Ausgabe 161 am 14. Juni 2014
Die kühnste Bahn Reportage
Lächelnd gegen Portugal Fußball-Weltmeisterschaft
Mit der Rhätischen Bahn und in Wanderschuhen drei Tage lang mit Kindern unterwegs in Graubünden in der Schweiz. Seite 2/3
Handwerk sucht Azubis Freiburg
Kommenden Montag geht es für das Löw-Team gegen Portugal schon gleich um den Gruppensieg. Sechs ZaSSeiten als WM-Extra, ab Seite 9
Zunehmend tendieren auch Abiturienten zum Handwerksberuf. Dennoch fehlt es in Freiburg an Handwerkslehrlingen. Seite 5
In den Weiten des Weltalls Joseph Blatter repräsentiert den unfairen Handel, den die Fifa mit Land und Leuten betreibt, die eine WM ausrichten. Während in Brasilien die Volksseele kocht, phantasiert er von Fußballspielen auf anderen Planeten. Von Michael Zäh
D
ie Fifa hat einen Trumpf in der Hand, der immer sticht. Sie bestimmt darüber, wo sich alle vier Jahre die Besten der Welt zum Wettkampf treffen. Die Besten in einem Sport, der weltweit mehr Menschen begeistert als jeder andere. Weil Milliarden Leute auf allen Kontinenten selbst auf Straßen, in Höfen, am Strand oder eben in Vereinen vor sich hin kicken, ist es das weltweit größte Ereignis, wenn sich die Stars aller Kontinente zur Fußball-WM treffen. Es könnte ein Fest sein, gerade in Brasilien. Doch der Weltfußballverband Fifa hat den Trumpf dazu genutzt, nicht erst jetzt in Brasilien, wie eine Kolonialmacht in jene Länder einzufallen, die Gastgeber sein „dürfen“, um sich dort sogar den Gesetzen autonomer Staaten (und natürlich der Steuer) zu entziehen. Wie eine allesfressende Heuschrecke schmatzt er sich durchs Gastgeberland, vorbei an allen kulturellen, sozialen und historischen Gepflogenheiten eines Landes. Es ist schon unfassbar, wie ausgerechnet ein Sportverband so offen jenseits allen Fairplays agiert. Das beginnt ja schon mit dem Prinzip, dass eine Fußball-WM nicht etwa gemeinsam mit einem Land auf die Beine gestellt wird. Vielmehr lässt die Fifa das Turnier ausrichten, also das Gastgeberland bezahlen, wie ein Monarch, der amüsiert auf seinem Thron verfolgt, welch schöne Gaben seine Untertanen ihm wohl darbringen werden. Nur dass eben selbst eine fußballbessene Nation wie Brasilien nicht gerne den demütigen Untertan
gibt. Das heißt: die Leute nicht, selbst wenn die Regierung mitmacht. Nicht mehr. Das System der Fifa trägt einfach die Fratze der totalen Kontrolle, der Korruption und der völligen Rücksichtslosigkeit. Man versucht dabei nicht einmal, dies zu verbergen. Mit Knebelverträgen werden Länder und Leute jenseits aller Verträglichkeit mit Werten der Demokratie ausgesaugt. Am Ende wird die Fifa in Brasilien wieder so rund drei Milliarden Euro Gewinn machen, wie es 2010 schon in Südafrika der Fall war. Gleichzeitig wird Brasilien elf Milliarden Euro ausgegeben haben, für teure und teils abenteuerliche Stadien, die nach der WM kaum noch gebraucht werden. Es ist eben kein Widerspruch, dass die Leute den Fußball lieben und gleichzeitig das Gebahren der Fifa hassen können. Im Gegenteil ist es ja eben so, dass die Liebe zu diesem Spiel auch etwas Soziales mit sich bringt, während die Fifa genau solche Werte mit Füßen tritt. Man kann daher sagen: Wer Fußball liebt, muss das System Fifa hassen. Denn die Faszination an diesem Sport lebt ja gerade davon, dass es immer bei Null losgeht, und dabei jedes Können selbst bester Kicker
Montage: S. Schampera
HALLO ZUSAMMEN sich immer wieder neu beweisen muss, durchwirkt von Zufällen, Glück oder Pech, ein Messen unter Gleichen, wo es nicht zählt, wer reich oder arm geboren wurde. Die Fifa mit ihren 209 Landesverbänden könnte doch eigentlich für Vielfalt von Lebensweisen und Kultur stehen, ein bunter Strauß des Lebens in der Welt. Aber stattdessen schreibt sie vor, dass in den Stadien und in den Fanmeilen nicht etwa die lokalen Speisen und Getränke (vieler örtlicher Händler), sondern nur das schale Bier eines Sponsors und die unkultivierten FettmacherSnacks eines anderen Sponsors verkauft werden dürfen. Seit 1998 trägt der unfaire und völlig unsportliche Handel, den die Fifa betreibt, das Gesicht von Joseph Blatter. Der 78-Jährige verkörpert das System auch nach innen, wo ihm ein patriarchalisches Verhalten und jede Menge Ränkespiele nachgesagt werden. Mit ihm an der Fifa-Spitze wird es keine Veränderung geben. Er ist dem Gedanken eines fairen Umgangs der Fifa mit Land und Leuten so weit entrückt, dass er kürzlich sogar davon phantasierte, dass sein Spiel womöglich auch auf anderen Planeten gespielt würde. Das ist ja galaktisch!
Warten auf Godowitter Seit Tagen zeigt das WetterApp des Mobiltelefons Gewitter an. Täglich der bange Blick zum Himmel, wenn sich Wolkenberge im hinteren Blau zu türmen beginnen. Kann man noch Radfahren oder Schwimmen gehen, bevor es losgeht? Muss die Wäsche, das grasende Meerschwein reingeholt werden? Doch es bleibt aus, kein Blitzen und Krachen, die Regentonnen bleiben leer. Gleichzeitig die Schreckensnachrichten vom Cousin aus Düsseldorf, Baumschlag in seinem Viertel. Der Freund einer Freundin aus der Nähe von Tübingen berichtet am Tag darauf von sintflutartigen Regenfällen, kaum dass sie noch seine Worte am Telefon verstanden hat. Doch bei uns: Warten. Oben strahlend blauer Himmel, sengende Sonne, Wolken nur im Hintergrund, im Innern aber diese Unruhe, die Warten so an und für sich verursacht. Und auf dem Wetter-App, so oft man das Telefon auch hervorzieht, das kleine grau-blaue Blitzsymbol. Stoisch erscheint es jeden Tag aufs Neue und will einfach nicht weichen, auch wenn es draußen so anders aussieht. Barbara Breitsprecher