177. Ausgabe, ET 21.03.2015

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Ausgabe 177 am 21. März 2015

Kopftuch-Urteil Und die Welt Das neue BGH-Kopftuch-Urteil wirft Fragen auf: Wie ist das mit der emanzipierten, pluralistischen, aufgeklärten Gesellschaft? Seite 3

Schritt aus dem Keller

Vision des Piano-Man

SC Freiburg

Leben

Mit dem FC Augsburg kommt ein Team, das an den SC Freiburg von vor zwei Jahren erinnert. Dennoch wollen Streich und Co. den Dreier. Seite 11

Mark Zander hat mit Triptych sein erstes Soloalbum herausgebracht – ein eingängiges Pop-Folk-JazzWerk. Seite 15

Auf die Beine kommen Angela Merkel hat die Krise um Griechenland nun zur Chefsache gemacht. Dabei ist es nicht an den Haaren herbei gezogen, was der griechische Premier Alexis Tsipras will. Nämlich dasselbe, was Deutschland auch bekam. Von Michael Zäh

A

ngela Merkel hat die Krise um Griechenland nun also zur Chefsache gemacht. Sie lud den griechischen Premier Alexis Tsipras nach Berlin ein. Sie freue sich auf diesen Besuch am kommenden Montag, sagte die Kanzlerin und macht sich mal wieder auf den Weg nach Brüssel, wo sie am Rande des EU-Gipfels ebenfalls mit Tsipras zusammen traf. Die Botschaft lautet: Jetzt ist keine Zeit mehr zu verlieren, und die Animositäten zwischen den Finanzministern der beiden Staaten, Wolfgang Schäuble und Janis Varoufakis, sollen einer Einigung nicht mehr länger im Wege stehen. Wie es sich gehört, hat Angela Merkel dann noch eine staatstragende, ja fast schon philosophische Anmerkung gemacht: Der Euro sei der stärkste Ausdruck des Willens, die Staaten friedlich zu vereinen. Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Schon wegen des Kontextes, nämlich im Zusammenhang mit der politischen Krise rund um Griechenland. Hier wird wenigstens einmal von den bisher üblichen Plattitüden ein Stück weit abgewichen. Und diese hießen bisher so: Geld gibt es nur gegen Auflagen; keine Reformen, keine Kohle! Was dann natürlich damit untermauert werden musste, dass Griechenland halt ansonsten aus dem Euro austeigen müsse. Was ein Szenario ist, der “Crexit”, von dem Wolfgang Schäuble in jüngster Zeit immer häufiger sprach, parallel zu seiner wachsenden Entrüstung über die Griechen. Es wisse gar nicht, was Athen eigentlich wolle, sagte er kürzlich in einer Rede. Nun also dieser Satz von Merkel, dass der Euro der stärkste Ausdruck

HALLO ZUSAMMEN

Fälschung des Stinkefingers?

des Willens sei, die Staaten friedlich zu vereinen. Ob freiwillig oder nicht verrät dieser Satz, dass Merkel den Euro bedroht sieht, wenn es den “Crexit” gibt. Und wenn der Euro scheitert, das sagte Merkel ja schon häufiger, dann scheitert Europa. Daher müsse man „vielleicht auch diskutieren“, am Montag in Berlin, Angela Merkel mit Alexis Tsipras. Es gibt da ein Thema, das dann ausgesprochen gut zu Merkels Satz vom Ausdruck des Willens passt. Das ist die Forderung von Tsipras nach Reparationszahlungen von Deutschland an Griechenland, die in der Höhe - von 330 Milliarden Euro ist immer wieder die Rede – so ziemlich genau dem Schuldenstand Griechenlands entsprechen. Es kann lange und ausgiebig darüber gestritten werden, ob solche Forderungen juristisch überhaupt durchsetzbar wären. Zum Beispiel lehnt die Bundesregierung solche Reperationszahlungen ab, indem sie auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag

von 1990 verweist, während die Griechen sagen, dass ein solcher Vertrag der Siegermächte mit Deutschland ja nicht zu Lasten eines Dritten, nämlich Griechenland habe geschlossen werden können. Tatsache ist jedenfalls, dass es keine angemessene Entschädigung für Griechenland gab, nach den Verwüstungen und Gräueltaten des Nazi-Regimes von 1941 bis 1944. Die Griechen hatten gleich nach dem Krieg 14 Milliarden Euro für die ungeheuren Schäden durch die Besatzungsherrschaft gefordert. Hinzu kamen die Forderungen von Hinterbliebenen der Opfer von Massakern (etwa in Distomo) durch die Nazis. Gezahlt wurde 1960 dann 115 Millionen D-Mark. Keiner wird bestreiten, dass dies nur ein Bruchteil dessen ist, was an Schaden tatsächlich angerichtet wurde. Deutschland wurde nach dem Krieg praktisch unermesslich hohe Schulden erlassen, damit es überhaupt wieder auf die Beine kommen

konnte. Es ist daher kein Wunder, dass sich Griechenland jetzt daran erinnert, wo doch Deutschland so sehr auf Sparkurs und Rückzahlung von Schulden pocht. Noch augenfälliger wird der Zusammenhang bei der Zwangsanleihe von 476 Millionen Reichsmark, die Deutschland bei der griechischen Nationalbank machte. Das Geld wurde nie zurück gezahlt. Mit Zinsen beliefe es sich heute auf elf Milliarden Euro. Weil es aber kein echtes Darlehen gewesen sei, sondern ein von den Deutschen erzwungenes, müsse man es nun nicht mehr zurückzahlen, wird von der Bundesregierung argumentiert. Denn Kriegsschulden wurden ja angeblich bereits abgehandelt. Es ist also nicht an den Haaren herbei gezogen, was Alexis Tsipras will. Nämlich das, was Deutschland nach dem Krieg zugestanden wurde. Eine Chance, auf die Beine zu kommen.

Ein Fake ist ein Fake ist ein Fake. Es gab in den sozialen Netzwerken schon jede Menge Bewunderungsstürme für den vermeintlich jüngsten Coup von Jan Böhmermann, der mit angelinktem “Beweisvideo” verkündete, dass er es gewesen sei (mit seiner Redaktion), der das Video vom griechischen Finanzminister Varoufakis so manipuliert habe, dass dieser Deutschland den Stinkefinger zeigte. Dieses Video war ja in der Jauch-Talkschow gezeigt worden, im Beisein eben von Varoufakis, der sich sogleich reingelegt sah und beteuerte, dass diese Aufnahmen eine Fälschung sein müssten. Er habe nämlich nie diese Geste gemacht. Das hat ihm in der Livesendung natürlich kein Mensch abgenommen, weshalb also nun Böhmermann den “Beweis” dafür lieferte, dass es doch so sei. Wie peinlich für Jauch, dachten da alle. Hat sich ein manipuliertes Video aufdrehen lassen und seinen unschuldigen Gast damit an den Pranger gestellt. Na ja, Böhmermann hat aber gelogen. Sein Beweisvideo war selbst eine Fälschung. Lustig! Michael Zäh


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