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1963–2013
JAHRE
Empfehlungen für das Regierungsprogramm 2013-2017
Mut zu einem starken Wirtschaftsstandort Deutschland
DIE STIMME DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT
Mut zu einem starken Wirtschaftsstandort Deutschland Mit dem Ausgang der Bundestagswahl haben die Bürgerinnen und Bürger einer leistungsfeindlichen Umverteilung und einer bevormundenden Verbotspolitik eine klare Absage erteilt. Gleichzeitig kann die bürgerliche Regierungskoalition nicht fortgesetzt werden. Unabhängig davon, welche Regierungskonstellation sich durchsetzt, erwarten die Bürger und Unternehmer dringend überzeugende Antworten auf die geradezu historischen Herausforderungen dieser Legislaturperiode. Nur mit einer stabilen Regierungsmehrheit können die Überwindung der EU-Schuldenkrise, die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende und die demografiefeste Gestaltung unserer sozialen Sicherungssysteme gelingen. Die Koalitionsvereinbarungen der neuen Bundesregierung entscheiden darüber, ob es mit Deutschland wirklich weiter aufwärts geht und unser Land der Stabilitätsanker in Europa bleibt. Umso wichtiger ist es, dass gerade die Unionsparteien sich auf ihren wirtschaftspolitischen Markenkern besinnen und keine Kompromisse bei der Stärkung des Industriestandortes Deutschland eingehen. Der nächste Koalitionsvertrag muss den Geist der Sozialen Marktwirtschaft glaubhaft in sich tragen. Gerade unter den neuen politischen Kräfteverhältnissen ist die Politik auf den Sachverstand und die Erfahrung der Wirtschaft dringend angewiesen. Der Wirtschaftsrat ist deshalb wichtiger denn je. Mit breiter und maßgeblicher Unterstützung seiner Fachkommissionen und Expertengremien haben wir die vorliegende Agenda für das Regierungsprogramm entwickelt. Der Wirtschaftsrat fordert die neue Bundesregierung auf, in den ersten 100 Tagen ein mutiges Sofort- Programm für Wachstum, Stabilität und Innovation umzusetzen. Folgende Schwerpunkte müssen von Anfang an entschlossen angepackt werden. O Erneuerbare Energien-Gesetz grundlegend und marktwirtschaftlich umgestalten! O ‚Hilfen nur gegen Reformen‘ als Kernprinzip der europäischen Rettungspolitik beibehalten! O Abmilderung der kalten Progression in der Einkommensteuer endlich umsetzen! O Föderalismuskommission III zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einsetzen! O Verkehrswegefinanzierung durch Zweckbindung und Überjährigkeit der Mittel sicherstellen! O Soziale Sicherungssysteme durch Ausbau der Kapitaldeckung und mehr Eigenvorsorge zukunftsfest
machen!
O Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung steuerlich fördern! O Ständigen Ausschuss für den Wachstums- und Beschäftigungstreiber Internet und digitale Wirtschaft im
Bundestag einrichten!
Damit Deutschland auch in Zukunft wirtschaftlich stark bleibt, brauchen wir Mut zu Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft. Der Wirtschaftsrat wird sich auch in der nächsten Legislatur mit der Expertise und Erfahrung seiner rund 12.000 Mitglieder als starke Stimme der Sozialen Marktwirtschaft einbringen. Berlin, im September 2013
Prof. Dr. Kurt J. Lauk Präsident
Wolfgang Steiger Generalsekretär 3
Schnellübersicht I.
Europa stärken, Abstieg in die Schuldenunion beenden! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
II. Haushalt konsolidieren, Ausgaben kürzen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Steuersystem vereinfachen, Mehrbelastungen verhindern!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 IV. Verstaatlichungen auf Kosten des Mittelstands stoppen!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 V. Energiewende auf ein marktwirtschaftliches Fundament stellen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 VI. Neue Balance zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitik schaffen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 VII. Fachkräftebedarf sichern, Tarifautonomie erhalten, Alterssicherung zukunftsfest gestalten!. . . . 26 VIII. Qualität, Wirtschaftlichkeit und IT-Effizienz des Gesundheitssystems vorantreiben! . . . . . . . . . . . . 30 IX. Investitionsprogramm für Verkehrsinfrastruktur starten!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 X. Markt statt Mietpreisbremse durchsetzen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 XI. Attraktivität des Forschungs- und Innovationsstandorts verbessern! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 XII. Wachstumstreiber Internet entfesseln!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
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I. Europa stärken, Abstieg in die Schuldenunion beenden! Deutschlands Zukunft heißt Europa. In einer Welt neuer Kraftzentren, werden wir unsere freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nur mit einem starken Europa verteidigen können. Die EU-Schulden- und Vertrauenskrise hat jedoch auf dramatische Weise gezeigt, dass das Haus Europa dringend renovierungsbedürftig ist. Zentrale Stützpfeiler wie der Stabilitätspakt und der Ausschluss der gegenseitigen Haftung haben sich als brüchig erwiesen. Die verantwortungslose Misswirtschaft in einzelnen Mitgliedsländern hat die Statik des gesamten Gebäudes ins Wanken gebracht. Gerade Deutschland muss sich offensiv seiner Führungsverantwortung bei der Sicherung des Euro und der Stärkung des Ordnungsrahmens der EU stellen. Zum einen sind wir als Vorbild gefordert, in der Schicksalsfrage der Konsolidierung der europäischen Haushalte dringend selbst Kurs zu halten. Zum anderen geht es darum, gemeinsam mit den europäischen Partnern eine klare Perspektive nach vorne zu entwickeln. Umso wichtiger ist es, Sparmaßnahmen mit einer spürbaren Wachstumsdynamik zu verbinden. Keineswegs sind damit massive Konjunkturpakete auf Pump gemeint. Nicht Aufgaben und Ausgaben der Staatsmacht müssen in der Krise wachsen, sondern vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften gilt es zu steigern. Zudem muss durch eine wirkungsvolle Finanzmarktregulierung der Teufelskreis zwischen Banken und Staatsschulden durchbrochen werden. Die europäische Gemeinschaft hat bereits wichtige Maßnahmen für mehr Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit ergriffen. Die Einführung von Schuldenbremsen, die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Koordinierung und die Schaffung der Grundlagen für eine Bankenunion können bei richtiger Ausgestaltung entscheidende Bausteine für eine neue Stabilitätsunion sein. Vor dem Hintergrund dieser fundamentalen Veränderungen gilt es mehr denn je, die Bürger auf den Weg der Erneuerung mitzunehmen. Grundsatzfragen über die Weiterentwicklung der europäischen Institutionen, die Vertiefung der Integration oder die Beseitigung des Demokratiedefizits müssen von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gemeinsam erstritten werden. Wir brauchen eine leidenschaftliche Debatte über die Zukunft der EU. Nur so können wir dem europäischen Projekt wieder Herz und Seele geben. Eine neue EU-Stabilitätskultur benötigt folgende Leitplanken:
1. Abrutschen in eine Transferunion verhindern!
Zukunftssichere Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum entstehen nicht durch Geld der Notenbank, europäische Umverteilung oder staatliche Konjunkturprogramme. Die Probleme unzureichender Wettbewerbsfähigkeit können dauerhaft nur durch Reformen in den jeweiligen Ländern gelöst werden. Es gilt deshalb, das Prinzip der Eigenverantwortung, das in der Krise aufgeweicht wurde, wieder zu stärken und weiterzuent wickeln. Die bewährte strikte Konditionalität muss als Kernelement der Rettungspolitik dringend beibehalten werden. Finanzhilfen müssen immer auch verbindlich an die Umsetzung von Reformprogrammen geknüpft sein. Eine gesamtschuldnerische Haftung über Eurobonds, ein gemeinsames EU-Einlagensicherungssystem, eine Banklizenz für den ESM oder einen Altschuldentilgungsfonds darf es nicht geben.
2. Stabilitätsregeln strikt einhalten!
Der gehärtete Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie die im Fiskalpakt vereinbarten Schuldenbremsen sind Schritte zu mehr Verbindlichkeit in Europa. Die bloße Existenz der verschärften Regeln genügt jedoch nicht. Vertrauen entsteht nur, wenn die neuen Regeln auch konsequent angewandt und gelebt werden. Umso wichtiger ist es, dass die Ermessensspielräume nicht gleich zu Beginn bis an die Grenze ausgereizt werden. Es widerspricht dem Geist der Vereinbarungen, wenn die strukturellen Konsolidierungsanforderungen regelmäßig geschwächt und in die Zukunft verschoben werden. Eine Abweichung von den im Stabilitätspakt vorgesehenen Anpassungsfristen darf deshalb nur in absoluten Ausnahmefällen gewährt werden. Stattdessen muss gelten, dass Regelverletzungen künftig hart sanktioniert werden. Die Möglichkeiten zur Überwachung und Überprüfung der nationalen Haushalte durch die Europäische Kommission müssen entsprechend gestärkt werden. Zudem ist es notwendig, innerhalb 7
der Eurozone ein Umschuldungsverfahren für Staaten zu entwickeln, die ihre Schulden nicht mehr tragen können. Nur wenn es gelingt, einen verbindlichen europäischen Ordnungsrahmen zu schaffen, der Disziplin und Wachstum verbindet, kann die Schulden- und Vertrauenskrise überwunden werden. Möglichkeiten für nachhaltige Wachstumsimpulse gibt es genug. Gerade in der Vollendung des Binnenmarkts liegen noch gewaltige Potenziale. Ein wirklich offener Dienstleistungssektor könnte das reale BIP der EU um bis zu 2,6 Prozent jährlich steigern. Um der hohen Jugendarbeitslosigkeit entgegenzutreten, muss auch die Liberalisierung der Arbeitsmärkte vorangetrieben werden. Es gilt, das deutsche duale Ausbildungssystem zum Exportschlager zu machen. Die von der EU vorgeschlagenen staatlich finanzierten Beschäftigungsprogramme entfachen dagegen lediglich Strohfeuereffekte und verschärfen die ohnehin angespannte Lage der nationalen Haushalte.
nicht lösen, da die zugrunde liegenden Probleme keine geldpolitischen sind. Die Strukturprobleme müssen in den jeweiligen Ländern selbst angegangen werden. Wenn Zentralbankhilfen den Reformdruck von der Politik nehmen, wird die Überwindung der Krise erschwert und die Unabhängigkeit der EZB gefährdet. Deshalb dürfen die Rettungseinsätze der EZB nicht zum Dauerzustand werden. Die EZB muss strikt der Geldwertstabilität verpflichtet bleiben. Eine Monetarisierung der Staatsschulden wäre eine demokratisch nicht legitimierte Enteignung der Sparer. Schon Ludwig Erhard wusste, dass Soziale Marktwirtschaft ohne eine konsequente Politik der Preisniveaustabilität nicht denkbar ist. Gerade in einer Zeit, in der die EZB in einen Grenzbereich ihres Mandats vorgestoßen ist, gilt es, die Transparenz der Entscheidungen zu erhöhen. Die Offenlegung der Sitzungsprotokolle des EZB-Rats muss verbindlich werden und sichtbar machen, mit welchen Argumenten um die Entscheidungen gerungen wird. Eine solche Rechenschaft würde das Vertrauen in das Euro-System stärken.
4. Mittel der EU-Strukturpolitik zielgerichtet zur Stärkung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkei t einsetzen!
6. „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ zum Leitmotiv bei der Einführung einer EU-Bankenunion machen!
3. Weichen konsequent auf Wachstum stellen!
Die Regionalförderung macht über ein Drittel des EUHaushalts aus. Die bisherige Kohäsionspolitik zur Festigung des inneren wirtschaftlichen Zusammenhalts der EU hat jedoch kläglich versagt. Umso dringender braucht es eine entschlossene Neuausrichtung. Es hat sich gezeigt, dass die Subventionen in der Vergangenheit mehr die Ursachen für die Probleme als Teil der Lösung gewesen sind. Die Daueralimentierung hat zu wirtschaftlichen Fehlentwicklungen geführt und dafür gesorgt, dass zu viel in den Konsum anstatt in wettbewerbsfähige Technologien investiert worden ist. Fördermittel der EU müssen deshalb künftig an Projekte gekoppelt werden, die die Wettbewerbsfähigkeit steigern und Arbeitsplätze schaffen. Entsprechende Erfolgskontrollen müssen regelmäßig durchgeführt werden.
5. Zur strikten Trennung von Geld- und Fiskalpolitik zurückkehren!
Das massive Eingreifen der Europäischen Zentralbank hat den Krisenländern Zeit gekauft. Gleichzeitig haben die Anleihekäufe das Mandat der EZB aufs Äußerste gedehnt. Die Notenbank kann die Krise jedoch 8
Die geplante Bankenunion ist ein wichtiger Baustein, um die europäische Integration weiter voranzutreiben. Eine starke einheitliche Aufsicht macht das europäische Finanzsystem stabiler und krisenfester. Entscheidend ist auch hier, dass durch die zusätzlichen Verantwortlichkeiten der EZB als Bankenaufsicht keine Interessenkonflikte mit der geldpolitischen Kernaufgabe entstehen. Umso wichtiger ist es, von Beginn an eine klare institutionelle Trennung zu schaffen. Zudem kommt es darauf an, dass die Bankenunion nicht missbraucht wird, um bereits in der Vergangenheit entstandene Risiken durch die Hintertür zu vergemeinschaften. Altlasten in den Bankbilanzen müssen deshalb mithilfe einer gründlichen Überprüfung identifiziert werden. Verluste, die unter nationaler Aufsicht entstanden sind, müssen auch auf nationaler Ebene bereinigt werden – von den jeweiligen Heimatländern der Banken. Erst nach einer vollständigen und sorgfältigen Bestandsaufnahme der Bankbilanzen darf die Aufsicht auf die europäische Ebene verlagert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Banken, die unter EZB-Aufsicht gestellt werden, auch solide aufgestellt sind. Bei den weiteren Bausteinen einer Banken
union - den gemeinsamen Abwicklungsfonds und der europäischen Einlagensicherung – gilt es, zunächst überzeugende nationale Systeme mit einheitlichen Mindeststandards zu entwickeln. Klar ist: Jeder Mechanismus muss auch künftig parlamen tarisch durch diejenigen kontrolliert werden, die am Ende zahlen.
von Transaktionen generell zu erhöhen. Eine Steuer könnte etwa auf wenig regulierte Märkte oder auf reine Spekulationsprodukte angewendet werden. Die Verlagerung solcher Geschäfte auf die regulierten Märkte würde einen wichtigen Beitrag zur wirkungsvollen Krisenprävention leisten.
7. Teufelskreis von Banken und Staats schulden durchbrechen!
Die bisherige Annahme, Staatsanleihen seien absolut risikolos, ist in aller Deutlichkeit widerlegt worden. Auch bei Staatsanleihen muss deshalb gelten: Höhere Risiken müssen mit mehr Kapital unterlegt werden. Die geltende Nullgewichtung von Staatsan leihen hat Fehlanreize gesetzt und die unheilvolle Rückkopplung von Staaten auf Banken gefördert. Staatsanleihen sollten mittelfristig so behandelt werden wie andere Anleihen oder Kredite an Unternehmen. Durch eine angemessene Risikogewichtung würden die Renditen bei unsoliden Staaten steigen und sich deren Refinanzierung verteuern. Der Marktmechanismus würde diese Regierungen so zu einer größeren fiskalischen Disziplin anhalten. Um Finanzierungsprobleme einzelner Länder vorzubeugen, müssen intelligente Übergangsfristen definiert werden. Durch Großkreditgrenzen für einzelne staatliche Schuldner, gilt es zudem, die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber Schieflagen bei den Staats finanzen zu stärken.
8. Finanztransaktionssteuer ablehnen!
Auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer muss verzichtet werden, wenn nicht eine mindestens EU-weite Umsetzung möglich ist. Im Alleingang nur einiger EU-Staaten ohne die Beteiligung Großbritanniens wird die Steuer keinen stabilisierenden Effekt auf das Finanzsystem haben. Im Gegenteil: Die EUKommission räumt selbst ein, dass ihr Vorschlag mit erheblichen Wachstumseinbußen verbunden ist. Zudem droht eine Finanztransaktionssteuer gerade zulasten der deutschen Sparer zu gehen. Eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent könnte zu Einbußen bei auszahlbaren privaten Renten von 2,5 bis 5,5 Prozent führen. Damit würde sogar die staatliche Förderung für Riester-Verträge durch die Steuer übertroffen. Statt die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland durch eine umfassende Transaktionssteuer zu gefährden, sollte deshalb vielmehr darauf hingearbeitet werden, die Transparenz 9
II. Haushalt konsolidieren, Ausgaben kürzen! Mit Bewältigung der Staatsschuldenkrise kommt es besonders darauf an, entscheidende finanzpolitische Meilensteine für die Zukunft unseres Landes zu setzen. Es gilt nicht nur, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen für die Zeit ab 2020 substanziell vorzubereiten, sondern auch die Einhaltung der Schuldenbremse auf allen föderalen Ebenen sicherzustellen. Der Bund muss so schnell wie möglich den Haushaltsausgleich erreichen, um dann konsequent in die Tilgung der Altschulden einzusteigen. Der Weg aus dem Verschuldungsstaat ist die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und ein Gebot der Generationengerechtigkeit. Das gilt insbesondere für die Länder- und Gemeindeebene. Die Bürgervoten pro Schuldenbremse in Hessen und Bayern von bis zu 90 Prozent sprechen eine klare Sprache: Solide Staatsfinanzen haben für die Bürger und Unternehmer unseres Landes oberste Priorität. An der Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse und der Schaffung ausgeglichener öffentlicher Haushalte darf deshalb auch auf Länderebene nicht gerüttelt werden. In der Haushaltspolitik sind jetzt mehr denn je ein nachhaltiger Kurs der Sparsamkeit, verlässliche Konsolidierungsanstrengungen der öffentlichen Haushalte und mehr Transparenz der öffentlichen Finanzen notwendig. Dafür sind folgende Maßnahmen zu verfolgen:
1. Voranschreiten für eine stabilitätsorientierte EU-Finanzpolitik!
Deutschland kommt als europäischer Stabilitätsanker eine besondere Vorbildfunktion zu. Umso mehr gilt es, mit einer glaubwürdigen und stabilitätsorientierten Fiskalpolitik in Europa den Takt vorzugeben. Ernsthafte Konsolidierungsfortschritte müssen auf allen staatlichen Ebenen erzielt werden. Nach dem Haushaltsausgleich müssen Bund und Länder mit der Schuldentilgung beginnen, damit Deutschland die Maastrichter Stabilitätskriterien selbst baldmöglichst wieder erfüllen kann. Beispielhaft für andere EU-Länder muss die Erneuerung der Haushaltsstrukturen konsequent fortgesetzt werden: Künftig kommt es auf weniger Ausnahmen im Steuerrecht an, auf eine effizientere Steuereintreibung, den weiteren Abbau von Subventionen und gleichzeitig auf das Setzen nachhaltiger Wachstumsimpulse. Deutschland hat 2010 bis 2013 unter Beweis gestellt, dass dies möglich ist.
2. Nach Haushaltsausgleich mit Schuldentilgung beginnen!
Der erfolgreiche Weg der Konsolidierung der Staatsfinanzen durch Ausgabenreduzierungen statt durch Steuererhöhungen muss dringend weiter fortgesetzt werden. Die historische Absenkung des Wachstums der Ausgaben über eine gesamte Wahlperiode hinweg zeigt, dass eine Haushaltskonsolidierung über die Ausgabenseite Erfolg bringt. Auch künftig muss es das Ziel sein, den Ausgabenanstieg vor allem in konjunkturell guten Zeiten unterhalb des Wirt10
schaftswachstums zu halten. Steuermehreinnahmen sind konsequent zum Abbau der Neuverschuldung zu verwenden, und der Subventionsabbau muss entschlossen weiter vorangetrieben werden – nicht nur, aber vor allem bei der Finanzierung der Energiewende. Nach dem Haushaltsausgleich muss bereits 2015 der Einstieg in die Schuldentilgung erfolgen. Der Bundeshaushalt ist rasch auszugleichen und anschließend muss unmittelbar in die Schuldentilgung eingestiegen werden. Die wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung sollte also konsequent fortgesetzt werden. Dazu gehört aber auch, die Struktur des Bundeshaushalts generationengerecht umzugestalten. Es müssen mehr nachhaltige Ausgabenschwerpunkte gesetzt werden, d.h. mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur statt in immer mehr Sozialleistungen, die die Belastungen der Steuerzahler in Zukunft nur noch weiter in die Höhe treiben.
3. Erfüllung der Vorgaben der Schuldenbremse ohne Wenn und Aber sicherstellen!
Es muss sichergestellt werden, dass die Schuldenbremse sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene eingehalten wird. Der Bund geht seit 2010 mit gutem Beispiel voran. Die Erfüllung der Vorgaben der Schuldenbremse bereits ab 2012 ist vorbildlich. Das Einplanen ausreichend großer Sicherheitsabstände zu den Konsolidierungszielen sollte den Bund auch künftig in seiner Finanzpolitik davor bewahren, dass sein Haushalt in möglichen Krisenzeiten aus den Fugen gerät. Auf Länderebene schreiten Länder wie Sachsen und Bayern ebenfalls vorbildlich voran, an-
dere Länder haben ernsthafte Schwierigkeiten, ihre Haushalte ausreichend oder gar ernsthaft zu konsolidieren. Jedes Bundesland muss aber seiner Verantwortung gerecht werden. Jede Landesregierung muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um ihren Haushalt ab 2020 ohne Schulden auszugleichen, wobei die Solidarität der anderen Länder und des Bundes bei ernsthaften Sanierungsanstrengungen nicht in Zweifel gezogen werden darf. Zudem muss der Stabilitätsrat mit stärkeren Sanktionsmechanismen ausgestattet werden.
