtschaftung auf einen privaten Investor. Er wird über den vollen Lebenszyklus von etwa 30 Jahren entsprechend der Verfügbarkeit incentiviert. Ist die Verfügbarkeit nicht oder nur teilweise gegeben, verringern sich seine Einnahmen. Ein ganz wesentlicher Unterschied zu anderen Modell liegt darin, dass der Investor nicht das Verkehrsmengenrisiko trägt. Seine Einnahmen sind also nicht vom Verkehrsaufkommen der Strecke abhängig. Die Vorteile des Lebenszyklusmodells liegen u. a. in: ■
einer erheblich zügigeren Realisierung der Baumaßnahmen gegenüber den konventionellen Bauprojekten und effizienteren Bauausführung (Bsp. Baustellenmanagement im Mehrschichtbetrieb; kaum Schnittstellen zwischen den Bereichen Planung und Bau) sowie einer kürzeren Realisierungsphase;
■
Berücksichtigung von Folgekosten einer Investition durch Messung der Verfügbarkeit der Straßen über den vollen Lebenszyklus von 30 Jahren;
■
Entlastung der öffentlichen Haushalte durch private Finanzierung, indem Investitions- und Betriebskosten ganz oder teilweise auf den Lebenszyklus des Bauobjektes verteilt werden;
■
höherer Kostendisziplin durch mehr Effizienz aufgrund von Bonus- und Malusregelungen und privatwirtschaftliche Verantwortung für den Betrieb von Fernstraßen über Jahrzehnte.
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2.1.4 Forderungen des Wirtschaftsrats ■ Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel von 3 Milliarden Euro p.a. statt bisher 1,25 Milliarden, finanziert aus Steuermehreinnahmen; ■ Einforderung von EU-Mitteln für die Finanzierung transeuropäische Netze; ■ Nutzung von Lebenszyklus- und Verfügbarkeitsmodellen mit Übertragung von Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb auf einen privaten Investor; ■ Nutzerfinanzierung für Wasserstraßen nur, wenn sie für alle Wasserstraßen gilt, da ansonsten eine Wettbewerbsverzerrung zum Schaden der norddeutschen Seehäfen und zugunsten der Wettbewerber in den Niederlanden entsteht.
2.2 PLANUNG 2.2.1 Planungs- und Genehmigungszeiträume Die Planungs- und Genehmigungszeiträume für Verkehrsinfrastrukturprojekte in Deutschland sind zu lang. Nicht selten verändert sich im Zeitablauf die Grundlage, sei es sachlicher, juristischer oder finanzieller Art, die einst ein Vorhaben in bestimmter Form notwendig machte. Die Folge: Die Projekte verteuern sich, die Akzeptanz in der Bevölkerung schwindet und der dringend notwendige Ausbau der Verkehrsinfrastruktur verzögert sich erheblich. Mit dem auf die neuen Bundesländer beschränkten Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz aus dem Jahr 1991 sowie mit dem darauf folgenden Infrastrukturbeschleunigungsgesetz aus dem Jahr 2006 konnten bereits Verbesserungen erzielt werden. Dennoch sind weitergehende Ergänzungen und Nachbesserungen im Verwaltungsverfahrensgesetz dringend erforderlich, um die Planungsverfahren in Deutschland weiter zu beschleunigen.
