trend Nr. 122 Ausgabe Juli 2010

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Juli 2010 | Nr. 122 | 32. Jahrgang | www.trend-zeitschrift.de

Trend

Die Zeitschrift für Soziale Marktwirtschaft

WIRTSCHAFTSTAG 2010

„Aufbruch aus der Krise – Wachsen, Konsolidieren, Erneuern“

Michael Fuchs

Hugo Müller-Vogg

Alfred Katz

Flexibilität

Fünf-Parteien-System

Leitbild

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Wirtschaftstag 2010

Wirtschaft und Globalisierung menschlich gestalten Dr. Angela Merkel MdB Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

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ch habe mich zuletzt häufiger gefragt, was Ludwig Erhard wohl dazu sagen würde, was wir in den letzten anderthalb Jahren erlebt haben. Vielleicht würde er sagen, dass wir die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft im Grundsatz auf die globale Welt übertragen sollten. Denn das waren vernünftige Prinzipien, mit denen Deutschland sich hervorragend entwickelt hat, und daraus ist auch ein hohes Maß an gesellschaftlicher Gemeinsamkeit entstanden.

Diese Krise konnte nur entstehen, weil es Exzesse auf den Finanzmärkten gab, die mit Sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun haben. Die Aufgabe heißt, Wirtschaft und Globalisierung menschlich zu gestalten. Diese Aufgabe kann heute aber nicht mehr von einem Land allein erfüllt werden. Deshalb halte ich es für einen ganz großen Fortschritt, dass im Lissabon-Vertrag das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft als unsere gemeinsame europäische Wirtschaftsweise verankert ist. Europa kann so einen Beitrag dazu leisten, Wirtschaft weltweit menschlich zu gestalten. Nach der Bankenkrise, der schweren Weltwirtschaftskrise und der Anhäufung höherer Staatsschulden müssen die

öffentlichen Haushalte konsolidiert werden. Aber auch das ist nicht der letzte Schritt. Denn dann wird auf die Strukturen geschaut. Es wird danach geschaut, ob die Strukturen in einzelnen Ländern wettbewerbs- und zukunftsfähig sind. Und wenn man eine Strukturkrise vermeiden will, muss man rechtzeitig mit Strukturreformen gegensteuern. Das ist die Aufgabe, vor der wir jetzt alle stehen. Diese Krise konnte nur entstehen, weil es Exzesse auf den Finanzmärkten gab, die mit Sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun haben. Deswegen war es auch richtig, eine Antwort im Rahmen der G20-Staaten zu suchen. Genau an dieser Aufgabe arbeiten wir jetzt. Die Umsetzung der guten G20-Beschlüsse von London und Pittsburgh dauert an. Zum Schluss aber muss das Ziel erreicht werden, dass jedes Produkt, jeder Finanzmarktteilnehmer und jeder Finanzplatz so reguliert ist, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass wir allein die Märkte für alles verantwortlich machen. Die Politik muss die strukturellen Schwächen identifizieren und beheben. Für Europa bedeutet das: Wir brauchen eine Änderung der Verträge, strengere Haushaltsdisziplin und auch die Möglichkeit für Restrukturierungen, wenn sich ein Land nicht an die Regeln hält. Das Bundeskabinett hat für Deutschland ein ausgewogenes Programm entwickelt. Wir haben kein reines Sparprogramm, sondern ein Zukunftsprogramm vorgelegt. Mit vielen Sparvorschlägen sind auch strukturelle Reformen verbunden. Aus meiner Sicht geht es jetzt darum, dass wir unsere Beschlüsse auch Realität werden lassen. Aus Rede Wirtschaftstag 2010

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„Aufbruch aus der Krise – Wachsen, Konsolidieren, Erneuern“


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Hohe Auszeichnung im Wirtschaftsrat: Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold für Robert B. Zoellick Bundeskanzlerin Angela Merkel war die erste Gratulantin. Kurt Lauk überreichte dem Präsidenten der Weltbankgruppe, Robert B. Zoellick, die „Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold“.

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urt Lauk: „Ihre Verdienste um die deutsche Einheit wurden mit großem Respekt und verdientermaßen gewürdigt mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1992. Nun kommt die Ludwig-ErhardMedaille in Gold dazu. Damit haben Sie im Grunde in Deutschland an Auszeichnungen eigentlich fast alles erreicht, was zu erreichen ist. Wir wissen, dass Sie eine besondere Beziehung zu unserem Land haben, u.a. deutsche Vorfahren. Als Sie 2007 Ihr jet-

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ziges Amt antraten, titelte DIE WELT: ‘Ein Freund Deutschlands wird Weltbankchef’. Folgerichtig haben Sie Ihre 186 Mitgliedsstaaten auf einen gemeinsamen Kurs eingeschworen mit den Worten: ‘The most important thing is, to have a little Fingerspitzengefühl’. Für uns sind Sie zudem ein ordnungspolitischer Partner erster Güte. Sie haben dies in verschiedenen Positionen in herausragenden Stellungen immer wieder gezeigt und durchgesetzt, in Wirtschaft und Politik stets eindrucksvoll bewiesen.


