188. Ausgabe, ET 26.09.2015

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Ausgabe 188 am 26. September 2015

Reich-Ranickis TV-Erbe

Rock-Legenden

Und die Welt

Erlebnistag China

Leben

Das ZDF wagt eine Neuauflage des „Literarischen Quartetts“. Mit Volker Weidermann, Maxim Biller, Christine Westermann. Seite 2

Tipps

Orso feiert mit seinem Rock-Symphony-Orchestra und diversen Musical-Stars im Konzerthaus die Fusion von Rock und Klassik. Seite 9

Zum chinesischen Vollmondfest gibt es ein Konzert eines jungen Quartetts der Musikhochschule sowie Workshops und Vorführungen. Seite 10

Heiliges Auspuffrohr! Um ein Auto zwischen Testsituation und normalen Straßenbetrieb unterscheiden zu lassen, braucht es zuerst ein passendes Bauelement und dann noch die entsprechende Software. Ist VW nur die Spitze des Eisbergs? Von Michael Zäh

U

m erahnen zu können, was in Sachen Abgas-Skandal in den nächsten Tagen und Wochen noch so alles ans Licht kommen wird, muss man sich die Idee genauer zu Gemüte führen, die hinter dem Betrug steckt. Und diese Idee manifestiert sich zuerst bei Bosch, seines Zeichens Marktführer als Autozulieferer bei elektronischen Bauelementen. Bosch nämlich hat nach eigenen Angaben das „Förderund Dosiermodul zur Abgasnachbehandlung“ entwickelt und an VW geliefert, aber natürlich nicht nur an VW, da dieses von Bosch produzierte Bauelement „Industriestandard“ sei. Und jetzt kommt es: Dieses Bauteil von Bosch enthält von vornherein eine Funktion, die erkennen kann, wenn ein Auto im Testmodus betrieben wird. Man muss die gelieferte Bosch-Hardware also nur noch so programmieren, dass die Software quasi die in der Hardware schon mit gelieferte Funktion aktiviert. Diese Idee! Warum sollte denn ein Bauelement erfunden worden sein, das nicht der Nachfrage dient, oder diese sogar schafft? Warum soll das Ding erkennen können, ob das Auto gerade getestet wird? Die Unterscheidung zwischen Abgastest und Abgasentwicklung auf offener Straße macht doch nur Sinn, wenn man manipulieren will. Wer ein Bauteil mit dieser Funktion anbietet, weiß genau, warum das dann von den Autoherstellern gekauft wird. Bosch hat sich natürlich dann gleich mal demonstrativ die Hände in Unschuld gewaschen: Man habe keine illegale Spezifikation in das Modul eingebaut. Sprich: Man hat die Software nicht programmiert, die dann dafür verantwortlich war,

HALLO ZUSAMMEN

Der glückliche Horst Seehofer

dass mehr als elf Millionen VWFahrzeuge (auch auf deutschen Straßen) unterwegs sind, die in Wirklichkeit bis zum Vierzigfachen (!) mehr Stickoxide ausstoßen als offiziell angegeben, bzw. in den von der Software manipulierten Tests festgestellt wurde. Es mag richtig sein, dass Bosch ja nur jenes Bauelement geliefert hat, das sich dann per Software zur Manipulation

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so prima eignete. Umgekehrt gesagt: Ohne die passende Funktion im Bauelement hätte das Ding gar nicht erst so programmiert werden können, dass der gigantische Betrug funktionierte. Weshalb ist das wichtig? Weil dadurch wahrscheinlicher wird, dass nicht nur VW, sondern auch andere von Bosch belieferten Autohersteller der Versuchung erlegen sein könnten, ihre Modelle zwischen Test und Wirklichkeit unterscheiden zu lassen. Nach dem VW-Konzern ist auch BMW in den Fokus geraten. Der BMW X3 xDrive 20d hat bei Straßentests des Forschungsinstituts ICCT „auffällige Stickoxidwerte“ produziert, die um das Elffache über der europäischen Norm liegen. Es könnte mehr als nur eine Lawine sein, die hier losgetreten wurde. Und weil das Geschäft längst

international geprägt wird, sind auch ausländische Autohersteller in der Verlosung. Es geht also hier nicht darum, den Schaden für die deutsche Industrie in Konkurrenz zu ausländischen Autoherstellern zu betrachten. Vielmehr ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass sehr viele Autos verschiedener Marken unterwegs sind, die die Umwelt weit mehr belasten als bisher bekannt. An der Idee der Software, die zwischen Test und Straße unterscheidet, ist besonders befremdlich, dass ja nicht im Test etwas „abgeschaltet“ wird, sondern umgekehrt im normalen Betrieb. Ein Katalysator, der ja da ist, wird umgangen. Und warum? Weil das Auto dann mehr Leistung hat. Heiliges Auspuffrohr!

Horst Seehofer scheint recht glücklich zu sein. Denn die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel bietet ihm die Chance, sich noch einmal mächtig in Szene zu setzen. Damit dies gut gelingt, setzte er selbst einen anderen in Szene, der in Europa als Antipode zu Merkel gilt: Viktor Orbán, ungarischer Konservativknochen, der sich als Kämpfer für die Außengrenzen Europas sieht und auf Einladung von Seehofer zur CSU-Klausur im Kloster Banz eine in Seehofers Sinne sehr passende Rede hielt.Weil Orbán sich darin wie erwartet massiv gegen Merkel positionierte, war dann Seehofer so gütig, dass er mit ernster Miene meinte, dass ihm nun gar nicht der Sinn nach politischen Spielchen gegen Merkel stehe, also eben solchen, die er gerade geschickt mit Orbán inszeniert hatte. Eher gehe es darum, dass jetzt Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam anpacken. Das war allerdings eher eine Art von Zahlungsaufforderung. Und siehe da: Der Bund hat den Ländern prompt zwei Milliarden Euro fürs laufende Jahr zugesagt. Der Horst Seehofer ist glücklich. Michael Zäh


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