WIR im Norden - 2/2017

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WIRIM NORDEN AUSGABE 2 | 2017

Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein

D A S

M A G A Z I N

F Ü R

D I E

W I R T S C H A F T

Innovatives Norddeutschland – Gemeinsam in die Zukunft Seite 9

6. Norddeutscher Wirtschaftstag 2017

Seite 32

Christian Wulff zu Gast beim Wirtschaftsrat

Seite 56

CXO Event Sylt 2017: Big Data, Industrie 4.0 und FinTech

copy-druck GmbH, Neumann-Reichardt-Str. 27-33, 22041 HH PVST 55030 Entgelt bezahlt DPAG



EDITORIAL

Dr. Henneke Lütgerath Landesvorsitzender Hamburg

dies ist mein erstes Editorial. Dass ich mich auf diesem Wege an Sie wenden darf, habe ich Ihnen zu verdanken: Am 29. März 2017 hat die Mitgliederversammlung einen neuen Landesvorstand gewählt und mich zum Vorsitzenden gemacht. Im Namen meiner Vorstandskollegen danke ich Ihnen ganz herzlich für das Vertrauen, das Sie uns durch Ihre Stimme gewährt haben!

sern will, muss optimistisch an die Sache herangehen, muss ein positives Zeichen setzen. Genau das haben wir am 11. Mai mit dem 6. Norddeutschen Wirtschaftstag in Hamburg getan und klargemacht: Damit die Wirtschaftskraft in der Hanseregion konkurrenzfähig bleibt, müssen wir uns vom kleinstaatlichen Denken verabschieden und unsere Kräfte im Norden bündeln.

Der Landesvorstand ist erneut exzellent besetzt: Von Hamburger Familienunternehmen wie Block und Hagenbeck bis hin zu internationalen Großunternehmen wie Airbus und Vattenfall repräsentieren wir ein breites Branchenspektrum. Nimmt man die Vielfalt unserer Mitglieder hinzu, kann der Wirtschaftsrat mit Fug und Recht behaupten, DIE Stimme der Unternehmer in Hamburg zu sein.

Die Überwindung föderalistischer Hürden ist kein frommer Wunsch des Wirtschaftsrates, sondern eine elementare Notwendigkeit, insbesondere für Hamburg mit seiner Metropolfunktion. Diese ist Segen und Herausforderung zugleich: Einerseits hat unsere Hansestadt eine enorme Sogwirkung auf das Umland. Andererseits sind Hamburgs Zukunftspläne untrennbar mit Infrastrukturmaßnahmen der Nachbarländer verknüpft. Das betrifft

„Damit die Wirtschaftskraft in der Hanseregion konkurrenzfähig bleibt, müssen wir uns vom kleinstaatlichen Denken verabschieden und unsere Kräfte im Norden bündeln.“ Wir werden die hervorragende Arbeit, die Gunnar Uldall während seiner zweijährigen Amtszeit begonnen hat, konsequent fortsetzen: Das heißt, die Medienpräsenz weiter steigern, unsere Landesfachkommissionen weiter auffrischen, auf hochkarätige Referenten setzen und den Austausch zwischen jungen und erfahrenen Unternehmern fördern. „Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab“, stellte der Philosoph Karl Popper fest. In diesem Sinne ist es mir außerdem ein wichtiges Anliegen, dass der Wirtschaftsrat parteiübergreifend und im Austausch mit anderen Verbänden den konstruktiven Dialog in stadt- bzw. landespolitischen Fragen sucht.

die Fehmarnbelt-Querung ebenso wie einen modernen NordOstsee-Kanal. Und vergessen wir nicht: Auch bei der Elbvertiefung ist Hamburg auf das Wohlwollen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein angewiesen.

Was passiert, wenn die Kommunikation zu einseitig abläuft, haben wir mit dem G20-Gipfel erleben müssen: Eine über Monate anhaltende, zum Teil schon skurril anmutende Negativberichterstattung – die Morgenpost fragte ernsthaft: „Darf Trump Demonstranten überfahren?“ – hatte wesentlichen Anteil daran, die gefährliche Stimmungsblase aufzubauen, die sich in den letzten Tagen in der Stadt entlud. Auch der Senat muss sich diesen Schuh anziehen. Bis zuletzt hatte er sich standhaft vor einem eindeutigen Bekenntnis zum G20-Gipfel gedrückt.

Anders als mein hochgeschätzter Amtsvorgänger blicke ich auf keine politische Karriere zurück. Meine berufliche Laufbahn ist geprägt durch Managementaufgaben in der Finanzbranche. Als Landesvorsitzender nun an der Schnittstelle von Wirtschaft und Politik engagiert zu sein, empfinde ich als reizvolle Herausforderung. Ich sehe einer spannenden Zeit entgegen und möchte Sie ermutigen, jederzeit mit Anregungen, Wünschen und Kritik an mich heranzutreten.

Summa summarum: Unternehmerisches Handeln kennt keine Landesgrenzen. Wir müssen lernen, über die Metropolregion Hamburg hinauszudenken – von der dänischen Grenze (und darüber hinaus) bis weit hinein nach Niedersachsen, von Bremen bis nach Mecklenburg-Vorpommern. Der „NWT“ ist ein gutes Instrument auf diesem Weg.

Ihr Apropos US-Präsident: Franklin D. Roosevelt, einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, sagte einst: „Die einzige Begrenzung, das Morgen zu verwirklichen, werden unsere Zweifel von heute sein.“ Mit anderen Worten: Wer etwas verbes-

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MOMENTAUFNAHME Der Moment als Deutschland vom Tode Helmut Kohls erfährt. Der Wirtschaftsrat verneigt sich vor dem Kanzler der Deutschen Einheit Foto: Christian Ströder

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INHALT

START

TITEL

VERANSTALTUNGEN

EDITORIALS

6. NORDDEUTSCHER WIRTSCHAFTSTAG

DIGITALISIERUNG IN FAMILIENUNTERNEHMEN

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24 Experten diskutieren beim Wirtschaftsrat über digitale Strategien

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Landesverband Hamburg u Dr. Henneke Lütgerath

55 Landesverband Schleswig-Holstein u Dr. Christian von Boetticher

MOMENTAUFNAHME 4

Helmut Kohl

Auftaktveranstaltung Junger Wirtschaftsrat Unternehmertum zwischen Old und New Economy

11 Innovatives Norddeutschland – Gemeinsam in die Zukunft

HEREINSPAZIERT: WIRTSCHAFTSRAT HEIßT SEINE NEUMITGLIEDER WILLKOMMEN

12 Keynotes

28 Neumitgliederabend

14 Podium I Industrie im Norden – Energiepolitik als Standortvorteil?

POLITIK IM POSTFAKTISCHEN ZEITALTER

16 Podium II Luftfahrtstandort Deutschland 18 Fazit: Die Digitalisierung wartet nicht auf Deutschland u mit Wolfgang Steiger 20 Impressionen „Deutschland muss sich nicht entschuldigen“ Zum Abschluss des 6. Norddeutschen Wirtschaftstages sprach Friedrich Merz über die französische Präsidentschaftswahl und die transatlantischen Beziehungen. Seite 22

22 „Deutschland muss sich nicht entschuldigen“ u mit Friedrich Merz

29 mit Volker Bouffier

AN DEN HOCHSCHULEN FEHLT ES AN GRÜNDERSPIRIT 30 2. Auflage Hamburg Newconomy

„WER IN DER DEMOKRATIE EINSCHLÄFT, WACHT IN DER DIKTATUR AUF“ 32 mit Christian Wulff

WANDERPOKALE MÜSSEN WANDERN 36 28. Hanseatisches Golfturnier

CXO EVENT SYLT 2017 56 Big Data, Industrie 4.0 und FinTech

MEHR PRIVAT FÜR EINEN STARKEN STAAT 66 Sektion Kiel

Veranstaltung: „Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur auf“ mit Christian Wulff Seite 32

EIN KORKEN IM FLASCHENHALS 67 Sektion Plön / Ostholstein

CHANCE STATT LAST 69 Sektion Kiel

ENERGIE UND MOBILITÄT FÜR DIE HANSESTADT LÜBECK 70 Sektion Lübeck Veranstaltung: Politik im postfaktischen Zeitalter mit Volker Bouffier Seite 29

ENERGIEWENDE IN SCHLESWIGHOLSTEIN RICHTIG MACHEN 71 Sektion Schleswig / Flensburg

VON DEN BAYERN LERNEN 74 Sektion Kiel

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INHALT

VERANSTALTUNGEN

LANDESFACHKOMMISSIONEN

GLAUBE, HOFFNUNG, LIEBE

Hamburg

76 Dritter Deutsch-Russischer Kieler Woche Empfang

IM ÜBERBLICK 39 Die aktuellen Landesfachkommissionen

CXO Event Sylt 2017

REGATTABEGLEITFAHRT 78 Landesverband Schleswig-Holstein

INNERE SICHERHEIT: WIE KANN DER MARKT HELFEN? 80 Sektion Herzogtum Lauenburg

GESUNDHEITSWIRTSCHAFT 40 Gesundheitsstandort Hamburg: Ganz vorne dabei u Dr. Ulrich Möllers

WACHSTUM & INNOVATION 41 Die Industriepolitik Hamburgs u Dr. Hubert Baltes

Big Data, Industrie 4.0 und FinTech standen im Mittelpunkt des CXO-Events Sylt 2017 des Wirtschaftsrates der CDU e.V., der zum zweiten Mal Experten aus Deutschland und der Schweiz auf die Insel Sylt eingeladen hatte. Seite 56

Schleswig-Holstein

KOMMISSION DIGITALISIERUNG UND INDUSTRIE 4.0.

AKTUELLES ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN FÜR HAMBURG 42 Kommentar von Wolfgang Peiner

WELT IM WANDEL: FÜR FREIHEIT UND SICHERHEIT 44 Wirtschaftstag Berlin 2017

HAMBURG BRAUCHT EINE DIGITALE AGENDA! 46 Neues Positionspapier mit digitalen Leuchtturmprojekten

RÜCKBLICK AUF DAS SCHAFFEN EINES HANSEATEN

63 Digitale Transformation für die Landesregierung u Dr. Thomas Ebel

VERKEHRSINFRASTRUKTUR 68 Chancen der Beltquerung nutzen! u Martin Henze

ENERGIEWIRTSCHAFT 72 Der Norden als Schrittmacher u Dr. Stefan Liebing

BITCOINS Glaube, Hoffnung, Liebe Dritter Deutsch-Russischer Empfang auf der Kieler Woche Seite 76

BILDUNG & WIRTSCHAFT 75 G9 nicht ohne Einschränkung des Elternwillens u Dr. Peter Rösner

48 Interview mit Dr. Jürgen Westphal

AUS DEM MITGLIEDERKREIS 47 Ein neues Mitglied stellt sich vor u Fürstenberg Institut GmbH 54 Neue Mitglieder in den Landesverbänden

JUNGER WIRTSCHAFTSRAT

Regattabegleitfahrt Strahlender Sonnenschein und eine gute Brise über der Kieler Förde Seite 78

828. HAFENGEBURTSTAG

AUS DER LANDESGESCHÄFTSSTELLE

38 Junger Wirtschaftsrat vor Ort

50 Ehre, wem Ehre gebührt! Dank an Gunnar Uldall 51 Hauke Harders sagt Tschüss 52 Der neue Landesvorstand des Wirtschaftsrates Hamburg 81 Schleswig-Holstein: Im Übrigen...

39 Valentin Braun

FRAGEN AN EIN MITGLIED

Schleswig-Holstein

ÖKOSYSTEM FÜR UNTERNEHMENSGRÜNDUNGEN 64 Zu Gast bei der Haspa

ZU GUTER LETZT VERANSTALTUNGSVORSCHAU 53 Landesverband Hamburg 82 Landesverband Schleswig-Holstein 82 Impressum

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

Auftaktveranstaltung zum 6. Norddeutschen Wirtschaftstag

Cloud-Lösungen werden immer beliebter

Zur Einstimmung auf den 6. Norddeutschen Wirtschaftstag hatte der Junge Wirtschaftsrat bereits am Vorabend ins „Penthouse Elb-Panorama“ im Atlantic-Haus eingeladen. Thema des Abends: „Unternehmertum zwischen Old und New Economy“.

Text: Christian Ströder / Felicia Grosse

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

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B ei spektakulärer Aussicht über den Hamburger Hafen freute sich der Landesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates Hamburg, Raphael Neuburg, gleich vier Referenten mit unterschiedlichstem Hintergrund begrüßen zu können: Karsten Roigk, Geschäftsführer der Primus Delphi Group GmbH, Alexander Doubek, Head of Technology bei der Riverland Reply GmbH, Bodo von Laffert, Gründer und Inhaber der Sushi Factory und OktoPOS Solutions GmbH sowie Dr. Fabian Heilemann, Partner bei Earlybird Venture Capital.

Dr. Fabian Heilemann

Auch die Anpassung an individuelle Erfordernisse und die Verknüpfung mit schon vorhandenen Systemen gestalte sich wesentlich einfacher. Summa summarum: Die Cloud ist inzwischen eine attraktivere Lösung für den Mittelstand und Start-ups. Die Cloud ist „definitiv eine Chance für die Traditional Economy“, sagte auch Alexander Doubek, der sich thematisch nahtlos an seinen Vorredner anschloss. Der Experte von Riverland Reply erläuterte, dass sich die „ganze Welt der Cloud“ in drei Teile gliedern lasse: IAAS (Infrastructure as a Service), PAAS (Platform as a Service) und SAAS (Software as a Service). Was damit gemeint ist, veranschaulichte er am Beispiel Mobilität: Besitze man eigenes Auto, bei dem man sich um alles selbst kümmern müsse, entspreche

Bodo von Laffert

Die Cloud als Lösung für Mittelstand und Start-ups Unter dem Titel „ERP Lösungen in der Cloud – für die New und die Traditional Economy“ näherte sich Karsten Roigk dem Thema des Abends aus der IT-Perspektive. Bekannt seien Cloud-Lösungen vor allem aus den Bereichen Vertrieb, Marketing und Infrastrukturdienstleistungen. Seit einigen Jahren habe sich aber ein weiteres Einsatzgebiet entwickelt: CloudDienste, die im Enterprise-Resource-Planning (ERP), also im Rahmen betriebswirtschaftlicher Softwarelösungen zur Steuerung von Geschäftsprozessen, eingesetzt werden. Gleichzeitig ist laut Roigk seit längerem ein Trend weg von In-house Software hin zu Cloud-Lösungen zu beobachten. Die Vorteile der Cloud liegen für ihn auf der Hand: Anschaffungs-, Wartungs- und Updatekosten seien bei einer In-house Software wesentlich teurer. Eine Cloud könne schneller und mit weniger Aufwand eingeführt werden und sei durch Updates immer auf dem neuesten Stand.

Karsten Roigk

das IAAS. Ein Mietwagen, bei dem ein gewisser Service inklusive ist, sei vergleichbar mit PAAS. Nutze man nur den Service gegen Bezahlung, wie bei einer Taxifahrt, spreche man von SAAS. Auch Doubek betonte, dass Cloud-Angebote mittlerweile die einfachere und kostengünstigere Lösung für Unternehmen seien.

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Deutsche Scheu vor Investitionen Bodo von Laffert sprach über „Unternehmererfahrungen aus der Old und New Economy“ und gab einen Einblick in seine verschiedenen Unternehmensgründungen. „Was ist eigentlich schwieriger? Gastronomie, sprich Old Economy, oder Software, New Economy? Da ist meine Meinung ganz klar: die Gastronomie!“, sagte der umtriebige Unternehmer und kritisierte aus seiner eigenen Erfahrung heraus die regulatorische Benachteiligung kleiner Unternehmen in Deutschland. Staatliche Hilfen und Subventionen würden in erster Linie mittelständische und große Unternehmen erreichen. „Es gibt Steuerschlupflöcher in Deutschland für Firmen wie Apple, Starbucks etc., aber diese Möglichkeiten haben

Alexander Doubek

kleine Unternehmen nicht“, so von Laffert. Kleinunternehmen würden nicht von dem niedrigen Euro profitieren, da sie hauptsächlich importieren würden. Eine internationale Konkurrenz aufzubauen sei schwierig, da viele Unternehmen in die USA verkauft würden. Er resümierte, dass deutsche Firmen so nie an die Spitze der „großen Player“ kämen. Eine weitere

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

Herausforderung sei außerdem das Thema Compliance. Der Unternehmer betonte, dass es sowohl zu viele Regularien als auch zu unterschiedliche Regeln für große und kleine Firmen gebe. Das Ergebnis seien zu wenige Gründungen und zu wenig Kapital. „Die deutsche Start-up-Szene aus der Sicht eines Venture Capitalist“ lautete der Vortrag des vierten und letzten Referenten des Abends, Fabian Heilemann. Durch verschiedenste Gründungen kennt er sich bestens mit der deutschen Start-up-Szene aus. Mit Blick auf die USA und China stellte er fest, dass Europa in puncto Wagniskapital und Größe der Investitionsrunden schlecht dastehe. Dabei sei „Wagniskapital im Prinzip der wesentliche Trei-

6 ber für digitale Innovation“, so Heilemann und beschrieb den Kapitalzugang in der Wachstumsphase als besonders schwierig. Der Anteil an Acceleratoren, Inkubatoren etc. sei in den letzten zehn Jahren zwar erheblich gestiegen. Dies beziehe sich jedoch lediglich auf Anfangs- und nicht auf Wachstumsinvestitionen. Spätphaseninvestoren gebe es in Europa zu wenige, sodass Investitionsrunden ab 20 Millionen Euro aus den USA oder China finanziert werden würden. Die größten Fonds in Europa betrügen ca. 350 Millionen Euro, während in den USA mit 3,5 Milliarden Euro ganz andere Summen im Spiel seien. „Deswegen können wir hier nicht in diesen Größenordnungen arbeiten, wie wir arbeiten müssten, wenn wir als Ökosystem

die volle Wertschöpfung über alle Phasen mitnehmen wollten“, so Heilemanns Fazit. Nach einer kurzen Diskussionsrunde ging der offizielle Teil der Veranstaltung zu Ende. Den anschließenden Imbiss nutzten die Mitglieder und Gäste zum Networking, aber auch, um den herrlichen Sonnenuntergang über dem Hafen zu genießen. Ein toller Auftakt zum 6. Norddeutschen Wirtschaftstag, den der Softund Hardwarehersteller Oracle Deutschland als Sponsor erst möglich machte. ■

Wir danken unserem Sponsor:

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

Innovatives Norddeutschland – Gemeinsam in die Zukunft Nach Stationen in Hannover, Rostock/Warnemünde, Bremerhaven und Lübeck war es wieder soweit, der Norddeutsche Wirtschaftstag kehrte zur sechsten Auflage in seinen „Heimathafen“ Hamburg zurück. Das Timing konnte kaum besser sein: Auf den Tag genau elf Jahre zuvor, am 11. Mai 2006, fand hier der erste „NWT“ statt. Text: Christian Ströder

Werner M. Bahlsen

An der grundlegenden Notwendigkeit, für die Stärkung der norddeutschen Zusammenarbeit einzutreten, hat sich nichts geändert“, sagte der gastgebende Landesvorsitzende, Dr. Henneke Lütgerath, bei der Eröffnung und erinnerte damit an den Kerngedanken, aus dem der NWT damals geboren wurde. Die Zusammenarbeit in der Hanseregion habe immer noch viel Luft nach oben und das allzu starre Festhalten am Föderalismus behindere das Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig hob Lütgerath das große Potenzial der Hanseregion hervor. Norddeutschland sei als Wirtschaftsraum breit aufgestellt und befinde sich zudem in einer günstigen geographischen Lage. Die Region bringe alle Voraussetzungen mit, um im globalen Wettbewerb auch in Zukunft eine entscheidende Rolle zu spielen. „Dafür müssen wir es schaffen, die Wirtschaftskraft der verschiedenen Branchen und Teilregionen besser zu bündeln“, forderte der Hamburger Landesvorsitzende. Als Beispiele nannte er u.a. mehr Kooperationen in der Clusterförderung und bessere Abstimmungen in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Überleitend auf das Tagungsthema „Innovatives Norddeutschland – Gemeinsam in die Zukunft“ erklärte Henneke Lütgerath: Wir müssen uns als Unterneh-

Dr. Henneke Lütgerath

mer bewusst sein, dass die Digitalisierung kein kurzzeitiges und einmaliges Phänomen, auch nicht nur ein Mega-Trend ist. Die Art und Weise zu wirtschaften, befindet sich in einem grundlegenden Wandel.“ Die Bereitschaft und die Fähigkeit, innovativ zu sein, seien der Schlüssel, um am Markt der Zukunft zu bestehen. Dieser Norddeutsche Wirtschaftstag solle dazu beitragen, den einen oder anderen Impuls dafür zu geben. Denn: „Fortschritt entsteht in den Köpfen der Menschen – diesen Fortschritt zu fördern und entwickeln, ist unser Ziel“, betonte der Landesvorsitzende. Im Anschluss wandte sich Werner Michael Bahlsen als Präsident des Wirtschaftsrates an die rund 400 Zuhörer. Er machte deutlich, dass Europa angesichts der Ereignisse in den letzten zwölf Monaten – vom Brexit, über die Wahl von Donald Trump, bis hin zu den vielen Terroranschlägen und dem türkischen Verfassungsreferendum – am Scheideweg stehe. Nationale Lösungen könnten darauf keine Antwort sein. „Wir brauchen europäische Antworten. Wir brauchen ein starkes und geeintes Europa mit einem starken Deutschland“, bekräftigte der Familienunternehmer. Im Weiteren wandte sich Bahlsen der Innenpolitik zu und sprach sich für eine

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Agenda 2025 aus, „mit der wir das Land in eine neue Zeit bringen“. Im Einzelnen ging er auf Impulse für das Industrieland Deutschland ein, skizzierte Maßnahmen für eine solide Haushalts- und Sozialpolitik und warb für die Rückkehr zu einer klaren Ordnungspolitik. Als wesentliche Forderungen zu den drei Bereichen nannte er u.a. die Modernisierung der analogen und digitalen Infrastruktur, die Abschaffung des Mittelstandsbauchs und weniger staatliche Bevormundung, Stichworte Mietpreisbremse und Entgeltgleichheitsgesetz. Vehement sprach er sich außerdem gegen Eurobonds aus. „Wir brauchen nicht noch mehr Gemeinschaftshaftung“, stellte Bahlsen klar. Abschließend erinnerte der Unternehmer an das Erbe Ludwig Erhards: „Seine Politik entfesselte die Kräfte des Marktes ebenso wie die persönliche Initiative.“ Die Soziale Marktwirtschaft habe als Experiment begonnen und sei heute ein Erfolgsmodell. „Ein Erfolgsmodell, zu dem wir auch in Deutschland zurückkehren sollten“, appellierte Bahlsen. Thematisch spannte der NWT im Verlauf des Tages einen breiten Bogen: Während sich die drei Keynotes um die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung drehten, wurde auf zwei hochkarätig besetzten Podien über die Energiepolitik im Norden und die deutsche Luftfahrtindustrie diskutiert. Friedrich Merz setzte mit seiner Rede zu den transatlantischen Beziehungen im Rahmen der Dinnerveranstaltung einen gelungenen Schlusspunkt. Flankiert wurde die Tagung von zwei Werksbesichtigungen bei der Aurubis AG und der Lufthansa Technik AG, die vor dem offiziellen Beginn der Hauptveran■ staltung am Vormittag stattfanden.

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

Keynotes

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Hans-Georg Frey

Ganz im Sinne des Leitthemas „Innovatives Norddeutschland“ standen die Keynotes auf dem diesjährigen Norddeutschen Wirtschaftstag im Zeichen der Digitalisierung. Neben EUKommissar Günther H. Oettinger, sprachen Hans-Georg Frey, Vorstandsvorsitzender der Jungheinrich AG und Peter F. Schmid, CEO der wer liefert was? GmbH, über die Potenziale und Herausforderungen der digitalen Transformation für die deutsche Wirtschaft. Die prominenten Keynote-Speaker betonten gleichermaßen die Bedeutung digitaler Lösungen als Grundlage für Innovationen und gewährten den interessierten Teilnehmern mit ihren Vorträgen unterschiedliche Perspektiven auf das Thema. Text: Saskia Kredig

Günther H. Oettinger „Europa am Scheideweg – Werte und Wettbewerbsfähigkeit im Zeitalter der Digitalisierung“ Als einleitender Redner verdeutlichte EUKommissar Oettinger zu Beginn seines Vortrages treffsicher die Tragweite des Themas: „Digitalisierung begegnet uns aktuell überall, selbst bei der Grünen Woche erleben wir den digitalen Bauern-

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hof. Heutzutage wird alles digitalisiert, was digitalisiert werden kann.“ In Bezug auf Digitalisierung seien die Vereinigten Staaten von Amerika aktuell Vorreiter, nicht zuletzt durch die gezielte Förderung von Talenten an Elite-Universitäten. Deutschland müsse in diesem Bereich mehr investieren – laut Oettinger sei deswegen die Errichtung einer deutschen Universität mit digitaler Exzellenz dringend notwendig.

Peter F. Schmid

In gewohnt klaren Worten sprach sich EU-Kommissar Oettinger für eine stärkere Zusammenarbeit der europäischen Länder aus: „Wenn etwas flächendeckend europäisch sein sollte, dann ist es der Bereich der Digitalisierung“. Während die USA von einem digitalen Binnenmarkt profitieren, gebe es in den deutschen Bundesländern sowie unter den EU-Mitgliedsstaaten unterschiedliche Datenschutzregelungen. Ein einheitlicher europäischer Datenschutz müsse angestrebt werden. Zugleich müsse die digitale Infrastruktur ausgeweitet werden, um leistungsfähige Netzwerke zu schaffen. Zum Ende seines Vortrages wandte sich Oettinger der aktuellen politischen Lage der EU zu. Obgleich Kritiker die EU in einer politischen Krise sehen würden, sollte der Brexit und die Debatte um Flüchtlinge als Chance für neue Zusammenarbeit gesehen werden. Nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich müsse die Deutsch-Französische Zusammenarbeit neue Kraft bekommen. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe und ohne Alleingänge sei nötig. Oettinger endete mit einem Appell an alle Unternehmer, europäische Werte hochzuhalten: „Widmen Sie dem Friedensprojekt Europa dasselbe Interesse wie der Erbschaftsteuer.“

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

Günther H. Oettinger und Moderator Michael Schmidt

Direkt im Anschluss auf den politischen Impuls durch EU-Kommissar Oettinger folgte ein Vortrag zum Thema Digitalisierung aus Sicht eines Hamburger Traditionsunternehmens. Hans-Georg Frey „Bedeutung und Erfolgsfaktoren der Digitalisierung für die deutsche Industrie“ Mit seinem Vortrag machte Hans-Georg Frey, Vorstandsvorsitzender der Jungheinrich AG, die herausragende Stellung der Digitalisierung für die deutsche Industrie noch einmal deutlich: „Wer glaubt, Digitalisierung wäre nicht wichtig, erfasst ihre Dimension nicht. Die 4. Industrielle Revolution ist für die Wirtschaft mindestens genauso wichtig, wie die Erfindung der Dampfmaschine oder des Autos.“ Der Vorstandsvorsitzende betonte, u.a. mithilfe eines Unternehmensfilms, dass von digitalen Lösungen sowohl kleine, wie auch große Unternehmen profitieren würden. Durch die Digitalisierung ließe sich langfristig Produktivität deutlich steigern. Nicht zuletzt dank der Etablierung individueller Lösungen habe sich die Jungheinrich AG im Laufe der Jahre von einem

Kleinunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern zu einem heute international führenden Anbieter im Bereich der innerbetrieblichen Logistik entwickelt. Laut Frey müsse jedes Unternehmen eigene Strategien entwickeln, um erfolgreich zu sein: „Suchen Sie in Ihrem Unternehmen nach Ihren eigenen individuellen Lösungen“, gab er den Teilnehmern als Ratschlag. Hiernach wandte er sich gleichermaßen an Wirtschaft und Politik mit dem Appell, die nötigen Rahmenbedingungen für die digitale Transformation in Deutschland zu schaffen. Ein gründlicher Ausbau der jetzigen Infrastruktur sei dringend notwendig. Gleichzeitig müsse die Bundespolitik mehr im Bereich von Cyber-Schutz sowie in der Ausbildung junger Talente investieren – nur so könne die deutsche Industrie weiterhin wettbewerbsfähig bleiben. Peter F. Schmid „Die Digitale Transformation doppelt nutzen – Zukunftssicher aufstellen und neue Absatzmärkte erschließen“ Mit seinem abschließenden Vortrag gab Peter F. Schmid, CEO der wer liefert was? GmbH, im Rahmen der Keynotes weitere Impulse zur praktischen Umsetzung der

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digitalen Transformation deutscher Unternehmen. Ähnlich wie Oettinger und Frey sieht Schmid in der aktuellen Digitalisierung großes Potenzial für die deutsche Wirtschaft: „Eine der größten Chancen der Digitalisierung ist es, neue Märkte zu erschließen, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen“. Laut Schmid gibt es vier entscheidende Faktoren für den Erfolg von Unternehmen bei der digitalen Transformation. Zum einen sei es notwendig, die eigenen Mitarbeiter von Anfang an in die Prozesse zu integrieren. Dies habe das einstige Start-up „wer liefert was?“ zu Europas führendem Marktplatz für B2B-Produkte und Dienstleistungen gemacht. Des Weiteren müssten die Rahmenbedingungen für einen digitalen Austausch geschaffen werden, u.a. in Form von Tools und Ausstattung. Zudem sollten Unternehmen offen für Neuerungen bleiben, z.B. durch den Abbau von Hierarchien. Letztlich zähle auf dem Markt aber nur die eigene Schnelligkeit bei der Umsetzung von Lösungen. Mit dem Aufruf „Denken Sie groß! Betrachten Sie bei der digitalen Transformation alle Bereiche der Wertschöpfungskette!“ beendete Schmid die Keynote■ Session des NWT 2017.

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

PODIUM I

Industrie im Norden – Energiepolitik als Die Energiewende kann man mit Fug und Recht als deutsches Jahrhundertprojekt bezeichnen. Bis zum Jahr 2050 sollen 80 Prozent des Strom- und 50 Prozent des Wärmesektors mit Erneuerbaren Energien versorgt werden. Für eine Industrienation wie Deutschland ist dabei von entscheidender Bedeutung, dass die Energieversorgung trotzdem stabil und bezahlbar bleibt.