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Ihre politischen Überzeugungen und ordnungspolitische Gradlinigkeit stehen in ganz unmittelbarer Verbindung zu Ihren bemerkenswerten Hobbys. Sie stehen für langen Atem und Standhaftigkeit. Sie sind ein passionierter Marathonläufer. Sie gelten als ausgesprochener Stratege. Ihr Hobby ist der Amerikanische Bürgerkrieg. Sie kennen dort jede Schlacht, jede Truppenbewegung, jeden Ort. Und Sie gelten als Kämpfer für den weltweiten Freihandel. Das dazugehörige Hobby ist offensichtlich, und das hat auch mich überrascht, vogelkundliche Studien in freier Natur. Gerade Ihr Kampf gegen die Renaissance des Protektionismus verbindet Sie mit dem Wirtschaftsrat. Ihr Einsatz für offene Märkte und freien Handel zieht sich konsequent durch alle Ihre Stationen. Erst kürzlich haben Sie den Protektionismus als das Risiko Nummer 1 für die weltwirtschaftliche Lage gegeißelt. Sie wissen, wir brauchen eine neue internationale Finanz- und Wirtschaftsordnung. Die Realität des 21. Jahrhunderts muss darin widergespiegelt werden. Sie haben es treffend ausgedrückt: ‘Die ökonomischen und politischen tektonischen Platten verschieben sich.’ Der neue internationale Ordnungsrahmen lässt sich nur mit Entwicklungs- und Schwellenländern neu schaffen und definieren. Gerade die Weltbank hat hier eine besondere Bedeutung. Unter Ihrer Führung hat die Weltbank wegweisende Reformen durchgeführt, eine Kapitalerhöhung von 5,1 Milliarden, um die steigenden Kreditanforderungen in den armen und verschuldeten Ländern zu ermöglichen. Und Sie haben mehr Stimmengewicht für die Schwellenländer gefordert – also Reformen, die die Weltbank fit machen. Den Kampf gegen die ausufernde Staatsverschuldung haben Sie sich zu Eigen gemacht. Schon im Januar diesen Jahres war Ihre eindringliche Warnung: ‘Die hohen Staatsschulden sind ein globales Problem, auch wenn die Gläubiger zuerst in Europa die Bonität der staatlichen Schuldner neu bewerten.’ Sie sagen, was gesagt werden muss, auch wenn es unbequem ist. So haben Sie klar beim Namen genannt: Die eine Billion Dollar EU-Rettungsschirm, ist zwar von der Größe her ausreichend. Aber letztlich wurde nur Zeit gekauft. Die Hausaufgaben müssen noch gemacht werden in vielen Ländern. Wir sind erfolgreich dabei. Sie sind der Inbegriff eines Verantwortungsträgers, wie ihn sich Ludwig Erhard wünscht, leistungs- und erfolgsori-

entiert, aber gleichzeitig auf Partizipation und sozialen Ausgleich bedacht.“

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irk Niebel, Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit:„Die tiefgreifende Gemeinsamkeit der beiden Wirtschaftspolitiker Ludwig Erhard und Robert Zoellick: Beide setzen und setzten sich mit großer Leidenschaft für einen freien Welthandel ein. Wenn man weiß, dass Handelshemmnisse die Entwicklungsländer mehr Geld kosten als alle Geberländer zusammen für Entwicklungshilfe finanzieren, dann weiß man, wie wichtig faire Marktzugangsbedingungen sind. Und deswegen braucht man Verfechter für freien Handel wie Ludwig Erhard und Robert Zoellick.“

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obert B. Zoellick: „Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Ihnen für die Unterstützung danken, die Sie und Deutschland der Weltbankgruppe erwiesen haben. Wie einige unter Ihnen vielleicht wissen, eint Bundesminister Schäuble und mich die gemeinsame Arbeit. Unter Kanzler Helmut Kohl waren Sie hauptverantwortlich für die Verhandlung der innenpolitischen Aspekte der Wiedervereinigung, während ich das Privileg hatte, im Namen der Vereinigten Staaten die außenpolitischen Dimensionen der Wiedervereinigung zu verhandeln. Wir hatten eine außergewöhnliche Partnerschaft. Seither ist er ein guter Freund. Historisch gesehen ist diese Verbindung zu Ludwig Erhard ein großer Augenblick für mich. Wenn ich an seine Zeit denke, an seine moralische Kraft, seinen Einsatz für dauerhafte Prinzipien, seine Leistungen, dann erkenne ich, dass wir im Schatten seiner Größe stehen. Denn Dr. Erhard war nicht nur ein ausgezeichneter Politiker. Er legte auch das Fundament für ein Wirtschaftssystem – ein System, das freien Männern und Frauen und einem großartigen Land das Streben nach einem besseren Lebensstandard ermöglichte. Westdeutschland hat in der Tat ein Wirtschaftswunder vollbracht. Aber das war nicht die Leistung eines einzelnen berühmten Mannes. Es war ein Wunder, das von Millionen von Bürgern in Städten und Dörfern vollbracht wurde, die frei waren, etwas zu erschaffen, zu investieren und „nach Glück zu streben“, wie es in der Unabhängigkeitserklärung meines Landes heißt. Kurt Lauk ist mir seit vielen Jahren ein guter Freund. Wie viele Ihrer amerikanischen Kollegen bin ich stark beeindruckt von Ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit, in der internationalen Sicherheitspolitik wie in der Wirtschaft hervorragende Ergebnisse zu erzielen. Ihre Wissensbreite und intellektuelle Neugier haben vielen von uns ganz besondere Einsichten beschert – und eine wunderbare Freundschaft. Seit vielen Jahren leisten Sie Ihren Beitrag für Deutschland, Europa und die transatlantischen Beziehungen sowie für Ihre Geschäftspartner in der ganzen Welt. Es ist mir daher ein ganz besonderes und persönliches Vergnügen, dass ich diese Auszeichnung unter Ihrem Vorsitz bekomme.“

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Aus der Krise Lehren ziehen

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ir blicken zurück auf ein dramatisches Jahr: Zum ersten Mal sind europäische Industriestaaten von einer Insolvenz bedroht. Der Wirtschaftsrat hat vor einer Überforderung des Staates gewarnt. Viele glaubten, der Staat rettet uns alle. Jetzt stehen wir vor der Frage, wer den Staat rettet. Aus dieser Krise müssen Lehren gezogen werden. Wir brauchen mutige und umfassende Reformen. Auf nationaler, europäischer und globaler Ebene. Es ist zwar richtig, den Spekulanten einige ihrer Werkzeuge zu nehmen. Noch wichtiger aber ist es, dem Grund für ihre Spekulationen entgegenzuwirken. Und das ist die noch immer steigende Staatsverschuldung. In den kommenden Monaten müssen wir die anstehenden Herkulesaufgaben mit aller Kraft angehen. Haushaltskonsolidierung ist nur möglich,

