Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage
Ausgabe 223 am 13. Mai 2017
Wahlen im Iran
Rosenkrieg
Linien im Raum
Interview
Bundesliga
Leben
Tim Epkenhans, Professor für Islamwissenschaft, ist überzeugt: Es wird eine Wahl zwischen Kontinuität und Konfrontation. Seite 2
Der öffentliche Schlagabtausch zwischen Dortmunds Boss Aki Watzke und Trainer Thomas Tuchel ufert immer weiter aus. Seite 9
Eine neue Stahlskulptur des 93-jährigen Künstlers Roland Phleps wurde in Herdern unterhalb des Hotel Mercure aufgestellt. Seite 13
Fünf Jahre sind knapp Emmanuel Macron ist neuer französischer Präsident und hat somit die EU vor dem Zusammenbruch gerettet. Die Franzosen haben sich nicht wie die Briten beim Brexit von nationalistischem Populismus blenden zu lassen. Von Michael Zäh
F
ünf Jahre. Das ist keine sehr lange Zeit im gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb. Und auch nicht im ganz normalen Leben. Nicht in den Beziehungen unter Menschen und schon mal gar nicht unter den Völkern. So hat Europa rund 60 Jahre gebraucht, um vom Krisen- und Kriegsherd zu einer gewissen, vornehmlich friedlichen Einheit zu finden. Fünf Jahre. Das ist eigentlich nichts im Vergleich. Aber die kommenden fünf Jahre sind eine Art Realitätsprüfung für Europa. In dieser Zeit wird sich klar zeigen, ob nun die Briten mit ihrer Mehrheit für den Brexit das bessere Los gezogen haben werden, oder die Franzosen, die dem jungen Macron diese fünf Jahre Zeit als Präsident gegeben haben, um seine Visionen und Versprechen in die Tat (die dann aber auch spürbar sein muss) umzusetzen. Nun gut. Dieser Wettbewerb der Realitätsprüfung zwischen Brexit einerseits und Emmanuel Macron als neuer Präsident in Frankreich andererseits ist etwas ungleich. Wenn sich nämlich in den nun kommenden fünf Jahren zeigen sollte (was durchaus nicht sicher sein muss), dass die Versprechen von britischen Populisten nicht zutreffen sollten und es für die Briten ohne EU deutlich schlechter aussieht als zuvor, dann hat das noch keine direkte Wirkung auf die EU. Es wäre lediglich ein Fingerzeig. Wenn sich aber in den kommenden fünf Jahren zeigen sollte, dass Macron es nicht schafft, seine Visionen in und für Frankreich zum Wohlergehen der Franzosen umzusetzen, könnte dies das Ende der EU bedeuten. Denn die Aufbruchstimmung, die er dem
HALLO ZUSAMMEN
AfD-Wahnsinn im Landtag
rückwärtsgewandten Populismus des rechten Front National etwas überraschend entgegen setzte, wird sich an der Lebensrealität messen lassen müssen. Und die ganze Zeit über, lächerliche fünf Jahre, wird Macron unter Beschuss der Opposition stehen. Die Rechtsradikalen unter Marine Le Pen und die Linksradikalen unter Jean-Luc Mélenchon werden alles tun, um das Land gegen Macron zu mobilisieren und gegen seine (geplanten) Reformen mit Streiks, Demos und jeder Art von Blockaden vorzugehen. Darin sind sie groß, die Franzosen. Da verprügeln ja auch gerne mal Gewerkschaftler einen Firmenboss. Sie sollten sich deshalb nicht nur selbst überlassen werden. Wer aber könnte Emmanuel Macron zur Hilfe eilen? Sollte dies etwa Angela Merkel sein? Das ginge wohl
kaum vor den Bundestagswahlen, die im September stattfinden. Denn eine Zusage von Merkel mitten im Wahlkampf zu womöglich in Deutschland äußerst unpopulären Maßnahmen (etwa Eurobonds) kann wohl niemand von ihr erwarten. So könnte der Wahlkampf in Deutschland davon bestimmt sein, ob und wie man Macron und eben auch Frankreich unterstützen will. Die SPD scheint jedenfalls etwas forscher zu Werke zu gehen. Sowohl Außenminister Sigmar Gabriel wie auch Kanzlerkandidat Martin Schulz haben sofort gefordert, den neuen französischen Präsidenten zu unterstützen. Doch wobei? Ein Großteil seiner Pläne sind spezifisch für Frankreich. Macron plant ja einerseits liberale Sozialreformen und andererseits ein großes Investitionsprogramm zum Ankurbeln der französischen
Wirtschaft. Er wird dabei gerade im Bereich der Reformen etwa im Arbeitsrecht auf erbitterten Widerstand stoßen. Und zuvor hat er noch das Problem, dass er am 11. und 18. Juni eine Mehrheit in der Nationalversammlung gewinnen muss, um seine Reformen überhaupt in die Tat umsetzen zu können . Da seine Bewegung „En Marche!“ ja noch keine Abgeordneten hat, wird hier die Zeit ziemlich knapp. Und knapp sind eben auch die fünf Jahre, die Macron nun Zeit hat.Die Franzosen waren klug genug, sich nicht wie die Briten vom rechten Populismus blenden zu lassen. Aber sie sind skeptisch, was sozialliberale Reformen angeht. Und dass nun Deutschland für große europäische Investitionsprogramme einsteht, glaubt auch keiner.
Auf erste Auftritte von AfD-Politikern im Landtag waren wir nicht wirklich gespannt. Was nun aber ein gewisser Rainer Podeswa von sich gab, soll uns doch ein Fingerzeig für das Ausmaß des Wahnsinns sein, der in der AfD grassiert. Im Kampf gegen den Klimawandel solle man sich am „Hexenhammer“ orientieren, sagte Podeswa am Donnerstag in Stuttgart. „Damals wurden Hunderte Frauen verbrannt und damit das Klima gerettet.“ Seine Fraktion applaudierte ihm. Das Werk gilt als Handbuch für „Hexenjäger“. Das 1486 in Ravensburg erschienene Buch hatte verheerende Wirkung für die weitere Verfolgung von Frauen in Europa, die bis ins 18. Jahrhundert 40.000 bis 60.000 Todesopfer forderte. Nun mag wohl sein, dass der AfD-Typ uns nur ein bisschen provozieren wollte. Sonst hätte womöglich keiner gemerkt, dass er auch im Landtag sitzt. Doch auch die Auswahl seiner Provokation würde dann viel über die AfD sagen: „Hexenjäger“ sind diese Leute gerne, weil sie an den Teufel glauben. Michael Zäh