4. Föderalismuskommission III zügig einsetzen!
Unmittelbar nach der Regierungsbildung muss eine parteiübergreifende Föderalismuskommission III eingesetzt werden, um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen zukunftsfest zu machen. Das Jahr 2020 bedeutet eine Zäsur in der Finanzpolitik von Bund und Ländern. Zum Jahresende 2019 laufen die Osttransfers des Bundes aus, und der Länderfinanzausgleich verliert seine Gültigkeit. Zudem wird die Schuldenbremse im Grundgesetz erstmals auch für die Bundesländer verbindlich wirksam. Sowohl die Finanzbeziehungen unter den Bundesländern als auch zwischen den Ländern und dem Bund müssen deshalb von Grund auf neu geordnet werden. Der Länderfinanzausgleich muss neu ausgerichtet werden. Es gilt, den Wettbewerb unter den Bundesländern zu stärken und die Einnahmen- und Ausgabenautonomie der Länder zu erhöhen. Mit dem Auslaufen der Osttransfers sollte die deutsche Einigung nach 30 Jahren auch fiskalisch abgeschlossen werden: Dazu gehört auch, den Solidaritätszuschlag bei der Einkommensteuer auslaufen zu lassen. Die Wirtschafts- und Infrastrukturförderung des Bundes muss künftig nach Bedarfen statt nach Himmelsrichtungen ausgerichtet werden.
5. Abbau von Bürokratie und Erfüllungsaufwand konsequent fortsetzen!
Mit der Einsetzung des Nationalen Normenkontrollrates (NKR), der die Belastung durch Gesetze und Verordnungen prüft, sind bereits wichtige Weichen gestellt worden. Bürgerliche Freiheit und Soziale Marktwirtschaft dürfen nicht in einer Normenflut ertrinken. Beim Bürokratieabbau muss daher die Betrachtung des Erfüllungsaufwands einen noch wichtigeren Stellenwert erhalten und die Verursachung von Kosten, die aus der Erfüllung von Vorgaben neuer
Gesetze und Verordnungen entstehen, dauerhaft minimiert werden. Dafür müssen fortan auch die Regelungen der EU mitberücksichtigt werden, da inzwischen bereits mehr als die Hälfte des Erfüllungsaufwands in Deutschland auf EU-Recht zurückgeht. Vor diesem Hintergrund sollte auch der Bürokratieabbau auf EU-Ebene mit einem Mandat versehen werden, das über das beratende der so genannten „Stoiber-Gruppe“ hinausgeht. Ziel muss es sein, die Folgen von Richtlinien und Verordnungen der EU bereits bei ihrer Entstehung zu prüfen und nicht erst, wenn sie in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Auf nationaler Ebene muss zudem die vom NKR initiierte Tauglichkeitsprüfung aller neu erlassenen Gesetze und Verordnungen ab einer Kostenhöhe von mehr als 1 Mio. Euro konsequent umgesetzt und müssen die Ergebnisse der Überprüfungen veröffentlicht werden. Darüber hinaus müssen für den Teilaspekt der Bürokratiekosten neue transparente und greifbare Mengenziele vereinbart werden: Zur Aufrechterhaltung des Drucks bedarf es sowohl eines neuen Gesamtabbauziels, aber auch eines verbindlichen Abbaukatalogs für konkrete Maßnahmen. Allein mit der Verkürzung der Aufbewahrungsfristen von 10 auf 7 Jahre könnten der Wirtschaft rund 2,5 Mrd. Euro Bürokratiekosten jährlich erlassen werden. Zudem muss das Bürokratiemonster Energiewende permanent zurückgestutzt werden.
6. Mehr Transparenz und Effizienz in Finanzpolitik und Öffentlicher Verwaltung schaffen!
Notwendig für höhere Transparenz in den öffentlichen Haushalten sind ein Umstieg auf ein doppisches Rechnungswesen auf allen föderalen Ebenen sowie ein deutschlandweites Benchmarking. Bislang werden die deutschen Behörden vor allem über den Ressourceneinsatz gesteuert, die damit erzielte Wirkung aber nur selten gemessen. Als unverzichtbar erweist sich ein Paradigmenwechsel hin zu einer Wirkungs- und Ergebnisorientierung. Dazu muss etwa die Öffentliche Verwaltung transparenter werden und Leistungsvergleiche als Chance verstehen – so wie es durch Art. 91 d GG seit vier Jahren möglich, aber bis dato die Ausnahme ist. Dadurch könnte der Staat den Bürgern erklären, „wo das Geld geblieben ist“ und warum zum Beispiel die Bearbeitung eines Bafög-Antrags im Land A mehr kostet als im Land B. Die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens bringt Transparenz, verhindert Schattenhaushalte, bildet Vermögensentwicklung und Ressour11
cenverbrauch ehrlich ab und dient somit einer ge nerationengerechten Finanzpolitik. Die Abkehr von der Kameralistik erhöht zugleich den Druck, die Haushaltskonsolidierung stringent zu verfolgen. Die mittelfristigen Risiken eines Haushaltes, wie zum Beispiel wachsende Pensionslasten, sowie deren schonungslose Abbildung in den Jahresabschlüssen der „Deutschland AG“ zwingen zum Verzicht auf weitere Neuverschuldung und zu konsequentem Schuldenabbau. Politische Entscheidungen werden durch die neue Transparenz zudem in ungewohnte Begründungsnotwendigkeiten geraten: Denn die neue Haushaltsführung deckt einfach und für alle nachvollziehbar die ganze Tragweite des Regierungs- und Verwaltungshandelns auf.
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III. Steuersystem vereinfachen, Mehrbelastungen verhindern! Die deutsche Wirtschaft hat die Wirtschafts- und Finanzkrise schneller bewältigt als zuvor befürchtet und ist aus der Krise stärker hervorgegangen als sie hineingeraten ist. Umso wichtiger ist es, die derzeitigen günstigen Rahmenbedingungen zu nutzen und neben der Konsolidierung der Haushalte auch die Vereinfachung des Steuersystems weiter konsequent voranzubringen. Durch die positive wirtschaftliche Entwicklung fließen dem Staat jedes Jahr Steuereinnahmen auf neuem Rekordniveau zu. Diese müssen auch in der 18. Legislaturperiode maßgeblich zur Vereinfachung des Steuersystems verwendet werden. Damit werden zugleich bessere Bedingungen geschaffen, dass sich mehr und neue Unter nehmen in Deutschland ansiedeln. Durch ein einfacher anzuwendendes Steuerrecht wie auch durch die konsequente Fortführung des Bürokratieabbaus können Unternehmen wieder mehr Kapazitäten in ihre eigentlichen Geschäftsaktivitäten investieren und damit unmittelbar die Produktivität steigern. Nach wie vor besteht die dringende Notwendigkeit zu weiteren Strukturreformen. In den öffentlichen Haus halten entstehende Spielräume müssen daher unter anderem dafür genutzt werden, die vom Gesetzgeber nicht gewollte zusätzliche Belastung der Einkommensteuerzahler durch die Inflation, die sogenannte kalte Progression, endlich zu beseitigen. Nur so lässt sich mehr Steuergerechtigkeit schaffen und damit eine wesentliche Voraussetzung für das solidarische Mit- und Füreinander in unserer Sozialen Marktwirtschaft verwirklichen. Zur weiteren Vereinfachung des Steuerrechts und zur Schaffung von mehr Steuergerechtigkeit sind folgende Maßnahmen notwendig:
1. Vermögensteuer sowie weitere Verschärfungen der Substanzbesteuerung verhindern!
Es müssen auch weiterhin mit aller Kraft jegliche Verschärfungen bei der Substanzbesteuerung bekämpft werden. Weder darf es eine Einführung von Vermögensteuern oder Vermögensabgaben geben. Noch darf es zu Ausweitungen oder Verschärfungen bei der Erbschaftsteuer sowie bei der Gewerbesteuer kommen. Der Schutz des Privateigentums würde sonst noch stärker ausgehöhlt. Die drastischen Anhebungen bei der Grund- und der Grunderwerbsteuer in den vergangenen drei Jahren belasten Bürger und Wirtschaft außerordentlich stark. In all diesen Fällen wird – vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten – die Ausweitung der Substanzbesteuerung der mittelständischen Betriebe, aber auch der Großunternehmen und Konzerne billigend in Kauf genommen. Die Folgen in Form von Investitionszurückhaltung und Arbeitsplatzabbau verschlechtern aber regelmäßig sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt deutlich.
2. Mit Steuervereinfachung und Bürokratie abbau neue Maßstäbe setzen!
Das deutsche Steuerrecht ist eines der kompliziertesten der Welt. Seine Vereinfachung bleibt eine Daueraufgabe. Es ist der falsche Ansatz, jeden denkbaren Sachverhalt gesondert zu erfassen und Einzelfallge-
rechtigkeit schaffen zu wollen. Dadurch werden Unübersichtlichkeit und zahlreiche Hintertüren zur Steuerumgehung geschaffen. Leidtragende sind nicht nur viele Arbeitnehmer, sondern vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sowie Unternehmensgründer. Notwendig sind deshalb weniger Ausnahmeregelungen im Umsatzsteuerrecht ebenso wie höhere Pauschbeträge im Einkommensteuerrecht sowie eine auf Effizienz und Nachhaltigkeit ausgerichtete Weiterentwicklung der elektronischen Kommunikation und des Datenaustauschs zwischen der Wirtschaft und den Steuerbehörden. Zudem gibt es keine Alternativen zur konsequenten und substanziellen Fortführung des Bürokratieabbaus wie etwa durch die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen auf 7 Jahre. Auch die Rücknahme der Vorfälligkeit für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber sollte dringend umgesetzt werden.
3. Bereinigung der Ermäßigungen bei der Mehrwertsteuer mutig anpacken!
Ein faires und einfacheres Umsatzsteuerrecht, mit weniger Ausnahmen und einfacherer Anwendbarkeit, ist ein wesentlicher Baustein für die Verein fachung des Steuerrechts. Es besteht nach wie vor großer Handlungsbedarf beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Auch die von der Bundesregierung in 13
Auftrag gegebene wissenschaftliche Überprüfung belegte im Jahr 2010, dass das Dickicht der insgesamt über 100 Ausnahmeregelungen nicht nur vollkommen intransparent und widersprüchlich ist, sondern in großen Teilen seine Wirkungen verfehlt, mit anderen Mitteln wie Direkttransfers an tatsächlich Bedürftige effizienter umsetzbar wäre oder gar gegen europäisches Recht verstößt. Eine Bereinigung des Ausnahmekatalogs für die Mehrwertsteuer ist daher dringend notwendig – bei gleichzeitiger Rückgabe der entstehenden Steuermehreinnahmen an die Steuerzahler. Dafür bietet sich die teilweise Abschmelzung des Mittelstandsbauches bei der Einkommensteuer an..
4. Steuerliche Privilegien für staatliche Unternehmen abschaffen!
Es müssen endlich die Grundlagen für einen fairen Wettbewerb zwischen privaten Marktteilnehmern und Unternehmen der öffentlichen Hand geschaffen werden. Der Staat ist in der Sozialen Marktwirtschaft nicht Spieler, sondern Schiedsrichter. Sofern er dennoch selbst auf dem Markt tätig werden und Leistungen mit eigenen Regiebetrieben erbringen will, müssen für alle Marktteilnehmer die gleichen Rahmenbedingungen vorherrschen. Das gilt auch für die Belastungen der Marktteilnehmer bei der Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer. Durch die Steuerbefreiungen für öffentliche Unternehmen kommt es zu massiven Verzerrungen des Wettbewerbs sowie zur Gefährdung von Wachstumspotenzialen des Mittelstandes und Arbeitsplätzen für viele Arbeiter und Angestellte. Öffentliche Unternehmen werden so bei der Preissetzung stark bevorzugt, wodurch private, häufig innovative Unternehmer vom Markt verdrängt werden oder ihr Eintritt in den Markt verhindert wird.
5. Gewerbesteuer zugunsten eines kommunalen Einkommen-/Körperschaftsteuer-Zuschlags ersetzen!
Die Gewerbesteuer muss endlich durch ein Recht der Kommunen ersetzt werden, eigene Hebesätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu beschließen. Die Gewerbesteuer ist im internationalen Vergleich ein deutscher Sonderweg. Sie wirkt daher gerade auf internationale Investoren abschreckend. Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland werden so behindert. Aber auch für die einheimische Wirtschaft stellt die Gewerbesteuer eine Zusatzbe14
lastung dar, die gerade in Zeiten sinkender Erträge für Unternehmen als auch durch stark rückläufige Steuereinnahmen bei den Kommunen für die gesamte Volkswirtschaft massiv krisenverschärfend wirkt. Eine beständigere und weniger von der Konjunktur abhängige Einnahmebasis könnte den Kommunen nicht nur mehr Eigenverantwortung übertragen, sondern ist für sie gerade auch im Hinblick auf die Einhaltung der Schuldenbremse im Grundgesetz ab 2020 dringend notwendig.
6. Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer europaweit harmonisieren!
Deutschland muss bei der Harmonisierung der nationalen Steuersysteme auf EU-Ebene künftig eine noch stärkere Rolle als bisher spielen, um die Interessen der deutschen Wirtschaft möglichst frühzeitig in die europäischen Reformprozesse einzubringen. Statt – wie in der Vergangenheit zu häufig geschehen – nur mit Kritik auf vorgelegte Vorschläge zu antworten, sollten deutsche Unterhändler und Interessenvertreter die Anliegen der deutschen Wirtschaft früher und aktiver als bisher in die Verhandlungskreise auf der europäischen Ebene einbringen. Von herausgehobener Bedeutung ist dabei, die Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftsteuer spürbar voranzubringen. Besonders kommt es darauf an, den Fokus auf eine sog. konsolidierte Bemessungsgrundlage zu legen. Zudem ist auch vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsprechung und im Sinne der Schaffung eines einheitlichen EUBinnenmarktes die Einführung einer modernen Konzernbesteuerung in Deutschland, die weit über die in der vergangenen Legislaturperiode beschlossenen Anpassungen hinausgehen muss, nach wie vor dringend notwendig.
7. Steuerbetrug und Bekämpfung unzulässigerinternationaler Gewinnverlagerungenentschlossen verhindern!
Gegen Steuerbetrug muss weiter konsequent vorgegangen werden. Der Kauf von gestohlenen SteuerCDs durch den Staat ist kein geeigneter Weg, für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Stattdessen sollte der erfolgreiche Weg weitergegangen werden, die steuerlichen Beziehungen mit anderen Staaten durch völkerrechtlich gültige Abkommen zu regeln. Denn gerade die ehrlichen Steuerzahler sollen am Ende nicht die Dummen sein. Denn dies träfe in erster Linie viele Mittelständler und Familienunternehmen,
die häufig an den Wirtschaftsstandort Deutschland gebunden sind und nicht ins Ausland ausweichen können. Vielmehr sollte im Kreise internationaler Gremien wie EU, OECD oder der G20 weiter entschlossen gegen illegale aggressive Steuergestaltung multinationaler Konzerne vorgegangen werden, um Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den überwiegend national tätigen kleinen und mittleren Unternehmen einzudämmen. Dabei muss das Hauptaugenmerk jedoch darauf gelegt werden, dass den ohnehin bereits steuerehrlichen und standorttreuen Firmen in Deutschland keine überproportionalen zusätzlichen Bürokratie- oder gar Abgabenlasten auferlegt werden.
8. Dauerhafte Wirkung der kalten Progression in der Einkommensteuer vermeiden!
Die kalte Progression in der Einkommensteuer muss künftig vermieden wird. Dafür muss nach der 2013 bereits beschlossenen Anhebung des Grundfreibetrages in der Einkommensteuer für die kommenden Jahre der Tarifverlauf durch eine Verschiebung jeweils um denselben Prozentsatz angepasst werden. Weitere Erhöhungen des Grundfreibetrages ohne Anpassungen des gesamten Tarifverlaufes sind abzulehnen, da auf diese Weise die mittleren Einkommensbezieher einen noch höheren Anteil an den Steuerzahlungen schultern müssen. Das Auftreten von kalter Steuerprogression ist, beispielsweise in einem Zwei-Jahres-Rhythmus, regelmäßig zu überprüfen. Damit kann zugleich der gesetzeswidrige Zustand, dass der Staat Steuern einnimmt, die der Gesetzgeber nicht beschlossen hat, künftig unterbunden werden. Mehr Steuergerechtigkeit kann nur dann geschaffen werden, wenn sich Leistung gerade für die starke Mitte wirklich lohnt.
einnahmen müssen deshalb gerade auch dafür verwendet werden, die starke Krümmung des Tarifverlaufs allmählich abzuflachen. Gleichwohl soll die in unserer Gesellschaft breit akzeptierte progressive Ausgestaltung der Einkommensbesteuerung beibehalten werden, d.h. wer mehr verdient, zahlt auch einen größeren Anteil seines Einkommens als Steuern an den Staat. Allerdings muss dem Prinzip „Leistung muss sich lohnen“ wieder mehr Geltung verschafft werden.
10. Solidaritätszuschlag kontinuierlich abschmelzen!
Durch das schrittweise Abschmelzen des Solidaritätszuschlages sollen die Steuerzahler von der als befristet angekündigten Sonderabgabe entlastet und damit zugleich das Steuerrecht erheblich vereinfacht werden. Notwendig ist die Festlegung eines konkreten Abbaupfades für den Solidaritätszuschlag. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik gegenüber ihren Bürgern. Nach über 20 Jahren ist der innerdeutsche Einigungsprozess zwischen den Bundesländern weit vorangekommen. Die große Solidarität aller Steuerzahler in Deutschland war richtig und hat viel bewirkt. Dass die Weiterentwicklung von Unternehmensansiedlungen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit die Steuerkraft der Kommunen in einigen Ländern und Regionen stagniert, belegt aber, dass die weitere Erhebung des Solidaritätszuschlages weder angebracht noch gerechtfertigt ist. Künftig muss eine an konkreten Bedarfen ausgerichtete Strukturförderung allen Kommunen in Deutschland gleichermaßen offenstehen. Dafür bedarf es einer Einigung unter Bund und Ländern über diese Finanzierungsfragen in der schnellstmöglich einzuberufenden Föderalismuskommission III.
9. Mittelstandsbauch bei der Einkommen steuer schrittweise abflachen!
Da die mittleren Einkommen anteilmäßig am stärksten von der Lohn- und Einkommensteuer belastet werden, muss der Mittelstandsbauch in der Einkommensteuer konsequent abgeflacht werden. Betroffen sind von dieser überproportionalen Steuerlast insbesondere gut ausgebildete Fachkräfte bei Einstieg in ihre beruflichen Karrieren sowie viele junge Familien mit Kleinkindern. Das ist weder leistungsfördernd noch gerecht und gerade für die Motivation künftiger Leistungsträger unserer Gesellschaft das falsche Signal. Zukünftig entstehende, zusätzliche Steuer15
IV. Verstaatlichungen auf Kosten des Mittelstands stoppen! Die dramatischen Finanzlage vieler Städte und Gemeinden, aber auch der einsetzende demografische Wandel mit seinen Belastungen für die öffentlichen Haushalte (wachsende Pensionslasten, die Anpassung der öffent lichen Infrastrukturen, etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales oder ÖPNV) stellen eine zunehmende Bedrohung für die Leistungsfähigkeit der Kommunen dar. Starke Kommunen sind jedoch eine Grundvoraussetzung für günstige Standortbedingungen. Hierauf sind insbesondere mittelständische Unternehmen angewiesen. Sie sind zugleich größter Steuerzahler und für über 70 Prozent der deutschen Beschäftigten beruflicher Perspektivengeber. Mit großer Sorge muss daher die in Deutschland zu beobachtende Ausweitung kommunaler Tätigkeitsfelder in Bereiche gesehen werden, die eindeutig nicht in eine selbst weit gefasste Auslegung der so genannten Daseinsvorsorge fallen können. Fitnessstudios, Saunen, Vergnügungsparks, Ingenieurbüros, Bauhöfe, Kfz-Werkstätten oder Windkraftanlagen gehören nicht zur staatlichen Fürsorgepflicht. In Anbetracht der aktuellen finanziellen wie demografischen Herausforderungen der Kommunen ist es geradezu fatal, wenn die öffentliche Hand ihre Tätigkeitsfelder systematisch erweitert und sich und ihre Haushalte unkalkulierbaren unternehmerischen Risiken aussetzt. Denn für das wirtschaftliche Engagement des Staates haften vorrangig dessen Steuerzahler. Das Beispiel zahlreicher Landesbanken in der Finanzkrise hat gezeigt, dass eine Vernachlässigung der Grundwerte der Sozialen Marktwirtschaft – die Einheit von Entscheidungsverantwortung und Haftung – zu furchtbaren Folgen führen kann. Umso wichtiger ist es, dass sich der Staat auf seine Kernaufgaben konzentriert: das Setzen von Rahmenbedingungen sowie die effektive Kontrolle der Einhaltung. Er wird nur dort selbst tätig, wo der Markt versagt. Nur ein Staat, der diese Kernaufgaben nicht überdehnt, ist tatsächlich stark und bleibt finanzierbar. In dieser Frage steht auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf dem Spiel. Die Bundesrepublik darf nicht einerseits von den europäischen Krisenstaaten eine Rückführung der Staatstätigkeit einfordern, andererseits aber den Ausbau des wirtschaftlichen Engagements seiner eigenen finanziell angeschlagenen Gebietskörperschaften dulden. Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. Staatliche Leistungsfähigkeit sichern, Überprüfung öffentlicher Beteiligungen konsequent fortführen!