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orddeutschland nimmt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselposition ein, da hier mit viel Wind und viel Biomasse ein Standortvorteil gegenüber anderen Regionen herrscht. Wie muss sich also der Standort Norddeutschland weiterentwickeln, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein und wie sieht die Zukunft der Energielandschaft im Allgemeinen aus? Über diese und weitere Fragen diskutierte der Moderator des Podiums I, Dr. Christian Growitsch von der Universität Hamburg, mit Dr. Herlind Gundelach MdB, Berichterstatterin für Energieeffizi-

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enz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Martin Grundmann, Geschäftsführer der ARGE Netz GmbH & Co. KG, Dr. Willem Huisman, Präsident und Vorstandsvorsitzender der Dow Chemical Deutschland Inc., Reinhold von Eben-Worlée, Geschäftsführender Gesellschafter der Worlée-Chemie GmbH, und Detlev Wösten, Geschäftsführer der H&R GmbH & Co. KGaA, einem internationalen Spezialchemieunternehmen. Mehr Marktwirtschaft wagen Zu Beginn bat Christian Growitsch die Diskutanten um eine Einschätzung zum aktuellen Stand der Energiewende und darum, zu erläutern, wie aus der Energiewende ein Erfolgsmodell zu machen sei. Herlind Gundelach benannte zwei Faktoren, die für ein Gelingen der Ener-

giewende von Bedeutung seien: Zum einen müsse die Netzanbindung für die Erneuerbaren Energien deutlich verbes-

sert werden und zum anderen müsse man sich schnellstmöglich Gedanken darüber machen, wie die Erneuerbaren so an den Markt herangeführt werden könnten, dass Unternehmer dort die Rahmenbedingungen vorfänden, die eine Selbstvermarktung der Erneuerbaren ermöglichten. Detlev Wösten erklärte, dass die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie durch zu hohe Energiekosten immer

wieder in Frage gestellt werde. Hier brauche es eine Nachhaltigkeitsstrategie als Schlüssel für die nächsten Schritte. Der Erfolg der Energiewende dürfe nicht mehr nur anhand von Ausbaukapazitäten gemessen werden, sondern müsse auch über das Thema Sektorenkopplung definiert werden. „Die erste Phase der großen Förderung der Erneuerbaren Energien geht zu Ende und die neue Phase, ein wettbewerbliches Marktumfeld, in dem die Energieerzeuger sich bewähren wollen und

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

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Text: Hauke Meisner

Standortvorteil? auch müssen, hat noch nicht so richtig begonnen, weil der Gesetzgeber verschiedene Regeln noch nicht geändert hat“, erläuterte Martin Grundmann. Eine wichtige Aufgabe für die neue Bundesregierung sei es, schnell die nötigen Regeln und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu setzen, die nicht jedes Jahr geändert werden dürften, um wieder unternehmerische Fantasie walten lassen zu können. Reinhold von Eben-Worlée prangerte die Überförderung der Erneuerbaren Energien im EEG an: „Wir sind an einem Punkt, wo die Lasten der Energiewende, umgelegt über die EEG-Umlage und andere Modelle, ein Übermaß erreicht haben, das für den Bürger und auch für

die Gewerbetreibenden und die Industrie nicht mehr erträglich ist“ Das EEG sei als Anschubmodell gedacht gewesen und nicht als Dauerinstitution. „Das EEG und die Folgekosten sind inzwischen zu einer solch hohen Belastung für den Staat und die Bürger geworden, dass es dringend auslaufen muss“, so der Familienunternehmer weiter. Die staatlichen Organe müssten sich ihrer Verantwortung stärker bewusst werden und einen Teil der Lasten in den Steuerbereich übernehmen.

Speichertechnologien und Sektorenkopplung vorantreiben Detlev Wösten forderte, dass die Industrie aus dem Forschungsstatus herauskommen und die Sektorenkopplung stärker in die Umsetzung bringen müsse. Power-to-Heat, Power-to-Gas, Power-to-Liquids und Powerto-Chemicals könnten Beiträge in einem industriellen Maßstab leisten. „Wir haben in Norddeutschland das Potenzial wirtschaftlicher nachhaltiger Energieversorgung und damit die Möglichkeit, diese Technologie und Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und zu erweitern“, sagte Wösten. „Besonders wichtig ist es“, betonte Willem Huisman, „dass wir zu jeder Zeit Strom bekommen, um unsere Produktion

Norddeutschland funktionieren könne und was wirklich dafür gebraucht werde. Das alles sei aber nicht sofort vollumfänglich vonnöten, da der Ausbau bis 2050 angelegt sei. Norddeutscher Standortvorteil bei Energiewende Im weiteren Verlauf gingen die Diskutanten näher auf die positiven Möglichkeiten der Energiewende ein und sprachen über die Weiterentwicklung des Standorts Norddeutschland. „Das Positive aus meiner Sicht ist, dass hier eine Technologie entwickelt worden ist, die weltweit vermarktet werden kann“, erklärte Martin Grundmann. Deutsche oder europäische Technologie werde in Afrika, Südamerika oder Indien gleichermaßen benötigt. Im Sinne eines Clusters Industriepolitik könnten sich die norddeutschen Bundesländer zusammenschließen, sich als Energieregion in Europa platzieren und nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Beschäftigung voranbringen. Willem Huisman wies ergänzend auf die wachsende Bedeutung des Wasserstoffs im Zusammenhang mit dem Klimawandel

„Wir sind an einem Punkt, wo die Lasten der Energiewende, umgelegt über die EEG-Umlage und andere Modelle, ein Übermaß erreicht haben, das für den Bürger und auch für die Gewerbetreibenden und die Industrie nicht mehr erträglich ist.“ Reinhold von Eben-Worlée rund um die Uhr am Laufen halten zu können“. Es müsse entsprechend viel mehr in Speichertechnologie investiert werden, da die Erneuerbaren Energien dies heute mit der vorhandenen Technik noch nicht leisten könnten. Die Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach fügte hinzu, dass die Entwicklung solcher Speichertechnologien besonders gefördert werden müsse. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen ihre Forschung steuerlich absetzen können. Die Speicherung müsse kostengünstig und die Energie schnell wieder abrufbar sein. Daran anknüpfend stellte Martin Grundmann die Innovationsallianz NEW 4.0 vor, die sich auch mit diesen Problematiken beschäftige. In enger Zusammenarbeit zwischen Energieerzeugern, Netzbetreibern und Industrieabnehmern werde erforscht, wie die Energiewende in

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hin: „In dem Moment, in dem ich aus CO2 wieder Kohlenwasserstoff machen möchte, brauche ich Wasserstoff. Den kann man durch Elektrolyse von Wasser herstellen und die perfekte Region dafür ist in Deutschland hier im Norden“, so Huisman. Darüber hinaus biete die geographische Lage mit dem Hamburger Tiefwasserhafen

weitere Standortvorteile, die attraktiv auf Industrie und Großindustrie wirkten und so zu einem weiteren Anstieg des Energie■ bedarfs führten.

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TITEL Norddeutscher Wirtschaftstag

PODIUM II

Luftfahrtstandort Deutschland

Der weltweite Flugverkehr steigt stetig an und anlässlich des Luftfahrtkongresses, der Ende März in Berlin stattfand, forderten die Luftfahrtverbände mehr Unterstützung seitens der Politik.

E ine nachhaltige Stärkung des Luftfahrtstandortes Deutschland durch den Zusammenschluss von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften wurde gefordert. Derzeit spielt Deutschland, aufgrund von Technologievorsprung und den höchsten Qualitätsstandards, noch ganz vorne im internationalen Wettbewerb mit. Jedoch stellt sich die Frage, wie lange dies noch so sein wird. Vor diesem Hintergrund diskutierten auf dem zweiten Podium des Tages Dr. Johannes Bußmann,Vorstandsvorsitzender der Lufthansa Technik AG, Roland Gerhards, Geschäftsführer des Zentrums für Angewandte Luftfahrtforschung GmbH (ZAL), Prof. Rolf Henke, Vorstandsmitglied des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt e.V. (DLR), Dr. Achim Leder, Gründer von jetlite, und Marco Wagner, Geschäftsführer Personal bei der Airbus Operations GmbH. Michael Schmidt, Chefredakteur von Hamburg 1, führte durch die Gesprächsrunde. Hamburg ist laut Johannes Bußmann der drittgrößte Luftfahrtechnikstandort weltweit. Er betonte ebenfalls, dass Deutschland sich in einer guten Ausgangsposition befinde, um weiter im internationalen Wettbewerb voranzuschreiten.

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Kritik wurde jedoch an der Politik geäußert, denn durch nationale Steuern und Gebühren würden die Luftverkehrsunternehmen im internationalen Wettbewerb

geschwächt. Daher war das Luftverkehrskonzept ein wichtiges Thema, welches Anfang des Monats durch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vorgestellt wurde. Ziel dieses Konzeptes ist es, die negativen Rahmenbedingungen für den Luftfahrtstandort Deutschland zu beseitigen. Marco Wagner von Airbus erklärte jedoch, dass dieses vorgelegte Konzept keine Strategie sei, sondern eher die Grundlage für die neue Bundesregierung

darstelle, um sich damit dann weiter auseinanderzusetzen. Roland Gerhards befand, dass dieses Konzept besonders wichtig für die Forschung sei. Des Weiteren forderte er konkrete Ansätze, insbesondere, inwieweit die Forschung weitere Förderung erfahren solle.

Luftfahrtindustrie profitiert von Start-ups Start-ups sind im Bereich Luftfahrttechnik ebenfalls ein wichtiges Thema. Insbesondere, wie diese gefördert werden können und welche Rahmenbedingungen es geben könnte, um die Gründung zu erleichtern, wobei gleichzeitig die großen Unternehmen profitieren sollen. Ein Beispiel dafür ist das von Achim Leder ge-

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Text: Jennifer Hake

gründete Start-up jetlite, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, Jetlags durch einen Algorithmus, der das Licht in den Flugkabinen steuert, zu reduzieren. Jetlite nimmt am Förderungsprogramm BizLab

von Airbus teil, dadurch konnten wichtiges Knowhow und Kontakte erfolgreich weitervermittelt werden. Bei diesem Förderungsprogramm haben Teams die Möglichkeit, sich dafür zu bewerben und werden innerhalb des Bewerbungsprozesses zu Seasons eingeladen, wo sie im Rahmen von Workshops, die Möglichkeiten haben, ihre Idee zu reflektieren und mit neuen innovativen Ideen anzureichern. Hierzu äußerte sich ebenfalls Marco Wagner. Kleinere Unternehmen hätten eine höhere Agilität, die wiederum hilfreich für Großunternehmen wie Airbus sein könnten. Daher sei eine Förderung solcher neuen Ideen wichtig und es entstehe eine Win-Win-Situation. In Bezug auf Start-ups wurde auch über die politische Unterstützung geredet. Dazu erklärte Achim Leder, dass sie Unterstützung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie dem ZAL bekämen, welche sehr hilfreich sei, da jetlite dadurch die Möglichkeit habe, weiter seine Ideen zu optimieren. Dennoch bestehe die Problematik, dass jetlite keine Mitarbeiter finde. Denn Unternehmen, wie beispielsweise Airbus, würden als sichere Arbeitgeber gelten. Dagegen stellten Start-ups ein höheres Risiko für Arbeitnehmer dar. Aufgrund dessen sprach sich Leder für eine bessere finanzielle Absicherung der Start-ups aus.

men Innovationsdruck. Als Folge dessen baut das DLR seinen Standort in Hamburg weiter aus, um die Industrie bei dieser Herausforderung zu unterstützen. Hierzu erklärte Johannes Bußmann, wo sich beispielsweise die Lufthansa Technik AG verändern bzw. weiterentwickeln müsse. Zwei Bereiche gehörten dazu, zum einen ganz klassisch, dass moderne Technologien immer mehr in den Herstellungsprozess mit eingebunden werden müssten. Zum anderen, dass die Luftfahrtindustrie eine der papierbelastetsten Industrien weltweit sei und der Verbrauch in Zukunft verringert werden müsse, indem verschiedene Systeme vereinheitlicht und weiter untereinander vernetzt würden. Des Weiteren stellte Bußmann ein Tool vor, welches externen Entwicklern ermöglicht, an interne Informationen zu gelangen und daraufhin zugeschnittene Apps oder Dienstleistungen anzubieten. Beim Thema Innovationen waren sich die Diskutanten darüber einig, dass der 3D-Druck einen enormen Fortschritt im Bereich der Fertigung und Wartung darstelle. Auch über die Unternehmenskultur wurde diskutiert und wie sich diese verändern müsse, um auf die steigende Nachfrage nach Fachkräften zu reagieren. Marco Wagner erläuterte, dass auch Airbus

sich sehr kritisch mit seiner Unternehmenskultur auseinandersetze und wies auf die Wichtigkeit offener Lernprozesse hin. Man müsse den Wandel hin zur Digitalisierung als Chance begreifen. Auch dies sei ein Grund, warum Airbus Gründer mit dem Projekt BizLab unterstütze, denn durch diese Unterstützung entstünden auch Flexibilität und Know-how. Airbus wolle aber nicht nur die Neuen unterstützen, sondern lege auch großen Wert auf seine bestehende Belegschaft. Denn diese müsse stetig weitergebildet werden, da eine höhere Qualifizierung immer notwendiger werde. Weiterhin erklärte Wagner, dass ein gesunder demografischer Mix innerhalb der Belegschaft wichtig sei und man somit nachhaltig an den Strukturen arbeite. Dennoch wurde auch bemän-

gelt, dass die Qualität der Bewerber immer schlechter werde, was vor allem auffallend in den Bundesländern sei, wo das Schulsystem stetig mit der Zusammensetzung der Landesregierung wechsle. Daraus resultierten eine Verschlechterung in der schulischen Bildung und die Bitte an die Politik, die eingeschlagene Richtung zu überdenken. Denn die Luftfahrtindustrie biete durch ihre ausgezeichnete Auftragslage sehr große Chancen. Diese müssten durch die enge Koordination zwischen Politik und Industrie richtig genutzt werden, um weiterhin den Luftfahrtstandort Deutschland zu sichern ■ und auszubauen.

Digitalisierung bietet große Chancen Weitere wichtige Themen waren Digitalisierung und Innovationen. In dem Zusammenhang erklärte Rolf Henke vom DLR, Deutschland stehe als weltweit führende Exportnation unter einem enor-

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Fazit:

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Die Digitalisierung wartet nicht auf Deutschland Text: Dr. Bertram Zitscher

Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V. Wolfgang Steiger knüpfte mit seinen Worten nahtlos an die beiden Podiumsdiskussionen des 6. Norddeutschen Wirtschaftstages in Hamburg an: Die Energiewende habe bisher viel heiße Luft erzeugt, diese aber nicht sauberer gemacht. Neben mehr Markt brauche die Energiewende einen europäischen Rahmen. Gleiches gelte für die Luft- und Raumfahrtindustrie. Diese sei traditionell ein Innovationsmotor, ohne ein „level playing field“ in Europa leide jedoch die Wettbewerbsfähigkeit der Branche in Europa. Im Wettbewerb der Kontinente warte die Digitalisierung nicht auf Deutschland. Man könne sie aber auch nicht verhindern. Die Politik müsse daher mehr über

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den Tellerrand blicken und die politischen Veränderungen beschleunigen. Ein wichtiges Signal seien Steuererleichterungen für betriebliche Forschung und Entwicklung, aber auch die Bedingungen für Startups müssten besser entwickelt werden. Deutschland liege derzeit auf Rang 114 von 189 Ländern. Mit Blick auf den Bundestagswahlkampf ermutigte Steiger die linken Par-

teien, sich weiter auf das Jammern zu konzentrieren und Deutschland weiter schlecht zu reden. Den Menschen sei es niemals besser gegangen. Daher sollte die CDU ihren Markenkern wieder schärfen und mit breiter Brust die Chancen ins Blickfeld nehmen, die durch technischen Fortschritt und Globalisierung den Wohlstand und den Erfolg am Standort Deutschland weiter mehren werden. ■

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Der Dank gilt unseren Sponsoren:

Weitere Impressionen des NWT 2017 unter www.nwt2017.de Auf dem YouTube-Kanal des Wirtschaftsrates stehen auĂ&#x;erdem ein Imagefilm und die komplette Dinnerrede von Friedrich Merz zum Anschauen bereit.

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Fotos: Frank Soens

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Deutschland muss sich nicht entschuldigen Den krönenden Abschluss des 6. Norddeutschen Wirtschaftstages bildete die Dinnerveranstaltung im Großen Festsaal. Friedrich Merz sprach über die französische Präsidentschaftswahl und die transatlantischen Beziehungen. Text: Dr. Barbara Rodewald

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M it einem Augenzwinkern bedankte sich Friedrich Merz einleitend dafür, nicht schon vor einem Jahr als Redner eingeladen worden zu sein. Seine Vorabeinschätzungen zum Brexit-Votum und zum Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl wären „danebengegangen“, gestand er ein. Und auch für die anstehende Bundestagswahl gebe es noch genug Zeit und Raum für Spekulationen. EU braucht ein starkes Frankreich Im ersten Teil seiner Rede lenkte Merz den Fokus auf Europa und die jüngsten Entwicklungen in Frankreich. Er stellte klar, dass es ohne eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich keine Fortschritte in der Europäischen Union geben könne. Rückblickend auf die Anfänge der EU erinnerte er an die berühmte, am 9. Mai 1950 von Robert Schumann gehaltene Rede, in der

Merz die Basis für die Aussöhnung beider Länder verankert sieht. Schumann habe sich damals sicher nicht vorstellen können, dass 67 Jahre später nicht nur ganz Europa, sondern die ganze Welt auf die Wahlergebnisse in Frankreich schauen würde. Friedrich Merz berichtete weiter mit sachlicher Sorge über den Zustrom zum Front National und bezeichnete den Newcomer Emmanuel Macron „als die letzte Chance für die fünfte Republik“. Er zog einen beunruhigenden Vergleich zu den Anfängen der Präsidentschaft Barack Obamas. Auch dieser sei anfangs hochgejubelt worden – acht Jahre später heiße der Präsident Donald Trump. Für Friedrich Merz ist Deutschland jetzt gefordert, die Geschehnisse in Frankreich zu begleiten. Beim Antrittsbesuch Macrons müssten auch kritische Themen auf den Tisch. Als Punkte nannte er das geringe Politikver-

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trauen in der französischen Bevölkerung, die hohe (Jugend-) Arbeitslosigkeit, den niedrigen Industrieanteil in Frankreich, die hohe Staatsquote von 57 Prozent, die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und das Renteneintrittsalter von 62 Jahren, das der demografischen Entwicklung zuwiderlaufe. Erfolg durch Agenda 2010 Die deutsche Exportquote, der hohe Handelsüberschuss und das Wachstum seien, wie Merz betonte, mit Sicherheit Diskussionspunkte für Frankreich und die USA. Dabei solle nicht nur der hohe Export – im April 2017 bei einem Rekordwert von 118 Milliarden Euro – im Fokus stehen, sondern auch der extrem hohe Import, der in demselben Zeitraum 92 Milliarden Euro erreicht habe. Nach Ansicht von Friedrich Merz sind diese Fakten kein Problem, sondern der Beleg dafür, dass Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten die richtigen wirtschaftspolitischen Weichen gestellt habe. Erfolgsfaktoren seien u.a. überwiegend vernünftige Tarifverträge, ein hoher Industrieanteil mit gutem Branchenmix und ein sehr gutes Ausbildungssystem. Highlights des deutschen Bildungssystems seien neben dem exzellenten universitären Angebot die duale Ausbildung und die gut geschulten Facharbeiter, die sogar in den USA Vorbildfunktion hätten. Unbestreitbar ist für Merz auch, dass die Agenda 2010 ein großer Erfolg für Wachstum und Beschäftigung gewesen sei. Sein Zwischenfazit: Diese Erfolgsfaktoren seien für alle europäischen Staaten genauso möglich. „Für unsere Außenhandelsüberschüsse müssen wir uns nicht entschuldigen!“ Eine kleine Einschränkung machte er mit dem Verweis auf den Euro, von dem Deutschland sehr profitiere, da die Währung künstlich geschwächt und dennoch für viele Staaten der Europäischen Union immer noch zu stark sei. Schulden ≠ Wachstum Könnte das Aufnehmen von Schulden ein Impuls sein, um andere EU-Staaten wirtschaftlich auf Augenhöhe mit Deutschland zu bringen? Dieser Vermutung erteilte Merz eine Absage. Es sei nicht bewiesen, dass mehr Schulden zu mehr Wachstum führten. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: Überall dort, wie Schulden nied-

Übernahm das Steuerrad für den NWT 2019: Anja Osterloh, Landesvorsitzende aus Niedersachsen

rig seien, sei das Wachstum hoch und die Arbeitslosigkeit gering. Damit kam Friedrich Merz noch einmal auf Frankreich zurück und sagte, dass der neue Präsident Macron nun fünf Jahre Zeit habe, um die richtigen Weichen zu stellen. Er ermunterte die Mitglieder des Wirtschaftsrates, sich mit französischen Geschäftspartnern auszutauschen und voneinander zu lernen. Merz machte den konkreten Vorschlag, über grenzüberschreitende Tarifverträge zu reden, „da wir in einem integrierten offenen Binnenmarkt leben.“ Neues transatlantisches Verhältnis Im letzten Part seines Vortrags ging der Ehrengast auf das transatlantische Verhältnis ein. Inwieweit befinden sich Deutschland und Europa noch in einer Wertegemeinschaft mit den USA? Ist die NATO nur ein militärisches oder doch auch ein politisches Bündnis? Kritisch beleuchtete Friedrich Merz das Auftreten des neuen US-Präsidenten Trump und stellte fest, dass Donald Trump sein Amt offensichtlich führen wolle wie ein Immobilienunternehmer. Die Finanzpolitik, die Handelspolitik und die Außen- und Sicherheitspolitik sind für Friedrich Merz die zentralen Themen im Verhältnis mit den Amerikanern. Insbesondere bei der Handelspolitik sieht er Möglichkeiten und Notwendigkeiten zur Zusammenarbeit – mit einer im Vergleich zu 2016 besseren Kommunikation. In Bezug auf die Außen- und Sicherheitspolitik führte er an, dass die Lastenverteilung der NATO im Ungleichgewicht sei, da die USA 70 Prozent der Kosten trügen, Europa dagegen nur 30 Prozent. Ferner erinnerte er daran, dass große Ölvorkommen die USA unabhängig machten. Ame-

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rika werde wegen fossiler Brennstoffe im Mittleren Osten nicht intervenieren, so die Einschätzung des Ehrengastes. Und da auch der Terrorismus eher ein Thema in Europa sei als in den USA, stellte Merz fest, „dass wir mehr tun müssen für die innere und äußere Sicherheit des europäischen Kontinents.“ Nach einem kurzen Blick auf die Konflikte in der Ukraine und Nordkorea und einer Reflexion über gemeinsame europäische Werte schloss Merz mit einem Zitat von Henry Kissinger ab: „Deutschland ist für die Welt zu klein, für Europa zu groß.“ Daraus leitete er ab, dass es für Deutschland innerhalb der EU essentiell sei, als Partner aufzutreten, und darauf zu achten, bei keiner politischen Entscheidung den Nachbarn das Gefühl zu geben, dass gegen deren Interessen gehandelt würde. Friedrich Merz sprach sich für eine starke EU aus, die dann auch den Amerikanern klare Positionen zeigen könne und Respekt ■ hervorbringe.

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VERANSTALTUNG Digitale Transformation

In Deutschland sind es die Familienunternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden und die über Jahrzehnte den Mythos „Made in Germany“ geprägt haben. Viele dieser Unternehmen blicken auf eine traditionsreiche Firmengeschichte zurück, die lange vor dem Digitalzeitalter begann. Um weiterhin erfolgreich und konkurrenzfähig zu bleiben, müssen sie sich voll und ganz auf die Digitalisierung einlassen.

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VERANSTALTUNG Digitale Transformation

Digitalisierung in Familienunternehmen Experten diskutieren beim Wirtschaftsrat über digitale Strategien Text: Christian Ströder / Felicia Grosse

D ie Digitalisierung bedeutet für die Wirtschaft Herausforderung und Chance zugleich. Begriffe wie Industrie 4.0, Smart Services, Big Data, Cloud Computing oder Vernetzung stehen für den Umbruch ganzer Branchen und verlangen Unternehmen Anpassungsfähigkeit und Kreativität für neue, innovative Geschäftsmodelle ab. Vor diesem Hintergrund hatte der Wirtschaftsrat Hamburg unter dem Titel „Digitalisierung in Familienunternehmen. Wirtschaftlicher Erfolg durch eine digitale Strategie“ zu einer Podiumsdiskussion in die gerade frisch bezogenen Räumlichkeiten der PricewaterhouseCoopers GmbH am Alsterufer eingeladen. An dem Podium nahmen teil: Michael Pachmajer, Direktor (PricewaterhouseCoopers GmbH), Georg E. Moeller,

Senior Box Promotor (Protonet GmbH), Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor und Mitglied der Geschäftsführung (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut, HWWI) und Christoph Wöhlke, Geschäftsführer (IWAN Budnikowsky GmbH & Co. KG). Dr. Hubert Baltes, Vorsitzender der Landesfachkommission Wachstum & Innovation, führte als Initiator der Veranstaltung durch den Abend und moderierte die Gesprächsrunde. Gastgeber Niklas Wilke, Partner bei PwC, begrüßte die rund 120 Zuhörer. Keynotes Bevor es in die Podiumsdiskussion ging, gab es eine kurze Keynote-Session. Henning Vöpel machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Dimension der digitalen

Georg E. Moeller, Christoph Wöhlke, Michael Pachmajer, Prof. Dr. Henning Vöpel und Dr. Hubert Baltes

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„Wir stehen am Fuße der Revolution und die Aufgabe der Politik wird es sein, diese Revolution menschlich zu machen.“ Veränderungsprozesse weit über technologische Aspekte hinausgehe. Er sprach von einer „Neuvermessung der Welt“ und erklärte, dass Innovationssysteme sowohl hinsichtlich der Strukturen als auch der Mentalitäten vor einem Umbruch stünden. „Digitalisierung bedeutet eine echte Systemtransformation“, so Vöpel. Bei dieser Transformation verliere das Erfahrungswissen an Wert, da man das Ausmaß und die Veränderungen durch die Digitalisierung gar nicht vorhersehen könne. Statt Strategie sei Agilität gefragt. Michael Pachmajer warnte davor, dass die deutschen Familienunternehmen in der bzw. durch die Digitalisierung abgehängt werden. Trotz ihrer Führungsrolle als „Hidden Champions“ setzten derzeit lediglich 20 Prozent der familiengeführten Unternehmen eine digitale Agenda um. „50 Prozent sind unentschlossen und 30 Prozent warten ab.“ Dabei hätten die familiengeführten Unternehmen Stärken, die Pachmajer als enormen Vorteil in Zeiten der Digitalisierung sieht. Durch Nähe zu Produkten und die Produktfähigkeit ergebe sich im Vergleich zu

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VERANSTALTUNG Digitale Transformation

Christina Block

großen Onlinehändlern ein enormer Vorteil. Zudem existierten Familienunternehmen oft über mehrere Generationen und hätten somit Erfahrung mit Veränderungsprozessen. Für Georg E. Möller ist die Digitalisierung kein „Entscheidungsprozess, sondern ein Infiltrationsprozess“, der mehr „Push als Pull“ ist. Man werde nicht mehr gefragt, sondern werde getrieben. Durch die Spuren, die ein jeder online hinterlasse, charakterisierte er die Digitalisierung als „irreversiblen Prozess“. Er nannte sieben Aspekte, die aus seiner Sicht die digitale Transformation begleiten: 1. Debatte, 2. Integrität, 3. Grundierung, 4. Intuition, 5. Transparenz, 6. Aufgeschlossenheit und 7. Leidenschaft. Christoph Wölke verzichtete auf eine Keynote und stellte sich stattdessen in einem kurzen Interview den Fragen des Moderators Hubert Baltes. Dabei ging es um den Zusammenhang von Geschäftsmodell und Firmenkultur. Wöhlke betonte, dass alte Kulturen auf alten Geschäftsmodellen basierten und somit neue Kulturen entstehen müssten. Er charakterisierte die Digitalisierung als Fragestellung: „Welche Auswirkungen hat der technische Wandel auf mein Geschäftsmodell und wie schaffe ich es eine Firmenkultur zu schaffen, die diese Frage zulässt?“ Die Gleichung „App + Onlineshop = Digitalisierung“ sei keine Gleichung, die ein Unternehmen digitalisiere. Vielmehr sei es wichtig, eine Unternehmenstransformation zu vollziehen, um von der Produkt- zur Kundenzentrierung zu kommen. Um dies zu erreichen, sei eine klare Kommunikation und das Vertrauen in die Unternehmensführung elementar.

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Niklas Wilke

Christoph Wöhlke

Podiumsdiskussion HWWI-Direktor Henning Vöpel wandte sich in der Diskussion zunächst der Frage zu, wie in Zukunft die Innovationstätigkeit der deutschen Wirtschaft aussehen werde. Die Art und Weise, wie gewirtschaftet und Innovationen erzeugt würden, müsse komplett überdacht werden. Die lineare Innovationstätigkeit (Fokus auf Prozess- und Produktoptimierung) sei nicht mehr adäquat und werde durch

Georg E. Moeller ergänzte in diesem Zusammenhang, dass die Angst vor Paradigmenwechseln in Deutschland sehr ausgeprägt sei. Dennoch müsse versucht werden, mit Dingen zu brechen. Wichtig dabei sei, auch eine Fehlerkultur zuzulassen. „Das Prinzip der Schuldsuche muss aufgegeben werden. Es hilft allen, wenn die Kraft, die in die Suche nach der Schuldfrage investiert wird, stattdessen in die Lösungsfindung fließt“, so Möller.

„Wir werden viel stärker das Prinzip von Versuch und Irrtum etablieren und in Teilen auch Patente aufgeben müssen. Das wird zu einer Frage der Überlebensfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ Prof. Dr. Henning Vöpel Innovationssysteme ersetzt, die experimenteller, interdisziplinärer und kollaborativer seien. „Wir werden viel stärker das Prinzip von Versuch und Irrtum etablieren und in Teilen auch Patente aufgeben müssen. Das wird zu einer Frage der Überlebensfähigkeit der deutschen Wirtschaft“, so Vöpel. Im Verlauf der Diskussion war die Notwendigkeit zu einem Paradigmenwechsel in der deutschen Wirtschaft ein zentraler Punkt. „Wir müssen aus dieser Ingenieurslogik heraus, dass das beste Produkt auch am Markt von uns produziert und hergestellt wird“, konstatierte Michael Pachmajer. Die Kundenzentrierung müsse viel stärker in den Vordergrund rücken. „Audi arbeitet in der Werbung für ein Auto hauptsächlich mit performancebezogenen Daten. Google wirbt hingegen kundenzentriert für das autonome Fahren.“ Dies sei der Paradigmenwechsel, der in Deutschland vollzogen werden müsse.

