Ausgabe 176 am 7. März 2015
Lippenstift als Waffe
Radio Regenborgen Award
Offensiver Geist
Und die Welt
Tipps
SC Freiburg
Schminke und Menschenwürde gehören zusammen: Henriette Schroeder liest aus ihrem Buch, in dem Frauen über Weiblichkeit in großer Not sprechen. Seite 2
Musik-, Film- und TV-Stars treten bei der glanzvollen Medienpreisverleihung im Europa Park am 24. April auf. Wir verlosen Tickets für die Gala-Show. Seite 3
Werder Bremen ist im Jahr 2015 mit fünf Siegen dem Keller der Tabelle entstiegen. Dennoch hat der Gegner die gleiche Kragenweite. Seite 7
Unverschlüsselt Der NSA-Untersuchungsausschuss soll durchleuchten, was die Nachrichtendienste so alles treiben. Also haben Unbekannte das Handy des Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg gehackt, während die Briten einen Brief schrieben.Von Michael Zäh
D
as ist ein so guter Witz, dass er nicht erfunden sein kann: Da wird also vom Bundestag ein Untersuchungsausschuss mit dem Ziel gebildet, die Überwachung durch Nachrichtendienste mal so richtig zu durchleuchten. Weil es dabei natürlich um sensible Themen geht, etwa den Kontakt zu Edward Snowden und so, bekommen also der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg und die Obmänner der Fraktionen ganz besonders sichere Handys - verschlüsselte Wege der Kommunikation sind garantiert. Doch dann stellt der Vorsitzende Sensburg eine Panne an seinem ach so sicheren Handy fest, die auf einen Hackerangriff schließen lässt. Das Gerät wird also schnellstens an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nach Bonn geschickt, um den schlimmen Verdacht zu überprüfen. Und zwar wird es in einem verplombten Behälter durch einen Paketdienst zum BSI gebracht. Der Transportbehälter ist dort allerdings geöffnet eingetroffen und man stellte zudem fest, dass das Handy offensichtlich zwischenzeitlich herausgenommen worden war. Die Bundestagsverwaltung hat dann wegen des Öffnens eine Anzeige gegen unbekannt gestellt. Unbekannt! Wie das mit der Macht der Nachrichtendienste so ist: Sie bleibt stets im Dunkeln, es sei denn, dass sie sich einen kleinen Scherz erlaubt. Den Vorfall mit dem gehackten Handy müsste doch glatt der Untersuchungsausschuss des Bundestages beleuchten, wenn es ihn nicht selbst beträfe. Man könnte aber auch sagen, dass der Vorfall als solcher schon ziemlich viel Licht in die gängige Praxis der Geheimdien-
HALLO ZUSAMMEN
Nebulöses Niveau!
ste brachte. Fehlt jetzt nur noch, dass irgendein Paketjunge die Schuld für das Öffnen des Transportbehälters in die Schuhe geschoben bekommt. Dann wären wir komplett im Film. Damit hat der sogenannte NSAUntersuchungsausschuss also auf direktestem Weg vorgeführt, dass der Rechtsstaat noch lange nicht die Persönlichkeitsrechte der Bürger garantiert, noch nicht einmal die des Ausschussvorsitzenden selbst. Weil er eben umgangen wird, also der Rechtsstaat, wann immer es den Unbekannten ernst genug ist. Die riskieren in ihrer Eigenschaft als Unbekannte prompt und ungeniert eine Anzeige. Nun gut, das war der witzige Teil. Weniger Humor haben zuletzt ausgerechnet die Briten gegenüber dem NSA-Untersuchungsausschuss gezeigt. Das allerdings taten sie mit Stil, offenbar auf dem klassischen Weg, nämlich mit einem Brief an die Bundesregierung. Im Kanzleramt werde das Papier aus London
als knallharte Drohung empfunden, heißt es. Der britische Abhördienst GCHQ will demnach unter allen Umständen vermeiden, dass brisante Akten in die Hände des NSAUntersuchungsausschusses gelangen. Sollte dies doch passieren, wollen Briten dem Bundesnachrichtendienst (BND) künftig sicherheitsrelevante Informationen vorenthalten. Die Zusammenarbeit soll dann deutlich zurückgefahren werden. Für die Terrorabwehr ist der BND jedoch auf die Hilfe der britischen Agenten angewiesen. Auch hier hat also der ins Leben gerufene Untersuchungsausschuss relativ schnell Erfolg: Zumindest ist durch ihn nun ein Beleg erfolgt, wie geheim sich die Geheimdienste ihre Mission vorstellen. Nachdem ja nun gerade die amerikanische NSA und
der britische GCHQ aufgrund ihres massenhaften Ausspähens das Objekt der Untersuchung sein sollten, drehen die Briten also den Spieß einfach um. Und die NSA könnte es ihnen gleich tun. Dies geschieht auf offiziellem Weg, also überhaupt nicht geheim. In diesem Affront liegt ein Stück Wahrheit und Aufklärung. Denn der NSA-Untersuchungsausschuss ist in gewisser Hinsicht eine Farce. Er wurde zaudernd und zögerlich installiert, als die Öffentlichkeit in Deutschland empört schien. Aber wirklich unterstützt wird er nicht, weder in der Snowden-Sache, noch mit relevanten Akten. Es wird deshalb auch keine neuen Ergebnisse geben, sondern nur neue Krypto-Handys.
Paul Breitner weiß sich mal wieder auszudrücken: „Fußball ist eine heilige Kuh, die nicht angekratzt werden darf“. So sagte der Rebell der 1970er nun also im Zusammehang mit den Doping-Gerüchten aus eben jener Zeit. Wenn er nun wenigstens vom goldenen Kalb gesprochen hätte, um das alle tanzen. Also vom Geld, das man sich da zusammenkratzen kann, so als Rebell oder auch als Sportmediziner. Aber die Kombination einer „heiligen Kuh“, die „nicht angekratzt“ werde, entspricht ungefähr dem Gehalt der ganzen neu entfachten Debatte. Würde Breitner nicht nur sagen, dass er ja schon immer gesagt habe, dass im Fußball gedopt wird, sondern auch, dass er selbst und seine Freunde Hoeneß, Beckenbauer und Müller es wie alle taten, würden wir den Hut ziehen. Aber er sagt, dass alle es getan haben, nur er nicht, der Rebell, und natürlich auch sonst keiner, den er mit Namen kennt. Wenn halt ein Herr Singler Vorwürfe in die Welt setzt, der volle Bericht aber hinten an gehalten wird, ist das nicht hü und nicht hott. Michael Zäh