Prof. Dr. Kurt J. Lauk Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

wenn auch Sozialausgaben auf den Prüfstand gestellt werden. Wir begrüßen die Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Sie sind in fast allen Details richtig. Gleichzeitig bedauern wir, dass

keine größeren strukturellen Elemente sichtbar geworden sind. Wir haben vorgeschlagen, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz mit der Ausnahme für Grundnahrungsmittel abzuschaffen. Das hierbei entstehende Steueraufkommen von 12 Milliarden Euro sollte genutzt werden, um Mittelstandsbauch und kalte Progression abzubauen und die Einkommensschwelle für den Spitzensteuersatz von 53.000 auf dann 80.000 Euro anzuheben. So könnte die bürgerliche Mitte entlastet werden. So käme der Facharbeiter endlich aus dem Spitzensteuersatz heraus. Hinzu kommen muss eine grundlegende Vereinfachung unseres Steuersystems. Die Vorschläge der Länderfinanzminister sind ein erster richtiger Schritt. Außerdem müssen die über 70 Ausnahmeregelungen des §3 Einkommensteuergesetz durchforstet werden.

Nachhaltiges Wachstum in Deutschland und Europa – Chimäre oder Chance?

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eutschland kann sich nicht der Illusion hingeben, seine Staatsdefizite allein durch Wachstum abzubauen. Wir müssen den Weg der Reduzierung der Defizite gehen. Deutschland ist ein Land mit rückläufiger Bevölkerung und schneller Alterung. Wir werden deshalb – realistisch betrachtet– ein nachhaltiges Wachstum von etwa ein bis 1,5 Prozent haben. Das Sparpaket der Bundesregierung ist ausgewogen und seriös. Wenn wir nicht allein konsolidieren, sondern auch Wachstumskräfte stärken wollen, müssen wir das Defizit zu einem wesentlichen Teil auf der Ausgabenseite reduzieren. Wir haben in praktisch jedem Ressort gespart. Ausgenommen haben wir investive Ausgaben. Das war bei früheren Sparpaketen nie der Fall. Ich bin entschieden dafür, dass wir den

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Bankensektor in einer maßvollen Weise restrukturieren. Wir benötigen ein Insolvenzverfahren, mit dem wir systemische Risiken vermeiden. Dazu benötigen wir einen Fonds für mögliche Krisenfälle, der mit einer Bankenabgabe aufgefüllt wird. Zusätzlich wollen wir Leistungen des Finanzsektors besteuern, um die finanziellen Defizite des Staates abzubauen. Denn ohne die Finanzkrise hätte wir die heutigen Haushaltsprobleme nicht. Deswegen ist es auch richtig, dass der Finanzsektor einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leistet. Die Märkte haben bewiesen, dass Deregulierung nicht der alleinige Wert an sich sein kann. Märkte brauchen Grenzen und Regeln, damit sie sich selbst nicht zerstören. Aus sich selbst heraus schaffen sie es nicht.

Dr. Wolfgang Schäuble MdB Bundesminister für Finanzen


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Wachstum und sozialer Zusammenhalt: Herausforderungen in einer neuen globalen Ära

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ingapur hat großes Interesse an einem erfolgreichen Europa. Es muss uns gelingen, nach der Krise wieder Optimismus für die Zukunft zu schaffen. Das war vermutlich noch nie so schwierig seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Frage ist: Wie generieren wir Wachstum, in einer Ära, in der eine Kontraktion staatlicher Fiskalpolitik unvermeidbar ist? Diese Frage stellt sich mit besonderer Dringlichkeit für die hoch entwickelten Volkswirtschaften. Zusätzlich müssen wir die Frage klären, wie wir Wachstum in einer Zeit schaffen, in der Banken ihre Kapitalhebel verkürzen, neues Kapital beschaffen müssen und Konsumenten weniger Mittel zur Verfügung haben. Und schließlich müssen wir die Frage

Tharman Shanmugaratnam Minister für Finanzen, Singapur

beantworten, wie wir den sozialen Zusammenhalt in der Welt sichern. Das sind große Herausforderungen. Auch wenn es derzeit vielleicht nicht so aussieht: Die Globalisierung hält noch immer enorme Wachstumspotenziale und Möglichkeiten für uns bereit. Die großen Wachstumsregionen China, Indien, Südostasien und Lateinamerika werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren rund die Hälfte des globalen Wachstums generieren. Deshalb ist es im Interesse jedes hoch entwickelten Industriestaates, daraus Vorteile zu ziehen – durch Exporte und Investitionen. Genauso ist es auch im Interesse der Schwellenländer, weiterhin von den Vorteilen der Globalisierung zu profitieren.

Sicherheit – Knappes Gut und wertvolle Ressource

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ie Bundeswehr hat einen enormen Reformstau aufgebaut. Dieser Reformstau hat zu einem Konstrukt geführt, das nicht mehr das reflektiert, was heute und künftig an Herausforderungen auf die Bundeswehr zukommt. Das koppelt sich mit dem Ansatz, sparen zu müssen. Wir brauchen eine möglichst flexible, ein möglichst gut ausgerüstete und gut aufgestellte Armee, die auch auf Dauer bezahlbar sein muss. Das geht nicht ohne Kürzungen beim Personal. Wir werden auf eine nicht unerhebliche Zahl von Berufs- und Zeitsoldaten verzichten müssen. Wir müssen uns auch der Frage nach der Wehrform und des Wehrdienstes stellen. Diese Fragen müssen offen diskutiert werden. Wenn man über Strukturreform redet, muss man sie irgendwann auch an-

gehen. Politik ist die Kunst des Möglichen. Und die Kunst des Möglichen beherrscht am besten, wer weiß, wo er hin will. Deshalb müssen wir das Thema vom Ende her denken. Die Fragen der Wehrpflicht und des Wehrdienstes dürfen wir deshalb nicht an ein Spardiktat heften, sondern an künftige Strukturen. Man wird niemand von Strukturreformen überzeugen, wenn man sie allein mit der Notwendigkeit des Sparens begründet. Für ein exportorientiertes Land wie Deutschland sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, den Zusammenhang zwischen Wirtschaftsleistung und freien Handelswegen anzuerkennen. Das heißt, dass regionale Sicherheit auch unseren Wirtschaftsinteressen dienen kann. Sicherheit und wirtschaftliches Wohlergehen gehören wesentlich zusammen.

Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg MdB Bundesminister der Verteidigung


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PODIUM I

Zeitbombe Staatsverschuldung: Was bleibt übrig für Zukunftsausgaben?

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taatsverschuldung ist wie eine Seuche. Sie schleicht sich langsam an und hat verheerende bis tödliche Folgen, wenn man sie zu spät bemerkt. Ich glaube, dass wir zum historisch richtigen Zeitpunkt die Schuldenbremse im Grundgesetz eingeführt haben. Meine Einschätzung ist, dass sie heute keine Mehrheit mehr bekäme. Jetzt entsteht ein Zwang, der in einer demokratischen Gesellschaft dazu führt, dass sich in den nächsten Jahren niemand trauen wird, diese Regel aufzuheben. Und nur das ist der Grund dafür, warum wir jetzt die heftige Diskussion über Sparpakete führen. Der Maßstab für die Politik in den kommenden Jahren wird sein, dass wir die Schuldenbremse nicht brechen und

Roland Koch MdL Ministerpräsident des Landes Hessen

dass sie niemand aufhebt. Wenn wir diese beiden Dinge hinbekommen, dann ist die Seuche Staatsverschul-

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ie Schuldenbremse kam zum richtigen Zeitpunkt. Es ist aber auch wichtig, dass wir sie richtig anwenden. Der Primärsaldo war zwar in Deutschland immer positiv. Aber er fiel bei weitem hinter das zurück, was wir gebraucht hätten, um eine Umkehr bei der Schuldenstandsquote einzuleiten. Und sie ist letztlich das Maß für Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen. Zwei Dinge sind zu berücksichtigen. Ich halte ein künftiges Potenzialwachstum in Deutschland von rund einem Prozent für realistisch. Zudem werden die derzeit niedrigen Zinsen langfristig wieder steigen. Das bedeutet zugleich: Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist ohne Alternative.

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Prof. Dr. Axel Weber Präsident der Deutschen Bundesbank

Die Beschlüsse, die wir in Europa gefasst haben, tragen dazu bei, zu einer stabilen Währung zurückkehren. Das gilt

dung beherrschbar. Der Handlungsspielraum für die deutsche Politik und damit für die kommende Generation wird so signifikant größer als in vielen anderen Länden. Über das Sparpaket der Bundesregierung wird viel debattiert. Ich halte es zunächst aber einmal für wichtig, dass die Bundesregierung dieses Sparprogramm überhaupt beschlossen hat. Ich bleibe allerdings bei der Auffassung, dass es langfristig nicht reichen wird. Den Bürgern dürfte in den nächsten Jahren unterm Strich eher weniger von ihrem Bruttoeinkommen übrig bleiben. Die Politik wird den Bürgern sagen müssen, dass wir den Weg, immer mehr Teile des zivilgesellschaftlichen Engagements zu verstaatlichen, zurücknehmen müssen.

allerdings nur, wenn wir neben der Krisenbekämpfung die Wiederetablierung stabiler Grundlagen in den Vordergrund stellen. Wir können nicht den Krisenmodus perpetuieren. Eine Währungsunion souveräner Staaten kann nur funktionieren, wenn jedes Land eigenverantwortlich stabile Haushalte sicherstellt. Wir müssen deshalb den Stabilitäts- und Wachstumspakt härten. Wir brauchen automatisierte Sanktionen und wir müssen den Schuldenstand statt der Defizite künftig stärker in den Vordergrund rücken. Ferner sollten wir auch ernsthaft darüber reden, wie wir künftig mit Ländern umgehen wollen, die vorhandene Regelwerke ignorieren.


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PODIUMSDISKUSSION Paul Bauwens-Adenauer Vizepräsident, DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

Die Wirtschaft ist derzeit auf einem enormem Vormarsch. Wir werden vielleicht das Vorkrisenniveau schneller erreichen als wir bisher gedacht hatten. Mit dem Beschluss der Bundesregierung zum Sparpaket ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt zur Haushaltskonsolidierung getan.

Prof. Dr. Lars Feld Lehrstuhl für Finanzwissenschaft, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Konsolidierung der Staatsfinanzen selbst stellt sicher, dass der Staat seine Aufgaben in der Zukunft wahrnehmen kann. Eine wachstumsorientierte Konsolidierung der Staatsfinanzen umfasst die Streichung von Subventionen, insbesondere auch im Bereich der erneuerbaren Energien und der Steuervergünstigungen. Im Sozialbereich sollten strukturelle Reformen sicherstellen, dass hinreichende Anreize zur Arbeitsaufnahme existieren.

Dr. Jürgen Fitschen Mitglied des Vorstands, Deutsche Bank AG

Man sollte mit einer Bankenabgabe nicht die Wettbewerbsfähigkeit der Finanzwirtschaft nachhaltig schädigen. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass der Finanzsektor künftig stabiler wird. Wir sind allerdings nicht damit einverstanden, dass eine Abgabe zum Stopfen von Haushaltslöchern benutzt wird.