Danach gefragt, wie Unternehmen die digitale Transformation denn angehen müssten, kam Michael Pachmajer wieder auf die Kundenzentrierung zu sprechen. Es müsse viel mehr Zeit in das Verstehen der Probleme, der Wünsche und der Bedürfnisse der Kunden an der Schnittstelle zum Unternehmen investiert werden. „Dann werden wir weniger Zeit dafür brauchen, um Lösungen zu finden. Einfach, weil wir die Kunden immer besser verstehen durch die vorliegenden Daten. So sind wir als Unternehmen in der Lage, viel genauer die Bedürfnisse zu adressieren, viel individueller und personalisierter Produkte und Dienstleistungen anzubieten“, so der Direktor von PwC. Danach könne ein Geschäftsmodell entwickelt und die notwendigen Fähigkeiten aufgebaut werden, um die Probleme der Kunden zu lösen. Abschließend müsse man sich dann Gedanken darüber machen, welche Technologien und Prozesse zur Realisierung des Geschäftsmo-

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Dr. Hubert Baltes


VERANSTALTUNG Podiumsdiskussion

Michael Pachmajer (l.) und Prof. Dr. Henning Vöpel

dells benötigt würden, erläuterte Michael Pachmajer. Am Anfang stehe aber immer der Kulturwandel im Unternehmen: „Das hat etwas mit Führungen zu tun, mit Familien, mit Eigentümern, die anfangen müssen anders zu arbeiten, anders zu denken und Wissen anders zu teilen“, bekräftigte er. Einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Daten forderte daraufhin Georg E. Möller von Protonet. Nicht alles was möglich sei, dürfe auch gemacht werden. „Wir müssen ein System entwickeln, bei dem die Daten wirklich bei den Menschen bleiben. Sie sollen selbst entscheiden, ob es ihnen egal ist, was mit ihren Daten passiert“, so Möller. Im Weiteren lenkte der Moderator Dr. Hubert Baltes die Diskussion auf die Gewinnung von Arbeitskräften und den Umgang der Unternehmen mit den Erwartungen der sogenannten Digital Natives, z.B. in puncto Arbeitsplatzmobilität. „Das ist ein kultureller Wandel, mit dem man einfach leben muss. Wir müssen lernen, damit umzugehen, dass Mitarbeiter eine Zeit lang bei uns sind und dass sie danach das Unternehmen wieder verlassen“, erläuterte der Unternehmer Christoph Wöhlke. Mittlerweile gebe es sehr viele junge Leute, die genau hinschauten, wo sie arbeiten wollen. Eine wichtige Rolle spiele dabei das Arbeitsumfeld, die Durchlässigkeit der Organisation und der Zugang zu Projekten. Die Bezahlung sei hier eher zweitrangig. Michael Pachmajer ergänzte, dass auch die Individualisierung der Arbeit und das Abschaffen von Standardprozessen wichtig seien, um attraktiv für Mitarbeiter zu sein. Abschließend erläuterte Henning Vöpel den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Produktivität: „Wir stehen vor einem Zeitalter der Vernetzung. Und diese Vernetzungssysteme

Sanja Stankovic

Dr. Hubert Baltes

haben immer den Vorteil, dass wir riesige Effizienzgewinne generieren können. Digitale Innovationen, die Bildung von Plattformen, künstliche Intelligenz, Algorithmen usw. werden unsere Produktivität steigern und das wird vor allem mit arbeitssparendem, technischem Fortschritt vonstattengehen.“ Nach dem Podium hatten die Zuhörer Gelegenheit, Fragen an die Diskutanten zu richten. Dabei ging es im Wesentlichen um die Zukunft des Hochschulstandortes Hamburg im Kontext der digitalen Transformation und um die Frage, wie das komplexe Thema Digitalisierung für den „Normalbürger“ verständlicher gemacht werden kann. Das Schlusswort übernahm der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger: „Wir stehen am Fuße der Revolution und die Aufgabe der Politik wird es sein, diese Revolution menschlich zu machen.“ Es sei dringend notwendig, die gesamte Bevölkerung mit auf den Weg der Digitalisierung zu nehmen. Gleichzeitig appellierte er an die Politik, mehr Mut bei der Investition in neue Technologien zu zeigen. Bei hervorragender Aussicht über die Binnenalster lud die PricewaterhouseCoopers GmbH anschließend zum Get■ together mit kleinem Imbiss ein.

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VERANSTALTUNG Neumitgliederabend

Landesgeschäftsstelle lädt zum Neumitgliederabend

Hereinspaziert:

Wirtschaftsrat heißt seine Neumitglieder willkommen Am 22. März fand der erste Neumitgliederabend in diesem Jahr statt. Das vierköpfige Team der Landesgeschäftsstelle und einige Vertreter aus dem Landesvorstand hießen wieder zahlreiche Neumitglieder in den Colonnaden willkommen. In entspannter Atmosphäre hatten sie hier Gelegenheit, sich mit den anderen „Neuen“ bekannt zu machen und ihre Ansprechpartner im Wirtschaftsrat kennenzulernen.

Dr. Henneke Lütgerath übernahm die Begrüßung

Text: Christian Ströder

Dr. Henneke Lütgerath, Mitglied im Präsidium des Wirtschaftsrates, eröffnete den Abend: „Danke, dass Sie Mitglied geworden sind. Und danke, dass Sie heute den Weg zu uns gefunden haben. Der Wirtschaftsrat ist eine enorm wichtige Stimme im politischen Betrieb, die immer wieder die Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Wirtschaften artikuliert und sich in den Wind stellt. Das gilt in diesem Wahljahr besonders. Denn wir stellen leider fest, dass das Verständnis für die Rahmenbedingungen, die die Wirtschaft zum Funktionieren braucht, nicht überall in unserer Gesellschaft geteilt wird und sogar die Gefahr besteht, dass dieses Wissen immer weiter abnimmt.“

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Das Treffen in der Landesgeschäftsstelle ist stets eine gute Gelegenheit zum Networking Gute Stimmung bei den „Neuen“ im Wirtschaftsrat

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der Mitarbeiter ging es vom offiziellen Teil des Abends ins lockere Get-together über. Bei Wein und kaltem Buffet wurden angeregte Gespräche geführt und natürlich ■ fleißig Visitenkarten ausgetauscht.

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VERANSTALTUNG Gerechtigkeitsdebatte in Deutschland

Volker Bouffier: „Leistung darf nicht verteufelt werden“

Politik im postfaktischen Zeitalter Text: Felicia Grosse

Nach Annegret Kramp-Karrenbauer und Stanislaw Tillich hat ein weiterer Ministerpräsident dem Wirtschaftsrat Hamburg die Ehre erwiesen: Der hessische Regierungschef Volker Bouffier sprach im Anschluss an die Mitgliederversammlung am 29. März über Europa, die Bundestagswahl und die aktuelle Gerechtigkeitsdebatte in Deutschland. Ein Jahr und viele Veränderungen „Ich will Sie einladen, ein Jahr zurückzugehen“, eröffnete Volker Bouffier seine Rede. In den letzten 12 Monaten habe es viele Veränderungen mit politischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen gegeben. Das „Undenkbare“ sei längst nicht mehr abwegig: Ein US-Präsident, der Donald Trump heißt, ein Großbritannien, das für den Brexit votiert und eine Türkei, die sich in der Zeit zurückentwickelt. In der politischen Landschaft Europas seien drastische Veränderungen im Gange. Rechte Parteien erstarkten und polarisierten wie in Polen, Frankreich oder den Niederlanden. Selbst in Deutschland seien solche Tendenzen erkennbar, wie etwa die starke AfD in MecklenburgVorpommern zeige. Deutschland geht es gut „Es gilt, die bewegten Zeiten klug zu gestalten“, sagte Bouffier und betonte, dass es den Deutschen noch nie so gut gegangen sei wie heute. Er verwies u.a. auf die niedrigste Arbeitslosenquote in der Geschichte der Bundesrepublik. Dieser Erfolg werde zu wenig gewürdigt. Der hessische Ministerpräsident zeigte Unverständnis für den deutschen „Negativismus“ angesichts „von lauter Problemfällen“ in der europäischen Nachbarschaft.

Selbsterklärend gebe es in Deutschland auch Handlungsbedarf, z.B. in Sachen Verschuldung, Bildung und Immigration. Neuverschuldung zu vermeiden und Schulden zurückzuzahlen müsse ein Grundprinzip der Politik sein, erklärte Bouffier. Es verlange natürlich Kompromisse, ab 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen, aber für die Stabilität der Politik sei es wichtig. Mit Blick auf das deutsche Bildungssystem sprach sich der Politiker für „mehr Entscheidungsfreiheit und weniger Ideologie“ aus. „Leistung darf nicht verteufelt werden“, sagte Volker Bouffier. Im Weiteren wandte er sich eindeutig gegen strengere Regelungen des Erbrechts und warnte vor der Abwanderung von Unternehmen, insbesondere aus dem Mittelstand. Ausführlich äußerte sich Bouffier zum Themenkomplex Immigration und Sicherheit. „Freiheit und Sicherheit gehören zwingend zusammen. Sicherheit ohne Freiheit ist wie eine Diktatur. Freiheit ohne Sicherheit ist wie Anarchie“, stellte er fest. In diesem Zusammenhang hob Bouffier die Wichtigkeit, der von ihm 1999 eingeführten Videoüberwachung hervor. Gleichzeitig sieht der erfahrene Politiker die Integration von Immigranten als Chance für Deutschland, wenngleich viele Flüchtlinge ohne Schulbildung seien.

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Es sei deswegen essenziell, sie auszubilden und in die Gesellschaft einzuführen. „Wir brauchen einen gemeinsamen Kompass“, sodass die Flüchtlinge nicht neben der Gesellschaft lebten.

Im postfaktischen Zeitalter Volker Bouffier ließ keinen Zweifel an der großen Bedeutung der am 24. September anstehenden Bundestagswahl. Den bisherigen Wahlkampf beschrieb er als sehr gefühlsgelenkt. „Wir sind deutlich im postfaktischen Zeitalter angekommen.“ Der Ruf der Sozialdemokraten nach sozialer Gerechtigkeit basiere nicht auf Fakten. Er habe bisher keinen umsetzbaren Vorschlag gehört, es gehe lediglich um Gefühle. Politik müsse sich mit Inhalten auseinandersetzen und dürfe sich nicht von Emotionen lenken lassen, so Bouffier. Die Parteien hätten aber wohl die Aufgabe, Politik zu erklären. Der Ministerpräsident warnte schließlich vor einer Rot-RotGrünen Bundesregierung. Es sei schwierig, mit kleinen Parteien „Minimalkompromisse“ zu schließen. Das verlangsame den politischen Prozess. Er selbst regiere in einer funktionierenden Koalition mit den Grünen. Zusammen mit Baden-Württemberg sei diese Koalition eine Ausnahme in Deutschland. Seine eigene Partei sieht Volker Bouffier als die einzige an, die für eine wirtschaftlich und sozial erfolgreiche Politik steht. Die Union sei den aktuellen Anforderungen am besten gewachsen und habe dies in den letzten drei Wahlperioden auch unter ■ Beweis gestellt.

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VERANSTALTUNG Old and New Economy

2. Auflage der Veranstaltungsreihe Hamburg Newconomy

An den Hochschulen fehlt Nach dem Auftakt im September vergangenen Jahres lud der Wirtschaftsrat zur 2. Auflage seines Veranstaltungsformats „Hamburg Newconomy“ ein. Dieses Mal sprachen Christian Miele, Vice President von e.ventures, und Michael Asshauer, Co-Founder der Familonet GmbH, über ihre Erfahrungen am Gründerstandort Hamburg. Im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion mit den Hamburgischen Bürgerschaftsabgeordneten Michael Kruse (FDP), Carsten Ovens (CDU) und Dr. Joachim Seeler (SPD). Die Veranstaltung fand wieder bei der BSP Business School statt.

Michael Asshauer

Text: Christian Ströder/Hauke Meisner Christian Miele

moderierten die Veranstaltung: Prof. Dr. Stephan R. Göthel und Jan Brorhilker

Keynotes Als erfahrener Gründer und Frühphaseninvestor kennt sich Christian Miele gut mit der Hamburger Gründerlandschaft aus. Er zeigte sich grundsätzlich zufrieden damit, wie die Politik die Themen Startups und Digitalisierung in Hamburg angeht. Die Zusammenarbeit mit den Parteien funktioniere gut. Zudem gebe es einige Förderinitiativen der Stadt. Von den lange gewachsenen Hamburger Strukturen habe er selbst profitiert. Miele hält Hamburg für einen Gründerstandort „mit enormem Potenzial“. Allerdings vermisst er die Verbindung zwischen Old und New Economy. „Wenn Hamburg die Vorteile der Digitalisierung langfristig nutzen will, müssen alle an einem Strang ziehen“, so Miele. Hamburg besitze zwar das Privileg, viele wohlhabende Bürger zu haben. Viele investierten aber noch nicht in Start-ups. Überspitzt skizzierte er deren Haltung: „Wir haben ja verstanden, dass Start-ups toll sind. Aber

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wir haben den Hafen. Der Hafen ist erfolgreich. Der Hafen steht für Hamburg.“ Antworten dieser Art seien für ihn kein Einzelfall, wenn man in Hamburg versuche, Investoren und Start-ups zusammenzubringen. Der Mittelstand und die Start-up-Szene seien „zwei völlig losgelöste Systeme“. Hamburg müsse daher schnell reagieren, sonst werde es von der Digitalisierung nicht profitieren können. Michael Asshauer, einer der Gründer des Hamburger Start-ups Familonet, berichtete von seinen positiven und negativen Erfahrungen aus der Gründerszene. „Wir sitzen mit 13 Leuten in einem kleinen Büro auf der Schanze, unsere Kunden aber sind in der ganzen Welt verteilt“, erklärte er und machte damit anschaulich, wie die Digitalisierung funktioniert. Asshauer lobte einerseits die Förderprogramme der Stadt, das InnoRampUp und den Innovationsstarterfond. Andererseits werde das Thema Existenzgründung in Hamburg an vielen Stellen, trotz einer wachsenden Gründerszene (Hamburg Start-up, Beta Haus, Mindspace) noch ziemlich stiefmütterlich behandelt. Neben der finanziellen Förderung sei aber gerade der Erfahrungsaustausch elementar für Gründer. „Insbesondere an den Hoch-

Uwe Fendler und Jasmin Lange

Peter F. Schmid im Gespräch

Michael Kruse MdHB, Carsten Ovens MdHB und Dr. Joachim Seelerbei MdHB

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VERANSTALTUNG Old and New Economy

es an Gründerspirit schulen fehlt es an Gründerspirit“, konstatierte Asshauer und forderte gründungsbezogene Fächer mehr in ökonomische und technische Studiengänge einzubringen, um die Lust am Gründen zu fördern. Als weiteres „deutsches“ Manko nannte er den bürokratischen Aufwand bei Existenzgründungen. Während eine Gründung in Neuseeland einen Schritt verlange und einen halben Tag Zeit in Anspruch nehme, seien es in Deutschland neun Schritte durch die Bürokratie in zehneinhalb Tagen. Hier sei eine Vereinfachung notwendig. Ähnlich wie Christian Miele kritisierte er die Risikoaversion der Deutschen und die fehlende Akzeptanz für gescheiterte Gründer. Podiumsdiskussion Die anschließende Podiumsdiskussion bezog die Sichtweise der Politik auf die Hamburger Start-up-Szene ein. Joachim Seeler erläuterte zunächst, was sich in den letzten Jahren in puncto Fördermöglichkeiten getan hat. Als wichtigsten Schritt hob er die Gründung der Investitions- und Förderbank im Jahr 2013 durch die Stadt Hamburg hervor. Erst sie habe es ermöglicht, dass Gründer „keinen ewig langen Weg mehr durch diverse Fachbehörden“ auf sich zu nehmen hätten, um zu erfahren, welches Förderprogramm für sie das richtige sei. „Deswegen ist das alles gebündelt und verschlankt worden. Die IFB ist heute der Single Stop für Gründer“, so der SPDAbgeordnete. Natürlich gebe es noch Luft nach oben. Seelers Bürgerschaftskollege, Carsten Ovens von der CDU, warnte vor zu viel Optimismus: „Wir sind auf einem guten Weg, ja, aber der Weg ist bislang erst auf wenigen Metern beschritten. Wir müssen noch ziemlich weit laufen, wenn wir zu anderen Metropolen auch nur ansatzweise aufschließen wollen.“ Die Themen Vernetzung, Kapital und Internationalisierung gehörten ganz nach oben auf die Tagesordnung. „Wenn ich mir den Gründungsmonitor für 2016 für Deutschland

anschaue, dann ist Hamburg Schlusslicht, wenn es darum geht, Gründer oder auch Angestellte in jungen Unternehmen zu haben“, so Ovens weiter. Der FDP-Vertreter Michael Kruse mahnte zur Zusammenarbeit: „Wir wissen, dass wir schon im deutschen Wettbewerb der Bundesländer schnell an Grenzen stoßen. Weil Hamburg doch sehr klein ist, weil wir nicht all die Synergien, die es in der Region gibt, nutzen, weil wir eben immer noch Kleinstaaterei betreiben.“ Eine entscheidende Frage sei, wie man

können. Bisher sei das Thema Internationalisierung in Hamburg viel zu wenig behandelt worden. Joachim Seeler schlug Campusprojekte vor, bei denen die verschiedenen Gründergenerationen gemeinsamen mit den Universitäten zusammenarbeiteten. In diese Projekte könnten zusätzlich Administrationen integriert werden, die Interessierte bei der Unternehmensgründung beraten. Das Hauptproblem der mangelhaften Vernetzung sah Michael Kruse in den

„Wir sind auf einem guten Weg, ja, aber der Weg ist bislang erst auf wenigen Metern beschritten. Wir müssen noch ziemlich weit laufen, wenn wir zu anderen Metropolen auch nur ansatzweise aufschließen wollen.“ Carsten Ovens MdHB

kluge Köpfe nach Hamburg hole, die bereit seien, hier ein Unternehmen zu gründen. Gleichzeitig müsse bei den Hamburgern selbst die Lust zur Unternehmensgründung geweckt werden. Kruse schlug deswegen einen jährlich stattfindenden Gründertag vor: „Kurz vor den Sommerferien sollen Gründer in die zehnten oder elften Klassen an Hamburger Schulen gehen und erklären, wie sie das gemacht haben. Viele Kinder dieser Stadt kommen gar nicht mit Unternehmern in Berührung und deshalb gar nicht auf die Idee, dass sie selbst auch Unternehmer sein können“, so der FDP-Politiker. Der Moderator Stephan R. Göthel lenkte die Diskussion im Weiteren auf die Frage, wie Gründer und die „alte Hamburger Wirtschaft“ zusammengebracht werden können. Carsten Ovens verwies auf die Möglichkeit, ein Mentorennetzwerk aufzubauen. Dies werde mittlerweile auch schon von der Handelskammer angeschoben. Die Stadt müsse zusätzlich aber auch dafür sorgen, dass eine internationale Vernetzung stattfinde, um mit den großen Innovationsregionen der Welt mithalten zu

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gewachsenen Strukturen Hamburgs. „Es gibt gläserne Decken in der Stadt. Die müssen wir abschaffen, weil es am Ende darauf ankommt, offene Systeme zu schaffen, in denen Kollaboration möglichst schnell zustande kommt. Und wenn wir es als Politik schaffen, solche gläsernen Decken einzureißen, dann ist für den Standort schon mal richtig viel gewonnen“, erklärte Kruse. Abschließend drehte sich die Diskussion darum, welche Maßnahmen im Bereich der Wissenschaft getroffen werden müssten, um die Hamburger Gründerszene voranzubringen. Michael Kruse und Carsten Ovens waren sich weitgehend darin einig, dass es dringend einen Lehrstuhl für Entrepreneurship an der Universität Hamburg braucht. Die zweieinhalb Lehrstühle an anderen Hamburger Hochschulen seien bei weitem nicht ausreichend, um an den Hochschulen ein Gründerklima zu schaffen. Auf Einladung des Gastgebers, der BSP Business School Berlin, setzten Mitglieder und Gäste ihre Gespräche beim anschließenden Get-together mit Buffet ■ fort.

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VERANSTALTUNG Herausforderungen für Europa

Wer in der Demokratie wacht in der Diktatur

Auch nach seiner aktiven Politikkarriere scheut der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff es nicht, sich in öffentliche Diskussionen einzumischen und – wo notwendig – klare Kante zu zeigen. Ende Mai gab er sich beim Wirtschaftsrat die Ehre und spannte einen breiten Bogen von Terror und Flucht, Europas Herausforderungen bis hin zur Digitalisierung. Der Kleine Festsaal im traditionsreichen Hotel Atlantic bot einen perfekten Rahmen für die gut besuchte Veranstaltung. Text: Ehrhard J. Heine

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I n seiner Anmoderation ging der Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates, Dr. Henneke Lütgerath, u.a. auf den am 7. und 8. Juli in Hamburg stattfindenden G20Gipfel ein und sagte angesichts der seit Monaten anhaltenden Negativberichterstattung: „Zu viel Negativismus in den Schlagzeilen trägt dazu bei, die Anti-Stimmung anzuheizen. Wir sind zu bestmöglicher Gastfreundschaft verpflichtet und sollten den G20-Gipfel als Chance und nicht als Unheil ansehen.“ An Christian Wulff gewandt würdigte Lütgerath dessen soziales Engagement und sein Gespür für gesellschaftliche Veränderungen.

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VERANSTALTUNG Herausforderungen für Europa

einschläft, auf Die Welt ist in Bewegung Einleitend berichtete Christian Wulff, dass er in letzter Zeit viel an Universitäten unterwegs sei und dabei ein verstärktes Politikinteresse der jungen Generation registriere. Insbesondere der Brexit und

sidenten, Stichwort Pariser KlimaschutzAbkommen, identifizieren. Inwieweit sei Amerika überhaupt noch am Schicksal der Welt interessiert und wolle gemeinsam Verantwortung tragen? Christian Wulff erinnerte in diesem

„Zu viel Negativismus in den Schlagzeilen trägt dazu bei, die Anti-Stimmung anzuheizen. Wir sind zu bestmöglicher Gastfreundschaft verpflichtet und sollten den G20-Gipfel als Chance und nicht als Unheil ansehen.“ Dr. Henneke Lütgerath die US-Wahl hätten dazu beigetragen. Obwohl die junge Generation mit Frieden, Freiheit, Wohlstand und Demokratie aufgewachsen sei, erachte sie dies nicht als selbstverständlich. Ein gutes Zeichen für Wulff. Auf der anderen Seite zeigte sich der ehemalige Bundespräsident besorgt angesichts des wachsenden Nationalismus, Populismus und Protektionismus auf der Welt und des damit einhergehenden Misstrauens, ja sogar Hasses. Als Beispiele nannte er u.a. die Repressionen gegen Regimekritiker in der Türkei und in Russland. Trotz seiner großen Sympathie für die USA könne und wolle er sich auch nicht mit der Politik des aktuellen US-Prä-

Suchte das persönliche Gespräch: Christian Wulff

Zusammenhang an die großen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts: So z.B. erwähnte er einen Auftritt Sir Winston Churchills, der in Zürich nach einem vereinigten Europa, nach einem starken Deutschland und einem starken Frankreich rief. Schumann, De Gasperie, Adenauer und de Gaulle hätten immer ein gesamteuropäisches Interesse verfolgt. In diesem Sinne deutete Wulff die jüngste Frankreichwahl positiv: Zwischen Merkel und Macron „könnte sich etwas entwickeln“ wie früher zwischen Helmut Schmidt und Giscard d’Estaing, zwischen Helmut Kohl und François Mitterrand oder wie zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle.

Matthias von Bredow

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Terror, Flucht und Integration Im weiteren Verlauf seiner Rede konzentrierte sich Wulff auf den Themenkomplex Terror, Flucht und Integration. Der ExPolitiker warnte davor, aus Terroranschlägen falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Man dürfe bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Muslime nicht unter Generalverdacht stellen und so Wasser auf die Mühlen der Falschen gießen. Im Raum stehe die Frage, warum Terroristen so viel Macht hätten und wie sie unser Denken und Handeln bestimmten. Für eine mögliche Antwort empfahl er als Buchtipp den Titel „Homo Deus“ des israelischen Autors Yuval Noah Harari. Die Ausbreitung von Kriegen und Terror im Nahen und Mittleren Osten sieht Christian Wulff auch im Zusammenhang mit der stetig wachsenden Weltbevölkerung. Habe es 1930 nur rund zwei Milliarden Menschen auf der Erde gegeben, steuere ihre Zahl aktuell auf acht Milliarden zu. Dementsprechend größer würden die Probleme: Alte Großmachtsansprüche wie im Osmanischen Reich sorgten für Konfliktherde im arabischen Raum. Die Folge: Flüchtlingsströme, die wiederum die Menschen in Europa beunruhigten. „Doch auch hier tut Sachlichkeit gut“, sagte Wulff und verwies darauf, dass es heute weniger Flüchtlinge in Europa

Christina Block

Hannes Rehbein und Hartmut Stübs

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VERANSTALTUNG Herausforderungen für Europa

gebe als vor 25 Jahren nach dem Balkankrieg. Gemeinsam könne Europa die damit verbundenen Herausforderungen meistern. „Wir schultern nicht viel“, versicherte der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident. Er erinnerte an eine Aussage von Papst Franziskus, der an-

Gleichzeitig betonte er die Wichtigkeit der Nationalstaaten, die ihre Eigenständigkeit behalten müssten. Deutschland biete sich als Vorbild an. „Unser Land ist so erfolgreich, weil wir Wettbewerb zwischen den Regionen, zwischen den Ländern haben. Die Universitäten der

„Qualitativer Journalismus ist wichtiger denn je, die Welt ist komplexer geworden. Damit wir in dieser Komplexität noch Entscheidungen treffen können, brauchen wir Vertrauen. Und da sehe ich das Problem.“ Christian Wulff, Bundespräsident a.D. lässlich seiner Auszeichnung mit dem europäischen Karlspreis in Aachen sagte: „Die europäische Identität war immer eine dynamische, multikulturelle Identität“. Europa stark machen Christian Wulff bekräftigte, dass die Europäer ihre Außengrenzen gemeinsam schützen, den Terrorismus zusammen bekämpfen und eine gemeinsame Verteidigungskraft aufbauen müssten. Auch zeigte er sich offen dafür, mit China und Indien Handelsabkommen zu schließen, wenn die Amerikaner nicht wollten. Gute Aussichten sieht er dann für Hamburg: „Die Hansestadt Hamburg bildet das Ende der neuen Seidenstraße.“ Wulff verwies damit auf Chinas Jahrhundertprojekt, eine Neue Seidenstraße zu bauen. Die Überlegung, zwischen Europa und China Frieden und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und dabei auch noch Afrika mitzunehmen, klinge visionär, mache aber Hoffnung. „Das hieße, Europa stark zu machen“, sagte Wulff.

Reto Schlüter, Michael Hannemann und Jürgen Sprang

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Bundesländer stehen immer in Konkurrenz zueinander. Der Handel, der Mittelstand, das Handwerk – überall Wettbewerb. Das ist die höchste Assetklasse, die man überhaupt haben kann“, so Christian Wulff. Digitalisierung verändert Informationsfluss Auch den Schattenseiten der Digitalisierung wandte sich der Ex-Bundespräsident zu. Er warnte: „Heute kann jeder jeden Mist senden, erreicht mit seinen ungefilterten Nachrichten über frei wählbare Kanäle unzählige Empfänger.“ Es fehlten Filter für Fehlinformationen. Es brauche die ernsthafte Recherche gestandener Journalisten. Die Art, wie wir heute miteinander umgingen, habe sich stark verändert. „Qualitativer Journalismus ist wichtiger denn je, die Welt ist komplexer geworden. Damit wir in dieser Komplexität noch Entscheidungen treffen können, brauchen wir Vertrauen. Und da sehe ich das Problem“, befand Wulff.

Marjana von Berlepsch, Matthias Busold und Marleen Averhage

Schlussendlich resümierte der Altbundespräsident: Das Wesen und die Stärke unseres Landes lägen immer in unserer Vielfalt, wir hätten immer große Aus- und Einwanderungsbewegungen gehabt. Wir müssten uns entscheiden zwischen Angst und Zuversicht, Feindschaft und Freundschaft, Diktatur und Demokratie. Immer kritisch sein, sei die Devise. Denn nicht alles tauge und diene als Richtschnur für Leben, Denken und Handeln. „Deshalb appelliere ich an Ihre Wachsamkeit: Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur auf “. Im Anschluss an den Vortrag nahm sich Christian Wulff beim Get-together noch viel Zeit für persönliche Gespräche. ■

Ian Karan, Senator a.D. und Dr. Christian von Boetticher

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GERMAN BRAND AWARD Advertorial

Der Softwarespezialist i&k software GmbH ist Winner des

German Brand Award 2017! Die i&k software GmbH, Geschäftsreisespezialist mit Sitz in Büdelsdorf und Kiel ist Winner des German Brand Award 2017 in der Kategorie „Industry Excellence in Branding Corporate Services & IT“. Über den Preis: Der German Brand Award Initiiert von der Designinstanz Deutschlands, juriert von einem hochkarätigen Expertengremium aus Markenwirtschaft und Markenwissenschaft: Der German Brand Award ist die Auszeichnung für erfolgreiche Markenführung in Deutschland. Er entdeckt, präsentiert und prämiert einzigartige Marken und Markenmacher – und bringt nicht nur die Gewinner voran, sondern die gesamte Branche. Über die Vergabe des German Brand Award entscheidet eine unabhängige Jury aus Markenexperten unterschiedlicher Disziplinen. Der German Brand Award 2017 wird in drei Wettbewerbsklassen vergeben: »Excellence in Branding«, »Industry Excellence in Branding« sowie »Excellence in Brand Strategy, Management and Creation«. Die i&k software GmbH im Profil Die modernen Softwarelösungen der i&k software GmbH, die als Inhouse- oder Cloud-Lösungen verfügbar sind, werden

bei über 800 Kunden deutschland- und europaweit für die effiziente und kostensparende Abrechnung der Geschäftsreisekosten eingesetzt. Leistungsmerkmale und Markenwerte, wie zum Beispiel die Priorisierung der höchsten Datensicherheit für die Kunden der i&k oder der Fullservice des i&k Servicecenters, der sich von der Buchung und der Organisation der Dienstreise bis hin zur Auszahlung der Reisekosten erstreckt, sind einige der Gründe für diese bedeutende Auszeichnung. Des Weiteren beeinflussten die Innovationen, die Qualität und die Modernität der Softwareprodukte des IT-Dienstleisters die Entscheidung der Jury. Die i&k capture App, die das Scannen der Belege von unterwegs ermöglicht, Reisewarnungen für die spezifischen Reiseländer, die im System integriert und abrufbar sind oder die Wahl des Flugs oder des Mietwagens im System direkt bei dem jeweiligen Anbieter, sind nur einige Vorzüge. Das Angebot der i&k für Kunden von individuellen Modifikationen, Zusatzbausteine wie der Import der Kreditkarten-

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Diana Pabst Geschäftsführerin der i&k „Markenstrategie muss immer auch Unternehmensstrategie sein. Beim Produkt zählt zu allererst die Qualität, bei der Marke geht es jedoch um die Einschätzung dieser Qualität von außen. Dass wir eine Marke mit einer überlegenen Qualität in der deutschen IT-Landschaft haben, wurde nun durch den German Brand Award bestätigt. Auf diese einzigartige Auszeichnung für herausragende Markenführung sind wir natürlich sehr stolz.“

daten oder einer Budgetverwaltung oder die informativen Seminare und Tagungen über steuerliche Neuerungen und Reisesicherheit runden das Profil des „Winners“ aus Schleswig-Holstein ab. www.iuk-software.com

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VERANSTALTUNG 28. Hanseatisches Golfturnier

Ernst-Werdermann-Pokal erneut auf Gut Kaden ausgespielt

Wanderpokale müssen Übergabe des Ernst-Werdermann-Pokals durch den Namensgeber

Das Siegerfoto 2017

V

orjahressieger Carl-Heinz Klimmer übergab den von Günter Wienes im Jahr 2004 gestifteten Wanderpokal an den Besten aus dem Turnier. Und diesmal ging der Preis an Florian Frank vom Golfclub Brunstorf, der auf seiner Scorekarte 46 Punkte zusammenaddierte. Zur Siegerehrung in den festlichen Räumen des Gut Kadener Herrenhauses war dann auch die gesamte Prominenz anwesend: Der Vorsitzende Dr. Henneke Lütgerath begrüßte nach dem Turnier die Golfrunde und gemeinsam mit dem Geschäftsführer Hauke Harders und der Organisationsverantwortlichen Kristina Beyer und last but not least, dem Gründer und Namens-

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geber dieser Turnierserie, Dr. Ernst Werdermann wurde die Preisübergabe zwischen Hauptgang und Dessert zelebriert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlten sich sichtlich wohl in den herrlichen Gesellschaftsräumen und tauschten sich bei gesetztem Essen lebhaft über Höhepunkte und die gemeisterten Bahnen der Coursekombi A+C aus. Der Golfplatz war wie gewohnt in einer prächtigen Verfassung. Es wurde sportlich von gelben und roten Abschlägen gespielt und das Wetter war an diesem Tag gnädig und dennoch wechselhaft: Es gab mal Sonne, mal Regen sowie einige Windböen, die die Spielerinnen und Spieler aber nicht um ihre gute Laune brachten. Im Wechsel zwischen Sonnen-Cappy und Regenschirm erkämpfte man sich doch so manchen Stableford-Punkt. Der Platzrekord blieb bei diesem Turnier aus und die Ergebnisse

belegen eher, dass die Teilnehmer diesen Course nicht so leicht bezwingen konnten. Mal abgesehen vom Teilnehmer mit der „Clubvorgabe“, konnte sich lediglich nur ein Spieler in der Klasse B (Vorgabe -23,4) um einen Schlag unterspielen. Die Teilnehmer des Wettspiels kamen aus allen nördlichen Bundesländern, zumindest was die Heimatclubs betrifft. Für die Nichtgolfer unter den Mitgliedern des Wirtschaftsrates gab es ein Angebot zum Kennenlernen des Golfsports. Kein geringerer als der Masterpro Tim Parker übernahm diese ehrenvolle Aufgabe der Einweisung und konnte erste fachgerechte

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VERANSTALTUNG 28. Hanseatisches Golfturnier

wandern

Haltungs- und Griffkorrekturen vorgeben bevor die Bälle so richtig flogen oder auch auf dem Übungsgrün, zur Freude der Beginner, ins Loch kullerten. Wie es sich für ein gut ausgerichtetes Turnier gehört, gab es die übliche Sonderwertung nearest-to-the-Pin, die diesmal der Buchholzer Torsten Kastens (-17,2) mit 3,15 Metern gewann. Das beste Tagesergebnis ohne Vorgabenwertung erzielte erneut Carl-Heinz Klimmer (Ahrensburg), diesmal mit 19 Punkten vor Wilfried Rathert (Hockenberg) und Torsten Kastens (Buchholz), die jeweils auf 15 Punkte kamen.

