ÜBERSETZEN Sprachforschung Alphabetisierung Bibelübersetzung Das Journal von Wycliffe Schweiz
Foto: Alex E. Proimos, Flickr
3/2017
Wir übersetzen Hoffnung
«Weil er sich schämt» Alltag bei den Daba in Nordkamerun: Statt fliessendem Wasser hatten wir unseren Wasserträger. Er pumpte jeweils Wasser am Brunnen und brachte es uns ins Haus. Eines Tages erschien er nicht, obwohl er am Tag zuvor versprochen hatte zu kommen. Wir fragten nach, wo er wohl sei. Die Antwort: Er sei fort ins Nachbardorf, der Chef habe ihn dorthin geschickt. «Aber weshalb hat er uns das nicht vorher gesagt?» – «Weil er sich schämt.» Dies ist ein Erlebnis, das Ruth Lienhard im Buch «Ehre, Scham und Harmonie» erzählt. Ruth Lienhard und ihre Arbeitskollegin Marti Giger lebten ab 1973 zwanzig Jahre bei den Daba, um mit ihnen zusammen ihre Sprache zu analysieren, eine Orthographie zu erarbeiten, ein Leselernprogramm aufzubauen und das Neue Testament zu übersetzen. Mit der Zeit entstanden in vielen Dörfern christliche Gemeinden. Was den beiden Frauen auffiel: Christen, die eine
«grosse Sünde» begangen hatten, verliessen nicht nur die Gemeinde, sondern oft sogar das Dorf. Als Grund galt immer die mit der Sünde verbundene Schande. Selten kamen solche Personen wieder ins Dorf zurück. Noch irritierender: Es war normal für die Daba, dass sich Menschen aufgrund von Schande aus der Gemeinschaft ausschlossen, «es ist halt so». Gab es keine Lösung? Wie konnten solche Leute wieder aufgenommen werden? Die Daba sind weit weg in Afrika, aber unterdessen ist ihre Denkweise mit den Einwanderern auch bei uns angelangt. Viele Konflikte zwischen Menschen verschiedener Kulturen sind auf grundsätzlich verschiedene Prägungen zurückzuführen. Ruth Lienhards Einsichten aus ihrer Dissertation, ergänzt durch die Erfahrungen anderer Autoren (siehe unten), können helfen, Einwanderer in Europa besser zu verstehen und mit ihnen zusammenzuleben. Ruths Arbeit zeigt auch auf, dass jemand aus einer andern Kultur die Bibel anders liest