Steffen Kampeter MdB Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen

Sparsamkeit ist Grundlage für Wachstum und Wohlstand. Das ist die Botschaft aus der Griechenland-Krise. Die Koalition hat durch ihre Sparbeschlüsse einen Mentalitätswechsel in Deutschland eingeleitet. Wir haben Abschied genommen von der Ideologie, dass man mit viel Geld viel erreichen kann. Deutschland ist mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung international jetzt Vorbild.

Moderation Roland Tichy Chefredakteur, WirtschaftsWoche

Die Gefahr ist, dass ein Konsolidierungspaket angekündigt wird und dann im politischen Prozess kleingeredet wird. Jetzt muss das Sparpaket aber tendenziell eher größer werden.

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PODIUM II

Industrieland Deutschland: Fitness für die Zukunft oder Reife fürs Museum?

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er Standort Deutschland und damit auch der Industriestandort Deutschland steht in den kommenden Jahren vor einer Reihe weitreichender Herausforderungen. Die öffentlichen Haushalte der Bundesrepublik müssen konsolidiert werden. Wir stehen einem zunehmenden Mangel an Facharbeitskräften gegenüber. Wir müssen den Herausforderungen des Klimaschutzes begegnen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie sichern. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte darf nicht zu Lasten von Ausgaben für Bildung und Forschung gehen. Denn diese sichern unsere Zukunft. Die Bundesregierung wird die Ausgaben in diesem Bereich deshalb in

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eutschland sollte weiterhin auf marktwirtschaftliche Lösungen vertrauen. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft – insbesondere die Finanzwirtschaft – müssen so gestaltet werden, dass Kettenreaktionen künftig vermieden werden. Gleichzeitig müssen die Rahmenbedingungen genügend Raum für Unternehmertum und Investitionsfähigkeit geben. Unser langfristiges Ziel muss eine klimaneutrale Energieversorgung sein, die zugleich wirtschaftlich, zuverlässig und nachhaltig ist. Die Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaft darf auf keinen Fall in die Deindustrialisierung münden. Deutschland als Industrieland braucht eine zuverlässige, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung. Sie ist nicht nur Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand und Innovationsfähigkeit – sondern auch für zukunftssichere Arbeitsplätze und damit

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Volker Kauder MdB Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

den kommenden Jahren trotz des Konsolidierungszwangs in den Haushalten weiter aufstocken.

soziale Stabilität. Die Bausteine einer klimaneutralen und zuverlässigen Energieversorgung sind erneuerbare Energien, ausgebaute und intelligente Netze, Energieeffizienz und Kraft-WärmeKopplung Dazu gehört aber auch die klimaneutrale Nutzung von Kohle mithilfe der CCS-Technologie und die Kernenergie. Die klimaneutrale Energieversorgung der Zukunft ist eine globale Herausforderung. Mittelfristig ist keiner der konventionellen Energieträger vollständig ersetzbar. 64 Prozent der weltweiten Stromerzeugung basieren auf fossilen Energieträgern, 17 Prozent auf der Kernenergie. Wir brauchen auch in Zukunft einen möglichst breiten und robusten Energiemix. Stärker als bisher müssen wir auch die Effizienz und die Wirksamkeit von Maßnahmen beachten. Nicht Wunschdenken, sondern nüchterne KostenNutzen-Analysen sollten den Ausschlag

Bei den anstehenden energie- und umweltpolitischen Entscheidungen und Weichenstellungen müssen wachstums- und industriepolitische Gesichtspunkte und Belange unbedingt berücksichtigt werden. Nachhaltige Erfolge beim Klimaschutz sind nicht möglich ohne die weitere Nutzung der Kernkraft und ohne ein international abgestimmtes Vorgehen. Das muss berücksichtigt werden. Der Weg bis zum Wiedererreichen des Niveaus vor der Wirtschaftskrise wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Ausgangslage hierfür ist für unser Land mit einer breiten wirtschaftlichen Basis und einer starken exportorientierten Industrie aber vergleichsweise günstig.

Tuomo Hatakka Vorsitzender des Vorstands, Vattenfall Europe AG

für den Einsatz von Technologien geben. Energieversorgung heißt: Einsatz von Technik. Dafür brauchen wir die Akzeptanz aller Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Akzeptanz muss erarbeitet werden – dafür stehen wir bereit.


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PODIUMSDISKUSSION Dr. Eckhard Cordes Vorsitzender des Vorstands, Metro AG

Bei uns herrscht noch immer eine große Technologieskepsis vor. Das größte Problem aber ist aus meiner Sicht, dass der „Mindset“, also die geistige Haltung vieler Menschen in Deutschland nicht mehr stimmt. Deutschland droht, seine Passion zur Leistung zu verlieren. Das könnte zu einem massiven Problem im globalen Wettbewerb werden.

Dr. Michael Fuchs MdB Stellv. Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand

Wir brauchen Rahmenbedingungen, die es für Unternehmen attraktiv machen, hierzulande zu forschen, zu entwickeln und zu produzieren. Unsere Standortpolitik muss sowohl die traditionell starken Branchen fördern als auch die jungen, oft „grünen“ Wirtschaftszweige. Wir brauchen zudem eine Energiepolitik, die dem Kostenaspekt der industriellen Produktion und der Versorgungssicherheit wieder stärker Rechnung trägt.

Dr. Klaus Harste Vorstandsvorsitzender der Saarstahl AG

Die deutsche Stahlbranche hat im globalen Rahmen noch immer einen Technologievorsprung. Wir exportieren sehr hochwertigen Stahl und konzentrieren uns auf die hochwertigen Güten. Der große Vorteil am Standort Deutschland ist, dass wir sehr gute Hochschulen haben und die Stahlindustrie durch eigene Institute gut vernetzt ist. Allerdings müssen wir uns anstrengen, junge Leute auch in Zukunft für die vermeintliche „old economy“ zu begeistern.

