231. Ausgabe, ET 23.09.2017

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 231 am 23. September 2017

Banken machen Politik

Chinesische Kultur

Sahnestückchen

Buchtipp

Champions-League

Krediterzeugtes Wachstum ist riskant und schädlich, schreibt Gabor Steingart in seinem Buch „Unser Wohlstand und seine Feinde“. Seite 2

Schon in der Gruppenphase gibt es Leckerbissen für deutsche Teams und Fans. Dortmund erwartet Real Madrid und die Bayern reisen nach Paris zum Scheichklub. Seite 9

Leben Weltweiter Tag der Konfuzius-Institute: Am Sonntag, 24. September, findet in Freiburg im Historischen Kaufhaus ein „Erlebnistag China“ mit vielen Workshops statt. Seite 13

Die Wahl ist keine Qual Der Gang in die Wahlstuben ist ein Stück gelebte Freiheit. Wenn sich viele Wähler von den Umfrage-Ergebnissen im Vorfeld der Wahl beeindrucken lassen, ist das eine sich erfüllende Phrophezeiung der Umfrage-Institute. Von Michael Zäh

A

m morgigen Sonntag, 24. September, kann man wählen gehen. Es ist ganz einfach: zwei Kreuze machen, nach Bauchgefühl, Verstand und eigenen Wertvorstellungen. Alles ist für den Wähler bereitet, nix davon ist für ihn schwer. Es ist kein Kreuz mit den Kreuzchen und es ist keine Qual mit der Wahl. Vielmehr ist der Gang in die Wahlstuben ein Stück gelebte Freiheit. Es gibt ja viele Menschen auf diesem Planeten, die genau das gerne hätten. Also Leute, auf zur Wahl! Denn vor der Wahl ist noch nichts entschieden. Egal was die letzten Umfragen sagen. Denn dem Blick in die Glaskugel, der von den Instituten als kühle Gewissheit verkauft wird, ist eine erhebliche Unschärfe eigen. Dies allein schon, weil die Demoskopen aus den Antworten von 1000 bis 2500 Befragten ein Bild der politischen Landschaft zeichnen wollen. Das sind deutlich weniger als 0,01 Prozent der rund 60 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland. Bei aller Kunst von mathematischer Auswertung der wenigen Stimmen sind halt diese Umfragen noch lange nicht die Wahlergebnisse. In jüngster Zeit kommen noch weitere Faktoren dazu, die bei den Umfragen zusätzlich Fragezeichen aufwerfen. Meistens sind es bei den sieben größten Umfrage-Instituten noch immer Telefon-Interviews per Festnetz. Ist das noch zeitgemäß? Viele junge Menschen machen ja alles in sozialen Netzwerken und sind per Festnetz gar nicht mehr

zu erreichen. Und ganz generell darf doch bezweifelt werden, ob die Zufallsgeneratoren dann auch zu repräsentativen Ergebnissen führen. Mal hatte der Eine keine Zeit, dann hat der Andere keine Lust, oder aber der Angerufene weiß sogar um die Tragweite seiner Aussagen und setzt diese bewusst so ein, dass er ein Bild erzeugt, das gar nicht seiner wahren politischen Gesinnung entspricht, aber für ihn taktisch wertvoll ist. Bei aller Erfahrung der großen Institute und deren Call-Center-Mitarbeiter ist ja am Ende doch kein Test beim Lügendetektor angesagt.

Die Demoskopen wissen um all diese Tücken bei der Befragung und der entsprechenden Auswertung in ihren Umfragen. Und weil sie das dann durch eine „Gewichtung“ der Aussagen korrigierern wollen, etwa von besonders problematischen Gruppen, wird das Gesamtergebnis erst recht zweifelhaft. Denn es stellt ja einen Eingriff da, wenn man die Aussage einer Person X (sagen wir: weiblich, 60 Jahre, vermögend) gegenüber einer Person Y (sagen wir: männlich, 48 Jahre, schuftender Familienvater) anders „gewichtet“, aufgrund statistischer Umstände.

Man kann ja durch solche Rechenoperationen dann schon auch genau das Ergebnis in die Welt setzen, das man möchte. Deshalb stellt sich kurz vor der Wahl natürlich auch die Frage, ob die Umfragen nur die vermeintliche Realität abbilden, oder nicht sogar genau diese Realität erst entstehen lassen. Denn die Ergebnisse all dieser Umfragen umzingeln die Wähler ja förmlich. Keiner kann dem Wissen entkommen, wo welche Partei angeblich nach Prozenten gerade steht. Da ist es naheliegend, dass besonders die bis zuletzt noch wankelmütigen Wähler (derzeit angeblich 40 Prozent!) ihr Kreuz am Ende auch von den Umfragen zuvor bestimmen lassen. Schon allein aus psychologischen Gründen: Man will ja keine Partei wählen, von der es zuvor in den Umfragen heißt, dass sie der große Verlierer sein wird. Man neigt dazu, diese Looser-Partei nicht zu wählen und schwupps wird die nach der Wahl der große Verlierer sein. Das nennt dann man eine sich (nicht selbst) erfüllende Phrophezeiung der Umfrage-Institute. Dabei sind deren Ergebnisse der Umfragen eigentlich gar nicht als Prognosen, sondern als bloße Momentaufnahme der Wähler-Befindlichkeiten gedacht. Wie die Wahl von Trump zum US-Präsidenten, der nicht voraus gesagte Brexit oder auch der Sieg von Macron bei der Präsidentenwahl in Frankreich zeigen, können Umfragen gewaltig irren. Also: Wählen gehen!

HALLO ZUSAMMEN

Schröder, du alter Russe! Es gibt Witze, die so gut sind, dass man sie einfach weiter sagen muss. Dieser kam zuerst im Radio, bei SWR3: „Die Neue von Gerhard Schröder kommt aus Südkorea und nicht aus Nordkorea. Trotzdem ist sie eine Rakete.“ Jenseits solch lustiger Sätze ist es ein Unding, dass das Privatleben des inzwischen 74-jährigen Schröder mal wieder in die Schlagzeilen manövriert wird. Und es klingt dabei immer so eine Anti-Schröder-Haltung durch. „Es geht um mein Leben. Und darüber bestimme ich, und nicht die deutsche Presse“, antwortete der Altkanzler kürzlich auf die Frage nach seinen Russland-Geschäften. Und dies dürfte umso mehr für seine neue Lebensgefährtin gelten. Es handelt sich um eine Südkoreanerin namens Soyeon Kim. Sie arbeitete schon länger als Dolmetscherin für ihn. Um nun der Sache den rechten Drall zu geben, haben sich also deutsche Journalisten dahinter gekrallt, dass die 48jährige Frau bereits seit 2011 für „NRW Invest“ in Seoul arbeitet. NRW und SPD, Mensch alter Russe! Ja, Schröder liebt auch Putin. Michael Zäh


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