MDZ – Das Magazin zum Markt der Zukunft

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Mehr als 40 Zukunftsinitiativen

aus ganz Österreich im Kurzporträt. Alle Informationen zu den

Expert*innen-Tischgesprächen,

den Schwerpunkt- Diskussionen

sowie zum künstlerischen Programm.


reparatur der zukunft

Markt der Zukunft im Kunsthaus Graz 9. –11. Oktober 2020 20 ausgewählte Siegerprojekte der Ö1 Initiative Reparatur der Zukunft und weitere Beispiele für best practice-Projekte und deren Umsetzung werden vorgestellt und von einem diskursiven und künstlerischen Programm begleitet.

oe1.���.at/zukunft www.marktderzukunft.at


EDITORIAL

Wir handeln! Liebe Leserinnen und Leser,

20 der mehr als 40 in diesem Magazin vorgestellten Initiativen wurden von Ö1 im Rahmen des Schwerpunkts „Reparatur der Zukunft“ ausgezeichnet. Sie sind an der Kartenform erkennbar. Die Projekte sind farblich Themenfeldern zugeordnet.

nicht erst seit gestern werden weltweit Ressourcen im Rekordtempo verheizt, leben viele Menschen unter unzumutbaren Bedingungen, während andere alles haben. Das treibt unseren Planeten und unsere Gesellschaft an ihre Grenzen, Krisen werden langsam zur Normalität. Zugleich werden Rufe lauter, endlich etwas dagegen zu unternehmen. Doch Handeln bedeutet Veränderung und es braucht Mut, diese zuzulassen. Dass es möglich ist, zeigen zahlreiche mutige Menschen mit ihren nachhaltigen Initiativen und Unternehmen.

Ökologie und Klimaschutz Ernährung und Landwirtschaft Sozial- und Bildungsmodelle Wirtschafts- und Arbeitsmodelle

In unserem Magazin wollen wir diesen Menschen eine Stimme geben und ihre Ideen und Projekte vorstellen. Sie als Leser*innen sollen Lösungsvorschläge kennenlernen, darunter 20, die im Rahmen der Ö1-Initiative „Reparatur der Zukunft“ ausgewählt wurden. Insgesamt präsentieren sich in diesem Magazin, auf der Website www.marktderzukunft.at sowie am Markt der Zukunft (MDZ) am 10. Oktober im Kunsthaus mehr als 40 Zukunftsprojekte aus der Steiermark und ganz Österreich.

ÜBER DEN MARKT DER ZUKUNFT Am 10. und 11. Oktober wird das Kunsthaus Graz zu einem Ort, an dem innovative Ideen, Konzepte und Projekte für die Gesellschaft von Morgen vorgestellt und diskutiert werden. Diese werden auch dringend benötigt, denn die Klimakrise stellt alte Gewissheiten vom „guten Leben“ radikal in Frage. Immer mehr Akteur*innen denken bereits über Alternativen nach, erproben und leben neue, nachhaltigere Formen von Gemeinschaft, Unternehmer*innentum und demokratischer Teilhabe.

Im Rahmen der Konzeption dieses Magazins haben wir uns gefragt, wie eine Reparatur der Zukunft funktionieren kann und vier zentrale Zukunftsfragen formuliert, die den Rahmen für die vorgestellten Initiativen und das Programm des MDZ darstellen sollen: Wie können wir die Zukunft neu denken? Wie „bauen” wir die Zukunft? Wie schaffen wir in Zukunft den sozialen Zusammenhalt? Welche Politik braucht der Wandel?

Das Bürger*innenforum des Markt der Zukunft präsentiert mehr als 40 dieser best practice-Projekte zu den Themenfeldern Ökologie und Klimaschutz, Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft, neue Sozial- und Bildungsmodelle, alternative Wirtschafts- und Arbeitsmodelle. 20 von ihnen sind aus der Ö1-Initiative Reparatur der Zukunft hervorgegangen. Tischgespräche mit lokalen Expert*innen und Schwerpunkt-Diskussionen zu den Themen Gesundheit, Forschung und Technologien sowie zu Utopien (in Kooperation mit dem Forum Stadtpark) wollen Handlungsmöglichkeiten und Wege eröffnen, die zu einer ökosozialen Transformation und einer solidarischen Neuausrichtung der Gesellschaft führen können. Die Ideen und Projekte sind da. Machen wir sie sichtbarer, lernen wir von ihren Erfahrungen, handeln wir gemeinsam!

Die Antworten auf diese vier Fragen zeigen verschiedene Facetten der Nachhaltigkeit, die für uns einen Grundwert darstellt, der in allen Lebensbereichen eine Rolle spielt – ökonomisch, ökologisch und sozial. Wir sind der Meinung, dass mit guten Argumenten, Reformstrategien und konstruktiven Geschichten über gelingende Transformationsprozesse gesellschaftlicher Wandel angestoßen werden kann, wir haben aber auch kritische Perspektiven integriert. Deshalb soll dieses Magazin aufzeigen, was an Positivem schon im Entstehen ist, ohne dabei zu vergessen, dass wir noch nicht am Ziel sind. Das Magazin, das Sie in den Händen halten, ist nachhaltig produziert. Wir setzen auf Recyclingpapier und umweltfreundlichen Druck. Und wir hoffen, dass Sie auch die Texte selbst als kleinen Beitrag zur Reparatur der Zukunft erleben werden.

Birgit Lurz und Wolfgang Schlag

die Chefredaktion

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Inhalt Editorial Was ist der Markt der Zukunft

SEITE 3

„Wir müssen eine Kehrtwende machen“ Interview Helga Kromp-Kolb

SEITE 6

Wie reparieren wir die Zukunft? Wortspenden „Es braucht eine gravierende Umverteilung“ Interview Oliver Ressler

SEITE 10

SEITE 12

Älter, bunter, nachhaltiger Drei Generationenporträts

SEITE 34

Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Wortspenden

SEITE 37

Gastbeitrag von Hanna Gugler, andererseits.org

SEITE 39

Träger des Wandels

SEITE 42

„Das geile Leben“ um jeden Preis Interview Ingolfur Blühdorn

SEITE 44

Beteiligt euch! Reportage zu politischer Partizipation

SEITE 48

Stadt, Land, Flucht Reportage zum ländlichen Raum

SEITE 16

Können Städte Wälder sein? Interview mit dem Breathe Earth Collective

SEITE 24

Auf welche Technologien sollen wir setzen? Wortspenden

SEITE 28

Programm Markt der Zukunft

SEITE 53

Das nachwachsende Traumhaus

SEITE 29

Bürger*innenforum Nachhaltige Initiativen und Unternehmen aus der Steiermark

Smartes Heim, Glück allein?

SEITE 30

Künstlerisches Programm

SEITE 56

Ein smarter Selbstversorger

Tischgespräche mit 11 lokalen Expert*innen

SEITE 57

SEITE 31

Schwerpunkt-Diskussionen

SEITE 58

Tagesprogramm

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WIE KÖNNEN WIR DIE ZUKUNFT NEU DENKEN?

Wir alle hoffen auf Veränderung. Zumindest seit bald 50 Jahren, seit der Club of Rome 1972 seine Studie zu den „Grenzen des Wachstums” veröffentlichte, wissen wir, dass unsere Art des Wirtschaftens kein nachhaltig gutes Leben für alle garantiert. Seither hoffen wir darauf, dass sich die Klimakrise doch noch mildern, wenn sie sich schon nicht zur Gänze abwenden lässt. Wir hoffen auf einen Wandel, auf eine „große Transformation” unserer Gesellschaft, darauf dass wir anstatt nur zu hoffen, zu grübeln und große Reden zu schwingen, endlich ins Handeln kommen und die nötigen Schritte für eine lebenswerte Zukunft für alle setzen. Aber wie kommen wir dorthin? Und was soll das für eine Zukunft sein? Lassen sich unsere aktuellen Zukunftserwartungen einfach „reparieren” oder müssen wir Zukunft ganz neu denken?


INTERVIEW

Helga Kromp-Kolb

„Wir müssen eine Kehrtwende machen“ Zwischen Bangen, Hoffen und Handeln: Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb im Gespräch über gesellschaftliche Irrwege, Transformationsprozesse und Bilder von einer besseren Zukunft. TEXT VALENTIN BAYER

Die Meteorologin Helga Kromp-Kolb ist eine zentrale Persönlichkeit der österreichischen Klimaschutzbewegung, die regelmäßig öffentlichkeitswirksam für eine aktive Rolle der Wissenschaft bei der Bewältigung der Klimakrise eintritt. Die frühere Leiterin des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Wiener BOKU ist außerdem Mitglied der Scientists4Future und Vorstandsmitglied des Climate Change Centre Austria.

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Zu Beginn der Coronakrise galt diese noch als Positivbeispiel für die Bewältigung der Klimakrise, die Leute haben sich an sehr strenge Bestimmungen gehalten. Jetzt bröckelt die Disziplin aber schon nach wenigen Monaten. Wie sollen wir es dann schaffen, uns nachhaltig und über Jahre hinweg zur emissionsfreien Gesellschaft hin zu wandeln? Die Coronakrise ist plötzlich gekommen, die Maßnahmen wurden von einem Tag auf den anderen eingeführt, man konnte sich nicht darauf vorbereiten. Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels können hingegen gut vorbereitet und geordnet in Kraft treten. Außerdem sind die Maßnahmen gegen Corona eigentlich unangenehmer als jene gegen den Klimawandel. Die Menschen wehren sich jetzt weniger gegen Flugverbote als gegen Masken und Social Distancing – beides braucht es im Klimawandel nicht. Ganz wesentlich ist, dass die Art, wie die Maßnahmen gegen Corona begründet wurden, für die Menschen nicht überzeugend ist. Viele sind mit Recht total verunsichert. Wenn man nicht weiß, ob die Maske etwas nützt, und es unangenehm ist, sie zu tragen, dann erzeugt das Widerwillen. Wäre die Wichtigkeit der Masken jedem klar, würde auch der Widerwille wegfallen. Aus der Wissenschaft kommen ständig widersprüchliche Informationen, weil es keine Bemühungen gab, sich zu koordinieren. In der Klimadiskussion ist aber eben

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das gelungen. Die wissenschaftlichen Fragen sind geklärt. Punkt. Diese Fragen sind ja nicht erst seit Kurzem geklärt, trotzdem haben wir es noch nicht geschafft, in einen nachhaltigen Wandel zu kommen. Warum? Der Klimawandel betrifft uns einfach nicht sehr direkt. Manche Bereiche haben aber schon sehr zu kämpfen, für Waldbesitzer ist die Lage zum Beispiel katastrophal. Was sie immer als ein Sparbuch betrachtet haben, ist jetzt eine Hypothek geworden. Aber die meisten von uns bemerken kaum Veränderungen. Wir gewöhnen uns daran, dass es immer heißer wird. Der Mensch ist evolutionär eher darauf getrimmt, auf unmittelbare Gefahren zu reagieren, statt langfristig zu planen. Und es gibt starke wirtschaftliche Interessen, die gegen aktiven Klimaschutz arbeiten. Angela Merkel war als Physikerin zu Beginn ihrer Kanzlerschaft durchaus offen für Klimaschutz, ist dann aber stark in den Einfluss der Automobilindustrie geraten. In der Folge hat sie auf EU-Ebene aktiv Klimaschutzbemühungen ausgebremst. Unser Politik-, Wirtschafts- und Finanzsystem fördert solche Verhaltensweisen. Diese Menschen sind nicht böse, sondern denken in der kurzfristigen Logik eines kleinen Systems. Die Konsequenzen für die Allgemeinheit sind aber fatal.


INTERVIEW

FOTO MITJA KOBAL (GREENPEACE)

Helga Kromp-Kolb

Wie überwinden wir das? Indem wir das System verändern. Das ist natürlich leicht gesagt, denn wer macht das dann wirklich? Eine Möglichkeit ist eine Revolution, ein bisschen im Sinne von Extinction Rebellion, aber noch viel intensiver. Nur fehlt dazu der breite Rückhalt und ich bin mir auch nicht sicher, ob das wünschenswert wäre. Systeme können aber auch von innen verändert werden. Man kann sich zum Beispiel auf die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN konzentrieren. Will man diese Ziele konsequent und gleichzeitig verfolgen, muss das System sich ändern. Das setzt aber politischen Willen voraus. Als dritte Möglichkeit kann Veränderung durch die Bedingungen erzwungen werden. Die Forstwirtschaft muss sich zum Beispiel etwas überlegen, weil es aufgrund der Umweltbedingungen nicht mehr weitergeht wie bisher. Möglich ist aber auch eine selbstauferlegte Veränderung wie die Plastiksteuer, die eigentlich eine Kohlenstoff-Steuer ist. Diese führt dazu, dass die Plastikindustrie sich jetzt wirklich Alternativen suchen muss, um überlebensfähig zu bleiben. Auch hier

bietet die momentane Lage eine Chance, wenn die Staaten ihre Konjunkturpakete nutzen, um einen Wandel anzuregen. Die Automobilindustrie ist verwöhnter, die macht sich noch nicht so viele Gedanken, ist aber hinter den Kulissen auch schon sehr aktiv. Das wird systemverändernd sein. Wir müssen aber zum Beispiel auch vielmehr in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen, einen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit herbeiführen. Der an der Wiener WU forschende Nachhaltigkeitsexperte Ingolfur Blühdorn [siehe Interview ab S. 44] vertritt die These, dass wir uns gerade auf dem Weg in eine Gesellschaft der „nachhaltigen Nicht-Nachhaltigkeit” befinden. Was sagen Sie dazu? Wir bewegen uns jetzt in die falsche Richtung. Wir müssen nicht nur ein bisschen besser werden, sondern eine Kehrtwende machen. Das ist die große Herausforderung. Wenn wir uns aber die Konsequenzen vor Augen halten, die uns erwarten, wenn wir die Richtung nicht ändern, ist es fraglos ethisch und sogar

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ökonomisch sinnvoll, diese Richtungsänderung durchzuführen. Änderungen heißen immer Gewohnheitsänderungen, strukturelle Veränderungen, und diese werden durch Beharrungskräfte erschwert. Wir selbst fallen sehr leicht wieder in alte Gewohnheiten zurück, dasselbe gilt auch für die Systeme. Diese versuchen, Veränderungen wieder rückgängig zu machen und in eine Bahn zu lenken, die innerhalb des Systems Platz haben. Blühdorn kritisiert „Wohlfühlnarrative“ vom gelungenen Wandel als Teil dieser Systemstabilisierung, die Sie ansprechen. Sie selbst schreiben aber in +2 Grad, dass Pioniere, Vorbilder und “Reallabore” des Wandels sehr wichtig sind. Was können die Pioniere leisten? Nicht Wohlfühlnarrative generell, sondern Bequemlichkeitsnarrative führen in die falsche Richtung. Wir brauchen Befriedigungsnarrative, die sich mit innerer Zufriedenheit und Lebensqualität beschäftigen. Selbst problembewusste Politiker sprechen

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INTERVIEW

Helga Kromp-Kolb

davon, Wohlstand zu erhalten. Ziel sollte aber sein, Lebensqualität zu schaffen, das sind zwei verschiedene Dinge. Zum Wohlstand gehört eine Kreuzfahrt, eine Flugreise, ein riesiger Fernseher. Aber das gehört nicht zum guten Leben. Menschen, die wissen, dass ihr Leben bald endet und die sich auf das Wesentliche besinnen, denken nicht an ihren Fernseher. Die wollen noch einmal ihre Enkel sehen. Grundsätzlich braucht man natürlich zu essen und zu trinken und ein Dach über dem Kopf. Jenseits dessen brauchen wir aber eigentlich andere Dinge, als uns von der Werbung oder von der Politik suggeriert wird. Ich glaube, darauf müssen wir zurückkommen. Auch da kann COVID-19 einen Beitrag geleistet haben, weil viele Menschen Zeit hatten, einmal nachzudenken. Darüber, was sie tun, warum sie es tun, ob sie es gerne tun, was sie lieber täten. Viele sehen die Ursache für das bisherige Scheitern darin, dass es weder Bewegungen noch die Politik geschafft haben, ein starkes, positives Bild der Zukunft nach dem Wandel anzubieten. Wie sieht für Sie persönlich diese Gesellschaft aus, die wir schaffen können? Es wird uns rundum besser gehen. Die Natur erholt sich rasch, wenn wir sie nicht mehr bedrängen. Auch das hat man in Covid gesehen. Viele Dinge sind natürlich nicht mehr rückgängig zu machen, aber dennoch würde die Umwelt schnell wieder in einen besseren Zustand zurückfinden, wenn wir wirklich nur noch produzieren würden, was wir brauchen. Da heißt nicht, dass wir alle in grauem Leinen spazieren gehen. Auch Dinge, die Freude bereiten, sind notwendig. Aber eben nicht Verschwendung. Wenn wir nur das Notwendige auf umweltschonende Weise erzeugen, mit langlebigen Produkten, die repariert werden können, die am Ende wieder zurückgeführt werden können, reduziert das die Umweltbelastung. Dazu muss man aber auch von weniger Arbeit leben können. Im Grunde braucht man also bessere Bezahlung als im Moment. Der deutsche Ökonom Nico Paech

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geht etwa davon aus, dass man durchschnittlich ungefähr die halbe Arbeitszeit hat und dafür vieles selbst macht, zum Beispiel Gemüse zieht und in der Gemeinschaft arbeitet. Dafür kann man auch von einer halben Erwerbstätigkeit, vielleicht in Kombination mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, gut leben. Dann gibt es auch keine Existenzsorgen mehr. Wenn wir davon ausgehen, dass wir uns momentan noch in einer Phase befinden, in der wir mehr hoffen als tun – wie kommen wir dann ins Handeln? Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns in einer Phase des Hoffens befinden. Wenn ich mich umschaue, überwiegen bei vielen jungen, aber auch bei älteren Leuten Hoffnungslosigkeit und Angst. Natürlich gibt es aber auch Menschen wie mich, die in wechselnder Intensität in einer Phase des Hoffens sind. Das nützt aber nichts, man muss Hand anlegen. Und viele Menschen handeln ja schon. Die einen gehen bei Fridays for Future auf die Straße, andere bauen ein Gemeinschaftskraftwerk im Ort oder organisieren Car-Sharing. Menschen können auf unterschiedliche Weise beitragen, ich bin nur sicher, dass es ohne Unterstützung aus der Politik nicht gehen wird. Deshalb muss man dort Druck machen. Wir haben in Österreich aber auch gesehen, dass das funktionieren kann. Das war wirklich ein Lehrbeispiel: Wir hatten 2017 eine Nationalratswahl, in der Klimawandel kein Thema war. Bei der Nationalratswahl 2019, die nicht von irgendeiner Klimakatastrophe, sondern von der Ibiza-Affäre ausgelöst wurde, war der Klimawandel das vorherrschende Thema. In dieser Zeit hat sich Fridays for Future formiert und jetzt sitzt eine Grüne Partei in der Regierung, die Klimaschutzmaßnahmen ins Regierungsprogramm gebracht hat. Auch in der EU sitzen jetzt andere Menschen im Parlament. Es ist noch keine große Umkehr, aber es gibt jetzt einen Green Deal. Es gibt klare Zeichen, dass sich etwas verändert und Beweise dafür, dass wir etwas verändern können.

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BUCHTIPP

Plus zwei Grad: Warum wir uns für die Rettung der Welt erwärmen sollten Helga Kromp-Kolb und Herbert Formayer (2018| Molden Verlag)

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Herbert Formayer, der ebenfalls an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien Meteorologie lehrt, legte Helga KrompKolb 2018 mit Plus zwei Grad eine umfassende, leicht verständliche Analyse zum Klimaschutz und insbesondere der Situation in Österreich vor. Handlungsvorschläge für die Zukunft, sowohl im individuellen als auch im politischen Kontext, vervollständigen das Bild.


MEDIEN & DESIGN

WIR GESTALTEN MEDIEN UND DESIGN VON MORGEN. Design & Kommunikation Journalismus und Public Relations FH JOANNEUM University of Applied Sciences, Alte PoststraÃ&#x;e 149 8020 Graz, T: +43 (0)316 5453-0, E: info@fh-joanneum.at, www.fh-joanneum.at

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sciencepark.at ZUKUNFT NEU DENKEN


WORTSPENDEN

Wie reparieren wir die Zukunft? „Die Menschen sind der Politik um Meilen voraus” KATHARINA ROGENHOFER

Trotz des immer gravierender werdenden Klimawandels und Artensterbens sollte man immer bedenken, dass die Menschheit und auch ihr erhebliches gemeinsames Wissen noch nie so vernetzt waren wie heute. Das sorgt für Optimismus, obwohl die Zeit angesichts der Veränderungen und auch Verschlechterungen in Natur und Kultur drängt. Die alten Rezepte der 1960er und 70er funktionieren nicht (mehr). Sie haben uns an den Rand des Abgrunds geführt. Das wird immer

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Die Botschaft, dass unsere Zeit von einer – ökologischen, ökonomischen und politischen – „Vielfachkrise” geprägt ist, scheint langsam in der Breite der Gesellschaft anzukommen. Frühere Gewissheiten vom steten Fortschritt in eine bessere Zukunft lösen sich auf, die Zukunft blickt uns düster entgegen. Wie kommen wir da wieder raus? Lässt sich die Zukunft reparieren? Und wie setzen wir die „große Transformation” in Gang, die endlich „ein gutes Leben für alle” ermöglicht?

Wo wollen wir hin? Diese Frage bleibt oft unbeantwortet in Diskussionen über die Klimakrise. Es überwiegen grausame, wenngleich wissenschaftlich belegte, Fakten und Ausreden. Die Auswirkungen der Krise von Dürren und Ernteausfällen über Extremwetter und Überflutungen bis hin zum Artensterben führen zu einer gefühlten Ohnmacht. Die Zukunft scheint verloren und wir sind die Schuldigen. Das löst – gerade auf politischer Ebene – eine Flut von Ausreden aus. Österreich sei zu klein, die Menschen müssten zuerst mitgenommen werden, sind noch nicht bereit, Klimaschutz sei ein Thema der Privilegierten. Muss das so sein? Nein. Die Menschen sind der Politik um Meilen voraus. Ohne

die Klimabewegung wäre in den vergangenen zwei Jahren nichts in der Politik weitergegangen. Es sind mutige Bürger*innen, die gerade den Weg in die Zukunft bauen. Und diese Zukunft kann eine bessere sein: eine, in der klimafreundliches Verhalten das einfachste und günstigste ist und kein Privileg. Eine Zukunft mit Grünflächen in den Städten, freien Straßen, Flächen für die Natur statt Turboversiegelung, guten öffentlichen Verbindungen, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und Kreislaufwirtschaft statt Wegwerfgesellschaft. Während von einer künstlichen Beatmung des fossilen Systems einige wenige profitieren, gewinnen an einer Klimawende wir alle.

klarer. Was wir jetzt brauchen, ist eine Abkehr von immer mehr Straßen und immer mehr Zersiedelung. Land ist nicht unendlich vorhanden. Die Politik, aber auch die Gesellschaft muss das verstehen. Gerade in einer Demokratie wie Österreich. Ein Blick auf die weltweit größte Saatgutbank auf Spitzbergen zeigt: die möglichen Zutaten der Zukunft liegen schon bereit. Es kann weitergehen. Aber wir müssen vom Wissen endlich ins Handeln kommen. Und zwar

rasch, aber ohne Panik. Ein weiteres verlorenes Jahrzehnt kann sich die Menschheit nicht leisten.

Karin Chladek arbeitet als freie Journalistin, Autorin und Übersetzerin in Wien und Berlin. Sie beschäftigt sich unter anderem mit nachhaltiger Entwicklung, Inklusion und Diversity.

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Katharina Rogenhofer ist Bundessprecherin des Klimavolksbegehrens und Mitinitiatorin der österreichischen Fridays For Future-Bewegung.

„Ein weiteres verlorenes Jahrzehnt kann sich die Menschheit nicht leisten” KARIN CHLADEK


WORTSPENDEN

Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. So ist es auch mit dem Wandel. Eine Frau oder ein Mann, manchmal sogar ein Kind oder Jugendlicher, haben eine Idee und fangen an, sie Wirklichkeit werden zu lassen. Sie erzählen anderen davon. Manche Menschen werden mit Begeisterung dabei sein und die Idee unterstützen. Andere wiederum werden sie für total verrückt halten. Umso öfter die Idee auf Widerstand stößt, umso mehr sie als nicht durchführbar und realitätsfremd bezeichnet wird, umso größer und mächtiger wird sie. Die wahren Heldinnen und Helden sind die Menschen, die trotz Rückschlägen und Niederlagen

„Einmal verrückt sein und aus allen Zwängen fliehen…”

ihre Ideen und Träume nicht aufgeben. Sie sind die nachhaltigen Gestalter*innen der Zukunft und zeichnen sich dadurch aus, dass sie in Generationen denken. Sie wissen, dass sie auf Erden nur zu Gast sind und es ihre Mission ist, unseren Planeten auch für nachkommende Generationen zu pflegen und zu erhalten. Wenn Sie das nächste Mal von einer Idee hören, die Ihnen verrückt erscheint, dann lachen Sie nicht gleich, sondern fragen Sie sich, was wäre, wenn das Ihre Idee gewesen wäre? Und wäre es nicht auch einen Versuch wert, einmal etwas ganz Verrücktes auszuprobieren?

HEMMA BIESER

Hemma Bieser ist Gründerin und Geschäftsführerin von avantsmart. Mit ihrem Team entwickelt sie nachhaltige Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in Digitalisierungsprozessen.