Frank Riemensperger Vorsitzender der Geschäftsführung, Accenture GmbH

Die Weltwirtschaftskrise hat zu einer Konsolidierung der deutschen Industrielandschaft geführt. Es ist gelungen, Fachkräfte in Beschäftigung zu halten. Trotz aller Unkenrufe haben sich viele deutsche Großunternehmen und starke Mittelständler in der Krise behauptet. Deshalb können sie nun mit voller Geschwindigkeit auf den Wachstumszug aufspringen.

Moderation Daniel Goffart Ressortleiter Wirtschaft & Politik, Handelsblatt

Deutschland muss sich die Frage stellen, ob es in Gefahr gerät, auf wichtigen Märkten in Lateinamerika oder Asien seine Führungsrolle zu verlieren. Zudem müssen wir uns der Debatte stellen, ob der technologische Umbruch in vielen Bereichen eine Bedrohung für Deutschlands Exporterfolg werden kann.

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PODIUM III

Sozialstaat am Limit: Wie ist der gesellschaftliche Zusammenhalt zu sichern?

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ozialstaat und gesellschaftlicher Zusammenhalt ist nach meiner festen Überzeugung ein Begriffspaar, das zwingend zusammengehört. Freiheitliche Systeme brauchen solidarische Instrumente, damit dort gesellschaftlicher Zusammenhalt organisiert werden kann. Extreme Unterschiede zwischen Arm und Reich halten auf Dauer nur totalitäre Systeme aus. Deshalb ist ohne sozialstaatliche Begleitung eine Gesellschaft wie die unsere nicht zukunftsfähig. Der Sozialstaat und die Soziale Marktwirtschaft waren und sind ausgesprochen erfolgreich. Soziale Stabilität ist auch ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Bevor man den Sozialstaat zur Disposition stellt, muss

man sich darüber im Klaren sein, dass er der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten ein hohes Maß an Stabilität gegeben hat. Trotzdem bröckelt die Zustimmung zum Sozialstaat und zur Sozialen Marktwirtschaft. In den neuen Bundesländern hat die Soziale Marktwirtschaft keine Mehrheit. Mehr als zwei Drittel sagen, dass der soziale Zusammenhalt abnimmt. Wir haben eine Akzeptanzkrise der Sozialen Marktwirtschaft. Und wenn wir diese sich weiterentwickeln lassen, wird daraus eine Systemkrise für unser politisches und gesellschaftliches System. Der Sozialstaat ist unverzichtbar. Wir dürfen ihn weder überfordern noch negieren. Wir benötigen vielmehr eine

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sind durchaus bereit, mehr Eigenverantwortung als bisher zu übernehmen, wenn sie daraus auch Vorteile ziehen. Zielführend ist es auch, die Belegschaft am unternehmerischen Erfolg zu beteiligen. Variable Vergütungsbestandteile stärken unternehmerisches Denken auf allen Ebenen. Die Elite unseres Landes muss Ihrer Vorbild- und Führungsrolle wieder gerecht werden. Dazu muss sie zuallererst ihre beschädigte Glaubwürdigkeit wiederherstellen und den Menschen ein überzeugendes und maßvolles Rollenvorbild vorleben. Die Sicherung des sozialen Zusammenhalts ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Wenn viele bereit sind, einen Beitrag zur Entlastung des Sozialstaats zu leisten, hat er eine tragfähige Zukunft.

er Wohlfahrtsstaat auf Pump, mit dem wir uns sozialen Frieden lange erkauft haben, hat sein Limit längst überschritten. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist zunehmend bedroht. Wir benötigen eine Renaissance unseres einmaligen Erfolgsmodells: Die geniale Verbindung von marktwirtschaftlicher Effizienz und sozialer Verantwortung. Wir müssen uns von individuellem und kollektivem Egoismus verabschieden. Mit Kreativität und Verantwortungsbereitschaft müssen alle zur Entlastung des Sozialstaates und damit zur langfristigen Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen. Die Zahl der Rentner muss in einem leistbaren Verhältnis zur Zahl der Erwerbstätigen stehen. Arbeitnehmer

Peter Müller MdL Ministerpräsident des Saarlandes

Neujustierung. Das heißt auch, sich wieder stärker an seinen ursprünglichen Funktionen zu orientieren.

Prof. Hans Helmut Schetter Mitglied des Vorstands, Bilfinger Berger AG


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PODIUMSDISKUSSION Prof. Dr. Johann Eekhoff Staatssekretär a.D., Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln (iwp)

Der gesellschaftliche Zusammenhalt setzt ein hohes Maß an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Prinzipientreue voraus. Wer Handlungsfreiheit und Entscheidungsfreiheit in Anspruch nimmt, muss für die Folgen seines Handelns gerade stehen. Anders ausgedrückt: Entscheidungsfreiheit und Haftung gehören zusammen. Dieses Prinzip ist in jüngerer Zeit allzu häufig missachtet worden.

Steffen Bilger MdB Stellv. Vorsitzender Junge Gruppe, CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Mit dem Sparpaket der Bundesregierung haben wir einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Ich bin positiv überrascht von dem, was dort vorgelegt wurde. Jetzt sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten.

Roland Weber Mitglied der Vorstände, DEBEKA Versicherungen

Das Sparpaket der Bundesregierung ist richtig. Wir haben aber das Problem, dass die Oppositionsparteien zusammen mit den Gewerkschaften dagegen agitieren. Deshalb wird es kaum möglich sein, dass dieses Paket der Regierung den Zusammenhalt der Gesellschaft stärkt.

Prof. Dr. Norbert Winkeljohann Mitglied des Vorstands, PricewaterhouseCoopers AG WPG

In weiten Teilen der Bevölkerung ist der Eindruck entstanden, Deutschland habe eine Abkehr vom bewährten Prinzip des Sozialstaats vollzogen. Dieser Eindruck ist falsch. Die soziale Absicherung in Deutschland ist weiterhin ausgesprochen gut. Für den Erhalt des Sozialstaats müssen wir jedoch Teile von ihm opfern.