2.2.2 Planungsrecht Es ist auffällig, dass die planungsrechtlichen Verfahren bei unseren europäischen Nachbarn deutlich schlanker verlaufen. Dies zeigt sich bei staatenübergreifenden Infrastrukturprojekten wie beispielsweise der FehmarnBelt-Querung. In anderen EU-Mitgliedsstaaten können Planungs- und Genehmigungszeiträume deutlich kürzer und am Ende auch erfolgreich abgeschlossen werden, obwohl diese auch denselben europäischen Gesetzen unterliegen. Dagegen wird die Planung und Vergabe von großen Infrastrukturprojekten in Deutschland immer umfangreicher und komplizierter. Insbesondere das europäische und deutsche Umwelt- und Naturschutzrecht sind komplexe Verfahren, die durch zahlreiche Gutachten und gerichtliche Auseinandersetzungen zu langwierigen und kostenintensiven Planungsprozessen führen. Hier gilt es Optimierungspotentiale auszuschöpfen, ohne dass der Schutz von Umwelt und Natur vernachlässig wird. Allerdings müssen Ausmaß und zusätzliche Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu dem erreichbaren Nutzen stehen. Die umfassende Berücksichtigung sämtlicher Umweltbelange muss einer späteren materiell-rechtlichen Überprüfung vor Gericht standhalten. Die Möglichkeit der Verbandsklage macht eine Befassung der Gerichte wahrscheinlich. Eine Verkürzung der Verfahrensdauer – ohne Beeinträchtigung der fachlichen Qualität entsprechender Entscheidungen – besteht insbesondere im Bereich der gerichtlichen Verfahren und der Ausgestaltung der Verbandsklagen anerkannter Naturschutzverbände.
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Eine Beschleunigung der Verfahrensdauer kann bewirkt werden, wenn bei Klagen von anerkannten Umweltverbänden – oder anderen – die Überprüfung der Genehmigungsentscheidung durch die Gerichte auf folgende Aspekte beschränkt wird: ■
Sind die Umweltverbände im Genehmigungsverfahren ordnungsgemäß beteiligt worden?
■
Hat sich die Genehmigungsbehörde mit allen von Umweltverbänden und anderen im Genehmigungsverfahren vorgebrachten Einwendungen ordnungsgemäß, d.h. ermessensfehlerfrei befasst?
Dabei ist neben der Verfahrensbeschleunigung ein weiterer, ebenso bedeutsamer Aspekt zu beachten: Wenn sichergestellt ist, dass die Gerichte sich ausschließlich auf die Frage konzentrieren, ob alle im Verfahren vorgebrachten Argumente ordnungsgemäß berücksichtigt wurden, wird den Gerichten die Güteabwägung über politische Entscheidungen entzogen. Eine solche Güteabwägung ist nicht Aufgabe der Gerichte, sondern muss Aufgabe der politischen Entscheidungsträger bleiben. Andernfalls ginge damit eine Entmündigung der politisch Verantwortlichen einher. Außer die Konzentration der Gerichte auf formal-juristische Aspekte liegt ein Beschleunigungspotenzial in der Überprüfung der Gerichtszuständigkeit. Die im Rahmen sog. Genehmigungs- und Verfahrensbeschleunigungsgesetze vorgenommene Regelung, wonach das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erst- und letztinstanzlich für Infrastrukturprojekte zuständig ist, hat wegen der Vielzahl der gerichtlichen Überprüfungsverfahren faktisch zu keiner Beschleunigung geführt. Die Kapazitätsausstattung des Gerichts sollte an die Verfahrensanforderungen so angepasst werden, dass eine deutliche Beschleunigung eintreten kann. Weitere Vereinfachungs- und Beschleunigungsmöglichkeiten liegen in einem effizienteren Planungsverfahren. Das Raumordnungsverfahren ist ein dem Zulassungs- und Genehmigungsverfahren vorgelagertes Prüf- und Abstimmungsverfahren. Darin wird geklärt, ob eine Maßnahme mit den Erfordernissen der Raumordnung vereinbar ist und wie raumbedeutsame Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden können. Dafür notwendig ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die auch im Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss. Durch eine Bündelung von Entscheidungskompetenzen und Vermeidung von Redundanzen, wie eine doppelte Umweltverträglichkeitsprüfung, ließen sich beide Verfahren – Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren – effizient gestalten. Eine weitere Verfahrensoptimierung ist auch bei der Behördenbeteiligung möglich. Die Bestellung von gemeinsamen Gutachtern in Abstimmung mit den beteiligten Verwaltungen kann eine nicht notwendige Doppelbegutachtung vermeiden. Darüber hinaus ist eine Fristsetzung für Behördenbeteiligung unentbehrlich.