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Text: Ehrhard J. Heine Fotos: Christian Ströder

ERGEBNISSE (Stableford) Brutto Carl-Heinz Klimmer (Ahrensburg) Klasse A Netto Torsten Kastens (Buchholz) Karsten Kahlcke (Hohwachter Bucht) Wilfried Rathert (Hockenberg) Klasse B Netto Dirk Ziemer (Hockenberg) Martina Heinsen (Green Eagle) Lydia Bahn (Kitzeberg) Klasse C Netto Florian Frank (Brunstorf) Sven Witschel (Haseldorf) Michael Meschede (Gut Kaden)

19 Punkte 33 Punkte 31 Punkte 28 Punkte 37 Punkte 26 Punkte 23 Punkte 46 Punkte 26 Punkte 26 Punkte

Mit freundlicher Unterstützung durch:

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Vor Ort

828. Hafengeburtstag Der Hamburger Hafen ist nicht nur ein Magnet für Kreuzfahrtschiffe und einer der wichtigsten Umschlagplätze für Waren aus aller Welt. In regelmäßigen Abständen legen auch immer wieder Marineschiffe an und sorgen für Neugier unter den Hafenbesuchern. Text: Christian Ströder

S o auch beim 828. Hafengeburtstag, als der Einsatzgruppenversorger „Bonn“ visà-vis der Cap San Diego angelegt hatte. Das größte Schiff der deutschen Marine vom Typ EGV 702 wurde 2013 in Dienst gestellt und ist im Rahmen der EU-Frontex-Mission „Poseidon Sea“ im Einsatz. Die etwa 174 m lange und 24 m breite „Bonn“ war einer der Publikumsmagneten des Hafengeburtstags. Wer einen Rundgang über das Deck machen wollte, musste sich zunächst in die lange Warteschlange einreihen. Nicht so die Mitglieder des Jungen Wirtschaftsrates, die bei einer exklusiven Führung deutlich mehr zu sehen bekamen als „normale“ Besucher. Rund eineinhalb Stunden nahm sich Janine Pape, Oberleutnant zur See und III Schiffsversorgungsoffizier EGV BONN, Zeit, die jungen Unternehmer über und durch das Versorgungsschiff zu führen. Zuvor wurden die Besucher von Fregattenkapitän Jürgen Tissier an der Pier persönlich begrüßt.

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LANDESFACHKOMMISSIONEN Neuordnung

FRAGEN AN EIN MITGLIED 1. Warum bist Du Mitglied im Jungen Wirtschaftsrat? Meine Mitgliedschaft hat sich über den Kontakt zu Hauke Harders ergeben, der mir den Wirtschaftsrat näher gebracht hat. Er hatte maßgeblichen Anteil daran, mich im Verein zu engagieren. Im Grunde war es eine Bauchentscheidung, die mich dazu gebracht hat, Mitglied zu werden. Insbesondere interessiert mich der Austausch mit Gleichgesinnten und die Möglichkeit andere Mitglieder kennenzulernen. 2. Welche inhaltlichen Themen möchtest Du weiter voranbringen? Die Digitale Wirtschaft und die Entwicklung der Stadt liegen mir am Herzen, wobei ich finde, dass beide Themen enger

Valentin Braun Geschäftsführer | EZLA GmbH

verzahnt werden könnten. Hamburg hat ein enormes Potential als Metropole im Norden Europas. Leider ist es noch ein langer Weg bis dieses Potential ausgeschöpft werden wird. Ich hoffe, dass ich durch die Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern einen positiven Einfluss auf diese Entwicklung nehmen kann.

3. Wie bewertest Du die Gemeinschaft der Mitglieder untereinander? Die Abendveranstaltungen waren bis jetzt aus meiner Sicht immer sehr bereichernd und ich konnte schon einige der anderen Mitglieder kennenlernen. Es ist sehr schön zu sehen, wie offen der Umgang bei den Veranstaltungen ist, wodurch immer auch ein reger Austausch zustande kommt. Soweit es mir möglich ist, werde ich versuchen, das breite Angebot, das der Wirtschaftsrat bietet, intensiv zu nutzen.

Die aktuellen Landesfachkommissionen im Überblick

I

m Verlauf des ersten Halbjahres hat es einige Umstrukturierungen und personelle Veränderungen in unseren Landesfachkommissionen (LFK) gegeben. Bereits in der letzten Ausgabe (1/2017) haben wir über die Neuaufstellung der Kommissionen „Internet & Digitale Wirtschaft“ und „Immobilienwirtschaft“ berichtet. Bei seiner konstituierenden Sitzung hat der neu gewählte Landesvorstand (Seite 54) außerdem beschlossen, die bishe-

rige LFK „Energie- und Industriepolitik“ in zwei eigenständige Kommissionen aufzuteilen. Den Vorsitz der neu geschaffenen Kommission „Industriepolitik“ hat Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter der Vattenfall GmbH, inne. Darüber hinaus hat der Vorstand eine neue Geschäftsordnung, welche u.a. die Mitarbeit in den Kommissionen regelt, verabschiedet. Text: Christian Ströder

Die Landesfachkommissionen des Wirtschaftsrates Hamburg im Überblick: ENERGIEPOLITIK Ulf Gehrckens Senior Vice President Corporate Energy & Climate Affairs Aurubis AG

IMMOBILIENWIRTSCHAFT Florian Sauer Managing Director ECE Office Traffic Industrie G.m.b.H. & Co. KG

JUNGES HAMBURG Dr. Christian Conreder Rechtsanwalt / Associate Partner Rödl Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH

GESUNDHEITSWIRTSCHAFT Dr. Ulrich Möllers Managing Director Ulrich Möllers Consulting

Sven Göller (Stellv.) Head of Real Estate Development Germany North PATRIZIA Deutschland GmbH Real Estate Development

LOGISTIK & INFRASTRUKTUR Prof. Dr. Peer Witten Hamburg

INTERNET & DIGITALE WIRTSCHAFT Peter Franz Schmid Geschäftsführer Wer liefert was? GmbH

Björn Jesse (Stellv.) Direktor / Mitglied der Geschäftsleitung Drees & Sommer Projektmanagement und bautechnische Beratung GmbH

TOURISMUSWIRTSCHAFT Christina Block Beirat + Aufsichtsrat Grand Elysée Eugen Block Holding GmbH (Block Gruppe)

Tim Hoffmeister (Stellv.) Mitglied der Geschäftsleitung Cognizant Technology Solutions GmbH

INDUSTRIEPOLITIK Pieter Wasmuth Generalbevollmächtigter Vattenfall GmbH

WACHSTUM & INNOVATION Dr. Hubert Baltes Head of New Business Development Olympus Winter & Ibe GmbH

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LANDESFACHKOMMISSION Gesundheitswirtschaft

Gesundheitsstandort Hamburg: Ganz vorne dabei Hamburg zählt zu den führenden Gesundheitsstandorten in Deutschland. Gleich fünf große Krankenkassen haben hier ihren Sitz, zahlreiche namenhafte Global Player und Hidden Champions der Branche haben sich in der Hansestadt angesiedelt. Schon mehr als 165.000 Menschen sind im Gesundheitssektor tätig. Und: Die Zeichen stehen aufgrund des demografischen Wandels, des technologischen Fortschritts und eines steigenden Gesundheitsbewusstseins weiter auf Wachstum.

Dr. Ulrich Möllers Vorsitzender der Landesfachkommission

Um sich aus erster Hand über die Zukunft des Gesundheitsstandortes Hamburg zu informieren, hatte die Landesfachkommission die Hamburgische Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz, Cornelia Prüfer-Storcks, zu sich eingeladen. Sie sprach über die wirtschaftliche Bedeutung der Gesundheitsbranche und zeigte auf, wie Hamburg seine ohnehin starke Stellung festigen und ausbauen kann. Wachstumsbranche Gesundheitswirtschaft „Mit Asklepios und dem UKE gehören zwei Unternehmen der Gesundheitsbranche zu den drei größten Arbeitgebern der Stadt“, eröffnete Prüfer-Storcks ihren Vortrag und veranschaulichte damit die herausragende Rolle der Gesundheitsbranche für Hamburg. Jeder neunte Euro des BIP werde in der Gesundheitswirtschaft generiert. Dass die Branche zudem krisensicher sei, habe die Finanzkrise gezeigt – der Gesundheitssektor wuchs allem zum Trotz. „Und ich kann Ihnen verraten, der Trend geht so weiter“, sagte die Senatorin und verwies u.a. auf den demografischen Wandel als eine Ursache.

Cornelia Prüfer-Storcks Hamburgische Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz

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Alles in allem befinde sich Hamburgs Gesundheitswirtschaft „auf einem sehr guten Weg“, befand sie weiter. Einige große, internationale Unternehmen wie Philips oder Olympus und viele Hidden Champions seien in Hamburg ansässig. Mit einem Krankenhausetat von 95 Millionen Euro nehme die Stadt mehr Geld als in den letzten fünf Jahren in die Hand. Außerdem würden alle Möglichkeiten zur Einwerbung von Bundesmitteln konsequent genutzt. Die hohe Qualität der Hamburger Gesundheitsversorgung hat zur Folge, dass sich auch immer mehr Patienten von außerhalb in der Hansestadt behandeln lassen. Schon 30 Prozent der Patienten kommen nicht aus Hamburg. Diese Quote soll laut Cornelia Prüfer-Storcks weiter steigen. In der Spezialisierung der Krankenhäuser sieht sie „die Zukunft“, um für noch mehr Patienten attraktiv zu sein. Durch eine stärkere Konzentration und Exzellenz in den Fachrichtungen solle der Gesundheitsstandort Hamburg sich ein Alleinstellungsmerkmal sichern. e-Health und Pflege bereiten Sorgen Trotz der sehr positiven Gesamtsituation hatte die Senatorin auch Kritisches zu bemerken. In Sachen Digitalisierung bzw. e-Health habe die deutsche Gesundheitslandschaft insgesamt enormen Aufholbedarf, was die Kommissionsmitglieder aus eigener Erfahrung bestätigen konnten. „Wir hinken um Jahrzehnte hinterher“, bemerkte ein Teilnehmer und verwies u.a. auf die 16 unterschiedlichen (!) Landesdatenschutzgesetze, die die Digitalisierung selbst innerhalb eines Krankenhauskonzerns massiv behinderten. Ein weiteres wichtiges Thema ist laut Prüfer-Storcks, bedingt durch den demografischen Wandel, die Patientenpflege. Schlechte Presse und falsche Informationen über Arbeitsbedingungen und Gehalt hätten in den vergangenen Jahren ein negatives Bild des Pflegeberufs entstehen lassen. Die Folgen: Das schlechte Image schlage sich im Fachkräftemangel nieder. Neben dem Ausbau alternativer Pflegeformen sprach sich die Senatorin für die ■ Schaffung eines neuen, generalisierten Pflegeberufs aus.

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LANDESFACHKOMMISSION Wachstum & Innovation

Die Industriepolitik Hamburgs „Hamburgs Zukunft liegt auf dem Land” – so formulierte es vor mehr als 30 Jahren Klaus von Dohnanyi. Diesem Satz liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Hamburg im Ranking der europäischen Logistik-Standorte zurückgefallen ist und noch immer zurückfällt, und dass Wissen und Daten die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts sind.

Wenn wir vor diesem Hintergrund die Hamburger Industriepolitik beleuchten, stechen vor allem zwei Themen hervor: Anwendungsnahe Forschung und Technologietransfer. Denn die Frage ist ja nicht, wo Forschung stattfindet, sondern wo und wie sie Eingang in unsere exportorientierte Produktion findet, wo Forschung internationale Wettbewerbsvorteile schafft! Genau darüber sprach die Landesfachkommission im April mit Herrn

Dr. Michael Kuckartz zu Gast bei der LFK Wachstum & Innovation

Dr. Michael Kuckartz, Leiter des Innovations- und Patent-Centrums (IPC) der Handelskammer Hamburg. Kein Zweifel: Die Handelskammer Hamburg hat sich mit ihrer weitsichtigen Industriepolitik verdient gemacht, sowohl was die großen Unternehmen – z.B. in Hamburgs starker Gesundheitswirtschaft – ausmacht, auch und vor allem aber, was den kleinteiligen Technologietransfer in kleinere und mittlere Unternehmen betrifft.

Dr. Hubert Baltes Vorsitzender der Landesfachkommission

In dieser Zeit hat die IKS mehr als 750 intensive Beratungen zu wissens- und technologietransferrelevanten Themen durchgeführt und dabei mehr als 2.700 Akteure erreicht. Das CAN hat sich nicht nur den milliardenschweren Markt für Quantum Dots erschlossen, sondern ist dabei, eines der ersten Fraunhofer-Institute Hamburgs zu werden und damit einen fast siebzig Jahre alten weißen Fleck von der deutschen Forschungslandkarte zu tilgen. Doch damit nicht genug: Auch bei einem weiteren Bestandteil der Hamburger Forschungsinfrastruktur, den noch aufzubauenden Forschungs- & Innovationsparks, hat die Handelskammer tatkräftig beigetragen, z.B. durch die Erstellung entsprechender Gutachten „Hamburg Innovation Parks“ sowie bei der Identifizierung von geeigneten Flächen. Grundlagenforschung und Technologietransfer sind die Ingredienzien für Hochtechnologie, deren Erfolg im globalen Markt getragen wird von einer zielgerichteten Industriepolitik. Zu dieser Industriepolitik und damit zur Entwicklung des Industriestandortes Hamburg, d.h. dem Übergang von einer Hafen-/ und Handelsmetropole zu einer Wissensmetropole, hat die Handelskammer Hamburg über die Jahre hinweg Herausragendes geleistet. Es bleibt zu hoffen, dass sie ihren Erfolgskurs auch in ■ Zukunft konsequent fortsetzen wird!

Zwei Beispiele, um das zu veranschaulichen: ■ Im Dezember 2004 wurde unter maßgeblicher Mitarbeit der Handelskammer und der Innovationsstiftung mit dem „CAN Center für Angewandte Nanotechnologie“ das erste anwendungsnahe Technologieforschungszentrum Hamburgs gegründet. ■ Mit der „IKS InnovationsKontaktStelle“ wurde 2011 eine enorm effiziente, zentrale Technologietransferstelle gemeinsam von der Handelskammer, den Hamburger Hochschulen und der Stadt gegründet, die potentiellen Innovatoren eine zielgerichtete Vermittlung und Vernetzung mit passenden Projektpartnern, Experten und anderen Akteuren im Innovationsprozess bietet.

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AKTUELLES Kommentar

Zukunftsperspektiven für Hamburg Text: Wolfgang Peiner

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n Hamburg ist es immer gut, sich auf Helmut Schmidt zu berufen. Er stellte 1984 in seiner berühmt gewordenen Kritik zur „schlafenden Schönen“ im Hinblick auf die Zukunftsvorstellungen des damaligen Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi fest: „Die Tragik der Rede liegt in ihrem Kontrast zur Wirklichkeit des Handelns und des Nicht-Handelns der Rathaus-Parteien, einschließlich der Mehrheitspartei SPD.“ Phantasielosigkeit und Mittelmäßigkeit der Parteien im Rathaus – das beklagte auch Bürgermeister Klaus von Dohnanyi selber, ein strategischer Kopf mit klaren Vorstellungen von der Zukunft Hamburgs, der mit seinen Visionen nicht an der Opposition scheiterte, sondern nach seiner Einschätzung an der eigenen Partei. Ein Zustand, den auch sein Nachfolger Henning Voscherau beklagte. Eine im Unterschied zu anderen großen Städten auffällige (Selbst-)Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer Stadt trägt dazu bei, dass kühne Vorschläge für die Zukunft von Parteien und Bevölkerung eher skeptisch gesehen wurden. Die CDU durchbrach 2001 nach ihrem Wahlsieg die bis dahin herrschende Grundstimmung und legte mit dem Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ ein Zukunftskonzept vor, das in der Bevölkerung wie auch bei den Parteien im Rathaus gleichermaßen hohe Zustimmung fand und die Grundlage für einen beispielhaften Aufschwung bildete – „Boomtown Hamburg“ wurde zum geflügelten Wort. Maßgeblich für die erfolgreiche Umsetzung war die Unterstützung durch den Wirtschaftssenator (Gunnar Uldall), Wissenschaftssenator (Jörg Dräger) und Finanzsenator (bis Ende 2006 ich selbst) und die Koordination durch den Leiter der Senatskanzlei, Volkmar Schön. Ohne „Treiber“ funktioniert die Umsetzung einer Strategie nicht.

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Das manager magazin widmet sich in seiner Juli-Ausgabe aus Anlass des G-20-Gipfels den Zukunftsperspektiven Hamburgs und hat im Vorwege Wolfgang Peiner um eine Einschätzung gebeten, warum das Leitbild ins Stocken geraten ist. Die Stellungnahme von Wolfgang Peiner wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten.

Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit der CDU im Jahre 2008 nahm der Schwung für die Umsetzung des Leitbildes bei der CDU ab, im Vordergrund stand jetzt das Ziel des Abschlusses einer

Wachsende Stadt“ und den Umsetzungsmaßnahmen für die darin formulierte Strategie. Die neue Botschaft der SPD hieß: „Wir schaffen das moderne Hamburg – Vernunft und Pragmatismus für

„Es fehlte aber ein übergeordnetes Ziel, eine ,Vision‘ , die auch die emotionale Seite der Bürger anspricht.“ Wolfgang Peiner, Senator a.D. Koalition mit den Grünen. Von 2008 bis 2011, aber vor allem nach dem Regierungswechsel zur SPD im Jahre 2011, verabschiedete sich die Stadt schleichend von dem Leitbild „Metropole Hamburg –

eine starke und solidarische Stadt“ – also bewusst kein „visionäres Konzept“. Das war nach dem turbulenten Abgang des CDU-geführten Senats ein solides Angebot an die Bürger und entsprach dem

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AKTUELLES Kommentar

Pragmatismus der Partei früherer Jahre. Im Vordergrund standen konkrete Maßnahmen, allen voran die Schaffung von Wohnungen. Ein Gebiet, in dem die CDU mehr hätte leisten müssen. Auf die Formulierung eines Leitbildes oder einer kohärenten Strategie für die Zukunft der Stadt verzichtete die SPD bewusst. Es fehlte aber ein übergeordnetes Ziel, eine „Vision", die auch die emotionale Seite der Bürger anspricht. Das erkannte auch der Senat. Diese Rolle sollte die Olympiabewerbung übernehmen – ein zentrales Ziel, auf das alle maßgeblichen Kräfte der Stadt hinarbeiteten. Deutschlands Second City auf Augenhöhe mit Paris, London und Tokyo, das war der Traum. Die Mehrheitsentscheidung der Hamburger gegen die Olympiabewerbung Ende 2015 bewirkte dann aber das Gegenteil: Schockstarre war die Reaktion – und viele in der Koalition von SPD und Grünen fühlten sich in der Haltung bestätigt, erst einmal keine großen Schritte im Hinblick auf die Zukunft der Stadt vorzuschlagen – und sich stattdessen über das Erbe des früheren CDU-geführten Senates zu freuen und es weiterzuentwickeln bzw. zu vollenden: Von der Elbphilharmonie, über den Röntgenblitzerzeuger am Forschungszentrum DESY, der neuen U-Bahnlinie bis zum Ausbau der HafenCity. Aber Leitbilder sind nichts Statisches. Städte und Länder müssen sich den Veränderungen im Umfeld stellen, auf Ver-

änderungen reagieren. Auch ohne ein explizites Leitbild gibt es Zukunftsfelder, die entschieden werden müssen. Dazu zwei Beispiele: Bei den staatlichen Krankenhäusern waren die jährlichen Verluste kontinuierlich angestiegen. Es bestand ein erheblicher Investitionsrückstau. Zusätzlich drohten durch die anstehenden Gesundheitsreformen weitere Belastungen für die Krankenhäuser. Senat und Geschäftsleitung sahen keine Alternative zur Privatisierung, die der Senat auch ordnungspolitisch für richtig hielt, um Fachaufsicht und Eigentümerinteresse zu trennen. Dank der Privatisierung durch den CDU-Senat gelang es dem neuen Eigentümer, der Asklepios Gruppe, mit großen Investitionen und einer strukturellen Neuausrichtung der Kliniken, die Häuser medizinisch und wirtschaftlich wieder wettbewerbsfähig zu machen. Nun könnte der zweite Teil der Privatisierung erfolgen: Die Schaffung eines auch im Vergleich zur Fresenius

Bedarf aufzuschließen. Die noch junge Technische Universität könnte bei dem Strukturwandel Hamburgs, von der maritimen Wirtschaft zur wissensbasierten Welt von morgen, eine viel größere Rolle spielen – aber dazu ist ein qualitativer wie quantitativer Sprung erforderlich, wenn man in den kommenden zehn Jahren zu den Spitzenuniversitäten zählen will. Dieser Wille ist nach der gescheiterten Olympiabewerbung möglich und auch nötig – auch, um die Ressourcen der Stadt von einem Einmalevent umzuleiten auf ein Konzept, das für die Zukunft der Stadt von großer strategischer Bedeutung wäre. Augenhöhe mit München, Zürich und Berlin wird der Wissenschaftsstandort Hamburg ohne einen solchen Schritt nicht erreichen können. Mein Fazit: Die Diagnose von Helmut Schmidt gilt unverändert. Strategie und Kraft zur Gestaltung der Zukunft muss von den Rathausparteien ausgehen. Den jeweiligen Regierungsparteien fällt dabei eine besondere Verantwortung zu. Ob diese heute ihrer Verantwortung gerecht werden, mögen unabhängige Beobachter der Stadt beurteilen. Aber es gilt auch der Satz von Paul Nevermann (Bürgermeister von 1961 bis 1965) aus dem Jahre 1961: „Der Senat sieht jedenfalls die sich ändernde

„Ein Leitbild oder eine Strategie helfen auch, Zukunftsentscheidungen einzuordnen, Prioritäten zu setzen – Politik zu gestalten!“ Wolfgang Peiner, Senator a.D. Gruppe bedeutenden Gesundheitsdienstleisters mit Sitz in Hamburg unter Einbeziehung aller Aktivitäten von Asklepios. Doch Teile der SPD träumen stattdessen davon, das sanierte Unternehmen wieder zu verstaatlichen und auf die Option zu verzichten – so schafft Hamburg keine Augenhöhe zu Bad Homburg/ Hessen, dem Sitz von Fresenius. Die Rolle und Qualität von Wissenschaft, Universitäten und Forschungseinrichtungen, einschließlich der Vernetzung mit der Wirtschaft und dem Potential zu Ausgründungen als Ergebnis der Forschung, gilt heute als wichtiger Motor künftiger Entwicklungen. Hier hat Hamburg im Vergleich zu München, Zürich, Berlin und Rhein-Main einen großen

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Welt und wird sich initiativ darauf einstellen. Ihm wird die große Aufgabe zufallen, die vielfältigen Möglichkeiten zu koordinieren.“ Kurzum: Die Initiative für die Strategie der Stadt liegt beim Senat. Warum halte ich eine Strategie für notwendig: Hamburg steht im Wettbewerb der Metropolen und im Wettbewerb hat der eine größere Chance für Erfolg, der weiß, was er will, der eine klare Strategie hat und sie konsequent umsetzt. Ein Leitbild oder eine Strategie helfen auch, Zukunftsentscheidungen einzuordnen, Prioritäten zu setzen – Politik zu gestalten! ■

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AKTUELLES Wirtschaftstag Berlin

Der Wirtschaftstag 2017

Foto: Hans Christian Plambeck

Foto: Jens Schicke

Welt im Wandel: Für Freiheit und Sicherheit

Text: Christian Ströder

A

ntworten auf den aufkeimenden Protektionismus, die Eckpunkte einer wettbewerbsfähigen und verlässlichen Energiewende, die Erfordernisse der Mobilität von morgen, Reaktionen auf den demografischen Wandel, die Gestaltung der digitalen Transformation, die Stärkung von Innovationsgeist – all diese Themen waren Gegenstand des Wirtschaftstages 2017. Auch in diesem Jahr war die Liste der prominenten Teilnehmer wieder lang: Der Wirtschaftsrat begrüßte u.a. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB, den ehemaligen Stabs-Direktor Technologie von Präsident Obama, Jim Green, den österreichischen Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Dr. Harald Mahrer, Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble MdB, den Chief Executive Officer von UPS Germany, Frank Sportolari und den Vorstandsvorsitzenden der BNP Paribas, Jean Lemierre. Der amerikanische Wirtschafts- und Handelsminister Wilbur Ross stellte in einer

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Am 27. Juni war es wieder soweit: Der Wirtschaftsrat hatte zum Wirtschaftstag nach Berlin eingeladen. Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft diskutierten im Maritim Hotel über drängende Handlungsnotwendigkeiten in Deutschland und Europa. Videoschalte aus Washington in Aussicht, die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen wieder aufzunehmen. Auf vier hochkarätig besetzten Podien wurde über folgende Themen diskutiert: Podium I: Internationale Wettbewerbsfähigkeit – Offene Märkte, faire Regeln Podium II: Demografie und Alterseinkommen: Gesellschaftlicher Zusammenhalt auf dem Prüfstand Podium III: Aufbruch für einen wettbewerbsfähigen Industrie- und Energiestandort Podium IV: Verkehr und Klimaschutz – Welchen Beitrag kann Mobilität 4.0 leisten?

Mit großer Mehrheit hat die Bundesdelegiertenversammlung im Vorfeld der offiziellen Eröffnung des Wirtschaftstages Werner M. Bahlsen als Präsidenten des Wirtschaftsrates im Amt bestätigt. Für den Landesverband Hamburg wurden Ole von Beust (Bürgermeister a.D. / Rechtsanwalt, Ole von Beust Consulting GmbH & Co. KG), Aygül Özkan (Ministerin a.D./Mitglied der Geschäftsführung PCC Service GmbH der Deutschen Bank) und Rene S. Spiegelberger (Stiftungsgründer / Rene S. Spiegelberger Stiftung) in den Bundesvorstand und Dr. Henneke Lütgerath (Partner / M.M.Warburg & CO) in das Präsidium des Wirtschaftsrates gewählt. ■ Die Amtszeit beträgt zwei Jahre.

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AKTUELLES Wirtschaftstag Berlin

Parlamentarischer Delegiertenabend der norddeutschen Länder

Ziele für den nächsten Deutschen Bundestag D ie große Koalition in Berlin nähert

sich ihrem Ende. Dr. von Boetticher nahm das zum Anlass, den anwesenden Bundestagsabgeordneten in seiner Begrüßung für ihre gute Arbeit zu danken. Damit verbinde sich die Hoffnung, in der nächsten Legislaturperiode der Wirtschaft wieder den Vorrang zu geben, nachdem die letzte sehr von sozialpolitischen Projekten geprägt gewesen sei. Fritz Güntzler MdB, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater aus Niedersachsen und einer der profiliertesten Steuerrechtsexperten des Deutschen Bundestages, blickt in seinem Grußwort nach vorne. Dazu markiert er folgende Anliegen: 1. Bei der Besteuerung von Unternehmen ist Rechtsformneutralität anzustreben. 2. Um Finanzierungsneutralität zu erreichen, sind die Eigenkapitalbedingungen zu verbessern. 3. Die amtlichen Zinssätze von 6 Prozent bei Steuernachzahlungen und dem Rechnungszinsfuß für Pensionsverpflichtungen sind an die Niedrigzinsphase anzupassen. 4. Die Wegzugsbesteuerung ist so zu ändern, dass der Wegzug nicht steuerlich angereizt wird. 5. Die Gewerbesteueranrechnung ist zu vereinfachen. 6. Die steuerliche Förderung betrieblicher Forschung und Entwicklung (F&E) ist an die Praxis der Nachbarländer anzupassen. 7. Die Abgeltungssteuer sollte erhalten werden, um die Vereinfachungen nicht rückgängig zu machen. 8. Der Soli ist im Jahr 2020 sofort für alle abzuschaffen. Eckhardt Rehberg MdB aus Mecklenburg-Vorpommern, einer der erfahrensten Haushaltspolitiker, kann nicht in allen Punkten mitgehen. Die indirekte F&EFörderung sei in der Praxis kompliziert, und vor allem müsse die Rechnung am Ende aufgehen. Deshalb plädiert er für

Gelöste Stimmung in der Hamburger Landesvertretung, wo auf Einladung des Landesverbandes Schleswig-Holstein 160 Delegierte und Gremienmitglieder des Wirtschaftsrates eine Vielzahl von Bundestagsabgeordneten als Gäste hatten. Text: Dr. Bertram Zitscher Fritz Güntzler MdB aus Niedersachsen

Eckhardt Rehberg MdB aus Mecklenburg-Vorpommern

eine Stufenlösung beim Soli. Wichtiger seien Investitionen. Für die Umrüstung auf Breitband sei jeder zweite Euro in den Norden geflossen, der Löwenanteil nach Mecklenburg-Vorpommern. Neben Steuerentlastungen sollten die Spielräume für Investitionen weiter vergrößert werden und ein Anstieg des Zinsniveaus einkalkuliert werden. Deutschland zeige derzeit für Europa, dass durch Reformen eine Konsolidierung des Haushalts möglich ist. Ein erneutes Einschwenken auf einen Verschuldungskurs schließt es kategorisch aus. Dr. Philipp Murmann MdB, einer der wenigen Unternehmer im Deutschen Bundestag, wird kein drittes Mal antreten, sondern möchte sich nach acht Jahren großartiger Verantwortung im Deutschen Bundestag wieder stärker seinem Unternehmen zuwenden – nach dem noch bevorstehenden Bundestagswahlkampf. Die CDU könne in diesem auf Rekordbeschäftigung und Rekordeinnahmen verweisen. Die SPD als Koalitionspartner und

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Dr. Philipp Murmann MdB (li.) aus Schleswig-Holstein wird vom gastgebenden Landesvorsitzenden (re.) begrüßt

Vater der erfolgreichen Hartz-Reformen kehre mit ihrem Wahlprogramm dagegen wieder zum Klassenkampf zurück. Das erinnere ihn an das Zitat von Winston Churchill: „Manche Leute halten den Unternehmer für einen räudigen Wolf, den man totschlagen müsse. Andere sehen in ihm eine Kuh, die man ununterbrochen melken könne. Nur wenige erkennen in ihm das Pferd, das den Karren zieht.“ Damit gab es genügend Stoff für die anschließenden Gespräche, die die Gemeinsamkeiten der fünf Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen Mecklenburg und Schleswig-Holstein beleuchteten. „Diese fünf sind der echte Norden“, hatte Dr. von Boetticher als einladender Landesvorsitzender die Teilnehmer be■ grüßt.

