Meinung, Tipps & mehr für volle 14 Tage
Ausgabe 233 am 21. Oktober 2017
Keine Selbstbestimmung
Lecker & mehr
Nervenstresstest
Interview
SC Freiburg
Dr. Claus Pusch, Sprachwissenschaftler für Tomanistik an der Uni Freiburg, zum Konflikt zwischen Katalonien und Spaniens Zentralregierung. Seite 2
Nach der 0:5-Niederlage bei den Bayern kommt jetzt die auswärts noch sieglose Hertha aus Berlin, bevor es zum heißen Derby nach Stuttgart geht. Seite 9
Leben Bei der Dinnershow CHIC‘ORIA auf dem Bohrerhof in Feldkirch gibt es zum feinen Vier-Gänge-Menü viel zum Lachen und Staunen: Akrobatik, Comedy und Poesie. Seite 13
Alles hat Zeit Lange Zeit kam Angela Merkel damit durch, die Probleme in aller Ruhe auszusitzen. Nun sind die Zeiten aber rauer geworden, nach den Einbußen bei der Bundestagswahl und dem Wahlergebnis in Niedersachsen. Vielleicht hilft ihr Jamaika. Von Michael Zäh
W
enn es mühsam wird, heißt es gerne, dass es halt seine Zeit brauche. Das klingt danach, als würde den Dingen diese Zeit inne wohnen, wie etwa einer Grippe, von der man sagt, dass sie ohne Arzt 14 Tage dauert, mit Arzt hingegen zwei Wochen. Nach den Wahlschlappen der Union bei der Bundestagswahl (auch wenn sie noch stärkste Partei blieb) sowie in Niedersachsen (wo die SPD mit großem Vorsprung gewann und nun auf der Suche nach einem Koalitionspartner ist) ist das Merkel-Mantra mit der Zeit, die es braucht, eines mit Verfallsdatum. Es war doch in den letzten zwölf Regierungsjahren von Merkel oft so, dass sie die Zeit, die allem inne wohnt, bestens im Griff hatte. Manche nannten das Aussitzen von Problemen, aber jedenfalls war es stets erfolgreich. Wäre es das nicht gewesen, wären es ja auch keine zwölf Jahre an der Macht geworden. Neuerdings lautet allerdings die Frage, ob eben nach diesen zwölf Jahren die Zeit nicht langsam abläuft. Selbst für Angela Merkel, der man offenbar auch in den eigenen Reihen nicht mehr rückhaltlos zutraut, alles zu seiner Zeit dann schon richtig zu machen. Die Sache mit dem schleichenden Vertrauensverlust begann ja lange vor der Bundestagswahl, und zwar nicht zuletzt wegen des Streits zwischen Bundeskanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer über die Flüchtlingspolitik. Dieser zeitweise äußerst heftig ausgetragene Streit war natürlich auch ein Richtungsstreit und hat sowohl Merkel wie auch Seehofer geschadet. Denn wohl kaum jemand wäre in der Lage
HALLO ZUSAMMEN
Voll sportlich im Quadrat!
gewesen, die Kanzlerin dermaßen zu verunglimpfen und Zweifel an ihrer Politik zu sähen wie ausgerechnet der Chef der Schwesterpartei. Als Seehofer dann aber kurz vor der Bundestagswahl den ach so netten Schulterschluss mit der Kanzlerin suchte, um sie bei ihrer Wiederwahl zu unterstützen, wurde ihm offenbar bei den Wählern in Bayern ein Wankelmut unterstellt, den man dann abstrafte. Seither gilt Horst Seehofer als angezählt. Und was macht Merkel? Sie trifft sich mit dem CSU-Chef und erzielt eine Einigung bei der von ihm immer verlangten Obergrenze. Die Einigung besagt, dass man jährlich nur noch 200.000 Flüchtlinge in Deutschland aufnehme, dies aber nicht Obergrenze genannt werden darf. Zufällig ist die Zahl von 200.000 Flüchtlingen aber genau jene, die Seehofer immer
als Obergrenze nannte. Da stellt sich natürlich die Frage, warum man sich zuvor so lange zum Schaden für beide Seiten gestritten hat, wenn man es jetzt so löst. Das hätte man ja dann schon vor ewigen Zeiten so machen können. Und als Merkel diese Frage nach der neuen Einigung auch prompt von einem Journalisten gestellt wurde, antwortete sie doch glatt: „Alles hat seine Zeit.“ Um sogar noch hinzu zu fügen: „Gestern war diese Zeit“, also jene des Streits. Und nun beginnt die Zeit der Sondierung mit der FDP und den Grünen über ein Regierungsbündnis. Ebenso geschlossen wie geschwächt geht also die Union mit ihrer Obergrenze, die einfach nicht Obergrenze heißen mag, in die Verhandlungen etwa mit den Grünen, die da etwas einzuwenden haben. Es könnte sich für Merkel noch als Glücksfall entpuppen, wenn eine
Jamaika-Koalition zustande käme. Das könnte vielleicht die gefühlte Lähmung der Kanzlerin weg wischen. Ihr Motto schien lange Zeit zu lauten: Alles hat Zeit! Zuletzt hatte sie hilflos bis abgedreht im eigenen Kosmos europäischer (und auch weltweiter) Politik gewirkt. Als ginge sie die Niederungen eines Alltags in Deutschland nicht ganz so viel an. Doch während des Wahlkampfes, der sie in viele Ecken der Republik geführt hat, ging ihr schon ein Licht auf, dass dieses Land eher gespalten ist in Arm und Reich, in Stadt und Land, in Schnell und Langsam, in Bildung und nicht genug Chancengleichheit. Seither spricht sie viel davon, dass man sich um soziale Fragen kümmern müsse. Eine späte Einsicht, aber alles kommt eben zu seiner Zeit.
Eine Idee ist ein Idee. Im Jahr 1932 sprach Clara Ritter eine solche aus. Die Frau, die mit ihrem Mann Alfred die Firma gegründet hatte, die ihren gemeinsamen Namen trug, wollte damals also ganz gezielt eine Schokolade auf die Welt bringen, „die in jede Sportjackettasche passt, ohne dass sie bricht“. Also recht sportlich das Ganze, weshalb die Schokolade „Ritter Sport“ heißt, obwohl noch keiner so recht begriffen hat, wie der Sport durch die Schockolade profitiert. Aber das ist ja auch nicht wesentlich. Sondern das, was sich danach in unser aller Sportlergehirn eingebrannt hat: Quadratisch, praktisch, gut - wahrlich ein Slogan für die Ewigkeit. Oder doch nicht? Milka (ja, genau die mit den lila Kühen, die freilich von Couchpotatos gegessen wird statt von Sportlern) hat das Patent von „Ritter Sport“ nun kassieren wollen, nämlich die Form, dreidimensional, also quadratisch, sollte nicht länger „Ritter Sport“ vorbehalten sein. Dieser Streit im und ums Quadrat ging bis zum BGH. Dort saßen aber sportliche Richter. Michael Zäh