218. Ausgabe, ET 04.03.2017

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 218 am 4. März 2017

Über Schönheit

Die Hungrigen

Voller Sehnsucht

Interview

Tipp

Bundesliga

Der Musikjournalist Holger Noltze im Gespräch mit dem 93-jährigen Pianisten Menahem Pressler. Seite 2

Annett Louisan kommt nach Freiburg ins Konzerthaus. und singt übers Reisen. Wir verlosen 3 x 2 Tickets für das Konzert. Seite 3

Ein Ausblick auf die kommenden drei Spieltage: Der SC Freiburg im Europa-Check, RB Leipzig im Kampf-Check. Seite 7

Aus dem Schatten heraus Nach der Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel in der Türkei fällt Angela Merkel etwas auf die Füße, was sie ursprünglich als Chance verkauft hatte. Nämlich das „Flüchtlingsabkommen“ mit Erdogan, das Merkel erpressbar macht. Von Michael Zäh

D

er „Deal“ hat in Zeiten von Donald Trump eine gewisse, eher unschöne Popularität erreicht. Seinem Wesen nach war der „Deal“ zuvor eher im Schatten zu Hause, eine Absprache zwischen zwei oder mehreren Parteien, die allen zum Vorteil dienen sollte, aber nicht unbedingt in jeder Einzelheit ans Licht der Öffentlichkeit treten musste. Der „Deal“ funktionierte im gegenseitigen Einvernehmen. Dabei wurde natürlich auch gerne mal so richtig abgesahnt. Mit dem Großkotz Trump hat der „Deal“ nun seinen stillen Status eingebüßt. Denn der Narziss Trump will den „Deal“ für sich reklamieren, also ganz offensichtlich das Ding seines Wesens berauben, indem er ihn der Welt als etwas präsentiert, das nur einen Sieger und einen Verlierer haben kann. Der Sieger ist der, der den anderen über den Tisch zieht, also natürlich immer Trump selbst, während der Verlierer sich im Licht der Öffentlichkeit als der Depp darstellt, der heimlich etwas für sich heraus schlagen wollte, aber daran kläglich scheiterte. Das sind nun keine gute „News“ für Angela Merkel, die eher im Schatten mit dem türkischen Trump, also der Mann heißt Erdogan und baut die Türkei gerade eifrig nach seinem Bilde um, einen Deal gemacht hatte. Sie wollte nämlich schnell viel weniger Flüchtlinge in Deutschland haben, nachdem sie eher ganz aus Versehen die Willkommens-Kanzlerin war und danach deutlich wurde, dass ihr „Wir schaffen das!“ der schnellste Weg zur Abwahl sein würde. Beharrlich und schlau wie sie ist, hat sie halt einen „Deal“ mit

HALLO ZUSAMMEN

Lippen gespitzt und gehüpft

Erdogan gemacht (unter anderem), der ja nun nicht unbedingt in allen Einzelheiten allen Menschen bekannt werden musste, der aber grob formuliert hieß: Du kriegst Geld und noch ein paar weitere Goodies, wenn du uns die Flüchtlinge vom Hals, also bei dir in der Türkei hälst. Die sollen vor der Tür der EU und erst recht vor unserer deutschen Haustür bleiben, ohne dass ich böse Frau sie wegschicken müsste. Tja, und dieser Deal, der ja so schlau überlegt war, solange er nicht in jeder Talk-Show zum Thema gemacht wurde, fällt der Kanzlerin jetzt so richtig auf die Füße. Denn er hat halt zwei Seiten, wie jeder Deal. Klar konnte man sich davon auch erhoffen, dass ein beiderseitiges Interessengeflecht sich positiv auf das Verhalten eines Recep Tayyip Erdogan auswirken kann. Dadurch war man ja immer-

hin im Gespräch und lockte mit weiteren Beitrittsgesprächen zur EU, die inzwischen in weite Ferne gerückt sind. Das wäre die eine Seite, quasi die Seite des Wunschdenkens. Umgekehrt wuchs aber auch die Abhängigkeit Deutschlands und der EU von Erdogan. Denn der drehte schon bald den Spieß um und drohte bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass er das Flüchtlingsabkommen aufkündigen werde. Also damit, dass Millionen von Flüchtlingen die EU und Deutschland vor unlösbare Probleme stellen werden. Erst kürzlich war die Kanzlerin ja in Ankara und mahnte dort mit einer Schaufensterrede die Pressefreiheit an. Erdogan schwieg und nickte (unmerklich). Als Reaktion darauf wurden weitere unliebsame Journalisten verhaftet, unter ihnen der Welt-Korrespondent Deniz Yücel, der einen türkischen sowie

einen deutschen Pass besitzt. Ihm drohen über zehn Jahre Haft „Wir denken an Deniz Yücel, der in Untersuchungshaft in der Türkei sitzt und dessen Freilassung wir fordern“, sagte Merkel nun. Die Bundesregierung werde „alles in ihrer Macht stehende tun, damit das geschieht.“ Der umgehende Konter des türkischen Justizministers Bekir Bozdag war zuckersüß vergiftet: „Die Türkei ist ein demokratischer Rechtsstaat.“ Denn dies war ja auch die Reaktion von Angela Merkel in der Böhmermann-Affaire, als damals Erdogan ihre Einmischung forderte. Wenn zum Deal mit Erdogan eine Zurückhaltung von Kritik gehört, dann hilft ihm das, eine Autokratie zu errichten.

Wenn ausgerechnet einer wie Mesut Özil ein Buch schreibt (bzw. schreiben lässt), dann merkt man schon von Ferne, dass ihm dies irgendein nur am Geld interessierter Berater eingeflüstert haben muss. Denn Özil kann zweifellos gut kicken, aber hat sich noch nie durch schöngeistige Aussagen hervor getan. Prompt kommt in dem Buch „Die Magie des Spiels“ (erscheint am 16. März) eine Episode vor, die sich Özil wohl bei etwas Nachdenken besser erspart hätte. Jetzt in Auszügen in der „Sportbild“ veröffentlicht: Mourinho in der Kabine zu Özil: „Weißt du, wie Zweikämpfe von dir aussehen? Nein? Ich zeig‘s dir.“ Daraufhin habe sich Mourinho auf die Zehenspitzen gestellt, seine Hände eng an den Körper gelegt, die Lippen gespitzt und sei durch die Kabine gehüpft. Man kann sich diese Szene so wunderbar vorstellen, dass Mourinho natürlich alle Lacher auf seiner Seite hat, der Buchveranlasser Özil aber genau das Vorurteil über ihn untermauert, dass er eben nur ein Schönspieler sei. Blöd gelaufen! Michael Zäh


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