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AKTUELLES Positionspapier

HAMBURG BRAUCHT EINE DIGITALE AGENDA!

Neues Positionspapier mit digitalen Leuchtturmprojekten für Hamburg vorgelegt Text: Christian Ströder

I

m Rahmen des 6. Norddeutschen Wirtschaftstages hat der Landesverband Hamburg sein neuestes Positionspapier vorgestellt. Unter dem Titel „Hamburg braucht eine digitale Agenda“ zeigt die Ausarbeitung die Potenziale der Digitalisierung für Hamburg auf. Ob Gesundheitswesen, Verkehrsmanagement, Mobilität, Energieversorgung oder Bildung: Überall eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten, um alte Probleme zu lösen und Abläufe effizienter sowie sicherer zu gestalten. Das Energieeinsparpotenzial durch intelligente Stromspeicher und smarte Gebäudeelektronik ist enorm. Digitale Plattformen ebnen neue Wege zur engeren Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft. Der Blick in unsere Nachbarländer zeigt außerdem: Mobile Payment wird tägliche Zahlungsprozesse erheblich vereinfachen. Ferner wird die Digitalisierung die Bürger und die Behörden selbst in bürokratischen Angelegenheiten spürbar entlasten. Besonders spannend und für die „StauHauptstadt“ Hamburg enorm wichtig sind

smarte Lösungen in der Verkehrssteuerung und Distributionslogistik. Diese und weitere Aspekte der digitalen Transformation greift das neue Positionspapier auf und skizziert eine Reihe von digitalen Leuchtturmprojekten, so z.B. ein „Hamburg Digital“ genanntes Kooperationsprojekt: Ähnlich dem „Einstein Center Digital Future“ in Berlin oder dem „Automation and Digitalization research project“ in München wird eine Kooperation zwischen den drei großen Hochschulen der Hansestadt (UHH, TUHH, HAW) und ortansässigen Unternehmen, insbesondere KMUs, gefordert. Ziel sollen angewandte Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie der Technologietransfer in für Hamburgs praxisrelevanten Informatikbereichen sein, z.B. Smart Logistics, Smart Harbour oder E-Government. Eine solche Kooperation kann nach Ansicht des Wirtschaftsrates ein wegweisender Accelerator sein, in dem kreative Köpfe digitale Geschäftsideen entwickeln und diese in enger Zusammenarbeit mit potentiellen Kunden, also Unternehmen,

Konsumenten und Behörden, zur Marktreife bringen. Weitere Forderungen des Wirtschaftsrates sind u.a.: ■ Der Senat sollte das Projekt SMART LAST MILE LOGISTICS (SMILE) unterstützen, z.B. durch die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und das Vorantreiben einer intelligenten Verkehrssteuerung. ■ Der Senat wird aufgefordert, sich für eine Harmonisierung der TelemedizinDienstleistungslandschaft einzusetzen – einerseits durch die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen in Hamburg, andererseits durch ein energisches Eintreten auf Bundes- und Länderebene. ■ Im Zuge seiner „Digital First“-Strategie sollte der Senat das Mobile Payment vorantreiben. Öffentliche Museen, Schwimmbäder, Behörden und andere städtische Einrichtungen mit Zahlungsverkehr sind mit entsprechender Technik ■ auszustatten.

MESSE-VORSCHAU 2017 Hamburg Messe und Congress 22.07. – 24.07.2017

Messegelände, Hallen A1, A3, A4 und B1 EG / OG, B2-B4 EG, B5, B7 Raum St. Petersburg Eingang Mitte, West, Ost Sa. und So. 9-18 Uhr, Mo. 9-17 Uhr

Nordstil – Regionale Ordertage

06.09. – 08.09.2017

Messegelände Halle A4, Eingang Mitte Mi. u. Do. 10-18 Uhr, Fr. 10-14.30 Uhr

Seatrade Europe HAMBURG MOTOR CLASSICS – Automobile Kultur & Lebensart

28.10. – 05.11.2017

hanseboot – Internationale Bootsmesse Hamburg

Foto: Hamburg Messe und Congress / S. Wallocha

13.10. – 15.10.2017

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AKTUELLES Aus dem Mitgliederkreis

NEUES MITGLIED STELLT SICH VOR

Fürstenberg Institut GmbH

Berufliche und private Stresssituationen beeinträchtigen nicht nur die persönliche Zufriedenheit, die Leistungsfähigkeit und Motivation von Mitarbeitern, sie können auch zu erhöhten Krankenständen und der Abwanderung von Fachkräften führen und so den Unternehmenserfolg schmälern. Schon vor mehr als 25 Jahren haben wir uns vor diesem Hintergrund mit der in Deutschland bis dahin unbekannten Dienstleistung „Externe Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung“ selbständig gemacht. Bis heute ist das Fürstenberg Institut ein Familienunternehmen mit Hauptsitz in Hamburg, eigenen Instituten an neun Standorten in Deutschland und vielen renommierten UnternehmensKunden vom international agierenden Konzern bis zu klein- und mittelständischen Unternehmen aus nahezu allen Branchen. Die Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung des Fürstenberg Instituts bietet die Möglichkeit, sich bei persönlichen, beruflichen, familiären oder gesundheitlichen Fragestellungen in

Text: Werner Fürstenberg

Einzelgesprächen (persönlich, telefonisch oder online) beraten zu lassen. Dazu stehen qualifizierte Fachberater zur Verfügung – absolut diskret und strikt vertraulich. Als Unternehmen erhalten Sie einmal im Jahr ein anonymisiertes Reporting als Seismograph für die Themen, die Ihre Mitarbeiter am meisten bewegen. In den vergangenen Jahren haben wir das Institut mit innovativen Produkten und Dienstleistungen immer weiter ausund aufgebaut. Inzwischen zählen wir mit einem einmaligen vernetzten und ganzheitlichen Beratungsangebot aus der Individualberatung für Mitarbeiter, Akademie für Führungskräfte, dem Familienservice und der gesundheitsorientierten Organisationsberatung für Unternehmen zum Markt- und Qualitätsführer in Deutschland.

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Wir stehen in engem, persönlichen Kontakt mit unseren Kunden und unterstützen sie im Rahmen der Akademie und Organisationsberatung individuell mit maßgeschneiderten Konzepten zu Themen wie gesundheitsorientierte Führung, digitaler Wandel, Umgang mit Veränderungen und Fehlzeitenmanagement. Die exzellenten Ergebnisse unserer Kundenzufriedenheitsanalyse bestätigen uns auf unserem Weg. Als Mitglied im Wirtschaftsrat möchten wir nun auch im Verbund mit anderen Unternehmen unseren Beitrag zur Mitgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Deutschland leisten. Nachhaltigkeit und langfristiger Erfolg sind für uns die Grundpfeiler unternehmerischen Handelns und letztlich auch die von Sicher■ heit und Stabilität in unserem Land.

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AKTUELLES Interview

Rückblick auf das Schaffen des Hanseaten Dr. Jürgen Westphal

Wie haben Sie sich bis heute so fit gehalten? Eine glückliche Familie, Berufe, die ich gern ausgeübt habe, vor allem aber ein Schicksal, das es gut mit mir gemeint hat, sind sicherlich die entscheidenden Faktoren. Ich denke, Bewegung – heute noch schwimmen und Radfahren – und als denkender Mensch für alles Neue offen zu sein, haben dazu beigetragen. Gab es viele komplizierte Fälle als Wirtschaftsanwalt? Viele. Hier jedoch nur zwei, der eine aus meiner frühen Zeit als Jurist der andere aus meiner Arbeit als Rechtsanwalt in den neunziger Jahren. Anfang der sechziger Jahre trat ich zusammen mit einem leitenden Mitarbeiter der Blohm & Voss AG als deren Syndikus eine Reise nach Japan an, um dort mit einer führenden Werft einen Lizenzvertrag für die Benutzung eines Patents durch die Japaner abzuschließen. Natürlich war dies gut vorbereitet; das damalige Japan selbst war jedoch noch Neuland, hatte sich die japanische Wirtschaft doch erst seit wenigen Jahren internationalisiert. Es ging um ein Patent, mit dem der damals schon so wichtige Autotransport in die USA um neue technische Möglichkeiten, nämlich die Schaffung von beweglichen Autodecks verbessert werden konnte. Die Verhandlungen mussten mit einem Dolmetscher geführt werden, da damals nur wenige japanische Partner über ausreichende englische Sprachkenntnisse verfügten. Wir hatten uns auf eine kurze Verhandlungsdauer eingestellt. Unsere japanischen Part-

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Foto: Ingrid von Kruse

„Es gibt nicht viele Persönlichkeiten, die in ihrem Berufsleben in allen drei Staatsgewalten tätig sein konnten: In der Exekutive, in der Legislative und in der Judikative“, schrieb Hans-Gert Pöttering (Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung) als Grußwort. Der Redakteur Ehrhard J. Heine führte für den Wirtschaftsrat ein Interview mit Dr. Westphal, der seine Erinnerungen im Buch „In drei Gewalten“ nunmehr veröffentlichte.

1991 – Porträt Dr. Jürgen Westphal

ner führten jedoch jeweils nur 2-3 Stunden Verhandlungen am Tag, um sich dann zur internen Beratung zurückzuziehen. Der Lizenzvertrag hat sich für beide Seiten gelohnt und ist vom japanischen Partner strikt eingehalten worden. Zwei Jahre nach der ersten Verhandlung in Japan habe ich danach alleine – jedoch mit Hilfe eines perfekt deutsch sprechenden japanischen Professors – für die Werft einen Zusatz zu dem Vertrag ausgehandelt. Nach der Wiedervereinigung kam eine Fülle hochinteressanter Beratungsfälle auf mich zu, vor allem in Aufsichtsräten und bei zwei großen Liquidationen in der früheren DDR. Hierzu gehörte unter anderem die Mitwirkung bei der Privatisierung der Deutsche Seereederei – der größten Reederei der DDR –, nahezu mit einem Monopol. Zwei angesehene Hamburger Kaufleute strebten gegen scharfen Wettbewerb die Übernahme der Reederei an und ich beriet sie dabei. Wir

waren erfolgreich und ich übernahm dann den Vorsitz im Aufsichtsrat. Das war eine sehr verantwortliche und schwierige Aufgabe, zumal u.a. die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat zunächst gegenüber den Erwerbern außerordentlich zurückhaltend war. Wir mussten versuchen, deren Vertrauen zu gewinnen und gleichzeitig Schritte tun, um die Wirtschaftlichkeit der Seereederei abzusichern, was zum Teil auch zu einschneidenden Maßnahmen gegenüber der bisher sehr privilegierten Mitarbeiterschaft führte. Die juristischen Probleme verschiedenster Art waren so umfangreich, dass meine Sozietät sich entschloss, in Rostock ein eigenes Büro zu eröffnen. Nach einigen Jahren einer Bergund Talfahrt hat sich die Übernahme als ein nachhaltiger Erfolg erwiesen. Sind Sie heute noch in irgendeiner Form in Partei oder Verbänden aktiv? Es ist mir, glaube ich, gelungen, meine vielfältigen Ämter so rechtzeitig an Nachfolger weiterzuleiten, dass ich nicht wegen Alters hierzu gedrängt werden musste. Als einfaches Mitglied bin ich jedoch nach wie vor in vielen Organisationen aktiv. Dabei versuche ich in meiner Mitwirkung nicht vor allem deutlich zu machen, was gestern gut oder schlecht war, sondern bemühe mich, Beiträge zu liefern, die sich auf die Zukunft beziehen. Haben Sie ihren enormen Erfahrungsschatz beruflich und politisch an Nachfolger weitergegeben? In der Politik ist dies nur sehr beschränkt möglich. Das gilt sowohl für die Tätigkeit

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AKTUELLES Interview

als Abgeordneter wie auch als Landesminister. Als Anwalt und Mitglied in einer größeren Sozietät wie auch in den zahlreichen Gremien, in denen ich außerhalb der Politik mitgewirkt habe, mit großer Bereitschaft und vielleicht auch mit guter Wirkung. Welche entscheidende §-Vorlage haben Sie mit entschieden oder mit auf den Weg gebracht? Hier will ich nur meine Mitwirkung bei den Veränderungen erwähnen, welche die Hamburgische Verfassung in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erfahren hat. In der sogenannten Stadtstaatenkommission, einem Gremium aus Experten der drei Stadtstaaten, initiiert maßgeblich durch den Hamburger Bürgermeister von Dohnanyi, der mich auch als Mitglied benannt hatte, haben wir unter Vorsitz des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Herrn Benda, Vorschläge für eine bessere Abgrenzung der Aktivitäten zwischen Parlament und Regierung gemacht. Insbesondere solle der Regierungschef, also der Bürgermeister, die Richtlinienkompetenz für den Senat erhalten. Die Hamburger Verfassung wurde entsprechend geändert. Eine von allen Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft benannte Parlamentskommission, der ich ebenfalls aktiv angehörte, hat dann u. a. eine Stärkung der Stellung der Abgeordneten vorgeschlagen und – für Hamburg erstmalig – Vorschläge für eine Volksgesetzgebung gemacht. Beides ist durch den Gesetzgeber durchgeführt worden. Was hätten Sie gerne während Ihrer aktiven Zeit noch gerne umgesetzt? Sehr früh habe ich mich schon mit der in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts demographischen Veränderung unseres Landes befasst. Dies Thema ist damals in Deutschland nicht genügend als Zukunftsfrage für unser Land erkannt worden. Wir sind insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen dringend darauf angewiesen, fehlendes Fachpersonal in unser Land zu bringen und damit gleichzeitig für Deutschland und seine Wirtschaft das Fundament für eine weitere gute Entwicklung zu schaffen. Ein Einwanderungsgesetz, das diesen Anfor-

derungen entspricht, ist meines Erachtens dringend notwendig. Schon früh habe ich auch öffentlich für eine schrittweise Liquidierung der Landesbanken geworben, da diese ihre ursprünglichen Aufgaben inzwischen erfüllt hatten und für die Bankenlandschaft nicht mehr notwendig waren. Die letzten beiden Jahrzehnte haben gezeigt, welche Probleme dadurch aufgetaucht sind, dass die Politik glaubte, dies nicht tun zu sollen. Sollte die Volksgesetzgebung entsprechend vielen Wünschen auf Bundesebene eingeführt werden? Die Gesetzgeber des Grundgesetzes waren sich aus den Erfahrungen der Weimarer Republik und deren Verfassung über die großen politischen Gefahren einer unbeschränkten Volksgesetzgebung sehr bewusst und haben sie – mit einer längst erledigten Ausnahme – nicht als Mittel der Gesetzgebung in das Grundgesetz aufgenommen. Gleichzeitig ist damit das politische Mandat der Bundestagsabgeordneten in seiner Bedeutung gestärkt worden. Angesichts der außerordentlich schwer zu übersehenden, komplexen und international beeinflussten Probleme, die in der Bundespolitik zu bewältigen sind, sollte man unbedingt dabei bleiben, die Volksgesetzgebung nicht in Betracht zu ziehen. Sie würde zu leicht von bewusst vereinfachenden aktiven Minderheiten missbraucht werden. Auf Landes- und kommunaler Ebene hat sich die inzwischen in den Bundesländern und im kommunalen Bereich seit geraumer Zeit als Mitwirkungsmöglichkeit für die Bürger in Angelegenheiten, die sie aus örtlicher Nähe gut beurteilen können, etabliert und ist ein selbstverständliches Instrument geworden. Auch hier gilt allerdings, dass die Rechte und Pflichten der gewählten Abgeordneten nicht in die zweite Reihe rücken.

einer Aushöhlung des Föderalismus führen. Entgegen der Absicht des Grundgesetzes wird der für unseren Staatsaufbau so wichtige Föderalismus ausgehöhlt. Die Stärke Deutschlands besteht gerade darin, dass im föderalen Wettbewerb neue Ideen erprobt und auf Bewährung geprüft werden können aber auch Fehler eher berichtigt werden können als in einem Zentralstaat. Die Probleme eines über alle Unterschiedlichkeiten hinweg regierenden Zentralstaats können heute in Frankreich und in England besichtigt werden. Welche Maßnahmen, die Sie als Wirtschafts- und Verkehrsminister des Landes Schleswig-Holstein eingeleitet haben, sind nach Ihrer Auffassung von nachhaltiger Bedeutung? Ich denke, dass die mit aller Kraft verfolgte Bemühung, Schleswig-Holstein für Industrieansiedlungen attraktiv zu machen und zwar durch vielfältige Maßnahmen der Wirtschaftsförderung und der Akquisition auch mit großem persönlichem Einsatz hat sich gelohnt. Besonders befriedigt hat mich meine Mitwirkung bei der Bewältigung der Krise der Berufsausbildung im Beginn der Siebzigerjahre. Wir haben es mit allen Kräften der Landesregierung, der Kammern und Verbände und vor allem der einzelnen Unternehmen geschafft, zusammen mit Bayern an der Spitze der Versorgung von jungen Menschen mit Ausbildungsplätzen zu stehen. In keiner Zeit sind in Schleswig-Holstein so viele Kilometer Autobahnen gebaut worden wie in meiner Amtszeit. Dies hat die Infrastruktur im Lande vor allem aber die Verbindung zu den Wirtschaftszentren in anderen Teilen des Bundesgebietes erheblich verbessert und ist zum Beispiel auch für den Tourismus eine wichtige Hilfe geworden. Vielen Dank für das Interview. Der Wirtschaftsrat wünscht Ihnen weiterhin einen gesegneten Ruhestand.

Welches Gesetz würden Sie spontan und aus welchem Grunde ändern? Das gerade vom Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz über die BundLänder-Beziehungen bei Fernstraßen, Steuerverwaltung und Mitsprache des Bundes im Schulbau und die damit verbundenen Änderungen des Grundgesetzes halte ich für einen Fehler, weil sie zu

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AKTUELLES Aus der Landesgeschäftsstelle

Großer Dank an Gunnar Uldall für seinen Einsatz als Landesvorsitzender Text: Hauke Harders

Ehre, wem Ehre gebührt! Ganze 646 Tage hat Herr Uldall in seinem letzten politischen Amt noch einmal alles gegeben – im Wirtschaftsrat, dem er seit 25 Jahren angehört, als Vorsitzender des Landesverbandes Hamburg. Mit seinem Geschick, seiner Fröhlichkeit und seiner ausgeprägten Leidenschaft für politische Prozesse hat er dem Wirtschaftsrat in der Hansestadt seine ganz eigene Note verliehen und ihn nach einer schwierigen

schaftsteuer. So rückten nach und nach die Inhalte wieder in den Vordergrund. Binnen kürzester Zeit wurden Positionspapiere zu freiem WLAN, dem Denkmalschutz und zum Konzept der Wachsenden Stadt erarbeitet und veröffentlicht. Es folgten weitere Ausarbeitungen zur Fernwärmeversorgung, Bürgerbeteiligung, Wissensmetropole Hamburg und der Digitalen Agenda. Jedes Papier lieferte wichtige Impulse an die Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft, wurde in zahlreichen Runden – teils öffentlich – diskutiert und

menslenker den Weg in die Hansestadt angetreten, um zu Ihnen, unseren Mitgliedern zu sprechen. Die Teilnehmerzahlen und viele persönliche Feedbacks haben gezeigt, dass dies der richtige Weg ist. Ende letzten Jahres hat sich Herr Uldall nun schweren Herzens entschieden, nicht wieder für das Amt des Landesvorsitzenden zu kandidieren. Mit Dr. Henneke Lütgerath hatte er schnell einen geeigneten Nachfolger ausfindig gemacht und diesen von einer Ausweitung seines Engagements im Wirtschaftsrat überzeugt.

Gunnar Uldall übergibt den obligatorischen Miniaturcontainer an Hans-Jürgen Papier

Eines der großen Highlights von Gunnar Uldalls Amtszeit: Der Neujahrsempfang 2016 mit Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble

Phase in nur kurzer Zeit wieder zu einem angesehenen Unternehmerverband entwickelt. „Herr Harders, für Vereinsmeierei haben wir keine Zeit, wir müssen an die Inhalte!“ An diese Worte erinnere ich mich nur zu gut, wenn ich mich an die Erstellung der Tagesordnung für die erste Landesvorstandssitzung nach der Wahl am 22. Juni 2015 zurückerinnere. Organisatorische Themen wurden fortan hinten angestellt, der Punkt „Aussprache zu aktuellen politischen Themen“ wurde auf TOP 1 gesetzt. So begann jede Landesvorstandssitzung mit diesem Tagesordnungspunkt und Diskussionen zur Elbvertiefung, zur HSH Nordbank und der Erb-

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zeigt, welche wichtige Kompetenz in unseren Mitgliedern steckt. Aber nicht zuletzt die Qualität der Veranstaltungen ist auf das Netzwerk und die Fokussierung von Gunnar Uldall zurückzuführen. Mit Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble und Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert konnten wir in den letzten zwei Jahren zwei der hochrangigsten Politiker auf unserem Neujahrsempfang begrüßen – zwei langjährige Weggefährten des Landesvorsitzenden. Des Weiteren haben drei Ministerpräsidenten und zahlreiche Unterneh-

Ebenfalls eine Gabe Herrn Uldalls… Uns bleibt an dieser Stelle nur Danke zu sagen. Danke für einen beeindruckenden Einsatz für den Wirtschaftsrat und das wirtschaftliche Wohl Hamburgs. Wir wünschen Ihnen besonders gesundheitlich alles erdenklich Gute und freuen uns auf viele weitere Begegnungen mit Ihnen! Im Namen des Landesvorstandes und der Landesgeschäftsstelle Ihr Hauke Harders

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AKTUELLES Aus der Landesgeschäftsstelle

Tschüss – bis zum nächsten Wiedersehen!

der Wirtschaftsrat Hamburg gehört nach wie vor zu den größten und aktivsten Landesverbänden des Wirtschaftsrates in Deutschland. Dies ist nicht zuletzt zurückzuführen auf eine fokussierte und kontinuierliche Arbeit von Haupt- und Ehrenamt in den letzten zwei Jahren. Nach zehn Jahren negativer Beitrags- und Mitgliederentwicklung wird in diesem Jahr erstmals wieder eine positive Entwicklung zu verzeichnen sein. Die Talsohle ist also durchschritten und fortan sollte es für die Entwicklung des Landesverbandes nur noch eine Richtung geben: nach vorne! Ich selbst werde diese Entwicklung allerdings nicht weiter als Landegeschäftsführer begleiten. Mit Wirkung zum 1.9.2017 werde ich eine neue Herausforderung in einem Hamburger Unternehmen antreten, dem Wirtschaftsrat aber als Mitglied erhalten bleiben. Mir hat die Zeit sehr viel Freude bereitet, sodass ich mich an dieser Stelle mit einem weinenden Auge von Ihnen verabschiede. Jeder Kontakt, jede Veranstaltung und jede Kommissionssitzung waren für mich ein positives Erlebnis, sodass mir die Zeit beim Wirtschaftsrat noch lange in guter Erinnerung bleiben wird. Ich hoffe, dass

Ein Blick über die Schulter am täglichen Arbeitsplatz in den Colonnaden

und Eure Ideen – es hat mir großen Spaß gemacht, mit Euch gemeinsam Tag für Tag zusammenzuarbeiten!

auch ich Ihnen in guter Erinnerung bleiben werde und freue mich ganz besonders auf alle weiteren Begegnungen mit Ihnen.

Nun heißt es Tschüss zu sagen – und das heißt in Hamburg bekanntlich „Auf Wiedersehen“!

Mein Nachfolger, Herr Henning Lindhorst, ist m.E. eine exzellente Wahl und wird den eingeschlagenen Weg weitergehen und seine ganz eigenen Akzente setzen. Gemeinsam mit dem tollen Team der Landesgeschäftsstelle und dem erst kürzlich gewählten Landesvorstand, der hervorragend aufgestellt ist, wird er den Landesverband weiter voranbringen. Bei Ihnen, liebe Mitglieder, möchte ich mich für die letzten, fast drei Jahre ganz herzlich bedanken. Es war eine tolle Zeit! Sie machen den Wirtschaftsrat zu dem was er ist – etwas ganz Besonderem! Bei Ihnen, lieber Herr Uldall, lieber Herr Dr. Lütgerath, möchte ich mich besonders für das entgegengebrachte Vertrauen bedanken. Wir haben gemeinsam viel bewegt! Sie waren und sind zwei hervorragende Landesvorsitzende, die dem Wirtschaftsrat sehr gut getan und die ihn nachhaltig mitgestaltet haben. Last but not least: Herzlichen Dank, liebes Team der Landesgeschäftsstelle! Als ich im Dezember 2014 die Aufgabe als Landesgeschäftsführer des Landesverbandes Hamburg übernommen habe, war nichts, wie es heute ist. Und ich bin froh, dass sich die Zusammenarbeit und die Organisation so entwickelt haben. Ich konnte mich jederzeit auf Euch verlassen – ohne Euch wäre der Wirtschaftsrat Hamburg nicht da, wo er jetzt ist. Macht weiter so! Liebe Kristina, lieber Christian, lieber Hauke, danke für Euren Einsatz, Eure Loyalität

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Schöne Erinnerung: Im Gespräch mit Stefan Zeidler, Vorstandsmitglied der DZ Bank AG, beim Parlamentarischen Abend 2016

Zählte zu meinen persönlichen Highlights der letzten zwei Jahre: Der Neujahrsempfang 2016 mit Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble

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AKTUELLES Aus dem Mitgliederkreis

MITGLIEDERVERSAMMLUNG

Der neue Landesvorstand des Wirtschaftsrates Hamburg Text: Hauke Harders

Dr. Henneke Lütgerath, Partner des Hamburger Bankhauses M.M. Warburg & CO, wurde bei der Mitgliederversammlung am 29. März zum neuen Vorsitzenden des Landesverbandes Hamburg gewählt. Er ist dem Wirtschaftsrat seit fast 30 Jahren als Mitglied verbunden und ist seit 2014 auch im Bundespräsidium vertreten. In den neuen Vorstand wurden außerdem gewählt: Dr. Hubert Baltes (Olympus Winter & Ibe GmbH), Christina Block (Block Gruppe), Gunther Bonz (Staatsrat a.D.), Florian Eilken (Airbus Operations GmbH), Ulf Gehrckens (Aurubis AG), Friederike Hagenbeck (Tierpark Hagenbeck gGmbH), Dr. Philip Marx (M.M. Warburg & CO) und Pieter Wasmuth (Vattenfall GmbH). Thies G.J. Goldberg (Goldberg Consulting GmbH Unternehmensberatung/Beteiligungen), Tim Hoffmeister (Cognizant Technology Solutions GmbH) und Dr. Thomas Wolfram (Asklepios Kliniken Verwaltungsgesellschaft mbH) wurden bei den letzten Landesvorstandssitzungen als weitere Mitglieder kooptiert. „Unser Vorstand ist wieder exzellent aufgestellt. Vom Hamburger Familienunternehmen bis zum Weltkonzern repräsentieren wir zusammen ein breites Branchenspektrum und können mit Recht behaupten, als Wirtschaftsrat die Stimme der Unternehmer in Hamburg zu sein“, erklärte Dr. Henneke Lütgerath nach ■ seiner Wahl.

