227. Ausgabe, ET 08.07.2017

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 227 am 8. Juli 2017

Blatt bis Wurzel Interview Esther Kern kocht mit dem Grün von Karotten und mit Wassermelonenschalen. Darüber hat sie ein Buch mit Rezepten geschrieben. Seite 2

Karriereschritte

Aus zehn Ländern

SC Freiburg

Tipp

Beim Trainingsauftakt der Streich-Truppe waren noch keine Neuzugänge auf dem Platz. Kurz darauf wurde Philipp Lienhart verpflichtet. Seite 7

Die Proben für das große EU-weite Theater- und Tanzprojekt des Aktionstheaters Pan.Optikum haben bei der alten Lokhalle begonnen. Seite 10

Ganz geschmeidiger Spagat Wie Horst Seehofer und Angela Merkel bei der Präsentation des Wahlprogramms eine Einigkeit zelebrieren, die sie so nie hatten, ist eine reife schauspielerische Leistung. Wäre da nur nicht das blinde Huhn, das Eier legt. Von Michael Zäh

D

ie Darbietung war komisch. Angela Merkel und Horst Seehofer haben das Wahlprogramm der Union vorgestellt und sich dabei an schauspielerischer Leistung überboten. Seehofer, der noch 2015 gegenüber Merkel den nicht ganz unerheblichen Vorwurf erhob, dass die Kanzlerin mit ihrer Öffnung der deutschen Grenzen eine „Herrschaft des Unrechts“ befördert habe, sprach nun gar davon, dass er „blindes Vertrauen“ in die Merkel habe. Das nennen wir mal einen Seehofer-Spagat von größter Geschmeidigkeit. Gestern noch die Rechtsbrecherin, die man in die Schranken weisen muss, und heute die Königin seines Herzens. Weil das auch Angela Merkel etwas zu weit ging, wollte sie die Sache mit dem „blinden Vertrauen“ ein bisschen relativieren. „Blindes Vertrauen“ dürfe natürlich nicht in dem Sinne gemeint sein, wie das „blinde Huhn“, das auch einmal „ein Ei“ finde. Lieber spreche sie von „völligem Vertrauen“, so Angela Merkel. Da hat sich die Kanzlerin halt vertan, unbewusst, möchte man meinen, denn das Sprichwort geht

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Trump gegen Tim Wiese

anders. Das „blinde Huhn“ findet auch mal ein Korn, aber keineswegs ein Ei, denn ein solches legt es ja selbst, ob blind oder nicht. Was dann zu der Frage führt, ob Angela Merkel sich im Sinne der unbewussten Wahrheit versprach, dass sie sich nicht sicher ist, ob sie sich nicht selbst ein Ei ins Nest gelegt hat, bei so viel Heuchelei mit dem Seehofer und den Bayern. Denn die wollen ja noch den „Bayernplan“ präsentieren, der Ende Juli beschlossen werden soll. Der sei nicht gegen das gemeinsame Wahlprogramm („kein Anti-Regierungsprogramm“) versicherte Horst Seehofer. Na ja, aber da soll all das drin stehen, was die CSU von Angela Merkel unterscheidet, also quasi ein Brennglas gegen jedwedes blinde Vertrauen. Und dann müsse erst einmal die Wahl gewonnen werden, so Horst Seehofer. Bevor er schließlich in

die Koalitionsverhandlungen gehen wird, an deren Ende endlich die Obergrenze für Flüchtlinge fixiert sein soll. Und zwar in Tinte, schwarz auf weiß, weil Verträge dann doch besser taugen als blindes Vertrauen in eine Kanzlerin des „Unrechts.“ Okay, es ist jetzt Wahlkampf. Und der Slogan der Union lautet: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Selten hat ein Spruch so treffend mit dem Programm überein gestimmt. Der Union geht es um jene Wähler der „Mitte“, denen es recht gut geht. So soll es das „Baukindergeld“ geben. Wer eine Immobilie kauft bekäme hier pro Kind und Jahr 1.200 Euro Zuschuss über einen Zeitraum von zehn Jahren. Das ist nett. Familien sollen in die eigenen vier Wände. Aber es kann sich ja nur an jene richten, denen es finanziell so gut geht, dass sie über den Kauf einer

Immobilie überhaupt nachdenken können. An jene, die gerade so über die Runden kommen (oder eben nicht mal das), richtet sich das nicht. Na klar hat das SPD-Chef Martin Schulz zur Steilvorlage genommen, das Wahlprogramm der Union scharf anzugreifen: „Es ist ein mutloses Programm, ohne Ideen für die Zukunft. Es ist ein Programm, das unseriös, ungerecht und auch unverantwortlich ist“, so Schulz. Heftige Vorwürfe. Doch die Kanzlerin scheint das wohl eher zu amüsieren. Sie sagte bei der Präsentation des Wahlprogramms, dass sie „Lust auf die Zukunft“ habe. Als ließe sie sich einfach nur gut gelaunt dahin treiben, statt angestrengt Ideen zu entwickeln, wie Schulz das fordert. Na ja, sie lebt ja gut und gerne dort, wo sie regiert.

Die „Prügelattacke“, die Trump via Twitter in und um die Welt schickte, ist infantiler Quatsch. Da sieht man Donald Trump, den US-Präsidenten, wie er in Wrestling-Manier am Rande des Rings wild auf einen Mann eindrischt, in dessen Gesicht das CNN-Logo montiert ist. Der Fernsehsender ist ja ein von Trump zum Erzfeind erklärtes Ziel. Die hier ins Bild gesetzte Gewalt lässt einem wegen der Geschmacklosigkeit schaudern, gerade weil sie von vornhererin gespielt war. Das ursprüngliche Video stammt von 2007 und wurde als Teil einer Wrestling-Show erstellt. Dort ist ja alles inszeniert und sind die Kämpfer keine echten Menschen, sondern gestylte (Muskel-) Figuren mit möglichst martialischen Namen, die nur von Menschen gespielt werden. Donald Trump nähert sich Tim Wiese, indem er an der Wrestling-Show teil hat. Nun gut, jedem seinen Spaß. Aber die nun neu bearbeitete Version, die Trumps Hass gegen die Presse eine witzige Seite abringen will, hätte glatt als Satire durchgehen können. Trump hat das nicht mal gemerkt. Michael Zäh


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