„Wir brauchen keine Reparatur des Alten“ BARBARA PRAINSACK

So gut mir das Thema der „Reparatur der Zukunft“ gefällt, sie hat einen Schönheitsfehler: Eine Reparatur ist eine Beseitigung eines Mangels oder Schadens, die den ursprünglichen Zustand einer Sache wiederherstellt. Wollen wir das für unsere Welt? Und: Geht das überhaupt? Ich glaube nicht. Für unsere natürliche Welt würde die Herstellung eines ursprünglichen Zustandes wohl bedeuten, auch uns Menschen wegzudenken – und soweit wollen die wenigsten gehen. In unserer sozialen Welt

ist jedes Sehnen nach einem „natürlichen“ Urzustand mitunter gefährlich. Wohin wollen wir da zurück? Dass wir nicht zurück wollen sollen, hat uns auch die Coronakrise gezeigt: Das Alte hat uns in die Krise geführt. Keine Reparatur des Alten brauchen wir, sondern die Umsetzung einer neuen Vision. Wie diese aussieht beschreiben Denkerinnen wie Kate Raworth, Ann Pettifor, oder Stephanie Kelton: Sie enthält unter anderem ein nachhaltiges, ökonomisch verträgliches Wirt-

schaftssystem, die Abkehr vom Wachstumswahn, den Ausbau öffentlicher Infrastrukturen, und eine Neubewertung von Arbeit. Wie wir diese Vision erreichen? Nicht, indem wir uns vorher einigen, wie das Endresultat ganz genau aussehen soll. Sondern in dem wir damit anfangen, umzubauen, geleitet von Werten des Respekts gegenüber anderen Menschen und der Natur. Nicht nur wir machen Wandel, sondern der Wandel macht uns.

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Barbara Prainsack ist Mitglied der österreichischen Ethikkommission und Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Im Detail hat sie ihre Ideen zur gesellschaftlichen Transformation in dem gemeinsam mit Hendrik Wagenaar verfassten Text „The New Normal: The World After COVID-19” argumentiert. Teil 1 des Artikels finden Sie unter: shorturl.at/xJNU5

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INTERVIEW

Oliver Ressler

„Es braucht eine gravierende Umverteilung” Im Kampf gegen die Klimakrise sei es gefährlich, nur auf Einzelinitiativen setzen. Vielmehr brauche es auch zivilen Ungehorsam gegen das System, sagt der Künstler und Filmemacher Oliver Ressler. Ein Gespräch über politischen Widerstand und darüber, wie politisch Kunst sein muss.

TEXT REBECCA GAHR & EVA SAPPL

Seit 24 Jahren beschäftigt sich Oliver Ressler in seiner Arbeit mit dem Klimawandel. Seine Filme und Installationen, die sich um Themen wie Kapitalismus, Rassismus, globale Erwärmung und gesellschaftliche Alternativen drehen, sind politisch und beziehen kompromisslos Stellung: für mehr Demokratie und gegen Kapitalismus. Er arbeitet am Forschungsprojekt „Barricading the Ice Sheets“, das vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert wurde und im September 2021 in eine Einzelausstellung in der Camera Austria in Graz münden wird. Gab es ein spezielles Ereignis, das dazu führte, dass Sie sich mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzen? Ich beschäftige mich schon seit meiner Jugend in den 1980er Jahren mit ökologischen Themen und Fragestellungen; da stößt man naheliegenderweise bald auf den Klimawandel. Eine Verschiebung meiner Auseinandersetzung mit dem Klimawandel ist eingetreten, als sich in Europa die Klimagerechtigkeitsbewegung formierte, zu der ich erstmals 2008 in Großbritannien künstlerisch arbeitete. Die Klimakrise hängt natürlich ursächlich mit dem Wachstumsparadigma des Kapitalismus zusammen; mit dem Fakt, dass die das Klima zerstörenden transnationalen Konzerne in der repräsentativen Demokratie offensichtlich mehr Einfluss haben, als die Wähler*innen. Die Aktivitäten der Klimagerechtigkeitsbe-

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wegung gehen weit übers Demonstrieren hinaus. Formen des zivilen Widerstands spielen eine bedeutende Rolle. Was genau hat Sie an dem Thema interessiert? In meiner künstlerischen Arbeit steht weniger der Klimawandel als naturwissenschaftliches Phänomen im Mittelpunkt, sondern wie die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse im Kapitalismus der Lösung des Problems im Weg stehen. In einer Welt, in der es keine Macht, keine Herrschaft, keine transnationalen Konzerne und keine korrupten Politiker*innen gibt, wäre es vor 25 Jahren noch super easy gewesen, so etwas wie den Klimawandel zu lösen. Damals hätte es noch die Möglichkeit gegeben, die Dekarbonisierung der Ökonomie in behutsamen Schritten anzugehen. Das Nichthandeln von Generationen von PolitikerInnen weltweit macht heute radikale Setzungen zur Verhinderung des Klimakollapses zur einzigen verbleibenden Option. Wie schafft man den Systemwandel? Der Umbau der Ökonomie ist so schwer, weil er sich gegen die Interessen der Konzerne, der Besitzenden, des Kapitals richten muss. Die bestehenden Strukturen müssen aufgebrochen und durch ein demokratisches System ersetzt werden. Man darf die Bekämpfung des Klimawandels nicht ausschließlich auf die Reduktion von CO2-Emissionen he-

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runterbrechen. Es muss mit einer gravierenden Umverteilung von Macht, Ressourcen und Kapital einhergehen. Dieser Aspekt war schon bei meiner ersten Einzelausstellung „100 Jahre Treibhauseffekt“ im Jahr 1996 zentral. Damals bin ich dafür eher belächelt worden. Beim Markt der Zukunft sind viele Initiativen vertreten, die versuchen, im Kleinen etwas zu verändern. Wie kann man Veränderungen Ihrer Meinung nach auch im Großen bewirken? Ich halte viele kleine Ansätze für sehr wichtig. Um den Klimakollaps zu vermeiden, gibt es nicht die eine große Lösung. Es sind wahrscheinlich hunderttausende Maßnahmen, die in unterschiedlichen Regionen auf dem Planeten auch sehr unterschiedliche sein werden. Viele mögen als „klein“ erscheinen, aber in ihrer Gesamtheit könnten sie gigantische gesellschaftlich Umwälzungen hervorbringen. Es ist allerdings auch problematisch, ausschließlich auf Gemeinschaftsgärten, Reparaturwerkstätten, Lastenräder, Öko-Läden und Nachhaltigkeitslabore zu setzen. Das sind Nischen, die auch schon jetzt innerhalb des Systems ganz gut funktionieren, aber auch nicht in direkter Konfrontation zum System stehen. Die erfolgreicheren werden innerhalb kapitalistischer Strukturen absorbiert und zum nächsten gewinnbringenden StartUp. Deshalb glaube ich, dass es ganz wichtig ist, eine Verknüpfung herzustellen zwischen


INTERVIEW

Oliver Ressler

den kleinen Initiativen und dem Widerstand, Formen des zivilen Ungehorsams, die danach streben, klimazerstörende fossile Infrastrukturen Schritt für Schritt zu blockieren und abzuwickeln. Nur 100 Unternehmen verursachen 70% der globalen Emissionen. Hier tätig zu werden, ist von allergrößter Dringlichkeit. Alle klimaschädlichen Subventionen komplett zu streichen, wäre wohl ein relativ einfacher, aber eminent wichtiger Schritt, der sofortige Wirkung haben würde. Welche Rolle spielt Kunst in diesem Widerstand?

Muss Kunst politisch sein? Kunst muss gar nichts! Mich interessiert Kunst, die sehr politisch ist und inhaltlich operiert. Ich verwehre mich dagegen, was man im Kunstfeld sehr oft hört: dass Kunst immer

politisch sei. Die Arbeit von Jeff Koons oder Damien Hirst kann zwar wohl als politisch bezeichnet werden, aber sie ist „politisch“ in dem Sinn, dass sie sich völlig affirmativ gegenüber dem kapitalistischen System verhält, indem sie spektakulären Wandschmuck für Hedgefunds-Manager*innen bereitstellt. Deko für die Kapitäne des zerstörerischen Regimes, das sich bereits im Zusammenbruch befindet. Bedeutsame sozial-politisch engagierte Kunst, wie ich sie verstehe, funktioniert im Gegensatz zu jenem Ansatz. Hat Kunst die Aufgabe, etwas gegen den Klimawandel zu bewirken? Ich glaube, es ist schwierig, der Kunst eine Aufgabe zuzuweisen. Die meisten Künstler*innen würden sich mit Händen und Füßen gegen eine solche Instrumentalisierung wehren – mit gutem Recht. Ich glaube, dass bis zu einem bestimmten Grad eine

Oliver Ressler bei der Besetzung des roten Teppichs bei den Fimfestspielen. Venedig, September 2019

FOTO THOMAS PARB

Kunstschaffende können ihre Kreativität auch einsetzen, um daran mitzuwirken, dass widerständige Praxen so gestaltet werden, dass diese möglichst attraktiv für die Partizipation von vielen Menschen werden und sich so die Schlagkraft der Aktionen vergrößert. Meiner Wahrnehmung nach nehmen

Künstler*innen und Kulturproduzent*innen bereits jetzt einen größeren Anteil an sozialen Bewegungen ein, als das ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht. Während in der sogenannten Anti-Globalisierungsbewegung Künstler*innen oftmals nur für das grafische Erscheinungsbild der Bewegung zuständig waren, nehme ich in den letzten Jahren im Umfeld der Klimagerechtigkeitsbewegung wahr, dass Künstler*innen viel stärker als früher direkt an zentralen Stellen in der Herausbildung der Bewegungen involviert sind, und auch viel stärker in die inhaltlichen Diskussionen eingebunden sind. Das ist mir sehr sympathisch.

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INTERVIEW

Oliver Ressler

künstlerische Autonomie für ein Problem herzustellen. Im wichtig ist, dass Künstler*inglobalen Norden hat das hohe nen selbst entscheiden kön„Ziviler Ungehorsam, Bildungsniveau und die Kenntnen, auf welche Aspekte sie Streiks, Blockaden nis des Klimawandels nicht dazu sich fokussieren, wie sie das und Sabotage geführt, dass die Menschen nicht machen oder welche Spraerscheinen mir am mehr in den Urlaub fliegen, sich che und Methodik sie wähgeeignetsten, um keinen neuen SUV kaufen oder len. Ich sehe aber auch eine Druck herzustellen, ihren Fleischkonsum reduzieren. existenzielle Notwendigkeit, der auf eine Änderung Rein mit dem Wissen darüber, raus aus dem Studio zu komder Rahmenbedingung wie etwas funktioniert, kann men und wirklich Kunst abzielt, in denen Ökoman Wandel nicht herstellen. zu machen, die sich mit den nomie stattfindet.” Es braucht klare Gesetze, die drängenden sozio-politibestimmte Produktions- und schen Realitäten zu Beginn Konsumarten unmöglich mades 21. Jahrhunderts auseichen. Um das zu erreichen, nandersetzt und versucht, Allianzen mit den muss massiver Druck hergestellt werden auf progressiven Teilen von Wissenschaft, Politik, Parlamente, Regierungen, transnationale Medien und sozialen Bewegungen einzugeVereinigungen wie die EU. Auch die Rahhen. Klimawandel ist sehr zeitsensibel, man menbedingungen der globalen Wirtschaft, kann sich keine fünf Jahre mehr Zeit lassen. die Freihandel festschreiben, gehören drinDa wird es uns alle brauchen. gend geändert. Ziviler Ungehorsam, Streiks, Blockaden und Sabotage erscheinen mir am Olafur Eliassons Projekt „Ice Watch”, für geeignetsten, um Druck herzustellen, der auf das er im Dezember 2018 aus Grönland eine Änderung der Rahmenbedingung abimportiertes Gletschereis vor der Tate zielt, in denen Ökonomie stattfindet. Gallery in London schmelzen ließ, sorgte für große mediale Aufmerksamkeit – und Hat sich Kunst in den letzten Jahren zu für viel Kritik. Zu Recht? wenig mit wichtigen Themen wie diesen auseinandergesetzt? Ich halte ein Projekt, das darauf beruht, dass eine Unmenge an Energie aufgebracht wird, Ja, sich mit Malereidiskursen und Farb- und um Tonnen von Eis rund um den Globus zu Formgebung auseinanderzusetzen, kann transportieren, damit die Museumsbesuschon interessant sein und hat auch Berechcher*innen dem Eis beim Schmelzen zusehen tigung. Aber in Zeiten eines Klimanotstandes, können, für ein künstlerisches Desaster. Ich eines Massensterbens der Arten und wenn glaube, dass es zu wenig ist, Bewusstsein immer mehr Staaten in Richtung Faschismus

abzudriften drohen, glaube ich, dass Künstler*innen nicht umhinkommen, sich diesen sozialen Fragen zu stellen. Ist diese Bewegung jetzt eine Chance für die Kunst, sich neu zu positionieren? Auf jeden Fall! Eine Möglichkeit, an Bedeutung zu gewinnen. Eine Bedeutung, die weit über die Bedeutung der Kunst für das eigene Betriebssystem hinausgeht. Es ist eine Entscheidung für oder gegen das Leben. Jeder und jedem muss klar sein, auf welcher Seite er oder sie stehen möchte.

Oliver Ressler ist Künstler und Filmemacher, der Installationen, Arbeiten im Außenraum und Filme zu Themen wie Ökonomie, Demokratie, Migration, Klimakrise, Widerstandsformen und gesellschaftliche Alternativen realisiert.

www.ressler.at

Auszüge aus Oliver Resslers in Arbeit befindlichem Film Not Sinking, Swarming werden am 10. Oktober, 11-12 Uhr, im Rahmen des MDZ in der Camera Austria gezeigt. Ausgangspunkt des Films ist eine vierstündige Versammlung in Madrid, in der im Oktober 2019 unterschiedliche Gruppen der Climate-Justice-Bewegung eine gemeinsame Aktion des zivilen Ungehorsams vorbereiteten. Im Anschluss an das Screening spricht Wolfgang Schlag mit Ressler über seine Arbeit. OLIVER RESSLER NOT SINKING, SWARMING

ZUKUNFT NEU DENKEN

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WIE „BAUEN“ WIR DIE ZUKUNFT? Wie zukunftsfit sind die Räume, in denen wir leben? Sind unsere Städte angesichts der fortschreitenden Erderhitzung hinreichend „resilient”? Wie gehen wir mit der beschleunigten Urbanisierung um? Welche neuen Funktionen müssen Städte übernehmen, um den gesellschaftlichen Wandel nachhaltig zu gestalten? Wie müssen sie gebaut werden – „smart”? Und wie wirkt sich das auf nicht-städtische Regionen, auf „das Land” aus? Stimmt es, dass, wie der Architekt Rem Koolhaas in seiner großen Bestandaufnahme „Countryside” fürchtet, das Land weitgehend ignoriert wird, obwohl sich dort die eigentlich wichtigen Fragen stellen: Was setzen wir anstelle des bisherigen Ressourcenraubbaus, der angesichts der Klimakrise nicht mehr tragfähig ist? Wie gewährleisten wir global die Versorgung in Zeiten, in denen Extremwetterereignisse häufiger werden? Schließlich war mit unserer Idee von Fortschritt auch die Hoffnung verbunden, dass es für all diese Probleme eine technische Lösung gibt, dass wir es also schaffen die Zukunft mit Hightech zu „reparieren”. Aber gibt es wirklich einen „Fix” für alles?


Stadt, Land, Flucht

FOTO FILMSTILL, NGF

Lange Jahre zog es viele weg aus den Dörfern in die Städte – mit katastrophalen Folgen. Jetzt zeichnet sich ein Umdenken ab: In der allgemeinen Krise erfährt das Land eine Aufwertung. Als Raum, den es zu erhalten gilt. Und als Raum, in dem Alternativen gelebt werden können.

TEXT REBECCA GAHR & EVA SAPPL

Die Unternehmerin Theresa Mai erprobt in Gutenstein alternative Formen der Dorfgemeinschaft. [S. 18]

Franz Nahrada schafft mit seiner DorfUni Bildungsmöglichkeiten. [S. 21]

Rainer Rosegger und Dorothee Steinbauer stärken das kulturelle Leben am Land. [S. 22]

ZUKUNFT BAUEN

Teresa Distelberger zeigt in ihrem neuen Film „Rettet das Dorf”, was auf dem Spiel steht, wenn wir den ländlichen Raum vernachlässigen. Fast 8000 Menschen wohnen in der Gemeinde Herzogenburg in Niederösterreich – eine Stadt, wenn man aus den umliegenden Orten einen Blick darauf wirft, aber ein kleines Dorf, betrachtet man es aus der 80 Kilometer entfernten Bundeshauptstadt. Auf der Straße begrüßen sich freundlich Spaziergänger*innen, im Café unterhalten sich die Gäste über mehrere Tische hinweg. Man kennt sich. Auch die Regisseurin Teresa Distelberger, in Herzogenburg aufgewachsen, ist hier keine Fremde. Auf dem Weg zum Rathausplatz trifft sie Bekannte, lachend setzen sie den Weg gemeinsam fort. Distelberger ist hier, um ihren neuesten Film zu präsentieren: “Rettet das Dorf”. Es geht darin um das Leben auf dem Land, das oft romantisiert und noch öfter einfach übersehen wird.

Kurz vor Filmbeginn spricht der Bürgermeister ein paar einleitende Worte: Ehrengäste werden begrüßt und die Regisseurin vorgestellt – für die wenigen, die sie nicht kennen. Als Teresa Distelberger an diesem Abend die Bühne betritt, gibt es Applaus. Heute nennt sie Herzogenburg ihren Heimatort. Das war nicht immer so, obwohl sie bereits im Alter von zwei Jahren mit ihren Eltern hierher kam. „Ich habe mich hier nicht gleich willkommen gefühlt. Ich hatte das Gefühl, immer die ,Zuagroaste´ zu bleiben.“ Dieses Problem wird auch im Film thematisiert, ihre erste eigene Lang-Doku, die im Februar 2020 ins Kino kam. Fremde könnten einem Dorf neues Leben einhauchen, aber zu oft wird ihnen mit Feindseligkeit oder Skepsis begegnet.

Für immer die „Zuagroaste”

Retten, was es zu retten gibt

Der Beamer ist aufgebaut und ein kleines Weingut aus der Region schenkt aus. Der laue Abend bietet perfekte Voraussetzungen für das Open-Air-Kino im Innenhof des Kulturzentrums. Es ist 15 Minuten vor Filmbeginn und immer mehr Interessierte treffen ein. Teresa Distelberger lehnt an einem Stehtisch und lächelt Vorbeigehenden immer wieder grüßend zu. Sie habe Herzogenburg früher eindeutig als Dorf wahrgenommen, erzählt sie. Nach der Schule zog es sie wie viele Jugendliche aus kleinen Ortschaften in die Ferne. Sie studierte in Wien, Paris, Lancaster und den Niederlanden. Mittlerweile wohnt sie wieder in Wien – für die Arbeit, denn eigentlich würde sie lieber wieder am Land wohnen.

Obwohl 90 Prozent der Fläche Österreichs ländlich geprägt sind, wohnen 60 Prozent der Einwohner*innen in Städten, Tendenz steigend. Dörfer sterben aus. Schnell wird während der Dokumentation klar, was es zu verlieren gibt. Dass mit den Dörfern Tradition, Handwerk, Kultur und Gemeinschaft verschwinden – ein Phänomen, das nicht nur in Österreich, sondern international bemerkbar ist. „Spätestens jetzt“ muss etwas passieren, findet Distelberger, bevor sie die Bühne verlässt. Es ist dunkel geworden – gerade rechtzeitig für den Start der Vorstellung. Kurz vorm Vorspann läuft Distelberger noch einmal geduckt zum Podium. Sie hat ihr Weinglas vergessen. „Sympathisch“, findet ein älterer Herr aus dem Publikum.

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STADT, LAND, FLUCHT

Im Film zeigt Distelberger unterschiedlichste Personen, die versuchen, Dörfer auf ihre Art und Weise lebenswerter zu machen. Eine Lehrerin, einen Bürgermeister, einen EU-Politiker, eine Nahversorgerin, einen Bauern, eine Ärztin, einen Unternehmer, der im Dorf geblieben ist, und eine Unternehmerin, die aufs Land gezogen ist: Allesamt Menschen, die das Dorfleben ein bisschen besser machen, allesamt Menschen, die ein Dorf ausmachen.

Je kleiner die Dörfer werden, desto weiter driften die Lebensrealitäten von Stadt- und Landbevölkerung auseinander. Die Unterschiede zeigen sich zum Beispiel in den Wahlergebnissen, die zwischen ländlichem und urbanem Raum oft hochgradig variieren. Die Landbevölkerung fühlt sich vernachlässigt – zu Recht. Mediale Berichterstattung, öffentliche Gelder und politische Aufmerksamkeit kommen viel häufiger dem urbanen Zentren zugute. Zukünftige Entwicklungspotenziale vermute man generell eher in der Stadt, deshalb seien die ländlichen Gebiete „overlooked“ – übersehen worden. So das Argument des Architekten Rem Koolhaas, der dieses Jahr die große Ausstellung Countryside, The Future für das New Yorker Guggenheim-Museum kuratierte.Tatsächlich würden sich Stadt und Land gegenseitig bedingen: „Die Städter brauchen uns und wir brauchen die Städter“, bringt es Bürgermeister Fritz Pichler aus Stanz im Mürztal, ein Protagonist aus Rettet das Dorf, treffend auf den Punkt. Gerade beim Thema Versorgung wird auch die Abhängigkeit der Stadt vom Land deutlich. Doch ist das die Zukunft unserer Dörfer? Versorger und Dienstleister sein für den städtischen Raum? Koolhaas bietet weder in der Ausstellung noch im dazugehörigen Katalog Antworten auf diese Fragen, Distelberger in ihrem Film sehr wohl. Für viele bleibt das Zusammenleben im Dorf etwas Lebens- und Schützenswertes, wofür es sich zu kämpfen lohnt.

FOTOS REBECCA GAHR

Was ist die Zukunft des Dorfes?

Die Filmemacherin Teresa Distelberger hat sich in Herzogenburg anfangs nicht gleich willkommen gefühlt. Heute nennt sie die Gemeinde ihren Heimatort.

Als das Licht des Projektors erlischt, ertönt erneut schallender Applaus. Teresa Distelberger betritt ein letztes Mal die Bühne. Wo sie selbst lieber lebe, fragt eine junge Frau beim Publikumsgespräch. Das hänge von vielen Faktoren ab, sagt Distelberger: „Ich glaube nicht, dass die Welt unterteilt ist in Stadtmenschen und Landmenschen. Das hängt von der Lebensphase ab.“ Und dafür ist sie das beste Beispiel. Die Wienerin sieht sich bereits nach einem Wohnort im Grünen um. Auch in ihrem Freundeskreis haben viele eine Wohnmöglichkeit am Land. „Sie leben zur Hälfte in Wien, zur Hälfte am Land. Sie versuchen beides zu vereinen.“

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Gemeinschaft schmieden

FOTO WOHNWAGON GMBH

Im Einklang mit der Natur leben, Teil einer Gemeinschaft sein, sich auf das Wesentliche konzentrieren, etwas zum Positiven verändern: Theresa Mai, Mitbegründerin des Unternehmens Wohnwagon und der Dorfschmiede in Gutenstein, weiß genau, was sie will. Mit autarken, nachhaltigen Tiny Houses und der Neuerfindung des Konzeptes „Dorf” leistet sie gemeinsam mit ihrem Team einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Lebensweise.

TEXT WALBURGA PLUNGER

Der Vormittag beginnt mit einer Zugfahrt durch ein Idyll: Wiesen und Felder, Häuschen aus Stein und Holz, kleine Ortschaften, durch die sich die Schienen der Regionalbahn schlängeln. Zwischen den Ausläufern der Nördlichen Kalkalpen und gut fünfzig Minuten Fahrzeit von Wiener Neustadt entfernt liegt Gutenstein. Die Gegend ist beliebt bei Wanderern und Sportlern, dennoch hat die Marktgemeinde wie so viele Dörfer in Österreich mit Abwanderung zu kämpfen. Genau dabei will Theresa Mai nicht tatenlos zusehen. Im Jahr 2013 gründete sie, anfangs noch in Wien und gemeinsam mit Christian Frantal, das Unternehmen Wohnwagon. Ihr Unternehmen produziert nachhaltige und ökologische Wohnwagen, die als autarke Wohneinheiten funktionieren und individuell gestaltet werden können. Mit ihrem Produkt sprangen Mai und Frantal auf den Zug der immer populärer werdenden Tiny-House-Bewegung auf. Diese kam bereits in den 90ern in Amerika auf und wird heute wie damals von vielen als umweltfreundliche und ressourcenschonende Lebensweise angesehen. Dabei kommen Lebensstandard und ein gewisser Luxus nicht zu kurz. Das „Platzproblem” wird durch intelligentes Design und die Reduktion auf das Wesentliche gelöst.

Wiener Neustadt, während Theresa Mai uns zur Werkstatt-Führung begrüßt. Interessierte aus ganz Österreich sind gekommen, einige aus Deutschland. Die Gründerin von Wohnwagon erzählt begeistert von den Anfängen des Unternehmens. „Wohnwagon entstand eigentlich aus dem Grant und aus der Unzufriedenheit mit der Welt“, sagt sie und dass Wohnwagon ihre Art sei, einen positiven Beitrag zu leisten. In der großen Produktionshalle riecht es nach frischem Holz, Sägespänen und ein wenig nach Hanf, der teilweise als Dämmmaterial verwendet wird. Vor uns stehen vier teilfertige Exemplare der Gutensteiner Tiny Houses. Die Wohnwagen von Wohnwagon sind auf jeden Fall umweltfreundlicher als „Mainstream-Wohnen”: Die kleinen Häuser sind völlig autonom. Sie produzieren mittels

Die Sonne brennt bereits vom Himmel, als wir kurz vor zehn Uhr in Gutenstein ankommen. Der Zug tuckert ohne uns zurück nach

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Photovoltaik-Panels ihren eigenen Strom und sind durch die Nutzung von Regenwasser, Pflanzen zur Klärung und speziellen Biotoiletten vom Wassernetz unabhängig. Geheizt wird mit Solar-Energie, im Winter hilft der heimelige Holzofen mit. Außerdem setzt Mai mit ihrem Unternehmen auf Naturbaustoffe, um der Welt etwas Gutes zu tun. Die Tiny Houses verkaufen sich gut, wichtig bleiben Mai die Grundprinzipien: Autarkie und Kreislaufdenken, Leben mit der Natur und Naturbaustoffe, Reduktion auf das Wesentliche im Leben, Gemeinschaft und Austausch. Nach der Werkstatt-Führung begleitet Theresa Mai unsere Gruppe zurück in den Obstgarten direkt neben dem Gutensteiner Hof. Im kühlen Schatten der Bäume sind Bierbänke aufgestellt, auf denen sich schon erste Gäste zum Mittagessen niedergelassen haben.