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Dr. Henneke Lütgerath

Dr. Hubert Baltes

Christina Block

Gunther Bonz

Florian Eilken

Ulf Gehrckens

Thies G.J. Goldberg

Friederike Hagenbeck

Tim Hoffmeister

Dr. Philip Marx

Pieter Wasmuth

Dr. Thomas Wolfram

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AKTUELLES Aus der Landesgeschäftsstelle

VERANSTALTUNGSVORSCHAU

JUNI JULI AUGUST SEPTEMBER OKTOBER NOVEMBER DEZEMBER JANUAR

Foto: Hamburger Hochbahn AG

16. August 2017 Zukunftsforum Süderelbe im hit-Technologiepark

7. September 2017 POLITISCHES FRÜHSTÜCK mit Henrik Falk | Vorstandsvorsitzender Hamburger Hochbahn AG

Foto: HHLA Tina Axelsson

21. November 2017 Abendveranstaltung mit Angela Titzrath Vorsitzende des Vorstandes Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA)

Foto: Femern A/S

Foto: Michael Penner

14. September 2017 JWR Business Lounge mit Michael Eggenschwiler Vorsitzender Geschäftsführer Flughafen Hamburg GmbH

9. Oktober 2017 Abendveranstaltung mit Claus F. Baunkjær Vorstandsvorsitzender | Femern A/S

BITTE VORMERKEN

17. bis 19. November 2017 Junger Wirtschaftstag zum 30-jährigen Jubiläum des Jungen Wirtschaftsrates

22. Dezember 2017 „Open House“ in der Landesgeschäftsstelle

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AKTUELLES Neue Mitglieder

WIR BEGRÜSSEN ALS NEUE MITGLIEDER IN DEN LANDESVERBÄNDEN: LANDESVERBAND HAMBURG Albertinen-Krankenhaus Silvia Alt Aage Barfuss Vice President Aurubis AG Patrick Bäumle HO Environmental Control Airbus Operations GmbH Uwe Behrens HO Quality SA FAL, FL & Delivery Airbus Operations GmbH Dr. Eckhard Bloch Leiter der Abteilung Grundsatzfragen/ Justiziariat DAK-Gesundheit

LANDESVERBAND SCHLESWIG-HOLSTEIN

Jacques Kruse Brandao Head of Political Affairs & Public Co-Creation NXP Semiconductors Germany GmbH

Stefan Buchholz Geschäftsführender Gesellschafter Buchholz Hydraulik GmbH Schwentinental

Mark Küppers Teamleiter Private Banking Bank Julius Bär Europe AG

Norbert Erichsen Geschäftsführender Gesellschafter FFG FLENSBURGER FAHRZEUGBAU GESELLSCHAFT MBH Flensburg

Stefan Lühr Geschäftsführer WFT Werkzeug- und Frästechnik GmbH Cord Meyer Geschäftsführer Cord Meyer International GmbH

evenmedia next GmbH Agentur für app & web Lübeck

Nexperia Germany GmbH

FFG FLENSBURGER FAHRZEUGBAU GESELLSCHAFT MBH Flensburg

BSP Business School Berlin – Hochschule für Management Campus Hamburg

Jasmin Nussbaumer Aurubis AG

German Naval Yards Kiel GmbH Kiel

Volker Buck Country Manager Germany GlobalConnect GmbH

Michael Pietz Geschäftsführer/Eigentümer Newpark Projects GmbH

Philipp Ernst Dualer Student Aurubis AG

Christoph B. Pöhler Niederlassungsleiter / Direktor ODDO BHF Aktiengesellschaft Niederlassung Hamburg

Frank Groneberg Geschäftsführender Gesellschafter SPR Energie GmbH Rodenäs

Eurofins Food Testing Germany GmbH Karl Georg Ferber Diplom Betriebswirt & Mediator Sabine Fernau Geschäftsführerin Initiative NaT gGmbH Carsten Fischer Leiter Vertriebs- und Kundenmanagement Fürstenberg Institut GmbH Fürstenberg Institut GmbH Reinhild Fürstenberg Geschäftsführerin/Gesellschafterin Fürstenberg Institut GmbH Werner Fürstenberg Gesellschafter Fürstenberg Institut GmbH Dr. Sandra Gärtner Geschäftsführerin GreenAdz GmbH & Co. KG Dave Gebauer Niederlassungsleiter Facility Services Hamburg ENGIE Deutschland GmbH Fabian von Gleich HO Strategy & Development Site HAM Airbus Operations GmbH GlobalConnect GmbH Monika Grass Advisor Globalways AG Patrick Henkel Kundenbetreuer/Vertrieb ZIEMANN SICHERHEIT GmbH

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Dr. Ingo König Vice President Aurubis AG

Dr. Jörg Prepeneit Werksleiter TRIMET Aluminium SE Niederlassung Hamburg Henning Reinecke Advisor Globalways AG Ilona Renken-Olthoff Geschäftsführerin BSP Business School Berlin – Hochschule für Management Campus Hamburg Manuel Rodriguez Eicke Leiter Zentrales Marketing J.J. Darboven GmbH & Co. KG

Kim Harder Arzt und Managing Partner Friedheim-Apotheke und Nikolai-Apotheke Flensburg Bernd Hinkeldey Vertriebsleiter ITECS Engineering GmbH Hamburg Rainer Jacken Kiel Lutz Kleinfeldt Geschäftsführender Gesellschafter Lübecker Wachunternehmen Dr. Kurt Kleinfeldt GmbH Lübeck

Bernd Schlosshauer Geschäftsführender Gesellschafter Bernd Schlosshauer Administration GmbH

Matthias Lange Account Manager Vertrieb Aon Versicherungsmakler Deutschland GmbH Hamburg

Dierick Schröder Account Management / Consulting WMC Wüpper Management Consulting GmbH

Peter Siemsen Geschäftsführender Gesellschafter WILHELM SIEMSEN GmbH & Co. KG Eckernförde

Tobias Schwarz Geschäftsführer Albertinen-Krankenhaus

SIEMSEN Verkehrstechnik GmbH & Co. KG Eckernförde, Berlin, Hamburg

Klaus Schweininger Leiter Finanz- und Rechnungswesen / Prokurist,TRIMET Aluminium SE Niederlassung Hamburg Steffen Walter Geschäftsführer Eurofins Food Testing Germany GmbH

Christiane Hinz Aurubis AG

Christine Witthöft Inhaberin und Gründerin UMSATZSCHMIEDE Marketing- und Vertriebsberatung

Kolja Kolb Freier Mitarbeiter Aurubis AG

Johannes Wittkamp Referent des Vorstandes HEK Hanseatische Krankenkasse

Christo Stoyanov Geschäftsführender Gesellschafter evenmedia next GmbH Agentur für App & web Lübeck Bernd Szukay Leiter Vertrieb und Marketing, Mitglied GL, Prokurist Wärsilä ELAC Nautic GmbH Kiel Susanne Wiegand Geschäftsführerin German Naval Yards Kiel GmbH Kiel

Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein | 2/2017 | WIR IM NORDEN


EDITORIAL

Dr. Christian von Boetticher Landesvorsitzender Schleswig-Holstein

d

ie Küstenkoalition in Schleswig-Holstein ist – trotz überstrudelnder Kassen – beim Wähler gescheitert. Alle Regierungsparteien haben Anteilsverluste erlitten, in Schleswig-Holstein, noch stärker aber in Nordrhein-Westfalen. Neben einem unglücklich im Wahlkampf agierenden Ministerpräsidenten Albig und einem polemisierenden Herrn Dr. Stegner ist die Hauptursache für das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein eben auch eine gescheiterte Politik. In beiden Landtagswahlen spielten die innere Sicherheit und die Verkehrsinfrastruktur eine Rolle, insbesondere aber die Schul-

Jetzt heißt es also gründlich umzusteuern und zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Wirtschaft braucht keine gescheiterten Studienabbrecher, sondern jeder Schüler muss nach seinen Fähigkeiten bestmöglich gefördert werden. Das wichtigste Geheimnis des Erfolges der deutschen Wirtschaft liegt in der weltweit bewunderten dualen Ausbildung, die sich auf unsere beruflichen Schulen stützt. Das Handwerk hat weiter goldenen Boden, während die Digitalisierung jedoch die Berufsaussichten von Studienabgängern dramatisch verändern kann. Die sozialdemokratische Utopie einer Hochschulreife für alle ruiniert nicht nur die akademischen Lehranstalten, sondern sie gräbt zugleich den

„Länger gemeinsames Lernen“ an der Praxis gescheitert politik, die seit Jahrzehnten von den Genossen geprägt wurde. Der Plan war klar: Erst die Gemeinschaftsschulen neben den Gymnasien aufzurichten, um dann die Gymnasien zu zwingen, alle Abschüsse anzubieten. Ziel war immer die Einebnung aller Unterschiede, um alle zum Abitur führen zu können. Gescheitert ist dieses Modell an der Wirklichkeit. Der Slogan „länger gemeinsam lernen“ führt in die Irre und hat in der Umsetzung zu katastrophalen Zuständen geführt. Damit gingen der SPD am Ende auch die Lehrer als Wähler von der Fahne.

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praktischen Talenten ihre beruflichen Möglichkeiten ab und lernt sie das Scheitern. Nun muss die „Jamaika“-Koalition zeigen, dass sie nicht nur die Energiewende und die Finanzlage fortschrittlich prägen kann, sondern – trotz der bisherigen programmatischen Ausrichtung der Grünen – auch die Bildungspolitik. Die Zeit ist reif dafür! Ihr

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CXO Event Sylt 2017 Big Data, das Auswerten großer Datenmengen in Echtzeit, künstliche Intelligenz, d.h. selbstlernende, dem Menschen schnell überlegene Systeme, Industrie 4.0, d.h. die Vernetzung aller Systeme über das Internet, aber auch Finanztechnologie, Kryptowährungen auf der Grundlage von Blockchain-Technologie, standen im Mittelpunkt des CXO-Event Sylt 2017 des Wirtschaftsrates der CDU e.V., der zum zweiten Mal Experten aus ganz Deutschland und der Schweiz auf die Insel Sylt eingeladen hatte.

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Big Data, Industrie 4.0 und FinTech D

as Programm bot neben anspruchsvollen Inhalten Raum für persönlichen Austausch. Am Vorabend begrüßte der heimische Bundestagsabgeordnete Ingbert Liebing die Gäste in der Spielbank Sylt in Westerland, und nach der Tagung ging es mit den Kuttern Gret Palucca und Rosa Paluka der Adler-Reederei vom Hafen List

zu den Seehundbänken, die urplötzlich aus der nebeligen Dämmerung auftauchten und nicht nur die gut zwanzig mitfahrenden Kinder aus ihren Gesprächen rissen. Bei der morgendlichen Wattwanderung in Hörnum mit drei Damen von der Schutzstation Wattenmeer und einem abschließenden Frühstück im Restaurant

Budersand zeigte sich die Insel bei strahlendem Sonnenschein. „Politik funktioniert eben immer noch analog, obgleich digitale Technologien hier ebenso auf dem Vormarsch sind.“, so der Landesvorsitzende Dr. Christian von Boetticher, der die etwa sechzig Teilnehmer begrüßte.

.................................................................. Biologie: Was wir vom Meister aller Netzwerke lernen können

D

er deutsche Science Slam-Meister Dr. Henning Beck weitete für alle Teilnehmer die Horizonte. Dazu vergleicht der passionierte Neurowissenschaftler die besten Rechner mit dem menschlichen Gehirn – und hatte beruhigende Botschaften parat: Die Stärke des Menschen liege in seiner vergleichsweise hohen Fehlerquote und seiner Fähigkeit, Regeln zu brechen. Krea-

tivität erfordere Langeweile. Die Kunst des Menschen sei im Vergleich mit dem Rechner nicht die perfekte Antwort, sondern das Entwickeln der richtigen Frage. Die damit furios eingeläutete Tagung konnte sich in den drei folgenden Podien auf das Herausarbeiten der jeweils richtigen Fra■ gen konzentrieren.

Hirnforscher Dr. Henning Beck öffnete einführend die Horizonte

.................................................................. Personal im kognitiven Zeitalter

I

m Podium Big Data skizziert Joachim Skura, Strategy Director Human Capital Management von Oracle, einleitend die digitale Transformation, die bis zum Jahr 2030 global 12 – 14 Billionen US-Dollar Investitionen und einen Rückgang der Nachfrage von 23 Prozent der ausgebildeten Berufe erwarten lasse. Personalplanung, strategisch auf mehrere Jahre ausgerichtet, sei durch lineare Algorithmen und deterministische Modelle nicht zu fassen, auch weil Politik und Technologie als externe Variablen starken Einfluss auf Geschäftsmodelle ausüben können. Abgeleitete Empfehlungen tendierten deshalb zum Median: „Plakativ ausgedrückt: Früher hatten wir Käfer, Ente und Mini, heute sind Markensilhouetten kaum noch auseinanderzuhalten.“ Des-

halb fokussiere die strategische Analyse, so Skura, Mikromomente, also individualisierte Daten. Digitalisierung bringe Veränderungen mit sich, deren Umfang und Zeitachse man nur schwerlich absehen könne. Eine gesteigerte Flexibilität der Unternehmen sei daher gefragt. Dabei werde sich das Angebot von gut ausgebildeten Arbeitnehmern absehbar verknappen. Aus beidem ergeben sich besondere Herausforderungen für ein erfolgreiches Personalmanagement. Das Anhäufen von Daten allein sei kein Mehrwert. Erst wenn aus Big Data auch Big Information wird, bzw. sogar eine fundierte zukunftsgerichtete Entscheidung, ergibt sich der Mehrwert, könnten Planungsszenarien in Echtzeit auf Machbarkeit überprüft werden.

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Henning Schneider, der als CIO für Asklepios Kliniken GmbH die Daten von 150 Krankenhäusern in Deutschland entwickelt und verantwortet, sieht in fortschrittlichen Analysen große Chancen. Das seien keine Big Data-Analysen. Personaldaten seien komplex, der Datenschutz hoch und es fehle eine Datengrundlage. Die Einführung einer digitalen Mitarbeiterakte setze zunächst eine einheitliche Mitarbeiter-ID voraus, für deren Einführung sein Konzern fast drei Jahre gebraucht habe und alleine bei den reinen Namen Fehlerquoten von 10 Prozent zu registrieren hatte. Mit der richtigen digitalen Nutzung von Behandlungsdaten z.B. durch BigData-Analysen, wäre es im Gesundheitswesen mit heutigen Technologien durch-

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aus möglich, die medizinische Qualität weiter voranzubringen und frühzeitig optimale Behandlungsschritte einzuleiten. Gegenüber anderen Branchen, die konsequent und erfolgreich bei der Qualitätsverbesserung auf Digitalisierung setzten, sei dies im Gesundheitswesen jedoch immer noch fast unmöglich. Der Datenschutz werde sich im Hinblick auf „Big Data“ aus deutscher Sicht kaum verändern. Neue Technologien würden dann an anderen Standorten entwickelt und später in Deutschland nur noch zu adaptieren sein. Dr. Kurt Servatius berichtet, dass die Allianz bereits vor zehn Jahren in das Thema strategische Personalplanung eingestiegen sei. Man hatte sich damals unter anderem die großen personellen Veränderungen der IBM angesehen und wie diese planerisch mit Langfrist-Simulationen untermauert wurden. Heute ist strategische Personalplanung ein Instrument neben Predictive HR Analytics, das die quantitative Personalarbeit systematisch unterstützt. Hier werden mittlerweile ebenso wie im Sourcing / Recruiting erste Big Data-Anwendungen eingesetzt. Die Allianz stellt beispielsweise weltweit deutlich über 20.000 Mitarbeiter pro Jahr ein – dies stellt die HR Abteilungen durch die schnelle Veränderung der Berufsbilder (z.B. im Rahmen der Digitalisierung) und Arbeitsmärkte vor ganz neue Herausforderungen, bei denen Big Data-Verfahren und Analytics-Ansätze immer mehr zum Tragen kommen. Auch deutsche Start-ups sind unter den erfolgreichen Anbietern

CXO Event Sylt 2017 von Unterstützungstools und -Services zu finden. Dr. Christian von Boetticher treibt die Digitalisierung dagegen in ganz anderen Unternehmensbereichen voran. Beim Personal habe man wenig Fluktuation, obgleich Talente vermehrt fluktuieren und das Umfeld insgesamt im starken Wandel sei. Das berge auch Risiken. Neue Kräfte kämen bei Köllnflocken überwiegend durch die eigene Ausbildung ins Unternehmen. Dr. Servatius ist überzeugt, dass Abteilungen abteilen, der moderne Betrieb also nach innen wie nach außen offen gestaltet werden sollte. Um junge Menschen zu gewinnen, setze die Allianz AG auf eine Kultur nicht des Gewinnens und Verlierens, sondern des Erzeugens. Moderatorin Diana Pabst von i&k software GmbH, die Travel Managementsysteme für Konzerne entwickelt und betreibt, sieht ein großes Problem im Fehlen digitaler Bildung. Moderne Arbeitnehmer erwarten innerhalb eines Unternehmens die gleichen Techniken, die sie im privaten Bereich zu nutzen gewohnt sind. eCommerce setze daher die Standards für die Schnittstelle Mensch/Maschine. Schulen sollten mehr digitale Kompetenzen vermitteln, wofür die Aus- und Fortbildung der Lehrer dementsprechend anzupassen sei. Sie fragt nach dem Verhältnis von internen und externen Daten. Dr. Servatius sieht den Datenfokus beim Human Research mehr nach außen als nach innen gerichtet.

Dr. Wolfgang Hildesheim, der für IBM das künstliche Intelligenzsystem Watson europaweit implementiert, richtet dazu den Blick auf das Internet. Es erlaubt Zugang „zu allen Daten“, sei aber dumm. Nachdem IBM den Schachweltmeister, dann die Go-Meister und im U.S.-Fernsehen jetzt die Jeopardy-Meisterkandidaten vernichtend geschlagen habe, sei nach der Ära der Tabuliermaschinen und der programmierbaren Systeme das Zeitalter der kognitiven Systeme endgültig angebrochen. In diesem verbinde sich digitalisierte Wahrnehmung, Erinnerung, Entscheidung, Lernen und Argumentation mit den natürlichen Fähigkeiten des Menschen beim Lesen, Schreiben, Sprechen, Hören, Wissen, Navigieren, Fühlen, Sehen und beim Entwickeln von neuem Wissen. In der Liste der kommenden Technologien weise die Mehrzahl auf den Einsatz künstlicher Intelligenz hin. Er empfiehlt eine breite Initiative für Deutschland, die Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf mehreren Ebenen vortreiben müsse, wenn man für die bevorstehende Umwälzung der Berufsbilder gewappnet sein wolle. Pabst zusammenfassend: Durch die Digitalisierung werden wir mobiler und autonomer und müssen zugleich innovativ und schnell sein. Besonders das Personalmanagement wird im Rahmen diese Wandels gefordert sein. Kurzum, es bedarf einer Transformation des HR-Bereiches und einer Steigerung der digitalen Kompetenz der Mitarbeiter und Führungs■ kräfte.

Das Podium Big Data: Dr. Kurt Servatius, Henning Schneider, Diana Pabst, Dr. Christian von Boetticher und Dr. Wolfgang Hildesheim

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Wem gehören die Daten im Internet-der-Dinge?

Z um Podium Industrie 4.0: Marktmacht durch Schnittstellen, berichtet Ralf Krippner, Hersteller von sensorgestützten Eingabesystemen, dass er einen kleinen Teil seiner Belegschaft in das Start-up Robiotic Ag i.G. überführt habe, um für die digitale Transformation der Industrie neue Anwendungsfelder zu entwickeln. Beispiele seien der Sensoreinsatz für Einbauküchen, der eine Datenschnittstelle zum Nutzer schafft. Hierüber werde nicht nur bei Feuchtigkeit alarmiert, sondern ebenso über Erweiterungsmöglichkeiten informiert. Oder die Verknüpfung von Kundenautomaten mit Bezahlfunktionen, die zukünftig individuelle Rabattaktionen ermöglichen. Oder anstelle des Verkaufs von Kompressoren, der Verkauf von Druckluft als Serviceleistung. Eine Unternehmensbefragung zeige, dass die größte Herausforderung für eine nutzbringende, vernetzte Industrielandschaft einheitliche Standards wären. Krippner wünscht sich, zukünftig nicht nur US-Standards adaptieren zu müssen, sondern hofft darauf, dass solche auch einmal von europäischer oder deutscher Seite erfolgreich etabliert werden können. Die Cybus GmbH aus Hamburg, spezialisiert auf sichere weltweite Vernetzung von Maschinen mit dem Internet, profitiert hingegen von fehlenden Standards. Diese zu schließen, sei Teil des Geschäftsmodells. Mitgründer Peter Sorowka sieht bei Hardware-Standards durchaus Gefah-

renpotentiale für den Wettbewerb, wenn dominierende Hersteller über urheberrechtlich geschützte Standards hinweg ihre Marktmacht ausspielen. Bei der Software gehe es aber eher um die Frage nach Entwicklungsstandards. Diese etablierten sich oftmals von selbst, herstellerunabhängig als offene Standards, wie z.B. der httpStandard für das World-Wide-Web. Christian Lautner, der als Flying Health GmbH eine Reihe von Start-ups im Gesundheitsbereich begleitet, berichtet, dass der Standard der Gesundheitskarte den Markt unter dem Vorwand Datenschutz stark eingeschränkt und Innovationen nachhaltig abgewürgt habe. Jetzt würden die Nachfrager, also die Patienten, den Markt entwickeln. Bei neuen Geschäftsmodellen im industriellen Internet stelle sich regelmäßig die kaum befriedgend lösbare Frage, wem die Daten gehören. Thomas Losse-Müller, Chef der Staatskanzlei für Schleswig-Holstein, warnt vor Naivität: Den Kampf um die Daten hat Deutschland erst einmal verloren, und die daraus erwachsenen Probleme sind erst auf dem Weg. Wenn Amazon die Daten aller Händler hat, kann es daraus die günstigsten Varianten auswählen und den Markt selbst übernehmen. Er forderte eine ordnungspolitische Klärung, welche Eigentums- und Nutzungsrechte wie am besten zu regeln sind. Moderator Frank Pörschmann verweist auf die Datenschutzgrundverord-

nung der Europäischen Union, die im Mai 2018 in Kraft trete und nur Daten „des Einzelnen“ reguliere, in Form einer Verbotserklärung mit Erlaubnisvorbehalt. Was nicht ausdrücklich erlaubt sei, ist verboten. Es fehle jedoch an einer Rechtsgrundlage für das „Internet-der-Dinge“, also Daten, die von Maschinen generiert wurden, z.B. einem Auto, einem Sensor oder einem Roboter. Erst dann würden Wertentwicklungen neuer, digitaler Geschäftsmodelle planbar und träfen auf die längst überfällige Investitionsbereitschaft der Industrie, so Pörschmann. Alexander Radwan MdB merkt an, dass sich mit dem VOICE e.V. ein IT-Anwenderverband gegründet habe, der mehr mittelständisch und von der Nutzerseite geprägt sei. Lautner hält auch die Großen nicht für unfehlbar: „Google Health ist gescheitert.“ Er plädiert für eine Einheitlichkeit der Auslegung, ebenso wie Sorowka, der dem Staat empfiehlt, Standards für die Datennutzungsvereinbarung zu entwickeln und zu veröffentlichen. Einig waren sich alle Teilnehmer, dass eine Robotersteuer weder Innovation fördere noch sich dazu eigne, den Arbeits- und ■ Bildungsmarkt zu reformieren.

Das Podium Industrie 4.0: Ralf Krippner, Christian Lautner, Thomas Losse-Müller, Peter Sorowka und Frank Pörschmann

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Wetterleuchten am Währungsmarkt

I m Podium „FinTech: Zukunftsmarkt Währungen“ blickt Dr. Veronica Lange, Leiterin Innovation der Schweizer Großbank UBS, zunächst auf ein rasch wachsendes Segment neuartiger Kryptowährungen. Angeführt von dem Bitcoin als bekanntester Marke haben diese ihre Marktkapitalisierung im letzten Jahr verdreifacht und im März 2017 25 Milliarden US Dollar erreicht. Diese neuartige Generation von digitalem Geld sei weitgehend fälschungssicher, werde anonym gehandelt, funktioniere unabhängig von Zentralbanken und biete weltweit gebührenarme Transfers. Neben dem Bitcoin seien inzwischen fast 800 neuartige Kryptowährungen gelistet, die alle auf einer Blockchain-Technologie beruhen. Diese biete zukünftig weitere Anwendungsfelder, wie beispielweise smart contracts, die einen vertraglichen Prozess gesichert abwickeln helfen und sich anschließend selbst löschen. Nach dem Dienstleistungsbereich seien neue BlockchainAnwendungen jetzt verstärkt auch in der Industrie zu beobachten. Mathias Roch hat sich neben seinem eigentlichen Unternehmen schon vor einigen Jahren dem Bitcoin und dessen neuartiger Technologie zugewandt. Inzwischen habe er in Österreich eine Firma übernommen, die Bitcoins verbriefe und sich dort über großen Kundenzuspruch freue. In Deutschland sei das Geschäftsmodell rechtlich nicht zulässig. Der Bitcoin diene in Finanzkrisen als Reservewährung und in politischen Krisenregionen als Zu-

CXO Event Sylt 2017 fluchtsort für Vermögen. Armen Menschen ohne Chance auf ein Bankkonto eröffne es eine Teilnahme am elektronischen Zahlungsverkehr. Für Dr. Edeltraud Leibrock, CTO und Geschäftsführerin IT bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen Finanzgruppe, und ebenso für Friedhelm Schmitt, CEO der Fincite GmbH, einem jungen Dienstleister für das digitale Vermögensmanagement von Banken, spielen Bitcoins und Kryptowährungen bisher weder im Anlagegeschäft noch im Zahlungsverkehr betriebswirtschaftlich eine Rolle. Dr. Leibrock berichtet von einer Reihe IT-bezogener Initiativen, die gegenwärtig durchgeführt würden, um das Geschäftsmodell der Fondsgesellschaft sowie der verbundenen Banken im Zuge der digitalen Transformation funktionsund wettbewerbsfähig zu halten. Neue Währungen zählten nicht dazu, wohl aber setze man sich mit Entwicklungen und Auswirkungen rund um die BlockchainTechnologie auseinander. Soll man diese neuen Währungen besteuern oder gar verbieten oder gewinnt die Volkswirtschaft, die sich am schnellsten auf diese neuen Technologien einstellt. Japan hat den Bitcoin vor wenigen Wochen offiziell zum legalen Zahlungsmittel erklärt. Die Chancen des technischen Fortschritts zu nutzen und die Risiken für die Gesellschaft durch vorausschauende Regelungen zu zähmen, sei Herausforderung für die Politik, so der bayrische CSU-Bundestagsabgeordnete

Dr. Veronica Lange: „Die BlockchainTechnologie diffundiert in die Industrie.“

und FinTech-Experte Alexander Radwan. Anwendungen der Blockchain-Technologie erforderten Anpassungen im deutschen Rechtssystem. Bezogen auf den Bitcoin und die aufstrebenden, hochvolatilen Kryptowährungen zeigte er sich zurückhaltend: „Während beim Bitcoin bis heute niemand weiß, wer eigentlich dahintersteckt, sind die Zentralbanken in Europa demokratisch legitimiert.“ Dr. Veronica Lange hält dem entgegen, dass der Algorythmus einer Kryptowährung für jedermann offenliege. Die UBS arbeite mit anderen Großbanken an einem „Utility Settlement Coin“, der, in Absprache mit den Zentralbanken entwickelt, die Vorteile der Kryptowährungen in sich aufnehme. Verbunden damit ist die Idee, einen Standard für die Darstellung von FiatCurrency in digitaler Form zu entwickeln und somit die Fragmentierung in verschiedenste digitale Zahlungsmittel zu vermeiden.

v.l. Mathias Roch, Friedhelm Schmitt, Dr. Edeltraud Leibrock, Alexander Radwan MdB und Moderator Dr. Bertram Zitscher

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Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren ist im Währungsmarkt also im vollen Gange. Die zukünftigen Regulierungen für Deutschland oder Europa bleiben ungeklärt. Radwan MdB merkt dazu aufgrund seiner Erfahrungen im Währungsausschuss des Europäischen Parlaments an:

„Politik braucht zehn Jahre, um gesetzlich auf neue Entwicklungen zu reagieren.“ Als Ergebnis stellt Moderator Dr. Bertram Zitscher die von Dr. Beck am Vormittag gelobte Frage, die hier also laute: „Wie sind Kryptowährungen in Deutschland und ■ Europa idealerweise zu regulieren?“

.................................................................. Empfehlungen des zweiten CXO-Events Sylt 2017 Digitale Wettbewerbsfähigkeit fordert digitale Kompetenz in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Digitale Qualifizierungsoffensive für gesellschaftlichen Entscheidungsträger ■ Digitale Kompetenz ist nicht delegierbar. Entscheider müssen ihr Wissen um Mechanismen, Chancen und Risiken beschleunigt entwickeln, da ihre angestammten Entscheidungsverfahren sich wandeln. Förderung von breitflächigen Initiativen zur digitalen Kompetenz in allen Altersgruppen und Berufen. Berücksichtigung digitaler Arbeitsmodelle bereits in weiterführenden Schulen. Digitale Kompetenz ist nicht nur Informatik! ■ Schnellere Anerkennungsverfahren für neue Berufsbilder und Ausbildungswege der digitalen Wirtschaft sowie beschleunigte Aufnahme oder Anpassung interdisziplinärer Ausbildungsgänge in Berufsund Hochschulen. Bundesweite Förderung von dualen ausbildungs- und anwendungsbezogenen Forschungszentren in Verbindung mit mittelständischen Unternehmen. Neue Berufsbilder wie „Robotics Engineer“ oder „Content Analyst“ müssen an Hoch- und Berufsschulen sowie im Aus- und Weiterbildungsbereich angeboten werden. Keine Vernachlässigung von Talentquellen! Unternehmen sollten in digitale Bildung investieren z.B. im Wege eigener Bildungsinstitute oder Kooperationen mit Hochschulen. ■ Enquete-Kommission zur künstlichen Intelligenz und zur Blockchain-Technologie Politik muß im digitalen Wandel mit technischem Verständnis und mit markwirtschaftlicher Logik notwendige politische Handlungsfelder erkennen, verstehen und zügig neu regeln. Im internationalen Standortwettbewerb ist die Anpassungszeit für Regulierungen zunehmend entscheidend. Um ein breites Verständnis für die laufende gesellschaftliche Transformation zu entwickeln, sollte der Deutsche Bundestag Enquete-Kommissionen zur künstlichen Intelligenz und zur Blockchain-Technologie ins Leben rufen.

Wirtschaft braucht faire Wettbewerbsbedingungen! ■ Unterbindung marktbeherrschender Stellungen bevor sie entstehen. Die Monopolkommission ist aufgerufen, sich der digitalen Transformation betroffener Branchen zuzuwenden, diese aktiv zu beobachten und frühzeitig im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten einzugreifen. Im Internet-der-Dinge sollten monopolistische Strömungen präventiv und unter der Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten von Netzwerk- & Plattform-Ökonomien überwacht und entkräftet werden. ■ Als Mittel dazu soll die Vernetzung der Industrie gefördert werden. Die Industrie braucht Vernetzung statt Abschottung. Testen als Innovationsstrategie. Schaffung zeitlich, räumlich und inhaltlich abgegrenzter Testfelder für die Erprobung neuer Technologien in allen Sektoren. RealLabore mit veränderten rechtlichen und regulatorischen Bedingungen als Pilotumgebungen lassen schneller die Nutzen, Chancen und Risiken erkennen und den Regulierungsbedarf formulieren. Digitalisierung braucht einen funktionalen Ordnungsrahmen! ■ Zentrale Koordination und durchgehende Implementierung von Internetkompetenzen z.B. durch Schaffung eines Spiegelreferats im Kanzleramt und Stabsabteilungen in allen Ministerien ■ Etablierung eines Chief Digital Officers in der Bundes- und den Landesregierungen für daten- und informationsstrategische Fragestellungen in enger Zusammenarbeit mit dem CIO des Bundes bzw. Landes, der den technischen Betrieb sichert. Steigerung der digitalen Fach- und Methodenkompetenz bei allen Regulierungsbeteiligten. ■ Eine digitale Identität für jeden Bundesbürger. Mit Blick auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sollte Deutschland sich kein zweites Desaster wie bei der

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„Gesundheitskarte“ leisten, an der ewig herumgedoktert wurde und im Ergebnis ihre Zwecke nur rudimentär erfüllt, so daß der Markt jetzt die überfälligen Standards setzt. ■ Nein zur Robotersteuer! Der Roboter in einer vernetzten Industrie ist nicht das letzte Glied einer Produktionskette, das Arbeitsplätze rationalisiert, sondern ein integrales Element einer vernetzen Wirtschaft und Gesellschaft von Menschen und Maschinen. Die Besteuerung von Robotern (sowohl mechanischer Roboter als auch von Software-Robotern) steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit zu erwartenden Arbeitsmarktveränderungen und ist sowohl als Finanzierungs- und als Lenkungsinstrument ungeeignet. Dateneigentum klären – Regulierung von selbstlernender Algorithmen ■ Beendigung der naiven Diskussionen zum Eigentumsrecht maschinengenerierter Daten. Unterstützung internationaler Initiativen sowie Koordination bisher separierter Regulierungsversuche in unterschiedlichen Ministerien mit unterschiedlichen Zielsetzungen. ■ Datenbasierte Geschäftsmodelle sind ein Hauptpfeiler vernetzter Wertschöpfung. Ohne Klarheit für das Eigentum keine Investitionen in ihre Förderung, Veredelung und ihren Handel. ■ Beendigung der Diskussion um staatlich regulierte Schnittstellen in der Software-Welt. Bei Software sind die Entwicklungsverfahren maßgebend, nicht die Datenschnittstelle. 80 Prozent der Standards im Internet, wie z.B. Open-Source-Produkte oder Initiativen wie Wikipedia, entwickeln sich ohne Autorität gemeinschaftlich. ■ Klärung der rechtlichen Behandlung von Maschinenalgorithmen in Abgrenzung zur Datenrechtsdiskussion. Das Transparenzgesuch zu lernenden Algo-

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rithmen führt nicht zu der gewünschten Regulierbarkeit. Selbst identische lernende Algorithmen entwickeln sich unterschiedlich je nach Umfeld, in dem sie agieren. Eine Offenlegung des Algorithmus als solchem steht im Widerspruch zum Schutz geistigen Eigentums. Vielmehr sollten Entwicklungs- und Betriebsprinzipien definiert und überwacht werden. ■ Im Zuge der rechtlichen Diskussion müssen Fragen zur Haftung und Steuerbarkeit der Mensch-Maschine Schnittstelle für alle Marktteilnehmer neutral, eindeutig und fair geregelt werden.

CXO Event Sylt 2017 ■ Es gibt keine eindeutige rechtliche Regelung des Eigentums an nicht personenbezogenen Daten. Dies hat zur Folge, dass die stärkere Verhandlungsposition darüber bestimmt, wer Daten nutzen darf. Klein- und mittelständische Unternehmen sind dazu im globalen Wettbewerb dauerhaft benachteiligt, da der Wert von Daten in der Regel mit ihrer Menge ansteigt. ■ Der Datenschutz (DS-GVO) muss klare Regelungen zum Thema Big Data treffen. Der Schutz von sensiblen persönlichen

Daten muss gewährleistet sein, die Regelungen dürfen jedoch nicht als „Bremse“ im internationalen Wettbewerb für deutsche Unternehmen wirken. Das Recht auf Löschung stellt die Blockchain-Technologie vor Schwierigkeiten, und die Löschvorschriften für gesundheitliche Versorgungsdaten verdrängen die Gesundheitsdatenforschung z.B. in die freiheitlicheren ■ Niederlande.

