32 WIRTSCHAFT
Zentralschweiz am Sonntag
10. Mai 2009 / Nr. 19
10. Mai 2009 / Nr. 19
WIRTSCHAFT 33
Zentralschweiz am Sonntag
FÜR DIE GANZE WELT
Facebook, MySpace & Co.
Die Zeit der Gratis-Kultur im Internet ist schon bald vorbei Hunderte Millionen von Menschen verständigen sich über soziale Internet-Netzwerke. Noch tun sie das gratis. Das aber dürfte sich ändern, sagt die Expertin. INTERVIEW VON SVEN GALLINELLI
Andrea Iltgen, die Beliebtheit einzelner sozialer Internet-Netzwerke unterscheiden sich von Land zu Land. Warum setzt der Amerikaner vor allem auf MySpace, derweil viele Europäer Facebook den Vorzug geben? Andrea Iltgen*: Ein Grund ist, dass MySpace länger auf dem Markt ist: Das Netzwerk gibt es seit dem Juli 2003. Facebook folgte zwar nur wenig später im Februar 2004, wurde aber erst 2006 für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Amerikaner waren uns voraus und haben sich früher als die Europäer mit dem Thema sozialer Internet-Netzwerke befasst. Wenn sich die Benutzer einmal für ein Netzwerk entschieden haben, dann wechseln sie eher selten oder löschen ihren Account bei einem Wechsel nicht – was dann den Anschein erweckt, dass die Userzahlen bei einem Portal wie MySpace konstant bleiben. In der Schweiz hingegen sind viele Menschen erst mit Facebook in die Welt sozialer Netzwerke eingestiegen.
Anzahl Mitglieder: ca. 200 Millionen – das Netzwerk mit der weltweit besten Abdeckung Gründungsjahr: 2004 Besitzer: Facebook Inc., Palo Alto, Kalifornien; 700 Mitarbeiter Finanzierung: Umsatz 2008 ca. 300 Millionen US-Dollar Schätzung) – arbeitet aber bislang nicht Gewinn bringend
andere in spezifischen Sprachen herausgekommen sind. So zum Beispiel in vielen osteuropäischen Ländern, wo es sehr viele kleine Sprachgruppen gibt. Oder in Deutschland, wo das boomende Wer-kennt-wen viel besser ankommt ist als Facebook. Äusserst beliebt bei Jugendlichen ist auch Netlog, vermutlich auch, weil es früh in sehr vielen Sprachen (heute etwa 20) verfügbar war. Viele jugendliche Migranten halten über das Netzwerk Kontakt mit ihrer Heimat.
www.facebook.com
FÜR MUSIK-LIEBHABER
Was zeichnet ein gutes soziales Internet-Netzwerk heute aus? Iltgen: Das wichtigste Kriterium für einen Benutzer ist, dass er möglichst viele seiner persönlichen Kontakte in einem solchen Netzwerk wiederfindet. Ein Netzwerk kann noch so tolle Funktionen bieten – wenn ich da niemanden finde, den ich kenne, dann mache ich da nicht mit. Auch wollen die Benutzer aktiv das Netzwerk entwickeln; etwas, das Facebook schon früh erkannt und angeboten hat. Doch auch Datensicherheit dürfte eine Rolle spielen. Die Leute werden in dieser Beziehung immer sensibler, gerade in Europa.