2.2.3 Planungskapazitäten Die Bereitstellung von Investitionsmitteln des Bundes für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in den Ländern setzt voraus, dass auf Landesebene baureife Projekte vorliegen. Derzeit sind Mittel für Infrastrukturmaßnahmen vorhanden, allerdings ist die öffentliche Hand nicht in Lage, dieses Geld vollständig zu verbauen, da es an baureifen Projekten fehlt. Eine „Vorratsplanung“ ist teuer und muss vom Land vorfinanziert werden. Die notwendigen Haushaltsmittel sind in der Vergangenheit vielfach Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. Auch fehlt es an Planungskapazitäten. Durch einen massiven Abbau von Personal fehlt es in den Verwaltungen an Ingenieuren und Juristen, um zeitnah Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Eine Lösung besteht in der Beauftragung privater Dienstleister. Die Vergabe von Planungsaufträgen an private Ingenieurbüros und die Durchführung von Anhörungen und Öffentlichkeitsbeteiligungen durch externe Projektmanager können zu einem beschleunigten Planfeststellungsverfahren einen bedeutenden Beitrag leisten.
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Dafür müssen ausreichende Mittel auf Bundes- und Landesebene bereitgestellt werden. Grundsätzlich und perspektivisch ist aber eine Personalaufstockung in diesem Bereich dringend erforderlich, denn eine Vergabe von Projekten wird nicht ohne Beteiligung der Verwaltung möglich sein.
2.2.4 Forderungen des Wirtschaftsrats ■ Erhebliche und unverzügliche Aufstockung von Planungsmitteln für Infrastrukturmaßnahmen in den Ländern, ■ Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung auf formal-rechtliche Aspekte mit der Folge einer ■ Verfahrensbeschleunigung sowie ■ Verhinderung gerichtlicher Güteabwägung und dadurch bedingter Entmündigung politisch Verantwortlicher, ■ Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren durch Aufstockung der Kapazitäten des Bundesverwaltungsgerichts oder der Wiedereinführung der Zweistufigkeit, ■ Vermeidung von Redundanzen im Planungs- und Genehmigungsverfahren (beispielsweise Verzicht auf mehrfache Begutachtung).
2.3 AKZEPTANZ Die im Planungs- und Genehmigungsverfahren vorgesehenen Instrumente der Bürgerbeteiligung reichen oft nicht, um die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung sicher zu stellen. Eine Ausweitung von Partizipationsmöglichkeiten muss nicht im Widerspruch stehen zu dem Erfordernis der Planungsbeschleunigung und der wirtschaftlichen Notwendigkeit einer zügigen Realisierung.
2.3.1 Bürgerbeteiligung verbessern Unabhängig von den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts, wonach Betroffene ihre Belange innerhalb einer bestimmten Frist einreichen können und diese dann in einem Erörterungstermin verhandelt werden, sollte im Planfeststellungsverfahren eine umfangreiche und frühzeitige Anhörung der Öffentlichkeit erfolgen. Schon vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens ist die Öffentlichkeit von dem Vorhaben und vor allem dem Nutzen des Projekts zu informieren. In diesem frühen Stadium haben die Bürger die Gelegenheit, aktiv eine Entscheidung mitzutragen. Ist das Verfahren bereits eingeleitet, entsteht schnell der Eindruck der Passivität, die lediglich durch Protest in Aktivität verwandelt werden kann. Daher muss bereits vor Beginn der Planung ein positives Klima für die Maßnahme