Privatisierungen und Teilprivatisierungen haben seit den 1990er Jahren sowohl zu einer Öffnung der Märkte mit neuen Chancen für mittelständische Unternehmen als auch zu erheblichen Effizienzsteigerungen und einem Modernisierungsschub in den jeweiligen Branchen geführt. Der einziehende Wettbewerb bescherte niedrigere Preise, innovativere Produkte und eine Verbreiterung des gesamten Leistungsangebotes. Dieser Kurs ist fortzuführen. Eine konsequente Privatisierungspolitik auf allen Ebenen wird dazu beitragen, dass Bund, Länder und vor allem Kommunen ein Stück ihrer verlorengegangenen Leistungsfähigkeit zurückgewinnen, zum Beispiel durch die Veräußerungserlöse, die künftige Entbindung der öffentlichen Hand von Ausgaben für Ersatzinvestitionen, aber auch durch die Verringerung der 16
Zinslast, wenn die Veräußerungserlöse zur Schuldentilgung genutzt werden.
2. Rückverstaatlichungen eindämmen, öffent liche Haushalte vor Haftungsrisiken schützen!
Der Gesetzgeber hat das wirtschaftliche Engagement des Staates für nur dann zulässig erklärt, wenn der betreffende Zweck nicht wirtschaftlicher oder durch Dritte besser erfüllt werden kann. Zugleich hat er die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips gefordert, das den Vorrang der privaten Wirtschaft festschreibt. Vielfach wurden und werden jedoch diese elementaren Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft durch Gesetzesanpassungen aufgeweicht, bereits privatisierte Bereiche rekommunalisiert oder neue öffentliche Unternehmen gegründet werden. Derzeit gilt dies besonders stark in der Energie- oder Kreislaufwirtschaft. Das wirtschaftliche Engagement der öffentlichen Hand in diesen sehr investionsintensiven
Bereichen wird in der Regel durch Kreditaufnahme finanziert und damit die öffentliche Verschuldung weiter in die Höhe getrieben. Um die Steuerzahler, die Bürger und Unternehmen in den Regionen, vor den Folgen unkalkulierbarer Haftungsrisiken zu schützen, ist dieser gefährlichen Entwicklung Einhalt zu gebieten und auf eine Einhaltung des Subsidia ritätsprinzips hinzuwirken. Deutschland sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und sich für eine überzeugende gesamteuropäische Regelung stark machen.
3. Potenziale Öffentlich-Privater Partner schaften (ÖPP) nutzen, Vertragsmodelle mittelstandsgerecht weiterentwickeln!
Viele ungenutzte Chancen der gelebten Partnerschaft zwischen Privatwirtschaft und Staat liegen in ÖPP-Modellen. Zumeist in Hoch- und Tiefbau eingesetzt, können solche Modelle auch bei der Stadtbeleuchtung, bei IT-Dienstleistungen, im Gesundheitswesen, etwa bei der Verwaltung von Krankenhäusern, Anwendung finden. Um eine „Bilanzverfälschung“ zu vermeiden, sind die öffentlichen Haushalte auf die doppischen Buchführung umzustellen, denn im allgemein angewandten kameralen System wird der von der öffentlichen Hand zu erbringende Anteil bei ÖPP-Projekten, also die regelmäßige Zahlungsverpflichtung gegenüber dem privaten Partner, nicht ausgewiesen. Mit dem doppischen System ist dieser „Fehler“ geheilt und gleichzeitig die Gefahr ausgehebelt, dass ÖPP-Modelle die Schuldenbremse unterlaufen. Die Vorteile von ÖPP-Modellen liegen auf der Hand: für den Staat in einer schnelleren Projektrealisierung, einer Ausnutzung des externen Know-hows und nicht zuletzt in der Schonung der öffentlichen Haushalte. Auf Seiten der Privatwirtschaft profitiert insbesondere der Mittelstand, wenn Projektgrößen breit gestreut werden. Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg dieser Partnerschaftsprojekte ist zudem eine Beteiligung derprivaten Partner in allen Projektphasen, die bislang allzu oft nur die Finanzierung betrifft.
4. Vergaberecht mittelstandsfreundlich gestalten!
Die ökonomische Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe ist nicht zu unterschätzen, rund 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geben öffentliche Auftraggeber in Europa jährlich für Lieferungen, Dienstleistungen und Bauarbeiten aus. Mit dem Ziel,
öffentliche Mittel möglichst effizient einzusetzen und wichtige Impulse für mehr Wettbewerb und Wachstum zu geben, hat die Europäische Kommission eine Reform der öffentlichen Auftragsvergabe angestoßen. Die Umsetzung in nationales Recht bietet die Chance, die komplexen Strukturen des deutschen Vergaberechts auf den Prüfstand zu stellen und vor allem mittelständischen Unternehmen den Zugang zur Auftragsvergabe zu erleichtern. Hierbei gilt es, auf einfachere Verfahren, mehr Transparenz und weniger Bürokratie zu setzen. So stark etwa der Ruf nach einer größeren Berücksichtigung von Umweltschutz oder sozialen Kriterien in den Vergabeverfahren sein mag, so sehr birgt dies doch immer die Gefahr, das Vergaberecht zu überfrachten. Zugleich existieren neben zahlreichen Bundesregelungen teils divergierende Landesregelungen. Dieser vergaberechtliche Flickenteppich muss endlich beseitigt werden. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Anbieter sind zudem die Ausnahmebereiche einer (vergaberechtsfreien) Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften eng und klar zu begrenzen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass öffentliche Aufträge vermehrt dem Markt entzogen werden.
5. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für öffentliche und private Unternehmen her stellen, höchstrichterliche Rechtsprechung zur Umsatzsteuerpflicht zügig umsetzen!
Vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Mittelstands erscheint die nach wie vor reale Ungleichbehandlung öffentlicher und privater Unternehmen wie ein Anachronismus. So profitieren etwa kommunale Unternehmen durch das faktisch nicht vorhandene Insolvenzrisiko von einem besseren und schnelleren Zugang zu Krediten. Daneben stellt die Möglichkeit zur missbräuchlichen Bereitstellung von Ein-Euro-Jobs einen Wettbewerbsvorteil zu Lasten privater Unternehmen dar. Vor allem aber entrichten kommunale Anbieter, wenn sie als Eigenbetriebe bzw. Anstalten öffentlichen Rechts (AöR) firmieren, weder Umsatz- noch Ertragsteuern. Dies verschafft diesen Unternehmen eindeutige Vorteile bei der Preisgestaltung, wenn sie mit mittelständischen Unternehmen in Konkurrenz treten. Die Umsatzsteuerpflicht öffentlicher Unternehmen hat zwischenzeitlich auch der Bundesfinanzhof anerkannt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung indes hat bislang noch keinen umfassenden Eingang in die Praxis gefunden. Hier muss zügig eine Umsetzung erfolgen. 17
Zugleich ist die Gleichstellung öffentlicher und privater Unternehmen bei der Gewerbe- und Körperschaftsteuer zu forcieren sowie der Einsatz von EinEuro-Jobs zu untersagen, wenn diese in Konkurrenz zu regulären Beschäftigungsverhältnissen stehen und damit den Wettbewerb verzerren. Fragwürdig ist zudem die in der 17. Legislatur vollzogene Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), wonach öffentlich-rechtliche Gebühren – im Gegensatz zu den von privaten Anbietern erhobenen Preisen – nicht mehr der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht unterliegen. Mit dieser Änderung des GWB ist es Kommunen nunmehr möglich, unkontrollierte Monopole zu schaffen. Die entsprechende GWB-Passage ist im Sinne fairer Wettbewerbs regelungen zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Unternehmen zurückzunehmen.
18
V. Energiewende auf ein marktwirtschaftliches Fundament stellen! Unser Land ist stark geworden auf der Grundlage einer der modernsten und leistungsfähigsten Energieinfrastrukturen der Welt – das soll auch in Zukunft so bleiben. Deshalb wollen wir mit der Energiewende den Umbau unserer Energiesysteme erfolgreich in die Zukunft führen. Gerade weil wir die Erneuerbaren zur zentralen Säule der deutschen und europäischen Energieversorgung machen wollen, ist es jetzt wichtiger denn je, genau auf die Kosten und die Wirksamkeit der Ausgaben zu achten. Erfolgreich ist die Energiewende nur dann, wenn Deutschland als Industrieland im Herzen Europas auch weiterhin wettbewerbsfähig bleibt. Das ist keineswegs gesichert: Auch wenn das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) unbestritten zum rasanten Aufbau der erneuerbaren Energien beigetragen hat, droht die Energiewende aus dem Ruder zu laufen: Der Energiemarkt zerfällt, die Endkundenpreise steigen, das Netz ist an seiner Belastungsgrenze angekommen. Viele Kraftwerke arbeiten nicht mehr rentabel und mittelfristig ist die Versorgungssicherheit in Gefahr. Deshalb ist für uns die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auch ein prioritäres Ziel der Energiepolitik. Die erneuerbaren Energien wurden in Deutschland soweit ausgebaut, dass sie bereits mehr als ein Viertel des Strombedarfs decken. Jetzt ist es an der Zeit, sie auch in das gesamte System zu integrieren, um konventionelle und erneuerbare Energieerzeugung vom Nebeneinander zum Miteinander zu bringen. Nur so kann ein Umbau der Energiestrukturen bei stabilen Preisen und sicherer Versorgung gelingen. Gleichzeitig muss der europäische Binnenmarkt für Energie vorangebracht werden. Für eine erfolgreiche Energiewende müssen zudem über eine technologieoffene Modernisierungsoffensive die großen Potenziale im Wärme- und Kältemarkt gehoben werden. Nur wenn es gelingt, alle Bereiche miteinander zu verknüpfen, die Sicherheit der Versorgung zu gewährleisten und die Kosten in den Griff zu bekommen, kann die Energiewende insgesamt zum Innovationsmotor für Deutschland werden. Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. EEG-Reform: Innovationen statt Dauersubventionen und Staatswirtschaft!
Gerade weil Deutschland die erneuerbaren Energien zur zentralen Säule der deutschen und europäischen Energieversorgung machen will, ist es jetzt wichtiger denn je, genau auf die Kosten und die Wirksamkeit der Ausgaben zu achten. Um den Strompreisanstieg zu senken und die erneuerbaren Energien mit Ausbau der Stromnetze zu synchronisieren, muss in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung eine schnelle Reform des EEGs angegangen werden, die in wenigen Schritten wirksam werden kann und den Netzausbau und Europa miteinbezieht. Die Zukunft der Energiewende steht und fällt mit der Integration erneuerbarer Energien in ein Gesamt system unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Damit die Energiewende zum Innovationsmotor wird und das Industrieland Deutschland weiterhin auf einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung aufbauen kann, müssen weitere Eingriffe in den Markt verhindert und der Wettbewerb gestärkt
werden. Das künftige Fördersystem für erneuerbare Energien muss marktwirtschaftlich ausgerichtet, kosteneffizient, technologieoffen, innovationsfördernd sowie europarechtlich kompatibel sein. Nur die Steuern auf Strom zu senken, damit man eine steigende EEG-Umlage finanzieren kann, wäre der falsche Weg. Der Weg zur Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien führt über die Direktvermarktung von EEG-Strom. Das heißt, es geht nur im Paket. Um in der Phase der Konsensfindung zwischen Bund und Ländern trotzdem eine schnelle Entlastung für alle Verbraucher zu schaffen, wäre ein Kompromiss möglich: Er könnte darin bestehen, die Stromsteuer für ein Jahr auszusetzen, bis die parallel eingeleitete EEG-Reform greift. In dieser Transformationsphase sollen keine weiteren Fördertatbestände geschaffen werden. Der Weg zur Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien führt über die Direktvermarktung von EEG-Strom. Ziel ist es, dass sich erneuerbare 19
Energien perspektivisch auch ohne massive Förderungen am Markt bewähren und durch stärkeren Wettbewerb mehr Innovationen für die Energiewende befördert werden. Daher muss für alle Neuanlagen die verpflichtende Direktvermarktung eingeführt und der Zubau im Gleichgewicht mit dem Netzausbau, Kraftwerken, Nachfragern und Speichern verzahnt werden. Dies ist vor allem eine Chance, innovative Vertriebskonzepte zu entwickeln und neue Technologien anzureizen. Für die erfolgreich vermarkteten EEG-Mengen wird eine feste Marktprämie an die Anlagenbetreiber ausgezahlt. Um die größten Kostensenkungspotenziale zu nutzen, soll die Marktprämie spätestens bis 2015 technologieneutral ausgestaltet werden. Ziel ist es, dass sich erneuerbare Energien perspektivisch auch ohne massive Förderungen am Markt bewähren und mehr Innovationen befördert werden. Um die Synchronisation des Zubaus der Erneuerbaren mit dem Ausbau der Stromnetze voranzubringen und ökonomische Anreize für Speicherlösungen zu schaffen, ist die Härtefallregelung in § 12 EEG auf zulösen. Durch die Einführung eines optimierten Einspeisemanagements im Bereich der EEG-Anlagen lassen sich erhebliche Investitionen in den Netzausbau vermeiden. Deshalb ist eine anlagenscharfe Reduzierung der Einspeiseleistung von EEG-Anlagen zu ermöglichen. Um die Investitionssicherheit zu erhalten, werden nachträgliche staatliche Eingriffe in bestehende Förderverträge abgelehnt. Stattdessen wird durch den Wechsel in die Direktvermarktung die Übersubventionierung der erneuerbaren Energien abgebaut. Gleichzeitig müssen alle Anlagenbetreiber im Bereich der erneuerbaren Energien sich an künftigen Maßnahmen zur Systemstabilität und Ver sorgungssicherheit beteiligen.
2. Chancen für Innovationen der erneuerbaren Energien nutzen!
In der Branche für erneuerbare Energien liegen zahlreiche ungenutzte Potenziale brach. Diese sollen nutzbar gemacht werden. Bei 20-jähriger garantierter Einspeisevergütung ohne Fördergrenze und ohne Wettbewerb zwischen unterschiedlichen EE-Tech nologien bleiben Innovationen auf der Strecke. Auch über die erforderlichen Kapazitäten der Elektrizitätsversorgung sollte in Zukunft der Markt ent scheiden. 20
Ohne Preissteigerungen wird die Energiewende nicht zu realisieren sein. Die Energiewende muss aber auch als Chance genutzt werden, bei Innovationen international aufzuholen und die Technologieführerschaft wieder zu sichern. Nur eine volkswirtschaftlich effektive und effiziente Förderung, die darüber hinaus auch auf europäischer Ebene politisch abgestimmt wäre, ist auf Dauer tragfähig und kann auch langfristig die Akzeptanz bei der Bevölkerung für die Umsetzung der Energiewende erhalten. Daher ist es für den Erfolg der Energiewende entscheidend, das bestehende Fördersystem an die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen und europaweit zu vereinheitlichen. Das Marktintegrationsmodell des Wirtschaftsrates bietet die dringend notwendige mittel- bis langfristige Integration der erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten in den wettbewerblichen Strommarkt. Damit wird der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren für die Marktintegration wachsender EEG-Elektrizitätsmengen erschlossen. Neben dem Zubau von konventionellen Kraftwerkskapazitäten – das können auch regenerative Erzeugungsanlagen wie beispielsweise Biomasse-Kraftwerke sein – kommen der Bau von Energiespeichern, der Ausbau von Netzkapazitäten sowie innovatives Lastmanagement in Frage. Ähnlich wie im Bereich der Telekommunikation müssen im Energiemarkt jetzt die Investitions blockaden gelöst werden, damit die Potenziale der neuen Technologien gehoben werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die EEG-Mengen durch die Bilanzkreismanager im Rahmen ihrer Beschaffungsstrategien vermarktet werden.
3. Aufholstrategie für den Ausbau der Stromnetze umsetzen!
Damit Strom auch in Zukunft immer an jedem Ort und zu jeder Zeit zur Verfügung steht, ist es erforderlich an den Erfolg des verbindlichen Bundesbedarfsplans anzuknüpfen und den Ausbau der Stromnetze auf allen Ebenen voranzutreiben und mit dem Zubau an erneuerbaren Energien zu synchronisieren. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Bau der großen Stromtrassen, die den Strom aus den windreichen Regionen an Nord- und Ostsee in die Ballungszentren im Süden und Westen unseres Landes transportieren. Dabei müssen die Ziele der Offshore-Windenergie angepasst und gleichzeitig die Planungs- und Investitionssicherheit mit verbindlichen Realisierungs-
fahrplänen sichergestellt werden. Gleichzeitig müssen Investitionen in die Forschung und Entwicklung für Speichertechnologien erheblich verstärkt werden. Alle Anlagen müssen bisher mit ihrer vollen Nennleistung an das Netz angeschlossen werden, obwohl diese nur an wenigen Stunden im Jahr genutzt werden. Um die Kosten des Netzausbaus zu dämpfen, sollte die zu integrierende Wirkleistung von EEG-Anlagen begrenzt und den Zeitverzug bei den Verteilnetzen in der Anreizregulierung analog zu den Übertragungsnetzen abgeschafft werden. Gleichzeitig ist zu prüfen, dass die Kosten für die Netzentwicklung neben einer Verbrauchskomponente auch eine Anschlusskomponente besitzen. Um eine intelligente Verzahnung auf allen Ebenen zu ermöglichen, sind die regulatorischen Hürden bei Smart Metering aufzulösen und den Einstieg in Smart Grid zu ermöglichen. Den Verteilnetzbetreibern muss die Möglichkeit gegeben werden, durch Steuerung von EE-Anlagen und Lasten sowie den Einsatz von Speichern, die Netzauslastung zu maximieren und unnötige Netzinvestitionen zu vermeiden.
4. Versorgungsicherheit in den Fokus: Optimierung des Energy-Only-Marktes vor Kapazitätsmarkt!
Für eine sichere Energieversorgung bleiben auf absehbare Zeit fossile Energieträger unerlässlich. Nur durch eine enge Verzahnung aller Energieträger im Markt können die Versorgung gesichert und die Verbraucher von weiteren Kosten entlastet werden. Durch den dynamischen Ausbau der erneuerbaren Energien sind eine ausreichende Auslastung konventioneller Kraftwerke und damit deren Rentabilität nicht mehr gegeben. Daher werden immer mehr Kraftwerke, gerade auch neue Anlagen, stillgelegt und Neubauprojekte ausgesetzt. Gleichzeitig nimmt die Belastung der bestehenden Stromnetze durch den Ausbau erneuerbarer Energien stetig zu. Es ist daher entscheidend, dass verlässliche, marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen für den Bau von und Betrieb von hocheffizienten Gas- und Kohlekraftwerken sichergestellt werden. In welcher Form und ob Deutschland einen Kapazitätsmarkt benötigt, hängt entscheidend davon ab, ob es geschafft wird, zügig eine grundlegende Reform des EEGs mit mehr Marktverantwortung der EE-Anla-
gen einzuleiten. Der Energiemarkt, der ausschließlich die Stromproduktion vergütet (Energy-Only-Markt) und nicht die Vorhaltung von Kapazitäten (Kapazitätsmarkt), steht derzeit im Zentrum der Koordina tion aller Akteure im europäischen Strommarkt für einen länderübergreifenden Wettbewerb und für niedrige Stromkosten zum Wohle aller Verbraucher. Um eine verlässliche Energieversorgung zu gewährleisten, sollten daher zunächst alle Möglichkeiten für die Optimierung des Energy-Only-Marktes genutzt werden. Soweit die vorgeschlagene EEG-Reform und die Optimierung des Energy-Only-Marktes nicht konsequent umgesetzt wird, muss kurzfristig über einen Leistungsmarkt entschieden werden.
5. Planungssicherheit für die Industrie schaffen und geschlossene Wertschöpfungsketten in Deutschland halten!
Deutschland muss auch weiterhin Industriestandort mit einem starken Mittelstand und einer soliden Grundstoffindustrie bleiben. Bezahlbare Energie ist dafür besonders wichtig, gerade für energieintensive Industrien im Wettbewerb mit ausländischer Konkurrenz. Industrie, Handel und Dienstleistungen stemmen bereits heute über die Hälfte der Förderkosten für erneuerbare Energien. Es ist gefährlich, wenn einerseits die Belastungen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien einseitig ansteigen, andererseits die essentiellen Ausnahmen für die stromintensive Industrie aufgelöst werden. Dabei liegt Deutschland bei den Rohstoffkosten, Stromkosten und Personalkosten bereits heute weit vor den USA und den anderen Staaten Europas. Deutschland darf nicht durch explodierende Energiepreise seine Deindustrialisierung in großem Stil einleiten. Die Kosten der Energiewende sind fair auf allen Schultern zu verteilen. Statt eine Verteilungsdiskussion zu führen, sollten jedoch eine schnelle Ent lastung aller Verbraucher erreicht werden. Um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern, sind zielgenaue Entlastungen für Unternehmen unabdingbar, um Nachteile durch unterschiedliche internationale Rahmenbedingungen bei Steuern und Abgaben auszugleichen. Zusätzliche Belastungen für stromintensive Industrien im internationalen Wettbewerb und für Unternehmen, deren Produkte einen weltweit einheitlichen Börsenpreis haben, sind unbedingt zu 21
verhindern. Doppelbelastungen durch verschiedene Klimaschutz-instrumente auf nationaler und europäischer Ebene sind zu beseitigen.
