232. Ausgabe, ET 07.10.2017

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Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage

Ausgabe 232 am 7. Oktober 2017

Intelligente Gefahr

Nachhall

Was Pep gut findet

Essay

FC Bayern München

Leben

Ist Künstliche Intelligenz das größte Risiko für den Weltfrieden? Löst KI bald Kriege aus? Gedanken zu Elon Musk. Seite 2

Nach der Entlassung von Carlo Ancelotti bei den Bayern gab es in Berlin den Gegenbeweis der These, dass der Trainer alles falsch gemacht hatte. Jetzt kommt ein Pep-Freund. Seite 9

Wiedereröffnung der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Prachtbau mit DDR-Nostalgie und hochmoderner Technik. Seite 13

Wo Heimat auf der Flucht ist Zum Tag der Deutschen Einheit sinnierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier darüber, dass die „Sehnsucht nach Heimat“ nicht den Nationalisten überlassen werden dürfe. Na schön, aber was ist Heimat für uns eigentlich? Von Michael Zäh

W

as ist Heimat für uns? Tja, eine Frage. Daran schließt sich sogleich die nächste an: Für wen? Für „uns“ als Gemeinschaft, sagen wir sogar: als Deutsche? Für jeden von uns als Person, mit seiner Kindheit, all seinen Erinnerungen und eben auch jenen Örtlichkeiten, die ihm von jeher vertraut sind? Oder sind es gar nicht die Örtlichkeiten, sondern die emotionalen Verbundenheiten, zu ersten Vertrauenspersonen, zu der Familie, später auch den Freunden und dem Weltbild, was sich daraus ergibt? Sagen wir, wir gehen an einem Fluss oder in einem Wald spazieren (am besten mit Hund), den wir schon seit Kindheitsbeinen kennen. Der ist uns zutiefst vertraut und wir haben ihn uns erobert, vielleicht seit Jahrzehnten. Nun taucht da ein Fremder auf, den wir zuvor da noch nie gesehen haben. All die Jahre nicht. Was macht der da? Oder sagen wir, da ist die kleine Mauer am Strand in Spanien, wo es immer wieder so schön war, mit Blick auf das Meer, mit totaler Entspannung, die Füße hoch legen und in die Abendsonne blinzeln, schon so oft in Jahrzehnten. So vertraut. Und keiner sagt: Was macht der da? Vielleicht ist es aber auch Paris, Berlin, Hamburg, Barcelona oder Nizza, unter all den vielen Leuten die da sind und die eben gerade das Gefühl von Heimat ausmachen, das

sie dir geben, als einer unter den Vielen. Du hast es dir vielleicht durch viele Besuche erkämpft, oder aber du gehst irgendwo joggen und da ist plötzlich dieser Duft einer Blüte in deiner Nase, die du nie mehr gerochen hast, seit damals, als du noch ganz klein warst und dein Vater mit dir in Italien war. Du hast gar keine Bilder dazu im Kopf, aber du hast diesen Geruch für immer gespeichert. Du fühlst Heimat. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt am 3. Oktober nun also eine Rede zum Tag der Deutschen Einheit, in der er auf den Begriff der Heimat zu sprechen kam. Die Sehnsucht nach Hei-

mat sei wichtig und verständlich, sagte er. „Diese Sehnsucht nach Heimat dürfen wir nicht denen überlassen, die Heimat konstruieren als ein „Wir gegen die“; als Blödsinn von Blut und Boden; die eine heile deutsche Vergangenheit beschwören, die es nie gegeben hat“, so Steinmeier. Was übrigens tatsächlich auffällig ist, wenn etwa ein AfD-Gauland die „Heimat seiner Väter“ gefährdet sieht. Denn angesichts von Gaulands Alter können diese Väter ja nur in den Zeiten des „Dritten Reichs“ Heimat empfunden haben. Wer will das zurück? Wer will diese Heimat wieder haben? Nun gut, die politische Realität in Deutschland nach der Bundestagswahl ist eben so, dass ja gerade im Os-

ten die Zustimmungswerte für die rechte AfD oft im führenden zweistelligen Bereich lagen, was natürlich am Tag der Deutschen Einheit schon etwas misslich daher kommt (man stelle sich nur vor, man hätte nicht so viel für diese Wiedervereinigung aufgewendet, sondern den Leuten dort im Osten den westdeutschen Stinkefinger gezeigt), aber genau deshalb war Steinmeier ja auf das Große und Ganze aus. „Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung und Wut“ seien bei manchen so fest geworden, dass Argumente nicht mehr durchdrängen. „Hinter diesen Mauern wird tiefes Misstrauen geschürt, gegenüber der Demokratie und ihren Repräsentanten.“ Allerdings seien nicht alle, die sich abwendeten, Feinde der Demokratie. „Aber sie fehlen der Demokratie“, sagte er. Tja, wo sind die nur hin? Waren sie überhaupt jemals in der Demokratie beheimatet? Steinmeier warb nun dafür, sie zurück zu gewinnen. Also sagte er: „Die Sehnsucht nach Heimat - nach Sicherheit, nach Entschleunigung, nach Zusammenhalt und Anerkennung - die dürfen wir nicht den Nationalisten überlassen.“ Applaus, Applaus! Heimat ist dort, wo einer angekommen ist. Dort, wo es sich gut anfühlt. Meistens nicht an Orten, sondern unter Menschen. Heimat ist sehr persönlich. Sie ist nicht dort, wo Angst geschürt wird. Dort flüchtet sie.

HALLO ZUSAMMEN

Den Kopf mal durchlüften Den Kopf mitsamt Gehirn mal so richtig durchlüften, das kann ja nicht schaden. So sagt es sich im Volksmund schon lange. Nun hat eine Studie des Max-Planck-Instituts quasi sensationell belegt, dass es für das Hirn gut ist, am Wald zu wohnen. Städter laufen eher Gefahr, an psychischen Leiden wie etwa Depressionen, Angststörungen und Schizophrenie zu erkranken als es die Landbewohner tun, teilte nun das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung mit. Im Vergleich zeigen Städter eine höhere Aktivität des Mandelkerns als Landbewohner – eine kleine Region im Innern des Gehirns, die - so klein aber so oho - eine wichtige Rolle bei der Stressverarbeitung und bei der Reaktion auf Gefahren spielt. Der Mandelkern – in Fachkreisen auch Amygdala genannt – gibt allerdings das grundsätzliche Rätsel von der Henne und dem Ei auf. Ob sich das waldnahe Wohnen tatsächlich positiv auf die Amygdala auswirkt oder ob Menschen mit gesünderer Amygdala waldnahe Wohngebiete aufsuchen, ließe sich nicht entscheiden, hieß es. Kopf lüften! Michael Zäh


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