Ausgabe 187 am 12. September 2015
Skrupellos
Abgründig
Halbkreis mit Ball
Interview
Leben
Jürgen Grässlin kämpft gegen deutsche Waffenexporte. Ein neues Buch und die ARD greifen das Thema auf. Seite 2
Eric Jarosinski ist der Negativ-Philosoph auf Twitter. Jetzt kommt der US-Prof mit seinen schrägen Sprüchen für eine Lesung. Seite 9
Nationalmannschaft Bei den Siegen über Polen und Schottland in der EM-Quali wurde auch das spielerische Konzept von Joachim Löw deutlich. Seite 13
Vorbildlich Die Entschlossenheit von Angela Merkel und der Koalition, der Flüchtlingswelle mit offenen Armen und viel Solidarität zu begegnen, hat das Bild der Deutschen nachhaltig verändert. Nicht alle EU-Partner werden folgen. Von Michael Zäh
W
ie Bilder sich ändern: Noch in der Euro-Krise um Griechenland sah man Angela Merkel auf Postern als gnadenlose Frau, die ein ganzes Volk leiden lässt. Neuerdings zeigen Flüchtlinge, die zu Tausenden an deutschen Bahnhöfen ankommen, Fotos von Merkel, die mit „Love”Zeichen geschmückt sind. Von der kaltherzigen Euro-Frau zur Retterin von Menschen in Not - ein kaum vermuteter Ritt in vollem Tempo. Und als Merkel – die Ordnungsfrau schlechthin – die Regeln des bisher geltenden Asylrechts aushebelte, um die unhaltbaren Zustände an den Bahnhöfen in Ungarn zu beenden, war dies ein Dammbruch im besten Sinne. Jedenfalls hat das Grenzzäune auf verblüffende Art und Weise ad absurdum geführt. Manche sagen: Tür und Tor geöffnet. So geht das Bild der hilfsbereiten Deutschen um die Welt, mit Merkel als Galionsfigur, mit den Bürgern als den eigentlichen Helfern, die sich vor Ort mit Spenden und mit Zuwendung um die ankommenden Flüchtlinge kümmern. Das ist fast schon eine große Sause, also wie bei der Fußball-Party 2006, als sich alle über diese Deutschen nur so wunderten, die nicht nur muffeln, sondern auch aufgeschlossen feiern können. Nur hat die Hilfe für die Flüchtlinge viel mehr Tragweite. Es ist nämlich eine Herausforderung und eine gigantische Anstrengung. “Wir schaffen das!”, lautet die Botschaft von Merkel. Diejenigen, die das schaffen sollen, sind in erster Linie die Kommunen, die wiederum nur mit unbedingter Hilfe der Bürger vor Ort eine Chance haben, zunächst den Ansturm zu bewältigen. Das hat
HALLO ZUSAMMEN
Kleiner Kerl dachte weit
tatsächlich Vorbildcharakter auch für andere EU-Länder, die Merkel nun mit in die Verantwortung holen will. Es ist ein starkes Signal, zuerst selbst zu handeln, bevor man mit den anderen EU-Staaten verhandelt. Denn nur so werden die weiteren Verhandlungen von einer Tatkraft überstrahlt, der sich die Gesprächspartner in Europa schwerlich entziehen können. Mit einem Schlag ist Deutschland nicht mehr durch rechtsdumpfe Parolen gegen Ausländer in Not, sondern hat sich umgekehrt in überwältigender Mehrheit mit der Not der Flüchtlinge solidarisiert. Das kommt von einer breiten Basis in der Bevölkerung, und nicht von oben verordnet. Es hat sich sogar jeder Verordnung entzogen. Und vielleicht hat dies das entschlossene Handeln von Merkel und Co. (also Gabriel) erst
wirklich befördert. Das ist gut, aber es hat auch Voraussetzungen, die es sonst in den anderen EU-Staaten eher selten gibt. Denn erstens stimmt die Kasse. Mal eben sechs Milliarden für 2016 in den Haushalt zu stellen, um die Kosten für die Flüchtlingshilfe zu meistern, ist eher eine Kleinigkeit angesichts der deutschen Finanzkraft. Also für Deutschland, aber wohl nicht für viele andere Länder in der EU. Zweitens herrscht eine große Koalition und gibt es politisch kaum eine ernstzunehmende Bedrohung von rechts außen, wie das in vielen EU-Ländern (selbst in Frankreich) der Fall ist. Drittens hat Deutschland perspektivisch ja ein Problem mit dem demographischen Wandel. Die Integration möglichst vieler Menschen, die heute als Flüchtlinge kommen, aber morgen
die deutsche Wirtschaft mittragen könnten (siehe auch Seite 3), könnte sich also lohnen. Deutschland steht mit all diesen Merkmalen ziemlich alleine in Europa. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ja einen Plan vorgelegt, wie Flüchtlinge nach einem festen Schlüssel auf die Staaten der EU verteilt werden sollen. Er ringt um Solidarität innerhalb der EU, sagt aber auch, dass es wenig Europa in der Union gebe. Merkel ist hierfür eine mächtige Verbündete und ein Vorbild. Aber es ist fraglich, ob dies reicht, die nationalen Umstände in den EUStaaten etwa in Osteuropa zu überwinden. Da wird es am Ende auch wieder um Geld gehen. Und darum, Ängste abzubauen, durch das eigene Vorbild.
Da wurde jetzt also in einer Höhle in Südafrika, die noch dazu „Rising Star“ heißt, also aufgehender Stern und nicht aufgehende Sonne (Rising Sun), eine neue Menschenart gefunden: Der auf den Namen „Homo naledi“ getaufte Kerl war nur 1,50 groß, wog schlanke 45 Kilo, hatte einen sehr grazilen Körperbau, aber kräftige Füße (die von denen eines modernen Menschen kaum zu unterscheiden seien) und lange gebogene Finger, was nahelegt, dass er viel wanderte und gut klettern konnte. Er hatte an seinem Gehirn nicht schwer zu tragen, da dieses die Größe einer Faust hatte. Und das Rätsel ist nun, wie denn die Fossilien von mindestens 15 Individuen in diese Höhle kamen. Womöglich gehört es zum Rätsel auch dazu, dass der Eingang der Höhle gerade mal 18 Zentimeter breit ist und die Fossilien in einer abgelegenen Kammer lagen, die nur über eine sehr schmale Rinne zugänglich ist. Ein Beerdigungsritual? Die schlanken Kerlchen wussten ja, dass nur sie da durchpassten und keine fetten Dinos, Löwen oder so. So weit dachten sie! Michael Zäh