6. Energieeffizienzmärkte statt Verpflichtungssysteme!
Auf den Gebäudesektor in der EU entfallen 42 Prozent des Endenergieverbrauchs, 35 Prozent der Treibhausgasemissionen und 50 Prozent aller geförderten Werkstoffe. Über die Hälfte des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland wird für Wärmeanwendungen verbraucht. Bei den privaten Haushalten dominiert die Beheizung von Wohnraum und Bereitstellung von Warmwasser den Endenergiebedarf noch deutlicher mit einem Anteil von über 80 Prozent. Hier findet sich also der größte Hebel für Energieeinsparungen, die durch gezielte Fördermaßnahmen und einen verlässlichen Rahmen zu heben sind. Bis Mitte 2014 sollte die EU-Effizienzrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei ist auf einen funktionierenden Markt für Energiedienstleistungen statt auf Verpflichtungssysteme zu setzen. Um die Energiewende auch im Gebäudebereich zum Erfolg zu bringen, müssen Technologieoffenheit und Wirtschaftlichkeit statt Zwangsmaßnahmen im Fokus stehen. Statt auf die Entmündigung des Bürgers zu setzen, sollte bessere Information über sparsame Geräte, Heizungen im Zentrum der Bemühungen stehen. Mit einer Mischung aus Abbau von bestehenden Hemmnissen am Markt für Energie-dienstleistungen und gezielten Fördermaßnahmen lassen sich die enormen Potenziale effektiv und effizient heben und einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten. Daher ist die Diskriminierung im Förderregime zu beseitigen. Energieunternehmen sowie Unternehmen, die nicht den KMU-Kriterien entsprechen, dürfen von der Nutzung vieler Fördertopfe, zum Beispiel von Vor-Ort-Energieberatungen oder Marktanreizprogrammen für Heizungssanierung, nicht ausgeschlossen werden. Contracting kann einen wesentlichen Beitrag zu einer klimafreundlichen Energieversorgung leisten, da so Modernisierungen stattfinden, die andernfalls ausbleiben würden. Auch die Betriebsführung und Wartung übernimmt der Contractor, was die Ent22
scheidung für eine neue Anlage ebenfalls erleichtert. Daher sollte der gesetzgeberische Rahmen so gestaltet werden, dass sich dieses Instrument diskriminierungsfrei entfalten kann. Die langfristigen und kapitalintensiven Investitionen im Bereich Energieeffizienz sind auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Die schwankenden Höhen der Fördermittel und unvorhersehbare Förderstopps führen zu Verunsicherung und Attentismus. Daher ist insbesondere die steuerliche Absetzbarkeit der Gebäudesanierung umzusetzen und Verlässlichkeit beim gesamten Förderrahmen sicherzustellen.
7. Vollendung des EU-Binnenmarktes für Strom und Gas vorantreiben!
Der große, grenzüberschreitende und wettbewerblich geprägte europäische Binnenmarkt für Energie bringt nicht nur finanzielle Vorteile für alle Bürger Europas, sondern ist auch die richtige Antwort auf die globalen Herausforderungen, wie sie vor allem durch den rasch steigenden Energiebedarf der aufstrebenden Länder bei zugleich knappen Energieressourcen der Welt entstehen. Es besteht noch immer eine große Diskrepanz zwischen nationalem Vorgehen und europäischer Vision bei der Förderung erneuerbarer Energien, dem Netzausbau für Strom und Gas, beim Speicherausbau und dem Einsatz intelligenter Energiesysteme. Die neue Bundesregierung muss sich daher zwingend dafür einsetzen, den derzeitigen Flickenteppich nationaler Lösungen, der nicht nur dem europäischen Binnenmarkt entgegenwirkt, sondern die Systemkosten für alle Verbraucher unnötig erhöht, aufzulösen und für europaweit einheitliche Rahmenbedingungen einzutreten. Insbesondere sollten die Abstimmung von Planungsund Genehmigungsverfahren beim Stromnetz beschleunigt und konkrete Zeitpläne für den Ausbau der Grenzkuppelstellen vorlegt werden, um den europaweiten Wettbewerb zu stärken. Es dürfen keine nationalen Regeln gesetzt werden, die dem EU-Binnenmarkt zuwider laufen. Nur so sind ein drohendes Beihilfeverfahren der EU-Kommission sowie massive Schäden für Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland abzuwenden.
VI. Neue Balance zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitik schaffen! Als Industriestandort darf Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Der internationale Klimaschutz kann nur dann gelingen, wenn alle Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer sich auf eine faire Lastenverteilung einigen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern. So muss auch die künstliche Verknappung von CO2-Zertifikaten in der Europäischen Union im gut funktionierenden Emissionshandel ein Ende haben. Um Ressourcen langfristig zu schonen und negative Umweltauswirkungen zu vermindern, ist zudem ein sparsamer und effizienter Rohstoffeinsatz notwendiger denn je. Sekundärrohstoffe werden vor allem dann helfen, den Rohstoffverbrauch vom Wachstum zu entkoppeln, wenn die Kreislaufwirtschaft gezielt gestärkt wird. Einen großen Beitrag kann die Energieeinsparung im Gebäudebereich leisten, wenn sie marktwirtschaftlich und mit Planungs- und Investitionssicherheit angegangen wird. Ein Sanierungszwang und eine Verschärfung der Mindesteffizienzstandards darf es daher nicht geben! Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. Faire Lastenverteilung beim internationalen Klimaschutz sicherstellen!
Der Klimaschutz ist eine globale Herausforderung, bei der es auch globaler Antworten bedarf. Der spätestens seit Kopenhagen stockende internationale Prozess sollte von der EU und den USA nun zügig neu angestoßen werden. Dazu bedarf es eines gemeinsamen Schulterschlusses der Industrieländer mit den BRIC- und Golfstaaten. Denn nur unter rechtlich bindender Einbeziehung der großen Treibhausgasproduzenten können zum einen ein wirksamer Beitrag für das Klima erreicht und zum anderen weltweit gleiche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft geschaffen werden. Verzerrungen im Wettbewerb werden so im Vorherein vermieden, wenn es keine einseitigen Absprachen gibt. Demzufolge sollte der europäische Ansatz einer Zielvorgabe von 30 Prozent bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen auch weiterhin nur dann gelten, wenn es eine internationale Übereinkunft mit fairer Lastenverteilung für alle gibt. Nationale Alleingänge schwächen die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich. Für eine erfolgreiche internationale Klimapolitik ist der Technologietransfer eine hilfreiche Stütze, wenn er auf weltweit geltenden Regeln in Hinblick auf entsprechende Schutzrechte fußt. Je früher und langfristiger Ziele für den CO2-Ausstoß auf internationaler Ebene festgelegt werden, umso eher wird die für die Wirtschaft zwingend notwendige Planungs- und Investitionssicherheit gewährleistet.
2. Kontinuität im EU-Emissionshandel wahren!
Die Europäische Union hat ein funktionierendes Handelssystem mit Verschmutzungsrechten installiert, mit dem die Zielvorgaben des Kyoto-Protokolls
spielend erreicht werden. Eine künstliche Verknappung der CO2-Zertifikate ist daher aus marktwirtschaftlicher Sicht gar nicht notwendig. Vielmehr sollte der EU-Emissionshandel als antizyklisches Instrument verstanden werden, in dem die Zertifikatspreise nicht dann anziehen, wenn per Markteingriff die Zertifikate künstlich verknappt werden, sondern wenn die Wirtschaft wieder an Fahrt aufnimmt. Folglich sollte der Emissionshandel nicht mit weiteren Politikzielen überfrachtet werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht zu gefährden, muss auch weiterhin ein Ausgleich für die von „carbon leackage“ betroffenen Unternehmen sichergestellt sein. Die Finanzierung klimapolitischer Projekte sollte so ausgestaltet werden, dass größtmögliche Anteile an Privatinvestitionen freigesetzt werden. Dabei sollten solche Projekte grundsätzlich einer Wirtschaftlichkeitsüberprüfung unterliegen.
3. Verschärfungen europäischer Umweltvorschriften verhindern!
Deutschland sollte eine aktive Rolle bei der Gestaltung der europäischen Umweltpolitik spielen, weil Umweltfragen naturgemäß nicht an nationalen Grenzen Halt machen. Über die europäischen Vorgaben jedoch hinausgehende Maßnahmen, die zumeist mit einer Verschärfung der ursprünglich angedachten Politikziele einhergehen, sind abzulehnen. Dieses würde die Vollendung des Binnenmarktes behindern und deutschen Unternehmen unnötige Wettbewerbsnachteile in Europa aufbürden. Dies trifft auf verschiedene Bereiche des Umweltrechts zu: Eine Verschärfung der REACH-Verordnung erhöht die Umsetzungsschwierigkeiten und bringt ein komplexes, unsicheres Gesetzgebungsverfahren in Deutschland mit sich; die europäische Bodenschutzrichtlinie ver23
stößt gegen das Subsidiaritätsprinzip und erhöht unverhältnismäßig den Bürokratieaufwand; eine Anhebung der Mindesteffizienzstandards in der Energieeinsparverordnung schränkt die notwendige Investitionssicherheit deutlich ein.
4. Wettbewerb in der Entsorgungswirtschaft stärken!
Angesichts des weltweit rasant ansteigenden Rohstoffverbrauchs und der Sorge der Industrie hinsichtlich des sicheren Zugangs zu Rohstoffen gewinnt die Rückführung gebrauchter Produkte in den Materialund Wirtschaftskreislauf immer größere Bedeutung. Eine Weiterentwicklung der Recyclingverantwortung für Verpackungen auch für Produkte, eigenverantwortlich von Herstellern und Handel im Wettbewerb organisiert, ist deshalb 22 Jahre nach Einführung der Verpackungsverordnung geboten. Zudem ist auf eine exakte Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) mit klarem Vorrang der stofflichen vor der thermischen Verwertung zu drängen. Deutschland ist heute schon Recyclingweltmeister: Entsprechende Mindesteffizienzstandards für jede einzelne Stufe sind daher gar nicht nötig. Vielmehr müssen die Recyclingziele insbesondere auch für die wichtigen Stoffströme wie Gewerbeabfall und Elektrogeräte ambitioniert erhöht werden! Die europarechtlich unzulässige Begünstigung kommunaler Unternehmen bei der Zulassung von Abfall- und Wertstoffsammlungen bei privaten Haushalten muss beendet werden! Hierfür bedarf es auch einer umsatzsteuerrechtlichen Gleichbehandlung, unabhängig von der Rechtsform. Ein Jahr nach Inkrafttreten des KrWG muss Rechts- und Investitionssicherheit für gewerbliche Sammlungen hergestellt werden! Dies kann etwa durch eine klare Durchführungsverordnung zum KrWG erreicht werden. Zudem sollte die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft durch die flächendeckende Einführung einer Wertstofftonne vorangetrieben werden.
5. Wirtschaftliche Maßnahmen bei der Energieeffizienz im Unternehmen umsetzen!
Die deutsche Wirtschaft hat bereits erhebliche Energieeinsparmaßnahmen in der Produktion auf den Weg gebracht, ohne dass dabei staatliche Eingriffe vonnöten gewesen wären. Diese laufenden, energiepreissteigenden Politikmaßnahmen wie Netzentgelte, Stromsteuer und EEG-Umlage müssen nun hinreichend auf das Einsparziel der EU-Energieeffizienz24
richtlinie anrechenbar sein. Denn Wirtschaftlichkeit sollte das oberste Gebot sein! Jetzt noch weitere strompreiserhöhende Einsparsysteme zur Pflicht zu machen, schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Stattdessen sollten Spielräume, die sich aus den Umsetzungsleitlinien der EU-Kommission ergeben, genutzt werden. Solange ordnungspolitische Vorgaben die Effizienzvorgaben nicht weiter verschärfen, wird seitens der Unternehmen auch weiterhin kontinuierlich in die technologische Verbesserung von Produktions- und Anlagenparks investiert werden. Absolute Einsparvorgaben für den Endenergieverbrauch sind dagegen abzulehnen. Zusätzlich sollte mehr Transparenz für die Wirtschaft und die Bürger bei Energieeffizienzmaßnahmen gefördert werden: Statt verschiedener Programme auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollte eine einheitliche, einfache und bedarfsgerechte Fördermittelvergabe stattfinden, um den Förderdschungel für Effizienzmaßnahmen zu beseitigen. Außerdem müssen Wirtschaft und Politik dringend mehr Beratungsleistungen und Öffentlichkeitsarbeit anbieten, um schlummernde Potenziale zu heben. Energieberater müssen geschult und kontrolliert werden.
6. Umweltschutz technologieoffen und innovativ in die Zukunft führen!
Die Entwicklung der Hochtechnologien hat sich in jüngster Vergangenheit beschleunigt. Den maßgeblichen Anteil daran hatten innovative mittelständische Unternehmen in Deutschland. Sie brachten Lösungen und neue Verfahren in den Markt, die insbesondere auch im Umweltschutz positive Effekte zeitigten. Deshalb müssen die großen und mittelständischen Unternehmen darin ermutigt werden, ihre Innovationskraft auch weiterhin auszuschöpfen. Hierzu bedarf es einer Anpassung der zukunftsweisenden Rahmenbedingungen: Allem voran müssen die Vielzahl der verschiedenen Förderprogramme auf unterschiedlichen Ebenen der Politik entflochten und ihre bürokratischen Hürden vereinfacht werden. Leitmärkte sollten gezielt gefördert werden, Transparenz in der Fördermittelvergabe erhöht und steuerliche Anreize für den Einsatz von in- und ausländischem Wagniskapital auf Hochtechnologiefeldern gegeben werden.
Insgesamt braucht es eine neue Kultur der Anerkennung neuer Technologien, ganz speziell im Bereich der Nano- und Biotechnologien, welche die gesellschaftliche Akzeptanz von hochtechnologischen Innovationen fördert und Risiken neuer Technologien in Hinblick auf ökologische und gesundheitlichen Gesichtspunkte in einen sachgerechten Diskurs überführt. Nano- und Biotechnologien werden in absehbarer Zeit Lösungen für eine Vielzahl gesellschaftlicher Probleme bereitstellen, beginnend beim Klimaschutz über den Bereich der Mobilität, Medizin und Energie bis hin zum modernen Recycling und einer völlig neuen Form der Rohstoffverwertung. Deshalb braucht es hierzu eine politische Gesamtstrategie, die über eine Forschungsstrategie hinausgehend auch langfristige, investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen bietet, diese neuen Ansätze marktfähig zu machen.
7. Rohstoffversorgung international mit Wettbewerb, Transparenz und Kontrolle, national mit starker Kreislaufwirtschaft und Technologieoffenheit langfristig sichern!
stoffversorgung erkundet werden dürfen. Hierzu sollte auch auf die lange unternehmerische Erfahrung bei der Ausnutzung von Schiefergasvorkommen mittels der Frac-Methode zurückgegriffen werden. Der Umwelt- und Naturschutz hat hierzu als unantastbares Prinzipien zu gelten. Die umweltschonende Förderung könnte perspektivisch heimische Wertschöpfung generieren und der Energieträger Gas aufgrund seiner CO2-armen Verbrennung einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Im Zuge der sich verknappenden Ressourcen nimmt die Bedeutung der Sekundärrohstoffe sowohl unter Kostengesichtspunkten als auch ökologischen Ansprüchen für die Wirtschaft rasant zu. Um die Herstellung von Sekundärrohstoffen weiter zu fördern, bedarf es vorrangig marktwirtschaftlicher Lösungen wie etwa der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Die Verwendung von Recyclingmaterialien darf deshalb nicht behindert werden durch eine zu enge Fassung der Mantelverordnung Grundwasser-, Ersatzbaustoff- und Bodenschutzverordnung.
Wettbewerbsverzerrende Subventionen und hohe Exportzölle belasten die deutsche Wirtschaft. Vom freien Zugang zu heimischen und ausländischen Ressourcen ist der Standort Deutschland wesentlich abhängig. Deshalb muss in anderen Ländern nachdrücklicher als bislang für die Einhaltung eines fairen Wettbewerbs geworben werden. Ein wichtiger Baustein für die Rohstoffversorgung ist auch die Sicherstellung einer effektiven Kontrolle und Transparenz am Rohstoffmarkt. Handels- und Wettbewerbsverzerrungen gilt es abzubauen und in anderen Ländern zugleich für die Einhaltung der WTO-Handelsregeln zu werben. Eine einseitig von der Wirtschaft zu tragende Zertifizierung der Herkunft von Konfliktmineralien nach Vorbild des US-amerikanischen Dodd-Frank-Acts auf europäischer Ebene ist außerdem abzulehnen, weil die Sorgfaltspflicht nur von Politik und Wirtschaft gemeinsam auf internationaler Ebene erfüllt werden kann. In gleicher Weise müssen die heimischen Rohstoff lagerstätten unter Abwägung ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange zur Sicherung der Roh25
VII. Fachkräftebedarf sichern, Tarifautonomie erhalten, Alterssicherung zukunftsfest gestalten! Bei aller Freude über die erreichten Beschäftigungsrekorde von rund 42 Millionen Erwerbstätigen, 29 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit auf ca. drei Millionen: Die Integration des harten Kerns von knapp einer Million Langzeitarbeitslosen in reguläre Beschäftigung bleibt neben der Bewältigung des Fachkräftemangels eine große arbeitsmarktpolitische Herausforderung. Die unbestreitbaren Erfolge der Agenda 2010 mit den Hartz-Reformen haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass ein flexibler Rahmen der Schlüssel für Chancen auf den Einstieg in den Aufstieg am Arbeitsmarkt ist. Gleichzeitig bildet ein regelmäßiges Erwerbseinkommen die entscheidende Voraussetzung für die dringend erforderliche eigenverantwortliche Altersvorsorge. Zur Bewältigung des demografischen Wandels führt an einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit kein Weg vorbei. Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. Fachkräftebedarf sichern, Wachstumsbremsen lösen!
Wir erleben einen Paradigmenwechsel auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Statt zu weniger Arbeitsplätze werden zu wenige Arbeitskräfte immer stärker zum Problem. Ohne Gegensteuern wird es in 15 Jahren rund sechs Millionen Erwerbstätige weniger geben als heute. Nur eine verbesserte Integration von älteren Menschen und Jugendlichen in den Arbeitsmarkt, eine weitere Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie mehr qualifizierte Zuwanderung sichern die Fachkräftebasis und damit die Stärke des Innovations- und Wirtschaftsstandorts Deutschland. Dringend benötigen wir einen umfassenden, konkreten Maßnahmenkatalog für mehr Hochqualifizierte, der an allen Stellschrauben gleichzeitig ansetzt: 1.1 Mehr Bildung für bessere Berufschancen der jungen Generation vermitteln! Der Weg zu mehr Fachkräften führt zu allererst über mehr und bessere Bildung. Jahr für Jahr bleiben 60.000 Schüler ohne Abschluss. Politik, Wirtschaft und unsere gesamte Gesellschaft sind gemeinsam gefordert: Wir dürfen keinen jungen Menschen zurücklassen! Wenn es uns gelingt, die erschreckend hohen Quoten der Ausbildungsabbrecher von über 20 Prozent und der Schulabbrecher von etwa sieben Prozent zu halbieren, stehen der deutschen Wirtschaft bis 2025 über eine halbe Million Fachkräfte zusätzlich zur Verfügung. 1.2 Naturwissenschaftlich-technische Ausbildung ausbauen, Begeisterung für Ingenieurskunst wecken! Wirtschaft, Politik und Schulen stehen in der gemeinsamen Verantwortung, die MINT-Berufe (Mathema26
tik – Informatik – Naturwissenschaften – Technik) bekannter zu machen. Unser Ziel muss es sein, den Anteil der Ingenieure an allen Hochschulabsolventen auf 30 Prozent zu steigern. Um ausreichende Grundlagen für die MINT-Studienfächer zu legen, sind zukünftig mindestens zwei obligatorische naturwissenschaftliche Fächer bis zum Abitur erforderlich. Kein Abi ohne Mathe – so muss die Devise lauten! 1.3 Qualifizierte Zuwanderung gezielt steuern! In der vergangenen Legislaturperiode wurden bereits erste Schritte für mehr qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland vollzogen. Zusätzlich brauchen wir jedoch dringend ein System gewichteter Kriterien für eine aktive, bedarfsgerechte Einwanderungspolitik. Beispielhaft ist das kanadische Modell, bei dem u. a. Alter, Sprachkenntnisse oder berufliche Qualifikationen bewertet werden. 1.4 Aufweichen der Rente mit 67 verhindern! Zu den bedeutenden Erfolgen der bürgerlichen Regierung zählt, dass sie den Attacken auf die Rente mit 67 widerstanden hat. Auch diese Marke kann jedoch nicht in Stein gemeißelt sein: Viele 70-jährige sind fähig und motiviert zu beruflichem Engagement. Zur Erleichterung der Erwerbstätigkeit über die Regelaltersgrenze hinaus müssen unbürokratische Regelungen für die Besteuerung und Entrichtung von Abgaben geschaffen werden. 1.5 Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern! Vor allem die Familienunternehmen in Deutschland stehen für die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsplätze – nicht zuletzt um das zur Erhaltung der Wertschöpfung notwendige Fachkräftepotenzial voll auszuschöpfen. Die Politik ist ihrerseits gefor-
dert, alles daran zu setzen, die Vereinbarkeit des Berufslebens mit der Familie zu erleichtern. Ein weiterer Ausbau der Kinderbetreuung ist dringend erforderlich.
