Ausgabe 174 am 7. Februar 2015
Jazz und Beethoven Tipps
Raub oder Fluchthilfe?
Dominanter Auftritt
Freiburg
Dieter Ilg ist einer der beeindrukkendsten Jazzbassisten. Jetzt hat er sich mit seinem Trio Werke von Beethoven heran geholt und tritt damit im Jazzhaus auf. Seite 3
SC Freiburg
Schleuserprozess vor dem Landgericht. Der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen plädiert für Freispruch für die drei Angeklagten. Seite 5
Nach dem 4:1-Auftaktsieg gegen Frankfurt spielte die Streich-Elf zuletzt in Gladbach mutig und sehr dominant, verlor aber mit 0:1. Nun kommt Dortmund. Seite 8
Worte statt Waffen Wenn Angela Merkel und François Hollande nun nach Moskau zu Gesprächen mit Wladimir Putin gereist sind, ist das vielleicht eine Chance, den Krieg in der Ukraine zu stoppen. Jedoch zu Putins Bedingungen. Von Michael Zäh HALLO ZUSAMMEN
Montage: S. Schampera
Nicht einig über Nichteinigkeit
er Krieg in der Ostukraine ist in den letzten Tagen voll entflammt. Tausende Tote gab es in kürzester Zeit, darunter auch viele Zivilisten. Nach Angaben des ukrainischen Militärs haben die prorussischen Separatisten im Osten des Landes eine Großoffensive gestartet. Zuvor hatten sie außerdem eine Massen-Mobilmachung angekündigt. Der Krieg mitten in Europa steht kurz davor, zu einem offenen Krieg der Staaten zu eskalieren. Selbst unter den vielen PutinVerstehern (die es gerade auch in Freiburg gibt, wie zahlreiche Leserbriefe an unsere Redaktion zeigen) wird es kaum Zweifel darüber geben, dass Russland mehr oder weniger offen eine der Kriegsparteien ist. Die Offensive der Separatisten ist ohne logistische und militärische Unterstützung von Russland wohl kaum vorstellbar. Nach Ansicht der PutinVersteher ist dies aber in gewisser Weise „legitim“, da Putin damit die Interessen seines Landes schütze, zum Beispiel wegen des Szenarios einer ihm auf den Pelz rückenden
D
Nato. Und natürlich stecken dann nach dieser Lesart auch immer die USA hinter alldem. Genau so stellen dies russische Militärs auch immer dar. Und Putin-Versteher werfen dem Westen und auch der westlichen Presse eine Art Gleichschaltung vor, die Putin verteufele, anstatt seine Interessen anzuerkennen. Russland wehrt sich also nur gegen Amerika und den ungeniert expandierenden Westen. Weniger wichtig scheint es solchen Betrachtern zu sein, dass Putin dies mit militärischen Mitteln tut. Und das heißt: mit Krieg. Als kürzlich bekannt wurde, dass Amerika erwägen würde, der Ukraine Waffen im Wert von drei Milliarden Dollar zu liefern, war dies den Putin-Verstehern ein Beleg für ihre These. Böses Amerika! Auch Betrachter, die nicht per se Putin-Versteher sind, waren froh, dass Obama dann doch keine Waffen in das Kriegsgebiet liefern will. Dies aber aus einem anderen Grund. Eine solche Waffenlieferung würde nämlich nichts daran ändern,
dass das ukrainische Militär diesen Krieg gegen Russland niemals gewinnen kann. Und die Idee, dass es Putin zum Umdenken bewegen könnte, wenn dieser Krieg noch blutiger würde und die Gefechte mit modernen Kriegswaffen dann ein zu hoher Preis für ihn darstellen würde, ist einer gefährlichen KriegsLogik geschuldet. Wer aber dieser Logik folgt, überlässt den Militärs die Deutungshoheit. Dies löst eine Dynamik aus, die schnell außer Kontrolle geraten kann. Statt amerikanischer Waffen sollen es nun Worte richten. Um die vielleicht letzte Chance zu ergreifen, einer fürchterlichen Spirale des Krieges vorzugreifen, sind Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande nun also zu Gesprächen nach Kiew und Moskau aufgebrochen. Und Putin hat im Vorfeld ausrichten lassen, dass er dies für einen „positiven Schritt“ hält. Na also, werden die Verfechter Putins sagen. Wer es weniger mit Putin hält, wird aber darauf verweisen, dass
diese – selbstverständlich unbedingt nötigen – Gespräche eine seltsame Voraussetzung haben. Sie müssen geführt werden, weil Putin Krieg führt. Es sind Gespräche mit der Knarre am Kopf der ukrainischen Bevölkerung. Und da Putin den Finger am Abzug hat, dürfte es dabei auch kaum andere Ergebnisse geben als genau jene, die Putin vorschweben. Was das aber genau ist, weiß eigentlich niemand. Wenn es also mitten in Europa mit Waffengewalt und Krieg erzwungene Lösungen geben sollte, ist das natürlich immer noch besser als eine Eskalation des Krieges, etwa bis hin zu einem Marsch von russischen Truppen auf Kiew (wie das ranghohe russische Militärs schon mehrfach in den Mund nahmen). Es würde aber trotzdem auch eine tiefe Zäsur in der europäischen Friedensordnung darstellen. Der Krieg wäre wieder die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und könnte immer aufflammen.
Das nennen wir jetzt mal eine Pressekonferenz, die hält, was sie verspricht: Wolfgang Schäuble, der bei den Griechen verhasste, sture Spar-General, und Yanis Varoufakis, der neue, lässige Finanzminister der Griechen geben ein Bonmot kund, über das, worin sie sich nicht einig sind. Schäuble meint: „Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind“. Varoufakis hingegen sagt: „Wir haben uns nicht einmal geeinigt, dass wir uns uneinig sind“. Da lässt sich natürlich trefflich philosophieren, was denn nun eigentlich mehr oder weniger Einigkeit ist. Dabei zeigt sich: Schäuble ist halt durch und durch ein Rechner. Er hat den einen Punkt, pardon Euro, gefunden, dass zwar kein Konsens besteht, dies aber halt sicher sei. Wenn man seinem griechischen Kollegen folgt, gibt es aber auch diesen Punkt, pardon Euro, gar nicht, was dann natürlich auch schon wieder erklärt, um was es geht. Der eine hat einen Euro und der andere hat ihn nicht. Aber weil er ihn nicht hat, will er sich darüber halt auch nicht einigen. Michael Zäh