Samstag, 18. April 2009 / Nr. 89
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CYBERMOBBING Auf Facebook, Netlog und anderen Plattformen tummeln sich nicht nur Freunde. Virtuelle Angriffe treffen vor allem Lehrer und Mitschüler. Seite 47
NETZ UND NETZWERK Künzler: Das ist so, weil sie von der Entwicklung überrollt werden. Die Menschen haben Facebook aus dem privaten Raum in den Berufsbereich hineingetragen. Die Firmen sind darauf nicht vorbereitet und sperren zuerst einmal die Website aus Angst vor Missbrauch oder Viren. Ich denke aber, dass sich das in Kürze ändern wird. Wieso sollte es? Künzler: Zuerst einmal profitieren auch Firmen von dem riesigen Netzwerk ihrer Mitarbeiter, von diesem Informationsaustausch, von dem Zugang zu so vielen Nutzern und auch Daten. Studien zeigen zudem, dass Menschen schneller und innovativer arbeiten, wenn sie Zugang zu ihrem Sozialnetz haben. Die
«Auch Firmen profitieren von dem riesigen Netzwerk ihrer Mitarbeiter, von dem Zugang zu so vielen Nutzern und Daten.» SIMON KÜNZLER, HOCHSCHULE LUZERN
Frage ist nur, wie man den Gebrauch regeln kann, ohne ihn zu verbieten. Die IT-Abteilungen sind sicherlich im Stande, praktikable Lösungen dafür zu finden – und für Vorgesetzte nützliche Richtlinien zu formulieren. Ist es aber nicht so, dass Junge einen Trend fallen lassen, sobald er Ältere zu interessieren beginnt? Mit Facebook ist dieser Zeitpunkt erreicht: Immer mehr 40- und 50-Jährige erstellen inzwischen ihre Facebook-Profile. Künzler: Das ist so. Facebook geht derzeit enorm in die Breite, der Zulauf ist immens. Ich glaube aber nicht, dass Junge deswegen Facebook verlassen: Es bietet genug Möglichkeiten, sich darin so einzurichten, dass nur die eigenen Interessen und Bedürfnisse gedeckt werden. Das Fortbestehen von Facebook hängt eher davon ab, ob es den Gründern gelingt, ein tragbares Geschäftsmodell zu entwickeln.
Auf dem Laufenden sein: Dank Facebook geht es heute viel schneller.
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Besser als Kaffeekränzchen
S
imon Künzler, kann man Sie auf Facebook treffen? Simon Künzler*: Ja sicher, ich bin regelmässig auf Facebook, Xing, Twitter, Flickr, YouTube, Qype, Mybonitos sowie Blogs und noch einigen anderen Plattformen. Das klingt nach einem immensen Zeitaufwand. Künzler: Eine Stunde pro Tag muss es mindestens sein. Wozu brauchen Sie diese Netzwerke und Plattformen? Künzler: Für mich sind sie wichtige Informations- und Kommunikationskanäle. Beruflich verfolge ich die Entwicklungen in diesem Bereich, und privat pflege ich so Kontakte mit meinen Bekannten und Freunden. Zudem finde ich viele Plattformen für den Freizeitbereich wertvoll. So zum Beispiel nutze ich die Plattform Qype regelmässig, wo Users Tipps zu Hotels, Restaurants und Ausflugszielen austauschen; die Plattform Flickr ist wiederum eine Art globale Plattform für Foto-Sharing. Da teile ich private Fotos mit meiner Familie oder meinen Freunden, statt dass wir uns diese per E-Mail hin- und herschicken.
Interaktive Netzwerke wie Facebook, Xing oder Twitter stehen erst am Anfang. Simon Künzler, Experte für OnlineKommunikation, findet: Sie haben noch viel Potenzial, sich vom Tratsch- und Informationskanal zu einem täglichen Arbeitsinstrument zu entwickeln. Das interaktive Web 2.0 als Informations- und Tauschkanal? Künzler: Genau. Diese beiden Funktionen stehen ja im Zentrum des Social Webs, wie ich Web 2.0 lieber nenne. Es geht darum, Informationen und Emotionen zu teilen sowie Kontakte aller Art zu pflegen. Wird es in drei Jahren Facebook immer noch geben? Künzler: So, wie man sich vor drei Jahren kaum vorstellen konnte, dass Facebook einst so mächtig wird, so weiss heute auch kaum jemand, wie sich die virtuellen Kommunikationskanäle in
den nächsten drei Jahren entwickeln werden. Ich wage aber die Prognose: Ja, Facebook wird es weiterhin geben. Wieso sind Sie sich da so sicher? Plattformen wie StudiVZ wachsen nicht mehr, andere sind gar verschwunden, sobald etwas Neues entwickelt wurde. Künzler: Der grösste Unterschied zu früheren Plattformen besteht darin, dass Facebook die erste länderübergreifende, mehrsprachige Plattform ist. Das ist der grösste Erfolgsfaktor, denn alle früheren Plattformen funktionierten länderspezifisch, das heisst, sie waren in bestimmten Regionen dominant. Zudem vereint Face-
book verschiedene Kommunikationsformen und -funktionen; es macht beispielsweise das E-Mail zusehends obsolet. Und drittens bietet Facebook Möglichkeiten für weitere Anwendungen. Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass Microsoft in naher Zukunft viele Applikationen wie zum Beispiel Textprogramme gleich auf Facebook integriert. Wird dies gelingen, könnte Facebook zu einem alltäglichen Arbeitsinstrument in unseren Büros werden. Derzeit sperren aber viele Unternehmen und Behörden die Plattform für ihre Mitarbeiter.
Bislang waren die Versuche erfolglos. Künzler: Ja, die User haben sich gegen die kommerzielle Nutzung gewehrt. Doch die Kehrseite des Erfolgs ohne kommerzielle Verwertung bedeutet immense Kosten: Die Firma zahlt inzwischen etwa 1 Million US-Dollar pro Monat, nur um den Strom zu bezahlen. Ich nehme an, Facebook kommt nicht darum herum, nach dem Vorbild anderer Plattformen bezahlte Premium-Accounts einzuführen, um Mittel zu generieren – oder sich anderweitige Ertragsquellen zu erschliessen. Und was kommt nach dem Web 2.0? Künzler: Zuerst muss sich das Web 2.0 weiterentwickeln. Seine Potenziale sind noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Mittelfristig dürfte das mobile Internet eine wichtigere Rolle spielen. Es wird ermöglichen, je nach Aufenthaltsort einer Person auf Benutzer-generierte Inhalte zuzugreifen. Auch die Verknüpfung von geografischer Ortung mit der Identifizierung einer Person und ihrem SocialNetwork-Profil rückt näher. Der nächste grössere Entwicklungsschritt ist vermutlich das «Semantische Web». Das heisst, Informationen im Web werden von Maschinen interpretiert und automatisch weiterverarbeitet. Lernfähige Datenbanken könnten dann aufgrund von gespeicherten Informationen und User-Verbindungen die nächsten Entscheidungen oder Präferenzen der Nutzer voraussehen. INTERVIEW VON IWONA MEYER
HINWEIS * Simon Künzler (35) ist Dozent für Online-Kommunikation an der Hochschule Luzern – Wirtschaft und Geschäftsführer der Online-Agentur Xeit GmbH (www.xeit.ch).