erzeugt werden. Die Art der Kommunikation ist dabei ebenso von Bedeutung wie die Personen, die den Prozess führen. Infrastrukturmaßnahmen sind politisch motivierte Vorhaben und müssen durch die höchste politische Ebene vertreten werden. Dabei reicht es nicht, auf die Legitimation des Vorhabens abzustellen. Vielmehr sind die positiven Auswirkungen des Projekts bzw. ist der Nutzen für die Allgemeinheit hervorzuheben: Infrastrukturmaßnahmen setzen Impulse für Lebensqualität und Arbeitsplätze. Sie haben langfristig Wohlfahrtseffekte zur Folge oder können architektonisch wertvoll sein. Insofern hat jedes Infrastrukturvorhaben ein hohes Innova-
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tionspotenzial. Durch klar formulierte, positive Botschaften lassen sich in der öffentlichen Wahrnehmung Bilder erzeugen, die eher Akzeptanz bewirken als die formale Rechtfertigung eines Vorhabens. Durch Kooperation mit Verbündeten können Multiplikatoreffekte erreicht werden, die in einen breiten gesellschaftlichen Konsens münden. Ideologisch motivierter Bürgerbeteiligung wird im Idealfall so der Nährboden entzogen. Die politischen Entscheidungsträger und die durchführende Verwaltung können wieder als Partner betrachtet werden. Jedes Infrastrukturvorhaben ist auch ein Eingriff in die Natur und in Rechte Dritter. Diese negativ Betroffenen müssen frühzeitig identifiziert und in den Planungsprozess einbezogen werden. Generell hat die Planungsbehörde alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Ein offener Umgang mit Betroffenen und allen Interessierten erleichtert die Akzeptanz und führt somit zu kürzeren Planungsverfahren. Kommunikation muss somit positiv, frühzeitig, umfassend, offen und transparent sein.
2.3.2 Grenzen der Bürgerbeteiligung Infrastrukturvorhaben dienen einem übergeordneten, politisch definierten und parlamentarisch entschiedenem Ziel. Legitimation ergibt sich durch die Entscheidung der demokratisch gewählten Vertreter. Die Komplexität eines Vorhabens macht eine intensive Befassung und professionelle Beurteilung erforderlich. Direktdemokratische Elemente sind hier nur begrenzt angebracht. Diese Grenzen sind in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu definieren. ■
Räumliche Abgrenzung von Bürgerbeteiligung
Unmittelbare negative Betroffenheit von einem Vorhaben ist immer nur lokal gegeben. Daher können nur lokale Volksentscheide zulässig sein. Sie dürfen aber nicht für Verkehrsprojekte von regionaler oder überregionaler Bedeutung gelten, da in dem Fall mehr Bürger in ihrer Gesamtauswirkung auf Wohlstand und Lebensqualität betroffen sind. Ein Volksentscheid auf kommunaler Ebene darf somit nur für lokale Verkehrsprojekte gelten. ■
Zeitliche Abgrenzung von Bürgerbeteiligung
Eine direktdemokratische Entscheidung ist nur dann sinnvoll, wenn sie nicht mehr juristisch angefochten werden kann. Nach einer politischen Entscheidung für ein Projekt und nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens mit einem rechtskräftigen Beschluss muss abschließende Rechtssicherheit gegeben sein. Die bauausführenden Unternehmen ebenso wie Bürger und politische Entscheidungsträger müssen sich auf die Gültigkeit eines rechtsstaatlichen Verfahrens verlassen können. Somit darf ein Volksentscheid nur unmittelbar nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses und vor Baubeginn zulässig sein.