STADT, LAND, FLUCHT

Theresa Mai lädt alle ein, sich dazuzugesellen. Viele lassen sich das nicht zweimal sagen. Hier im Gutensteiner Hof betreut Mai noch ein weiteres Projekt: die Dorfschmiede. Direkt gegenüber dem Bahnhof floriert seit 2018 wieder das Dorfleben. Die Dorfschmiede ist ein Ort des Zusammenkommens, des gemeinsamen Wirtschaftens und Lebens.

Gemeinsam mit seiner Frau Veronika gründete Erich die Gemüsegärtnerei Verwurzelt.

FOTOS CHRISTINA HARRICH

Theresa Mai ist die Gründerin von Wohnwagon und der Dorfschmiede.

„Wir sind eigentlich über unsere Kund*innen draufgekommen, wie wichtig die Gemeinschaft ist“, meint Mai. Sie sitzt uns gegenüber in ihrem Büro in der Dorfschmiede. Büro trifft es eigentlich nicht ganz, der Raum ist groß und zur Gaststube hin geöffnet, sodass man das Klappern des Bestecks hört und sofort das Gefühl hat, willkommen zu sein. Eine Türe führt hinaus auf die Terrasse, im Hintergrund erhascht man einen Blick auf die Arbeitsplätze anderer “Schmiede”. Das Team von Wohnwagon habe beobachtet, dass sich Wohnwagon-Kund*innen mit ihrem „Haus der absoluten Unabhängigkeit“ anderen angeschlossen, dass sie sich gemeinsam mit Freunden organisiert oder ihren Wagon in die Nähe von bestehender Infrastruktur gestellt hätten. Ganz anders als Mai es erwartet hatte. Also entwickelte das Team ein Konzept für nachhaltiges und gutes Zusammenleben und machte sich von Wien aus auf die Suche nach einem geeigneten Standort für ihre Idee einer “Dorfschmiede”. Rund 90 Gemeinden kontaktierte das Team – immer auf der Suche nach einer Gemeinschaft, die motiviert war,

das Projekt zu unterstützen und nach einer Gemeindepolitik, die ebenfalls hinter der Idee stehen würde. In Gutenstein seien sie da genau richtig gewesen, meint Theresa Mai, und betont, dass sie von Anfang an sehr herzlich aufgenommen wurden. Als „Zuagroaste“ hätten sie sich nicht gefühlt. In der Dorfschmiede wird gemeinsam gekocht, gebastelt oder einfach nur der Hof gekehrt, meint Mai, bevor sie kurz aufsteht, um zwei Gäste über die Terrassentüre herein zu lassen. „Es geht darum, wieder lebendige Dörfer zu haben, in denen Zäune keine wirkliche Einschränkung darstellen und die Menschen zusammenhelfen“, erklärt Mai. Um von Anfang an alle an dem Projekt teilhaben zu lassen, ist die Dorfschmiede als Genossenschaft organisiert. Mai sieht es als Kreislauf: Bei der gerade laufenden Renovierung entstehen Arbeitsplätze, die bevorzugt an Dörfler aus der Gegend gehen, die in weiterer Folge genauso von der Dorfschmiede profitieren. Ihre Kinder können die Krabbelgruppe oder Lerntrainings besuchen, die Räume stehen für Workshops und Veranstaltungen zur Verfügung und am Gutensteiner Hof gibt es täglich einen Mittagstisch. Damit bleibe der Euro sinnvollerweise in einem Zyklus und die Einnahmen der Dorfschmiede gingen zurück an die Genossenschaft, die diese in neue Projekte investiere.

Das Gemüse für den Mittagstisch kommt von der Gemüsegärtnerei Verwurzelt, direkt neben der Dorfschmiede.

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FOTO WOHNWAGON GMBH

STADT, LAND, FLUCHT

Auch kleine Schritte zeigen Wirkung Theresa Mai weiß, dass sich Projekte auf der ganzen Welt – ob in der Stadt oder auf dem Land – die Frage nach dem Zusammenleben stellen. Ihrer Meinung nach ist die Dorfschmiede aber in einem entscheidenden Punkt anders: „Wir haben eher die Vorstellung einer Dorfgemeinschaft, nicht einer Jeder-wohnt-im-selben-Haus-Gemeinschaft.“ Die Tatsache, dass gemeinsames Wohnen in einem Gebäude nicht der Kern des Konzepts ist, gebe den Menschen Raum anzukommen, sich kennenzulernen, aber auch Abstand zu halten.

Wohnwagon Für die Zukunft wünscht sich Mai, dass die Dorfschmiede und Wohnwagon Beispiele für ein nachhaltiges Leben sind, die auch noch Spaß machen. Dann stellen sich vielleicht immer mehr Menschen die Frage, was sie im Leben wirklich brauchen. Dabei müsse man gar nicht alles auf einmal verändern: „Ich kann ja mal anfangen mit der Bambuszahnbürste, vielleicht einmal vegetarisch kochen oder selber Gemüse anbauen oder mal anders wohnen. Ich muss ja nicht gleich Job und Leben hinschmeißen, alles kündigen und Einsiedler im Wald werden.”

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gegründet 2013 / Wien Gründerin Mission

HAUS DER ARCHITEKTUR

CAMERA AUSTRIA

Noch bis 17.1.2021 sind im Haus der Architektur in der Ausstellung LandLeben internationale Beispiele für gelungene Revitalisierungen von Dörfern und Gemeinden zu sehen. In den begleitenden CountryTalks / LandGesprächen via Zoom werden „aktuelle Strategien für das Landleben von morgen” diskutiert.

Das Projekt Die Stadt & Das gute Leben, das bei Camera Austria noch bis 21.2.2021 läuft, fragt nach Perspektiven des „guten Lebens“ in der Stadt und konzentriert sich dabei auf den Grazer Bezirk Eggenberg. diestadtunddasguteleben.at

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FOTO CAMERA AUSTRIA

FOTO THOMAS RAGGAM

hda-graz.at

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Theresa Mai Wohnraum schaffen

Das Unternehmen Wohnwagon kombiniert mit seinen autarken Mikro-Häusern urbane Wohnformen mit dem Bedürfnis nach Natur und Freiraum.

www.wohnwagon.at


FOTO FRANZ NAHRADA

„Ich versuche, den ländlichen Raum zu reparieren” TEXT CHRISTINA HARRICH & ERIK DERK

Franz Nahrada möchte mit der DorfUni Bildungsmöglichkeiten am Land schaffen. Damit sollen Dörfer wiederbelebt werden und neue Gemeinschaften entstehen. „Ich habe extreme Fälle von ländlichem Niedergang in Griechenland erlebt, darunter habe ich sehr gelitten.” In den 1980er Jahren sah Franz Nahrada, wie alte Menschen in griechischen Dörfern alleine in verfallenen Häusern leben mussten, weil fast alle Jungen abgewandert waren. Diese Zeit in den griechischen Bergdörfern auf der Insel Samos prägte ihn stark. Damals fragte Nahrada sich zum ersten Mal, welche Mittel gegen Landflucht helfen, wie der ländliche Raum gerettet werden könnte. Diese Fragen beschäftigen den Zukunftsforscher bis heute. „Das ist jetzt meine Lebensaufgabe: Ich versuche, den ländlichen Raum zu reparieren”, erklärt Nahrada, der 2017 nach Bad Radkersburg gezogen ist. Aufgrund der Klimakrise hat sich die Dringlichkeit dieser Fragen noch verschärft: „Wir müssen schauen, dass wir das, was wir haben – lebendige Landschaften, Kreisläufe, Naturzusammenhänge, die Landwirtschaft, das Handwerk – dass wir dem wieder Auftrieb geben.”

Diese Worte nahm Franz Nahrada mit auf den Weg und legt sie auch auf den Markt der Zukunft um: „Wenn wir jetzt von ‚Reparatur der Zukunft’ sprechen, dann heißt das auch, dass wir unter Umständen die Zukunft ein bisschen neu erfinden können.” In den letzten Monaten hat der Zukunftsforscher bemerkt, dass Menschen auf einmal viel aufgeschlossener auf seine Ideen reagierten. Corona sei eine wichtige Lektion, es finde eine massenhafte erzwungene Auseinandersetzung mit den Themen Home-Office und virtueller Bildung statt, meint Nahrada. Außerdem sieht er eine 180-GradWende von globalisierten Märkten hin zu lokaler Kreislaufwirtschaft. „Es findet gerade eine gesellschaftliche Wendung hin zum Lokalen und zu ländlichen Räumen statt. Wir konzentrieren uns mehr auf die Kreisläufe um uns herum, hier sehe ich großes Potenzial.”

Nach vielen Überlegungen, Gesprächen und Veranstaltungen kam Franz Nahrada zu der Erkenntnis, dass Bildung der Schlüssel zur Rettung des Dorfes ist. „Es geht um ein interkommunales und personalisiertes Bildungssystem, das neben Wissen auch Beziehungen vermittelt. Wenn wir eine kooperative Kette bilden, dann werden alle Tätigkeiten ineinander greifen”, sagt Nahrada. Aus diesem Gedanken heraus entstand die DorfUni – eine virtuelle Akademie, wo Interessierte über Video mit neuen Denkansätzen in Berührung kommen. Dabei ist das gemeinsame Lernen ein wichtiger Aspekt, um die Dorfgemeinschaft zu fördern und Synergien zu nutzen. Franz Nahrada entdeckte Ende der 1980er Jahre seine Computeraffinität und reiste in die USA. „Ich bin losgefahren als jemand, der eigentlich gar kein Techniker ist und sich den Computer autodidaktisch angeeignet hat”, erzählt Nahrada. Zu Recherchezwecken verschlug es ihn in das Silicon Valley. Dort traf er zufällig auf Douglas Engelbart, den amerikanischen Computerpionier, der unter anderem die Maus erfand. Engelbart sagte zu Nahrada, dass es in unserer Hand liegen würde, die Zukunft neu zu erfinden – auch in sozialer Hinsicht. Technische Verbesserungen alleine hätten niemals Fortschritt gebracht.

DorfUni

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gegründet 2016 / Wien Gründer Mission

Franz Nahrada Gemeinschaft anstiften

Als interkommunale „freiwillige Bildungsfeuerwehr“ vernetzt DorfUni Gemeinden und Expert*innen, um Regionalentwicklung und Gemeinschaft zu stärken.

www.dorfuni.at

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STADT, LAND, FLUCHT

Große Ideen und kleine Schritte TEXT FLORIAN JAUK

Wer den ländlichen Raum als positiven Ort des Wandels erhalten will, muss nicht nur Wirtschaft und Arbeit neu denken – sondern darf auch die Kultur nicht vergessen.

FOTO BERGSCHAF

Wenn die Jungen über Jahre in die Städte ziehen, um zu studieren oder zu arbeiten, bleiben auf lange Sicht oft Gemeinden ohne Bank und Post, ohne Gasthaus, Cafés oder Clubs zurück. Auch regionale Kulturinitiativen abseits der Traditionsvereine haben es schwer, sich zu halten. Dabei könnten gerade sie einen Beitrag leisten, die Lebensqualität zu heben. Dorothee Steinbauer könnte man als eine Kämpferin an der kulturellen „Front“ bezeichnen. Seit 2001 leitet sie gemeinsam mit Wolfgang Dobrowsky das Culturcentrum Wolkenstein (CCW) im obersteirischen Stainach, wirkt dort als kulturelle Nahversorgerin und will das Dorfleben mit Theater, Konzerten und Filmabenden attraktiver gestalten. Welche Rolle Kultur in regionalen Entwicklungsprozessen spielen kann, versuchte die Theatermacherin bereits vor zehn Jahren im Rahmen des regionale-Festivals im obersteirischen Liezen gemeinsam mit anderen Kulturveranstalter*innen zu ergründen.

erreichen, dass man die Bevölkerung etwa über Kooperationen mit regionalen Vereinen in Projekte einbinde. Mit La Strada, das auch in Graz den Anspruch hat, Stadtentwicklung kreativ voranzutreiben, hat Schrempf immer wieder Zirkus und Straßentheater auf professionellem Niveau in steirische Kleinstädte gebracht. In diese Richtung ginge noch mehr, meint Werner Schrempf. In Frankreich werde zum Beispiel versucht, kulturelle Institutionen und Ausbildungsmöglichkeiten auch in ländlichen Gebieten anzusiedeln. Das steigere den Stellenwert von Kultur in der Bevölkerung und komme zugleich dem derzeitigen Trend zum “Kleinen und Feinen” entgegen. Den Leerstand nutzen Deutlich mehr als kleine und feine Impulse sendet seit 2012 das Eisenerzer Rostfest aus – und das in einer Region, die zu den am stärksten von Abwanderung betroffenen des Landes zählt: Von einst 13.000 Einwohner*innen sind mittlerweile nur noch rund 4000 Eisenerzer*innen übrig, auch die meisten Arbeitsplätze im Erzabbau sind verschwunden. Als im Jahr 2004 mit rund 700 Leerständen fast ein Drittel aller Wohnungen in Eisenerz leer standen, wurde die Idee zu re-design Eisenerz geboren, einem auf 15 Jahre angelegten kommunalen Veränderungsprozess. 2009 kam mit eisenerz*ART ein Kulturprojekt dazu. Daraus entstand schließlich die Idee zum Rostfest, befeuert durch die damalige Stadtflucht einiger Grazer Kulturschaffender, die am Land mehr Potenzial für ihre Arbeit sahen. Seither setzt das Festival beinahe jährlich auf Konzerte, Kunst, Lesungen und Urban Camping in leerstehenden Arbeiterwohnungen, um den Korrosionsprozess der Ortes ins Produktive zu wenden und zu erproben, ob Eisenerz so etwas wie ein Pionier auf dem Weg in eine Postwachstumgesellschaft sein könnte. Der Soziologe Rainer Rosegger war von Beginn an dabei und zieht eine positive Bilanz: Das Fest käme bei der Bevölkerung gut an und trage auch zu gesellschaftlichen Veränderungsprozessen bei. Auch Rosegger betont, dass kulturelle Entwicklung an der Schnittstelle zwischen Kunst und Sozialem vor allem drei Dinge brauche: Zeit, Kontinuität und Improvisationsgabe.

Für Steinbauer war diese Zeit eine sehr lehrreiche. Wenn man am Land echte Transformationsprozesse ankurbeln wolle, müsse man langfristig denken und „große Ziele im Kopf und den Mut zu kleinen Schritten haben”, sagt sie. Die regionale habe jedenfalls die Teilhabe der Bevölkerung an lokaler Kultur gesteigert und die Aufmerksamkeit, die dem CCW entgegengebracht wurde. Doch es sei nicht einfach, dieses Publikum zu halten, denn auch kulturell üben Städte eine starke Sogwirkung aus – auf Kulturschaffende wie Publikum. Um das zu verhindern und durch Kultur die Abwanderung zu bremsen sowie ein Bewusstsein für die Thematik zu entwickeln, sei laut Steinbauer weder genug Verständnis für die Kulturszene am Land vorhanden, noch genug Budget. Austausch fördern, anstatt zu trennen Für Werner Schrempf, Intendant des Straßenkunst- und Theaterfestivals La Strada und Beteiligter an der regionale 2010, sind Kooperationen und die Einbindung der lokalen Bevölkerung Maßnahmen, um den Stellenwert zeitgenössischer Kultur am Land zu stärken. „Wir sollten versuchen, den Austausch zu fördern, anstatt zu trennen.“ Dies könne man nicht nur durch Gastspiele am Land, sondern auch dadurch

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INITIATIVEN

Too Good To Go

Perspektive Landwirtschaft

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gegründet 2013 / Wien

gegründet 2015 / London Gründer

Mission

Paradeisa

Chris Wilson, Jamie Crummie Klaus B. Pedersen Lebensmittelverschwendung reduzieren

Durch die Abnahme von Lebensmitteln kurz vor Ladenschluss werden viele Produkte vor dem Mülleimer gerettet und können von Verbraucher*innen günstig verwertet werden.

Gründer*innen

Mission

Happylab

gegründet 2018 / Wien

Studierende und Absolvent*innen der BOKU Wien Menschen und Höfe sollen mehr werden – und nicht weniger

Die Perspektive Landwirtschaft vermittelt zwischen Eigentümer*innen einer Landwirtschaft, die nach einem Nachfolger suchen, und jenen, die eine Landwirtschaft übernehmen wollen.

www.toogoodtogo.at

Gründer*innen

Mission

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Mission

Roland Stelzer Karim Jafarmadar Innovation vorantreiben

Im Happylab stehen viele Produktionsmaschinen und vor allem viel Platz zur Verfügung, damit sich jede und jeder handwerklich und technisch ausprobieren kann.

happylab.at

Regionalität fördern

Über Paradeisa können Konsument*innen engagierte Produzent*innen regionaler Lebensmittel finden und so lokal und nachhaltig einkaufen. www.paradeisa.at

Traivelling

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gegründet 2020 / Wien

gegründet 2019 / Wien

Gründer Gründer

Markus Sitek Isabella Schieszler-Lotschak

www.perspektive-landwirtschaft.at

Ich brauche Platz!

gegründet 2006 / Wien, Salzburg, Berlin

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Karin Harather

Gründerin Mission

Denk- und Handlungsräume gestalten

Diese Initiative will Kindern und Jugendlichen durch gemeinsames Forschen rund um ein eigenes Bus-Labor alternative Denk- und Handlungsräume aufzeigen.

www.instagram.com/ich.brauche.platz/

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Mission

Elias Bohun Matthias Bohun Sinnvolle, ökologische Reiseverbindungen schaffen

Das Bahnreisebüro Traivelling bietet Zugreisepakete für Asien, Europa und Nordafrika an und gestaltet so den Urlaub mit der Bahn übersichtlich und klimafreundlich.

www.traivelling.com

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INTERVIEW

Breathe Earth Collective

Können Städte Wälder sein? Das Breathe Earth Collective arbeitet an der grünen Verwandlung unserer Städte. Ein Gespräch über Klima-Kultur, urbanes „Crowd Foresting” und das perfekte Ökosystem. TEXT FLORIAN JAUK

Grüne, lebenswerte, „atmende” Städte: Das ist das Ziel der fünf Architekt*innen, die sich im Jahr 2015 zu einem transdisziplinären „Think-and-Do-Tank” zusammengefunden haben, nachdem sie den österreichischen Expo-Pavillon in Mailand als Wald gestaltet hatten. Seither arbeiten sie daran, den Begriff der „Klima-Kultur” mit Leben zu erfüllen – indem sie zum Beispiel „Airships” oder „Coolspots” im öffentlichen Raum installieren, modellhafte, hybride Installationen zur Kühlung von Städten, die sich in der Klimakrise zu regelrechten Hitzeinsel entwickeln. Am Grazer Freiheitsplatz präsentieren sie im Frühjahr nächsten Jahres ihren für das „Kulturjahr 2020” entwickelten Klima-Kultur-Pavillon. Drei der fünf Mitglieder erreichten wir für ein Gespräch im fränkischen Rothenburg, wo das Kollektiv heuer zu einer Residency geladen war.

Städte sind in der Klimakrise gleich doppelt gefordert. Einerseits sind sie zunehmend Hitze ausgesetzt, andererseits müssen sie als gesellschaftliche Transformationsorte dienen. Wie sollen Städte das alles leisten? Andreas Goritschnig: Ich glaube, dass wir radikaler über diese Transformation nachdenken und uns eine neue Typologie von Ort überlegen müssen, die der großen Aufgabe der Klimakrise gerecht wird. Ähnlich den Museen, welche für die Entwicklung der modernen Gesellschaften und die Wissenschaft wichtig waren und sind. Hier geht es einerseits um Lösungen gegen lokale Überhitzung in den Städten und anderseits um Orte, an

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denen wir gemeinsam an Lösungen für die Klimakrise arbeiten. Wir brauchen Orte, an denen Klima-Kultur entstehen kann. Unser Klima-Kultur-Pavillon ist eine Antwort darauf, einerseits ein Ort, der sinnlich zeigt, wie man mit dieser Krise in der Stadt umgehen kann, aber gleichzeitig auch ein Treffpunkt, um an dieser gesellschaftlichen Herausforderung teilzunehmen. Bernhard König: Ich bin mir mittlerweile sicher, dass Städte in der Zukunft nur noch einen kleinen Anteil an den Transformationsprozessen haben werden, weil die Landwirtschaft, die wir betreiben, schon viel stärker gefordert ist. Auch wenn Städte zu unseren Hauptlebensorten geworden sind, finden die großen innovativen Prozesse und Veränderungen in der Versorgung der Städte, in der Landschaft und Landwirtschaft statt. Aber da die Städte immer stärker von der Landschaft abgekoppelt sind, kriegen wir davon leider gar nicht so viel mit. Dennoch bestimmen Städte den gesellschaftlichen Diskurs. Wie in allen eng bebauten Gebieten, wird in Städten der „Urban Heat Island”-Effekt besonders wirksam. Aufgrund ihrer dicht bebauten, harten Oberflächen heizen sie sich tagsüber stark auf und brauchen nachts länger zum Abkühlen. Wenn man nun bedenkt, dass die Anzahl der Tropennächte in den kommenden Jahren stark zunehmen wird, entstehen in Städten regelrechte Hotspots. Das wäre wenig dramatisch, wenn Städte nicht zunehmend unser Lebensraum wären. Dadurch bekommt der Klimawandel womöglich endlich die gesellschaftliche Brisanz. Markus Jeschaunig: In Form von immer stärkeren Extremwetterereignissen zeigt der Klimawandel direkt vor unserer Haustüre am

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deutlichsten sein Gesicht. Vor allem in Städten ist die extreme Hitze der auffälligste Faktor für den Klimawandel. Da muss man mit grüner Infrastruktur arbeiten. Zehn Kilometer außerhalb der Stadt, am Land, muss man wiederum andere Lösungen finden. Es gibt nicht eine Lösung sondern viele. Klima-Kultur ist also eine Geisteshaltung, wie man dem Leben gegenübersteht und gesellschaftliches Zusammenleben begreift. Dieses Denken in die Köpfe der Menschen zu bringen, ist unser Angebot, um den Wandel zu erleichtern. Die direkte Einbeziehung von Menschen, oft direkt im öffentlichen Raum, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wir begreifen KlimaKultur als neue Dimension gesellschaftlichen Lebens, die ähnlich der Ess-, Musik- oder Weinkultur eine aktive und klimabewusste Lebensform jedes Menschen anstrebt. Diese muss geübt, praktiziert und kultiviert werden, um in unserer Umwelt für zukünftige Generationen eine Wirkung zu haben. In euren Projekten holt ihr oftmals die Natur in die Stadt. Wäre es nicht auch nötig, der fortschreitenden Urbanisierung überhaupt entgegenzuwirken? König: Für unseren Lifestyle macht Urbanisierung Sinn, sie ist ja nicht schlecht. Die Frage ist nur, wie man sie stadtplanerisch mit dem Wissen umsetzt, das wir gesammelt haben. Wir brauchen eine Klima-Stadtplanung. Und wir müssen aufpassen, dass die Stadt selber wieder Teil eines großen Ökosystems wird und sich nicht immer mehr von der Landschaft abkoppelt. Jeschaunig: Technik und Kultur schließen sich nicht aus. Wenn wir die Dinge so miteinander verschalten, dass sie sich ergänzen,


FOTO BREATHE EARTH COLLECTIVE

kommen wir dem Ziel näher. Das heißt also nicht „Stopp der Urbanisierung”. Wenn die Urbanisierung klimapositiv passiert, können wir in einem ökologischen Kreislaufsystem weiterleben. Dazu müssen wir natürlich auch non-human-lifeforms, also Pflanzen, Tiere sowie auch Wetter und Klima in unser Denken und Handeln einbeziehen. Auf einer stadtplanerischen Ebene kann viel beeinflusst werden. In Graz sind stadtklimatologisch in der Vergangenheit leider oftmals Bausünden passiert. Das Breathe Earth Collective arbeitet mit hybriden Lösungsansätzen, wo sich natürliche Systeme und Technologie sinnvoll ergänzen. Pflanzen und Bäume spielen dabei eine große Rolle. Sie zeigen den Menschen sehr direkt, wie eng Mensch und Umwelt in Ökosystemen voneinander abhängig sind. Goritschnig: Ich glaube, wir brauchen eine Stadtflucht. Die großen Transformationsprozesse finden am Land statt. Deswegen müssen wir die Kultur dorthin bringen. Für mich ist die Landflucht ein Symptom dafür, dass das Land vor allem ökonomisch und gesellschaftlich nicht mehr funktioniert. Es ist nicht rein der urbane Lebensstil, den alle haben wollen. Was kann die Politik für eine ökologische Wende leisten? Goritschnig: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle Beteiligten der Regierungen verstehen, welche Klimakrise wir vor der Haustüre haben und wie dringend wir handeln müssen. Es ist laut der Wissenschaft noch ein Jahrzehnt, in dem wir den Turn schaffen müssen, also bis 2030, sonst fährt das Klima davon. Das ist sozusagen heute! Es kann also nur heißen – Zukunft jetzt!

