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KREATIVITÄT

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Wie entsteht Kreativität

und wie können wir sie fördern?

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Kreativität ist etwas sehr Individuelles. Wie wir sie unseren Kindern vermitteln, hängt häufig damit zusammen, wie uns selbst Kreativität vermittelt wurde beziehungsweise wie viel Spaß wir daran haben, unsere Kreativität auszuleben. Außer Frage steht, dass Kreativität eine wichtige Kompetenz ist, die jedem Menschen in vielen Lebensbereichen hilfreich sein kann. // Text: Juliane Faller

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Es ist ein kalter Novembernachmittag, als meine Freundin und ich kurzerhand beschließen, den aufkommenden Streit der Kinder durch eine Malpause zu umgehen. Also packe ich wie immer alle verschiedenen Arten von Stiften, Wachsmalern und Wasserfarben auf den Tisch und dazu einen riesigen Stapel Blätter. Danach wende ich mich ab, um die Kinder ihrem Malvergnügen zu überlassen und mache Kaffee. Plötzlich merke ich, dass der Ansatz meiner Freundin ein gänzlich anderer ist: Sie malt Bilder auf Bestellung für alle Kinder. Aufgeregt beobachten diese, wie sie kunstvoll Einhörner, Schlitten und Züge zu Papier bringt, und widmen sich kurz darauf wieder ihrem eigenen Kunstwerk oder malen die Bilder aus.

Der richtige Ansatz

Genauso wie meine Freundin und ich, haben auch Pädagog:innen und Künstler:innen unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sie am besten mit Kindern arbeiten. Ob prozess- oder ergebnisorientiert, ob angeleitet oder frei, hängt dabei häufig auch von den kleinen Künstler:innen selbst ab. Denn welcher Zugang der geeignete für das jeweilige Kind ist, hängt auch von Alter und Bildungsstand des Kindes ab. „Häufig ist es viel einfacher, mit Kindern im Kindergartenalter zu arbeiten, wenn die Kreativität noch sehr ungeleitet ist“, erklärt Künstler Zoran Velinov. Er begleitet Kinder seit über 14 Jahren in Kreativangeboten in verschiedenen Bildungseinrichtungen. „In der Schule wird die Kreativität dann häufig stark kanalisiert.“

Wichtige Kernkompetenz

Kreativität kann sowohl als Ziel, als Produkt, als Eigenschaft und als Prozess begriffen werden. Wichtig ist es, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass Kreativität etwas höchst Subjektives ist und die Beurteilung von außen immer einen Eingriff in sie darstellt. Das heißt nicht, dass Kreativität nicht gefördert werden sollte – im Gegenteil: Jeder Mensch trägt mit seiner Geburt Kreativität in sich. Wie sehr sich diese entfalten kann, hängt aber häufig davon ab, wie viel Raum für Entwicklung sie in den Kinderjahren bekommt. Kreativität ist eine wichtige Kernkompetenz, die einem Menschen im Leben häufig dienlich sein kann. Sie regt zum flexiblen Denken an und statistisch gesehen sind kreative Menschen beruflich erfolgreicher und glücklicher. Aber auch um ihrer selbst willen verdient es Kreativität, sich entfalten zu können.

Zeit und Raum zur Entfaltung

Damit sich die Kreativität unserer Kinder optimal entfalten kann, ist es wichtig, dass Kinder den Raum dafür haben. In einem Alltag, der überladen ist mit Terminen und Verabredungen und wenig Raum für Langeweile hat, bleibt auch wenig Zeit für kreative Entfaltung. Wenn wir unsere Kinder mit Zeit und Material versorgen, werden sie dies nutzen, um kreativ zu werden. Wenn wir sie dann noch begleiten, uns die Zeit nehmen, gemeinsam kreativ zu sein und als gutes Beispiel vorangehen, haben wir einen soliden Grundstein für die Entfaltung von Kreativität gelegt. Daneben können Kreativangebote in der OGS, Malschulen oder Ähnliches dabei helfen, dass die Kinder lernen, wie sie ihre Kreativität umsetzen können. Wie dies besonders gut gelingt und was dabei gar nicht hilfreich ist, erzählte uns Zoran Velinov im Gespräch über seine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Offenen Ganztag, in Jugendfreizeiteinrichtungen und Ferienprogrammen.

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Zoran Velinov

Im Gespräch mit dem Künstler Zoran Velinov

Der Maler, Musiker und Aktionskünstler wurde 1957 in Mazedonien geboren. Seine Ausbildung und erste Ausstellungen fanden noch in den jugoslawischen Teilrepubliken statt. Ende der 1980er- Jahre zog Velinov nach Deutschland und wohnt seitdem in der Nähe von Düsseldorf. Seither gab es zahlreiche Ausstellungen und Performances. Immer schon war seine Arbeit geprägt von einer engen Verbindung zwischen seiner Malerei und elektronischer Musik. In den letzten Jahren arbeitet Velinov häufig mit Musikern der elektronischen Szene zusammen. Er entwickelt Projekte und Konzepte mit Musik, malt live bei Konzerten elektronischer Musik und macht auch eigene Kompositionen. Für Zoran Velinov ist Kunst etwas Verbindendes, das man nicht separat betrachten kann. Musik, Tanz, Kunst und Natur – das alles steht für ihn in einem Zusammenhang.