2. Tarifautonomie erhalten, einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn verhindern!
Jeder Arbeitnehmer, der mit einer Entlohnung unterhalb seiner erbrachten Leistung abgespeist wird, ist einer zu viel. Wer seine Verantwortung für die hart arbeitenden Männer und Frauen in unserem Land ernst nimmt, dem muss es ein Anliegen sein, dass soziale Verwerfungen aufgrund weißer Flecken in der Tariflandschaft vermieden und stattdessen tarifliche Lohnuntergrenzen eingeführt werden. Gleichzeitig können nur Arbeitsplätze, deren Kosten am Markt zu erwirtschaften sind, auf Dauer erhalten bleiben. So würde ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde nach Berechnungen des ifo Instituts 1,2 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland gefährden. Dagegen hat die Tarifautonomie als hohes Ver fassungsgut den Bürgern der Bundesrepublik über 60 Jahre Wohlstand, Beschäftigung und soziale Stabilität gebracht. Deshalb sind wir für in der Tarifautonomie verankerte Lohnuntergrenzen unter Berücksichtigung wichtiger Leitplanken: O Vorrang für Tarifverträge: Lohnuntergrenzen dürfen nur dort in Frage kommen, wo es weiße Flecken in der Tariflandschaft gibt. O Absage an politische Mindestlöhne: Für Lohnuntergrenzen müssen die Sozialpartner zuständig sein, nicht die Politik. O Ermöglichung branchenspezifischer, regionaler Regelungen: Einen beschäftigungsfeindlichen bundeseinheitlichen Mindestlohn darf es nicht geben. Damit weiterhin Arbeitgeber und Gewerkschaften die maßgebliche Verantwortung für die Lohnsetzung tragen können, ist eine Stärkung der Tarifautonomie erforderlich – insbesondere durch Maßnahmen zur Wahrung der Tarifeinheit.
3. Vollzeitarbeit für Geringverdiener attraktiver machen, Hinzuverdienstregeln anpassen!
Durch ein Kombi-Einkommen aus Marktlohn und staatlichem Zuschuss werden im Gegensatz zu einem beschäftigungsfeindlichen gesetzlichen Mindestlohn keine Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor
zerstört. Schon heute wird in Deutschland das Arbeitsentgelt Bedürftiger durch Arbeitslosengeld II aufgestockt. Statt jedoch wie bisher durch die Hinzuverdienstregelungen vor allem die Kombination aus Minijob, staatlichem Transfereinkommen und ggf. noch Schwarzarbeit zu fördern, sollten künftig Vollzeit Arbeitende mehr von den Früchten ihrer Tätigkeit behalten dürfen. Denn nur so können ehemals Bedürftige zum Einstieg in den Aufstieg am Arbeitsmarkt ermutigt und aus dem Transferbezug befreit werden.
4. Hartz IV-Missbrauch bekämpfen, Arbeitsbereitschaft konsequent überprüfen!
Auch für die rund eine Million Langzeitarbeitslosen muss die Botschaft der Agenda 2010 gelten: Arbeiten lohnt sich! Gleichzeitig hat jeder die Pflicht, so weit wie möglich für sich selbst zu sorgen und ohne die finanzielle Unterstützung der hart arbeitenden Bürger in unserem Land auszukommen. Dazu zählt die Bereitschaft, Beschäftigungschancen in anderen Sektoren, Berufen und ausdrücklich auch in anderen Regionen zu suchen und wahrzunehmen. Gleichzeitig sollte die Arbeitsbereitschaft von gesunden Transferempfängern nicht nur durch Jobangebote, sondern auch durch gemeinnützige Tätigkeiten systematisch überprüft werden. Die Politik hat sicherzustellen, dass künftig alle Arbeitsagenturen ihrer Pflicht ausreichend nachkommen, Arbeitslose zu einer ernsthaften Jobsuche anzuhalten. Nur mit einer Konzentration von Leistungen auf die wirklich Bedürftigen kann unser Gemeinwesen dauerhaft seinem Sozialversprechen nachkommen: Wer sich in seiner Not nicht selber helfen kann, dem hilft die Solidargemeinschaft ohne Wenn und Aber.
5. Arbeitsrecht flexibilisieren, Beschäftigungsmotor Zeitarbeit erhalten!
Der Rückgang der Arbeitslosigkeit um zwei Millionen seit 2005 bietet gemeinsam mit den günstigen konjunkturellen Aussichten die Chance, endlich auch den harten Kern der Langzeitarbeitslosigkeit aufzubrechen. Flexible Beschäftigungsformen wie Be fristungen, Zeitarbeit und Minijobs sind gerade für Personen mit Einstellungshindernissen ein gut funktionierendes Sprungbrett in den Arbeitsmarkt. So waren zwei Drittel der in der Zeitarbeit Beschäftigten zuvor ohne Job, während sie nun alle Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im 27
Krankheitsfall, im Urlaub und an Feiertagen, Mutterschutz, Elternzeit etc. haben. Gleichzeitig verschafft die Zeitarbeit Unternehmen die dringend benötigte Beweglichkeit, flexibel mit der Auftragslage zu atmen. Umso wichtiger ist es, diesen Beschäftigungsmotor zu stärken und ihn nicht durch Überreglementierung und frühzeitige Equal Pay-Regelungen abzuwürgen. Stattdessen haben bereits die Tarifvertragsparteien für immer mehr Einsatzbranchen passende Zuschläge vereinbart. Keinesfalls in einen Topf mit der Zeitarbeit dürfen Werk- und Dienstverträge geworfen werden. Als Form der Arbeitsteilung und Spezialisierung sind sie für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft unverzichtbar. Gleichzeitig gilt für alle Arbeitnehmer, die im Rahmen von Werkverträgen beschäftigt sind, das gesamte Arbeits- und Tarifrecht wie für jeden anderen Arbeitnehmer auch. So wichtig Werkverträge grundsätzlich sind, gilt es dennoch, einen missbräuchlichen Ersatz der Stammbelegschaft durch Werkarbeitnehmer zu verhindern. Gerade vielen Berufsanfängern gelingt über befristete Beschäftigungsverhältnisse der Einstieg in den Aufstieg am Arbeitsmarkt. Mehr als die Hälfte der Befristungen endet in einer unbefristeten Anstellung. Durch eine gezielte Entbürokratisierung können diese Jobchancen noch besser genutzt werden. So sollten Verschärfungen von Rot-Grün zumindest teilweise zurückgenommen werden und sachgrundlose Befristungen mit demselben Arbeitgeber nach Ablauf eines Zeitraums von höchstens 12 Monaten wieder möglich sein. Eine generelle Einstellungshürde stellt das unübersichtliche, unklare deutsche Kündigungsschutzrecht dar, das eine hohe Zahl oftmals langer und teurer Kündigungsschutzprozesse verursacht. Kalkulierbarkeit kann durch eine Abfindungsoption geschaffen werden: Arbeitnehmer sollen ein Wahlrecht erhalten, sich entweder für den gesetzlichen Kündigungsschutz zu entscheiden oder aber im Vorhinein eine Abfindung zu vereinbaren.
6. Leistung als Maßstab für Stellen besetzungen erhalten!
Eignung und Leistung müssen Maßstab für Stellenbesetzungen bleiben, nicht starre Quoten. Unternehmen haben angesichts der Herausforderungen des demographischen Wandels selbst ein starkes Interesse an mehr qualifizierten Frauen in Schlüsselpositionen und werden daher selbst eingegangene Verpflichtungen erfüllen. Tatsächlich steigt der Frauen28
anteil in Führungspositionen der Privatwirtschaft seit Jahren und erreicht inzwischen 27 Prozent. Zudem ist es unmöglich, alle Betriebe mit einer starren Quote über einen Kamm zu scheren: Weil nur 6 Prozent der Maschinen- und Fahrzeugbauingenieure Frauen sind, wäre für einen Autobauer eine fixe Quote weiblicher Führungskräfte viel schwerer zu erfüllen als für ein Dienstleistungsunternehmen. Gleichzeitig wird für Frauen, die in der Vergangenheit Benachteiligungen erlitten haben, nicht mehr Gerechtigkeit geschaffen, wenn stattdessen nun junge Männer benachteiligt und ihnen Aufstiegsmöglichkeiten verbaut werden: Falls in kurzer Zeit unrealistische Frauenquoten zu erfüllen sind und deshalb weibliche Führungskräfte in so gut wie alle frei werdenden Aufsichtsrats- und Vorstandsposten gehoben werden, sind Männer bei der Besetzung dieser Stellen offensichtlich im Nachteil. Statt eine neue Ungerechtigkeit zu schaffen, sollten die Voraussetzungen für Vollzeitarbeit und den beruflichen Aufstieg von mehr Frauen geschaffen werden: 1,2 Millionen Mütter würden gern arbeiten, wenn die Betreuung ihrer Kinder gewährleistet wäre.
7. Sozialabgaben auf deutlich unter 40 Prozent absenken!
Eine weitere Verringerung der Sozialabgaben auf deutlich unter 40 Prozent ist der Schlüssel, dass Erwerbseinkommen gegenüber Transfereinkommen an Attraktivität gewinnt und noch mehr Menschen zum Einstieg in den Aufstieg am Arbeitsmarkt motiviert werden. Doch noch immer wird knapp jeder dritte in Deutschland verdiente Euro für Soziales ausgegeben, überwiegend finanziert durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Beitragszahler in unseren sozialen Sicherungssystemen. Nur wenn wir aufhören, der langfristig rückläufigen Zahl abhängig Beschäftigter immer weitere Lasten aufzubürden, können wir unsere sozialen Sicherungssysteme auf ein zukunftsfähiges, demografiefestes Fundament stellen. Umso wichtiger ist es, ein tragfähiges Verhältnis von erwerbstätigen Beitragszahlern und Ruheständlern zu wahren, die Abkopplung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vom Beschäftigungsverhältnis voranzubringen sowie die eigenverantwortliche, kapitalgedeckte Vorsorge der Bürger zu stärken. Den finanziellen Spielraum hierfür kann kurzfristig eine weitere Absenkung der Lohnzusatzkosten liefern. Unsere sozialen
Sicherungssysteme sind keine Sparkassen. Stattdessen müssen die Überschüsse, die durch Arbeitskraft und unternehmerische Leistung der Beitragszahler erwirtschaftet wurden, diesen zurückgegeben werden. Die üppigen Finanzpolster der Sozialversicherungen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich bieten gegenwärtig die einmalige Chance, den Griff in die Sozialkassen von Rot und Grün aus dem Jahr 2005 zu korrigieren: Es ist an der Zeit, wie damals versprochen, endlich die Vorverlegung der Fälligkeit von Sozialbeiträgen zurückzunehmen. Die Unternehmen würden dadurch nicht nur einmalig finanziell entlastet, sondern vor allem auch von enormem bürokratischen Aufwand befreit: Betriebe wären nicht länger gezwungen, ihre Gehaltsabrechnungen doppelt zu machen.
8. Bevölkerungsalterung bewältigen, Altersgrenze flexibilisieren!
Angesichts der rasanten Bevölkerungsalterung führt an einem höheren Renteneintrittsalter kein Weg vorbei. Gerade vor dem Hintergrund der reichen Lebensund Arbeitserfahrung Älterer darf auch eine Anhebung der Regelaltersgrenze auf 69 Jahre kein Tabu sein. Wegweisend ist der Vorschlag des Sachverständigenrates, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung der Deutschen zu koppeln. Politik und Wirtschaft sind gemeinsam gefordert, Arbeit für Ältere zu erleichtern und einen flexiblen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen: O „Kombi-Rente“ für einen flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand einführen, Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentner motivationsfreundlicher gestalten! Wir müssen Systeme schaffen, die den individuell unterschiedlichen Alterungsprozessen gerecht werden. Hierzu zählt auch, Regelungen zur Besteuerung und Entrichtung von Abgaben jenseits der Regelaltersgrenze unbürokratisch zu gestalten. O Beschäftigungsfeindliches Prinzip der Senioritätsentlohnung abschaffen! Wenn für ältere Arbeitnehmer automatisch höhere Löhne zu zahlen sind, verschlechtert dies ihre Beschäftigungschancen. Gleichzeitig können die im Rentenpaket innerhalb der bürgerlichen Koalition bereits abgestimmten, maßvollen sozialen Korrekturen viele Menschen unterstützen, die Anhebung des Renteneintrittsalters zu meistern:
O Eine Erhöhung des Budgets für Rehabilitationen hilft den älter werdenden Arbeitnehmern beim Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit. O Eine Ausweitung der Zurechnungszeiten verhindert, dass Erwerbsminderungsrenten durch die sukzessive Anhebung der Regelaltersgrenze immer weiter hinter Altersrenten zurückfallen.
9. Versorgungslücken aufdecken, eigenverantwortliche Altersvorsorge ausbauen!
Während die Älteren mit einer moderaten Rentenentwicklung und einer Anhebung des Renteneintrittsalters ihren Teil des Generationenvertrags zu erfüllen haben, müssen die Jungen verstärkt Eigenvorsorge betreiben. Nur so ist auch künftig für alle Menschen ein auskömmlicher Lebensabend gewährleistet. Angesichts der sinkenden Vorsorgebereitschaft ist es umso wichtiger, der Bevölkerung die drohende Versorgungslücke bewusst zu machen. Jeder Bürger muss in Zukunft besser nachvollziehen können, welche Anwartschaften er in den verschiedenen Säulen der Alterssicherung angespart hat. Hierfür braucht Deutschland eine unabhängige und übergreifende Informationsplattform, auf der alle Ansprüche aus gesetzlicher Rente, Betriebsrente und privater Vorsorge sicher, einfach und übersichtlich zusammengefasst sind. Gleichzeitig ist ein Maßnahmenkanon zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die private und betriebliche Eigenvorsorge erforderlich: O Anrechnung von Riester-Renten auf die Grund sicherung im Alter abmildern! Wer vorsorgt muss immer mehr haben als derjenige, der nicht vorsorgt. O Nachholung nicht geleisteter Riester-Beiträge ermöglichen! Individuell unterschiedliche Erwerbsund Einkommensbiographien erfordern mehr Flexibilität bei den Einzahlmöglichkeiten in Vorsorgeverträge. O Riester-Höchstbetrag durch Festschreibung auf vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze dynamisieren! O Selbständige in die Riester-Förderung einbeziehen! O Pensionsverpflichtungen von Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge voll steuerlich anerkennen! O Bei Einzahlungen in die betriebliche Altersvorsorge doppelte Belastung mit Sozialversicherungsbeiträgen beenden! 29
VIII. Qualität, Wirtschaftlichkeit und IT-Effizienz des Gesundheitssystems vorantreiben! Damit unser Gesundheitswesen auch künftig zu den leistungsfähigsten auf der Welt gehört und alle Bürger trotz der demografischen Entwicklung von einer hochwertigen medizinischen Versorgung profitieren können, sind weitere grundlegende Reformen auf der Finanzierungs- und Leistungsseite notwendig: die weitere Entkoppelung der Gesundheitsausgaben von den Lohnkosten, die Verstärkung des Wettbewerbs auf der Ausgabenseite und die Förderung von mehr Eigenverantwortung. Entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems ist die Verbesserung der Innovationsstärke in allen Leistungsbereichen, insbesondere beim Thema E-Health und der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Die Einrichtung eines Innovationsfonds für die gesamte Gesundheitswirtschaft könnte Abhilfe schaffen, um beispielsweise neuartige Versorgungsformen zu erproben, den Ausbau von IKT voranzutreiben und die Forschung an Krankenhäusern und Universitätskliniken auszubauen. Gleichzeitig gilt es, den Nutzen für die Bevölkerung und die Wertschöpfung der Gesundheitswirtschaft klarer herauszustellen und die Branche mehr als Wirtschaftsfaktor zu verstehen. Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. Bürgerversicherung verhindern, Wettbewerbsfähigkeit des dualen Krankenversicherungssystems stärken!
Deutschlands Gesundheitswesen steht auf den beiden starken Säulen der gesetzlichen Krankenver sicherung (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV). Je intensiver und fairer der Wettbewerb innerhalb und zwischen den beiden Säulen GKV und PKV stattfindet, desto stärker rücken Kosteneffizienz und Qualität der medizinischen Versorgung in den Fokus der Versicherer. Der durch das duale Krankenversicherungssystem bestehende Wettbewerb ist ein wichtiger Motor für Innovationen. In einer sogenannten „Bürgerversicherung“ als staatlichem Einheitssystem würde dieser Wettbewerb um Ideen und Innovationen wegfallen.
2. Mehr Vertragswettbewerb im ambulanten und stationären Bereich schaffen!
Selektivverträge, zum Beispiel zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V, der besonderen ambulanten fachärztlichen Versorgung nach § 73c SGB V sowie der integrierten Versorgung nach §§ 140a ff SGB V, sind notwendig für einen sinnvollen Vertragswettbewerb mit dem Ziel, die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu optimieren. Selektivverträge sollten daher auch Versorgungsverbesserungen und Innovationen identifizieren, die ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis haben. Werden solche Verbesserungen und Innovationen festgestellt, müssen sie jedoch allen gesetzlich Krankenversicherten bereitgestellt werden.
Folge wäre eine Stagnation der Qualität medizinischer Versorgung. Zur Bewältigung des demografischen Wandels gilt es, die PKV als kapitalgedeckte Säule zu erhalten und auszubauen.
Damit ist gewährleistet, dass sich Innovationen, Versorgungsverbesserungen und Qualität zur Verbesserung der Versorgung der Patienten durchsetzen und das Versorgungsgeschehen im Ganzen effizienter wird.
Der Wirtschaftsrat regt eine Expertenkommission an, die nach dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2009 die praktischen Erfahrungen mit der Portabilität von Altersrückstellungen evaluiert und die Spielräume für eine Ausweitung auslotet. Gleichzeitig muss die damit einhergehende Gefahr steigender Beiträge vermieden werden, um die PKV als starke Säule unseres Krankenversicherungssystems zu erhalten.
Auch der stationäre Bereich sollte in die wettbewerbliche Vertragssteuerung einbezogen werden. Durch Direktverträge zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern kann eine bessere Behandlungsqualität für die Patienten gesichert werden. Dafür ist es notwendig, einen den Kontrahierungszwang ergänzenden Rechtsrahmen für Versorgungsgestaltungsverträge zu schaffen, auf die sich die Partner eigenverantwortlich verständigen können.
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3. Ambulante medizinische Versorgung vor Ort gewährleisten, mehr Eigenverantwortung verankern!
Eine wohnortnahe Versorgung vor allem in ländlichen Regionen und strukturschwachen Stadtteilen muss auch mit neuen Versorgungsmodellen sichergestellt werden können. Eine vereinfachte Zulassung sowie Bezahlung telemedizinischer Dienstleistungen kann einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung in unterversorgten Gebieten leisten. Die Maßnahmen aus dem Versorgungsstrukturgesetz, zum Beispiel die Stärkung der Anreize zur Niederlassung in ländlichen Regionen, müssen zeitnah auf ihren Erfolg hin überprüft und weiterentwickelt werden. An mehr finanzieller Eigenverantwortung und Vorsorge für die mit der Alterung der Gesellschaft steigenden Gesundheitskosten führt kein Weg vorbei. Die Abschaffung der Praxisgebühr ist kontraproduktiv, solange nicht mit einer kompensierenden Maßnahme mehr Eigenbeteiligung erreicht wird.
4. Investitionsstau in Krankenhäusern auf lösen – Mischfinanzierung auf den Prüfstand stellen!
Die Krankenhäuser in Deutschland stehen unter einem hohen Innovations- und Kostendruck. Qualität und Wirtschaftlichkeit im stationären Sektor haben sich seit der Einführung der Fallpauschalen (DRGs) deutlich verbessert. Allerdings sind die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit für viele Krankenhäuser mittlerweile erreicht: jedes Dritte Krankenhaus schreibt mittlerweile rote Zahlen. Gleichzeitig beläuft sich der Investitionsstau bei einer Investitionsquote von nur noch 4,4 Prozent auf mindestens 15 Mrd. Euro. Die vorübergehenden Soforthilfen des Bundes für Krankenhäuser in Höhe von insgesamt 1,1 Mrd. Euro sind nicht nachhaltig. Daher muss über weitere strukturelle Veränderungen auf der Finanzierungs- wie auf der Leistungsseite des stationären Sektors nachgedacht werden. Dringend notwendig ist, die Umstellung der unwirtschaftlichen Mischfinanzierung der Krankenhäuser von Kassen und Bundesländern auf ein monistisches System mit einheitlicher Finanzierungsverantwortung. Darüber hinaus müssen im ländlichen Raum ökonomisch tragfähige Versorgungskonzepte entwickelt werden.