Jeschaunig: Die Politik setzt sich Limits, die in der Realität kaum eingehalten werden. Wenn ich als Politiker*in heute beispielsweise bis 2030 einen Ausstieg aus der Atomenergie festlege, dann ist es eine Tatsache, dass der Zeitpunkt nicht mehr in meiner Legislaturperiode liegt. So werden Probleme, die aus Klima-Sicht heute eine Lösung brauchen, auf die nächste Generation verschoben. Bewegungen wie Fridays for Future, junge Menschen, die auf die Straße gehen, sind ein schönes Gegenmoment zu dieser Art von Politik. Das ist wiederum ein Anreiz für die Politik, mit Klimathemen zu werben und gibt Entscheidungsträger*innen Handlungsmacht, Klimathemen legitim auf der Agenda zu halten. Aber das kann nur der Anfang sein. König: Wir werden solange nicht voran kommen, wie Politik nur auf die Menschen hört. Ich denke, nachhaltige Politik muss gewissen gesellschaftlichen Gruppen ein wenig weh tun, damit sie ihre Ziele erreicht und Transformationsprozesse anstößt. Zum Glück haben Menschen auch ein relativ kurzes Gedächtnis, deshalb muss man Transformation eigentlich nur einmal wagen. Im Nachhinein wird Veränderung meist relativ gut akzeptiert. Ich finde derzeit die politischen Überlegungen, auch in Graz die Stadtplanung grüner zu gestalten, gut. Jedoch frage ich mich oft, wie umfassend diese tatsächlich umgesetzt werden und wie gut die Politik hinterher noch reagieren kann. Jeschaunig: Wenn ich es gewöhnt bin, immer geradeaus zu fahren, warum sollte ich dann plötzlich einen Umweg nehmen? Die Leute, die business as usual beibehalten oder – wie es in der Covid-19-Krise heißt – „Zurück zum Normalzustand“ wollen, haben nicht verstan-

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den, dass das ein falscher Normalzustand ist, in dem wir mehr Ressourcen verbrauchen, als die Natur uns geben kann. Warum also nicht gleich mit dem European Green Deal starten? Da gibt es viele Lobbys, die man erst sprengen muss. Es tut eben weh, den alten Mustern den Rücken zu kehren. Doch es wird sich auszahlen und es werden sich neue, grüne Wirtschaftszweige auftun. Im Nachhinein werden es die Leute annehmen und sich nicht mehr wirklich erinnern können, wie es davor war. Was können Einzelne tun, wie beteiligt man Bürger*innen an politischen Wandelprozessen? König: Es gibt viele Dinge, die jede und jeder Einzelne besonders gut kann. Da kann man ansetzen und versuchen, diese Qualitäten einzubringen. Man muss mit positiven und begeisterungsfähigen Themen beginnen, nur so kann Transformation stattfinden. Jeschaunig: Ich habe das Gefühl, viele Menschen sind in einem Ohnmacht ähnlichen Zustand. Man liest zahlreiche wissenschaftliche Fakten zum Klimawandel, aber kann sich oft wenig darunter vorstellen. Genau da wollen wir die Menschen abholen, wir wollen hochkomplexe wissenschaftliche und politische Themen durch Orte wie den Klima-Kultur-Pavillon sinnlich und diskursiv erfahrbar machen. Ein gutes Beispiel für Partizipation: Im Rahmen des Umweltzirkus im Grazer Joanneumsviertel haben wir an einem Tag 800 Baumsetzlinge verschenkt und mithilfe der Menschen in der ganzen Stadt verteilt gepflanzt. Das ist für mich aktive Bürger*innenbeteiligung, die uns allen wenig kostet aber viel bringt.

ZUKUNFT BAUEN


INTERVIEW

Breathe Earth Collective

Wie kann Graz über die nächsten zehn Jahre zu einer lebenswerten, zu einer, wie ihr sagt, „atmenden” Stadt werden?

so enorm viel leistet. Tut der aktuelle Bauboom der Stadt gut?

Goritschnig: Wir müssen unsere Gesellschaft auf diese Klima-Kultur einstellen, aber auch über unsere Stadtgrenzen hinaus denken und vor allem wirken. Atmen heißt in dem Bezug, dass wir grüner werden und natürlich klimapositiv. Atmen heißt in dem Bezug auch, dass wir über unsere Stadtgrenze hinaus auch für das Hinterland dieser Stadt Verantwortung übernehmen. Mit nachhaltigem Konsum und klimapositiver Produktion, mit Technologie-, Design- und Know-How-Transfer. Wir müssen schnell klimapositiv sein, und können damit auf der Welt helfen.

Goritschnig: Angesichts der Klimakrise ist unnötige Bebauung natürlich sehr schlecht. Wir müssen darauf achten, wie wir die Stadt verdichten. Es muss zum Beispiel nicht immer Wohnbau sein. Systemisch können manchmal eine Park-and-Ride-Anlage, ein Park zur Naherholung oder offene Flächen für Durchzugsluft wichtiger sein. Wir sollten uns an der Stelle fragen: Wie können solche Projekte aussehen, damit sie auch für private Investments attraktiv sind? Schön wäre ja, wenn das Geld die Stadt nachhaltiger macht und sich das ökonomisch und klimatisch rechnet.

König: Zurück zu Graz. Ich habe immer noch das Gefühl, dass es eine Stadt ist, in der Zwang regiert. Es wird verknappt, Regulative werden aufgestellt. Ein proaktives Handeln – wie zum Beispiel zuerst das öffentliche Verkehrsnetz auszubauen, bevor Parkplätze gekürzt werden – fehlt oft. Wenn wir schaffen, das zu ändern, sind wir auf dem Weg, die Transformation anzuführen, anstatt ihr hinterher zu laufen.

Als Gedankenspiel: Welche Orte in Graz könnte man konkret transformieren?

Jeschaunig: Es ist entscheidend, dass wir von einem „What if?“ zu einem „Why not?“ kommen. Also statt „Was wäre, wenn wir die Stadt begrünen würden?“ zu sagen, hin zu einem „Warum machen wir´s nicht?“. Das ist eine viel ermöglichendere und proaktive Haltung. Konkrete Umsetzungsbeispiele in Graz wären für mich: eine Begrünung der Rathaus-Fassade mit Pflanzen, welche damit die Bereitschaft zum Wandel ausstrahlt und Vorbildwirkung haben kann. Wichtig fände ich auch, dass die Stadt Graz bei der Geburt eines Kindes nicht nur, wie derzeit, einen Geburtsbaum schenkt, sondern eine derart leistungsstarke Menge urbaner grüner Infrastruktur baut, wie sie dieser Mensch sein ganzes Leben zum Atmen benötigt. Wir würden auch gerne die zweite Hälfte des Lendplatzes zum Waldpflanzentauschplatz umfunktionieren, wo jeden Tag „Crowd Foresting“, also gemeinschaftliches Tauschen und Pflanzen von Jungbäumen inmitten der Stadt, betrieben werden kann. Die Integration von grüner Infrastruktur in Gebäuden wäre wichtig, denn durchschnittlich halten wir uns zu 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen auf. Natürlich sollten wir auch Plätze, Dächer, öffentliche Räume der Stadt einfach begrünen. Grüne Infrastruktur ist bekanntlich deutlich kostengünstiger, weil das geniale Produkt Pflanze

ZUKUNFT BAUEN

Jeschaunig: Als beispielhafte Orte für so eine Transformation in der Stadt würde ich den Kopf und das Herz eines jeden Menschen andenken! Auch Menschen sind “Orte”, gestalten, beleben oder zerstören Umwelt. Wenn man die Handlungsfähigkeiten, agency, der Menschen aktiviert, geht die Transformation von ganz alleine. Goritschnig: Bei Transformationsprozessen muss man unterscheiden zwischen der „Hardware” der Transformation, also beispielsweise Veränderungen des Energiesystems und der „inhaltlichen Transformation“. Wir können in derselben Stadt nachhaltiger leben, wenn wir unsere Lebensweisen umstellen. Was wir neu bauen, sollte einer klimapositiven Lebensweise zu hundert Prozent entsprechen. Sind Projekte wie der diesen Sommer erprobte Sprühnebel am Tummelplatz sinnvolle Vorboten des Wandels? König: Prinzipiell ist dieser Ansatz technisch nachvollziehbar, die Frage ist nur, ob so etwas nicht nur der Symptombekämpfung dient. So wie die Stadt gerade ist, also sehr kleinteilig zerfranst, müsste man eigentlich damit beginnen, grüne Inseln und Korridore für Frischluft zu schaffen. Die Architektur darf durchaus dichter sein, sollte aber in jedem Fall das lokale Klima und auch die spürbare Luft- und Aufenthaltsqualität vor Ort positiv beeinflussen, durch gezielte Begrünungen und eine entsprechende Geometrie und Materialwahl. Wenn wir das auf die Reihe bringen, können wir mit technischen Mitteln

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wie der Sprühnebelanlage unsere Vorhaben erweitern. Und wir müssen zukunftsfähiger bauen. Vielleicht brauche ich beispielsweise in zehn Jahren eine Park-and-Ride-Anlage oder andere Infrastrukturen, auch wenn jetzt gerade die Nachfrage nicht da ist. Dafür muss dann der Platz da sein, da muss man längerfristig denken und Möglichkeiten offen halten. Ihr habt bei der Expo 2015 in Mailand den Österreich-Pavillon als Wald gestaltet. Was wird ihn von eurem Klima-Kultur-Pavillon unterscheiden, der im April 2021 am Freiheitsplatz entsteht? Jeschaunig: Beide Projekte bringen eine Waldvegetation für einen temporären Zeitraum in die Stadt. Der Unterschied ist, dass wir im Klima-Kultur-Pavillon eine Agora schaffen, eine Waldlichtung mitten in der Stadt, die zu einer Plattform für Diskussion und Austausch zum Thema Klima wird. Denn Grundlage für Klima-Kultur ist gesellschaftlicher Austausch darüber, was ein klimabewusster Umgang mit der eigenen Umwelt sein kann. Und der Grazer Pavillon steht am Grazer Freiheitsplatz direkt in einem frequentierten öffentlichen Raum, kann noch direkter Menschen in seinen Bann ziehen. Für euren Beitrag auf der Kunsthaus-Fassade habt ihr die Frage gewählt: “Could Future Cities perform like a Forest?” Sind Städte als Wälder die „Lösung“? Jeschaunig: Den Satz meinen wir als ernst zu nehmende Strategie für Stadtentwicklung. Dabei geht es weniger um das Bild, dass die Stadt aussehen soll wie ein Wald, sondern darum, dass Städte auf der Luftemissionsund Energielandkarte so gut abschneiden wie ein Wald. Die Stadt muss also nicht per se zum Wald werden, aber eine derartige Wirkung in seiner Umwelt entfalten. König: Der Wald ist ja ein Idealzustand eines Ökosystem. Jeschaunig: Gebaute Architektur und grüne Infrastruktur können dabei zu einem hybriden Ganzen, einem Ökosystem verschmelzen. Ziel wäre es jene Energie, die beim Heizen von Gebäuden historischer Altstadthäuser verloren geht, weil sie denkmalgeschützt erhalten werden, in anderen Projekten und Orten energetisch zu kompensieren. Verpuffte Ressourcen sollen in Kreisläufe geführt werden. Mehr noch: Städte können sogar


INTERVIEW

Breathe Earth Collective

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Wie viele Bäume braucht Graz und wo sollen sie Platz haben?

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Goritschnig: Viele! Und sie werden nicht alle in Graz stehen! Sondern auch in Afrika, in Indonesien, überall auf der Welt! Die Stadt hört systemisch nicht an der Stadtgrenze auf. In Graz sollen so viele Orte wie möglich grüner und atmender werden und darüber hinaus sollte Graz das 1000-fache an Bäumen in der Welt setzen. Graz sollte bald Partnerlandschaften auf der ganzen Welt haben! Breathe!

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klimapositiv gestaltet werden, sodass sie mehr Sauerstoff, Nahrungsmittel, Energie produzieren als konsumieren.

Im Frühjahr 2021 wird der Klima-Kultur-Pavillon in Graz zu erleben sein.

Hohensinn Architektur ZT fon +43 316 811188 fax +43

10.01.2020

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WORTSPENDEN

Auf welche Technologien sollen wir setzen? Dass innovative Technologien einen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft leisten können, steht außer Streit. Doch welche Technologien werden sich durchsetzen? Und gibt es für jedes Problem einen technischen “Fix”?

ILLUSTRATION MARIA BOLA

Klimaverträgliche Mobilität mit Zukunft MICHAEL SCHWENDINGER

Mobilität ist gleichzeitig ein neues, innovatives sowie altes, kontinuierliches Thema. Neu und innovativ, weil es viele neue Entwicklungen gibt – von neuen Technologien, Elektrifizierung und Automatisierung bis hin zu innovativen Sharing-Modellen. Alt und kontinuierlich, weil Mobilität ein menschliches Grundbedürfnis ist und wir immer schon mobil waren – und dafür, unabhängig vom technologischen Fortschritt, pro Tag ungefähr gleich viel Zeit aufwenden. Dieses Phänomen ist als „konstantes Reisezeitbudget“ bekannt und besagt im Umkehrschluss, dass die Idee des Zeitsparens durch schnellere Verbindungen und neue Technologie nicht funktioniert, da schnellere Verbindungen, im Gesamtsystem betrachtet, schlicht zu weiteren Wegen führen. Eine Innovation könnte daher die Erkenntnis sein, dass wir nicht auf eine ferne Innovation warten müssen, um die Mobilität auf Klimakurs zu bringen – es geht also weniger um eine „Mobilität in der Zukunft“, als vielmehr um eine „Mobilität mit Zukunft“. Und was es für klimaverträgliche Mobilität braucht, ist längst bekannt: 1. Verkehr vermeiden, etwa durch lokale Nahversorgung und dichte Siedlungsstrukturen. 2. Verkehr auf klimaverträgliche Verkehrsmittel verlagern, etwa auf einen gut ausgebauten Öffentlichen Verkehr als zentrales Rückgrat sowie mehr Gehen und Radfahren als wichtiger Bestandteil der Alltagsmobilität mit Mehrwert für die ganze Gesellschaft. 3. Verkehr effizienter machen, etwa durch Elektrifizierung sowie kleinere, leichtere Fahrzeuge.

Erneuerbarer Wasserstoff rechnet sich (noch) nicht STEFAN SCHWARZER

MARTIN MÖSSLER

Um den Weg in Richtung eines dekarbonisierten Energiesystems erfolgreich zu gehen, müssen wir viele technologische Möglichkeiten nutzen. Ein wichtiger Puzzlestein beim Umbau des Energiesystems wird mit Sicherheit erneuerbarer Wasserstoff (H2) sein. Die Erzeugung von Grünem Wasserstoff ist derzeit noch nicht wirtschaftlich und deshalb gibt es ihn auch kaum. Das soll sich ändern. Die österreichische Wirtschaft deckt alle Bereiche der H2-Wertschöpfungskette ab. Die Chancen sind beträchtlich. Das Zauberwort heißt dabei Sektorkopplung. Zwischen den einzelnen Sektoren Strom, Gas, Wärme, Mobilität und Industrie gibt es Möglichkeiten der Vernetzung, die es zu nutzen gilt. Wasserstoff ist ein idealer Energiespeicher. Energiepartnerschaften mit Wirtschaftsräumen, in denen optimale Bedingungen für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff vorliegen, beschleunigen den Reifeprozess. Diese Zusammenarbeit ist zum Vorteil beider Partner, und unverzichtbar für den (globalen!) Klimaschutz.

Mit Nachhaltigkeitsfragen assoziierte Themenstellungen sind im Herzen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft angekommen und gehen weit über ökologisch bedacht handelnde Zielgruppen hinaus. Während Umweltschutz über Jahrzehnte als Widerspruch zu wirtschaftlich positiver Entwicklung porträtiert wurde, besteht heute Konsens darüber, dass Nachhaltigkeitsthemen für unser aller Zukunft spielentscheidend sind. Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft als Einheit zu betrachten, und Nachhaltigkeitsfragen als interdependent verbunden zu sehen, ist eine der faszinierendsten Themenveränderungen vergangener Jahre. Die Disziplin der Public Relations war wesentlich an dieser Entwicklung beteiligt, und wird auch in Zukunft von enormer Bedeutung sein. Letztendlich gilt es uns bewusst zu machen, dass wir durch die Art und Weise, wie wir heute ökologisch und sozial handeln, nicht nur unsere wirtschaftliche Existenz bestimmen, sondern vielmehr auch unsere Zukunft als Spezies. Ob wir unsere Zukunft zu reparieren vermögen, wird durch unser aller Handeln im Heute bestimmt!

Stefan Schwarzer leitet die Abteilung für Umweltund Energiepolitik der Wirtschaftskammer Österreich.

Martin Mössler ist Geschäftsführer des Science Park Graz. Er unterstützt Start-Ups von der Geschäftsidee bis zum Schritt auf den Markt.

Im Rahmen des Markt der Zukunft nimmt Martin Mössler am 11. Oktober an der Diskussion „Wie beeinflussen Forschung und Innovation unser Leben von morgen“ teil. Mehr Informationen zu den Diskussionen im Kunsthaus finden Sie auf S.58.

Michael Schwendinger vom Verkehrsclub Österreich beschäftigt sich mit zukunftsfähigen Formen von Mobilität und Ökonomie.

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„Nachhaltigkeitsthemen sind spielentscheidend”

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NACHHALTIGKEIT

Das nachwachsende Traumhaus Dass Luftfahrt oder Rinderwirtschaft die Klimakrise befeuern, ist bekannt. Aber dass wir der Erde durch die Art, wie wir unsere Häuser bauen, noch viel mehr Luft nehmen, wissen nur wenige. Welche Alternativen gibt es zum Bauen mit Stahl, Beton und Co.? TEXT ANJA LEITNER

Mehr als ein Drittel aller klimaschädlichen Emissionen wird durch Errichtung und Betrieb unserer Gebäude erzeugt, schreibt der Architekt Werner Sobek in seinen „17 Thesen zur Nachhaltigkeit”. Seit Jahren fordert er, gerade auch angesichts der wachsenden Weltbevölkerung, eine radikale Wende in der Art und Weise, wie wir bauen. Es reiche auch nicht, immer energieeffizientere Häuser zu konstruieren, da ein guter Teil des CO2 als „graue Emissionen” bereits freigesetzt wird, noch bevor jemand das Gebäude bezogen hat. Allein die Produktion von Zement verursache jährlich mehr CO2 als der globale Luftverkehr, das Bauwesen verschlinge 60 Prozent aller globalen Ressourcen. Man müsse also grundsätzlich weniger bauen, außerdem konsequent in Leichtbauweise, und dürfe nur noch Baustoffe einsetzen, die man später wiederverwerten könne, weiß Sobek. „Nichts darf verloren gehen, nichts darf vernichtet werden.” Angesichts der globalen Ressourcenknappheit, etwa von Bauholz, kommt Re-Use-Projekten wie dem Wiener BauKarussell daher immer größere Bedeutung zu. Und dem Einsatz von nachhaltigen Alternativen zu Stahlbeton und Schaumstoffen. Die Architektin und Immobilienökonomin Naghmeh Altmann-Mavaddat von der Österreichischen Energieagentur (AEA) forscht und berät seit 30 Jahren zu energieeffizientem Bauen. Hier sind ihre Tipps für bodenständige – manchmal aktuell aber auch noch teurere – Alternativen zu den wichtigsten Bauteilen eines Wohnhauses:

Der Dachbelag „Eine gute Alternative wären Dächer aus Schilf. Er wächst bei uns und wir wissen, dass er sich auch unter den heimischen Wetter-Belastungen gut verhält”, weiß Altmann-Mavaddat. Dafür werden Schilfmatten mit Draht zusammengebunden und direkt auf das Dach gebündelt. Dadurch ist es resistent gegen Feuchtigkeit und dämmt das Haus noch zusätzlich, die Matten müssen allerdings alle fünf Jahre gewechselt werden. Die Wände Tragende Wände durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, sei derzeit noch schwierig, meint Altmann-Mavaddat, Innenwände seien aber gut möglich. „Rigips- oder allgemein Gipskartonwände sind bei uns fast schon die Norm. Bei der Wiederverwertung kann man deren Bestandteile aber nur schwer voneinander trennen, sie sind also nicht recyclebar.” Eine gute Alternative bieten Altholzplatten. „Wenn man sie dann mit Leinöl behandelt und Naturfarben bemalt, sind sie wunderbar umweltverträglich und schön anzusehen.” Rat & Tat. Die Österreichische Energieagentur, Kompetenzzentrum des Ministeriums für Klimaschutz und Umwelt, bietet im Rahmen der Initiative “klimaaktiv” auch eine Reihe von Leitfäden und Broschüren für energieeffizientes Bauen und Sanieren. Außerdem hat jedes Bundesland Energieberatungsstellen eingerichtet, die Bauherr*innen – teilweise kostenlos – konsultieren können [www.klimaaktiv.at].

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Die Dämmung Für die Dämmung eines Hauses, an die angesichts der Erderhitzung besondere Anforderungen gestellt werden, gibt es eine ganze Reihe an nachwachsenden Rohstoffen. „In Österreich gibt es Hanf, Schafwolle, Schilf, Zellulose, Stroh und noch mehr. Diese haben kurze Transportwege und benötigen kaum Aufbereitung, was wiederum Energie spart und besonders wünschenswert ist”, sagt die Expertin. So wird besonders Stroh für den Deckenbereich immer beliebter, da es dicht pressbar ist und so die Wärme nicht nach oben austreten kann. Schilf kann im ganzen Gebäude verwendet werden und fungiert außerdem als gute Schalldämmung. Dämmung aus Schafwolle ist luftreinigend und bietet so besondere Vorteile für ein angenehmes Raumklima. Die Fassade „Fassaden aus Holz gibt es schon seit Ewigkeiten, sie haben sich bewährt”, sagt Altmann-Mavaddat. Holz habe auch nach einigen Jahrzehnten noch einen besonderen Charme, wenn einem der leicht verwitterten Look gefällt. „Und wenn das Holz nicht mit Chemikalien bearbeitet wurde, bietet es sich wunderbar zum Recycling an”, so die Architektin. „Wenn es noch beständig ist, kann man aus den Latten schöne Sitzbänke für draußen bauen und ansonsten dient es immer noch als Brennstoff.” Holz empfehle die Expertin allgemein sehr gerne, „weil man es quasi direkt vor der eigenen Haustür bekommt. Ein kurzer Transportweg ist schon der erste Schritt.”

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SMARTHOMES

Smartes Heim, Glück allein? Smart City, Smart Home, Smart TV, Smartphone – sogar die Altenpflege soll mittels Technologie „schlauer” werden. Aber können wir die Zukunft wirklich reparieren, indem wir Produkte und Dienstleistungen smarter machen? TEXT CHRISTINA HARRICH

Alexa, was kannst du? „Ich kann Musik abspielen, Fragen beantworten, Nachrichten und Sportergebnisse abrufen, To-do-Listen erstellen, Witze erzählen, dich beim Einkaufen unterstützen und vieles mehr. Du musst einfach nur fragen.”

„Gespräch” mit Alexa, Amazons smartem Lautsprecher

LESEEMPFEHLUNG

Evgeny Morozov: Smarte neue Welt. Blessing, 2013.

Shoshana Zuboff: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Campus, 2018.

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Die Jalousien öffnen sich bei den ersten Sonnenstrahlen von selbst, der Kaffee steht pünktlich um 6:30 bereit und die Waschmaschine schickt eine Nachricht, wenn die Wäsche fertig ist. In einem Smart Home, einem „intelligenten Eigenheim”, sind technische Geräte aller Art miteinander vernetzt, was zu mehr Sicherheit, Komfort und Energieeffizienz führen soll. Diese Versprechen ziehen viele Menschen an, in den letzten Jahren erlebten Alexa und Co. einen regelrechten Boom: Dem Statistikportal Statista zufolge stieg die Anzahl an smarten österreichischen Haushalten zwischen 2017 und 2019 von 400.000 auf 600.000. Der Trend wird sich fortsetzen, im Jahr 2025 soll es in Österreich bereits 1,6 Millionen Smart Homes geben. In dieser Studie gilt ein Haushalt als „smart”, wenn zumindest ein sprachgesteuertes internetfähiges Gerät vorhanden ist, Smart TVs, Smartphones und Tablets ausgenommen. Laut Studien des International Data Corporation (IDC) sind vor allem smarte Lautsprecher beliebt. Allein von Jänner bis März 2020 wurden in Europa 3,9 Millionen „smart Speaker” verkauft. Mehr als die Hälfte davon hören auf den Namen „Alexa”.

Derzeit werden in ungefähr 600 österreichischen Haushalten Technologien getestet, die älteren Menschen mehr Lebensqualität bieten sollen. Der Sturzsensor „CogvisAI” beispielsweise erkennt über Sensoren, wenn eine Person stürzt und schlägt vollautomatisch Alarm. Die Rückmeldungen sind Geyer zufolge durchwegs positiv, auch wenn sich diese Art der Gesundheitsunterstützung noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat. „Das sind langwierige Prozesse, weil unter Umständen auch Gesetze adaptiert werden müssen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass smarte Technologien die Pflege in den nächsten Jahren revolutionieren werden”, sagt Gerda Geyer. „Alexa, überwachst du mich?” So hilfreich smarte Technologien auch sind, sie haben eine Kehrseite: Immer wenn digitale Technologien Daten für schlaue Anwendungen sammeln, könnten diese Daten auch missbräuchlich verwendet werden. Die Konsumentenschützerin Ayten Öksüz von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfale untersuchte, ob Amazons Alexa und Google Home wirklich nur bei festgelegten Aktivierungswörtern reagieren. Das Ergebnis: Beide Sprachassistenten wurden auch bei ähnlich klingenden Rufen hellhörig. „Das ist problematisch, weil so Gesprächsinhalte ungewollt aufgenommen werden könnten”, sagt Öksüz. Durch die Kombination der gespeicherten Daten kann ein genaues Bild über Lebensgewohnheiten und Vorlieben entstehen. „Immer mehr Unternehmen stützen ihre Geschäftsmodelle auf Daten, damit können Nutzerprofile für personalisierte Werbung erstellt werden”, sagt die Konsumentenschützerin. Medienkritiker*innen wie der Publizist Evgeny Morozov oder die Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff gehen in ihrer Kritik an smarten Technologien noch weiter. Zuboff sieht den Menschen und seine Daten im „Überwachungskapitalismus” zum „Rohstoff” für immer neue Prognoseprodukte reduziert. Morozov kritisiert ganz grundsätzlich die Ideologie des „Solutionismus” und bezweifelt, dass Technologie überhaupt Lösungen für die richtigen Probleme liefert.