Bei der Datensicherheit sorgte Facebook für Schlagzeilen, als die Firma ankündigte, sie wolle die Daten der Benutzer intensiv nutzen, um damit Geld zu verdienen. Soziale Netzwerke sind heute defizitär und müssen sich Facebook ist zum weltweit dominantes- folglich neue Geldquellen erschliessen. ten Netzwerk geworden. Woran liegt Lässt sich die zunehmende Kommerziadas? lisierung mit den Bedürfnissen der BeIltgen: Facebook bietet genau das, was nutzer vereinbaren? die Leute wollen. Es vereint viele FunkIltgen: Man kann durchaus ein komtionen wie Chat, «eimerzielles Netzwerk gene Website», Nachsein, ohne dass man richten, Foto- und fahrlässig mit den Video-Sharing und Benutzerdaten umvieles mehr auf einer gehen muss. Ein BeiPlattform. Und es spiel ist die Plattform gibt den Mini-Feed, Xing. Xing hat kosder laufend aktualitenpflichtige Premisiert wird und zeigt, um-Konten eingewas die eigenen richtet, die von imFreunde so treiben. merhin fast 10 ProDas gab es so lange zent der User bein keinem anderen nutzt werden. Damit «Immer mehr Menschen sozialen Netzwerk. schreibt das Unterüber 50 melden sich bei Zudem hat Facebook nehmen schwarze schon früh die Zahlen, und das seit Facebook an.» Schnittstellen für exJahren. A N D R E A I LT G E N terne Applikationen geöffnet; die BenutXing richtet sich aber zer können so selber Programme entwi- vor allem an Menschen im Business-Beckeln und das Netzwerk den eigenen reich. Wünschen anpassen. Weiter zählt auch Iltgen: Ein ähnliches Modell könnte die Anzahl der Nutzer: Je mehr Leute aus auch auf Facebook funktionieren. Den dem eigenen Bekanntenkreis einem be- Benutzern muss klar werden, dass die stimmten Netzwerk angehören, desto Infrastruktur, um ein soziales Netzwerk höher der Nutzen für den Einzelnen. zu betreiben, nicht gratis zu haben ist. Und dass man darum gewisse Dienste Es gibt auch viele Länder, in denen es nur gegen Geld haben kann. So könnte Facebook nicht zum Marktführer ge- man Premium-Usern unbegrenzten bracht hat. Gerade in Europa haben in Speicherplatz anbieten oder Seiten, die kleineren Ländern lokal orientierte von Firmen benutzt werden, kostenNetzwerke mehr Erfolg. pflichtig machen. Ein solches BusinessIltgen: Das dürfte an der Sprache Modell wäre gut tragbar. Auch mit Werliegen: Es gibt Netzwerke, die früher als bung können Einnahmen generiert wer-
Anzahl Mitglieder: ca. 253 Millionen – beliebt vor allem bei Musikschaffenden in Nordamerika Gründungsjahr: 2003 Besitzer: News Corporation, New York; ca. 300 Mitarbeiter sind für MySpace zuständig Finanzierung: unbekannt; ein Deal mit Google soll aber ca. 900 Millionen Dollar jährlich einbringen www.myspace.com
FÜR SÜDLÄNDER
Musikliebhaber restorm.com ein weiteres Profil anlegt.
den. Die User haben nicht prinzipiell etwas gegen Werbung. Nur wenn sie das Gefühl haben, ihr Nutzerverhalten werde komplett durchleuchtet, gefällt das vielen Benutzern nicht so. Internet-Benutzer sind allerdings sehr ambivalent: Dass Facebook die User-Daten exzessiv auswertet, dagegen haben sich die Benutzer erfolgreich gewehrt. Aber auch Google durchleuchtet Suchanfragen, E-Mail-Accounts und Textdateien seiner angemeldeten User. Das aber scheint wenige zu stören. Iltgen: Dies könnte ein Wahrnehmungsproblem sein. Viele Benutzer denken über Google zu wenig nach und sind sich nicht bewusst, dass Google unglaublich viele Daten sammelt, gerade, wenn man dort seinen E-Mail-Account hat. Weil es Google schon lange gibt, haben viele Benutzer den Eindruck, dass es sich hier um eine grössere, professionelle Firma handelt, derweil Facebook noch immer die Aura eines noch jungen Unternehmens anhaftet, das noch nicht alles perfekt beherrscht. Zudem: Im Bereich der Internet-Suche gibt es zu Google keine Alternative; bei den sozialen Netzwerken hingegen ist die Auswahl grösser.
Facebook ist klein gestartet und hat inzwischen rund 200 Millionen Benutzer. Gibt es eine kritische Grösse, bei der ein soziales Netzwerk zu überladen wird? Iltgen: Grundsätzlich nein. Das Problem könnte allenfalls sein, dass viele Netzwerke mittlerweile auch in die Breite wachsen. So kann man bei Facebook beobachten, dass sich immer mehr Menschen über 50 anmelden. Da könnte es unter Umständen junge Leute geben, die es vielleicht weniger lustig finden, wenn sie mit ihren Eltern verlinkt sind. Andererseits existieren ja genügend Möglichkeiten, um sich abzugrenzen, sodass man unter Freunden bleiben kann. Indem man sich zum Beispiel auf einer spezialisierteren Plattform wie etwa dem Social Network für
Sie selbst arbeiten bei einem InternetMarketingunternehmen. Wie nutzen Sie soziale Netzwerke für Marketingzwecke? Iltgen: Die Netzwerke sind ein wunderbares Werkzeug, um Dialoge zu erzeugen. Es gibt extrem viele Gespräche in diesen Netzwerken, Informationen werden unglaublich schnell weiter verteilt. Wenn ein User etwas Interessantes sieht, dann hat er tolle Möglichkeiten, das schnell zu verlinken und Hunderte von Menschen daran teilhaben zu lassen. Das machen wir uns zunutze.