Michael Tettinger

Kinder- und Jugendarbeit

Seit ungefähr 14 Jahren ist Zoran Velinov in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv und bietet verschiedene Workshops und Kurse im Offenen Ganztag, in Kindertagesstätten und in verschiedenen Jugendzentren der Stadt an. Dabei geht es ihm vor allem darum, den Kindern einen unkonventionellen Blick auf die Kunst zu vermitteln und sie dazu anzuregen, ihre eigenen Ideen umzusetzen. Gleichzeitig ist es ihm wichtig, die Kinder anzuleiten und ihnen zu zeigen, wie sie mit verschiedenen Materialien arbeiten können, damit sie erfolgreich sind.

Projekte

Bei seinen Projekten mit Kindern ist Velinov nicht auf ein Thema festgelegt. Häufig entwickeln sich die Projekte spontan und aus den gemeinsamen Ideen heraus. Dabei kann etwa eine TonKlang-Installation entstehen, mit der dann ein Tanzvideo verbunden wird, oder Bauschutt wird in einem Upcyclingprojekt zu einer bunten Schlange. Im Lockdown hat Velinov über Zoom mit seiner Holzwerkstatt weitergemacht. Die Eltern konnten dann die Materialien bei ihm abholen und die Kinder per Video an ihrem Projekt arbeiten. Im Gespräch mit der Libelle erzählte Zoran uns, was die Arbeit mit Kindern für ihn ausmacht und was seiner Meinung nach wichtig ist, um Kreativität optimal zu fördern.

Libelle: Zoran, du arbeitest in vielen Projekten mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Was erwartest du von Kindern, die in deine Kurse kommen? Zoran Velinov: Natürlich erwartet man auch Ergebnisse, aber nicht von meiner Seite. Ich bin kein Lehrer und bin weder verpflichtet noch habe ich Interesse daran, irgendeinen Stoff durchzuziehen oder Noten zu vergeben. Das ist der Vorteil. Deshalb beneiden mich einige Lehrer:innen. Weil ich so frei in der Arbeit mit den Kindern bin. So habe ich die Möglichkeit, sie zu freiem Denken zu ermutigen, anstatt ihnen einen Weg vorzugeben.

Libelle: Also lässt du die Kinder einfach machen? Zoran Velinov: Jein. Ich gebe ihnen verschiedene Alternativen und zeige ihnen Optionen. Kinder sind schon von Natur aus kreativ. Sobald sie in die Schule kommen, wird das dann kanalisiert. Ich habe schon öfter gehört, dass Schüler sich darüber geärgert haben, dass sie schlechte Noten bekommen, weil sie es nicht genau so gemacht haben wie der Lehrer oder die Lehrerin es wollte. Viele Kinder sind dann frustriert, obwohl sie fantastische Talente sind und viel Phantasie haben. Meiner Meinung nach ist es schon wichtig, ihnen zu zeigen, wie man mit Materialien umgehen kann und welche Möglichkeiten es gibt. Aber ohne das Ergebnis zu bewerten.

Libelle: Gibt es Unterschiede in der Arbeit mit Kita- und Schulkindern? Zoran Velinov: Du glaubst nicht, was man mit Vorschulkindern alles machen kann. Natürlich muss man ihnen zeigen, dass man zum Beispiel mit einem Pinsel viel einfacher große Flächen bemalen kann, wenn man ihn nicht wie einen Stift nimmt, sondern mit der ganzen Hand. Das sind so Sachen, die man zeigen muss. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig zu zeigen, dass man auch ohne Pinsel malen kann, und welche vielfältigen Möglichkeiten man hat, künstlerisch aktiv zu sein. Der Unterschied zwischen Kita und Schule ist allein schon die Uhrzeit. In der Kita arbeite ich mit den Kindern meist im Vormittagsbereich. In der Schule arbeite ich mit den Kindern um drei Uhr am Nachmittag. Diese Kinder sind schon seit 8 Uhr in der Schule gewesen und haben dann Hausaufgaben gemacht, und von ihnen dann noch viel zu

erwarten, ist natürlich schwierig. Da ist es für die Vorschulkinder natürlich einfacher, noch kreativ tätig zu sein, wenn sie noch nicht so viele andere Dinge vorher machen mussten.

Libelle: Was macht deine Arbeit mit Kindern und Erwachsenen aus? Zoran Velinov: Ich probiere viel aus. Es ist einfach wichtig, sich zu trauen etwas zu machen. Da sind Kinder manchmal sogar freier als Erwachsene. Ich hatte schon häufig Erwachsene in meinen Kursen, die zu mir gesagt haben: Zoran, ich traue mich nicht. Da ist es meine Aufgabe, diejenigen zu bestärken. Ich habe kein Interesse daran, den Leuten beizubringen, wie ich zu malen. Ich kann dir zeigen, wie du dich selbst findest, in deiner Kreativität. Das ist mein Anspruch.