Moderation Dr. Ursula Weidenfeld Journalistin

Wir haben auf diesem Podium ein hohes Maß an Fairness und einen hohen Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erlebt. Man kann diskutieren, irgendwann müssen aber auch Entscheidungen getroffen werden.

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Wirtschaftstag 2010

Strategisch, kreativ und vorausschauend Jahre nach der Vereinigung Deutschlands und Europas sieht sich die EU grundlegenden Herausforderung gegenüber, die die Staatskunst dieser Generation fordern. Der Umgang mit dieser Herausforderung ist keinesfalls einfach. Mein wichtigster Rat lautet jedoch, sich ihr zu stellen und zu handeln. So, wie wir es vor 20 Jahren getan haben: nicht rückwärts gerichtet oder spontan, sondern strategisch, kreativ und vorausschauend. Seit 1949 leistet Deutschland seinen Beitrag zur Integration Europas. In einem Europa, das neuen Herausforderungen ausgesetzt ist, kann die Bundesrepublik einmal mehr formend in die europäische Debatte eingreifen. Das im Mai von der EU gebilligte Finanzpaket war lebensnotwendig. Als sich Unsicherheit und Angst über die globalen Märkte ausbreiteten, handelte Europa mit einer gemeinsamen Stimme. Aber diese Antwort gewährt nur Aufschub. Jetzt muss die richtige

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Robert B. Zoellick Präsident der Weltbankgruppe

Diagnose gestellt werden. Dabei können die Grundsätze Ludwig Erhards weiterhelfen. Erhard war der festen Überzeugung, dass Einzelpersonen, Familien und Unternehmen die stärksten Mo-

toren für Wachstum und Wohlstand sind. Erhard glaubte auch an die Rolle des Staates, sah jedoch seine Einmischung mit Skepsis. „So, wie im Fußball der Schiedsrichter nicht mitspielen darf, hat auch der Staat nicht mitzuspielen“, hat Erhard gesagt. Was können wir für heute daraus lernen? Zum Beispiel, dass Europa sein Wachstum fördern muss. Haushaltskonsolidierung ist notwendig, aber nicht genug. Ohne Wachstum sind Haushaltsanpassungen schmerzhafter, die Politik wird schwieriger. Deutschland und Europa haben heute eine neue Chance: Sie können ein Europa der Freiheit und Einheit schaffen, das in einer neuen multipolaren Wirtschaft gedeihen wird. Ich bin zuversichtlich, dass Deutschland seinem historischen Versprechen gerecht wird und dafür sorgt, dass ein integriertes Europa funktioniert. Das Schicksal eilt an uns vorbei. Wir können es ergreifen oder entfliehen lassen. Es wird nicht warten. Das sollten wir auch nicht.


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BUNDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG 2010

„Bürger haben mehr Mut, als die Politiker glauben“

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ie Euro-Krise dauert an – die Schuldenkrise galoppiert. Wir alle spüren in diesen Wochen und Monaten: Deutschland und Europa stehen mitten in einer historischer Zeitenwende! Wenn uns die Rückkehr zur europäischen Stabilitätsgemeinschaft nicht gelingt, zerstören wir den Euro und wir alle rutschen ab in die Inflation und eine Währungsreform. Wenn wir das Vertrauen in die Marktkräfte nicht zurückgewinnen, fallen wir in die Staatswirtschaft ab. Wenn wir unsere Sozialen Sicherungssysteme nicht demographiefest erneuern, werden unsere Kinder und Enkel ihrer Zukunftsperspektiven beraubt. Wenn wir unsere technologischen Kernkompetenzen nicht erfolgreich verteidigen, werden wir uns aus der Spitzenliga innovativer Länder verabschieden. Auch nachdem sich erste erfreuliche Konjunktursignale in Deutschland ausmachen lassen: Die internationale Finanzkrise hat die noch größere Krise – die Eiterblase der Staatsverschuldung – aufbrechen lassen. Die internationale Finanzkrise ist noch nicht beendet. Unser Preisträger 2007 der Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold, EZBPräsident Jean-Claude Trichet, sagte jüngst: „Wir befinden uns zweifelsohne immer noch in der schwierigsten Situation seit dem 2. Weltkrieg, vielleicht sogar seit dem Ersten.“ Es ist genuine Aufgabe deutscher Politik, jetzt die Grenzen der europäischen Solidarität zu definieren und aufzuzeigen! Um die Währungsgemeinschaft und die EU vor dem Absturz zu bewahren, sollte eine wirksame

Schuldenbremse europaweit verankert werden. Die Euro-Krise hat ihre Ursache nicht im Fehlverhalten von Spekulanten. Sicher ist es wichtig, den Spekulanten einige Werkzeuge wegzunehmen. Aber: Noch besser wäre es, ihnen die Gründe für die Spekulation wegzunehmen – nämlich die exorbitante Staatsverschuldung. Der Geburtsfehler des Euros wird jetzt überdeutlich: Der Euro war von Anfang an eine Schönwetterveranstaltung! Nun ist es Aufgabe der Bundesregierung, Vorschläge für eine koordinierte Fiskalpolitik zu unterbreiten (siehe Schaubild). 2009 hatten die Wähler der bürgerlichen Regierung einen klaren Auftrag erteilt: Durchbrechung der sozialdemokratischen Reformblockade der Großen Koalition. Dieser Rückenwind ist nicht ausreichend genutzt worden. 85 Prozent der Mitglieder des Wirtschaftsrates beklagen den Fehlstart der SchwarzGelben Koalition. Dieser Rückenwind ist nicht ausreichend genutzt worden. 85 Prozent der Mitglieder des Wirtschaftsrates beklagen den Fehlstart der SchwarzGelben Koalition. Bürger und Unternehmer haben viel mehr Mut, als die meisten Politiker glauben. Kernaufgabe der Bundesregierung muss in den nächsten Monaten sein, das Wachstum zu beschleunigen. Zu den Prioritäten des Wirtschaftsrates zählen: 1. Grundlegende Steuervereinfachung, Entlastung des Mittelstandes und eiserne Haushaltsdisziplin.