Gibt es überhaupt noch ein Leben ohne Mitgliedschaft bei Facebook & Co? Iltgen: Ich glaube schon. Das zeigen auch erste Resultate einer Studie, die wir zum Thema Web 2.0 in der Schweiz (Mitmach-Web, Anm. d. Red) durchführen. Es gibt noch immer einen gewissen Prozentsatz an Menschen, die sich bei keinem Netzwerk angemeldet haben. Meist sind es Menschen, die nicht durchleuchtet werden wollen und Sorge zu ihren Daten tragen möchten.
Ist Internet-Marketing auch nachhaltig? Iltgen: Das «Social Media Marketing» ist sehr nachhaltig, und zwar weil man mit den Benutzern in Dialog treten kann. Wenn man jemanden dazu bringt, sich für ein Thema zu interessieren, dann kann man ihn ins Gespräch einbinden, persönlich ansprechen, Feedback erhalten und dieses wieder auswerten. Das sind Kontakte, die man in der klassischen Werbung nie so einfach generieren könnte. Mit Social Media werden heute Kontakte aufgebaut und langfristig gepflegt.
Verliert man so nicht den Anschluss? Iltgen: Für selbstständige Unternehmer ist es sicherlich wichtig, auf den entsprechenden Portalen präsent zu sein. Wenn man hingegen angestellt ist und einen Freundeskreis hat, den man regelmässig offline trifft, muss man nicht zwingend bei einem sozialen Netzwerk dabei sein. Es kommt aber immer darauf an, in welchem Umfeld man sich bewegt. Wenn alle meine Freunde irgendwo angemeldet sind, dann muss ich wohl mitziehen. Sonst verpasse ich vieles, etwa die Fotos
Anzahl Mitglieder: ca. 60 Millionen, beliebt vor allem in Zentralund Lateinamerika und Afrika Gründungsjahr: 2003 Besitzer: Hi-5 Networks Inc., San Francisco; ca. 60 Mitarbeiter Finanzierung: unbekannt; lebt hauptsächlich von Werbeeinnahmen und ist laut eigenen Angaben «profitabel»
meiner Freunde oder die Gelegenheit, für den Ausgang abzumachen. Gibt es weitere Erkenntnisse aus ihrer Studie zum Web 2.0? Iltgen: Die Auswertung läuft noch. Es zeigt sich, dass die Plattformen Facebook und Xing nach wie vor sehr dominant sind in der Schweiz; andere bislang im Ausland dominante Netzwerke wie etwa Linkedin könnten aber aufholen. Eine andere Erkenntnis ist, dass sich längst nicht jeder Web-2.0User auch aktiv an der Erstellung von Inhalten beteiligt, indem er etwa ein eigenes Blog betreibt, Beiträge kommentiert, Produkt-Reviews verfasst oder Fotos, Filme und Linktipps online teilt. Viele User konsumieren vorwiegend – und zwar immer mehr Inhalte, die von anderen Usern generiert wurden. Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wohin geht die technische Entwicklung sozialer Netzwerke? Iltgen: Ganz wichtig dürfte der mobile Aspekt werden. Schon jetzt erfolgen 12 Prozent der Zugriffe auf Facebook über mobile Applikationen, etwa übers Handy. Als zusätzliche Dimension wird die Verknüpfung von geografischer Or-
tung mit der Identifizierung einer Person mit ihrem Social-Networking-Profil hinzukommen. So erkenne ich, ob jemand aus meinem Bekanntenkreis sich auch gerade in der Gegend befindet. Damit finden Online- und Offline-Welt wieder zueinander. Und wo liegt die kommerzielle Zukunft? Iltgen: Für kleinere Plattformen, über welche sich Menschen mit bestimmten Interessen verbinden, dürfte es viel einfacher sein, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die grossen, breiten und horizontalen Kontakt-Netzwerke werden derweil weiterhin nach einem tauglichen Modell suchen müssen. Da wird sich sicher etwas bewegen müssen in nächster Zeit. Dass man künftig für gewisse Dienstleistungen bezahlen muss, scheint mir unumgänglich. Die Werbemodelle, die es heute gibt, werden aber sicherlich auch weiteren Zuspruch
www.hi5.com
erfahren. Zwar sind noch viele Werbetreibende unsicher und können nicht abschätzen, was ihnen die heutigen Mittel bringen. Doch auch hier wird es einen Wandel geben. Und vielleicht wird die Wirtschaftskrise der Online-Kommunikation zum Durchbruch verhelfen, da mit Social Media Marketing relativ günstig, aber mit grosser Wirkung geworben werden kann. HINWEIS * Andrea Iltgen leitet als Partnerin die OnlineMarketing-Unternehmung xeit gmbh (www.xeit.ch) in Zürich.
