Ausgabe 185 am 11. Juli 2015
Plan des Provokateurs Spieltheorie
Berührend, schräg und böse
Basteln am Team
Leben
Der Rücktritt von Yanis Varoufakis war womöglich ein geplanter Abgang in einer griechischen Tragödie kurz vor dem letzten Akt. Seite 2
SC Freiburg
Das Freiburger Filmfest lockt mit 37 Premieren und vielen anwesenden Regisseuren und Darstellern in Mensagarten und Kinos. Seite 7
Trainer Christian Streich arbeitet daran, aus vielen neuen Spielern und einem bestehenden Kern ein gutes Team zu formen. Seite 11
Götzendämmerung Kann es Europa wirklich wurscht sein, wenn Griechenland aus dem Euro gedrängt wird und dann in Isolation verarmt? Im Kampf der ordentlichen Ordnungsökonomen gegen wild gewordene Linke wird es bald zum Schwur kommen.Von Michael Zäh
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HALLO ZUSAMMEN
Arsen und Kindermützchen
Montage: S. Schampera
s ist nicht mehr länger eine Frage der Finanzen, sondern eine Frage von historischem Ausmaß: Kippt Griechenland aus dem Euro, kann das entweder das Ende oder der Anfang einer starken Gemeinschaft sein. Das hängt vom Blickwinkel ab. Dieser wiederum wird derzeit in doch erschreckendem Maße verengt. Man könnte auch von Plattitüden sprechen. Da geht es tatsächlich so zu, dass auf der einen Seite die (konservativen) Sparfreaks und auf der anderen Seite die wild gewordenen Linken stehen. Jeder ordentliche Ordnungsökonom sagt permanent, dass nun kein Geld mehr nach Griechenland fließen darf, weil dort jede Ordnung dahin sei. Hier wird auch gerne mit ganz finsteren Argumenten hantiert, dass nämlich dies alles dann ungesetzlich sei. Und dem gegenüber riskiert ein Alexis Tsipras eine brutale Not seiner Landsleute, indem er sich weigert, eben jenen Reformbedingungen zuzustimmen, die Ordnungsökonomen für ordentlich halten könnten. Und dafür bekommt er sogar breiten Rückhalt der Griechen, obwohl sie derzeit überwiegend Schlange vor Geldautomaten stehen, die kaum noch etwas ausspucken. Das Referendum, das Tsipras am vergangenen Sonntag abhalten ließ und für das er ein noch bestehendes „Hilfsprogramm“ sausen ließ, hat mit seinem Ergebnis von 61 Prozent „stolzen Nein“-Sagern zu den von den europäischen Geldgebern bisher verhängten Bedingungen nicht so sehr Festcharakter für die Wiege der Demokratie, sondern war wohl eher ein Aufbegehren gegen lange Not und Zwänge, vielleicht auch ein Stück weit eine Utopie. Aber das
von den EU-Partnern (besonders in Deutschland) reflexartig sofort in Stellung gebrachte Argument, dass ja die anderen 18 Mitgliedsländer ebenfalls Demokratien seien und nicht dem demokratischen Votum nur eines Volkes unterworfen, greift viel zu kurz. Manche haben sogar die Rechnung aufgemacht, was wohl wäre, wenn die Bürger aller EU-Staaten abgestimmt hätten und haben dabei ein Verhältnis von 18 gegen eins angenommen. Doch wenn in einer EU-Demokratie eine Mehrheit bestimmen könnte, was eine Minderheit zu ertragen habe, dann wäre das ein ebenso seltsamer Demokratiebegriff wie umgekehrt, dass Griechenland dem Rest der EU seine Vorstellungen aufzwingen könnte. Und das ist ja auch nicht so. Es geht vielmehr darum, dass eine Minderheit ihr Recht wahrnimmt,
sich gegen Reformen und Sparzwänge aufzulehnen, die in den letzten fünf Jahren immer weiter nach unten führten, für alle dieser Minderheit spürbar, während dies anderen Ländern wie Deutschland nicht so ging. Ganz im Gegenteil und vielleicht hat eine jede Krise auch ihre Profiteure. Dies ist eine Abstimmung mit dem Bauch voller Erfahrungen. Aber es gibt viele angesehene Leute außerhalb Griechenlands, welche mit Nobelpreis und welche ohne, die als gelehrte Ökonomen (also mit dem Kopf und nicht mit dem Bauch) schon seit Jahren sagen, dass die europäische Krisenpolitik daran krankt, dass es eine reine Spar- und Ordnungspolitik ist und dabei zu wenig in Betracht zieht, dass eine schon kränkelnde Wirtschaft völlig abgewürgt wird, wenn man das so macht. Und damit natürlich dann
auch eine ungerechte Verteilung der sozialen Lasten einher geht. Solange sich niemand wehrt, wird das halt so gemacht, weil es diejenigen, die dabei keinerlei Not haben, nicht ändern werden. In dem Moment der Gegenwehr kommt es zum Schwur. Kann es Europa wirklich wurscht sein, wenn Griechenland aus dem Euro gedrängt wird und in Isolation verarmt? Oder ist das dann der Anfang vom Ende einer europäischen Idee, weil dann nur noch nationaler Egoismus und Profit über allem steht? Tsipras hat Recht, wenn er fordert, dass es nicht so weiter gehen kann wie in den letzten Jahren. Der beste Beweis ist, dass ihn diese Jahre ja an die Macht gebracht haben, als Ausdruck der Leute für eine Veränderung. Und die will er unbedingt.
Es sind zwei reizende, ältere Damen, die sich rührend um ihre Zimmergäste kümmern – und dabei einen nach dem anderen vergiften. Der schwarze Humor, den wir in dem alten Film „Arsen und Spitzenhäubchen“ so lieben, ist aber in Wirklichkeit noch viel, viel böser: Denn wir, die liebevollen Mütter und Väter, sind es, die unseren süßen Nachwuchs vergiften, in dem wir ihm, wann immer er möchte, eine Reiswaffel in Hand und Mund drücken. Reis enthält giftiges Arsen, das wussten Sie nicht? Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schon. Die wissen nun auch, dass der Arsengehalt in Reiswaffeln noch viel höher ist als im Reiskorn selbst. Und deshalb wird jetzt gewarnt: Kleinkinder und Babys nur ganz selten Reiswaffeln knabbern lassen. Die Warnung kommt für viele Kinder, die mit Reiswaffeln quasi aufgewachsen sind, ungefähr so spät, als würde man die beiden Tanten in „Arsen und Spitzenhäubchen“ sanft darauf hinweisen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, keine Leichen im Keller zu vergraben. B. Breitsprecher