1,6 Millionen Smarthomes soll es in Österreich im Jahr 2025 geben

Kommunikation über Farbcodes „Ich denke, dass smarte Technologien zu einem wichtigen Teil unseres Alltags werden. Vor allem im Gesundheitsbereich sehe ich großes Potenzial”, meint Gerda Geyer von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft. Die FFG finanziert unter anderem smarte Kommunikationshilfen, so zum Beispiel das Projekt „Relaxed Care”. Hier können ältere Menschen über einen smarten Würfel (Cube) mit ihren Angehörigen kommunizieren, diese erhalten die Nachricht über eine App. „Denkt der Pflegebedürftige an jemanden, den er gern hat, dann schickt er ein Herz hin. Wenn es ihm nicht so gut geht, dann bekommen die Angehörigen das Symbol ‘Bitte ruf mich an’ oder es wird eine alarmierende Farbe geschickt”, erzählt Geyer. Aufgrund des Mangels an Pflegekräften könnten smarte Technologien eine große Chance und Unterstützung sein. „Der Ersatz der Pflegekräfte ist aber nicht das Ziel, sondern sie sollen durch Technik unterstützt werden”, meint Geyer.

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Ein smarter Selbstversorger

FOTO CHRISTINA HARRICH

Walter Petschnig arbeitet seit mehreren Jahren daran, ein Bauernhaus in ein autarkes Smart Home zu verwandeln. Dabei setzt er auf regionale Firmen, hochwertige Naturmaterialien und ein Netzwerk mit eigenen Firewalls.

Inmitten von Mischmaschinen, Schotterhaufen und Zwetschkenbäumen steht Walter Petschnig. Der Häuslbauer lässt seinen Blick stolz über die Baustelle schweifen. Hier wird demnächst ein Smart Home der etwas anderen Art stehen: Dank der hauseigenen Photovoltaikanlage möchte Petschnig unabhängig von externen Stromanbietern sein. Eine biodynamisch geführte Selbstversorger-Landwirtschaft soll den Gang zum Supermarkt ersparen. Zusätzlich wird eine smarte Haussteuerung für einen geringen Energieverbrauch sorgen. Der Kärntner IT-Fachmann Walter Petschnig lebt mit seiner Familie auf einem alten Bauernhof mit 8,5 Hektar Wald, Acker und Wiese. Diese Flächen möchte der 63-Jährige biodynamisch bewirtschaften lassen. „Ich sehe die Landwirtschaft als einen Kreislauf, alles soll miteinander verbunden sein. Es wird nichts verschwendet oder auf Masse produziert”, meint Petschnig. Diese Philosophie zeigt sich auch beim Umbau des alten Bauernhauses. Hier bleiben zwar die Grundmauern bestehen, der Großteil wird aber mit hochwertigen Naturbaustoffen neu aufgezogen. So verwendet Petschnig beispielsweise Dämmplatten aus gepresstem Holzspan und verzichtet auf eine Lackschicht am Parkettboden. „Die ganzen Materialien sind nachhaltig. Wenn ich einmal nicht mehr bin, könnten meine Kinder das Haus abtragen und nichts wäre zu entsorgen”, sagt Petschnig.

Neben umweltschonenden Baustoffen ist Walter Petschnig auch die Energieeffizienz wichtig. Obwohl seine Photovoltaikanlage von der Sonne gespeist wird, möchte er die Energie bewusst einsetzen. „Die Sonne hat uns jetzt noch keine Rechnung geschickt, trotzdem darf man sie nicht ausnutzen”, meint Petschnig. Um möglichst wenig Energie zu verschwenden, entschied er sich für eine smarte Haussteuerung. Sensoren sollen erkennen, wann er das Haus verlässt und automatisch das Licht abschalten. Außerdem plant Petschnig ein Überwachungssystem und eine smarte Türsteuerung. Dabei sind dem EDV-Berater Datenschutz und Sicherheit ein großes Anliegen. Er setzt nicht auf herkömmliche Anbieter, sondern baut sich sein Netzwerk samt Firewalls einfach selbst. „Ich arbeite da mit einem österreichischen Unternehmen zusammen. Ich möchte nicht, dass meine Daten in irgendeiner Cloud landen, deshalb habe ich mir mein Netzwerk mit eigenen Zugangsregeln selbst aufgebaut”, erzählt Petschnig. Bei der Frage, wie sich der zeitaufwendige Umbau und die Arbeit vereinen lassen, muss er lachen und antwortet schmunzelnd: „Im Leben geht sich alles aus. Der Tag hat 24 Stunden und eine Nacht, untertags baue ich, in der Nacht mache ich EDV.”

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BauKarussell

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gegründet 2016 / Wien Gründer

Mission

Markus Meissner Thomas Romm Social Urban Mining

BauKarussell will durch Urban Mining die Baubranche nachhaltiger gestalten und führt verwertungsorientierte Rückbauten durch. www.baukarussell.at

ZUKUNFT BAUEN


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Der nächste Winter kommt bestimmt! Jetzt auf eine saubere Heizform umsteigen und 5.000 Euro Förderung sichern.

In Österreich werden noch eineinhalb Millionen Haushalte mit Öl oder Gas beheizt. Das bedeutet CO2-Emissionen von 8 Millionen Tonnen pro Jahr. Privathaushalte können bis zum 31.12.2020 Förderungen für den Umstieg auf saubere Alternativen wie Pelletsheizungen oder Wärmepumpen beantragen. Mehr Informationen unter: umweltfoerderung.at

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WIE SCHAFFEN WIR IN ZUKUNFT DEN SOZIALEN ZUSAMMENHALT? Während der Covid-19-Pandemie sehen wir auch die gesellschaftlichen Bruchstellen deutlicher als unter „normalen” Umständen, erkennen, dass unser System nicht nur von Banken, sondern vor allem auch von Supermarktkassier*innen, Pfleger*innen oder Erntearbeiter*innen erhalten wird. Und wir müssen uns eingestehen, dass unsere Gesellschaft offenbar weniger „gleich” ist, als wir uns gedacht haben und als sie es vor 50 Jahren noch war. Die Nachkriegsgesellschaft, in der alle weitgehend gleiche Wohlstandschancen hatten, ist einer starken Polarisierung gewichen, der Fortschritts- und Aufstiegsoptimismus ist weg. Damit sind die Herausforderungen, die vielfältigen Bedürfnisse in unserer Gesellschaft auszugleichen und zu integrieren, deutlich größer geworden. Wie kommen wir endlich den Zielen der sozialen und der Geschlechtergerechtigkeit näher? Wie steht es um Ausgleich zwischen den Generationen, der durch den demografischen Wandel, aber auch durch die Klima- und die Covid-Krise stark belastet ist? Wie transformieren wir unsere Gesellschaft so, dass sie Freiraum für die unterschiedlichsten Herkünfte und Identitätsentwürfe bietet?

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ZUKUNFT NEU DENKEN


GENERATIONEN-PORTRÄTS

Älter, bunter, nachhaltiger Migration, demografischer Wandel oder die soziale Kluft, die beständig größer wird: Wenn wir die sozialen Herausforderungen der Gegenwart in Europa und auf der Welt meistern wollen, sind innovative Lösungen gefragt. Doch das ist leichter gesagt als getan. Beispielhaft dafür stehen die älter werdende Gesellschaft in Österreich und die Frage der Generationengerechtigkeit. Wie kommen wir raus aus dem Pflegenotstand? Welche Lösungen gibt es, die Inklusion mit bedürfnisorientierter, individueller Betreuung und Pflege vereinen? Wie können wir eine Gesellschaft schaffen, in der jede und jeder seinen Platz hat? Drei Perspektiven aus drei Bundesländern.

Am liebsten gemeinsam Antonia Hirmke träumt aber nicht nur, sie packt auch an. Sie sieht den Nutzen in Dingen, die für andere Menschen unbrauchbar sind. Ihre Möbel und was sie sonst so braucht kauft sie nicht neu, am liebsten stöbert sie auf Flohmärkten, repariert Kaputtes und verwendet Altes wieder. Derlei Aufgaben und Tätigkeiten halten einen geistig fit, davon ist sie überzeugt. Wichtig ist ihr, all das auch mit anderen zu teilen. Das kann sie sich in einer Senior*innen-Wg besonders gut vorstellen. Das Schönste daran? „Jeder ist sein eigener Herr, aber trotzdem nicht allein." TEXT ANNA DUNST

FOTO ANNA DUNST

Antonia Hirmke kann nach 81 Jahren auf ein bewegtes Leben zurückschauen: Geboren wurde sie in Südtirol, von dort zog es sie in die Schweiz, nach Australien und schließlich nach Mureck in die Südoststeiermark. Doch das reicht ihr nicht, die rüstige Frau will sich noch auf ein weiteres Abenteuer einlassen: Sie möchte gemeinsam mit Gleichgesinnten – etwa ab 50 Jahren – einen Bauernhof beziehen und ihn gemeinsam bewirtschaften. Von dieser Form der Senior*innen-WG ist sie seit Langem überzeugt, geklappt hat es noch nicht: „So etwas sollte in ganz Österreich gemacht werden!“ Mindestens vier, allerhöchstens zehn Mitbewohner*innen könnte sich Hirmke vorstellen. Die landwirtschaftlichen Aufgaben sollen aufgeteilt werden. „Jeder soll die Arbeit machen, die er am liebsten macht“, aber verlassen solle man sich können. Eine geeignete Bleibe zu finden, sei gar nicht so leicht, erzählt die aufgeweckte Frau. Einen Bauernhof mit Kräutergarten, Obst- und Gemüseanbau, kleinen Nutz- und Haustieren – und das am besten in der Südsteiermark. All das stellt sie sich vor, wenn sie an ihr ideales neues Zuhause denkt.

SOZIALE ZUKUNFT

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FOTO SONJA SCHIFF

GENERATIONEN-PORTRÄTS

Positive Pflege 15 Jahre in der Altenpflege waren für die diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester Sonja Schiff Grund genug, die Zukunft der Branche selbst mitzugestalten. 2001 begann sie daher, Gerontologie, Alterswissenschaft, zu studieren und machte sich parallel dazu selbstständig. Mittlerweile gibt sie als Pflegemanagerin ihr Wissen in Seminaren weiter. Außerdem fordert sie Innovationen im Pflegebereich, um Herausforderungen wie die steigende Zahl der pflegebedürftigen Menschen zu meistern. „Aus meiner Sicht sind die meisten Probleme in der Pflege hausgemacht”, meint Schiff. Eines der größten sei eine fehlende professionelle Haltung der Pflegenden.

Außerdem mangele es dem Pflegepersonal manchmal an Selbstreflexion und Kritikfähigkeit. “Es soll sich seiner Bedeutung bewusst sein, dafür muss man aufhören, auf eine Rettung von außen zu warten, und den Beruf selbst positiv kommunizieren.” Zusätzlich werde die Branche in der Öffentlichkeit eher negativ dargestellt, weshalb sich die Gesellschaft und die Politik nicht über deren Bedeutung bewusst wären. Von politischer Seite wünscht sich Schiff Stabilität und eine Vision. „Man muss das Thema langfristig mit einer klaren Strategie und einem Plan angehen, das funktioniert nicht mit einem Gesundheitsministerium, bei dem sich der Minister alle drei bis fünf Jahre ändert.“ Mit ihrer Expertise ist Sonja Schiff an Projekten wie „neues WOHNEN 70plus“ in Salzburg beteiligt. Zusammen mit der Architektin Ursula Spannberger bietet sie Wohnberatung für ältere Menschen an, um qualitätsvolles Wohnen im eigenen Zuhause bis ins hohe Alter abzusichern. Die Stellung der Familie in der Pflege sieht sie indes kritisch: „Angehörigenpflege ist meiner Meinung nach der falsche Weg.” Zwar sei sie auf den ersten Blick billiger, werde aber aus demografischen und gesellschaftlichen Gründen immer schwieriger. Mittlerweile kann man Gesundheits- und Krankenpflege an Fachhochschulen studieren und auch Medizinische Universitäten bieten Bachelor- und Masterstudiengänge in Pflegewissenschaften an – was Sonja Schiff nicht nur positiv sieht: „Eigenständige Forschung ist wichtig, aber dabei geht die Vermittlung von emotionaler Kompetenz oft verloren. Kritisches Denken wird zu wenig gefördert.” TEXT JAKOB THALLER

Geschäftsbericht 2019 JOANNEUM RESEARCH

Wir leben Forschung Die JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH entwickelt Lösungen und Technologien für Wirtschaft und Industrie in einem breiten Branchenspektrum und betreibt Spitzenforschung auf internationalem Niveau. Bestens eingebettet in das nationale und internationale Innovationsnetzwerk erarbeiten die Forscherinnen und Forscher Innovationen in den drei Themenbereichen Informations- und Produktionstechnologien, Humantechnologie und Medizin sowie Gesellschaft und Nachhaltigkeit. Beim „Markt der Zukunft“ erhalten Sie Einblick in unsere Forschungsarbeit im Bereich der Regenerativen Medizin und der Digitalisierung.

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www.joanneum.at

SOZIALE ZUKUNFT prmins20204


GENERATIONEN-PORTÄTS

Leichter durch den Alltag Menschen in Österreich erreichen immer öfter ein hohes Alter. Die Lebenserwartung liegt mittlerweile bei 80,7 Jahren. Das ist erfreulich, stellt uns aber auch vor viele Herausforderungen. In Alters- und Pflegeheimen wird händeringend nach qualifiziertem Personal gesucht. Der Begriff Pflegenotstand ist ständig in Diskussionen präsent, die aber oft mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten. Doch die Situation ist nicht ausweglos: Denn es gibt eine Reihe neuer Initiativen, die das Thema Altern in Würde auf neue Weise denken. Das Projekt Allfred aus Oberösterreich zum Beispiel, das helfende Hände und Hilfsbedürftige zusammenführt. „Eine ältere Person, die noch alleine wohnen kann und keine medizinische Notwendigkeit für ein Seniorenheim hat, kommt in Österreich trotzdem oft in ein Heim, weil sie den Alltag nicht mehr alleine bewältigen kann. Da braucht es neue Konzepte“, sagt Katja Riel, eine der Koordinator*innen der Initiative.

Allfred setzt sich aus den Abkürzungen „Alltag“, „Freizeit“ und „Dienstleistung“ zusammen. Katja Riel erzählt, dass sich das Projekt als „Mix aus Unterstützung und sozialem Austausch“ versteht. Die Servicedienstleistung des Diakoniewerks hat nicht pflegebedürftige Menschen im Fokus, sondern unterstützt jene, die sich Erleichterung im Alltag wünschen, beispielsweise beim Einkaufen, Kochen oder bei der Gartenarbeit. Ein wesentlicher Punkt ist aber auch schlichtweg gute Gesellschaft. „Spazierengehen, Kaffee trinken, ‚Mensch ärgere dich nicht‘ spielen“, zählt Katja auf, auch das würden sich viele ältere Menschen wünschen. Mit der Vermittlung von Helfer*innen schafft es Allfred, älteren Menschen ein gutes Stück Lebensqualität zurückzugeben. Doch dem Team ist es auch wichtig, dass alle etwas von der Zusammenarbeit haben. Deshalb wird das Helfen auch bezahlt. Eine Ausbildung im sozialen Bereich ist nicht nötig – jeder und jede kann helfen. TEXT ANNA DUNST

FOTO MARTIN EDER

Allfred

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gegründet 2018 / Linz GründerInnen Mission

Diakoniewerk

Menschen zusammenbringen

Allfred will Menschen im hohen Alter den Alltag erleichtern und verschönern und dabei eine Zuverdienstmöglichkeit für Arbeitssuchende schaffen.

allfred.at

SOZIALE ZUKUNFT

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WORTSPENDEN

Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Wie gestalten wir unsere Gesellschaft so um, dass sie soziale Gerechtigkeit verwirklicht und Freiraum für die unterschiedlichsten Herkünfte und Identitätsentwürfe bietet?

„Unsere Utopie lautet Generationengerechtigkeit”

„Lernt (endlich), unsere Namen auszusprechen!”

MUHAMED BEGANOVIC

PAULINE RIESEL-SOUMARÉ

Wenn wir unsere Gesellschaft nachhaltig reparieren wollen, dann müssen wir aufhören, die Frage „Wo kommst du her?“ zu stellen. Wir können nicht Integration fordern und gleichzeitig Menschen in Gruppen einordnen, die man mit solchen Fragen (und Einstellungen) aus der eigenen Gruppe (der Mehrheitsgesellschaft) ausschließt. Zum Glück ist das Rezept für eine starke, empathische, stabile Gesellschaft (merkt euch: Integration ist eine Zweibahnstraße) relativ simpel: Wir müssen Menschen, die verschiedene Migrationshintergründe haben, als ebenbürtig ansehen. Es gäbe hier viel anzumerken, aber der Platz ist knapp, also empfehle ich, mit dem einfachsten Schritt zu beginnen: Lernt endlich, unsere Namen auszusprechen. Wenn es mit Trześniewski oder François klappt, dann müssen wir auch lernen Džemal oder Kayıkçı auszusprechen. Denn wenn wir das nicht wollen, würde es bedeuten, dass es uns nicht wert ist, diese schönen Namen zu lernen, weil man sie als minderwertig erachtet. Und das kann nicht zu einer nachhaltigen Reparatur der Gesellschaft führen.

Die Kulturen und Geschichten von Menschen sind von Vielfalt geprägt, gleichzeitig teilen sie gemeinsame Erfahrungen. Dieser Reichtum wirft nun die Frage auf, wie die Gesellschaft, in der wir leben möchten, aufgebaut werden soll. Auch wenn die Frage des Zusammenlebens einige Herausforderungen mit sich bringt, kann Zusammenleben gelernt werden. Hierzu bedarf es sozialer Gerechtigkeit, denn in einer äußerst ungleichen Gesellschaft kann kein Zusammenleben gelingen. Der Kampf gegen alle Formen der Diskriminierung darf keine einfache Positionierung, sondern muss eine absolute gemeinschaftliche Überzeugung, eine Notwendigkeit sein. Alle Bürger*innen sollen mitentscheiden dürfen, wie ihre Stadt verwaltet wird, daher ist die Frage der Demokratie unumgänglich. Öffentlicher Raum soll für alle Menschen ungeachtet ihrer sozioökonomischen Umstände gleichermaßen zugänglich sein. Die Vielfalt des Wohnraumes soll durch ein Angebot an kollektivem, individuellem oder halbkollektivem Wohnraum gefördert werden – also Ablehnung von Ghettoisierung! Zu guter Letzt muss es heißen: Gleiche Chancen von Anfang an, bereits Kindern das Gefühl vermitteln, wie sie sich ähneln und nicht wie sie sich unterscheiden. Bildung ermöglicht den moralischen, intellektuellen und kulturellen Erwerb, der für die Teilnahme an der Gesellschaft unerlässlich ist. Zusammenleben heißt eine „Wir-Kultur“ und keine „Wir-und-die-Anderen-Kultur!“

MORITZ PIEPEL

Nicht nur die Zukunft muss repariert werden, auch im Jetzt läuft schon vieles falsch. Denken wir nur an Moria, die Bezahlung von systemrelevanten Krankenpfleger*innen oder die Inbetriebnahme des neuen Kohlekraftwerks Datteln IV. Wenn wir ehrlich sind, befinden wir uns dauerhaft im Reparatur-Modus: Finanzkrisen folgen auf Umweltskandale, unterbrochen von regelmäßigen Menschenrechtsverletzungen und neuen Temperaturrekorden. Und dann geht es wieder von vorne los. Diese Kakophonie der schlechten Nachrichten gehört zu unserem System. Deshalb sollten wir, anstatt dauerhaft den Status quo zu reparieren, die Systemfrage stellen: Wie wollen wir leben? Wie wollen wir arbeiten? Wie soll unsere Umwelt aussehen? Dafür müssen wir Utopien entwickeln. Unsere Utopie lautet Generationengerechtigkeit. Denn die junge Generation und kommende, noch nicht geborene Generationen haben ein Recht auf die gleichen Startchancen wie die Generationen vor ihnen. In ihrer Konsequenz bedeutet Generationengerechtigkeit radikale Nachhaltigkeit. Dieser Wandel wird einschneidend sein – und doch ist er unvermeidbar.

Moritz Piepel ist 21 Jahre alt und studiert Physik an der TU Dresden. Er engagiert sich im Jugendrat der Generationen Stiftung für generationengerechte Politik in Sachen Klima, Wirtschaft, Demokratie und Gerechtigkeit.

„Zusammenleben kann gelernt werden”

Muhamed Beganovic ist Chef vom Dienst der Logistik-Zeitung „verkehr”, hat als freier Journalist unter anderem für die Wiener Zeitung und das Reportagen-Magazin publiziert und plant aktuell ein Magazin von und für Muslim*innen in Österreich.

Pauline Riesel-Soumaré war als Referentin für interkulturelle Pädagogik des Afro-Asiatischen Instituts u.a. mitverantwortlich für den Multi-Kulti-Ball und arbeitet heute bei der Antidiskriminierungsstelle Steiermark.

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SOZIALE ZUKUNFT


WORTSPENDEN

Sindbad

„Future-making is a team sport” IRINA NALIS-NEUNER

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„Wie stelle ich mir eine Zukunft vor, an der ich teilnehmen möchte?“ PRECIOUS NNEBEDUM

gegründet 2016 / Wien, Graz, NÖ, Linz Innsbruck

Gründer

Eine Quelle der Kraft, die Welt neu zu gestalten, ist das Arbeitsleben. Hier können wir gemeinsam Neues schaffen und neue Kulturtechniken der Zusammenarbeit entwickeln: Co-Kreation statt Konkurrenz und Konstruieren statt Konsumieren. Leider ist Arbeit heute oft Quell von Frust statt Lust. Statt Selbstwirksamkeit erleben wir Selbstausbeutung. Ökonomischer oder technischer Fortschritt ist nicht mit sozialem und ökologischem Wert verbunden. Die Transformation der Arbeitswelt muss digital und sozial sein. Das Ziel ist gute Arbeit wo Gemeinschaft, Autonomie, Kompetenz, Sinn und Gesundheit möglich ist. So ersparen wir uns und der Natur das nächste Frustshopping. Niemand wird mehr beschämt, weil er oder sie sich nichts Neues leisten kann. Für die Reparatur der Zukunft braucht es die Verbindung aller Lebensbereiche: Mensch, Natur, Technik und Wirtschaft. Dazu brauchen wir „Cocreation“ und „humanity centered design“ statt Ausbeutung unserer Verletzlichkeit. Und vor allem braucht es ein Menschenbild das den Fokus auf Ressourcen statt auf Defizite legt. Die Welt ist voller Lösungen und lauter lieben Leuten. Futuremaking is a team sport.

Gestern Nachmittag traf ich auf dem Weg zur Arbeit eine 13-jährige Freundin im Stadtzentrum. Sie erzählte mir von ihrem Tag, von einer Mathematikprüfung, bei der sie sich nicht so sicher war, einem Hemd, das sie kaufen wollte, und einem mindestens 20 Jahre älteren Mann, der ihr eine Zeit lang folgte, bis sie ihn schließlich fragte, was er wolle und er antwortete, er wollte nur Hallo sagen und ihr seine Nummer geben... für alle Fälle. Meine 13-jährige Freundin, die ich oft als meine Schwester bezeichne, wenn Leute nach unserer Verwandschaft fragen – besonders wenn Männer fragen –, sieht mindestens acht Jahre älter aus, als sie tatsächlich ist, besonders wenn sie zu Anlässen ihren roten Lieblingslippenstift trägt. Sie erzählte dann von zwei weiteren Gelegenheiten, in denen ähnliche Vorfälle auftraten, und in dem einen Fall wurde sie sogar das N-Wort genannt, nachdem sie eine Gruppe älterer Jungen ignoriert hatte, die nach ihr riefen und sie aufforderten, stehen zu bleiben. Wie stelle ich mir eine Zukunft vor, an der ich teilnehmen möchte? Eine, bei der ich keine Freundin meine Schwester nennen und ein einschüchterndes Gesicht aufsetzen muss, um sie vor Männern zu schützen.

Irina Nalis-Neuner forscht am Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien zum Thema Karriere und Arbeit im Wandel und ist Co-Autorin des Wiener Manifests für digitalen Humanismus.

Die Poetry Slammerin Precious Nnebedum initiierte die Grazer „Black Lives Matter“ Bewegung. Die 22-Jährige wurde in Nigeria geboren und studiert Pflegewissenschaften in Graz.

Mission

Andreas Lechner Joseph Kap-Herr Matthias Lovrek

Lebenswelten verbinden

Sindbad bietet Mentoring für SchülerInnen aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen im letzten Pflichtschuljahr auf dem Weg in die Lehre oder in eine weiterführende Schule.

sindbad.co.at

erdbeerwoche

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gegründet 2011 / Wien Gründerinnen

Mission

Annemarie Harant Bettina Steinbrugger Break the bloody taboo!