2.3.3 Akzeptanz für die Bauphase sichern Langwierige Planungen und verzögerter Baubeginn können im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Rahmenbedingungen sich verändern und die Maßnahme ihre Berechtigung verliert: Unternehmen und andere Akteure passen sich den vorhandenen Gegebenheiten an und verlagern ihre Aktivitäten in andere Regionen. Es entstehen rechtliche und politische Unsicherheiten. Daher ist nicht nur eine zügige Planung, sondern auch eine unmittelbare und schnelle Umsetzung von entscheidender Bedeutung. Sofort nach rechtskräftigem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens muss mit der Umsetzung begonnen werden. Nicht selten schwindet die Akzeptanz für ein Vorhaben, wenn Baumaßnahmen zu lange dauern und sich allein dadurch die Kosten unverhältnismäßig erhöhen. Eine umfassende Information über die Dauer der Maßnahme, über Baufortschritt sowie Nutzen und Kosten erhalten die Akzeptanz und verhindern eine Verlagerung der 13
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wirtschaftlichen Aktivitäten. Behinderungen durch Staus beeinträchtigen die Produktivität von Logistikunternehmen. Der dadurch bedingte Wettbewerbsnachteil muss absehbar und somit berechenbar sein. Im Straßenverkehr lassen sich Staus und Behinderungen aufgrund von Baumaßnahmen durch die Verwendung von intelligenten und standardisierten Verkehrsleit- und Informationssystemen reduzieren. Ein umfassendes und abgestimmtes Baustellenmanagement kann Staus auf das unvermeidbare Maß reduzieren. In der Praxis sind Baustelleneinrichtungen nicht immer direkt am Baufortschritt orientiert. Die Einrichtung von Baustellen ist teuer und wird aus Kostengründen oft für große Teilabschnitte vorgenommen. Der Grund für die dadurch erhöhten Behinderungen ist für Verkehrsteilnehmer nicht erkennbar. Das vermindert die Akzeptanz. Behinderungen des Verkehrsflusses verursachen immer einen volkswirtschaftlichen Schaden. Dies ist bei den Kosten für Baustelleneinrichtungen mit einzukalkulieren.
2.3.4 Forderungen des Wirtschaftsrats ■ Vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens ist die Öffentlichkeit umfangreich zu informieren und zu beteiligen. ■ Die Kommunikation muss auf den Nutzen der Maßnahme und das Innovationspotenzial abstellen. ■ Volksentscheide über Infrastrukturmaßnahmen sind nur reichweitenadäquat zulässig, d.h. der Kreis der Betroffenen darf sich nicht auf die direkt Betroffenen beschränken, sondern muss auch die indirekt Betroffenen mit einbeziehen. ■ Eine direkt-demokratische Entscheidung darf nur vor Baubeginn zulässig sein und muss spätestens unmittelbar nach Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses erfolgen. ■ Zügiger Baubeginn und Baufortschritt mit umfassender Information über die Maßnahmen sichert die Akzeptanz während der Bauphase.
3. Fazit Die Bereitstellung einer leistungsfähigen und bedarfsgerechten Infrastruktur ist Voraussetzung für den Erhalt von Wohlstand und Arbeitsplätzen. Etwa 55 Milliarden Euro nimmt der Bund jährlich über die Mobilitätsnachfrage ein (Energiesteuer, Kfz-Steuer, Maut), aber nur etwa ein Drittel fließt wieder zurück in die Infrastruktur. In der Vergangenheit wurden die verfügbaren Mittel nicht immer effizient eingesetzt. Aufgrund langer Planungs- und Realisierungsphasen oder von Akzeptanzproblemen kam ein beträchtlicher Teil der zur Verfügung gestellten Mittel nicht der Verkehrsinfrastruktur zugute. Die vorgenannten Maßnahmen können dazu beitragen, „mehr Transport für den Euro“ zu ermöglichen. Sie dienen damit der Effizienzsteigerung zur Stärkung des Standorts Deutschland und des Wirtschafts- und Handelszentrums Hamburg. Die Stärkung des politischen Gewichts der norddeutschen Länder setzt eine intensivere Zusammenarbeit voraus. Eine Kooperation, wie sie etwa bei der Abstimmung der Baumaßnahmen der A 7 durch die Ernennung eines gemeinsamen Koordinators erfolgt, ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Eine Identifikation der politischen Entscheider mit Wirtschaftsräumen – wie der Metropolregion – ist dringend erforderlich, unabhängig von Ländergrenzen.
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Wirtschaftsrat der CDU e.V. Landesverband Hamburg Brigitte Nolte, Referentin für Wirtschaftspolitik Colonnaden 25, 20354 Hamburg Landesverband Schleswig-Holstein Dr. Bertram Zitscher, Landesgeschäftsführer Kleiner Kuhberg 2-6, 24103 Kiel Internet: www.wirtschaftsrat.de Titelfoto: © SylentPress Stand: Juli 2014