157. Ausgabe, ET 19.04.2014

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Ausgabe 157 am 19. April 2014

Verbeugung vor Kindern Interview

Restprogramme

Schwieriger Fall

Bundesliga

„Lauf Junge Lauf“, der neue Film von Pepe Danquart, kommt ins Kino. Die wahre Geschichte einer Flucht aus dem Warschauer Getto. Seite 2

Leben

Die Fans von sechs noch in den Abstiegskampf verwickelten Teams suchen nach dem Schlüssel zur Bewertung des Restprogramms. Seite 9

Die Berliner Philharmoniker und Sir Simon Rattle mit Puccinis Oper „Manon Lescaut“, Regie führt Sir Richard Eyre. Seite 13

Snowden, das Phänomen Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags streitet sich doch tatsächlich darüber, ob Edward Snowden gehört werden soll. Dabei ist er der Hauptbelastungszeuge und weiß mehr über die NSA als jeder andere. Von Michael Zäh

E

dward Snowden ist für die Deutschen ein Phänomen. Durch seine Enthüllungen über die Praktiken der NSA, für die er fast zehn Jahre arbeitete, hat er einen wahren Bewusstseinsschub ausgelöst. Jeder weiß, dass die NSA im Grunde jeden und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ausspioniert. Und spätestens, seit er enthüllt hat, dass auch das Handy der Kanzlerin abgehört wurde, weiß auch jeder, dass die gigantischen und detaillierten Datenmengen, die von der NSA gesammelt werden, nicht allein der Terrorabwehr dienen. Der Journalist Glenn Greenwald, dem Edward Snowden sein Material zur Sichtung und Veröfferntlichung überließ, sagte vor einigen Tagen in Berlin, dass die „schockierendsten und größten Geschichten“ aus Snowdens Dokumenten noch gar nicht veröffentlicht wurden. Die kommen erst noch. Das Phänomen Snowden ist aber nicht allein, dass seine weiteren Enthüllungen wohl noch mehr von dem ans Licht bringen werden, was Greenwald in einem Interview in der FAZ so zusammen fasst: „Für mich ist das Motiv sehr klar: Es ist Macht. Je mehr man über die Menschen weiß, die man regiert, desto mehr Macht hat man über sie. Man kann vorhersehen, was die anderen tun, verstehen, was sie tun, oder es sogar stoppen. (...) Überwachung ist vermutlich das mächtigste Instrument dafür. Wenn Sie wissen, was andere sagen, denken und tun, haben Sie eine enorme Kontrolle über sie.“ Das Phänomen Snowden hat auch eine seltsame Kehrseite: Trotz seiner Enthüllungen haben drei von vier Deutschen in einer Umfrage an-

HALLO ZUSAMMEN

Berlusconi muss ins Altenheim

gegeben, dass sie gar nix geändert haben, im Umgang mit ihren Daten im Internet. Gerade auch die jüngere Generation nimmt offenbar lieber in Kauf, ausspioniert zu werden, als sich von Google, Facebook und Co. zu verabschieden. Snowden hat also für die meisten Deutschen gar keinen praktischen, sondern einen ideologischen Nutzen gebracht. Es ist schick, ihn als Helden zu sehen, der es ganz alleine gegen Amerikas Verlogenheit aufnimmt. Gleichzeitig vertrauen die Nutzer ihre Daten aber weiterhin amerikanischen Großkonzernen an. Vor diesem Hintergrund kommt dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags eine besondere Rolle zu. Dieser hat sich ja gleich mal in der Frage zerstritten, ob Edward Snowden als Zeuge gehört werden

soll und ihm hierfür Asyl gewährt wird. Dieser Streit ist ein wahrhaft verheerendes Signal der deutschen Politik. Da soll der NSA-Skandal aufgeklärt werden und so manche dafür zuständigen Parlamentarier scheuen sich aus Angst vor den USA, den Hauptbelastungszeugen anzuhören. Kanzlerin Merkel will ja bald Obama treffen. Da will man doch nicht damit provozieren, dass man unabhängig die Wahrheit ans Licht bringen will. Und überhaupt könnte Snowden vielleicht noch mehr aussagen, von dem man nicht weiß, ob man das dann kontrollieren kann. Der Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags führt sich auf wie ein Bückling, obwohl ja die Abgeordneten gerade nicht auf Weisung der Regierung hören sollen. Schon gar nicht zu Gefallen der

amerikanischen Regierung. Es geht ja um die Aufklärung von Grundrechtsverletzungen deutscher Bürger durch die NSA. Glenn Greenwald sagt: „Es wäre unglaublich unverantwortlich, die Spionage der NSA in Deutschland zu untersuchen, ohne den Menschen zu befragen, der mehr darüber weiß als jeder andere auf diesem Planeten. (...) Wer diese Informationen nicht prüft, kann nicht von einer ernsthaften Untersuchung sprechen. (...) Keiner weiß mehr über die NSA als Edward Snowden, Punkt.“ Anstatt also dem noch immer zu sorglosen deutschen Volk mit der Politik ein Zeichen zu geben, wie ernst die Sache zu nehmen ist, wird das zur Parodie einer Aufklärung. Phänomenal!

Das ist mal ein Signal: Der 77jährige Silvio Berlusconi muss ins Altenheim. Zur Strafe, nicht zum Ausruhen. Er wird dort wohl so manchen Altersgenossen treffen, dem dann wiederum Mut machen könnte, was Berlusconi sonst noch so vorhat. Nein, jetzt nicht wieder die Bunga-Bunga-Geschichten, obwohl das im Altersheim auch nicht schlecht ankäme. Er will in den Europawahlkampf ziehen, weshalb er also den Sozialdienst dem Hausarrest vorzog. Wenn er nun „einen Tag pro Woche für mindestens vier Stunden“ (so das Urteil nach seinem Steuerbetrug) in der kirchlichen „Fondazione Sacra Famiglia“ seinen Dienst antritt, ist das echt filmreif. Wir sehen schon den Silvio, der übers Kuckucksnest fliegt und die Schar der ihm jetzt anvertrauten Altersgenossen zu neuen Taten führt. Ob er alle für seine Partei „Forza Italia“ begeistern kann, wissen wir nicht. Blöd ist aber auf jeden Fall, dass im Urteil auch noch drinsteht, dass er für ein Jahr keinen anderen verurteilten Straftäter treffen darf. So einer könnte doch auch im Altenheim lauern. Michael Zäh


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