5. Effizienzen heben – Sektorübergreifende Behandlungsabläufe ausbauen!
Kooperationen von Ärzten, Fachärzten, Krankenhäusern, Vorsorge- und Reha-Kliniken, MVZs sowie industriellen Anbietern in integrierten Versorgungsstrukturen bieten entscheidende Vorteile: O Wartezeiten, doppelte Wege und mehrfache Untersuchungen können reduziert werden. O Zum Wohle des Patienten läuft der notwendige Wissensaustausch reibungslos. O Das Gesundheitssystem wird von hohen Kosten befreit. O Die Patientensicherheit wird erhöht. Deshalb müssen prozessorientierte Versorgungsketten auf Basis von Krankheiten und Diagnosen an die Stelle der aktuell an Sektoren ausgerichteten Einzelleistungen treten. Modelle der Integrierten Versorgung und Disease Management-Programme weisen den Weg zur Organisation sektorübergreifender Behandlungsabläufe. Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen not wendig: O Übergang vom gegenwärtigen, sektoral abgeschotteten zu einem patientenorientierten Honorierungssystemen. O Wenn Krankenkassen stärker in integrierte Versorgungsstrukturen investieren, treten die hieraus resultierenden Einsparungen erst zeitverzögert ein. Um dennoch langfristiges Investitionsverhalten anzuregen, sollten die Kassen vom jährlichen Budgetausgleich befreit werden. O Elektronischen Patientenakte zeitnah einführen und Interoperabilität zwischen den IKT-Systemen als Voraussetzung für alle integrierten Versorgungsformen sicherstellen. Medizinische Versorgungszentren sollen von allen Leistungserbringern betrieben werden können, die zur medizinischen Versorgung der Versicherten zugelassen sind oder per Vertrag an ihr teilnehmen. Damit dies wieder möglich wird, muss die Änderung des § 95 Abs. 1 SGB V (MVZ-Gründung) rückgängig gemacht und auf den Stand vor dem 01.01.2012 gebracht werden. Insgesamt ist eine Gleichstellung von Medizinischen Versorgungszentren und niedergelassenen Fach 31
ärzten in Bezug auf Zulassung, Kooperationsformen, Entgelt und Plausibilitätsprüfung herzustellen.
6. Innovationen bei Arzneimitteln und Medizintechnik voranbringen, Willkür bei der Nutzenbewertung vermeiden!
Neue Behandlungsmöglichkeiten zum Wohle der Patienten sind der Schlüssel für eine zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung. Um das hohe Niveau der medizinischen Versorgung in Deutschland noch weiter anzuheben, müssen medizinische Innovationen schnell und nachhaltig zu fairen Preisen in die breite Versorgung gelangen. Daher sind bei der Preisfindung die Kosten für Forschung und Entwicklung zu berücksichtigen, und es muss eine klare Trennung von Nutzenbewertung nach rein wissenschaftlichen Kriterien sowie anschließender Preisverhandlung geben. Bei der Nutzenbewertung von Bestandsmarktprodukten ist zu berücksichtigen, dass diese die wirtschaftliche Basis pharmazeutischer Unternehmen bilden und die unverzichtbaren finanziellen Ressourcen für Forschung und Entwicklung liefern. Bestandsmarktaufrufe dürfen daher nicht willkürlich erfolgen. Eine nicht sachgerechte Selektion auf aktuelle „Blockbuster“ mit nur noch geringer Patentlaufzeit muss daher ausgeschlossen sei. Auch ist zu berücksichtigen, dass viele eingeführte Bestandsmarktprodukte inzwischen selbst zur Standardtherapie geworden sind. Sie dürfen deshalb nicht mit inzwischen veralteten Therapien verglichen werden. Die Ausnahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes bei „Orphan Drugs“ zur Behandlung schwerer, lebensbedrohlicher, seltener Erkrankungen müssen beibehalten werden. Nur so können für diese ansonsten wenig berücksichtigte Patientengruppe die Erforschung, Entwicklung und das Inverkehrbringen geeigneter Therapien gesichert werden.
7. Zersplitterte Förderlandschaft zusammenführen!
Damit Kranken in Zukunft noch wirksamer als heute geholfen werden kann und Patienten möglichst rasch von neuartigen Behandlungsmethoden profitieren können, muss medizinische Forschung durch gleichgerichtete Anreize der gesamten Förderlandschaft vorangebracht werden. Insbesondere die Bundesministerien für Bildung und Forschung, Gesund32
heit sowie Wirtschaft und Technologie müssen hierfür „Hand in Hand“ arbeiten: O Gesetzliche Regelungen und Förderungsansätze für Innovationen müssen sich besser als bisher ergänzen. O Ein Lotsensystem kann gerade Mittelständlern den Weg durch das Förderlabyrinth weisen. O Eine steuerliche Forschungsförderung als Ergänzung der bisherigen Projektförderung ist zügig umzusetzen, denn ihr Fehlen in Deutschland ist ein klarer Standortnachteil für forschungsintensive Industrien unabhängig von der Unternehmensgröße.
8. Überregulierung bei der EU-Medizinprodukteverordnung verhindern!
Derzeit wird in Brüssel eine neue Medizinprodukteverordnung beraten. Überregulierungen zum Nachteil des europäischen Standorts sind zu entschärfen. Konkret müssen folgende Punkte bei der EU-Medizinprodukteverordnung beachtet und schnellstmöglich umgesetzt werden: O Europaweit harmonisierte Überwachung von Zertifizierungsstellen für Medizinprodukte und damit Kontrolle anhand einheitlicher Standards. O Bessere Koordinierung von Herstellerregistrierungen und Erfassung von Vorkommnismeldungen. O Wesentliche Beibehaltung des „New Approach“ mit den bewährten Verfahren zur Konformitäts bewertung und CE-Kennzeichnung. Eine zentrale Zulassung von Medizinprodukten durch Behörden oder staatliche Stellen muss vermieden werden. Der internationale Vergleich zeigt, dass die Innovationsfähigkeit der Branche hierdurch eher behindert wird, ohne dass sich das Sicherheitsniveau wesentlich verbessert.
9. Fachkräftemangel im Gesundheitswesen konsequent bekämpfen!
In kaum einem anderen Bereich der Wirtschaft ist der Fachkräftemangel bereits heute so deutlich spürbar wie im Gesundheitswesen. Daher müssen dringend breit angelegte Gegenmaßnahmen ergriffen werden: O Bundesweite Anerkennung spezieller Berufsbilder wie operationstechnischer Assistent (OTA), anästhesietechnischer Assistent (ATA) oder chirurgischer Operationsassistent (COA). O Vereinfachte Anerkennung ausländischer Qualifikationen im medizinischen und pflegerischen Bereich.
O Ergänzung der Krankenpflegeausbildung, um innovative Modelle wie das Berufsausbildungsvorbereitungsjahr zu nutzen und damit den Mangelberuf Krankenpflege auch Hauptschulabgängern zu ermöglichen. O Gemeinsame Ausbildung von Kranken- und Altenpflege mit einheitlicher Ausbildungsfinanzierung. Der ärztliche Nachwuchsmangel ist vor allem in den weniger spezialisierten, überwiegend patientennah tätigen Fächern ein Problem und wird sich durch eine älter und damit kränker werdende Bevölkerung massiv verschärfen. Aufgrund des medizinischen Fortschritts können inzwischen jedoch viele Erkrankungen im häuslichen Bereich behandelt werden. Diese Tatsache wird bisher unzureichend bei der Aus- und Weiterbildung berücksichtigt. Dringende Forderungen sind deshalb: O Stärkere Rolle der ambulanten Tätigkeit in der universitären Ausbildung. O Verankerung einer mindestens sechsmonatigen ärztlichen Weiterbildung über das Fach Allgemeinmedizin hinaus auf weitere patientennahe Gebiete im ambulanten Bereich.
10. Betriebliche Krankenversicherung stärken!
Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) wird in Zukunft angesichts der Finanzierungs-herausfordungen im Gesundheitssystem eine wesentlich größere Rolle bei der Sicherung unseres Versorgungsniveaus in der Breite der Bevölkerung spielen. Anders als in der betrieblichen Altersvorsorge ist die steuerliche Behandlung der betrieblichen Krankenversicherung jedoch noch nicht geeignet, diese als dritte Säule so zu stärken, wie es geboten erscheint: Beiträge zur betrieblichen Krankenversicherung gelten heute grundsätzlich als steuer- und sozialversicherungspflichtige Lohnersatzleistung. Stattdessen müssen Arbeitgeberleistungen zur betrieblichen Krankenversicherung in § 3 Nr. 34 EStG aufgenommen werden und damit den dort steuerlich bereits genannten Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung gleichgestellt werden.
11. Ausreichende Finanzierung der Rehabilitation!
Zur bedarfsgerechten Finanzierung der Rehabilitation ist es notwendig, das Rehabilitationsbudget der
Gesetzlichen Rentenversicherung laufend mit einem Demografiefaktor anzuheben. Denn einer gestiegenen Nachfrage nach Rehabilitation (die Leistungsanträge sind von 2005 bis 2011 um rund 30 Prozent auf knapp 1,7 Mio. gestiegen) steht keine ausreichende Finanzierung gegenüber. Aufgrund der hohen medizinischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung der Rehabilitation, die Menschen länger eine Berufstätigkeit ermöglicht, könnten sich zusätzliche Finanzmittel durchaus rechnen. Die von der Gesetzlichen Krankenversicherung getragene medizinische Rehabilitation ist von den gleichen Kosteneffekten betroffen wie der Krankenhaussektor. Daher ist die Entwicklung eines angemessenen, qualitäts- und leistungsorientierten Vergütungssystems für die Rehabilitation und die Anwendung des Orientierungswerts nach § 10 Abs. 6 KHEntG ebenso notwendig wie eine anteilige Tariflohnrefinanzierung und die Aufnahme der Rehabilitation in das Hygiene-Förderprogramm. Da 80 Prozent der GKV-Patienten, die Leistungen der medizinischen Rehabilitation in Anspruch nehmen, älter als 65 Jahre sind, gewinnt das Prinzip „Mit Rehabilitation Pflege vermeiden“ zunehmend an Bedeutung. Ein finanzieller Ausgleich zwischen Pflege- und Krankenversicherung, der den Krankenkassen ihre Aufwendungen für Reha-Leistungen zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit zurück erstattet, könnte hier sinnvoll sein.
12. Kapitaldeckung insbesondere auch in der Pflegeversicherung weiter ausbauen!
Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, der stärker auf die Bedürfnisse von dementen Mitbürgern ausgerichtet ist, muss zügig umgesetzt und an Leistungszusagen in der Gesetzlichen Pflegeversicherung gekoppelt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass daraus keine Beitragserhöhungen in der Pflegeversicherung resultieren, die eine zusätzliche Belastung der Arbeitskosten bedeuten würden. Zur langfristigen Beitragssatzstabilität muss die Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung ausgebaut werden. Auch ist der derzeitige Pflege-TÜV wenig aussagekräftig und sollte deshalb durch ein Zertifizierungsverfahren ersetzt werden. 33
13. Patientensicherheit, klinisches Risiko management und Versicherungsschutz weiterentwickeln!
Die Sicherheit für Patienten muss in allen Versorgungsbereichen gewährleistet sein. Dabei ist ein medizinisches Risikomanagement als Element der Qualitätssicherung ebenso unerlässlich wie eine aus reichende Haftpflicht-Versicherung für Ärzte und Gesundheitsorganisationen. Es muss gewährleistet sein, dass allen Einrichtungen im Gesundheitswesen weiterhin ausreichend Versicherungsschutz zur Verfügung steht und dass dieser finanzierbar bleibt.
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IX. Investitionsprogramm für Verkehrsinfrastruktur starten! Die Steuerzahler und Nutzer der Verkehrsinfrastruktur haben seit Gründung der Bundesrepublik ein leistungsfähiges Verkehrsnetz geschaffen. Mit einem Vermögenswert von nahezu 1,1 Billionen Euro stellt dieses Netz zugleich eine tragende Säule des Vermögens unseres Landes dar und sichert gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit. Vordringliche Aufgabe muss es sein, diesen Vermögenswert in seiner Substanz und Verfügbarkeit zu erhalten und an die sich ändernden Mobilitätsbedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft anzupassen, denn eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten wird unweigerlich zu einer Beschneidung wirtschaftlichen Wachstums führen. Vor diesem Hintergrund muss die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik einen herausgehobenen Stellenwert im Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung erhalten. Handlungsbedarf besteht zuvorderst in den Mechanismen der Infrastrukturfinanzierung. Der Verkehrssektor leidet unter dem Problem seiner indirekten, intransparenten und für den Bürger häufig nicht nachvollziehbaren Finanzierungswege. Dies zeigt sich besonders in den äußerst komplizierten Abstimmungsprozessen bei der Verteilung der Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Eine besondere Fehlentwicklung stellt der Hang zur Protegierung besonders öffentlichkeitswirksamer Infrastrukturvorhaben dar. Immer wieder werden für den Erhalt bereitgestellte Haushaltsmittel zu Gunsten prestigeträchtiger Neubauvorhaben umgewidmet, mit der Folge eines mittlerweile unübersehbaren Substanzverzehrs. Die Sperrung der A1-Rheinbrücke bei Leverkusen Ende November 2012 für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen stellt hier nur eines der unrühmlichen Beispiele der jüngeren Vergangenheit dar. Weil für den Erhalt nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen und diese Mittel in Folge der bestehenden Strukturen nicht mit der nötigen Effizienz eingesetzt werden, büßt Deutschland so jeden Tag etwa 13 Mio. Euro seiner Infrastrukturwerte ein. Das Drehen an der Steuer- und Abgabenschraube wäre hier der falsche Ansatz. Grundsätzlich sieht der Wirtschaftsrat in einer zusätzlichen Belastung der Nutzer der Verkehrsinfrastruktur keine Lösung zur ausreichenden Finanzierung der Verkehrswege. Vielmehr gilt es, durch Finanzierungskreisläufe mehr Transparenz und Effizienz in die bestehenden Finanzierungsmechanismen zu bringen. Dazu bedarf es einer übergeordneten Bedarfsplanung mit Projektprioritäten, Planungssicherheit für ein ausreichendes Zeitszenario, einer Überjährigkeit und Zweckbindung der zur Verfügung stehenden Mittel, einer Ergebniskontrolle, aber auch mehr Mut zu öffentlichprivatwirtschaftlichen Kooperationskonzepten. Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. Bundesverkehrswegeplan zu einer verkehrsträgerübergreifenden Netzplanung unter Beachtung der Nutzen-Kosten-Verhältnisse umbauen!
Im Vordergrund des Bundesverkehrswegeplanes 2015 muss das verlässliche Funktionieren des Verkehrsnetzes als Ganzes stehen. Dazu bedarf es eines ganzheitlichen multimodalen wie intermodalen Planungsansatzes, bei dem die Mittel gezielter in Projekte mit dem größten verkehrlichen wie volkswirtschaftlichen Nutzen investiert werden. Zugleich ist der Bundesverkehrswegeplan mit einem realistischen Finanzrahmen und ausreichenden Mitteln für die priorisierten Projekte zu unterlegen.
2 . Mehr Effizienz der Verkehrswegeinvestitionen durch Überjährigkeit und Zweckbindung der Mittel schaffen!
In einem ersten Schritt muss hierzu eine gesetzliche Zweckbindung der zur Verfügung stehenden Mittel für Erhalt und Betrieb der Verkehrsnetze von Straße, Schiene und Wasserstraße auf Bundes-, Landes- wie kommunaler Ebene erfolgen. In einem zweiten Schritt ist die Überjährigkeit der Finanzmittel sicherzustellen, um die Verkehrswegefinanzierung von haushalterischen Schwankungen abzukoppeln. Die daraus entstehende Planungssicherheit (u.a. auch durch Wegfall des so genannten „Dezember-Fiebers“) und der sich ebenfalls ergebende konstante Mittelfluss werden maßgeblich dazu beitragen, bestehen35
de Ineffizienzen im System der Infrastrukturfinanzierung zu beseitigen. Denkbare Instrumente zur Einrichtung solcher Finanzierungskreisläufe liegen zum Beispiel in Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen, wie sie für die Schiene bereits bestehen und für die Straße aktuell erprobt werden, ebenso in Fondslösungen. Um die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen für die Verkehrsinvestitionen zu schaffen, ist in einem dritten Schritt ein jährlicher Netzzustands- und Leistungsbericht, der die Ergebnisse und die Verfügbarkeit der Verkehrsinfrastruktur dokumentiert, vorzulegen. Viertens sind mit sofortiger Wirkung jährlich 2 Mrd. Euro zugriffssicher und überjährig aus Haushaltsmitteln zur Beseitigung des aufgelaufenen Nachholbedarfs bereitzustellen. Damit soll sichergestellt werden, dass schnellstmöglich alle kritischen Netzabschnitte wieder voll leistungsfähig sind.
3. Planungssicherheit für die kommunale Verkehrsinfrastruktur herstellen!
Insbesondere für den unternehmerischen Mittelstand stellt die kommunale Verkehrsinfrastruktur eine wichtige Lebensader dar. Auf kommunalen Straßen etwa werden die ersten und letzten Meter eines nahezu jeden Transports zurückgelegt. Bund und Länder stehen daher in der gemeinsamen Verantwortung, für die im Jahr 2019 auslaufenden Programme der Gemeindeverkehrsfinanzierung Anschlussregelungen zu finden, die Finanzierung des kommunalen Verkehrsnetzes, insbesondere auch des ÖPNV auf ein sicheres Fundament zu stellen. Nicht nur der allgemeine Sanierungsstau bei der kommunalen Verkehrsinfrastruktur, sondern auch steigende Umweltschutzanforderungen (etwa im Bereich Lärmschutz oder Emissionswerte) erfordern neue Modernisierungsstrategien für die Verkehrsnetze in den Städten und Gemeinden und verursachen entsprechende Kosten. Vor diesem Hintergrund darf sich der Bund seiner Verantwortung nicht entziehen und den Kommunen seine Unterstützung, insbesondere bei größeren Projekten, die viele Kommunen nicht aus eigener Kraft finanzieren können, nicht verweigern.
4. Planungsverfahren durch Straffung und optimierte Bürgerbeteiligung beschleunigen, Kostenexplosionen verhindern!
Die wirksame Einbeziehung von Bürgern hat sich immer mehr zum Schlüssel für die Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen entwickelt. Die Bürger 36
beteiligungsverfahren müssen am Anfang eines Planungsprozesses stehen, optimiert und transparenter gestaltet werden. Entscheidend sind eine detaillierte Information und offene Kommunikation. Ein weiterer Baustein besteht darin, den „betroffenen“ Bürger zum „beteiligten“ Bürger zu machen und Modelle zu ermöglichen, mit denen er an Infrastrukturprojekten etwa über Anleihen beteiligt werden kann. Wenn die Menschen über Windparks, Netzleitungen oder Logistikparks einen finanziellen Vorteil erlangen, dann werden auch damit eventuell verbundene Belastungen leichter akzeptiert. Nach den Erfahrungen von Stuttgart21 wurde der Ruf nach einer Erweiterung des Planungsrechts laut. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Akzeptanzprobleme durch immer neue Verfahren gelöst werden können. Im Gegenteil: Die Planungsverfahren sind mit der Auflösung solcher Konflikte überfordert und müssen dringend entlastet werden. Eine solche Entlastung kann durch Vereinfachung, durch Reduzierung von Doppelstrukturen und durch den Abbau von Bürokratie erreicht werden. An vielen Stellen finden unnötige Doppel- und sogar Mehrfachprüfungen statt. Diese gilt es zu beseitigen. Großprojekte sind zudem nur unter Einbindung unterschiedlichster Gewerke realisierbar. Ist die dafür notwendige Managementkompetenz begrenzt, sind Konflikte an den Schnittstellen vorprogrammiert. Bei der Realisierung großer öffentlicher Infrastrukturvorhaben sollte daher auf die Kompetenz von Generalunternehmen gesetzt und unterbunden werden, dass die öffentliche Hand – wie im Falle des Hauptstadtflughafens BER – selbst die wichtige Funktion des Projektmanagers übernimmt. Zugleich sollte im Vergaberecht festgeschrieben werden, dass bei einer öffentlichen Auftragsvergabe nicht der Preis, sondern das Kriterium der Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend ist. Nicht immer ist das niedrigste Angebot auch das wirtschaftlichste.