.................................................................. Digitale Agenda für Schleswig-Holstein

Thomas Losse-Müller treibt seit drei Jahren als Chef der Staatskanzlei eine digitale Agenda für das Land SchleswigHolstein voran. Auf dem CXO Event vergleicht er sein Bundesland mit einem Unternehmen, das mit 20.000 Produkten und 50.000 Mitarbeitern vor den Herausforderungen der Digitalisierung stehe. Dabei gehe es um die Auswahl und Einführung neuer E-Government-Verfahren,

aber ebenso um die Aufrüstung der Infrastruktur, die im Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen zunehmend entscheidend sei. Mit einer Glasfaserversorgungsquote von inzwischen über 25 Prozent sei Schleswig-Holstein zwar bundesweit führend, aber es fehlten Weiterbildungsinstitute, um digitale Kompetenzen bei Mitarbeitern schnell zu entwickeln. Außerdem brauche Schleswig-Holstein ein „Ökosystem für Start-ups“.

Thomas Losse-Müller: „Schleswig-Holstein braucht Weiterbildung für digitale Kompetenzen.“

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LANDESFACHKOMMISSION Kommission Digitalisierung und Industrie 4.0

Digitale Transformation für die Landesregierung Die Kommission hat sich vorgenommen, die digitale Agenda des Landes Schleswig-Holstein für einzelne Regierungsressorts zu entwickeln.

Dr. Thomas Ebel Vorsitzender der Landesfachkommission

Z ur Bildung bestand im Bereich der Grundschulen Einigkeit, dass eine Digitalisierung der Methoden und der Lerninhalte weder in der Vor- noch in der Grundschule angebracht sind. Vielmehr sollten in den Grundschulen Lesen, Schreiben (Rechtschreibung, Schönschrift, Handschrift) und Rechnen konsequent erlernt werden, wobei die Mathematik Grundlagen für logisches Denken stärker vermittelt sollte. Das Kodieren als „erste Fremdsprache“ wird aus verschiedenen Gründen als verfrüht abgelehnt. Wichtiger sei die Wertevermittlung. Im Hinblick auf eine digitale Transformation der Gesellschaft sollte die technische Infrastruktur an den Schulen aufgerüstet werden. Bei digitalen Themen stellt sich das Problem, dass die Lehrer weniger Verständnis für diese mitbringen als die Schüler, die mit den neuen Anwendungen aufwachsen. Die Kommission sieht hier erhebliche Risiken, die in den weiterführenden Schulen und bei der Lehrerausbildung eine kritische Auseinandersetzung mit den neuen Techniken dringend erfordern. Für den Bereich Haushalt und Finanzen werden zwei steuerliche Änderungen vorgeschlagen. Das „Check-the-box“-Verfahren führt ein Wahlrecht für die Dauer von drei Jahren seit Gründung eines Start-up-Unternehmens ein, wonach dies wie eine Kapitaloder wie eine Personengesellschaft zu besteuern ist, individuell für jeden Investor, einmal auszuüben bei Erwerb der Geschäftsanteile und ein weiteres Mal nach Ablauf von drei Jahren seit Gründung. So können steuerliche Anlaufverluste in Höhe der Einlage berücksichtigt und steuerliche Veräußerungsgewinne nach Ablauf von drei Jahren unter Ausnutzung des Schachtelprivilegs realisiert werden. Zum anderen wird eine Cash-Flow-Besteuerung für die Dauer von drei Jahren seit Gründung vorgeschlagen. Steuerliche Anlaufverluste können in Höhe der Investitionen berücksichtigt werden, nicht lediglich in Höhe der Abschreibungen. Notwendig sei zudem eine Vereinfachungsregel beim Übergang zur Regelbesteuerung nach Ablauf von drei Jahren seit Gründung, z.B. durch Fortführen der Vermögensgegenstände mit Erinnerungswert von einem Euro. Für das Gesundheitswesen wird ein System empfohlen, das personenbezogene Daten dezentral speichert und dennoch systematische Auswertungen von Metadaten für das Gesundheitssystem erlaubt. Im Zentrum der Entwicklung wäre ein System künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Der Ansatz scheint mutig und spricht für eine vertiefende Diskussion, auch weil der Ziel-

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konflikt von Datenschutz und Big Data-Analysen praktisch für alle staatlichen Systeme besteht, so dass eine Lösung im Bereich der besonders sensiblen Gesundheitsdaten ähnliche Lösungen in anderen Bereichen nahelegen kann. Für das Innenressort besteht zum Komplex E-Goverment und Behörden Einigkeit, den Prozess vom Bürger in die Verwaltung zu entwickeln. Als Instrument für den Umbau wird das Bürgertelefon 115 vorgeschlagen, um zum einen die Verteilung der Bürgerwünsche insgesamt zu erfassen, möglichst viel Ressourcen in den Fachbehörden freizusetzen und den Nutzen von besseren Prozessen aus der Sicht des Bürgers berechnen zu können. Als Schnittstelle zum Bürger könne besser noch eine „App“ dienen. Fortschritte können nur eintreten, wenn hinter den Schnittstellen eine Neuordnung der behördlichen Prozesse organisiert wird. Anreize für die kommunale Ebene können über den kommunalen Finanzausgleich gesetzt werden.

Zur Verkehrsinfrastruktur wird empfohlen, dass der Staat die Planung von Baustellen und weiteren Daten zum Verkehrsfluss zentral für den Wettbewerb zur Verfügung stellt. Das gilt z.B. auch für Parkplätze, die in der Regel kommunal und analog bewirtschaftet werden. ÖPNV-Anbietern im Wege von Ausschreibungen zur Herausgabe von Echtzeitdaten zu verpflichten, wird kontrovers diskutiert. Man verständigt sich darauf, genau zu benennen, welche Daten gemeint sind und welchen Nutzen sie stiften sollen. Ziel ist es, den Nutzen insgesamt zu erhöhen ohne zu sehr in den privaten Entdeckungswettbewerb (z.B. von privatwirtschaftlichen Navigationssystemen) einzugreifen. Die gesammelten Daten sollen auch zu einer besseren Planung des ■ Straßenbaus genutzt werden.

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Schleswig-Holstein

Ökosystem für Unternehmensgründungen Wie kann Schleswig-Holstein aussichtsreiche Gründungen motivieren? Welche Erfahrungen haben unsere Förderinstitute gemacht, und welche Verbesserungsvorschläge lassen sich daraus für den Standort ableiten? Text: Dr. Bertram Zitscher

Der Junge Wirtschaftsrat Schleswig-Holstein hat sich auf den Weg gemacht, Empfehlungen zu entwickeln und dazu für die Gründerszene bedeutende Förderinstitute eingeladen. Holger Zervas, Geschäftsführer der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein mbH (MBG), konstatiert einen fortgesetzten Rückgang von Unternehmensgründungen über alle Bereiche. Im Langzeittrend seien diese in den letzten Jahren bundesweit in den letzten zwanzig Jahren von 465.000 auf jährlich 250.000 gesunken, wobei die mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung sogar noch stärker rückläufig erscheinen. Derweil haben Städte wie Berlin und Hamburg eine fruchtbare Gründungsszene mit einer Reihe aussichtsreicher Unternehmungen hervorgebracht. Metropolkonzepte wären jedoch nicht auf Schleswig-Holstein übertragbar, das weit hinter der Entwicklung zurückhänge. Stefanie Huppmann, Expertin der Hamburger Sparkasse (HASPA), unterscheidet klassische Gründer und innovative Start-ups, wobei Einwanderer, Frauen, ältere Gründer und Nebenerwerbsgründer auf dem Vormarsch seien ebenso wie neue Gründungsformen „Web Start-ups“ und „Social Enterprises“. Die

v.l. Michael Eich, Stefanie Huppmann, Olaf Birkner, Finn Plotz, Lars Osterhoff und Holger Zervas

Rahmenbedingungen für klassische Gründer seien jedoch im starken Wandel. Beim Handwerk würden Gewerke aussterben, der Einzelhandel stünde im Wettbewerb zum E-Commerce und die Gastronomie ächze unter hohen Mieten, Personalmangel und

Quelle: Mittelstand / StartUp / Haspa Hamburg

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JUNGER xxxxxxxxxxxxxxxxxxx WIRTSCHAFTSRAT

BUCHVORSTELLUNG

Schleswig-Holstein Advertorial

Dr. Jürgen Westphal IN DREI GEWALTEN In seinem kürzlich erschienenen Buch „In drei Gewalten“ schildert der Autor, Dr. Jürgen Westphal seine Arbeit als Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft, als langjähriger Wirtschafts- und Verkehrsminister und als Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein sein politisches Engagement sowie seine anwaltliche Tätigkeit als Wirtschaftsjurist. Sein Buch bietet einen spannenden Einblick in die Geschichte Hamburgs und Der Junge Wirtschaftsrat zu Gast bei der Haspa im Ahrensburger Haus der Wirtschaft

Schleswig-Holsteins der 60er bis 80er Jahre. Westphal gehörte zu den profiliertesten Mitgliedern der Landesregierung unter Ministerpräsident Dr. Gerhard

Bürokratie. Während in Schleswig-Holstein Gründungen von Freiberuflern von 10.700 auf 10.300 gesunken wären, würden diese in Hamburg von 10.500 auf 10.600 steigen, was mit einer ausgeprägten Agenturszene zu tun habe und sozialpolitisch nicht unkritisch sei. Sie empfiehlt eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen, die Einrichtung eines Faches Unternehmertum an Schulen und vermehrte Angebote für das Erlernen von Programmiersprachen sowie neue Lernmethoden. In der anschließenden Diskussion werden neue Instrumente zur Förderung von aussichtsreichen Neugründungen in den Mittelpunkt gestellt. Während es in Deutschland inzwischen über 150 sogenannte Inkubatoren oder Acceleratoren gäbe, könne man in Schleswig-Holstein bisher kein entsprechendes Angebot erkennen. Nachdem diese Einrichtungen zunächst in den U.S.A. erfolgreich eine Vielzahl neuer Geschäftsideen beschleunigt an den Markt gebracht haben, seien eine Vielzahl von Gründungen in England und Europa zu verzeichnen. Olaf Birkner, der bereits mehrere Unternehmensgründungen vollzogen hat, berichtet von einem Trend einer Spezialisierung auf Branchen, nachdem der Fokus anfangs auf digitalen Geschäftsmodellen gerichtet gewesen sei. Im für Schleswig-Holstein interessanten Agrarbereich habe Wien im letzten Jahr einen Accelerator zusammen mit der VR-Bankengruppe Österreich ins Leben gerufen. Bereits im ersten Jahr seien Unternehmensideen aus 49 Nationen eingereicht worden. Der Landesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates kündigt eine Initiative für eine entsprechende Gründung in SchleswigHolstein an. Frau Huppman berichtet, dass man in Hamburg jetzt in kurzer Folge drei branchenbezogene Inkubatoren gestartet bzw. in konkreter Planung habe, nämlich für die Bereiche E-Media, ■ E-Commerce und Logistik.

Stoltenberg, war weit über die Landesgrenzen bekannt und hoch geschätzt. Seine Ausführungen hat Westphal in sehr übersichtlich geordneten Kapiteln dargestellt. Sie sind ein wichtiger Beitrag zur damaligen schleswig-holsteinischen Landespolitik, in der er in seiner zwölfjährigen Tätigkeit als Landesminister für Wirtschaft und Verkehr auch durchaus harte Auseinandersetzungen bestritt. Die beruflichen Schwerpunkte seiner Schaffensphase sowie die Erlebnisse seiner Kind- und Jugendzeit, mit den spannenden Abschnitten seiner Schul- und Studienzeit fasste Jürgen Westphal in einem leicht lesbaren Schreibstil auf 257 Seiten (+ acht historische Bildseiten im Anhang) zusammen, der einfach Lust auf lesen macht.

Herausgeber: Konrad-Adenauer-Stiftung, Hermann-Ehlers-Stiftung ISBN 978-3-95721-226-9 WIR IM NORDEN | 2/2017 | Landesverband Schleswig-Holstein

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

Mehr privat für einen starken Staat Mike Mohring, Oppositionsführer im rot-rot regierten Thüringen, besuchte den Wirtschaftsrat für ein Frühstück im Hause Sartori & Berger in Kiel. Die ausgesuchte Runde klagte darüber, wie Kommunen ihre politisch verantwortete Geschäftstätigkeit in SchleswigHolstein teilweise aggressiv weiter ausweiten. Text: Dr. Bertram Zitscher

S ie machten der privaten Wirtschaft, die eine Eigenkapitalrendite erwirtschaften soll, Insolvenzrisiken zu beachten hat und steuerlich in der Regel schlechter gestellt ist, eine zunehmend unlautere Konkurrenz. So forderte kürzlich die Bundesbauministerin in Wedel, Städte und Gemeinden sollten zukünftig wieder Wohnungen selber bauen. Die kommunalen Stadtwerke klagen, dass sie bei der Netzvergabe bisher alle Gerichtsprozesse gegen private

Mike Mohring (3.v.l.) in der Firmenzentrale der Sartori & Berger GmbH & Co. KG

Anbieter verloren hätten, und fordern eine Beratungszentrale auf Landeskosten. Und bei den Häfen gräbt Kiel, unterstützt durch öffentliche Mittel, Lübeck Aufträge ab und macht ruinöse Konkurrenz, denn ohne öffentliche Förderung wären die Standortinvestitionen gar nicht wirtschaftlich gewesen. Die private Hafenwirtschaft bleibe dabei ganz außen vor. Auch beim öffentlichen Nahverkehr sieht es überhaupt nicht besser aus. Die soziale Marktwirtschaft in Schleswig-Holstein und Deutschland ist auf brei-

ter Front auf dem Rückzug und weicht zunehmend einer Staatswirtschaft. Eine Remondis-Studie belegt diesen aktuellen Trend bundesweit und zeigt, dass dies zu sinkenden Einnahmen der Kommunen führt, weil die steuerzahlende Privatwirtschaft dafür verdrängt werde. Möhring zeigte großes Verständnis und konnte von ähnlichen Entwicklungen berichten. In Thüringen hätte ein Stadtwerk einer privaten Buslinie solange direkte Konkurrenz gemacht bis es selbst Insolvenz anmelden ■ musste.

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VERANSTALTUNG Sektion Plön / Ostholstein

Ein Korken im Flaschenhals Unmittelbar vor der Landtagswahl hat die Sektion Plön/Ostholsten die Direktkandidaten aus Ostholstein eingeladen, um einen beschleunigten Bau einer neuen Fehmarnsundquerung einzufordern, die spätestens mit dem Bau der festen Beltquerung fertig werden müsse. v.l. Frank Burchardt, Hans-Werner Blöcker, Christiane Stodt-Kirchholtes, Jörg Hansen und Peer Knöfler Text: Dr. Bertram Zitscher

I n dem Staatsvertrag mit dem Königreich Dänemark aus dem Jahr 2008 war die Sundquerung ausgeklammert worden, obgleich sie nicht geeignet ist, die zukünf-

Burchardt Transporte in Oldenburg offenbarte eine tiefsitzende, politische Kontroverse. Während der SPD-Direktkandidat seine Teilnahme gleich grundsätzlich

tig aus Skandinavien anrollenden Verkehre aufzunehmen. Die von Hans-Werner Blöcker moderierte Diskussion im Hause der Spedition

abgesagt hatte, lehnte Christiane StodtKirchholtes als Kandidatin der Grünen jegliche Maßnahmen, die mit einer Beltquerung in Verbindung stehen, kompro-

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misslos ab. Den Staatsvertrag müsse man nicht erfüllen. Sie betonte die Lasten für Fehmarn in der Bauphase und negierte jeglichen Nutzen für die Tourismusinsel mit ihren 12.000 Bewohnern. Dagegen waren sich die beiden übrigen Direktkandidaten, Jörg Hansen von der FDP und Peer Knöfler von der CDU, mit allen übrigen Teilnehmern einig, dass die feste Beltquerung eine explodierende Wertschöpfung für die Region Ostholstein auslösen werde, die auch der Insel zugutekomme. Eine beschleunigte Sundquerung sei deshalb oberstes Gebot. Ansonsten bremse der Flaschenhals Sundquerung den Nutzen einer fertigen Beltquerung und erhöhe Risiken einer betagten Sundbrücke. Eine Verfahrensbeschleunigung scheint politisch jedoch nur möglich, wenn die Region sich geschlossen dafür stark macht. Bevor also der Flaschenhals beseitigt werden kann, muss zunächst der ■ Korken politisch herausfliegen.

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LANDESFACHKOMMISSION Verkehrsinfrastruktur

Chancen der Beltquerung nutzen! Die Kommission hat in ihrer letzten Sitzung Verkehrspolitiker des Landes und kommunale Vertreter aus der Region Ostholstein nach Scharbeutz eingeladen, um mit der Wirtschaft über die Chancen einer festen Beltquerung zu sprechen. Martin Henze Vorsitzender der Landesfachkommission

H olger Matzen, Vorsitzender der Logistik-Initiative SH, sieht große Chancen für eine Ansiedlung von Logistikbetrieben. Allerdings gäbe es bisher gar keine Gewerbeflächenangebote. Die Gemeinden verwiesen auf eigene Bemühungen, die bisher an Kiel gescheitert seien. Hatice Kara, gastgebende Bürgermeisterin in Timmendorf, sieht andere in der Pflicht. Ohne professionelle Hilfe sei es schwierig, die vorhandenen Potentiale zu erschließen. Verkehrsstaatsekretär Dr. Frank Nägele, aber auch die verkehrspolitischen Landtagsabgeordneten Kai Vogel MdL und Hans-Jörn Arp MdL bekannten sich zum Bau der festen BeltQuerung. Daran änderten auch einzelne politische Gegenstimmen nichts. Bernd Homfelt von der Deutschen Bahn blickt inzwischen auf zehn Jahre Projektzeit zurück. Das Raumordnungsverfahren sei aufwendig gewesen, habe jetzt aber zu einer guten Streckenführung entlang der A1 geführt. Er zeigte sich fest entschlossen, das Schienenprojekt einschließlich der Sundquerung

rechtzeitig fertigzustellen, notfalls ohne Rücksicht auf eine parallel verzögerte Straßenplanung. Dr. Nägele erwartet eine Fertigstellung der Sundquerung in 13 bis 16 Jahren. Hans-Werner Blöcker fordert eindringlich eine enge und fortlaufende Planabstimmung aller vier am Bau beteiligten Träger: Bund, DB, Land und Landkreise. Bernd Jorkisch, Unternehmer und Geschäftsführer des Verbandes Hansebelt, fordert einen Stimmungswechsel. „Wenn wir jetzt nicht darauf achten, was zu tun ist, um die enormen Entwicklungschancen zu verwirklichen, schwinden diese.“ Der Vorsitzende fordert abschließend ein Aufwachen der Wirtschaftsförderung des Kreises Ostholstein und der Landesplanung. Man brauche nur nach Stormarn schauen, um zu sehen, was man aus ■ solchen Chancen machen könne.

Hamburgs größte Spielwiese für Functional Training:

Advertorial

MeridianSpa schafft neue Trainingserlebnisse in Eppendorf und wird zum Fitness-Hotspot

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b Oktober präsentiert das MeridianSpa Eppendorf auf rund 500 Quadratmetern einen brandneuen, dynamischen Athletic-Bereich. Damit bietet der Premium-Anbieter für Fitness, Wellness und Bodycare schon bald das flächenmäßig größte Functional Angebot in einem Hamburger Fitnessstudio an. Auch die persönliche und digitale Trainingsbetreuung wird ausgebaut. Gewichte stemmen an Kraftgeräten reicht allein nicht mehr: Immer mehr Fitnessbegeisterte interessieren sich für ein Training jenseits der Maschinen. Auf Frei68

flächen können sich die Sportler mit dem eigenen Körpergewicht oder Hilfsmitteln wie TRX-Bändern und Kettlebells in Form bringen. Die Rede ist von Functional Training, das heute aus den Fitnessstudios nicht mehr wegzudenken ist. Auch im MeridianSpa kommt das Trainingskonzept gut an. Für das Hamburger Unternehmen Grund genug, die Functional Fläche in seiner Anlage in Eppendorf auszubauen und einen 500 Quadratmeter

großen Athletic-Bereich mit LifestyleCharakter zu schaffen. Damit wird MeridianSpa nicht nur das modernste Equipment für Athletic-Training bieten, sondern durch Design, Licht und Musik auch eine ganz neue Trainingsatmosphäre schaffen. Statt in einer „warmen Wohnzimmerstimmung“ darf dann im Industriecharme zwischen freigelegten Betonstützen und offenen Decken geschwitzt werden. www.meridianspa.de

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

Chance statt Last Die Lage Schleswig-Holsteins könnte nicht besser sein: Das Land ist Bindeglied nach Skandinavien und zum Baltikum. Und das birgt enorme Vorteile, wenn man sie denn nutzt. Hans-Jörn Arp, Mitglied des Landtages und Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, trug dazu Thesen in Kiel vor dem Wirtschaftsrat vor.

Text: Kai Pörksen

Wir sind nicht nur Transitland, sondern können aus der Lage eine enorme Wertschöpfung betreiben“, so Arp. Dafür müsse aber in die Infrastruktur investiert werden. Die Projekte kämen sowieso irgendwann auf das Land zu – also sollte man sie zeitnah anpacken. Die Baumaßnahme A7 habe sich als Vorzeigeprojekt erwiesen. „Großer Respekt, wie es da läuft“, so der Politiker. Die Entscheidung für ein ÖPP-Projekt habe sich als richtig erwiesen. Unternehmer in Haftung zu nehmen, sorge für eine termingerechte Fertigstellung. Leider sehe es bei anderen Baustellen im Lande anders aus: Rader Hochbrücke und Rendsburger Kanaltunnel zeigten, wie es nicht laufen sollte. „Da werden langsam auch die Dänen nervös“, so Arp. Und dabei dachten diese noch nicht einmal an die neue Beltquerung. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, möchte Arp in Bezug auf die neue Rader Hochbrücke, lieber die vierspurige Lösung schnell als zu spät eine sechsspurige. Denn wenn neu geplant werden müsse, würden neun Jahre bis zur Fertigstellung ins Land

gehen. Ob es bis 2025 zu schaffen sei, müsse man nun prüfen. Der A20-Tunnel sei planfertig. Allerdings: Im Bereich der Teilstrecke Sommerland nach Hohenfelde gebe es noch Probleme. Ein Adlerhorst verzögere die Planung um gleich zwei Jahre. Große Chancen sieht Arp in der Fehmarnbeltquerung. Da könne eine BoomRegion entstehen. 1,5 Milliarden Euro warteten darauf, in die Hinterlandanbindung investiert zu werden. Die auf deut-

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Hans-Jörn Arp MdL (stehend) zu Gast in der Sektion Kiel

scher Seite zu verantwortende Verzögerung sei eine peinliche Situation den Dänen gegenüber, die die Hauptfinanzierungslast des Projektes tragen würden. Weitere Projekte wie A21, B404 und B5 Westküste seien dringend notwendig – allein, es scheitere stets an der Baureife. „Dabei finanziert der Bund so viel wie noch nie in Schleswig-Holstein“, berichtet Arp. Nach dem Königsberger Schlüssel stünden dem Land nur 2,8 Prozent im Verteilerschlüssel zu, bis 2030 bekäme Schleswig-Holstein theoretisch sogar 4,4 Prozent, wenn die Projekte denn Baureife hätten. Die Ursachen? Fehlende Planer, zu schlecht bezahlte Ingenieure. Von 30 zusätzlichen Planstellen seien nur elf besetzt. „Die aktuelle Situation ist schlechter als vor fünf Jahren“, beklagte Arp. „Einer der größten Fehler ist die Verlegung der Bauschule Eckernförde nach Lübeck gewesen“, so der Landtagsabgeordnete weiter. Das sei rückgängig zu machen, zumindest für den Bereich nördlich des Kanals. Eine Lösung könne eine Landesplanungsgesellschaft sein. Die würde mehr freie Kapazitäten schaffen im Land für die Planung von Landes- und Bundesstraßen. Auf die skeptische Frage, ob die private Bauwirtschaft all diese Maßnahmen bewältigen könne, antwortete Arp, er glaube an die Kraft der sozialen Marktwirtschaft und den Mut der Unternehmer ■ im Lande.

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VERANSTALTUNG Sektion Lübeck

Energie und Mobilität für die Hansestadt Lübeck Die Sektion besucht die Stadtwerke Lübeck, um sich über die Perspektiven der Energieversorgung und der Nahverkehre zu informieren. Jürgen Schäffner, Geschäftsführer der Stadtwerke Lübeck Holding GmbH, und damit verantwortlich für 1250 Mitarbeiter und die Versorgung von 130.000 Haushalten, erläutert die Pläne. Text: Dr. Bertram Zitscher

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ie Stadtwerkebetriebe würden massiv investieren, d.h. von der Bilanzsumme von 180 Millionen Euro seien allein im Jahr 2015 knapp 34 Millionen Euro in die Energieversorgung und über 5 Millionen Euro in den öffentlichen Nahverkehr investiert worden. Bei der Energieerzeugung solle der rechnerische Eigenanteil durch Finanzbeteiligungen an Blockheizkraftwerken und regenerativen Anlagen mindestens 50 Prozent der Vertriebsmenge erreichen. Wechselnde gesetzliche Rahmenbedingungen könnten die Ergebniserwartung allerdings gefährden. Dennoch reiche die erreichte jährliche Einsparung von 30.000 Tonnen CO2, um die Klimaschutzziele für die Stadt sicherzustellen. Smart Meter biete zwar neue Chancen,

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aber auch Risiken im Wettbewerb. Und der Regimewechsel bei den Netzentgelten bringe bundesweit erhebliche regionale Kostenverschiebungen mit sich. Beim Verkehr laufe ein Pilotprojekt „E-Ticketing“. Bis zum Jahr 2030 sollen alle 200 Busse durch elektrische Antriebe ersetzt werden. E-Busse kosteten das Doppelte bei der Anschaffung und setzen eine Ladeinfrastruktur für 40 MW voraus. Die Investitionsbereitschaft bleibe also hoch. In der anschließenden Diskussion wird nach Speicherung gefragt. Power to heat wird kommen, so Schäffner. Sektionssprecher Heinrich Beckmann wirbt um vermehrte Ausschreibungen von Busstrecken. Auf die Frage, wann man über neue Stromtarife endlich Knappheitssig-

Sektionssprecher Heinrich Beckmann (stehend) und Gastgeber Jürgen Schäffner (rechts)

nale zwischen Angebot und Nachfrage vermitteln würde, blieb Schäffner zurückhaltend. Technisch möglich wäre eine 15Minuten-Taktung beim Tarif, ein Wechsel der Tarifstruktur sei derzeit aber nicht in der Planung. Ohne eine solche fehlen Anreize, den Energieverbrauch an den Erzeugungskosten auszurichten. Ohne Knappheitssignale an den Verbraucher kann sich die Energiewende technisch nicht zielführend ■ entwickeln.

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VERANSTALTUNG Sektion Schleswig / Flensburg

BUCHVORSTELLUNG

Donna Leon

Energiewende in Schleswig-Holstein richtig machen

Kandidat zur Wahl des Ministerpräsidenten: Daniel Günther aus Eckernförde

Daniel Günther MdL, Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU Schleswig-Holstein, stellte auf Einladung der Sektion Schleswig/Flensburg im Historischen Krug in Oeversee energiepolitische Zielsetzungen vor. Text: Dr. Bertram Zitscher

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in weiterer Ausbau der Windkraft erfordere Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Landesregierung habe diese durch das Aufgeben der Windstärke als Genehmigungskriterium verspielt. Daher wolle die CDU die Mindestabstände in der Landesplanung an die Anlagenhöhe koppeln und vergrößern. Die betroffenen Kommunen sollen wieder mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten erhalten, wofür allerdings die Privilegierung abzuschaffen wäre. Jedenfalls werde man die Regionalpläne im kommenden Jahr komplett überarbeiten. Darüber hinaus gelte es, die Verbrauchsmöglichkeiten durch den Netzausbau zu verbreitern und über Speicher oder Sektorenkopplung zu flexibilisieren. Vierzig Euro pro Bürger und Jahr an Abschaltungsgebühren für nicht produzierten Strom seien bei steigender Tendenz

jedenfalls politisch zunehmend schwer vermittelbar. Flankierend könne Offshore zukünftig eine noch größere Rolle übernehmen. An den energiepolitischen Mengenzielen für das Land halte er fest. Geschäftsführer Reinhard Andresen von der ARGE Netz, der zusammen mit einer Reihe von Unternehmern aus Nordfriesland angereist war, hielt dem entgegen, dass die Abschaltungsgebühren zuletzt wieder gesunken seien. In der weiteren Diskussion wurde vorgeschlagen, neben dem Naturschutz auch andere Eingriffe z.B. in den Denkmalschutz zu berücksichtigen, so dass der Ausgleich wieder öfter auch den direkt betroffenen Kommunen zugutekommen könne und die Bodenpreise durch die naturschutzausgleichenden Zukäufe nicht noch weiter angeheizt ■ werden würden.

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Stille Wasser Commissario Brunettis sechsundzwanzigster Fall (Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz)

Nach einem Schwächeanfall in der Questura landet Brunetti im Ospedale Civile. Das Räderwerk des Alltags hat ihn zermürbt. Nachdem man ihn krankgeschrieben hat, will der Commissario in der Villa einer Verwandten von Paola zur Ruhe kommen. Wie wunderbar, einmal nicht Verbrechern hinterherzujagen, sondern in ländlicher Idylle seine Gedanken mit den Wolken ziehen zu lassen. Brunetti soll sich in der Lagune erholen. Doch zwischen Bienen und Blumen kommt er einem größeren Fall als je zuvor auf die Spur. Erneut macht die adrette und äußerst rüstige Autorin, die Anfang Juni im Hamburger Thalia Theater eine Leseund Signierstunde absolvierte, die Wirtschaftskriminalität zum Inhalt ihres neuen Romans. Sämtliche 33 Kapitel sind facettenreich und lebhaft geschrieben, sodass sich der Leser schnell durch die Story liest.

Diogenes Hardcover Leinen 352 Seiten (24,00 Euro) ISBN 978-3-257-06988-4 71


LANDESFACHKOMMISSIONEN Energiewirtschaft Hamburg / Schleswig-Holstein

Der Norden als Schrittmacher Die Kommissionen aus Hamburg und Schleswig-Holstein haben zusammen bei der HanseWerk AG in Quickborn getagt. Deren Vorstandsvorsitzender Matthias Boxberger begrüßte als Gastgeber Kanzleramtsminister Altmaier. Vier Impulse hatten die beiden Kommissionen gemeinsam vorbereitet.