Bonus: Näheres dazu, wie auf sozialen Netzwerken mit Userdaten umgegangen wird, gibt es auf www.zisch.ch/bonus
FÜR GOOGLE-FANS
Anzahl Mitglieder: ca. 67 Millionen; die meisten Mitglieder stammen aus Brasilien und Indien Gründungsjahr: 2004 Besitzer: Gehört zum Internetriesen Google; Orkut hat seinen Sitz im brasilianischen Belo Horizonte; Mitarbeiterzahl unbekannt Finanzierung: Umsatz unbekannt; finanziert sich durch Werbung, die exakt auf die Benutzer zugeschnitten wird www.orkut.com
Sun Microsystems
Bankwesen
Nutzfahrzeugbauer MAN
Die US-Justiz ermittelt
Neugeld-Zufluss erweist sich für PostFinance als ein schlechtes Geschäft
Top-Manager in Haft
ap. Der US-Netzwerk- und Serverspezialist Sun Microsystems hat von einem möglichen Korruptionsfall in den eigenen Reihen berichtet. Es habe «mögliche Verstösse» im Ausland gegeben, teilte das Unternehmen am Wochenende mit. Das Justizministerium wurde eingeschaltet. Nähere Einzelheiten nannte das Unternehmen nicht. Es seien umgehend Gegenmassnahmen eingeleitet worden. Sun Microsystems wurde 1982 in Kalifornien von einem Deutschen und drei Amerikanern gegründet, geriet in den vergangenen Jahren aber arg in Schieflage. Im letzten Quartal wies Sun einen Verlust von 209 Millionen Dollar aus. Das angeschlagene Unternehmen soll nun vom US-UnternehmenssoftwareKonzern Oracle übernommen werden.
Die Kantonalbanken weisen Kunden zurück, die PostFinance nimmt alle auf. Doch sie weiss nicht, was sie mit all dem Geld machen soll. Das gabs noch nie: Die PostFinance hat innert dreier Monate 15 Milliarden Franken an Neugeldern erhalten. Das ist das Zweieinhalbfache dessen, was der Post-Tochter im ganzen 2008 zugetragen wurde. Ein «grösserer Teil» des Geldes stamme von Kunden von Grossbanken, ein kleinerer Teil von direkten Konkurrenten wie den Kantonalbanken, sagt PostFinance-Sprecher Alex Josty. Es klingt paradox: Aber der Rekordzufluss an Neugeldern ist ein schlechtes Geschäft, denn es beschert der Post-
Tochter derzeit vor allem Mehraufwand – die Mitarbeiter leisten massiv Überstunden – und Mehrausgaben in Form von Zinsen an die Kunden. Gewinn bringend anlegen lässt sich das Geld aber kaum. «Das ist ein Problem, das uns beschäftigt», sagt Josty. Viele Anlageinstrumente wie zum Beispiel Bankanleihen stünden derzeit nicht mehr zur Verfügung. «Mangels Alternative investieren wir heute weniger lukrativ», so Josty. Mittel- bis langfristig wird dies einen Einfluss auf die Ertragssituation haben. Das heisst: Die Post-Tochter wird sich mit weniger Gewinn und die Kunden mit weniger Zins begnügen müssen.
«Wir brauchen eine Banklizenz» Zwar leiden alle Banken unter den derzeit fehlenden Anlagemöglichkeiten. Für die Post-Tochter aber ist der
GELDABFLUSS
Es trifft vor allem die Privatbanken
Alle Banken, die unter einem Vertrauensentzug leiden, verlieren Kundengelder. Das sind neben der UBS auch die deutsche Commerzbank in der Schweiz, die DresdnerBank oder Sal. Oppenheim, beobachtet ein Insider. Laut diesem fliesst auch viel Geld in Richtung Hongkong oder Singapur ab. Die Drohungen von Deutschland und den USA zermürben die Kunden. Denn der grössere Teil der in Schweizer Tresoren lagernden VerYca mögen sei unversteuert.