Die erdbeerwoche will das Tabu rund um Menstruation brechen und Zugang zu nachhaltigen Menstruationsprodukten ermöglichen. www.erbeerwoche.com

SOZIALE ZUKUNFT

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ANDERERSEITS

Lernen über Nachhaltigkeit TEXT HANNA GUGLER

Ein Beruf ist eine bestimmte Art von Arbeit. Die Erwachsenen dürfen arbeiten, aber die kleinen Kinder dürfen nicht arbeiten, weil das ist strengstens verboten. Von Berufen bekommt man Geld und das heißt Gehalt und auch Lohn. Für viele Berufe braucht man auch eine Ausbildung. Wo man die Berufe macht, der Ort, heißt dann zum Beispiel Frisör und auch Praxis und Ordi und auch Krankenhaus oder Kindergarten. Der Ort, wo ich arbeite, heißt Wins. Es bedeutet Wiener Inklusions- und Nachhaltigkeitsshop. Ich habe noch acht Arbeitskolleg*innen. Zweimal in der Woche arbeite ich dort von 10 bis 14 Uhr. Die meiste Zeit lerne ich, aber ich verkaufe auch Bio-Produkte. FOTO STEFAN FÜRTBAUER

Die Produkte dort kommen nur aus Österreich und ich bin seit 2018 bei Wins. Seitdem habe ich mehr Freunde getroffen und wir haben auch einen Chef, er heißt Michael Stuchlik. Er ist sehr streng, auch sehr lustig und lieb und freundlich und hilfsbereit. Wir lernen viel über Nachhaltigkeit. Das beschreibt etwas, das sehr lange nachwirkt. Wir kaufen Obst, Gemüse und Getreide fast immer nur so, dass wir keine Plastiksackerl benutzen. Die sind nämlich sehr schlecht.

Wie man Hände wäscht

ÜBER DIE AUTORIN

Als Verkäuferin soll man saubere Hände haben. Nach dem Einkaufen müssen wir Hände waschen und auch, wenn wir draußen sind. Zum Beispiel, wenn wir den Rasen babbeln, also Unkraut jäten. Hände waschen heißt: Hände nass machen und dann kommt die Seife rauf und wir waschen richtig Handfläche und die Hände kubbeln wir so richtig, also wir schrubben sie, auch unter dem Nagel waschen und Handrücken waschen. Bis zu den Handgelenken. Und zweimal ein Lied singen und wieder abtrocknen mit dem Handtuch, man kann auch ein Papiertuch nehmen.

Hanna Gugler ist 1997 geboren und lebt in Niederösterreich. Seit 2018 macht sie eine Ausbildung zur Verkaufsassistentin bei WINS, dem Wiener Inklusions- und Nachhaltigkeitsshop im zweiten Bezirk in Wien. Nebenbei knüpft sie sehr viele Freundschaftsarmbänder, fotografiert oder isst ihre Lieblingsspeise: Nudelsalat in vielen unterschiedlichen Variationen. Seit Mai 2020 ist sie Autorin bei andererseits, einer Medieninitiative, die Journalismus inklusiver macht. Dort arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam an Geschichten. Hanna schreibt am liebsten über den Klimawandel, Freundschaft und Liebe.

Andererseits – für Inklusion im Journalismus, https://andererseits.org

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SOZIALE ZUKUNFT


ANDERERSEITS

INFO

Regional, saisonal, inklusiv

Zusätzlich zu den 20 Initiativen die für die Teilnahme am Markt der Zukunft ausgewählt wurden, hat die Ö1-Jury auch Projekte an andere Institutionen wie das Europäische Forum Alpbach oder das Ars Electronica Festival empfohlen. Das Journalismusprojekt andererseits, das diesen Text beigesteuert hat, sowie die Initiativen Kino kommt, Lebendige Felder und das Europäische Jugendparlament (EYP) Österreich wurden etwa mit der Akademie der bildenden Künste vernetzt.

Es gibt den Papierkreislauf, Glaskreislauf und auch den Biomüllkreislauf. Das haben wir gelernt und auch über regional und über nicht-regional. Regional bedeutet, dass es nur aus Österreich kommt. Nicht-regional kommt nicht aus Österreich. Wir haben auch eine Regionalitätsliste von Gemüse und Obst gemacht. Da steht drauf, von wo und wann genau Obst und Gemüse kommt, nur ein kleiner Teil von Obst und Gemüse kommt im Wins nicht aus Österreich. Wir machen auch Plakate. Auf einem haben wir Kreise mit Personen drinnen gemalt und die Kreise waren sehr getrennt. Das andere Plakat war über Inklusion und da waren die Kreise verbunden und dann auch die Menschen.

Süßes macht mehr Kilos Wir lernen auch über Ernährung und was es bedeutet, was wir essen und trinken und was gesund ist oder was nicht gesund ist. Wir haben von der Ernährungspyramide gelernt: Ganz unten ist, was man trinken soll, der zweite Stock sind Obst und Gemüse. Davon kann man viel essen und im dritten Stock ist Getreide und im vierten Stock Eiweiß, im fünften Stock Fette und Öle und das ist nicht so gut für unsere Kilos. Ganz oben ist Süßes. Das macht mehr Kilos.

Bunt - Vernetzung von Flüchtlingen

Tint Journal

Mindfulness in Arabic

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gegründet 2019 / Österreich Asylkoordination

GründerInnen Mission

Gleichberechtigung und Meinung verbreiten

Geflüchtete Jugendliche in Österreich finden hier eine Gemeinschaft und Interessensvertretung – von Flüchtlingen für Flüchtlinge. www.vereinbunt.com

SOZIALE ZUKUNFT

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gegründet 2018 / Graz

gegründet 2017/2019 / Naher Osten/Wien

Lisa Schantl

Gründerin Mission

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Kulturen verbinden

Das Tint Journal veröffentlicht Texte von Autor*innen in deren Zweitsprache Englisch, mit dem Ziel, Menschen und Kulturen dieser Welt über Fremdsprachenliteratur zu verbinden.

www.tintjournal.com

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Gründerinnen

Mission

Juditta Ben-David Ingrid Otepka Frieden ermöglichen

Mindfulness in Arabic bietet kostenlose Achtsamkeitsübungen auf Arabisch im Internet an, um traumatisierte Geflüchtete zu unterstützen.

www.mindfulnessinarabic.org


WELCHE POLITIK BRAUCHT DER WANDEL? Wir hören oft, dass wir alle mitverantwortlich sind, die Wende in eine bessere Zukunft zu schaffen – in ökonomischer, sozialer und ökologischer Hinsicht. Dass wir unsere Lebensführung nachhaltiger gestalten, unseren Konsum einschränken müssen. Wir hören auch, dass wir als Gesellschaft resilienter werden müssen, Widerstandsfähigkeit aufbauen sollen gegenüber all den Krisen, mit denen wir konfrontiert sind. Wir wissen aber auch, dass es dazu die Politik braucht, die widerstreitende Interessen ausgleichen und vielleicht auch unbequeme Entscheidungen treffen muss. Wie soll das gehen in Zeiten, in denen Politiker*innen oft Mutlosigkeit und Wähler*innen Politikverdrossenheit vorgeworfen wird? Wie müsste der politische Prozess gestaltet sein, damit unser Vertrauen wieder gestärkt wird? Welche Rolle sollen Parteien, soziale Bewegungen und die Zivilgesellschaft insgesamt in diesem Prozess spielen? Und was wären denn überhaupt Alternativen zu unserem wachstumsgetriebenen Wirtschaften?

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ZUKUNFT NEU DENKEN


WANDEL

Träger des Wandels Nicht jede Initiative schafft es, Menschen mit ihrer Nachricht zu erreichen und Veränderungen anzustoßen. Protestforscher Michael Deflorian erklärt, welche Faktoren für den Erfolg einer Bewegung ausschlaggebend sind, und warum gerade das richtige Timing eine große Rolle spielt.

TEXT MAXIMILIAN SCHENNER

ILLUSTRATION ALDO GIANNOTTI

Zwei Jahre nach den ersten Demonstrationen unter dem Titel Fridays for Future scheint die Arbeit der jungen AktivistInnen erste Früchte zu tragen – der Klimaschutz war eines der zentralen Themen der vergangenen Nationalratswahl, erstmals schaffte eine grüne Partei hierzulande den Sprung auf die Regierungsbank. Fridays for Future ist bei Weitem nicht die erste Klimabewegung, aber bisher vielleicht die erfolgreichste. Michael Deflorian befasst sich als Protestforscher an der Uni Wien mit Bewegungen auf der ganzen Welt und analysiert unter anderem, warum einige so erfolgreich sind und andere nicht. Dafür bedarf es erst einmal einer Definition dieses Erfolgs: „Eine Bewegung hat Erfolg, wenn sie ihre Ziele erreicht – das ist aber selten der Fall“, meint Deflorian. Oftmals sei es deshalb bereits ein wichtiger Schritt, wenn Bewegungen einen Stimmungswandel bewirken. Der Wechsel einer Führungsspitze, Veränderungen eines Regierungsprogramms oder der kulturellen Gewohnheiten könnten viel über den Erfolg einer Bewegung aussagen.

POLITIK DES WANDELS

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WANDEL

Timing

Kommunikation & Framing

Um einen solchen Erfolg nun herbeizuführen, zählt laut Deflorian vor allem eines: Timing. „Eine Bewegung, die den richtigen Zeitpunkt ein bisschen abschätzen kann, hat sicher einen Vorteil.“ Lücken im politischen System sowie die zunehmende Dringlichkeit eines Problems sind wichtige Indikatoren für eine gute Gelegenheitsstruktur. Eine Gruppierung kann trotz großer Bemühungen jahrelang nahezu erfolglos bleiben, ehe ein einzelner Vorfall die Lawine ins Rollen bringt. „Solche Ereignisse können für eine Bewegung ein unheimlicher Boost sein“, meint Deflorian. Ein tragisches Beispiel dafür ist der US-Amerikaner George Floyd, dessen Ermordung Massenproteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den Staaten sowie Solidaritätsbekundungen auf der ganzen Welt auslöste. Es war einer von unzähligen Fällen, in denen ein Afroamerikaner durch Polizeigewalt sein Leben verlor – aber es war einer, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Diese kollektive Identität – das „Kämpfen” für ein gemeinsames Ziel – sei ein weiteres Merkmal einer funktionierenden Bewegung. Dabei ginge es auch darum, nach außen hin ein vollständiges, harmonisches Bild abzugeben. Externe Kommunikation sei jedoch nicht alles: „Wenn man nach innen nicht gut kommuniziert, gehen die Unterstützer*innen verloren.“ Auf ausgebildete PR-Mitarbeiter*innen greifen dennoch nur die wenigsten Bewegungen zurück, meint Deflorian. Die Kommunikationsarbeit übernehmen oftmals Personen aus den eigenen Reihen: „Es gibt Leute, die haben ein Händchen für Kommunikation. Die geraten in ihrer Zeit als Aktivist*innen in solche Situationen und wachsen sehr stark daran.“ Für professionelle Kommunikatoren fehlten außerdem vor allem kleineren Bewegungen die finanziellen Mittel.

Emotion

Ressourcen

„Prinzipiell würden Bewegungsforscher sagen: Es braucht immer Emotionen, um Menschen zu mobilisieren“, sagt Deflorian. Rechtsautoritäre Bewegungen wie Pegida erzeugen etwa Angstbilder, um die Bevölkerung zu spalten. Auch im Klimaaktivismus kommt Angst zum Einsatz – anstatt vor der Überfremdung ihrer Heimat und vor Dönerbuden zittern die Aktivist*innen vor der Klimaapokalypse, vor Artensterben, Waldbränden und Fluten. „Greta Thunbergs Reden sind unglaublich emotional – und die meisten Leute nehmen ihr das total ab“, sagt Deflorian über die Initiatorin der freitäglichen Streiks. Doch nicht nur negative Emotionen spielen eine Rolle, fügt er hinzu – „Gefühle der Solidarität, der Harmonie, das Gefühl, mit anderen Leuten im selben Boot zu sitzen, das sind auch wichtige Emotionen, ohne die es nicht funktionieren würde.“

Natürlich braucht eine Bewegung ein gewisses Kapital, etwa wenn es darum geht, Flyer zu drucken, Demonstrations-LKWs zu mieten oder eine Website zu launchen. Viel wichtiger seien Deflorian zufolge allerdings personelle Ressourcen: „Es braucht gute Führungspersönlichkeiten, die Leute hinter sich versammeln können.“ Darüber hinaus seien außerordentliche Organisationsfähigkeiten vonnöten, sowie jede Menge Zeit. Laut Deflorian dürften die Folgen des Klimawandels ausschlaggebend dafür sein, welche Bewegungen in den nächsten Jahren mit Erfolgen rechnen dürfen. Klimatische Veränderungen und dadurch ausgelöste Konflikte werden viele Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen und in anderen Ländern Zuflucht zu suchen. Migrationskritische Parteien und Bewegungen dürften daher auch in näherer Zukunft Zulauf erhalten. Auf der anderen Seite werde sich angesichts von Hitzerekorden und Ernteausfällen hierzulande der Wunsch nach grünen Alternativen in Politik, Wirtschaft und Energie verstärken.

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POLITIK DES WANDELS


INTERVIEW

Ingolfur Blühdorn

„Das geile Leben“ um jeden Preis Bewegungen wie Fridays for Future, Zukunftsinitiativen und „Reallabore”, die heute schon nachhaltig leben und wirtschaften, machen uns Hoffnung, dass wir die Klimakatastrophe doch noch abwenden. Aber der Wiener Politikwissenschaftler Ingolfur Blühdorn ist skeptisch: Wollen wir für den nötigen Wandel wirklich auf Selbstverwirklichung und Konsum verzichten? TEXT KATHARINA LUGGER

Es geht ja. In der Corona-Krise haben viele Regierungen gezeigt, dass sie, wenn sie nur wollen, in hoher Geschwindigkeit auch drastische Maßnahmen durchsetzen können. Könnten wir mit vergleichbarer Entschiedenheit auch die Klimakatastrophe abwehren? Zumal wir ja dank der Klimawissenschaftler*innen recht genau wissen, was uns erwartet, wenn wir so weitermachen wie bisher. Der Politikwissenschaftler Ingolfur Blühdorn erforscht an seinem Institut für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien, warum wir trotz besseren Wissens noch immer nicht auf dem Weg in eine nachhaltige Gesellschaft sind. Im Gegenteil: Ein neuer Paradigmenwechsel zeichne sich ab – statt der erhofften „stillen Revolution” zu Besseren schlittern wir geradewegs in eine Gesellschaft „nachhaltiger Nicht-Nachhaltigkeit”. Die Coronakrise hat gezeigt, dass Regierungen in der Krise prinzipiell handlungsfähig sind. Lässt das bezüglich der Klimakrise hoffen, dass ein nachhaltiger gesellschaftlicher Wandel, die „große Transformation“, doch noch gelingt? Regierungen haben gezeigt, dass sie handlungsfähig sind – das stimmt. Aber es stimmt nicht, dass sie es vorher nicht waren, denn die Globalisierung, die Deregulierung der Arbeits- und Finanzmärkte, die Privatisierungen usw. wurden von den Regierungen vorangetrieben. All das hat Gesetze gebraucht.

POLITIK DES WANDELS

Regierungen haben immer, obwohl sie behaupteten, ihnen wären die Hände gebunden, stark gehandelt und das, was wir jetzt als Nachhaltigkeitskrise bezeichnen, aktiv befördert. In der Corona-Krise haben die Regierungen wieder gehandelt, aber diese Handlungen haben, genauso wie vorher auch schon, vor allem ökonomische Interessen unterstützt. Im Grunde zielen alle Handlungen auf eine Restabilisierung und Wiederherstellung der „Normalität” ab. In Bezug auf eine große Transformation hingegen können wir im Augenblick nur ganz wenige Handlungen erkennen. Wo liegt der Unterschied zwischen der Pandemie und der Klimakrise? Der große Unterschied liegt in der Akutheit der Krise. Die Pandemie hat eine sehr viel größere momentane Verunsicherung für alle gesellschaftliche Gruppen geschaffen. In solchen Situationen der totalen Unsicherheit ist Angst völlig normal und auch, dass sich Bürger*innen der Regierung zuwenden, auf Regierungsanweisungen hoffen und vertrauen. Sobald diese Angst nachlässt und man sich wieder sicherer fühlt, ist ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr willig, sich einzuschränken und setzt den eigenen Lebenswandel, die eigene Freiheit, wieder über die Verantwortung. In Ihrem Buch schreiben Sie: „Eine Begrenzung und Regulierung der Freiheit

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wäre das Gebot der Stunde.“ Was wäre denn ein Beispiel für eine gelungene „Einbettung“ von Freiheit? Ich glaube, dass man von Begrenzung, Regulierung und Einbettung der Freiheit immer nur in Relation zur Sicherung von Freiheit und Selbstbestimmung sprechen sollte. Wir wollen weiter für Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen, weil sie für viele Teile der Bevölkerung nach wie vor nicht erreicht ist. Aber Freiheit und Befreiung sind immer innerhalb von Grenzen gedacht worden, nämlich, dass ich die Freiheit habe zu tun, was die Freiheit von anderen Menschen nicht beschränkt. Es geht um Freiheit im Rahmen von Gleichheit und Gerechtigkeit. Wenn meine Freiheitsvorstellung darin besteht, dass ich jeden Tag vier Schnitzel essen muss, dafür aber in Brasilien Indigene ihr Land und Ihre Lebensgrundlage verlieren, damit Rinder für meine Freiheit gezüchtet werden können, dann ist das keine gerechtfertigte Freiheit. Hier gibt es gute Gründe, regulierend einzugreifen. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Maßnahmen, die die österreichische Regierung in Reaktion auf Corona gesetzt hat? Zeichnen sich da Spuren von Wandel oder „Einbettung” ab? Grundsätzlich finde ich die Maßnahmen – gerade auch die verschiedenen temporären Freiheitsbeschränkungen, die von einigen Protestgruppen radikal abgelehnt werden –,


INTERVIEW

Ingolfur Blühdorn

Kritisch zeigen Sie sich hinsichtlich der Rolle sozialer Bewegungen, die seit den 70ern als Hoffnungsträger für eine Transformation „bottom up“ galten. Ist der Wandel „von unten“ gescheitert? Man kann über die sozialen Bewegungen der 70er Jahre nicht sagen, dass sie gescheitert sind; die haben unglaublich viel erreicht – denken Sie nur an Frauenrechte oder an den Umweltschutz. Aber gleichzeitig ist es nicht so, dass diese Bewegungen eine sozialökologische Transformation erreicht hätten. Viele Sozialwissenschaftler*innen setzen ihre ganze Hoffnung auf soziale Bewegungen und behaupten, sie seien die Pionier*innen des Wandels. Diese Geschichte, dass Basisbewegungen die Pionier*innen einer großen Transformation seien, erzählen wir allerdings schon seit Marx. Wenn das aber schon seit vielen Jahrzehnten erzählt wird und bis heute nicht gelungen ist, warum sollen wir dann glauben, dass es jetzt gelingt? Wo ist der entscheidende historische Unterschied? Es geht nicht darum, dass soziale Bewegungen nichts erreichen, sinnlos und gescheitert sind, sondern darum zu fragen: Ist es plausibel zu behaupten, dass Fridays for Future (FFF) jetzt die große Transformation bringt, die zahllose frühere Bewegungen bisher nicht gebracht haben? Das sehe ich nicht.

Woran kann das liegen? Unter anderem natürlich daran, dass die Konzerne zu stark sind. Ich glaube aber, man muss auch andere Erklärungen verfolgen. Es ist falsch oder zumindest sehr einseitig zu sagen, die Konzerne manipulieren uns und entfremden uns von unserem eigentlichen, unserem wahren Selbst. Es ist nicht plausibel zu sagen, dass all die Reisenden, die nach Bali, Mallorca oder an die Adria fahren, das nur tun, weil sie so „manipuliert“ und so „entfremdet” sind. Kein Reisender sagt sich auf seinem Weg nach Kroatien: „Weil die Industrie mir das eingeredet hat, muss ich jetzt wieder nach Kroatien fahren und da Urlaub machen, obwohl ich das eigentlich gar nicht will!“ Wir müssen in Betracht ziehen, dass ein anderer wesentlicher Grund dafür, dass die große Transformation nicht gelungen ist, darin liegt, dass demokratische Mehrheiten eine solche Transformation nicht wollen und nach Kräften verteidigen, was sie liebgewonnen, woran sie sich gewöhnt haben, und worauf sie Anspruch zu haben glauben. Natürlich sind die Konzerne mächtig und säen uns alles Mögliche in den Kopf. Aber der Wandel findet nicht nur deswegen nicht statt, weil die Industrie es verhindert, sondern auch weil demokratische Mehrheiten lieber das „geile Leben” als das nachhaltige Leben wollen. Sie scheinen dem Potenzial von nachhaltigen Initiativen, die als sogenannte Reallabore den Wandel bereits leben, skeptisch gegenüber zu stehen. Warum? Dieser Begriff der Reallabore ist interessant. Das ist nämlich kein bottom-up-, sondern deutlich sichtbar ein top-down-Begriff. Es wird kaum Initiativen geben, die sich selbst als Reallabor bezeichnet. Solche Begriffe verwenden Technokraten, die aus ihrer Management- und Machbarkeitsperspektive solche Rollen zuschreiben. Aber tatsächlich sind solche Initiativen, die da als Reallabore des großen Wandels bezeichnet werden, meist Gruppen, in denen ganz konkrete alltagspraktische Bedürfnisse und Probleme bearbeitet werden. Urban-Gardening-Initiativen zum Beispiel wollen gemeinschaftlich gärtnern, gesundes Gemüse haben, sich treffen und sozialisieren. Viele haben natürlich ein globales Bewusstsein, glauben aber trotzdem nicht, dass sie durch ihren Möhrenanbau die Agroindustrie und die ganze Welt verändern könnten. Solche Initiativen sind unbedingt wichtig, aber es ist Unsinn, sie zu Pionieren einer großen gesamtgesellschaftlichen Trans-

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formation hochzustilisieren. Vielmehr entstehen solche Initiativen und nach einiger Zeit verschwinden die meisten von ihnen auch wieder, ohne dass sie die Welt verändert hätten. Deswegen waren sie aber keineswegs sinnlos. Die ersten Landkommunen hat es schon Ende des 19. Jahrhunderts gegeben und schon damals haben sie keinen gesamtgesellschaftlichen Wandel bewirkt. Das heißt aber eben nicht, dass diese Initiativen gescheitert wären und sinnlos sind, sondern nur, dass es Unsinn ist zu behaupten, sie wären Pioniere eines globalen Wandels. Gruppen wie Extinction Rebellion fordern aber sehr wohl eine neue Form der Politik, etwa in Bürgerversammlungen Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe abzustimmen. Ist das ein Weg? Extinction Rebellion und Fridays for Future sind interessante, neuartige Erscheinungen, die sich sehr stark von früheren sozialen Bewegungen unterscheiden. Extinction Rebellion hat im Prinzip ein positives Ziel, es ist aber zweifelhaft, inwiefern sie demokratisch und deliberativ sind. Sie haben eigentlich eine dogmatische Vorstellung dessen, was richtig ist. Bei FFF wird dieses post-politische Moment besonders stark in der Forderung deutlich, das eins zu eins umzusetzen, was die Wissenschaft sagt. Älteren soziale Bewegungen waren meist eher der Meinung, dass die Wissenschaft mit dem Staat und der Wirtschaft unter einer Decke stecke, dass wissenschaftliche Rationalität Herrschaftsrationalität sei, und dass es alternative – weibliche, indigene etc. – Rationalitäten zu der der „weißen Männer” brauche. Man kann verstehen, dass sich FFF in seiner heutigen Haltung gegen Klimaleugner und

LESEEMPFEHLUNG

vernünftig. Sie stabilisieren für den Moment. Das ist wichtig, damit kein Chaos ausbricht. Ich sehe aber nicht viele Anzeichen von Wandel mit Blick auf die Nachhaltigkeitskrise, die eine soziale, ökonomische, politische, kulturelle und natürlich auch ökologische Krise ist. Es bräuchte in diesen fünf Dimensionen einen grundlegenden Wandel und der zeichnet sich derzeit in keiner Weise ab. Es gibt zum Beispiel praktisch keine Maßnahmen, die zu sozialer Umverteilung und Stärkung sozialer Gerechtigkeit beitragen würden. Und in Hinblick auf die Wirtschaft sehen wir auch keine Maßnahmen, die in Richtung Postwachstumsökonomie zeigen würden. Wirklichen strukturellen Wandel hat die Regierung bisher noch auf keiner Ebene angestoßen. Dazu ein Beispiel: Die kapitalistische Wachstumsökonomie war schon vor Corona nicht mehr haltbar. Die Europäische Zentralbank hat seit der Finanzkrise 2008 gigantische Summen in das ökonomische System injiziert und ein ganz minimales Wachstum nur dadurch erreicht, dass die Wirtschaft am Tropf hing. Jetzt hängt die Wirtschaft sozusagen an fünf Tröpfen: Strukturell hat sich nichts geändert, nur die Infusionsdosis ist erheblich höher geworden.

Gemeinsam mit Mitarbeiter*innen seines Instituts für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien hat Ingolfur Blühdorn Anfang dieses Jahres im transcript-Verlag das lesenswerte Buch „Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit: Warum die ökologische Transformation der Gesellschaft nicht stattfindet“ herausgegeben.

POLITIK DES WANDELS


INTERVIEW

Ingolfur Blühdorn

die rechtspopulistische Distanzierung von den Wissenschaften richtet. Es bleibt aber dabei, dass das Eins-zu-Eins-Umsetzen von wissenschaftlichen Erkenntnissen oder von angeblich unverhandelbaren Fundamentalismen letztlich autoritär und undemokratisch ist. Es ist interessant, wie die jüngsten sozialen Bewegungen das Post-Politische – den Glauben an das Unverhandelbare – selbst wieder internalisiert haben, ohne es zu merken. Aber in der Umweltpolitik geht es nie um Fakten allein, sondern immer ganz wesentlich um das Bewerten von Fakten. Was kann diese Haltung, die Sie postpolitisch nennen, bewirken?

ILLUSTRATION ALDO GIANNOTTI

Ich sehe die Gefahr, dass sie Gegenbewegungen provoziert – ohne es zu wollen oder zu merken. Die Reaktion des „gesunden Volksverstandes“ ist, dass Extinction Rebellion, Greta Thunberg und FFF als unverantwortlich und irrational abgeschrieben werden, und damit trifft sie das gleiche Urteil wie auch Donald Trump. Erreicht wird im Grunde also, dass die gesellschaftliche Spaltung und Polarisierung vertieft und nicht behoben wird. Was müsste denn eine wirtschafts- bzw. gesellschaftspolitische Vision leisten, damit sie gegenüber dem Neoliberalismus konkurrenzfähig wäre?

