Ausgabe 168 am 11. Oktober 2014
Rampensau
Fünf Remis
Und die Welt
SC Freiburg
Interview mit dem Körpersprache-Experten Stefan Verra, der mit einer humorvollen Live-Show nach Freiburg kommt. Seite 2
Andere Kraft Leben
Die Ausbeute ist zwar nicht optimal, aber die Leistungen des Streich-Teams waren stabil. Und junge Spieler nutzten die Gunst der Stunde. Seite 9
Die Young Opera Company gibt es seit 20 Jahren. Zum Jubiläum führt sie die Märchenoper „Die drei Rätsel“ auf. Seite 13
Loch im Kopf Der Nobelpreis für Medizin geht an drei Neuroforscher, die „Ortszellen“ und „Gitterzellen“ im Gehirn entdeckten, also quasi ein inneres GPS im Kopf. Allerdings in Köpfen von Ratten, denen sie Elektroden ins Hirn getrieben haben. Von Michael Zäh
M
HALLO ZUSAMMEN
Oggersheim, lass gut sein
Montage: S. Schampera
ensch, wir haben ein Navi im Hirn! Wahrscheinlich hat der Mensch deshalb auch das Navi fürs Auto erfunden. Die inneren Landkarten, die unser Gehirn anlegt, sind zwar noch nicht mit Satelliten verbunden, die uns von oben orten, damit wir immer wissen, wo wir sind in der Welt. Aber mittels diversen technischen Schickschnack-Apparaten können wir unser inneres Navi bestimmt bald ans Satellitennetz anschließen, etwa mit einem Gerät am Kopf, das unsere zuständigen Gerhinzellen mit dem All verbindet. Drei Neuroforscher haben jetzt also den Nobelpreis für Medizin und das Preisgeld von knapp 880.000 Euro bekommen: John O'Keefe vom University College London, der die britische und US-amerikanische Staatsbürgerschaft hat, bekam für seine Forschung in den Sechzigern die eine Hälfte der Auszeichnung. Und die andere Hälfte teilt sich das norwegische Forscherpaar May-Britt und Edvard Moser aus Trondheim. O'Keefe entdeckte schon früh die „Ortszellen“ (also solche, die dann aktiv sind, wenn sich eine Ratte an einem bestimmten Ort aufhält) und mehr als dreißig Jahre später haben May-Britt und Edvard Moser die sogenannten „Gitterzellen“ entdeckt, die ein Raster darstellen, welches das Gehirn über eine Umgebung legt, in der sich die Ratte bewegt. Damit wissen wir also, dass Mensch und Tier sich orientieren können, nicht mit dem Kopf an die Wand rennen, sich Orte und Wege gar merken können. Weil es also im Gehirn spezifische Zellen gibt, die das für uns machen. Sonst würde unser Hund ja auch nicht immer
wieder sein Plätzchen hinter dem Sofa finden, das er so mag. Wir wissen also, was wir schon zuvor geahnt haben. Es ist nicht der kleine Zeh, der uns Orientierung im Raum gibt, sondern das Gehirn. Ob es sich bei den nobelpreismäßig entdeckten Ortszellen und Gitterzellen aber auch tatsächlich um jene handelt, die unser hirneigenes GPS anwerfen, wissen wir allerdings mitnichten. Denn die Versuche der drei Neuroforscher wurden alle mit Ratten durchgeführt. Wie ähnlich sich Mensch und Ratte sind, ist nicht hinreichend erforscht. Man könnte meinen, es gebe da schon auch Unterschiede. Warum sonst fahren Ratten keine Autos? Na ja, sie sind vielleicht schlauer als wir und benutzen unterirdische Wege, die sie viel schneller und ohne Staus ans Ziel bringen.
Jedenfalls hat die Vergabe des Nobelpreises für Medizin auch für Protest gesorgt, und zwar bei den „Ärzten gegen Tierversuche“. Der Ärzteverein prangert die „Neugierforschung auf Kosten von Tieren“ an. „May-Britt und Edward Moser schrauben Ratten und Mäusen ein oder zwei Antriebsgeräte auf den Kopf. Über ein Bohrloch im Schädel treiben die Geräte am unbetäubten Tier Elektroden in das Gehirn, um Nervenströme zu messen“, heißt es in einer Erklärung. „Wenn Tiere und Menschen einander ähnlich sind, verbieten sich solche Versuche aus ethischen Gründe, wenn sie sich aber nicht ähnlich sind, machen sie wissenschaftlich keinen Sinn“, erklärt Tierärztin Corina Gericke, die Vizevorsitzende von „Ärzte gegen Tierversuche“. Der Verein setzt sich grundsätzlich für tierversuchs-
freie Forschung ein und fordert, dass ein Nobelpreis in der Medizin nicht für „Tierexperimentatoren“ vergeben werden soll. Auch inhaltlich sind die kritisierenden Ärzte skeptisch. Die an den geschundenen Ratten gewonnenen Ergebnisse würden ja keine „Aussage für Menschen ohne Bohrloch im Schädel und Gerät auf dem Kopf“ erlauben. Die Frage ist tatsächlich, ob nicht die Forschung am Menschen selbst, ohne archaische Methoden, mit hochmodernen bildgebenden Verfahren, aufschlussreicher wäre. So wurden die Gehirne angehender Londoner Taxifahrer zu Beginn ihres Trainings sowie drei Jahre später untersucht. Und siehe da: Die hatten ordentlich Masse im Hippocampus zugelegt. Und 25.000 Straßen im Kopf.
Mensch hatte der Mann ein Redebedürfnis. 630 Stunden lang hat Helmut Kohl seinem damaligen Biografen Heribert Schwan munter aufs Tonband gequatscht, angestachelt von diversen Lästereien über den einen oder anderen Politiker in seinem Umfeld. Nun hat Schwan recht unfein ein Buch daraus gemacht, weshalb der konsternierte Kohl vor Gericht zog, um die Verbreitung des Druckwerkes zu verhindern. Das Landgericht Köln hat den Eilantrag abgelehnt. Denn Kohl habe sich ja Schwan gegenüber „geöffnet“, weshalb man nicht über eine „absolut geschützte Intimsphäre“ sprechen könne. Recht altmodisch mutet an der ganzen Sache dieser Umweg an, vom Tonband ins Buch, wo doch heutzutage alle direkt in diverse soziale Netzwerke rein lästern. Von daher möchte man auch meinen, dass dieses Buch voller Kohl-Sprüche nicht wirklich prickelnd ist. Eher wirkt das wie eine Abrechnung zwischen Zweien aus alter Zeit, die sich einst die Stunden teilten, sich dann aber trennten. Lasst das doch sein, in Oggersheim. Michael Zäh