Ausgabe 178 am 4. April 2015
Bloß kein Wischi-Waschi Interview
Achtung, Blitzer!
Blick nach oben
Freiburg
Johannes Oerding kommt nach Freiburg. Auf seinem neuen Album „Alles Brennt“ singt er über Gefühle, und will dabei aber nie kitschig klingen. Seite 2
Bundesliga
Beim dritten „Blitz-Marathon“ der Polizei am 16. April wird diesmal europaweit die Geschwindigkeit gemessen. Die Polizei verspricht sich davon ein Wachrütteln gegen Raserei. Seite 5
Dortmund erwartet die Bayern und der SC Freiburg die Kölner. Und dabei haben Klopp und Streich eines gemeinsam: Den Blick nach oben. Seite 7
Ohne Antwort Nach der schrecklichen Katastrophe des Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen wird die elementare Frage nach dem „Warum“ nicht beantwortet werden können. Stattdessen gibt es Erklärungen und Forderungen. Von Michael Zäh
D
er Vorwurf, dass die Medien zu viel über die Katastrophe des Flugzeugabsturzes in den französischen Alpen berichten, ist Unsinn. Denn es ist auch eine Art öffentliche Anteilnahme, die sich hier zeigt. Niemand kann wohl die Hinterbliebenen der Opfer wirklich trösten. Aber fast jeder kann sich vorstellen, dass er auch selbst von einer solchen Katrastrophe hätte betroffen sein können. Man kann nicht in die Haut derer, die auf so schreckliche Weise einen geliebten Menschen verloren haben. Man kann aber im Geiste doch bei den Hinterbliebenen sein, indem man sich fragend mit all dem beschäftigt, was diese leidend erleben müssen. Die Frage, die zuallererst da ist, unmittelbar, lautet: Warum? Diese Frage ist eine, die für die Hinterbliebenen keinen Trost birgt. Denn wie sie auch beantwortet wird, kann sie den erlittenen Verust nicht mindern. Deshalb müssen andere dieser Frage nachgehen. Und dass dies die Öffentlichkeit interessiert, ist keinesfalls ein Gegensatz zu der Trauer der Betroffenen. Ein Stück weit nimmt diese Frage nach dem Warum sogar an der Trauer teil. Der Schock des Ereignisses soll durch die Erklärung des Warum ein bisschen abgefedert werden. Im Falle dieses Flugzeuabsturzes ist es aber so, dass die Erklärung den Schock vervielfacht hat. Seit bekannt wurde, dass der Copilot das Flugzeug mit Absicht an eine Felswand flog, hält das Unvorstellbare Einzug in alle Gedanken. Ein Mensch, der sich selbst töten will und dabei jedes Band an andere Menschen verloren hat, keine Verantwortung mehr spürt, nicht Menschliches mehr an
HALLO ZUSAMMEN
Ein Hoch auf das Sturmtief Niklas
sich heran lässt, und so andere Menschen sinnlos ermordet. Das ist die von den Ermittlern abgegebene Erklärung, weshalb das Flugzeug abstürzte. Aber es ist keine Antwort auf das Warum. Und darauf wird es auch keine geben. Was es höchstens gibt, sind nur weitere Erklärungen. Zum Beispiel in der Schilderung der psychischen Krankheit des Copiloten. Oder auch in der Aufarbeitung dessen, was über diese Krankheit hätte bekannt sein können. Und schließlich auch in Forderungen, wie man solche Katastrophen künftig vermeiden könne. Erschreckend ist dabei, dass es in diesem konkreten Fall überhaupt keine grundsätzlichen Geheimnisse gab: Der Mann hatte schon 2009 im Zuge seiner (zwischenzeitlich deshalb unterbrochenen) Ausbildung selbst mitgeteilt, dass er an einer schweren Depression litt. Er ging auch bis zuletzt zu Ärzten. Seine Krankheit hat sich also nicht im
Verborgenen heran gebildet. Und führte dann trotzdem zu der Katastrophe mit 150 Toten. Das ist schwer zu verstehen. Es hat mit einer gesellschaftlichen und medizinischen Entwicklung zu tun. Der Blick auf psychische Erkrankungen ist insgesamt differenzierter geworden. Die Gesellschaft tut eine Depression nicht mehr bloß als ein „Verrücktsein“ ab. Das ist auch schon deshalb sehr positiv, weil sich dadurch mehr Menschen trauen, bei einem psychischen Leiden den Arzt aufzusuchen. Sehr häufig kann ja den Menschen auch nachhaltig geholfen werden. Über 20 Prozent der Bevölkerung soll laut Statistik der Fachleute schon einmal unter einer schweren Depression gelitten haben. Wegschauen würde da nichts nutzen. Nur der offene Umgang mit psychischen Erkrankungen kann helfen. Aber Hinschauen muss auch heißen, dort die Verantwortung zu übernehmen, wo es die Betroffenen
selbst gar nicht können. Denn es ist eine grobe Fehleinschätzung, wenn bei psychischen Erkrankungen fast reflexhaft ein gesellschaftlicher Schutzmechanismus greift. Eine Depression ernst zu nehmen, heißt auch, ihrer Unberechenbarkeit (etwa im Verhältnis zu einem organischen Leiden) Rechnung zu tragen. Es ist deshalb überzogen, wenn ein Mann mit diesem Krankheitsbild als Copilot in einem Passagierflugzeug landen kann. Das ist dann nicht Ausdruck einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft, sondern eine nicht zu rechtfertigende Verharmlosung dieser Erkrankung. Das Warum ist bei Depressionen ja fast immer eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Und die so überaus schreckliche Katastrophe des Flugzeugabsturzes wird genau deshalb im kollektiven gesellschaftlichen Gedächtnis bleiben, weil es keine Antwort darauf gibt, warum der Täter dies tat.
Sturmtief “Niklas” hat viel Wind gemacht. Das war nicht so schön für Leute, die er auf offener Straße umgepustet hat und auch nicht für die Bäume, die umknickten im Walde. Aber bei den Fans der Windenergie hat Niklas für viel Freude gesorgt. Er hat nämlich die Windräder derart schnell rotieren lassen, dass diese 30 Gigawatt Strom produzierten. Rekord! Rekord! Das zeige jetzt mal allen, wozu erneuerbare Energiequellen in Deutschland fähig sind, hieß es prompt von berufener Seite. Da auch noch die Solarstromanlagen auf Hochtouren produzierten, sei der bisherige Rekord vom April 2014 um knapp16 Prozent übertroffen worden. Nun ist es aber halt so, von April zu April gesagt, dass eingefleischte Fans der Wind- und Sonnenenergie zwar hoffen dürfen, dass bei solchen Leistungen bald jene 40 Großkraftwerke nicht mehr nötig sind, deren Leistung der gute Niklas übertraf. Aber der Nachteil an der Geschicht könnte wohl sein, dass im April 2016 das nächste Strumtief mit noch mehr Orkanböen aufwartet. Und die Windräder knickt. Michael Zäh