Viele bunte Alternativen zum „Mehr”

Gibt es wirklich keine Alternativen zum ungezügelten Wirtschaftswachstum, wie das der Neoliberalismus nahelegt? Tatsächlich wurden in der Vergangenheit schon zahlreiche Modelle alternativen Wirtschaftens entwickelt, die Ökonomie, Ökologie und Soziales ins Gleichgewicht bringen wollen. Für Österreich hat etwa das Netzwerk Wachstum im Wandel ein „Zukunftsdossiers” über derartige Modelle veröffentlicht. Ein Schnelldurchlauf. TEXT PAUL JAUNEGG

POLITIK DES WANDELS

Green Economy. Die Globalisierungskritikerin Naomi Klein schwört auf ihn und auch die neue EU-Kommission propagiert ihn – einen „Green Deal”. Die Idee vom „grünen” Umbau der Wirtschaft, von dem alle profitieren, wurde schon 2008 vom UN-Umweltprogramm UNEP popularisiert. Kernthese: Wachstum und Klimaschutz müssen einander nicht ausschließen, wenn nur Ressourcen effizienter genutzt, erneuerbare Energien ausgebaut und dadurch „grüne” Jobs geschaffen werden. Die EU setzte außerdem auf das Prinzip der „Kreislaufwirtschaft”, eine Idee aus den 1960erJahren, die auf zirkulierende Materialflüsse und Recycling setzt.

Steady State Economy. Das Konzept einer „stationären Wirtschaft” basiert auf der Annahme, dass die Wirtschaft ab einem gewissen Zeitpunkt „ausgewachsen” ist, danach führe Wachstum nicht zu weiterem Wohlstand. Voraussetzung für dieses Modell, das der frühere Weltbank-Ökonom Herman Daly entwickelt hat, ist ein dynamisches Gleichgewicht, das erreichbar sei, wenn die Bevölkerung konstant groß bleibt und nicht mehr Ressourcen verbraucht als erneuert werden. Für mehr Verteilungsgerechtigkeit schlägt Daly Obergrenzen für Einkommen und Vermögen vor.

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Degrowth. Anders als die vorigen Modelle, die auf weiteres Wachstum oder zumindest Stabilisierung setzen, ist das „Gesundschrumpfen”, das Zurückfahren von Produktion und Konsum, eines der zentralen Elemente der Degrowth-Bewegung: weniger Fleisch, weniger Kreuzfahrten, weniger Shopping Center. Weniger Konsum würde auch zu mehr Lebensqualität führen. Das Argument vom “grünen” oder nachhaltigen Wachstum lassen Degrowther nicht gelten. Dieses führe nur zu mehr Konsum und letztlich zu einer Stabilisierung des neoliberalen Systems. In ähnliche Richtungen gehen Postwachstums-Theorien etwa des britischen Nachhaltigkeitsforschers Tim Jackson oder des deutschen Ökonomen Nico Paech.


INTERVIEW

Ingolfur Blühdorn

Das ist nicht nur eine Frage des Inhaltes, sondern auch eine der Kommunikations- oder Marketing-Strategie. Inhaltlich gesehen müsste sie für mich ein gutes Leben für alle in ökologischen Grenzen ermöglichen. Das Problem ist, dass solche Visionen nicht mehrheits- und konkurrenzfähig sind, sobald sie für nennenswerte und politisch artikulierte Teile der Gesellschaft Beschränkungen bedeuten. Das Problem ist, dass die – politischen – Mehrheiten einen nachhaltigen Lebensstil nicht wollen, zum Beispiel, weil sie dann hauptsächlich Urlaub in Österreich machen und auf Avocados und Papayas verzichten müssten. Wer müsste denn an so einer Vision vom guten Leben für alle arbeiten? Eigentlich ist es die Aufgabe der politischen Parteien in der Parteiendemokratie, gesellschaftliche Visionen zu entwerfen und konkurrierende Versionen gegeneinander zu stellen. Politische Parteien haben sich aber insgesamt abgewöhnt, gesellschaftliche Visionen zu entwerfen. Es geht für alle im Wesentlichen nur um die Sicherung des Status Quo. Bleiben also noch die sozialen Bewegungen. Aber auch in den sozialen Bewegungen geht es am Ende oft sehr viel weniger um eine alternative Gesellschaft als um die Befestigung der der bestehenden Strukturen.

Je konkreter die Vision, umso weniger mehrheitsfähig ist sie – ist das ein Grund, warum die Forderungen von FFF so vage sind? Natürlich. Wenn man etwas zurückdenkt, dann haben die Grünen am Anfang der 80er Jahre gesagt, dass Kapitalismus und Ökologie inkompatibel sind. Und die Liberalen sagten, der Kapitalismus hat uns Glück und Segen gebracht. Dann hat man einen vagen Begriff erfunden, den Begriff der Nachhaltigkeit, der beide Vorstellungen miteinander verbunden hat. Nachhaltigkeit predigen wir nun seit 1987 und dennoch ist daraus keine sozial-ökologische Transformation geworden. Wenn wir uns heute mit ähnlich vagen Szenarien vertrösten, wir aber – wie der Weltklimarat sagt – nur noch fünf Jahre haben, um das Katastrophenszenario zu vermeiden, dann werden wir damit wohl Schiffbruch erleiden.

eine sozial-ökologische Transformation das eigentliche Ziel, und wenn man das wüsste, wie man die erreicht, wäre das wie ein Lottogewinn. Es ist aber nicht so, dass man nichts richtig machen kann. Es ist sicher richtig, wenn man weniger Fleisch isst, weniger reist, weniger Müll produziert, weniger Energie verbraucht und insgesamt weniger konsumiert. Die Frage ist nur, ob das zu einer sozial-ökologischen Transformation führt. Im Moment bewirken derartige Bemühungen kleiner Initiativen das eher nicht. Leider ist es bis jetzt auch immer gelungen, das zum Konsumschlager zu erheben, was sich eigentlich gegen den Konsum richtete. Anhand der Biobranche kann man das gut sehen: Biologische Lebensmittel hätten industriell hergestellte ablösen sollen. Das ist aber nicht gelungen, sondern es wurde am Markt schlicht ein Zusatzsegment geschaffen, für das es ein zusätzliches Regal im Supermarkt gibt. Was dort steht, wird unter denselben industriellen Bedingungen und unter dem gleichen mörderischen Wettbewerbsdruck produziert wie konventionelle Lebensmittel – nur eben ohne Gift. Aber es wird dadurch nicht weniger konsumiert. Die anderen Regale sind nicht verschwunden, sondern jetzt gibt es beide und insgesamt wird noch ein bisschen mehr konsumiert. Diese Realität ist ernüchternd, aber wir müssen uns dem stellen.

Wenn man Ihr Buch liest, dann bekommt man fast das Gefühl der Ohnmacht. Alles, was man tut, stabilisiert scheinbar am Ende das derzeitige System. Wie lässt es sich destabilisieren? Destabilisieren ist relativ leicht, aber nicht per se wünschenswert. Destabilisieren tun zum Beispiel die Rechtspopulisten sehr erfolgreich – aber die sind sozial und ökologisch zerstörerisch. Statt Destabilisierung wäre

Forum Seitenstetten Gemeinwohl-Ökonomie. Gemeinwohlstreben und Kooperation statt Konkurrenz und Gewinnmaximierung stehen im Zentrum dieses alternativen Modells, das maßgeblich vom Salzburger Publizisten und Attac-Österreich-Mitgründers Christian Felber geprägt wurde. Diese “economy for the common good” soll auf der Basis einer Kultur des Vertrauens, der Wertschätzung, des sozialen Zusammenhalts und der Menschenrechte zu einem guten Leben für alle sowie einer friedlichen und nachhaltigen Gesellschaft beitragen. Weltweit haben sich mittlerweile hunderte Unternehmen, Gemeinden, Vereine und Einzelpersonen der Initiative angeschlossen.

Solidarische Ökonomie. Auch hier stehen nicht Gewinn und Konkurrenz im Mittelpunkt sondern Kooperation sowie der Mensch und seine Bedürfnisse, die sowohl künftige Generationen als auch die Natur berücksichtigen. Der Konzept stammt ursprünglich aus Lateinamerika und setzt auf Teilen (statt Kaufen), auf die Nutzung von Gemeingütern (statt Besitzen). Eine breite Palette alternativer Initiativen beruft sich auf die Grundsätze solidarischen Wirtschaftens – von Tauschringen über Genossenschaften, Urban-Gardening- oder solidarische Wohnprojekten bis hin zu “Community Supported Agriculture”-Initiativen.

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gegründet 2015 / Seitenstetten GründerInnen

Nina Krämer Otto Frühbauer, Josefa Maurer Heinrich Wohlmeyer, Inge Patsch Rudolf Kulovic, Helmo Pape

Mission

Geld – Macht – Gute Welt

Im Forum Seitenstetten treffen sich jedes Jahr VordenkerInnen aller Sparten, um sich über friedensfähige Geld- und Wirtschaftssysteme auszutauschen und transformative Lösungen zu finden.

www.forum-seitenstetten.net

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ILLUSTRATION ALDO GIANNOTTI

POLITIK

Beteiligt euch! Dass die Demokratie in der Krise stecke, hört man, seit es Demokratie gibt. In Zeiten von Klimakrise, Orban und Trump scheint sich diese Krise aber tatsächlich zu verschärfen. Andererseits strafen Bewegungen wie Fridays for Future die Rede von der allgemeinen Politikverdrossenheit und Postdemokratie Lügen. Und zeigen nicht ausgerechnet neue rechte Parteien wie AFD oder THC, dass die repräsentative Demokratie auch noch nicht ganz ausgedient hat? Schließlich wäre da noch die gute alte Bürgerbeteiligung, durch die, so sehen es die Experten seit bald 50 Jahren, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik gestärkt werden kann. Ein Besuch bei zwei Beteiligungsprojekten in Wien und einem jungen Politikwissenschaftler, der an eine europäisch erneuerte Parteiendemokratie glaubt.

POLITIK DES WANDELS

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FOTO CHRISTIAN FÜRTHNER / MA21

Bio-Bauernmärkte, Begegnungszonen und ganze Wohnviertel entstehen in Wien bereits unter Einbeziehung interessierter Bürger*innen. Wie gut funktioniert die Stadt zum Mitmachen? TEXT EVA SAPPL & WALBURGA PLUNGER

Sich als Bürger*innen zusammenfinden und an einem Strang ziehen, das stärke nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch die Bezirkspolitik, sagt Andrea Binder-Zehetner, Geschäftsführerin der Lokalen Agenda 21 (LA21) in Wien. „Politik muss dort ansetzten, wo Veränderungen spürbar und sichtbar sind.” Binder-Zehetner sitzt in der Zentrale der Lokalen Agenda, unweit des Wiener Naschmarkts. Von hier aus hilft sie Bürger*innen, sich an der Entwicklung ihrer Stadt zu beteiligen. Diese Art der Beteiligungsprozesse ist eine der niederschwelligsten Formen von Politik. Menschen interessieren sich dafür, was vor ihrer Haustüre passiert: Wie viele Autos dort fahren, wie viel Grünraum zur Verfügung steht oder ob es Biomärkte und Begegnungszonen gibt. Der Verein organisiert Treffen mit Verantwortlichen, unterstützt beim Austausch und stellt Expert*innen. Entwickelt hat sich die Lokale Agenda 21 aus der „Agenda 21”. 178 Staaten verabschiedeten 1992 beim UN-Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro Ziele und Maßnahmen für eine nachhaltigere Welt – auf sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Ebene. Die genaue Umsetzung blieb den Ländern selbst überlassen, doch eine bürgernahe Umsetzung auf Gemeindeebene wurde nahegelegt. Es braucht positive Veränderung auch in Zukunft „Am Anfang jedes Prozesses geht es darum, Leute zusammenzubringen.” Jeder Beteiligungsprozess sei aber anders, erklärt Binder-Zehetner. Es gebe kein Rezept für alle. Sie moderiert und lässt alle Beteiligten, Bürger*innen wie Bezirksvorsteher*innen, zu Wort kommen. Für die Zukunft wünscht sich Binder-Zehetner noch stärkere Veränderungen in der Politik – hin zu mehr Angebot

und größerer Wertschätzung für Bürgerbeteiligungen. Eine große Veränderung sieht Binder-Zehetner in der Rolle von Politiker*innen: Wird ihnen nach wie vor Leadership wichtig sein oder werden sie mehr in die moderierende Rolle übergehen? Denn Beteiligungen brauchen Moderation seitens der Politik – und keine strikten Vorgaben rigoroser Führungspersönlichkeiten, die einengen, wie es jetzt eher der Fall sei. „Das, was man mit der Lokalen Agenda übt, kann ich mir in Zukunft vermehrt vorstellen: Partizipation, Meinungsbildung und Entscheidungsprozesse – alles notwendig für unsere Plural-Gesellschaft.” In Wien zählt die Stimme der Bevölkerung Die Stadt Wien setzt längst auch selbst auf die Beteiligung ihrer Bürger*innen, 2016 verabschiedete der Gemeinderat einen Masterplan für partizipative Stadtentwicklung, seither werden die Wiener*innen bei allen größeren Wohn- und Hochbauprojekten sowie bei umweltkritischen Bauvorhaben einbezogen. Eines der größten innerstädtischen Entwicklungsgebiete ist derzeit der Wiener Nordbahnhof im 2. Bezirk. Auf dessen Areal sollen bis 2026 rund 10.000 Wohnungen und 20.000 Arbeitsplätze entstehen. Das Leitbild für den Umbau wurde mithilfe eines EU-weiten Ideenwettbewerbs und einer zweijährigen Bürgerbeteiligung erstellt und enthält Bebauungspläne für Wohnen, Freiraum und Mobilität sowie eine ganze Reihe von Empfehlungen der Bürger*innen. Alexandra Madreiter, Dezernatsleiterin der Abteilung Stadtteilplanung und Flächennutzung (MA21) in Wien, ist mit ihrer Abteilung dafür verantwortlich, dass betroffene Bürger*innen bei neuen Projekten zu Wort kommen. Im Fall des Nordbahnhofs organisierte die MA21 Diskussionsrunden, sogenannte Grätzelcafés, an denen zwischen 200 und 300

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Interessierte teilnahmen, außerdem kleinere Fokusgruppen zur Entwicklung des Leitbildes. Die Gstetten muss bleiben Peter Rippl, Shiatsupraktiker und seit 2011 Anrainer am Nordbahnhof, gründete gemeinsam mit weiteren Anrainer*innen die IG Lebenswerter Nordbahnhof. Mit dem Ziel, die Bäume am Areal zu retten. Dafür sammelte die Gruppe Unterschriften und setzte sich aktiv für eine Bürgerbeteiligung ein. Das Leitbild selbst sei dann sehr gut angekommen. Und die „Gstetten”, die „Freie Mitte”, wurde erhalten. Obwohl sowohl die MA21 als auch die IG Lebenswerter Nordbahnhof und die Bevölkerung sehr positiv über die Bürgerbeteiligung sprechen, gibt es für Rippl auch Kritikpunkte. Ihn stört vor allem, dass nach der Verabschiedung des Leitbildes auch die Mitarbeit der Bürger*innen beendet war. Dieses Problem kennt auch Alexandra Madreiter. „Eine Schwierigkeit ist sicher, dass die MA21 selbst nichts umsetzt.” Im Fall des Nordbahnhofs machten die Bewohner*innen etwa den Vorschlag, aufs Dach der Hochhäuser nicht wie üblich Penthouse-Wohnungen, sondern Sozialwohnungen zu setzen. Eine feine Idee, aber darauf ließen sich die Bauträger aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht ein. Ressourcen hätten auch in anderer Hinsicht eine Rolle gespielt. Rippl findet, dass der Beteiligungsprozess mitunter sehr zeitaufwendig war und sich Teilnehmer*innen manchmal extra dafür freinehmen mussten. Damit hatte der Nordbahnhof mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie viele Beteiligungsformate: Beteiligung kann sich nicht jeder leisten. Engagierte erreiche man grundsätzlich eher leicht, meint Madreiter, schwierig sei es Menschen einzubinden, die sich nicht ohnehin von selbst melden.

POLITIK DES WANDELS


„Demokratie findet nicht in Parteibüros statt” In Zeiten sozialer oder politischer Bewegungen, die ihren Protest gegen die herrschende Politik auf die Straße tragen, gelten Parteien nicht unbedingt als attraktiv. Warum sich Andreas Moser, der in Wien Politikwissenschaften studiert, dennoch für eine engagiert – für die europäische Kleinpartei „Volt”.

„Volt” steht üblicherweise für die Maßeinheit der elektrischen Spannung und des Potenzials. Seit März 2017 gibt es Volt auch in der Politik – nachdem der deutsche Journalist und Unternehmensberater Damian Boeselager gemeinsam mit Andrea Venzon und Colombe Cahen-Salvador die paneuropäische Partei gleichen Namens gegründet hat. Paneuropäisch deshalb, weil die Bewegung in mittlerweile allen EU-Staaten vertreten ist. Überhaupt haben europäische Bewegungen derzeit Konjunktur. Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 machten sich auch die in Deutschland gegründete Bürgerinitiative „Pulse of Europe”, die vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gegründete Partei DiEM25 (Democracy in Europe Movement 2025) oder „The European Moment” für mehr europäische Solidarität stark. Volt nutzte die Gunst der Stunde und schaffte es, einen Sitz im EU-Parlament zu erringen. Nach einer Mitgliederbefragung hat sich Boeselager dort der Fraktion Grüne/EFA angeschlossen. Die Partei steht für mehr europäische Einheit und stellt sich gegen nationale Strömungen, weil sich internationale Probleme nur international lösen ließen. „Nationale Parteien stoßen hier an ihre Grenzen und populistische Versprechen setzen unsere gemeinsame Zukunft aufs Spiel”, heißt es auf der Website von Volt Österreich. Außerdem ist der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft Teil des Parteiprogramms, Volt spricht sich für eine EU-weite CO2-Steuer und die Förderung regenerativer Energien aus.

POLITIK DES WANDELS

In Österreich ist Volt seit 2018 aktiv. Bei der Wiener Gemeinderatswahl im Oktober tritt die Bewegung in zehn Bezirken und zwei Wahlkreisen an. Der 20-jährige Politik- und Sprachwissenschaftsstudent Andreas Moser ist einer der Freiwilligen, die sich für die Bewegung engagieren. Während eines Auslandsaufenthaltes in Frankreich wurde er auf die Kleinpartei aufmerksam. Als er für sein Studium nach Wien übersiedelte, trat er schließlich bei. „Ich habe die Leute in den letzten Jahren sehr zu schätzen gelernt und erlebe fast täglich, was eine motivierte Gruppe mit den gleichen Ambitionen erreichen kann”, erzählt Moser. Für die Wien-Wahl koordiniert er Events und möchte Volt bekannter machen. Andere Partei sei für ihn keine in Frage gekommen, da Volt seiner Ansicht nach „keine bessere, stärkere, größere EU” verlange, sondern einen Schritt weitergeht und „europäische Demokratie” verfolge. „Viele andere Parteien stehen ebenfalls für Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung und Solidarität, aber bisher kann nur Volt diese Prinzipien europaweit repräsentieren”, meint Moser. Außerdem hängt die Qualität einer Demokratie seiner Meinung nach vom Partizipationswillen ihrer Mitglieder ab. „Mein Ideal einer deliberativen Demokratie findet nicht in Parteibüros, sondern in öffentlichen Foren, Organisationen und auf der Straße statt.”

FOTO TRISTAN MARCOS

TEXT CHRISTINA HARRICH

Dahir

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gegründet 1990 / Wien, Graz Gründer*innen

Mission

Georg Kotzmuth Dagmar Kotzmuth

Rendite mit sozialer Verantwortung

Dahir agiert wie eine Hausverwaltung – mit dem Unterschied, dass durch regelmäßigen Austausch die Interessen von Eigentümer*innen und Bewohner*innen vertreten werden.

dahir.eu

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Willy*Fred

Endlos Fesch

Luisa ist hier!

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gegründet 2015 / Linz Gründer*innen Mission

gegründet 2019 / Innsbruck

gegründet 2017 in Wien BewohnerInnen

Kapitalismus hacken

Willy*Fred ist ein Linzer Hausprojekt, das über 180 Mikrokredite von den Bewohner*innen finanziert wurde. So gewährleisten sie Selbstverwaltung und eine starke Gemeinschaft.

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Gründer*innen

Mission

Karin Kuranda Jessica Neumann

Modekonsum nachhaltiger machen

Durch das Teilen und Leihen von Kleidung in der „Endlos Fesch-Library” werden weniger Stücke verschwendet und wird der Modekonsum nachhaltiger gestaltet.

www.endlosfesch.at

www.willy-fred.org

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Gründer*innen

Innsbruck Club Commission

Mission

Nachtleben verschönern

Opfer von sexueller Belästigung im Nachtleben können sich in Innsbruck – wie in zahlreichen anderen österreichischen und deutschen Städten – mittels Codewort an das Personal wenden, das geschult wurde, die richtigen Schritte einzuleiten.

www.luisa-ist-hier.at

POLITIK DES WANDELS


Markt der Zukunft Am 10. Und 11. Oktober finden im Rahmen des Markt der Zukunft anregende Diskussionen statt. Akteur*innen und Bürger*innen treffen sich am Samstag zu einem praxisorientierten Dialogforum mit mehr als 40 Zukunftsinitiativen und Unternehmen aus ganz Österreich (S. 53 - 55). Begleitet wird der Markt der Zukunft von Expert*innen-Tischgesprächen (S. 57), Schwerpunkt-Diskussionen (S. 58) und einem künstlerischen Programm (S. 56). Informationen zu Programm und Anmeldung finden Sie unter www.marktderzukunft.at Das detaillierte Programm können Sie der Rückseite des Magazins entnehmen.

MARKT DER ZUKUNFT

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PROGRAMM

Bürger*innenforum Im Bürger*innenforum des Markt der Zukunft präsentieren mehr als 40 österreichische Initiativen und Unternehmen ihre Konzepte für eine nachhaltige Zukunft. 20 dieser Projekte – ausgewählt im Rahmen der Initiative Reparatur der Zukunft von Österreich 1 – werden an anderen Stellen des Magazins vorgestellt. Die folgenden Projekte, ebenfalls den Themenfeldern Ökologie und Klimaschutz, Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft, Neue Sozial- und Bildungsmodelle, Alternative Wirtschafts- und Arbeitsmodelle zugeordnet – stammen allesamt aus der Steiermark und „reparieren” die Zukunft auf besondere Weise. www.marktderzukunft.at

Breathe Earth Collective Das international tätige und in Graz ansässige Breathe Earth Collective wurde nach der Realisierung des österreichischen Pavillons „Breathe. Austria“ auf der Mailänder Expo 2015 gegründet. Das Kollektiv arbeitet transdisziplinär als offenes Netzwerk von DesignerInnen mit flachen Hierarchien, um komplexen Aufgabenstellung im Themenfeld Luft, Klima und Stadt zu begegnen. Am MDZ ist das Kollektiv mit einer lebendigen künstlerischen Intervention im Kunsthaus vertreten, außerdem im Bürger*innenforum sowie bei den Tischgesprächen. [Interview S. 24]

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Brauchst-Bankerlfest 2020 vor dem nachhaltigen Design-Shop Kwirl. 11.10., 12-18 Uhr; Mariahilferstraße 11. Keine Anmeldung erforderlich.

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Apus Apus entwickelt Software-Lösungen für komplexe Probleme, die das Leben der Menschen besser machen wollen, und übernimmt dabei Planung und Umsetzung. Das Unternehmen in Tobelbad legt Wert auf eine Kultur des Miteinander und ethische Digitalisierung. apus.co.at

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akaryon Das Unternehmen in Langenwang arbeitet seit 1999 an der Vernetzung und Verbreitung von Ideen mittels Internettechnologien. Die IT-Unternehmer sehen sich als “angewandte Nachhaltigkeitsforscher” und Umwelt-Informatiker, entwickeln Produkte und Dienstleistungen, etwa im Bereich Energieversorgung, die dabei helfen, umweltfreundlich zu handeln. akaryon.com

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ESIT – Erste Steirische IT-Genossenschaft Die ESIT, die Erste Steirische IT-Genossenschaft in Semriach, ist ein Gemein­schafts­projekt von IT-Dienstleistern, die als Genossenschaft zusammen­ arbeiten. Gemeinsam bieten sie Kund*innen ihre Services an und legen dabei besonderen Wert auf Fairness und Transparenz.

it-werker.at

FAIR-Teiler – foodsharing Die „FAIR-Teiler“ sind Kästen und/oder Kühlschränke, die in der Öffentlichkeit aufgestellt werden. Jede und jeder kann dort Lebensmittel hinterlegen bzw. mitnehmen, was andere geteilt haben, und so Lebensmittel-Verschwendung vermeiden.

foodsharing.at

breatheearth.net FGM – Forschungsgesellschaft Mobilität

Brauchst Brauchst bezeichnet sich selbst als Gestaltungswerkstatt. Das Unternehmen aus Graz plant und gestaltet Innenräume, baut Prototypen und Möbel und erstellt Einrichtungskonzepte, Drucksorten und Homepages. Ihre 2017 gestartete Initiative 280.000 Bankerl für Graz schafft mehr Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum.

dasGramm & dasDekagramm Das Gramm ist eine verpackungsfreie Greißlerei in der Grazer Innenstadt, im „Erlebnissupermarkt” dasDekagramm bekommt man alles für den Großeinkauf – ebenfalls verpackungsfrei. Mit Online-Shop.

dasgramm.at

Die FGM arbeitet an zielorientierten, kostengünstigen und vor allem nachhaltigen Lösungen für anstehende Verkehrsprobleme – bei Betriebsansiedlungen ebenso wie im schulischen Umfeld. Dabei kooperiert die FGM eng mit Bürgerinnen und Bürgern, NGOs und der Politik.

fgm.at

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MARKT DER ZUKUNFT


PROGRAMM

Managerie | Stadtteilprojekt Annenviertel

garbage.city.death

Die Managerie in Graz hilft Menschen, ihre Ideen für kulturelle, künstlerische oder soziale Projekte umzusetzen und unterstützt durch Beratung und Organisation. Als Motorin des Stadtteilprojekts Annenviertel setzt ManagerieGründerin Maria Reiner seit Jahren beständig innovative und lustvolle Impulse für ein Zusammenleben in Vielfalt.

garbage.city.death stellt die utopische Frage, ob sich Zukunft wieder stark machen lässt, indem Bürger*innen ihre Stadt reparieren. Mittels Workshops, City Walks und einer Stadt-Reparatur-Konferenz sammelt die Initiative Ideen und Reparaturvorschläge.

kulturjahr2020.at/projekte/garbage-city-death-eine-stadt-reparieren/

GRAZ repariert | ARGE Abfallvermeidung Das 2018 gegründete Reparaturnetzwerk „GRAZ repariert” besteht derzeit aus 44 Mitgliedsbetrieben und vier Initiativen (Repair Cafés). GRAZ repariert bietet u.a. Reparaturdienstleistungen für Fahrräder, Fotoequipment, Handy, Haushaltsgeräte, HIFI und TV, Möbel, Musikinstrumente, IT und Bürobedarf an. Die ARGE Abfallvermeidung bietet Schulungen zum Ehrenamtlichen Abfallcoach für Menschen an, die sich für besseren Umgang mit Müll in ihrer Umgebung einsetzen wollen. Am Markt der Zukunft richten GRAZ repariert und die ARGE Abfallvermeidung in Kollaboration mit dem Institut für Produktion und Logistik der Uni Graz eine Reparaturwerkstatt ein. Mit: Muchar Upcycles (Fahrräder), TSF Technisches Service GmbH (Haushaltsgeräte), B&S Videotechnik (Unterhaltungselektronik), Elke Psenner (Kleidung); Repair Café Graz.