Fall noch schwieriger: Weil sie keine Banklizenz besitzt, darf sie keine Kredite vergeben. Das möchte Post-Präsident Claude Béglé ändern: «Wir brauchen eine Banklizenz, um die neuen Kunden mit Produkten wie Krediten zu betreuen – und an uns zu binden.» Und er ergänzt: «Wenn wir sie wieder verlieren, dann haben wir ein Problem.» Doch Béglé muss sich gedulden. Der Bundesrat hat diese Woche Moritz Leuenbergers Antrag auf eine Banklizenz abgeschmettert.
Kein Interesse an Kurzzeitkunden Wie die PostFinance verzeichneten auch die Kantonalbanken 2009 weiterhin ein überdurchschnittliches Wachstum an Neugeldern, wie eine Umfrage zeigt – auch wenn erste Institute ein Abflachen des Trends beobachten. Doch im Gegensatz zur PostFinance
weisen einige Kantonalbanken Kunden ab – insbesondere ausserkantonale, institutionelle Kunden, die zwei- oder dreistellige Millionenbeträge auf ein Sparkonto einzahlen möchten. «Bei Kunden, die nicht am Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung interessiert sind und grössere Geldbeträge bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) lediglich ‹zwischenparkieren› möchten, behält sich die Bank vor, diese Beträge zurückzuweisen», sagt ZKB-Sprecher Diego Widmer. Die Anzahl abgelehnter Neukunden bewege sich im einstelligen Bereich. Auch die Berner Kantonalbank ist strikt: «Wir bevorzugen Spargelder bis zu einem Betrag von 50 000 Franken. Bei den Passivgeldern nehmen wir grössere Beträge entgegen, wenn es sich um eine umfassende Geschäftsbeziehung handelt und der Kunde auch im Anlage- und Kreditgeschäft mit
uns zusammenarbeitet», sagt Sprecher Hanspeter Merz. Eine ähnliche Politik verfolgen auch die St. Galler, Urner, Obwaldner und Jurassier Kantonalbank. Jean-Noël Duc, Generaldirektor der Neuenburger Kantonalbank, erklärt, wie man ungewünschte Kunden loswird: «Wenn ein institutioneller Kunde ohne Bezug zu unserem Kanton mit 20 oder 50 Millionen bei uns anklopft, dann unterbreiten wir ihm ein unattraktives Angebot.» Valentin Bomatter, Vizedirektor der Urner Kantonalbank, bläst ins selbe Horn: «Wir hatten einige Anfragen, die jedoch aufgrund der unattraktiven Zinsen kaum zum Abschluss führten.» F LO R E N C E V U I C H A R D UND BENJAMIN WEINMANN
Post-Präsident Claude Béglé.
REUTERS
HINWEIS Analyse siehe Seite 35
Beim Nutzfahrzeughersteller MAN sollen Schmiergelder geflossen sein. Die Spuren führen auch in die Schweiz. ap. Im Korruptionsverfahren gegen MAN hat die Staatsanwaltschaft München einem Bericht zufolge einen früheren leitenden Manager des Konzerns vorläufig festgenommen. Der Münchner stehe unter Verdacht, Geld des Nutzfahrzeugherstellers auf das Schweizer Konto einer Moskauer Beratungsgesellschaft transferiert zu haben, berichtete das Nachrichtenmagazin «Focus» gestern in einer Vorabmeldung. Dabei könne es sich um eine Scheinfirma für illegale «Provisionen» handeln.
Der verdächtige Manager habe angegeben, es habe sich bei den Zahlungen um «Schutzgelder» gehandelt. Laut «Focus» fallen diese juristisch nicht unter Korruption. Einem ebenfalls gestern veröffentlichten Bericht des Nachrichtenmagazins «Spiegel» zufolge gehört zu den Beschuldigten auch ein aktueller Top-Manager von MAN.
Ermittlungen in sieben Ländern Sprecher von Staatsanwaltschaft und MAN kommentierten die Meldungen nicht. Nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass MAN beim Verkauf von Lastwagen und Bussen in sieben Länder Schmiergeld gezahlt hat. Den Ermittlungen zufolge soll Geld nach Deutschland, Italien, Libyen, Algerien, Luxemburg, Griechenland und Norwegen geflossen sein.