Ausgabe 180 am 2. Mai 2015
Wenn die Liebe zu Ende ist
Alle müssen noch
Sinnlich, eigenwillig, frei
Interview
SC Freiburg
Leben
Die Band Selig kommt nach Freiburg. Nach dem steilen Aufstieg vor 20 Jahren kam es zum Bruch. Nach acht Jahren wagten sie den Neuanfang. Seite 2
Gegen den SC Paderborn hat das Streich-Team ein buchstäblich richtungsweisendes Spiel vor sich. Der Trainer lebt die Emotion vor. Seite 10
Hyrrätytö ist ein schrankenloses, freigeistiges und atemberaubendes Spektakel in der Theatermanege im E-Werk. Voller Akrobatik, Wortwitz und Musik. Seite 13
Anreize schaffen! Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes schrumpft die deutsche Bevölkerung bis 2060 dramatisch und wird aus mehr alten als junge Menschen bestehen. Es wären noch 45 Jahre Zeit, etwas entgegen zu setzen. Von Michael Zäh
D
eutschland in 45 Jahren: Es gibt Wohnungen ohne Ende, also zum Aussuchen, dazu überall Parkplätze, als wenn gerade alle im Sommerurlaub wären. Es wird wohl ein bisschen leerer sein auf den Straßen und auch die Jobsuche wird ganz einfach sein. Denn laut den nun vorgestellten Berechnungen des Statistischen Bundesamts wird Deutschland bis 2060 erheblich schrumpfen, von 80,8 Millionen Einwohnern im Jahr 2013 auf dann 67,6 Millionen bis 73,1 Millionen, je nach Zuwanderung von außen. Es werden aber nicht nur viel weniger Menschen in Deutschland leben, sondern ihr Miteinander wird eine völlig neue Struktur haben müssen. Jeder dritte Einwohner wird dann 65 Jahre und älter sein, das sind dann rund 23 Millionen Leute, während nur jeder zweite Einwohner im erwerbsfähigen Alter (zwischen 20 und 64 Jahren) ist und die jungen Menschen (unter 20 Jahren) eine echte Minderheit sind. Den rund 23 Millionen älterer Menschen stehen dann 11 bis 12 Millionen junger Menschen gegenüber, also praktisch zwei über 64 Jahre alte Menschen einem unter 20-Jährigen. Die Zahl der arbeitenden Bevölkerung schrumpft um bis zu 30 Prozent, von 49 Millionen im Jahr 2013 auf 34 bis 38 Millionen im Jahr 2060. Das sind also lauter Zahlen. Und solchen Zahlen ist ja oft eigen, dass sie jede Phantasie abtöten. Sie gehen eigentlich alle etwas an, aber doch sind sie irgendwie nicht konkret
vorstellbar. Was folgt aus diesen Zahlen für das Leben der Deutschen? Wie kann sich eine Gesellschaft neu organisieren, die doppelt so viele Rentner wie Kinder hat? Was heißt es, wenn die Zahl der über 80 Jahre alten Menschen fast gleich hoch sein wird (rund 9 Millionen) wie jene der unter 20 Jahre alten Heranwachsenden? Wie wird sich zum Beispiel die Infrastruktur des Landes verändern müssen, wenn es eher den älteren Einwohnern als der Minderheit der Jungen genügen muss? Man weiß ja durch Studien,
dass sich der Bewegungsradius bei älteren Menschen immer weiter einschränkt und es daher eine fortschrittliche Städteplanung ist, wenn es eng getaktet Sitzmöglichkeiten, aber auch Einkaufsmöglichkeiten gibt. Doch sich der zunehmenden Alterung der Bevölkerung zu stellen, sollte andererseits nicht heißen, die daraus ebenfalls entstehenden ganz neuen Probleme junger Menschen zu vergessen. Wie sieht wohl eine Kindheit aus, in der der Eindruck der Minderheit vorherrscht? Oder umgekehrt: Wie werden dann diese jungen Menschen in der Gesell-
schaft wahr genommen? Als ein seltener Glücksfall, den es gar zu bestaunen gilt, oder vielmehr als Randerscheinung in einer von den Bedürfnissen der älteren Menschen dominierten Ordnung? Aber stop! Bevor sich die von den Statistikern skizzierten Verhältnisse einstellen, wäre ja noch Zeit, 45 Jahre halt, um dem Trend etwas entgegen zu setzen. Wer heute zu den 20-Jährigen gehört, könnte sich zum Beispiel sagen, dass er nicht 1,4 Kinder in seinem Leben haben will (wie es die Statistik annimmt), sondern eher drei davon, damit er dann in 45 Jahren, wenn er selbst zu den 23 Millionen der über 64-Jährigen zählt, mit lässigem Augenzwinkern auf die durch die Wirklichkeit korrigierte Statistik gucken kann. Und die Politik heute sollte sich mal die Frage stellen, ob sie tatsächlich genug Anreize für mögliche Eltern bietet. Denn Kinder zu bekommen, womöglich mehrere, ist noch immer ein viel zu großes finanzielles Risiko für viele Familien. Es wird ein gesellschaftliches Umdenken nötig sein, um die doch düsteren Erhebungen der Statistiker nicht wahr werden zu lassen. Dazu gehört auch der Gedanke von Deutschland als einem modernen Einwanderungsland. Es braucht allerdings Rahmenbedingungen, schon hier und heute, um in 45 Jahren eine starke Gesellschaft mit jungen Menschen zu haben, eine offene, multikulturelle und produktive. Also: Jetzt dafür investieren!
HALLO ZUSAMMEN
Mit zwei Brüchen aufs Feld zurück Der Hype um seine Hose hat sich endlich gelegt. Nach dem grandiosen 6:1-Sieg des FC Bayern München gegen Porto schien es noch so, als sei Pep Guardiola geradezu göttlich in seiner großschauspielernden Hampelei an der Linie, und der Streit mit Müller-Wohlfahrt, der Arzt-Ikone des Vereins, habe nur seinen Ruhm gemehrt. Doch dann kam das Pokalspiel gegen Dortmund und es kam diese Entscheidung, die kaum mit anzusehen war: Da wurde der am Kopf verletzte Robert Lewandowski völlig benommen zurück aufs Fußballfeld beordert, nur weil Pep Guardiola nicht mehr wechseln konnte. Der Spieler zog sich Brüche des Oberkiefers und Nasenbeins zu, dazu eine Gehirnerschütterung, wie sich später zeigte. Und er war vom neuen Mannschaftsarzt am Spielfeldrand ja untersucht worden, bevor sie ihn zurück ins Spiel schickten. Da hat sich wohl ein Arzt nicht so recht getraut, dem Meister das Zeichen zu geben, dass dieser Spieler nicht mehr rein kann. Im Lichte dieser Szene sieht der Ärger mit und von Müller-Wohlfahrt ganz anders aus. Er hat Spieler geschützt. Michael Zäh