Hofkollektiv Wieserhoisl Im 2006 entstandenen Hofkollektiv Wieserhoisl bei Deutschlandsberg leben die Mitglieder selbstorganisiert und hierarchiefrei in einem Haushalt, betreiben subsistenzorientierte BioLandwirtschaft und teilen allfällige Überschüsse im Netzwerk. Die Vision: eine solidarische und zukunftsfähige Gesellschaft.

wieserhoisl.at Institut für Nachhaltiges Wirtschaften Eine nachhaltige Entwicklung setzt voraus, dass sich auch unsere Art des Wirtschaftens verändert. Das Institut für Nachhaltiges Wirtschaften entwickelt und verbreitet daher Instrumente, die erfolgreiche Unternehmen nachhaltiger und nachhaltige Unternehmen erfolgreicher machen. Im Mittelpunkt steht dabei die Glaubwürdigkeit.

Spaziergang zum Thema „Stadt zusammen gestalten“. 10.10., 13-15 Uhr; Treffpunkt: MDZ-Rezeption, Kunsthaus Graz. Anmeldung unter: 0650 3054725.

managerie.at | annenviertel.at

Marienambulanz der Caritas Steiermark Die Marienambulanz in Graz bietet Menschen, die keine Krankenversicherung haben oder aus verschiedenen Gründen das öffentliche Gesundheitssystem nicht nutzen können, allgemeinmedizinische Erst- und Grundversorgung an.

caritas-steiermark.at/marienambulanz/

nachhaltiges-wirtschaften.at

10.10.,12-17 Uhr; Space 04, Kunsthaus Graz.

grazrepariert.at | arge.at

Himal Hemp Himal Hemp ist ein gemeinwohlorientiertes Design- und Handelsunternehmen für Slow Fashion und Accessoires. Seine Produkte produziert das Unternehmen auf Basis natürlicher und recycelter Materialien, fair und in Kooperation mit unabhängigen Workshops in Nepal. Showcase der Himal Hemp Produkte. 10.10., 12-17 Uhr; Mariahilferstraße 28. Keine Anmeldung erforderlich.

himalhemp.com

MARKT DER ZUKUNFT

Nachhaltig in Graz

MAKAvA delighted ice tea Makava ist eine Getränkefirma, deren vegane Eistees in recyclebaren oder Mehrweg-Glasflaschen verkauft werden. Das Unternehmen ist den Grundsätzen der Gemeinwohlökonomie verpflichtet und handelt fair.

makava.at

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Der ehrenamtlich geführte Verein möchte alle Menschen unterstützen, die in Graz nachhaltig(er) leben wollen. Zu diesem Zweck werden auf der Webseite sowie über eine mobile App Geschäfte vorgestellt, die nachhaltig und verpackungsarm arbeiten, die reparieren oder upcyclen.

nachhaltig-in-graz.at


PROGRAMM

STROHBOID Strohboid entwickelt, produziert und vermarktet Bausysteme aus nachhaltigen und CO2-neutralen Materialien für die Tourismus- und Eventbranche. Das im Fehringer Cambium-Kollektiv angesiedelte Unternehmen bietet formschöne und wetterfeste Lounges, Zelte, Pavillons und sogar ganze Chalets aus natürlichen Baustoffen an.

strohboid.com

nahgenuss

Transition Graz

nahgenuss bietet eine Plattform über die Kund*innen Bio-Fleisch sowie Bio-Wein aus der Steiermark direkt beim Bauernhof ihrer Wahl kaufen können. Sie können die Produkte online bestellen und nachverfolgen woher diese kommen. Ziel ist u.a. die Stärkung familiärer Kleinbetriebe.

Der Verein Transition Graz ist Teil der globalen Transition-Bewegung. Transition steht dafür, sich auf lokaler Ebene – Nachbarschaft oder Stadtteil, Dorf und Gemeinde, Region – Gedanken darüber zu machen, wie wir leben möchten und wie wir im Einklang mit den planetaren Grenzen leben können. Aktuelle Projekte: Unterstützung der Projekte DorfUni, Transformation durch Kooperation sowie City of Collaboration und Forum Urbanes Gärtnern.

nahgenuss.at

Smart Management

facebook.com/transitiongraz

Smart Management bietet Coachings und Beratung für Firmen an und begleitet diese bei Transformationsprozessen hin zu einer sinnorientierten Unternehmensführung und mehr Zukunftsfähigkeit.

smartmanagement.jetzt

Social Business Club Styria | Compuritas Der Social Business Club Styria versteht sich als Kompetenzzentrum und Drehscheibe für Social Business und Social Entrepreneurship. SBCSGeschäftsführer Rüdiger Wetzl-Piewald ist auch der Gründer von Compuritas, des vielfach ausgezeichneten Anbieters professionell erneuerter EDV-Hardware in Graz.

sbcs.at | compuritas.at

StadtLABOR Graz & green.LAB Graz Das Stadtlabor Graz ist ein Innovationslabor für nachhaltige und lebenswerte Städte und Gemeinden, das als Schnittstelle zwischen Stadtverwaltung, Bauträgern, Unternehmen und Bürger*innen tätig wird. Das mit Partnern 2018 realisierte green.LAB in der „Smart City” Waagner-Biro bietet Interessierten die Möglichkeit, grüne Infrastruktur als wichtige Maßnahme zur Klimawandelanpassung in Städten zu erleben.

stadtlaborgraz.at

Initiativen und Pionier*innen vernetzt Die Plattform steiermark.gemeinsam.jetzt, seit März 2017 online, will „Pionier*innen des Wandels” unterstützen. Fast 300 steirische Initiativen, die sich für Alternativen in den Bereichen Ernährung, Gesellschaft, Kultur, Ökologie, Politik, Raum oder Wirtschaft einsetzen, finden sich auf der Website. „Vertrauen ins Miteinander legen“, fasst Gründungsmitglied Wolfgang Kogler die Chancen der Initiative zusammen. Denn es gibt sie, die Menschen, die neue Lösungen für ein besseres Miteinander erproben. Oft sind sie aber zu wenig sichtbar. Hier setzt steiermark.gemeinsam.jetzt an und informiert über Ziele, Angebote und Veranstaltungen der Mitglieder. steiermark.gemeinsam.jetzt

Verpackungszentrum Graz Das Grazer Unternehmen fertigt Netze, Sackerl, Becher und andere Verpackungen aus Stoffen wie Algen, Pflanzen oder Holz. Damit ist das Verpackungszentrum führend in der Entwicklung und im Vertrieb von biogenen Verpackungen.

vpz.at

ZweckZwei ZweckZwei aus Fladnitz setzt auf Kreislaufwirtschaft ohne energieintensives Recycling und will Rest-, Wert- und Altstoffe von steirischen Betrieben retten. Aus diesen sollen nach einer Prototypingphase Designprodukte – Leuchten oder Instrumente – in Kleinserien produziert werden.

zweckzwei.at

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MARKT DER ZUKUNFT


PROGRAMM

Künstlerisches Programm Aldo Giannotti: Going VIRAL Aldo Giannottis VIRAL ist die tagebuchartig geführte zeichnerische Reflexion über die Zeit des Lockdowns in Folge der CoronaPandemie. In seinen Arbeiten beobachtet Giannotti das sich rasch verändernde Tagesgeschehen im Spiegel seines eigenen Lebens. Aldo Giannotti im Gespräch mit Katrin Bucher Trantow. 10.10., 10 - 11 Uhr; Space 04, Kunsthaus Graz

studio ASYNCHROME & Schüler*innen der HLW Schrödinger: Die Zukunft gehört uns!

Theater im Bahnhof: Die Marktstandler – ein Leitsystem stellt Fragen

Die Bilder, die uns täglich begleiten, illustrieren auf dramatische Weise die Folgen der Klimakrise. Für die Schüler*innen der HLW Schrödinger, die in diesem kollaborativen Projekt mit dem Künstler*innenduo studio ASYNCHROME zusammenarbeiten, sind diese Bilder Aufruf zum Handeln – Protesttafeln, Collagen und pointierte Kommentare werden zu einer Installation. Marleen Leitner und Michael Schitnig gründeten 2013 das „transdisziplinäre Projekt“ studio ASYNCHROME, um „mit der Utopie als kritische, künstlerische Methode” zu arbeiten.

Fünfzehn Marktstandler und so viele Themen. Klimaschutz und trotzdem Urlaub. Das Gemüse im eigenen Garten und das Solarpanel am Nachbardach. Oder gleich ganz „aussteigen“? Das Theater im Bahnhof hat mit den Markstandlern (Studierende der FH JOANNEUM) ein Konzept zur Betreuung des Publikums erarbeitet. Team: Johanna Hierzegger, Lorenz Kabas

10.10., 12 - 17 Uhr; Kunsthaus Graz

ILLUSTRATION NINA VOBRUBA

10.10., 12 - 17 Uhr; Space 01, Kunsthaus Graz

Oliver Ressler: Not Sinking, Swarming

Wer einen Garten anlegt, entwirft sein Wunschbild der Welt. Im Einklang mit dem neuen ökologischen Bewusstsein ist für Gilles Clément der Garten der Zukunft unser gesamter Planet, sein/e Gärtner*innen sind die ganze Menschheit. In diesem Garten sind Gärtner*innen nicht Herr, sondern gleichberechtigter Teilhabende des Lebens im Garten. Eine Hommage an das Leben und eine Einladung an die Müßiggänger, die angeblich Nutzlosen und die Langsamen, den Garten von morgen zu bauen. In Zusammenarbeit mit Zotter Schokoladen Manufaktur. 10.10., 12 - 17 Uhr, 11.10., 13-21 Uhr; Kunsthaus Graz

MARKT DER ZUKUNFT

Oliver Ressler im Gespräch mit Wolfgang Schlag. 10.10., 11 - 12 Uhr; Camera Austria

Breathe Earth Collective: We plant Air Mit der Bauminstallation We plant Air gestaltet das Breathe Earth Collective einen Mikro-Wald aus Baumsetzlingen. Die Besucher*innen sind eingeladen, am „CrowdForesting“, der Aufforstung der Stadt, teilzunehmen, die kleinen Obst- und Waldbäume aus dem Kunsthaus mitzunehmen und Baumpaten zu werden. 10.10., 12 - 17 Uhr; Space 01, Kunsthaus Graz

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FOTO ZWEINTOPF

Nina Vobruba: Der Planetarische Garten

In der Veranstaltung werden erstmals Auszüge aus dem in Arbeit befindlichen Film Not Sinking, Swarming gezeigt. Der Ausgangspunkt von Ressler‘s Films ist eine vierstündige Versammlung in Madrid, in der im Oktober 2019 unterschiedliche Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung eine gemeinsame Aktion des zivilen Ungehorsams vorbereiteten. zweintopf: Skulptur für einen Stein Der Versuch, sich der Beschaffenheit der Welt über die Materialität der alltäglichen Dinge anzunähern und dabei selbst den billigsten Massenprodukten Ästhetik abzutrotzen: Das Künstler*innenduo zweintopf baut aus acht Partyzelten, jenen äußerst zerbrechlichen Symbolen unserer Wegwerfgesellschaft, eine modernistische Skulptur und rollt sie einen Hügel hinauf. Das lässt uns an jenen nimmermüden Helden denken, der sich seit der Antike abarbeitet an der Welt. Und an Albert Camus, der in diesem Sisyphos einen glücklichen Menschen erkennen wollte. 10.10., 10 - 18 Uhr, 11.10., 13 - 21 Uhr; Foyer, Kunsthaus Graz


PROGRAMM

Tischgespräche Die Tischgespräche versammeln 11 lokale Expert*innen, die sich in ihrer Arbeit mit Themen der nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Besucher*innen können mit diesen 30-minütige Gesprächen buchen. Ausgangspunkt jedes Themas ist eine kleine Speise, kreiert, zubereitet und serviert von jungen Menschen, die im inklusiven Projekt TALENTEKÜCHE in Ausbildung stehen. 10.10., 15 - 17 Uhr; Camera Austria INFORMATIONEN ZUR ANMELDUNG UNTER WWW.MARKTDERZUKUNFT.AT

DIE EXPERT*INNEN

Daniela Brasil & Anthony Saxton

LAURA BÄUML Mitbegründerin, Kontra.Punkt – Verein für kritische Bildung, Graz Kritische Bildungsarbeit als Möglichkeit der Intervention

HEINZ MAYER Institutsdirektor DIGITAL, JOANNEUM RESEARCH Die Vermessung der Welt oder eine Welt voller intelligenter Sensoren

CHRISTINA EHGARTNER Mitbegründerin, Hofkollektiv Wieserhäusl, Deutschlandsberg Von der Vielfalt im Garten zur Vielfalt am Teller

TOMAS STOISSER Landschaftsplaner, Mitbegründer Cambium. Leben in Gemeinschaft, Fehring Und immer wieder wenn der Regen kommt…

HEIMO ECKER-ECKHOFEN Energieexperte, Geschäftsführer EckerEckhofen Unternehmensgruppe, Graz/ Mellach Energie aus Luft, Wasser und Boden

KARL STOCKER Institutsleiter Design & Kommunikation, FH JOANNEUM, Graz Design für eine bessere Welt

TISCHGESPRÄCH Eine kulinarisch-künstlerische Arbeit in Kooperation mit Studierenden der TALENTEKÜCHE YOU EAT WHAT I EAT WHAT THEY EAT WE DON’T

Geschmack, Gerüche und Erinnerungen verbinden unsere Mägen und Herzen mit der Artenvielfalt der Erde und mit der Logik des Mangels und des Wohlstands die die Lebensmittelproduktion bestimmt. Dieses Menü ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage, wie Lebensmittel die Welt gestalten und lädt Gäste und Gastgeber zu einem Gespräch darüber ein, wie bessere Zukünfte geschaffen werden können.

LAILA HUBER Lehrende am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Universität Graz und Christina Deutschl, Projektmanagerin, ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus, Graz Orte der Begegnung / Gemeinsame Plätze MARKUS JESCHAUNIG Mitbegründer, Breathe Earth Collective, Graz Die Atmende Stadt

EVELYN TSCHERNKO Kultur & Bildungsreferentin, Afro-Asiatisches Institut Graz Zwischenwelten NINA VOBRUBA Künstlerin, Mitbegründer Cambium. Leben in Gemeinschaft, Wien/Fehring Leben in Gemeinschaft JOSEF ZOTTER Chocolatier, Riegersburg Ein Kopfstand mit Schokolade

10.10., 15 - 17 Uhr; Camera Austria

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MARKT DER ZUKUNFT


PROGRAMM

Diskussionen MODERATION MARLENE NOWOTNY (Ö1 WISSENSCHAFTSREDAKTION, SCIENCE.ORF.AT).

FOTO VEDRAN PILIPOVIC

Gesundheitsversorgung von morgen Privatisierungen in Bereichen des Gesundheitssystems haben in einigen Ländern am Höhepunkt der CoronaPandemie die negativen Auswirkungen einer „Ökonomisierung des Sozialen“ (Andreas Reckwitz) aufgezeigt. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für unsere Gesundheitsversorgung von morgen? Was kann die Forschung zu einer hochwertigen und effizienten Patientenversorgung beitragen? Wie kann gewährleistet werden, dass dieses Gesundheitssystem solidarisch und gemeinschaftsorientiert ist? Mit: Landesrätin Dr.in Juliane Bogner-Strauß, Dr.in Eva Czermak (Organisatorische Leitung, Marienambulanz), Dr.in. Angela Huber-Stuhlpfarrer (Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Schulärztinnen und Schulärzte Österreichs), Ass.-Prof. Dr. Wolfgang Köle (Ärztlicher Direktor, Stmk. Krankenanstaltenges.m.b.H.), Univ.-Prof. Dr.med.univ. Alexander Rosenkranz (1. stv. Klinikvorstand, Universitätsklinik für Innere Medizin), Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg (Rektor, Medizinische Universität Graz).

Melisa Erkurt hat mit „Generation Haram” gerade das Buch der Stunde veröffentlicht. Um 19 Uhr diskutiert sie im Kunsthaus zum Thema Utopien.

11.10., 13 - 15 Uhr; Space 04, Kunsthaus Graz

Wie beeinflussen Forschung und Innovation unser Leben von morgen? Forschungseinrichtungen aus den Bereichen Technologie und Innovation in Graz und der Steiermark entwickeln seit Jahrzehnten Methoden und Werkzeuge, die zu einer nachhaltigen Transformation der Gesellschaft beitragen können. Welche Rolle spielen diese Einrichtungen auf dem Weg zu einer wissensbasierten, ökologisch ausgerichteten Wirtschaft? Welche Konsequenzen und Herausforderungen ergeben sich für Forschung und Industrie angesichts des Klimawandels?

Utopien - Wege in eine bessere Zukunft? Der Schwerpunkt „Utopie. Konferenz für praktische Kritik“ des Forum Stadtpark widmet sich Fragen zu einem „Anders- und Neudenken von Utopien“ angesichts der aktuellen weltweiten, gesellschaftlichen Herausforderungen, verstärkt u.a. durch Wirtschaftskrisen, Klimakrise und Pandemie. Die erste Ausgabe des Markt der Zukunft setzt sich zum Ziel, Handlungsmöglichkeiten zu einer ökosozialen Transformation der Gesellschaft aufzuzeigen. In der daraus resultierenden Notwendigkeit, die Potenziale von Gemeinschaften und die Kraft des „Wir“ zu stärken, treffen sich diese beiden Veranstaltungen und Initiativen.

Mit: Univ.-Prof. Dr. Lars-Peter Kamolz M.Sc. (Präsident der Leitenden Krankenhausärzte Österreichs), Univ.-Prof. Dipl.Ing. Dr.techn. Dr.h.c. mult. Harald Kainz (Rektor, TU Graz), Mag. Martin Mössler (Geschäftsführer, Science Park Graz), DI Erwin Kubista (Prokurist, JOANNEUM RESEARCH), Mag.a Caroline Schober-Trummler (Vizerektorin für Forschung und Internationales, Medizinische Universität Graz), Dr. Jakob Schwarz (Stv. Klubobmann des Grünen Klubs im Parlament).

Mit: Melisa Erkurt (Journalistin und Autorin), Manya Ghahremani (Mitbegründerin, Parents for Future), Markus Gönitzer (Forum Stadtpark – Graz), Oliver Ressler (Künstler, Wien), Univ.-Prof. Dr.in Petra Schaper-Rinkel (Vizerektorin für Digitalisierung, Karl-Franzens-Universität Graz).

11.10., 19 - 21 Uhr; Space 04, Kunsthaus Graz

11.10., 16 - 18 Uhr; Space 04, Kunsthaus Graz

MARKT DER ZUKUNFT

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IMPRESSUM MDZ - das Magazin zum Markt der Zukunft ist ein Projekt von Kulturverein 21 und des Studiengangs Journalismus und PR der FH JOANNEUM. Projektleitung: Thomas Wolkinger Chefredaktion: Christina Harrich, Walburga Plunger Chefin vom Dienst: Eva Sappl Textchefs: Valentin Bayer, Maximilian Schenner Redaktion: Daphne Brandstätter, Erik Derk, Anna Dunst, Rebecca Gahr, Hanna Gugler, Florian Jauk, Paul Jaunegg, Anja Leitner, Katharina Lugger, Florian Niedermair, Jakob Thaller Illustrationen: Maria Bola, Aldo Giannotti Verantwortlicher i.S.d Mediengesetzes: Thomas Wolkinger, FH JOANNEUM, Institut Journalismus und PR, Alte Poststraße 152, 8020 Graz | Institutsleitung: Prof. Mag. Dr. Heinz M. Fischer Art Direction & Gestaltung: Anna Eber, Lena Herber, Yuliya Hofer, Andrea Pfleger, Rosalie Siegl Layout: Lena Herber

Druck: Der Schmidbauer, Oberwart Nach den Kriterien des österreichischen Umweltzeichens (UZ 24) bzw. nach den Richtlinien einer verantwortungsvollen und nachhaltigen Waldbewirtschaftung unter Gewährleistung ökologischer, sozialer und ökonomischer Standards (PEFC und FSC). Papier: Crush corn und Nautilus classic Bildcredits: Bildnachweise direkt an den Abbildungen

Das Projekt Markt der Zukunft wurde in enger Zusammenarbeit mit den Instituten Design und Kommunikation sowie Journalismus und PR der FH JOANNEUM realisiert. Wir danken Karl Stocker, Erika Thümmel, Thomas Wolkinger und ihren Studierenden für das Mitdenken und Mitarbeiten an einem neuen Festival in einer herausfordernden Zeit. Web: www.marktderzukunft.at

PRODUKTION Der Markt der Zukunft ist ein Projekt von Birgit Lurz und Wolfgang Schlag (Kulturverein 21). Produktionsassistenz: Christopher Fleck Raumkonzepte: Miriam Bacher, Chrisoila Chatzopoulou, Theres Hausharter, Annemarie Neher, Katherina Lazarou, Carina Schepella, Theresa Steiner, Erika Thümmel CI, Design & Gestaltung: Sigrid Bürstmayr, Anna Eber, Lena Herber, Yuliya Hofer, Anika Kronberger, Andrea Pfleger, Rosalie Siegl, Karl Stocker

WIR DANKEN UNSEREN FÖRDERERN, SPONSOREN UND PARTNERN:

Medienpartner


Programm Samstag, 10. Oktober

Sonntag, 11. Oktober

10 Uhr

10-12 Uhr

Going VIRAL, Aldo Giannotti im Gespräch mit Katrin Bucher Trantow Space 04, Kunsthaus Graz

11 Uhr Not Sinking, Swarming, Oliver Ressler im Gespräch mit Wolfgang Schlag [Interview S. 12] Camera Austria

10-17 Uhr Videoinstallation Ö1-Reparatur der Zukunft ausgewählte Projekte Space 04, Kunsthaus Graz

12-17 Uhr Künstlerische Arbeiten von Daniela Brasil & Anthony Saxton, Breathe Earth Collective [Interview S.24] , studio ASYNCHROME & Schüler*innen der HLW Schrödinger, Theater im Bahnhof (TiB), Nina Vobruba und zweintopf Foyer, Space 01, Kunsthaus Graz, Camera Austria

12-15 Uhr Bürger*innenforum [Beteiligte Initiativen auf Seiten 53-55]

Space 01, Kunsthaus Graz

12-17 Uhr Reparaturwerkstatt in Kooperation mit GRAZ repariert, Umweltamt der Stadt Graz Space 04, Kunsthaus Graz

12-17 Uhr Showcase Himal Hemp Mariahilferstraße 28

13-15 Uhr Viertelspaziergang „Stadt zusammen gestalten” mit Maria Reiner Treffpunkt: MDZ-Rezeption, Kunsthaus Graz

15-17 Uhr Tischgespräche [Expert*innen auf S.57] Camera Austria

Coaching und Mentoring von 20 ausgezeichneten Projekten die aus der Ö1-Initiative Reparatur der Zukunft hervorgegangen sind durch FH JOANNEUM und TU Graz Needle, Kunsthaus Graz

10-21 Uhr Videoinstallation Ö1-Reparatur der Zukunft ausgewählte Projekte Space 04, Kunsthaus Graz

12-18 Uhr Bankerlfest 2020 von Brauchst Kwirl, Mariahilferstraße 11

13-15 Uhr Diskussion Gesundheitsversorgung von morgen. In Kooperation mit Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, JOANNEUM RESEARCH, Medizinische Universität Graz u.a. Space 04, Kunsthaus Graz

16-18 Uhr Diskussion Wie beeinflussen Forschung und Innovation unser Leben von morgen? In Kooperation mit Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, JOANNEUM RESEARCH, Science Park Graz, TU Graz, u. a. Space 04, Kunsthaus Graz

19-21 Uhr Diskussion Utopien – Wege in eine bessere Zukunft? In Kooperation mit Forum Stadtpark Graz [Teilnehmer*innen aller Diskussionen auf S.58] Space 04, Kunsthaus Graz


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