Libelle: Was regt deine Kreativität an? Zoran Velinov: Das ist ganz unterschiedlich. Alles hängt für mich zusammen. Wenn ich Musik höre oder in der Natur bin, entsteht daraus manchmal ein Bild. Oder wenn ich male und ein Bild betrachte, kann ich daraus auch komponieren. Das bedeutet dann nicht, dass ich mich hinsetze und etwas komponiere, sondern dass ich mich an meine Synthesizer setze und spontan eine Musik entsteht und ich das in mehreren Spuren aufnehme. Auf diesem Niveau versuche ich das auch an die Kinder weiterzugeben. Dass sie Spaß haben, vielleicht auch ein Ergebnis haben, aber es vor allem auf den Prozess ankommt. Dieser Prozess muss nicht immer ein Ergebnis haben, um erfolgreich zu sein.

Libelle: Hast du noch einen Tipp, wie Eltern ihre Kinder am besten in ihrer Kreativität unterstützen können? Zoran Velinov: Ich versuche einfach, mit Material zu improvisieren und zu schauen, was habe ich und was kann ich damit machen, und nicht das Ergebnis zu planen und dann zu überlegen, dass ich das oder das dafür kaufen muss. Es ist einfach wichtig, unkonventionell und spontan an ein Projekt ranzugehen und keine Angst zu haben, etwas Neues zu probieren.

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Kreativ zu Hause

ZEITKreativität steckt schon in uns allen. Damit sie sich entfalten kann, brauchen Kinder vor allem unverplante Zeit, in der sie ihre Umwelt entdecken, Steine betrachten und auch mal Langeweile empfinden können.

RAUM Damit ein Kind seine Kreativität ausleben kann, braucht es den Raum dafür, sich auszuleben, und zwar auf seine ganz individuelle Weise.

VORBILDER Seid selbst kreativ, mit und ohne eure Kinder und zeigt ihnen so, was Kreativität alles sein kann.

BEWERTUNGSFREIHEIT So gut es auch gemeint ist, Lob ist eine Art von Bewertung und schränkt Kreativität ein. Versucht euch mit eurer Bewertung möglichst zurückzuhalten und wenn ihr sie nicht umgehen könnt, dann achtet darauf, dass sie auch als eure subjektive Sichtweise an das Kind vermittelt wird.

MUT Ermutigt eure Kinder, einfach Dinge auszuprobieren und ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

TROST Fangt euer Kind auf, wenn einmal etwas nicht nach Plan läuft und es vielleicht frustriert ist. Helft ihm, einen Weg zu finden, das Projekt für es selbst zufriedenstellend abzuschließen.

Buchtipps

Ein hilfreiches Praxisbuch für alle, die Kinder bei der Entwicklung ihrer Kreativität unterstützen möchten. Neben interessantem Hintergrundwissen und Praxistipps enthält das Buch schöne Anregungen für Spiele zur Förderung kognitiver, sozialer und emotionaler Intelligenz. Kreativität fördern, Intelligenz entwickeln, Jakobine Wierz, Ökotopia Verlag 2010, 978-3867-02113-5, Euro 18

Eine schöne Kombination aus kreativen Anregungen und der Vermittlung des Konzepts von Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die kleinen Künstler:innen bekommen hier viele Anregungen, wie sie Müll noch zu nützlichen Dingen umgestalten können. Zu gut für die Tonne – Kreative Projekte für kleine

Umweltschützer, Wiebke Krabbe, Dorling Kindersley Verlag 2020, 978-3-8310-3936-4, Euro 9,95

Interessantes Hintergrundwissen für alle, die Kinder auf ihrem Weg zu kreativen Selbstentfaltung achtsam begleiten wollen. Das Buch zeigt sehr anschaulich die verschiedenen Entwicklungsphasen in kindlichen Zeichnungen auf. Kreative Kinder: Praxisbuch für Eltern und Pädagogen, Rudolf Seitz, Kösel-Verlag 2009, 978-3-466-30835-4, nur noch gebraucht erhältlich, Euro 30

„Ideenreich“ stellt allerlei außergewöhnliche Bastelideen vor, die Lust aufs gemeinsame Bauen, Kleben, Malen und Nähen machen. Sabine Bohlmann führt auf einfühlsame Weise vor, wie viel kreatives Potenzial in jedem von uns – und besonders in unseren Kindern – steckt. Ideenreich – Mit

Kindern kreativ sein, Sabine Bohlmann, Egmont VGS 2008, 978-3-802-51760-0, Euro 16,90

Kreativitätsschule Düsseldorf e. V.

Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

Fliednerstr. 32, 40489 Düsseldorf Telefon: 0211 / 40 32 31 Email: hallo@krea-duesseldorf.de

www.krea-duesseldorf.de

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