Prof. Dr. Kurt J. Lauk Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

2. Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik: Gesellschaftlicher Zusammenhalt darf nicht länger auf Pump finanziert werden. 3. Abkehr von der Staatsmedizin: Gesundheitsfonds für Wettbewerb öffnen und sozialen Ausgleich über Steuern finanzieren. 4. Investitionsblockaden für die Wirtschaft lösen durch den Abbau von Bürokratie und die Beseitigung von Genehmigungshindernissen. 5. Verlässliche, klimaverträgliche und bezahlbare Energieversorgung sichern, Laufzeiten für sichere Kernkraftwerke verlängern. 6. Bildungs- und Innovationskultur stärken, mehr Effizienz und Wettbewerb an Schulen und Hochschulen fördern. Seit fast 50 Jahren steht der Wirtschaftsrat für Werte und Prinzipien, die unser Land zu Erfolg und Wohlstand geführt haben. Wir sind die Speerspitze der Sozialen Marktwirtschaft! Deshalb ist ein starker Wirtschaftsrat wichtiger denn je!

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02.07.2010

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Bundesdelegiertenversammlung 2010

BUNDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG 2010

„Runter von der Tribüne, rauf aufs Spielfeld!“

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er Wirtschaftsrat ist einzigartig aufgestellt. Wir sind ein politischer Verband, ein Einflussnehmer, ein Kompetenzzentrum. Wir sind Netzwerk und Dienstleister für unsere Mitglieder. Wir konnten trotz dieser schwierigen Wirtschafts- und Finanzkrise, trotz eines erheblichen Strukturwandels in der Verbändelandschaft ein gutes Jahr 2009 abschließen. Wir haben einen Rekord bei den Mitgliederzahlen. Wir liegen um die 11.000 und sind guter Hoffnung, dass wir bis zum Ende des Jahres die 12.000 Mitglieder erreichen können. Über 2.000 Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft arbeiten bei uns in neun Bundesfachkommissionen und zehn Bundesarbeitsgruppen. Wir haben 68 Landesfachkommissionen mittlerweile, 15 Landesverbände und 160 Sektionen. Wir haben den Wirtschaftsrat in Brüssel, in New York und ab 18. Juni in Österreich. Wir sind ein Verband, der generationenübergreifend aufgestellt ist, mit einem sehr aktiven Juniorenkreis. Wenn ich den Fußball benutzen darf, würde ich sagen: Der Wirtschaftsrat Deutschland ist der FC Bayern unter den politischen Verbänden. Der Wirtschaftsrat steht für seine Grundüberzeugungen, für leistungsund erfolgsorientierte Unternehmer, die gleichermaßen auf Partizipation und auf sozialen Ausgleich setzen und trotz schwieriger Rahmenbedingungen den Kopf nicht in den Sand stecken. Es ist wichtigste Aufgabe der Unternehmer, ihr Unternehmen zum Er-

folg zu führen, Gewinne zu erwirtschaften. Nur so können Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Viele werden des Öfteren nachts nicht schlafen, weil sie sich Gedanken machen müssen, wie sie es schaffen, die Wirtschaftskrise zu überstehen und die Arbeitsplätze zu erhalten. Deshalb ist es Auftrag des Wirtschaftsrates, auch das Unternehmerbild in Deutschland deutlich zu verbessern. Unternehmer stehen in ihrer großen Zahl für Anstand, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Verantwortlichkeit. Das sind die Tugenden, die uns stark gemacht haben. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe, wie überall in der Gesellschaft, aber wir als Wirtschaftsrat müssen deutlich machen: Die Mehrzahl der Unternehmer in diesem Land steht für Arbeitsplätze, für sozialen Ausgleich und für harte Arbeit, Fairness und Anstand. Wir müssen alle mitnehmen, gerade in diesen Zeiten, wenn die Wirtschaft und ihr Sachverstand gefragt sind. Wir müssen runter von den Zuschauerbühnen und rauf aufs Spielfeld. Politik nur zu beklagen, das ist zu wenig. Der Wirtschaftsrat wird mehr denn je gebraucht. Wir können nicht nur in Europa unsere Hausaufgaben machen. Wir müssen uns auch entscheiden, welches Europa wir wollen. Wir wollen ein Europa, das Frieden und Freiheit bewahrt, ein Europa, das Wohlstand sichert und mehrt, einen Kontinent von Demokratie und Recht. Aber wir wollen kein Europa der Bürokraten. Es muss

Wolfgang Steiger Generalsekretär des Wirtschaftsrates

Schluss sein damit, dass sich Menschen in Brüssel darüber Gedanken machen, wie weit eine Banane oder eine Gurke gekrümmt wird und wie lang eine Pommes sein darf. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns als Wirtschaftsrat einbringen. Da 80 Prozent unserer Gesetze heute ihren Anfang in Brüssel nehmen, muss die EU immer mehr im Fokus des Wirtschaftsrates stehen. Ludwig Erhard würde heute in Brüssel sitzen. 2013 feiert der Wirtschaftsrat sein 50-jähriges Bestehen. Das stellt uns vor neue Herausforderungen. Es gilt, den guten Geist im Wirtschaftsrat zu wahren und in die nächste Generation zu tragen. Es gilt, die Erfahrungen und das Wissen aus der Vergangenheit zu nutzen, um neue Ideen für die Gestaltung der Zukunft zu entwickeln. Ehrenamt und Hauptamt sind engagiert und motiviert. Wir werden die Soziale Marktwirtschaft nicht nur in Deutschland wieder mehrheitsfähig machen, sondern auch nach Europa und in die Welt exportieren.


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