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Ausgabe 215 am 21. Januar 2017
Eigener Kopf
Heuchelei
Auf Safari-Tour
Interview
Fußball
„Sehnsucht Afrika“
Dong-Seon Chang ist Neurowissenschaftler und für seine unterhaltsamen Sciene Slams bekannt. In Freiburg stellt er sein aktuelles Buch vor. Seite 2
Während der SC Freiburg das Los des Underdogs gegen die Bayern kennt, hat sich eine seltsam heuchlerische Diskussion um die WM entbrannt . Seite 9
Mundologia-Vortrag von Reiner Harscher beim 14. Mundologia-Festival in Freiburg vom 3. bis 5. Februar im Konzerthaus. Wir verlosen Tickets! Seite 13
Wahl der Wahrheit Im Wahljahr 2017 ist die Konstellation ziemlich schräg: Merkel steht eigentlich gegen alle, weil jeder für sich steht. Es scheint ihr Spaß zu machen, gegen Seehofer, die AfD, Donald Trump und Brexit-Sprüche eine klare Kante zu zeigen. Von Michael Zäh
E
s ist das Jahr der Wahl(en). Das könnte dann zum Jahr der Wahrheit führen. Wenn im September die Bundestagswahl stattfindet, wird diese wohl zum Gradmesser für viele politische Phantasien. Jedenfalls ist zum Start dieses Jahres die Konstellation schon ziemlich schräg: Da ist eine Angela Merkel, die nach jüngsten Umfragen wieder von 53 Prozent der Deutschen zur Kanzlerin gewählt würde, wenn man sie direkt wählen könnte. Aber sonst ist da nicht viel an Unterstützung für die Kanzlerin zu spüren. Selbst die CDU wirkt zerrüttet und setzt nur auf Merkel, weil sie allein die Partei an der Regierung halten kann. Oder wie Merkel so oft in ihrer Laufbahn schon gesagt hat: Alternativlos! Dies wiederum sehen aber ihre Widersacher als ihre Chance an. Denn es ist ja nicht eine Regierung, die geschlossen in den Wahlkampf geht, um wieder gewählt zu werden. Das liegt bei einer großen Koalition in der Natur der Sache: Die SPD sieht sich als Hauptgegner und wird wohl den (ziemlich chancenlosen) Sigmar Gabriel ins Rennen schicken. Die Grünen haben jüngst per Urwahl die „Realos“ Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir als ihre Kandidaten auserkoren, die Linkspartei hat sich für Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch entschieden. Die FDP besteht sowieso praktisch nur aus Christian Lindner. Die spannende Frage lautet ja eher, was eigentlich rechts von der Mitte und der Merkel passiert. Denn die CSU und die AfD liefern sich dort ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den hochdotierten Merkel-Kritiker-Cup. Hier hat Horst Seehofer in den ver-
HALLO ZUSAMMEN
Kiffen wie in Amerika?
gangenen zwei Jahren ungeniert und ungehemmt sehr viel Porzellan zerschlagen. Wenn er sich denn nun doch noch hinter Angela Merkel und deren Kanzlerin-Kandidatur stellt, dann muss man sich schon fragen, warum er eigentlich für sie wahlkämpft, wo er sie doch bis zum Rand des Erträglichen für völlig inkompetent in der Flüchtlingsfrage hingestellt hat. Ja noch mehr: Er hat der AfD im Grunde die Steilvorlage gegeben, Merkel als eine Person darzustellen, die sogar gegen das Grundgesetz verstoßen und das Recht gebrochen habe. Da ist also noch die AfD, die auf erdrutschartige Siege spekuliert. Sie bezieht sich natürlich jetzt auch auf den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der jüngst in der BILD-Zeitung (ja genau, das ist die Zeitung, von der schon Schröder sagte, dass man keinesfalls gegen,
sondern nur mit ihr regieren könne) ein Interview gegeben hat (siehe dazu auch Seite 3) und darin auch gleich sein großherrschaftliches Urteil gefällt hat: „Ich kenne sie nicht und habe sie nie getroffen. Ich hatte das Gefühl, dass sie eine großartige Anführerin ist. Aber ich finde, sie hat einen äußerst katastrophalen Fehler gemacht, und zwar, all diese Illegalen ins Land zu lassen“, so Trump in seiner erschreckenden, puren Oberflächlichkeit (man mag ihm wünschen, dass er niemals ein Mensch ist, der vor Gewalt und Elend flüchten muss, da er sich ja damit gleichzeitig zum „Illegalen“ machen würde, übrigens gegen alle internationalen Gepflogenheiten, da das Asyl-Recht genau dafür da ist, dass Flüchtlinge keine Illegalen sind). Und daraus leiten die AfD-Lautsprecher nun natürlich ab, dass selbst der US-Präsident sich
gegen das AfD-Feindbild Merkel ausgesprochen hat. Hinzu kommt noch der „harte Brexit“, den Großbritanniens Premierministerin May angekündigt hat. An dieser Stelle fragt man sich nur, warum die rechten AfD-Populisten eigentlich glauben, dass ein nationalistisch orientiertes Deutschland weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein könne. Unser Reichtum kommt schließlich als Exportweltmeister zustande. Nun gut, im Jahr der Wahl, das vielleicht die Wahl der Wahrheit nach sich zieht, steht Merkel quasi gegen alle, weil sonst jeder für sich steht. Sie steht dabei auch für Maß und Mitte. Und man wird das Gefühl nicht los, dass es ihr gewissermaßen Spaß macht, gegen AfD-Parolen, gegen einen US-Präsidenten Trump und gegen Großmachtphantasien des Königreichs eine klare Kante zu zeigen.
Das ist ja wie im Rausch! Also, dass Kiffen jetzt zur Kassenleistung wird, meinen wir eher nicht. Das ist gut so, wenn es denn schwerkranken Menschen hilft, die es sich bisher wegen der Weigerung der Kassen, die Kosten zu übernehmen, gar nicht leisten konnten, legal an Cannabis zu kommen. Was wir meinen, ist die äußerst seltene Tatsache, dass es im Bundestag bei dem Gesetzesbeschluss eine seltsame Einigkeit gab: So lobte die Opposition die Koalition ausdrücklich für das Gesetz. Es lasse „wenig Spielraum zum Meckern“, sagte etwa der Drogenexperte der Linken, Frank Tempel. „Chapeau, Frau Mortler!“, sagte denn auch der Grünen-Experte Harald Terpe zur Drogenbeauftragten, also zu Marlene Mortler (CSU). Wenn sich von rechts, über grün bis links alle quasi in den Armen liegen, könnte das ja fast schon an amerikanische Verhältnisse anknüpfen, wo ja inzwischen in acht Bundesstaaten (parallel zur Wahl von Trump, als Fußnote sozusagen) der Cannabiskonsum freigegeben wurde. Wollen wir mal hoffen, dass dies nicht zwingend ein Hinweis darauf ist, womit man sich trösten soll, weil Trump gewählt wurde. Michael Zäh