5. Luftverkehr in den Bundesverkehrswegeplan aufnehmen, Luftverkehrsteuer abschaffen, Nachtflüge ermöglichen!
Gut 35 Prozent des Warenwerts aller Güter „Made in Germany“ werden per Luftfracht transportiert. Vor allem Expressfrachten und hochwertige bzw. schnell verderbliche Güter treten die Reise per Luft an. Damit
ermöglicht es die Luftverkehrswirtschaft den unzähligen mittelständischen Hidden Champions mit ihren High tech-Produkten Teil einer weltweiten Produktions- und Lieferkette zu sein. Mit seiner Bedeutung für den Tourismus leistet der Luftverkehr zudem einen weiteren oftmals unterschätzten volkswirtschaftlichen Beitrag. Nicht zuletzt beweisen sich auch die Flughäfen selbst als Bestandteil der Luftverkehrsinfrastruktur als echte „Job-Maschinen“. Trotz dieser volkswirtschaftlichen Wirkungen wird der Luftverkehr in Deutschland immer wieder durch staatliche Eingriffe wie die Luftverkehrsteuer belastet oder die Nutzung seiner Infrastrukturen durch Nachtflugverbote oder Ausbaustopps eingeschränkt. Die Luftverkehrsteuer gehört abgeschafft, sie macht weder ökonomisch noch ökologisch Sinn. Als deutsche Insellösung stellt sie für die heimischen Luftverkehrsunternehmen eine besondere Belastung dar. Sie führt zur Abwanderung von Fluggästen ins benachbarte Ausland, geht zu Lasten der Ertragslage der betroffenen Fluggesellschaften und hat nicht zuletzt Arbeitsplätze in Deutschland gekostet. Mit ihrer ungewollten Sonderrolle durch restriktive Nacht flugverbote verschlechtern sich die Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Flughäfen deutlich gegenüber den wichtigsten Konkurrenten in Europa und Nahost. Das Nachtflugverbot verursacht Mehrkosten für Zwischenlandung, Verlagerung oder Streichung von Flügen. Es muss alles daran gesetzt werden, Nachtflüge in Deutschland zu ermöglichen – und nicht nur noch in Ausnahmefällen und per Sonder genehmigung. Zugleich darf Luftfahrtpolitik nicht länger am Länderproporz scheitern. Die Bedarfsplanung für die Flughafeninfrastruktur muss endlich in die Bundesverkehrswegeplanung aufgenommen werden. Nur ein Gesamtkonzept kann den Grundstein zur Weiterentwicklung des Luftverkehrsstandortes Deutschland legen.
zuvorderst auf die Engpassbeseitigung und Verknüpfung mit den transeuropäischen Netzen zu konzentrieren. Zur Erleichterung des grenzüberscheitenden Schienenverkehrs innerhalb der EU müssen einzelstaatliche Regelungen bei der Zertifizierung des rollenden Materials gegenseitig anerkannt werden. Zuvorderst jedoch sind die Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb auf der Schiene – national wie europaweit – zu verbessern. Dazu gehört zwingend die Trennung von Netz und Betrieb. Bis diese erreicht ist, muss sichergestellt werden, dass Trassen- und Stationsentgelte, die vom marktbeherrschenden Anbieter erwirtschaftet werden, vollständig in die Infrastruktur zurückfließen. Zur diskriminierungsfreien Festlegung der Trassenentgelte ist die Rolle des Bundeskartellamtes zu stärken. Um die Attraktivität der Schiene vor allem für den Personenverkehr insgesamt zu erhöhen, sollte mit einem „Deutschland-Takt“ ein anbieterübergreifender Fahrplan entwickelt werden, der in einem regelmäßigen Takt Anschlüsse zwischen Nahverkehrsund Fernzügen ermöglicht. Zugleich ist Sorge dafür zu tragen, dass die mit der Energiewende verbundenen Preissteigerungen bei den Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs nicht zusätzlich beeinträchtigt wird. Bislang sind Bahnunternehmen von der im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgeschriebenen Umlage weitgehend befreit. Der Wegfall dieser EEGBefreiung hätte für den schienengebundenen Verkehr jährliche Mehrkosten von 230 Mio. Euro zur Folge. Angesichts der Ziele im Bereich der Elektromobilität ist kaum ein absurderes Szenario vorstellbar: Einerseits soll Deutschland bis zum Jahr 2020 zum Leitmarkt für diese Antriebstechnologie werden, anderseits würde genau der Verkehrsträger, der bereits heute zu 100 Prozent elektrisch betrieben wird, benachteiligt.
6. Potenziale der Schiene durch mehr Wettbewerb, Engpassbeseitigung und Verknüpfung mit den transeuropäischen Netzen heben!
Stark beeinflusst durch die Zunahme des Containerumschlags in den Seehäfen, wird die Schienengüterverkehrsleistung weiter wachsen – mit massiven Auswirkungen auf den Verkehr im Hinterland. Infrastrukturinvestitionen im Schienenverkehr sind daher 37
X. Markt statt Mietpreisbremse durchsetzen! Wohnungsknappheit kann nur mit mehr Neubau beseitigt werden. Wohnungsbauförderung muss sich an der regionalen Nachfrage und den Besonderheiten des jeweiligen Marktes orientieren; sie kann auch Anreize für Modernisierung oder Rückbau setzen. Förderungen sollten vor allem subjektbezogen sein und einkommensschwache Käufer und Mieter unterstützen. Verbesserungen der steuerlichen Abschreibungen, gezielte KfW- Programme oder Belegungsrechte können helfen. Erhöhungen von Grund- und Grunderwerbsteuer sind kontraproduktiv. Die Länder müssen die Bundesmittel für den Wohnungsbau tatsächlich zweckgebunden einsetzen. Eingriffe in die Preisbildung wie Mietpreisdeckel für Neuvermietungen oder eine weitere Verschärfung der Mietzinskappung blockieren den Wohnungsneubau und sind deshalb abzulehnen. Wir setzen auf einen Wohnungsdialog vor Ort, um regionale Besonderheiten besser zu berücksichtigen. Ziel jeder Wohnungspolitik muss es sein, ausreichend bezahlbare, energetisch hochwertige sowie behinderten- und altersgerechte Wohnungen zu schaffen. Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. Neuen Wohnraum schaffen – marktwirtschaftlich organisiert!
In einigen Regionen Deutschlands wächst die Bevölkerungszahl. Dabei sind Zuzugsregionen nicht nur die wenigen Großstädte wie Berlin, München oder Köln, sondern auch kleine und mittelgroße Städte oder sogar einzelne Quartiere und Stadtteile, in denen sich attraktive Arbeitsplätze konzentrieren oder das soziale Wohnumfeld besonders attraktiv ist. Die steigende Nachfrage lässt die Miet- und Kaufpreise ansteigen. Dieser lokalen Wohnungsknappheit muss man begegnen, indem marktwirtschaftliche Elemente gestärkt und Anreize zum Neubau gesetzt werden. Der Wohnungsneubau muss sich an der regionalen Nachfrage orientieren, sowohl in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht. Funktioniert der Wohnungsmarkt, so wird das Angebot erhöht, wenn die Preise auf Grund wachsender Nachfrage steigen. Das heißt, in Zuzugsregionen mit steigenden Preisen wird investiert und neuer Wohnraum geschaffen. Eingriffe in die Preisbildung würden diesen Mechanismus außer Kraft setzen. Mietpreisdeckel für Neuvermietungen und Erstvermietungen sind aus diesem Grund abzulehnen, denn sie würden den Neubau von Wohnungen verhindern, soweit eine Deckung der Neubau- beziehungsweise Renovierungskosten nicht erreicht werden kann. Ebenso ist eine weitere Verschärfung der Mietzinskappung in laufenden Mietverträgen abzulehnen. Mietpreisdeckel und Mietzinskappung sind Investitionshemmnisse. Wir brauchen weniger Investitionshemmnisse, nicht mehr! 38
2. Energieeffizienzmaßnahmen wirtschaftlich und technologieoffen umsetzen!
Zur Realisierung der ambitionierten Klimaschutz ziele wird es künftig noch stärker darauf ankommen, vorhandene Einsparmöglichkeiten für Primärenergie wirtschaftlich zu nutzen. Auf den Gebäudebereich entfallen 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland. Damit stellen Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung einen wichtigen Baustein bei der Reduzierung des Energieverbrauchs dar. Deshalb werden private, gewerbliche und Industriegebäude ihren Beitrag leisten müssen. Mindestanforderungen an die Energieeffizienz müssen sich in erster Linie wirtschaftlich umsetzen lassen und gleichzeitig die für den jeweiligen Nutzer oder Eigentümer sinnvollste Technologie zulassen. Sinnvoll können kleinteilige Quartierslösungen sein. Nur wenn der Nutzen für Eigentümer und Mieter die Investitionskosten übersteigt, werden Investitionen in Energieeffizienz erfolgen. Dies gilt sowohl für den Neubau als auch für Bestandsgebäude. Derlei Sanierungsanstrengungen brauchen Planungssicherheit, weshalb eine weitere Anhebung der Mindesteffizienzstandards über die Energieeinsparverordnung (EnEV) hinausgehend abzulehnen ist. Es sollten diejenigen Maßnahmen zuerst durchgeführt werden, die mit den geringsten Kosten die größte Energieeffizienzverbesserung bewirken. Ein Sanierungsfahrplan sollte ordnungsrechtlich somit nicht vorgegeben werden. Stattdessen dürften flexible Anreizsysteme wie eine einfache Ausgestaltung der steuerlichen Förderung die Entwicklung erheblich beschleunigen. Das Contracting darf durch die Ausdehnung auf bestehende Verträge nicht zu bürokratischem Mehrauf-
wand führen, weshalb die Mietrechtsnovelle in Hinblick auf die Auswirkungen des Contractings unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten evaluiert werden sollte.
3. Rahmenbedingungen für energetische Sanierungen insgesamt verbessern!
In einem ersten Schritt hat das Mietrechtsänderungsgesetz 2013 energetische Sanierungsmaßnahmen erleichtert. Darüber hinaus bieten Bund, Länder und Kommunen mehr als 180 verschiedene Förderprogramme an. Es gibt zahllose Plattformen, die unterschiedliche Segmente der Förderprogramme abbilden. Hilfreich wäre eine zentrale, durch den Bund geförderte Plattform, in welcher alle Programme zusammengeführt sind. Ein anwenderfreundliches Berechnungstool, mit dem die Förderprogramme des Bundes, der Länder und der Kommunen einerseits auf den Sanierungsbedarf, die Sanierungsmaßnahmen und die Standortregion andererseits abgestimmt werden können, würde die öffentliche Sanierungsförderung transparenter machen und potentielle Investoren nicht durch Unübersichtlichkeit abschrecken. Gebäudebezogene, quartiersbezogene und gesamtstädtische Maßnahmen müssen im Hinblick auf das Ziel Energieeffizienz und Klimaschutz ganzheitlich betrachtet werden. Die KfW-Förderung leistet einen wichtigen Beitrag zur Klimazielerreichung. Sie muss langfristig und verlässlich gestärkt und mit Mitteln auf hohem Niveau ausgestattet werden, damit die Energiewende gelingen kann. Die Mittel dürfen nicht davon abhängig sein, wie hoch der CO2Zertifikatpreis ist. Ebenso ist verbesserte Aufklärung der Mieter über die Ziele der energetischen Gebäudesanierung notwendig – sie muss auch auf ein geändertes Nutzerverhalten abzielen.
4. Steuerliche Abschreibung bei der energetischen Sanierung stärken!
Durch die steuerliche Abschreibung energetischer Sanierungsmaßnahmen wird die Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme in der Investitionsrechnung des Investors verbessert. Neben den KfW-Förderprogrammen würde diese Form der erhöhten Absetzung zusätzliche EnergieeffizienzPotenziale bei Wohn- und Gewerbeimmobilien heben und zudem Millionen Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft sichern. Daneben
ist die steuerliche Sonderabschreibung auch für ältere Eigentümer ein probates Mittel, ihr Eigentum energetisch zu ertüchtigen. Auch wenn die steuerliche Förderung im Vermittlungsausschuss gescheitert ist, sollte die Einführung der steuerlichen Abschreibung energetischer Sanierungsmaßnahmen im Hinblick auf die Klimaziele wieder auf die Tagesordnung.
5. Städtebauförderung im gesamten Bundesgebiet erhalten!
Stadtentwicklung muss ganzheitlich betrachtet und gestärkt werden. Beim Umbau der Städte muss die Alterung der Bewohner, die Zu- oder Abnahme der Bevölkerungszahl, die Differenziertheit der Lebensstile auf Grund der Multikulturalität und auch die Einkommens- und Rentenentwicklung in den Blick genommen werden, um den sozialen Zusammenhalt und die Attraktivität des Lebensraums Stadt zu erhalten. Städtebauförderung ist eine strukturpolitische Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen und muss finanziell so ausgestattet und programmatisch so ausgestaltet werden, dass nachhaltige Stadtentwicklungspolitik möglich ist. Die Programme Stadtumbau Ost und West sollten unter Haushaltsvorbehalt bedarfsgerecht fortgeführt werden. Das Programm „Soziale Stadt“ hat sich bewährt und muss gestärkt werden Zinsverbilligte Darlehen und KfW-Zuschüsse werden zur Finanzierung des notwendigen altersgerechten Umbaus nicht ausreichen. Um den vorhandenen Modernisierungsstau endgültig zu überwinden, müssen schnellstmöglich weitere Mittel bereitgestellt werden. Zu denken wäre hier auch an eine Beteiligung anderer Institutionen, zum Beispiel der Pflegeversicherungen, da diese langfristig von altersgerecht umgebauten Wohnungen profitieren würden. Alte Menschen möchten so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Die ambulante Pflege in der eigenen Wohnung entlastet die Pflegeversicherungen.
6. Subjektförderung der Objektförderung beim sozialen Wohnungsbau vorziehen!
Wohnungsbauförderung ist seit der Föderalismuskommission 2007 Sache der Länder. Als Ausgleich müssen die Länder auch weiterhin Kompensationsmittel des Bundes in Höhe von jährlich 518 Mio. Euro bis einschließlich 2019 zweckgebunden für investive 39
Verwendung bekommen. Nur drei Bundesländer haben die Mittel konsequent zweckgebunden eingesetzt. Deshalb muss mehr Transparenz über die Verwendung der Mittel und Kontrolle her. Eine beschränkte, dafür aber zielgerichtete Förderung in wachsenden Regionen ist hier sinnvoll. Die Neubauförderung sollte sich an den örtlichen Marktgegebenheiten orientieren und kann zum Beispiel in preiswerten Wohnraum für junge Familien, Studenten und Senioren fließen. Allerdings ist sozialer Wohnungsbau nicht nur teuer im Verhältnis zur Anzahl der Wohnungen, die erstellt werden können, die Konzentration einkommensschwacher Personen in separaten Wohnquartieren kann auch zu sozialen Verwerfungen führen. Eine Subjektförderung ist der Objektförderung deshalb vorzuziehen. Die Lenkung von Fördermitteln in den sozialen Wohnungsbau sollte daher mittelfristig durch die direkte Förderung konkret bedürftiger Personen ersetzt werden. Direkte staatliche Transferzahlungen an bedürftige Personen, um deren Chancen bei der Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt zu verbessern, sind immer günstiger und marktwirtschaftlicher als eine Objektförderung mittels staatlicher Investitionsprogramme. Der soziale Wohnungsbau kann durch eine Anhebung des Wohngeldes ersetzt werden. Staatlich geförderter Wohnungsbau sollte nur noch für die wenigen Personen zur Verfügung stehen, die auf Grund persönlicher Merkmale keine Wohnung bekommen können.
7. Wiedereinführung der Eigenheimzulage verhindern!
Auch wenn mancherorts zusätzlicher Wohnraum dringend benötigt wird, ist die Wiedereinführung der Eigenheimzulage ordnungspolitisch grundsätzlich abzulehnen. Bei der Eigenheimzulage handelt es sich in erster Linie um eine Maßnahme der Vermögensbildung. Regionale Fehlentwicklungen könnten durch sie sogar verschärft werden. Die regional undifferenzierte Förderung von Wohneigentum mit einer Zulage in einer bestimmten absoluten Höhe lässt Neubau insbesondere in Räumen mit schrumpfender Bevölkerungszahl, in denen die Anschaffungsund Herstellungskosten nachfragebedingt niedriger sind, überproportional profitieren. Sie führt zur Steigerung der Baupreise. Bestehender Wohnraum 40
ürde dort durch weiteren Neubau zusätzlich entw wertet.
8. Maklerrecht modernisieren!
Sowohl Vermieter als auch Mieter sollen Makler beauftragen dürfen. Im BGB sollte darüber hinaus verankert werden, dass die Schriftform des Vertrages als Voraussetzung des Maklervertrages gilt. Damit werden Interessenkonflikte und Rechtsstreitigkeiten vermieden. Darüber hinaus sollte die Qualität von Maklerleistungen durch die Verankerung einer verpflichtenden Haftpflichtversicherung in der Gewerbeordnung gestärkt werden. Dies sind Maßnahmen, die zügig und in kürzester Zeit umgesetzt werden sollten.
XI. Attraktivität des Forschungs- und Innovationsstandorts verbessern! Deutschland muss in den kommenden Jahren noch stärker zu einer Wissens- und Gründergesellschaft werden, damit der Spitzenplatz als Innovationsstandort erfolgreich verteidigt werden kann. Dazu bedarf es einer stärkeren Zusammenarbeit von Industrie, Politik und Zivilgesellschaft. Ein immer höherer Anteil der Wertschöpfung, des Exports und der Beschäftigung wird in Zukunft auf Industrien und Dienstleistungsbereiche entfallen, die durch besonders hohe Wissensintensität gekennzeichnet sind. Umso wichtiger ist es, dass sich die Forschungsund Innovationspolitik in der kommenden Legislaturperiode darauf konzentriert, hochqualifizierte Beschäftigte zu gewinnen, das geistige Eigentum unbürokratischer und kostengünstiger abzusichern sowie die innovationspolitischen Rahmenbedingungen insgesamt zu verbessern. Wir brauchen eine marktwirtschaftlich orientierte Industriepolitik, die konsequent die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Die Ausgaben der Bundesregierung für Forschung und Entwicklung (FuE) waren in der 17. Legislaturperiode so hoch wie nie zuvor. Mit der Hightech-Strategie hat die Bundesregierung ihre Innovationsaktivitäten gezielt auf die Herausforderungen der Zukunft und auf Zukunftsmärkte wie Klima/Energie, Gesundheit/Ernährung, Mobilität, Sicherheit und Kommunikation ausgerichtet. Dieses klare Bekenntnis zum Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland muss auch in der kommenden Legislaturperiode fortgesetzt werden. Für die 18. Legislaturperiode muss gelten:
1. Forschungsimpulse durch unbürokratische Fördermittel setzen!
26 der 34 OECD-Staaten und 15 der 27 EU-Mitglieder bieten heute eine steuerliche FuE-Förderung. Deutschland hat keine entsprechende gesetzliche Regelung und begibt sich damit in die Gefahr, dass im weltweiten Wettbewerb um Standorte große, aber auch mittelständische Unternehmen forschungsintensiver Branchen ins Hintertreffen geraten. Eine steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung muss schnellstens eingeführt werden, nachdem das schon in der letzten Koalitionsvereinbarung von 2009 verabredete Vorhaben noch nicht verwirklicht werden konnte. Die hierzu erforderlichen Haushaltsspielräume müssen dringend geschaffen bzw. dementsprechend genutzt werden. Für alle Unternehmensgrößen bietet die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung eine große Chance, denn sie ist unbürokratisch, technologieund branchenoffen, breit und schnell wirksam und dadurch gerade für den Mittelstand, aber auch den Forschungsstandort Deutschland insgesamt, attraktiv. Die daneben existierenden Förderinstrumente der themengebundenen und der themenoffenen Projektförderung müssen weiterhin bestehen bleiben. Eine mehrfache Förderung des gleichen Vorhabens muss vor dem Hintergrund begrenzter Fördermittel ausgeschlossen werden.
2. Rahmenbedingungen für Unternehmens gründungen und Startups verbessern!
Unternehmensgründungen leisten wichtige Beiträge zur Steigerung von Produktivität und Wirtschaftswachstum. Für die Innovationsdynamik Deutschlands ist insbesondere die Zahl der Existenzgründungen im Hightech-Bereich relevant. Die Hauptursachen für das vergleichsweise schlechte Gründungsgeschehen in Deutschland trotz guter Förderbedingungen und Beratung liegen vor allem an einer geringen Risikobereitschaft, einer mangelhaften Gründerausbildung, bürokratischen Hemmnissen, wachsendem Fachkräftemangel und ganz besonders an Problemen bei der Finanzierung. Der Wagniskapitalmarkt in Deutschland braucht international attraktive Rahmenbedingungen. Es müssen Anreize geschaffen werden, um auch Einlagen institutioneller Investoren in Wagniskapitalfonds zu fördern. Daneben muss ein verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen werden, der Wagniskapitalgesellschaften als vermögensverwaltend und nicht als gewerbe treibend definiert. Bestehende Rechtsunsicherheiten bei Anlegern würden dadurch beseitigt werden. Damit werden zum einen junge, innovative Unter nehmen gefördert, zum anderen wird der deutsche Anlegermarkt für ausländische Investoren attrak tiver. 41
Die sogenannte „management fee“, also die Verwaltungsgebühr, die von Kapitalanlagegesellschaften für die Verwaltung eines Fonds erhoben wird, muss von der Umsatzsteuer befreit werden, wie in anderen europäischen Ländern, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die Verlustvorträge beim Anteilseignerwechsel von innovativen Startups müssen erhalten bleiben. Derzeit gehen die aufgelaufenen Verlustvorträge komplett oder teilweise verloren, wenn Anteile an einem Unternehmen übertragen werden. Dieser Standortnachteil gegenüber Frankreich und Großbritannien ist zu beseitigen.
3. Chancen der vierten industriellen Revolution nutzen!
Deutschland muss die Chancen der Digitalisierung in allen Bereichen der Gesellschaft, in Bildung, Forschung, Gesundheit und Wirtschaft noch besser nutzen, um im globalen Innovationswettlauf auch künftig ganz vorne mit dabei zu bleiben. Das Thema Industrie 4.0 ist ein wichtiger Innovationstreiber für den gesamten Standort Deutschland. Die vertikale Vernetzung sogenannter eingebetteter Systeme mit betriebswirtschaftlichen Prozessen in Fabriken und Unternehmen und deren horizontale Vernetzung zu verteilen, ist der Übergang zur vierten industriellen Revolution. Deutschland ist das Land der Ingenieure. Mit seinen traditionell starken Fertigungsindustrien sowie seiner hochinnovativen Software-Industrie bietet sich die Chance, auch bei dem Thema „Industrie 4.0“ zum Weltmarktführer zu werden. Dem Internet kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Die physikalische und die virtuelle Welt verschmelzen immer mehr. Bereits heute genießt Deutschland einen hervorragenden internationalen Ruf für seine Stärke im Bereich Eingebetteter Systeme. Zusammen mit Deutschlands Stärke als Industrie- und Produktionsstandort bietet sich eine hervorragende Ausgangslage für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Zukunftsprojektes Industrie 4.0 ist die Definition von branchenübergreifenden gemeinsamen Standards und Normen. Auch gilt es, den Breitbandausbau in der Republik voranzutreiben sowie verlässlichen Datenschutz und die Sicherheit der einzelnen Systeme zu gewährleisten. Schließlich bewirkt die Digitalisierung der Indus42
trieproduktion auch grundlegende Veränderungen der Arbeitswelt. Hier bedarf es eines mutigen und vor allem technologieoffenen Ansatzes – im Schulterschluss aller betroffenen Akteure. Eine Nationale Plattform „Industrie 4.0“ sollte eingerichtet werden, die als Forum der relevanten Verbände und der Politik das Thema konstruktiv treibt.