Ulf Gehrckens, Vorsitzender der Landesfachkommission aus Hamburg, empfiehlt bei den Netzgebühren Ausnahmeregelungen für energieintensive Unternehmen. Der enorme Anstieg der Netzkosten sei für Industriebetriebe wie Aurubis (Kupferhütte) oder Trimet (Aluminium) kritisch, weil sie im internationalen Wettbewerb stehen und homogene Güter handeln würden. Befreiungen vom EEG seien deshalb für stromintensive Unternehmen überlebenswichtig. Das politische Verständnis dafür sei ohne große Unternehmen in der Handelskammer Hamburg gefährdet. Dr. Bertram Zitscher berichtet von zwei Gießereien in Schleswig-Holstein, die nicht unter die Ausnahmeregelungen des EEG fallen, weil sie betrieblich nicht zu isolieren seien und deshalb die Ausnahmekritierien verfehlten. Gehrckens hält CO2Reduzierungen nicht so einfach machbar. Erdkabel bestehen aus Kupfer, Freileitungen aus Aluminium. Die Verwendung von Abwärme aus der Produktion spare für andere Wärmekraftwerke CO2 ein, dies werde aber nicht vergütet. Das sollte mit dem physikalisch unvermeidlich entstehenden und per Zertifikat zu bezahlendem CO2-Ausstoss verrechnet werden dürfen. Dr. Martin Grundmann, Geschäftsführer der ARGE Netz GmbH, merkt an, dass für die erneuerbaren Energien zukünftig verstärkt Auslandsmärkte gefunden werden müssen. Gesetzliche Regelungen brauchen auch Freiräume. Energieerzeugung und der Verbrauch müssen ins Gleichgewicht gebracht werden. Die erneuer-

Dr. Stefan Liebing Vorsitzender der gastgebenden Landesfachkommission

v.l. Ulf Gehrckens, Minister Peter Altmaier, Dr. Stefan Liebing und Dr. Christian von Boetticher

baren Energien müssten zukünftig einen größeren Beitrag für die Versorgungssicherheit leisten. Das Bundesforschungsprojekt zur norddeutschen Energiewende NEW 4.0 stifte hierfür wertvolle Ansätze. Er empfiehlt der Bundesregierung, diesen industriegetriebenen Ansatz zur Lösung offener technischer Fragen für eine erfolgreiche Energiewende fortgesetzt zu fördern. Der Rahmen einer strategischen Kooperation von Schleswig-Holstein als Windflächenland und Hamburg als Metropole lasse sich schrittweise auf weitere Partner im Norden und am Ende auch auf ganz Deutschland ausweiten.

gemeinsame Sitzung der Landesfachkommissionen Energiewirtschaft Hamburg / Schleswig-Holstein

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LANDESFACHKOMMISSIONEN Energiewirtschaft Hamburg / Schleswig-Holstein

Reinhold von Eben-Worlée, geschäftsführender Gesellschafter der Worlée-Chemie GmbH, merkt an, dass sich die Energiekosten in seinem Unternehmen zunächst fünf-, dann sechs- und jetzt siebenstellig entwickelt hätten. Das Einbremsen der EEG-Kosten sei leider nur bedingt geglückt, was an den hohen „Redispatch“Kosten ablesbar sei. Jetzt würden steigende Netzentgelte hinzukommen. Wenn viel Windkraft zu systematisch höchsten Netzentgelten im Norden führe, könne die Energiewende nicht funktionieren. Bundesweit einheitliche Netzentgelte seien deshalb erforderlich. Herr Dr. Grundmann sieht aufgrund steigender Netzentgelte, trotz des vielen Windstroms, Gefahren einer Verlagerung der Industrie aus dem Norden in den Süden. Wie kann man die Standorte in Schleswig-Holstein davor schützen? Er verweist auf die AGORA-Studie zum Ansatz überall gleicher

Peter Altmaier stellte klar, dass die Energiewende nur gelingen könne, wenn sie wirtschaftlich sei. Konventionelle und erneuerbare Energieerzeugung müssten zusammengeführt werden. Dafür sei die Energieversorgung von zentral auf dezentral umzustellen. Die Wertschöpfung solle in der Region bleiben. Die Anschubhilfe war richtig, ihre Beendigung aber nicht durchdacht. Ein „Ausbaukorridor“ nach Mengen und Preisen sei richtig, weil er Planungssicherheit schaffe. Die Marktintegration der Energieerzeugung über Ausschreibungen sichere die Finanzierbarkeit der Energiewende über die EEG-Umlage. Herkömmliche Reservekapazitäten würden aber weiterhin benötigt werden. Der Lei-

v.l. Dr. Martin Grundmann und Reinhold von Eben-Worlée

v.l. Dr. Andreas Schröter und Prof. Dr.-Ing Frank Osterwald

Reinhold von Eben-Worlée (Worlée Chemie, Hamburg)

Matthias Boxberger (Vorstandsvorsitzender HanseWerk AG)

Netzentgelte. Dr. Christian von Boetticher fordert für die Energiewende ein Zusammenspiel von Produktion und Innovation. Die Netzentgelte in SH seien die höchsten in Deutschland, deshalb brauche man ein „Netzentgeltmodernisierungsgesetz“. Prof. Dr.-Ing Frank Osterwald, Direktor für Forschung und Entwicklung bei Danfoss Silicon Power stellt fest, dass ohne Leistungselektronik keine Windkraftanlage und keine Datenübertragung funktioniere. Zu ihrer Weiterentwicklung seien Innovationen bei Technik und Preisen erforderlich. Dafür wiederum Forschungsgelder vom Land und Bund. Die Kooperation zwischen Industrie und Hochschulen müsse ausgebaut werden. Forschungszentren zögen Firmen nach. Er plädiert für ein Bundesprogramm zu Förderung von exzellenten Fachhochschulen, da

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insbesondere diese ausgestattet werden müssen, um angewandte Forschung mit Industriepartnern vorantreiben zu können.

tungsausbau und der Zubau von Windkraft müsse synchronisiert werden. New 4.0 sei bei der Industrie vorangeschritten, bei der Energiewende noch nicht. E-Mobilität werde zu fahrerlosen Autos führen. Um minus 90 Prozent CO2-Ausstoß bis 2050 zu erreichen, seien Einsparungen beim Energieerzeugen, Verbrauch, bei Gebäuden und der Industrie erforderlich. Der Vorsitzende Dr. Stefan Liebing gibt dem Kanzleramtsminister mit auf den Weg: Die Abstimmung zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein ist nötig. Dabei und bei der technologischen Förderung von Unternehmen aus dem Bereich erneuerbarer Energie haben die Landesregierungen bislang weitgehend versagt. Nur wenn Forschung die Energiewende zum Exportschla■ ger mache, schaffe sie auch Arbeitsplätze.

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VERANSTALTUNG Sektion Kiel

Von den Bayern lernen „Lass Dich nicht von Umfragen leiten!“ Daniel Günther weiß, wovon er spricht. Vor kurzem schossen die Umfragewerte der CDU im Land nach oben, um sofort wieder entsprechend zu fallen. Kandidatenwechsel bei der CDU für die Bewerbung um das Ministerpräsidentenamt und der Schulz-Effekt der SPD hatten gesprochen. Text: Kai Pörksen

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as sind immer Momentaufnahmen“, so Günther. Statt zu denken, alles sei schon gelaufen, solle man die Umfragen sportlich nehmen und bis zum Wahlstichtag kämpfen. Vor allem: einen klaren Kurs fahren und dabei bleiben. Finanzpolitik: „Eine Positionierung ist da nicht ganz leicht, denn man kann das Geld erst verteilen, wenn es auch da ist“, so Günther. Auf jeden Fall müsse man eine vernünftige Wirtschaftspolitik fahren, das sei die Voraussetzung für einen guten Finanzhaushalt. Aktuell sei die Finanzlage im Lande relativ gut, das sei aber nicht ein Erfolg der derzeitigen Regierung, sondern der guten Konjunktur geschuldet. „Wir werden nur versprechen, was wir am Ende auch verwirklichen können“, so Günther. Deshalb gehe er von einem schwächeren Wachstum aus, von einem Drittel des bisherigen Überschusses – also etwa 800 Millionen Euro. Versprechungen sollte man darauf reduzieren, Einsparungen seien weiter nötig.

Bildung: Trotz der zusätzlichen Planstellen habe die sich nicht verbessert. Unterrichtsausfall gebe es nach wie vor in erheblichem Maße, Vertretungslehrer seien nicht in Sicht. Die Hochschulen würden nicht genügend gefördert, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. BAföG vom Land gebe es nicht, Fachkräfte in den MINT-Fächern seien unterrepräsentiert. „Die Wiedereinführung von G9 hat nichts mit einer Störung des Schulfriedens zu tun. G8 war ein Fehler und resultierte aus einer Zeit, als es noch keinen Bachelor- und Masterstudiengang gab“, so der MP-Kandidat. Qualität gehe vor Schnelligkeit, eine Absenkung der Qualität zugunsten von mehr Abiturienten sei ein Irrweg. Bei der damaligen Umstellung von G9 auf G8 seien die Schulen sich selbst überlassen worden. Bei einer erneuten Umstellung müssten sie von Fachkräften flankiert werden. Probleme bereite nach wie vor das Fach Informatik – die Schüler seien da oft

Norbert Basler (re) im Gespräch mit Daniel Günther

den Lehrern voraus. Gemeinschaftsschulen könnten kaum Wahlpflichtfächer anbieten, da sie in der Oberstufe nur noch 25 Schüler in der Stufe hätten. „Ein desolater Zustand ist auch der Krankenstand der Lehrkräfte“, so Günther. Die seien mit den Aufgaben überfordert – die Folge sei oft ein „Burn out“. Infrastruktur: Auf das Thema ging Günther nur am Rande ein, die Probleme seien leidlich bekannt. Ausführlich dazu informierte Hans-Jörn Arp (MdL, CDU) in einer anderen Veranstaltung des Wirtschaftsrates. Günther wies zusätzlich noch auf den dringenden Ausbau der Breitbandversorgung hin, da sonst SchleswigHolstein erhebliche Nachteile gegenüber anderen Bundesländern in Kauf nehmen müßte. „Wir müssen von den Bayern lernen“, so Günther. Förderprogramme sollten helfen, rechtzeitig Planungsreife zu erzeugen. ■

Die Sektion Kiel im Romantik Hotel Kieler Kaufmann

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LANDESFACHKOMMISSION Bildung & Wirtschaft

G9 nicht ohne Einschränkung des Elternwillens

320.000 Besucher:

Museum Barberini Eröffnungsausstellungen mit hervorragenden Besucherzahlen beendet

Dr. Peter Rösner Vorsitzender der Landesfachkommission

Die Kommission hat sich mit vier Punkten tiefer befasst: Meinungsbild G8/G9, WR-Vorschlag Mindestunterrichtgarantie, duale Lehrerausbildung, Wissensprofil für Schulabschlüsse.

Z u G8/G9 befürwortet die Mehrheit der Kommission zwar G9, aber eine geschlossene Rückkehr sei nur vertretbar, wenn der Elternwille nicht mehr alleinentscheidend bei der Schulwahl bleibe. Falls dieser nicht mit der Lehrerempfehlung übereinstimme, wäre ein Test zum Leistungsvermögen des Schülers notwendig, dessen Ergebnis dann entscheiden müsse. Ohne Leistungsdifferenzierung beim Zugang gibt es kein Gymnasium für die studierfähigen Talente. Zur Mindestunterrichtgarantie wird auf die Stellungnahme des Wirtschaftsrates zu den Ergebnissen von PUSH vom 9. Februar und die Podiumsdiskussion des Wirtschaftsrates am 9. März 2017 in der Sektion Pinneberg verwiesen. Zur Lehrerausbildung wird kritisiert, dass der Bachelor in Flensburg nicht fächerbezogen ausgebildet werde. Immerhin gebe es inzwischen ein Praxissemester, d.h. zunächst Hospitation und am Ende eigenständiger Unterricht. Die Berührung mit der Praxis komme aber zu spät und nur halbherzig. Vor der Studienaufnahme wird zudem eine intensivere Beratung der Kandidaten empfohlen. Der Vorsitzende plädiert für einen Aufnahmetest ähnlich wie beim Medizinstudium. Bei seinen Personaleinstellungen könne er nach einer Probestunde vor Schülern sofort sagen, ob ein Kandidat für den Schuldienst geeignet sei. Die Hochschulen sollen ermutigt werden, schnell eine mögliche Eignung festzustellen und Testmethoden dafür zu entwickeln und zu überprüfen. Insgesamt wird eine fehlende Transparenz bei der Kultur des Austauschs von Lehrkonzepten bemängelt. Transparenz und Offenheit sollten hierzu vorherrschen. Zu den Curricula der Schulabschlüsse wird beschlossen, Langzeitergebnisse aus Personalabteilungen von Unternehmen zu Bewerbern in Schleswig-Holstein in der Kommission vorzustellen und auf dieser Grundlage Empfehlungen abzuleiten. ■

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Ab 17. Juni bis 3. Oktober: Neue Sonderausstellung Amerikanische Moderne Seit Eröffnung des Museums Barberini zu Beginn dieses Jahres hält der Besucherandrang unvermindert an. Die Sonderausstellungen zum Impressionismus und zur Klassischen Moderne mit 170 Werken sahen bis zum 28. Mai 2017 mehr als 320.000 Besucher. Bei einer Laufzeit von 112 Tagen wurden rund 1.480 Führungen und Workshops durchgeführt, davon 220 für Schulklassen- und Kindergartengruppen sowie 190 Öffentliche Führungen. Darüber hinaus sind fast 30.300 Jahreskarten verkauft worden. Die preisgekrönte Museums-App wurde 37.800 Mal heruntergeladen und die Social Media Portale des Museums verzeichnen stetig wachsende Followerzahlen. Alle Zeitfenster-Tickets der letzten Ausstellungswochen, in denen bei verlängerten Öffnungszeiten täglich geöffnet war, waren frühzeitig ausgebucht. Mit mehr als 320.000 Besuchern in vier Monaten gilt die Neugründung des Museums Barberini als Meilenstein in der Museumslandschaft. Damit übersteigt der große Zuspruch alle Erwartungen der Museumsleitung. Die Neugründung des Potsdamer Museums ist eine Initiative des SAP-Mitbegründers Prof. Dr. h.c. mult. Hasso Plattner und präsentiert unter der Leitung der Direktorin Dr. Ortrud Westheider Ausstellungen in internationalen Kooperationen. „Wir hatten mit vielen Besuchern gerechnet, aber einen solchen Ansturm hatten wir nicht erwartet. Das ist natürlich das schönste Willkommensgeschenk, dass wir hier in Potsdam bekommen können,“ äußerte sich Dr. Ortrud Westheider zum Abschluss der jetzigen Ausstellungen. Vom 17. Juni bis zum 3. Oktober 2017 präsentiert das Museum in Zusammenarbeit mit der Phillips Collection, Washington, D. C. sein erstes internationales Kooperationsprojekt. Die Ausstellung: Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne widmet sich der Entwicklung der amerikanischen Kunst vom Impressionismus bis zum Abstrakten Expressionismus. Die Phillips Collection schickt dafür erstmals 68 Werke der frühen Amerikanischen Moderne nach Deutschland. www.museum-barberini.com/presse 75


AKTUELLES Sektion Kiel

Glaube, Hoffnung, Liebe Dritter Deutsch-Russischer Empfang auf der Kieler Woche im Hause Wiegert, Werner & Partner Text: Kai Pörksen

„Es wird schon.“ Dieser Satz beschreibe, so Dr. Helena Melnikov vom DeutschRussischen Forum, die typische Charaktereigenschaft der Russen, mit viel Geduld auf eine Lösung zu warten. Auf dem dritten Deutsch-Russischen Kieler-WocheEmpfang des Wirtschaftsrates der CDU e.V. im Hause Wiegert, Werner & Partner in Kiel ging es um das offiziell schwierige Verhältnis der beiden Länder. Inoffiziell und auf unteren Ebenen, so zeigte sich, laufe es besser.

Kiels Bundestagsabgeordneter Thomas Stritzl

Geladen war neben Melnikov der Hauptgast des Abends, Dr. Vladimir Belov, Direktor des Zentrums für Deutschlandforschungen und stellvertretender Direktor für wissenschaftliche Arbeit am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Beide, Melnikov und Belov, wünschten sich ein wenig mehr Gelassenheit im Umgang der beiden Staaten miteinander. Nächster Prüfstein könne der G20-Gipfel in Hamburg sein, so die dort lebende Melnikov. Sie erwarte eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Ost und West. Veranstaltungen wie die des Wirtschaftsrates würden beim Ideenaustausch und deren Umsetzung sehr helfen. „Glaube, Hoffnung, Liebe“, zitierte Belov aus einem russischen Gedicht, das seien wesentliche Bestandteile des Umgangs verschiedener Staaten miteinander. Humorvoll erinnerte der Russe an die

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Robert Vollborn, stv. Stadtpräsident Stadt Kiel

Landung von Matthias Rust auf dem Platz vor dem Kreml im Jahr 1987: „Da wurden die Gullideckel zugeschweißt, weil man befürchtete, nun kämen die Deutschen auch mit U-Booten in die Moskauer Innenstadt.“ Es habe Misstrauen geherrscht in jener Zeit. Doch immerhin wurde in dieser Zeit auch das Europainstitut gegründet, langsam Vertrauen aufgebaut. Allerdings: Vertrauen baue auf Verlässlichkeit, und dazu gehöre auch, Versprechen einzuhalten. Der Westen habe die gebrochen, indem entgegen der Vereinbarung die Nato gen Osten erweitert worden sei. Die Befürchtungen und Ängste der Russen seien nicht wahrgenommen worden. Russland habe sich wie eine umlagerte Festung gefühlt. „Wenn der Umgang miteinander in den vergangenen 20 Jahren anders gewe-

Treffen im Kieler Rathaus v.l. Jens Broder Knudsen, Dr. Helena Melnikov, Ivan Khotulev, Stadtpräsident Hans-Werner Tovar, Dr. Vladislav Belov, Dr. Cordelia Andreßen, Nadine Sydow und Sektionssprecher Reimer Tewes

sen wäre, der Ukrainekonflikt hätte anders ausgehen können“, so Belov. Der Dialog solle wieder aufgenommen werden, statt weiter mit den Säbeln zu rasseln. Doch ganz so düster sah Belov das deutsch-russische Verhältnis jedoch nicht unbedingt. Die Energielieferungen klappten reibungslos, Deutsche hätten in den vergangenen Jahren knapp vier Milliarden Euro in Russland investiert. Das deutschrussische Verhältnis sei gut, Vertrauen wieder da. Jedoch das Verhältnis Europa-Russland dagegen: angespannt. Da liege der Ball bei der EU. Dass die Annahme des Balls jedoch nicht so einfach sei, machte der Bundestagabgeordnete Thomas Stritzl (CDU) in seinem Grußwort klar. „Deutschland kann keine Alleingänge machen“, so Stritzl, es sei eingebettet in die Europäische Gemeinschaft. Sanktionen einseitig aufheben gehe deshalb nicht. Zudem sei es auch wichtig, gegenüber dem Verhandlungspartner die eigenen Positionen klar zu markieren.

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AKTUELLES Sektion Kiel

v.l. Sophie Paul und Finn Plotz knüpfen Kontakte für die Moskaureise des Jungen Wirtschaftrates

Essen mit Dr. Vladislav Belov im Föhrde-Club Kiel e.V.

v.l. Jens Broder Knudsen, Ivan Khotulev, Dr.Vladislav Belov sowie Reimer Tewes

v.l. Hans-Jörn Arp MdL, Reimer Tewes, Sophie Paul, Norman Leiser und Johannes Biermann-Ratjen

Gelöste Stimmung über den Dächern von Kiel: Die Kanzleiterrasse Wiegert Werner & Partner

Der Ukrainekonflikt habe auch Ängste in Europa ausgelöst, vor allem in den östlichen Ländern der EU. Da gebe es eine hohe Sensibilität. Die Annektierung der Krim habe viel Schaden angerichtet, denn die Anerkennung bestehender Grenzen sei unabdingbar für gegenseitiges Vertrauen. Und: „Die Wurzeln der Demokratie sind freie und geheime Wahlen. Sollte es da eventuelle Beeinflussungen von außen geben, ist das eine Katastrophe für zukünftiges gegenseitiges Vertrauen.“ Gibt es ein Sonderverhältnis zwischen Deutschland und Russland? „Ja“, so Stritzl,

Minister a.D. Klaus Buß, Dr. Benjamin Pfannkuch und Minister a.D. Jost Jager

er sehe da gemeinsame Seelenklänge. Auch Europa habe Fehler gemacht. „Wir brauchen ein neues Denken“, betonte der Bundestagsabgeordnete, Vertrauen müsse neu begründet werden. Auf keinen Fall sollte man im Nebel miteinander herumspielen, sondern gegenseitig für Klarheit sorgen. Gastgeber Christian Wiegert sah Licht am Horizont: „Was die große Politik bisher nicht schafft – in den unteren Ebenen funktioniert der Dialog.“ Russland habe sein eigenes Gesicht. Das gelte es zu respektieren. ■

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Klaus Schütt im Gespräch mit dem Kieler Bundestagsabgeordneten Thomas Stritzl

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AKTUELLES Landesverband Schleswig-Holstein

Strahlender Sonnenschein und über der Kieler Förde Die traditionelle Regattabegleitfahrt des Landesverbandes zur Eröffnung der Kieler Woche hätte kaum besser ausfallen können. Allerbestes Segelwetter und eine politisch gutgelaunte Gesellschaft begleiteten das Salonschiff Stadt Kiel zu den unterschiedlichen Regattafeldern. Text: Dr. Bertram Zitscher

Jour-Fix zum Kieler Woche-Auftakt: Die Charter der MS Stadt Kiel

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hrengast war der langjährige Europaabgeordnete Reimer Böge, der berichtete, dass die europäische Großwetterlage nach stürmischen Monaten zu einem konstruktiven Zusammenraufen geführt habe. Europa sei eingekreist von Erdogan, Putin und Trump und stünde mit dem Brexit zugleich vor inneren Separationsprozessen, wobei die englische Position zunehmend unberechenbar erscheine. Der Landesvorsitzende Dr. von Boetticher, der an Bord auch die Bundestagsabgeordneten Thomas Stritzl und Alexandra DingesDierig sowie aus Bayern Reiner Meier begrüßen konnte, bat die Teilnehmer um einen kurzen Moment des Gedenkens an

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Hart am Wind

den am Vortag verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl. Das Denken an die Geschichte von Europa und aktuelle Sorgen wich aber zunehmend den aufregenden Eindrücken schiefliegender Rennyachten und Großsegler, die Richtung Innenförde über das Wasser jagten, bevor dann die von Jens Otto Leisse fachmännisch moderierten Regattawettbewerbe in den Vordergrund traten. Die Politik kam dabei selbstverständlich auch nicht zu kurz angesichts der Kursrichtung Jamaika, dessen Seekarte in Form eines Koalitionsvertrags gerade für Schleswig-Holstein festgezurrt worden ■ war.

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AKTUELLES Landesverband Schleswig-Holstein

eine gute Brise Dr. Christian von Boetticher überreicht einen edlen Tropfen an den Europaabgeordneten Reimer Böge

Joachim Wieland und Aygül Özkan aus Hamburg

Tobias Frederik Langer und Leif-Birger Hundt

Peter Becker, Ehrhard J. Heine sowie Claudia und Dr. Thomas Ebel

Monika und Dr. Ralf Ennenbach und Dr. Cordelia Andreßen

Dr. Ernst Werdermann im Gespräch mit Nicole Weich und Jette Grimm

Dr. Christian von Boetticher im Austausch mit Yvonne und Hans-Werner Blöcker

Dr. Bertram Zitscher mit Tochter Ingrid

Politiker „unter sich“: Thomas Stritzl und Alexandra Dinges-Dierig

Lucas Greiner und Albert Zitscher freundeten sich an

Doris Heldt hält schöne Momente fest

Sogand Matinfar und Werner Schmidt

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VERANSTALTUNG Sektion Herzogtum Lauenburg

Innere Sicherheit: Wie kann der Markt helfen? Die Sektion Herzogtum Lauenburg hat Dr. Axel Bernstein als innenpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion nach Mölln eingeladen, um mögliche Beiträge der Wirtschaft zur Wahrung der inneren Sicherheit zu diskutieren.

Dr. Bernstein MdL umreißt das Problem einführend: Das Ansteigen der Einbruchskriminalität und die niedrige Aufklärungsquote lockten professionelle Banden nach Schleswig-Holstein. Sektionssprecher Freiherr Rudolph von Schröder stellt dazu fest, dass der Rückzug der Polizei aus der Fläche das Sicherheitsempfinden weiter beeinträchtige. Um die Probleme besser zu lösen, sollten eine bessere Zusammenarbeit mit den Unternehmen, aber auch die Nutzung technischer Inno-

Netzwerk für den Dialog von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Seit 1922. Mit Veranstaltungen zu aktuellen und relevanten Themen verbinden wir Personen und Interessen. Engagieren Sie sich mit uns für Wissenschaft in Hamburg – Werden Sie Mitglied!

Telefon 040 44 73 27 www.uni-gesellschaft-hh.de

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Text: Dr. Bertram Zitscher

Jungunternehmer Finn Plotz, VION Technology GmbH, und Lutz Kleinfeldt, Lübecker Wachunternehmen Dr. Kurt Kleinfeldt GmbH Dr. Axel Bernstein MdL (stehend)

vationen aus der Privatwirtschaft helfend in Betracht gezogen werden. Beispielhaft stellt anschließend Jungunternehmer Finn Plotz ein neues Konzept für einen Alarmknopf vor, der überall haftend bei Berührung alle wichtigen W-Fragen über eine Zentrale an die zuständige Polizeidienstelle übermittelt. Damit könnten in der Prozesskette wichtige Minuten gespart werden. Bürger ohne ständigen Zugriff auf ihr Telefon würden sich in ihren Wohnungen sicherer fühlen. Außerdem steige die Aufklärungsquote. Bei nicht wenigen Einbrüchen sei der Bewohner im Haus. Lutz Kleinfeld, Chef eines Lübecker Wachunternehmens, sieht Potentiale in der Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsunternehmen. Das gelte nicht nur

für kritische Infrastrukturen. Allein sein Unternehmen habe mehr mobile Teams nachts auf den Straßen der Region als die Polizei. Auch wäre zu überlegen, ob ausgebildete, private Sicherheitskräfte nicht mehr Rechte als die für Jedermann verliehen bekommen können. Wenn die objektive Sicherheitslage sich in Deutschland weiter verdüstere, so abschließend der Sektionssprecher, müsse man sich Neues einfallen lassen, um nicht das grundlegende Vertrauen in den Rechtsstaat aufs ■ politische Spiel zu setzen.

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AKTUELLES Aus der Landesgeschäftsstelle

Im Übrigen...

Die Sektion Stormarn besucht Dirk Dingfelder am Stammsitz in Ammersbek. Seine D+H Mechatronic AG ist weltweit Marktführer hochwertiger Entlüftungskonzepte für den Brandschutz von Immobilien

Tobias Loose erläutert bei der Sektion Neumünster die Ziele der Bildungspolitik nach einem Regierungswechsel

Die Landtagskandidaten Andreas Hein für DithmarschenSchleswig und Volker Nielsen für Dithmarschen-Süd stellten sich bei der Sektion Dithmarschen im Hause TC Hydraulik Fluid Connectors in Heide vor

„Mehr Soziale Marktwirtschaft wagen!“ forderte der Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Dr. Carsten Linnemann MdB bei seinem Besuch der Sektion Neumünster

Dr. Stefan Liebing, geschäftsführender Gesellschafter der Conjuncta GmbH, wurde für den Landesverband Schleswig-Holstein neu in den Bundesvorstand gewählt und tritt damit die Nachfolge von Norbert Basler an.

Würdigung der Sektion Kiel Zwei Jahrzehnte führt Reimer Tewes als Sprecher schon die mitgliederstärkste Sektion des Wirtschaftsrates in Schleswig-Holstein und sie in dieser Zeit weit über hundert Mal vertreten, nur zu der Ehrung der Sektion für ihre vorbildliche Arbeit machte ihm sein Kalender einen Strich durch die Rechnung. Frau Dr. Cordelia Andreßen freute sich, als Mitglied des Sektionsvorstandes die Ehrung durch den Vizepräsidenten Prof. Hans Helmut Schetter.

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Dr. Stefan Liebing ist Mitglied des Landesvorstandes und Vorsitzender der Kommission Energiewirtschaft des Wirtschaftsrates in Schleswig-Holstein. Seit dem Jahr 2012 ist er in ehrenamtlicher Funktion zudem Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft e.V.

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IMPRESSUM

VERANSTALTUNGSVORSCHAU

MAI JUNI JULI AUGUST SEPTEMBER OKTOBER NOVEMBER DEZEMBER

Änderungen vorbehalten 4. Juli 2017 | Lübeck Joanna Glogau, Bausenatorin der Hansestadt Lübeck „Verkehrsplanung und Gewerbeflächen für die Hansestadt Lübeck“ 5. Juli 2017 | Kiel Dr. Gaby Schäfer, Präsidenten Landesrechnungshof Schleswig-Holstein „Wer löst die Haushaltsprobleme SchleswigHolsteins?“ 6. Juli 2017 | Kiel Thomas Stritzl MdB, Mitglied des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag Bernd Szukay, Prokurist der Wärtsilä ELAC Nautic GmbH „Deutsche Wehrtechnik – Quo vadis?“ 11. Juli 2017 | Gut Rixdorf Werner Schwarz, Bauernpräsident Schleswig-Holstein Sönke Huesmann, Landwirtschaftlicher Berater, GBB – GesamtBetriebsBeratung „Die Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein“ 12. Juli 2017 | Lübeck Junger Wirtschaftsrat Norbert Basler, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der BASLER AG Olaf Birkner, Gründer verschiedener Internetunternehmen Moritz von Grotthus, Geschäftsführer der gestigon GmbH Moderation: Lars Osterhoff, Vorsitzender des Jungen Wirtschaftsrates SH „Erfolgsfaktoren für einen Gründerstandort Schleswig-Holstein aus der Sicht von Investoren“

20. Juli 2017 | Tremsbüttel Stormarner Wirtschaftsforum „Chance Digitalisierung“ Norbert Basler, Aufsichtsratsvorsitzender der BASLER AG und Präsidiumsmitglied des VDMA – Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. Norbert Brackmann MdB, Obmann der Unionsfraktion im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags Samuel Brinkmann, Gründer und Geschäftsführer der Coding World UG Thomas Losse-Müller, Leitender Wissenschaftler, Hertie School of Governance 7. September 2017 | Lübeck Prof. Dr. Claudia Schmittke, CDU-Direktkandidatin für den Deutschen Bundestag, „Bundespolitische Zielsetzungen“ 8. September 2017 | Eutin Frank Pörschmann, Geschäftsführender Gesellschafter der iDIGMA GmbH „Technologischer Wettbewerb digitaler Wählerbeeinflussung“ 18. September 2017 | Kiel Podiumsdiskussion zur 1. Digitalen Kieler Woche „Digitalisierung der Meere – Bestandsaufnahme, Perspektiven und Visionen“ 29. September 2017 | Lübeck Kathrin Weyer, Kandidatin zur Oberbürgermeisterwahl Lübeck Jan Lindenau, Kandidat zur Oberbürgermeisterwahl Lübeck „Prioritäten für die Hansestadt Lübeck“ 30. September bis 4. Oktober 2017 Junger Wirtschaftsrat Delegationsreise nach Moskau/Russland

IMPRESSUM Herausgeber, V.I.S.d.P. Wirtschaftsrat der CDU e.V. Landesverband Hamburg Hauke Harders Landesgeschäftsführer Colonnaden 25/II. Stock 20354 Hamburg Tel.: 040-30 38 10 49 Fax: 040-30 38 10 59 E-Mail: LV-HH@wirtschaftsrat.de Landesverband Schleswig-Holstein Dr. Bertram Zitscher Landesgeschäftsführer Kleiner Kuhberg 2-6, 24103 Kiel Tel.: 0431-67 20 75 Fax: 0431-67 20 76 E-Mail: LV-S-H@wirtschaftsrat.de www.wirtschaftsrat.de

Redaktion Felicia Grosse, Jennifer Hake, Hauke Harders, Ehrhard J. Heine, Saskia Kredig, Hauke Meisner, Kai Pörksen, Dr. Barbara Rodewald, Christian Ströder, Dr. Bertram Zitscher Erscheinungsweise: 4 x pro Jahr Auflage: 5.000 Exemplare

Herstellung und Anzeigen copy-druck Gesellschaft für Digital- und Offsetdruck mbH Neumann-Reichardt-Straße 27-33 (Haus 21) 22041 Hamburg Telefon: +49 (0) 40 - 689 45 45 Telefax: +49 (0) 40 - 689 45 444 E-Mail: info@copy-druck.de www.copy-druck.de Satz/Layout: Wolfgang Schlett, KGV

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Das nächste Heft erscheint im September 2017

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