4. Durchlässigkeit des Bildungssystems erhöhen und Fachkräftemangel bekämpfen!
Der demografische Wandel stellt vor allem das Bildungssystem in Deutschland vor große Herausforderungen. Ein Mangel an Fachkräften hemmt die langfristige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Die Beseitigung des Fachkräftemangels muss bereits heute mit Priorität angegangen werden. Gleichzeitig werden Wissen und Bildung immer internationaler. Das Internet sorgt mittlerweile dafür, dass Wissen weltweit verfügbar ist. Die Voraussetzungen für Innovationen sind nicht mehr regional begrenzt, sondern von überall zugänglich. Diese neue Dimension des Studierens wird durch einen erhöhten Wettbewerb weltweit Innovationen beschleunigen. Auf diesen Paradigmenwechsel müssen sich etablierte Innovationsstandorte wie Deutschland einstellen. Im MINT-Bereich fehlen derzeit bereits 120.000 Fachkräfte, insbesondere Ingenieure und IT-Spezialisten. Hier gilt es, das Interesse und die Begeisterung für Technik schon früh zu wecken. Die Stärkung der MINT-Fächer bereits in der Schule ist elementar. Die Qualifizierungsoffensive von Bund und Ländern zeigt Wirkung, aber die vertikale und horizontale Durchlässigkeit des gesamten deutschen Bildungssystems muss noch weiter erhöht werden. Der Fokus darf nicht nur auf Akademikern liegen, sondern muss möglichst hochwertige Ausbildungsgänge auf allen Stufen bei maximaler Durchlässigkeit zwischen beruflichen und akademischen Bildungsgängen ermöglichen. Das umfasst auch die weitere Steigerung der Attraktivität der Dualen Ausbildung. Hier müssen formale Weiterbildungen und die Durchlässigkeit zu den Hochschulen ausgebaut werden. Die Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EUStaaten muss attraktiver und einfacher gestaltet
werden. Mehr ausländische Studenten müssen dazu bewegt werden, nach ihrem Studium in Deutschland zu bleiben und ihre Fachkenntnisse einzubringen. Die verstärkte Anwerbung ausländischer Auszubildender, die bessere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, sowie die systematische Rückgewinnung hochqualifizierter Deutscher aus dem Ausland gehören ebenso auf die Agenda. Erfolgreiche Rückholprogramme sollten weiter unterstützt werden.
5. Geistige Eigentumsrechte schützen!
Geistige Eigentumsrechte, wie Urheber- und Patentrechte, spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle, wenn es um die Frage der Finanzierung bzw. der Anschlussfinanzierung junger Unternehmen geht. Ein hoher Urheberrechts- und Patentschutz muss in der Wirtschaft, aber besonders auch in der Internetwelt sichergestellt werden, um die Innovationskraft zu stärken. Gewerbliche Schutzrechte sind von herausragender Bedeutung für die deutsche Wirtschaft zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Verabschiedung des EU-Patents, das ab 2014 gelten soll, ist daher zu begrüßen. Es stellt durch seine Vereinheitlichung und Vereinfachung einen Erfolg für den gemeinsamen Binnenmarkt und ein Gewinn für Europas Innovatoren dar. Wichtig ist, dass tatsächlich auch Kosteneinsparungen, insbesondere für mittelständische Unternehmen, erreicht werden. Zugleich sollte durch hohe Qualitätsansprüche der Vergabe von Trivialpatenten entgegengewirkt werden. Die Einführung einer Neuheitsschonfrist in Deutschland und Europa würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit vor allem mittelständischer Unternehmen verbessern. Darüber hinaus sollte das Arbeitnehmererfindergesetz weiter vereinfacht werden, insbesondere durch Reduzierung des entstehenden Verwaltungsaufwandes. Ebenso muss der Kampf gegen Produktpiraterie intensiviert werden, gerade im Rahmen der WTO-Verhandlungen und durch spezifische Hilfen für Unternehmen.
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XII. Wachstumstreiber Internet entfesseln! Die Informations- und Telekommunikationsbranche hat sich in den letzten Jahren zu einer Schlüsselindustrie entwickelt. Fast 900.000 Beschäftigte in 80.000 Unternehmen erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von 150 Mrd. Euro und tragen somit 4,3 Prozent zur gewerblichen Wertschöpfung bei. Dabei ist vor allem das Internet Wachstumstreiber Nummer 1 – Wachstumsraten von bis zu 12 Prozent waren in den letzten Jahren zu beobachten, auch in den nächsten Jahren wird die Branche weiterwachsen. Trotz dieser positiven Entwicklungen steht Deutschland im internationalen Vergleich der IT-Standorte nur an 6. Stelle. Themen wie Breitbandausbau, Netzneutralität oder Datenschutz müssen gezielt angegangen werden, um auch die zukünftig positive Entwicklung, auch im Hinblick auf die ausländische Konkurrenz, zu gewährleisten. Die Digitalisierung betrifft längst nicht nur die IKT-Branche, sondern hält in allen Sektoren Einzug, ob in Form von innovativen Technologien oder intelligenten Softwarelösungen. Fragen der Netzpolitik betreffen alle Unternehmen, Netzpolitik ist Wirtschaftspolitik. Für die 18. Legislaturperiode muss deshalb gelten:
1. Ressortübergreifende Agenda für den Weg in die digitale Zukunft entwickeln und Zuständigkeiten bündeln!
Zwei Jahre hat die Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft getagt und im Januar 2013 einen Abschlussbericht vorgestellt. Dabei wurde deutlich: Das Internet und die Digitalisierung betrifft inzwischen alle Lebensbereiche – egal ob den privaten Alltag, die Arbeitswelt oder die Produktionsprozesse. Deutschland braucht eine Digitale Agenda, die zielgerichtet und ressortübergreifend die weiteren Entwicklungen und dazu notwendigen Maßnahmen festlegt. Nur eine einheitliche und aufeinander abgestimmte Politik der einzelnen Ministerien gewährleistet eine weiterhin positive Entwicklung Deutschlands im Bereich der Digitalisierung. Um diese zu gewährleisten sind Beauftragte in allen Ministerien einzusetzen, die – mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet – über die Umsetzung der Digitalen Agenda wachen. Damit die Marschrichtung von allen Akteuren eingehalten wird, sind alle Gesetzesvorhaben auf ihre Kompatibilität mit den in der Digitalen Agenda festgelegten Zielen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Im Deutschen Bundestag muss es einen Ausschuss für Internet und Digitale Wirtschaft geben, der nicht nur mitberatend, sondern auch federführend die gesetzgeberischen Vorhaben, welche die digitale Welt betreffen, begleitet und koordiniert. Um effektiv handeln zu können, braucht der Internet 44
ausschuss ein Pendant in der Exekutive: Auf der anderen Seite muss daher im Bundeskanzleramt ein „Beauftragter für Internet und Digitale Wirtschaft“ stehen. Um auch die Digitalisierung des Standortfaktors „Öffentliche Verwaltung“ und damit deren durchschlagende Modernisierung voranzubringen, sollte in diesem Bereich ebenfalls eine stärkere Bündelung der Zuständigkeiten erfolgen. Ein deutliches Signal wäre innerhalb der Digitalen Agenda die Schaffung eines zentralen IT- und Modernisierungsbeauftragten, der über entsprechende Ressourcen verfügt, Mitzeichnungsbefugnis bei IT-Beschaffungsvorhaben hat und dafür sorgt, dass Gesetze hinsichtlich einer optimalen IT-Umsetzung in der Verwaltung formuliert werden. Zudem muss er für die Konsolidierung der auf diverse Ressorts verteilten IT-Dienstleister sorgen. Folglich sollte Verwaltungsmodernisierung zu einem eigenständigen Politikfeld werden und sich ebenfalls in den Parlamenten widerspiegeln. Gleichzeitig muss die geltende Rechtsordnung im Medien- und Telekommunikationsbereich mit Blick auf das Internet überarbeitet werden. Die demokratischen Werte, wie beispielsweise Meinungsfreiheit und deren Vielfalt sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung müssen auch im Internet umfänglich geschützt werden. Bestehende Kontrollinstrumente sollen so reformiert und modernisiert werden, dass sie auch im Internet Anwendung finden können, gleichzeitig aber Wettbewerb und Meinungsvielfalt ermöglicht werden. Dazu muss geprüft
werden, ob eine eigene Behörde zur Umsetzung der Internetregulierung eingerichtet wird, oder diese in bestehende Strukturen eingebettet werden kann.
2. Breitbandausbau mit höchster Priorität vorantreiben!
Das Internet ist Wachstumsmotor – Voraussetzung ist aber ein flächendeckender Aufbau moderner Breitbandnetze. Wichtig ist aber nicht nur der alleinige Zugang. Die immer größer werdenden Datenpakete, die abgerufen werden, oder ganze Geschäftsprozesse, die in die Cloud ausgelagert werden, machen Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s im Download notwendig. Was aber den schnellen Internetzugang anbetrifft, schafft es Deutschland im internationalen Vergleich gerade mal ins Mittelfeld. Der Ausbau des schnellen Internets muss oberste Priorität haben, will man auch zukünftig von der dynamischen Entwicklung der IKT-Branche profitieren. Die Breitbandstrategie des Bundes muss neu gedacht werden, die Anreizstruktur für investierende Unternehmen so angepasst werden, dass bis 2020 jedes Unternehmen und jeder Haushalt in Deutschland auf der Datenautobahn mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist. Es kann nicht sein, dass immer noch 10 Prozent aller Unternehmen auf ISDN oder gar das Modem angewiesen sind, wenn sie ins Internet möchten. Deshalb ist es notwendig, weitere Anreize für investierende Unternehmen zu schaffen, um einen Glasfaserausbau auch im ländlichen Raum zu ermöglichen. Wo ein Ausbau in der Fläche nicht wirtschaftlich realisierbar ist, muss der Staat einspringen, um eine funktionierende Infrastruktur zu schaffen. Der Mobilfunk stellt an vielen Orten eine gute Option dar, Technologieoffenheit beim Ausbau ist deshalb essentiell. In diesem Zusammenhang muss Deutschland nicht nur auf eine baldige Freigabe der Digitalen Dividende II für den Mobilfunkbereich drängen, sondern auch Frequenzversteigerungen vermeiden, die zu einem Abfluss von notwendigen Investitionsmitteln aus den Unternehmen führt.
3. EU-Datenschutzverordnung bis Frühjahr 2014 verabschieden!
Damit Geschäftsmodelle wie z.B. Cloud Computing oder Big Data basierte Anwendungen eine Chance
haben, ist Vertrauen der Nutzer in das Internet und den Schutz ihrer Daten unerlässlich. Kein Unternehmen wird mit einem Produkt auf dem Markt erfolgreich sein, dem die Kunden mit Misstrauen begegnen. Auf der anderen Seite verhindert ein zu strikter Datenschutz Innovationen, insbesondere dann, wenn bereits vorauseilend Geschäftsmodelle verboten werden, die noch gar nicht existieren. Zwischen diesen beiden Extremen muss der Datenschutz eine Balance finden, wollen wir das Potenzial, das die Digitale Welt bietet, vollends ausschöpfen. Leider steht gerade der Datenschutz vor einer weiteren Herausforderung – im grenzüberschreitenden Internet sehen sich viele Unternehmen einer Vielzahl verschiedener Datenschutzregelungen ausgesetzt, je nachdem, in welchem Land sie operieren. Dies verkompliziert jede Geschäftstätigkeit und treibt die Kosten in die Höhe. Eine europaweite Harmonisierung der bestehenden Datenschutzregelungen ist deshalb dringend notwendig. Die Verhandlungen zur EU-Datenschutzverordnung sind jedoch ins Stocken geraten. Die Bundesregierung muss sich mit Nachdruck dafür einsetzen, die Verhandlungen fortzuführen und noch in der laufenden Wahlperiode des Europäischen Parlaments zu einem Ende zu bringen. Dabei muss das hohe deutsche Datenschutzniveau als Vorbild für ganz Europa gelten. Übertriebene Regelungen, die über dieses Niveau hinausreichen und vorwiegend unsachlichen Debatten im Zusammenhang mit der NSA-Affäre geschuldet sind, sind dabei zu vermeiden.
4. Weichen für Netzneutralität auf europäischer Ebene stellen und Wettbewerb erhalten!
Der gleichberechtigte Zugang zum Internet garantiert weiteres Wachstum und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Dieser darf aber nicht verwechselt werden mit einer kostenfrei unbegrenzten Nutzung für jeden. Netzneutralität im Sinne von diskriminierungsfreien Diensteklassen muss das Ziel einer jeder Regulierung sein. Der mit hohen Milliardeninvestitionen verbundene Netzausbau kann von den Netzbetreibern nur geleistet werden, wenn Investitionen zur Entwicklung besserer Serviceangebote und Qualitätsstufen bei der 45
Datenübermittlung durch entsprechende Vergütungen honoriert werden. Eine Regulierung, die unterschiedliche Geschwindigkeiten der Datenübermittlung bei einer differenzierten Preisstellung grundsätzlich untersagt, zerstört Investitionsanreize, lähmt Forschung und Entwicklung bei den Übertragungstechnologien und bremst den Ausbau der Netze. Eine zukunftsgerichtete Regulierung der Netzneutralität muss sich darauf beschränken, einen diskriminierungsfreien Zugang aller Marktteilnehmer zu den bestehenden Angeboten zu gewährleisten und eine gleichzeitige Fortentwicklung des „Best-Effort“-Internets, zum Beispiel durch Festschreibung von Mindeststandards, sicherzustellen. Gleichzeitig ist auf eine europäische Harmonisierung zu drängen, um Wettbewerbsnachteile für in Deutschland tätige Unternehmen gar nicht erst entstehen zu lassen.
5. Durch Hilfe zur Selbsthilfe gemeinsam für Cybersicherheit sorgen!
In der global vernetzten Welt wird IT-Kriminalität für Unternehmen aller Größen zu einem immer größeren Risiko. Allein im Jahr 2012 haben die Cyberangriffe auf Unternehmen um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Auch die NSA-Affäre zeigt, dass mit dem Anschluss an das Internet Daten vor Zugriffen nicht sicher sind. Ein weiterer Gefährdungspunkt sind politisch motivierte Hackerangriffe, die sich gegen kritische Infrastrukturen richten könnten. Nur im Bereich der Kritischen Infrastrukturen ist eine Regulierung und staatliche Überwachung notwendig und sinnvoll. Dazu bedarf es aber einer genauen Definition, was kritische Infrastrukturen sind. Der Wirtschaftsrat befürwortet die Entwicklung eines Stufenmodells „Kritische Infrastruktur“, welches je nach Risiko eines Angriffs und den möglichen Auswirkungen die Betreiber der Unternehmen mit unterschiedlichen Pflichten belegt. Jegliche weitere Meldepflichten oder verpflichtende Einführung von technischen Standards müssen sich nach dem risikobasiertem Ansatz richten. Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Deshalb müssen Risiken nach der Wahrscheinlichkeit eines Eintretens in Verbindung mit dem möglichen Schaden bewertet und die ergriffenen Maßnahmen 46
immer ins Verhältnis gesetzt werden, zum einen zum Aufwand der Durchführung, zum anderen aber auch zur Wirksamkeit hinsichtlich der Risikominimierung. Über allem muss aber vor allem die Hilfe zur Selbsthilfe stehen. Besonders im Mittelstand sind zwar einige Unternehmen durch die Enthüllungen der vergangenen Wochen wachgerüttelt worden. Allerdings fehlt es ihnen zum Teil an Kenntnis und Zugang zu entsprechenden technischen Lösungen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sollte bestehende konkrete Hilfsangebote seitens der Wirtschaftsverbände, der Wissenschaft (Universitäten) und aus der Privatwirtschaft (Allianz für Cyber sicherheit) im Sinne einer Informationsplattform koordinieren und das bestehende Angebot ggf. vervollständigen.
6. Urheberrecht mit Blick auf die techno logische Entwicklung reformieren!
Es herrscht Konsens darüber, dass Urheber von geistigem Eigentum angemessen entlohnt werden müssen. Die digitalen Möglichkeiten versetzen auf der anderen Seite die Konsumenten in die Lage, Inhalte zum Teil kostenfrei zu konsumieren und zu verbreiten. Gerade in Deutschland ist die Internet-Piraterie allerdings sehr niedrig, die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft für Inhalte hingegen hoch. Es mangelt allerdings an Klarheit und Transparenz, sowie an verständlichen und einfachen Möglichkeiten des Konsums. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Urheberrecht in der analogen Welt verhaftet ist. Für die kommende Legislaturperiode muss es Ziel sein, die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen auf ihre textliche Klarheit und Kompatibilität mit den Anforderungen der digitalen Gesellschaft zu überprüfen. In einem von der Politik begleiteten Prozess müssen Lösungen gefunden werden, wie in der Digitalen Welt Urheberrechte durchgesetzt werden können. Dabei ist es wichtig, alle Beteiligen an einen Tisch zu bringen. Einseitig durchgesetzte Lösungen sind nicht dauerhaft tragfähig und verkennen die neue Lebenswirklichkeit. Zudem ist ein Fokus auf die Aufklärung der Konsumenten zu legen, um das Bewusstsein für den Wert von Geistigem Eigentum zu steigern und die Illegali-
tät von Internet-Piraterie zu verankern. Informationen über legale Konsummöglichkeiten bei gleichzeitiger Warnung über mögliche Gesetzesverletzungen müssen eine solche Kampagne ergänzen.
7. Zentralen Behördenwegweiser „www.d115.de“ mit nutzerfreundlichen Anwendungen schaffen!
Nicht zuletzt profitiert die Öffentliche Verwaltung von der Digitalisierung, die dazu bereitsteht, Verwaltungsprozesse und -leistungen effizienter und besser zu gestalten. Das nunmehr vorliegende E-Government-Gesetz des Bundes stellt einen ersten wichtigen Schritt dar und mit dem IT-Planungsrat steht seit 2010 für die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen ein zentrales Steuerungsgremium zur Verfügung. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Allein der „Hartz IV“-Aktenbestand der Bundesagentur für Arbeit könnte mehr als dreimal die Seitenstreifen des deutschen Autobahnnetzes abdecken. Daher braucht die Bundesverwaltung eine gemeinsame Strategie und einen konkreten Fahrplan, wie die elektronische Akte in allen Behörden mit hoher Priorität möglichst einheitlich und über Verwaltungsgrenzen hinweg eingeführt werden soll; die koordinierte und konsequente Einführung der e-Akte entscheidet über den Erfolg des E-Government-Gesetzes. Dringend erforderlich ist zudem die Harmonisierung der öffentlichen IT, weil dadurch erhebliche Einsparungen und Qualitätsverbesserungen machbar werden. Die Sparkassen haben Ende der 1980er Jahre gezeigt, wie aus mehreren hundert Rechenzentren wenige hochleistungsfähige Einheiten hervorgegangen sind – ohne Verlust der regionalen Identitäten.
ist der neue elektronische Personalausweis um ein mobiles Instrument wie zum Beispiel die in Österreich bewährte Handy-Signatur zu ergänzen.
8. Wirtschaftlichkeit als Kriterium bei IT-Ausschreibungen beachten!
Die öffentliche Hand ist in Deutschland für 20 bis 30 Prozent des Umsatzes im IT-Sektor verantwortlich. Umso wichtiger sind klare, transparente und vor allem wettbewerbsfördernde Regeln zur Vergabe von Aufträgen, die anhand qualitativer Kriterien durchgeführt werden. Vergabeverfahren müssen transparent, objektiv und diskriminierungsfrei durchgeführt werden. Allein die für Anschaffung, Inbetriebnahme, Wartung und Nutzung anfallenden Kosten dürfen bei gleicher Eignung für den Zuschlag entscheidend sein. Als weitere Beschaffungskriterien müssen ITSicherheit und Interoperabilität beachtet werden. Eine pauschale Bevorzugung von Open Source ist abzulehnen. Grundsätzlich müssen sich die Verwaltungen von Bund und Ländern auf offene Standards stützen, um so eine einheitliche, interoperable IT-Architektur zu schaffen und allen Bietern immer wieder dieselben Chancen bei Ausschreibungen einzuräumen. In diesem Sinne müssen anerkannte internationale, mindestens europäische Standards als Voraussetzung für Ausschreibungen im öffentlichen Beschaffungswesen festgeschrieben werden.
Voraussetzung ist der Wille, im Verbund zu denken und IT als „Service“ zu verstehen. Hierzu sollte der Bund mit einem neuen Bereitstellungsmodell für seine IT-Kapazitäten im Bundesministerium der Finanzen, Bundesministerium des Innern und Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als Taktgeber vorangehen. Bei den E-Goverment-Angeboten sollte in Anlehnung an die einheitliche Behördenrufnummer D115 ein zentrales Zugangsportal „www.d115.de“ geschaffen werden, über das Bürger wie Unternehmen für alle „Lebenslagen“ mit den Behörden kommunizieren und sämtliche Amtsgeschäfte elektronisch abwickeln können. Zur Identifikation 47
Verantwortlich: Wolfgang Steiger, Dr. Rainer Gerding, Dr. Thomas Raabe Bearbeitung:
eschäftsbereich Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, G Geschäftsbereich Presse/Kommunikation
Herstellung:
STEINBACHER DRUCK GmbH
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September 2013
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